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Document 32020H1475

Empfehlung (EU) 2020/1475 des Rates vom 13. Oktober 2020 für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie (Text von Bedeutung für den EWR)

ABl. L 337 vom 14.10.2020, p. 3–9 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

ELI: http://data.europa.eu/eli/reco/2020/1475/oj

14.10.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 337/3


EMPFEHLUNG (EU) 2020/1475 DES RATES

vom 13. Oktober 2020

für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie

(Text von Bedeutung für den EWR)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 21 Absatz 2, Artikel 168 Absatz 6 und Artikel 292 Sätze 1 und 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Unionsbürger das Recht auf Freizügigkeit.

(2)

Nach Artikel 21 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat „jeder Unionsbürger … das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten“. Mit der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (1) wird dieses Recht konkret ausgestaltet. In Artikel 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) sind die Freizügigkeit und die Aufenthaltsfreiheit ebenfalls verankert. Da zur Erreichung des in Artikel 21 AEUV genannten Ziels ein Tätigwerden der Union erforderlich erscheint und die Verträge anderweitig die erforderlichen Befugnisse nicht vorsehen, kann der Rat Vorschriften erlassen, mit denen die Ausübung der Rechte, sich frei zu bewegen und aufzuhalten, erleichtert wird.

(3)

Nach Artikel 168 Absatz 1 AEUV ist bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen.

(4)

Am 30. Januar 2020 rief der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wegen des weltweiten Ausbruchs des neuartigen Coronavirus, das die Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) verursacht, eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite aus. Am 11. März 2020 gelangte die WHO zu der Einschätzung, dass COVID-19 als Pandemie eingestuft werden kann.

(5)

Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, haben die Mitgliedstaaten verschiedene Maßnahmen ergriffen, die sich zum Teil auf das Recht der Unionsbürgerinnen und -bürger auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten ausgewirkt haben, wie Einreisebeschränkungen oder Quarantäneauflagen für grenzüberschreitend Reisende.

(6)

Am 13. Februar 2020 nahm der Rat Schlussfolgerungen zu COVID-19 (2) an, in denen er die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufforderte, in Zusammenarbeit mit der Kommission auf verhältnismäßige und angemessene Art und Weise eine enge und verstärkte Koordinierung unter den Mitgliedstaaten herzustellen, um die Wirksamkeit aller Maßnahmen zu gewährleisten, einschließlich erforderlichenfalls Maßnahmen in Bezug auf Reisen bei gleichzeitiger Wahrung der Freizügigkeit innerhalb der EU, um einen optimalen Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten.

(7)

Am 10. März 2020 betonten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die Notwendigkeit eines gemeinsamen europäischen Ansatzes im Hinblick auf COVID-19.

(8)

Seit März 2020 hat die Kommission eine Reihe von Leitlinien und Mitteilungen angenommen, um die Koordinierungsbemühungen der Mitgliedstaaten zu unterstützen und die Freizügigkeit innerhalb der Union in Zeiten der COVID-19-Pandemie zu garantieren (3).

(9)

Da die COVID-19-Pandemie zu einer beispiellosen gesundheitlichen Notlage geführt hat, ist der Schutz der öffentlichen Gesundheit sowohl für die Union als auch für ihre Mitgliedstaaten zu einer vorrangigen Aufgabe geworden. Auf der Grundlage des Schutzes der öffentlichen Gesundheit können die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Beschränkung des freien Personenverkehrs innerhalb der Union ergreifen. Gemäß Artikel 168 Absatz 7 AEUV tragen die Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Festlegung der einzelstaatlichen Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung, weshalb diese von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein kann. Die Mitgliedstaaten sind zwar dafür zuständig, über die am besten geeigneten Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, darunter zum Beispiel Quarantäne- oder Testvorschriften, zu entscheiden, doch sollten diese Maßnahmen koordiniert werden, damit die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit gewährleistet und eine schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsbedrohung wie COVID-19 bekämpft wird.

(10)

Bei der Annahme und Anwendung von Beschränkungen der Freizügigkeit sollten die Mitgliedstaaten die Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere die Verhältnismäßigkeit und die Nichtdiskriminierung, achten. Die vorliegende Empfehlung zielt darauf ab, die koordinierte Anwendung dieser Grundsätze auf die durch die COVID-19-Pandemie verursachte Ausnahmesituation zu erleichtern. Die mit dieser Empfehlung eingeführten Mechanismen sollten daher sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer Dauer strikt auf die als Reaktion auf diese Pandemie erlassenen Beschränkungen begrenzt bleiben.

(11)

Einseitige Maßnahmen in diesem Bereich können erhebliche Störungen verursachen, da Unternehmen und Bevölkerung mit einer Vielzahl unterschiedlicher und sich rasch verändernder Maßnahmen konfrontiert sind. In einer Situation, in der die europäische Wirtschaft bereits stark vom Virus beeinträchtigt wird, ist das besonders schädlich.

(12)

Diese Empfehlung soll eine verstärkte Koordinierung zwischen Mitgliedstaaten gewährleisten, die in Betracht ziehen, Maßnahmen zur Beschränkung der Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Gesundheit anzunehmen. Um Beschränkungen auf das absolut Notwendige zu begrenzen, sollten sich die Mitgliedstaaten so weit wie möglich darum bemühen, diese Beschränkungen in nichtdiskriminierender Weise nur auf Personen anzuwenden, die aus besonders stark betroffenen Gebieten oder Regionen einreisen, und sie nicht auf das gesamte Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaats ausdehnen.

(13)

Ein koordiniertes Vorgehen der Mitgliedstaaten erfordert gemeinsame Anstrengungen in den folgenden Schlüsselbereichen: Anwendung gemeinsamer Kriterien und Schwellenwerte bei der Entscheidung über die Einführung von Beschränkungen der Freizügigkeit, Kartierung des COVID-19-Übertragungsrisikos mithilfe eines vereinbarten Farbcodes und Annahme eines koordinierten Konzepts für die gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen, die in Abhängigkeit vom Übertragungsrisiko in angemessener Weise auf Personen angewandt werden können, die sich von einem Gebiet in ein anderes begeben.

(14)

Die in dieser Empfehlung genannten Kriterien und Schwellenwerte beruhen auf den von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Daten. Ein umfassender Datensatz und Karten, die den Stand bezüglich der gemeinsamen Kriterien in den EU-Regionen zeigen, sollten wöchentlich vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten unter Verwendung der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Daten veröffentlicht und aktualisiert werden.

(15)

Angesichts der Entwicklung der epidemiologischen Lage sollte die Kommission mit Unterstützung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten die in dieser Empfehlung genannten Kriterien, erforderlichen Daten und Schwellenwerte regelmäßig prüfen, einschließlich der Frage, ob andere Kriterien berücksichtigt oder die Schwellenwerte angepasst werden sollten, und ihre Erkenntnisse gegebenenfalls mit einem Vorschlag für eine Änderung der Empfehlung an den Rat zur Prüfung übermitteln.

(16)

Diese Empfehlung ist nicht so zu verstehen, als erleichtere oder fördere sie die Einführung von Freizügigkeitsbeschränkungen als Reaktion auf die Pandemie; vielmehr soll sie einen koordinierten Ansatz für den Fall bieten, dass ein Mitgliedstaat beschließen sollte, entsprechende Beschränkungen einzuführen. Die Entscheidung über die Einführung von Beschränkungen der Freizügigkeit liegt weiterhin in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die die Bestimmungen des Unionsrechts einhalten müssen. Ebenso bleibt den Mitgliedstaaten die Flexibilität erhalten, keine Beschränkungen einzuführen, selbst wenn die in dieser Empfehlung genannten Kriterien und Schwellenwerte erfüllt bzw. erreicht sind.

(17)

Die Mitgliedstaaten sollten Beschränkungen der Freizügigkeit nur dann in Betracht ziehen, wenn ausreichend nachgewiesen werden kann, dass der Nutzen für die öffentliche Gesundheit diese Beschränkungen rechtfertigt, und wenn hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Beschränkungen wirksam sind.

(18)

Um Störungen des Binnenmarkts und des Familienlebens während der Pandemie zu begrenzen, sollten Reisende, die eine wichtige Funktion ausüben oder deren Reise zwingend notwendig ist, wie Arbeitnehmer oder Selbstständige, die systemrelevante Funktionen wahrnehmen, Grenzgänger, Beschäftigte im Verkehrssektor oder Verkehrsdienstleister, Seeleute und Personen, die aus zwingenden beruflichen oder familiären Gründen reisen, darunter regelmäßig reisende Mitglieder internationaler Familien, von der Quarantänepflicht ausgenommen werden.

(19)

Die klare, rechtzeitige und umfassende Unterrichtung anderer Mitgliedstaaten und der allgemeinen Öffentlichkeit ist von entscheidender Bedeutung, um die Auswirkungen der eingeführten Freizügigkeitsbeschränkungen zu begrenzen, um Berechenbarkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten und um die Einhaltung der Vorschriften durch die Bürger sicherzustellen —

HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ABGEGEBEN:

Allgemeine Grundsätze

Bei der Annahme und der Anwendung von Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie sollten die Mitgliedstaaten ihre Maßnahmen so weit wie möglich auf folgende Grundsätze stützen:

1.

Jegliche Beschränkungen des freien Personenverkehrs innerhalb der Union, die eingeführt werden, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen, sollten auf spezifischen und begrenzten Gründen des öffentlichen Interesses beruhen, nämlich dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Solche Beschränkungen müssen im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung, angewandt werden. Daher sollten die getroffenen Maßnahmen nicht über das hinausgehen, was zum Schutz der öffentlichen Gesundheit unbedingt erforderlich ist.

2.

Sämtliche Beschränkungen dieser Art sollten aufgehoben werden, sobald die epidemiologische Lage dies zulässt.

3.

Es darf keine Diskriminierung zwischen Mitgliedstaaten geben, beispielsweise indem auf Reisen in einen und aus einem benachbarten Mitgliedstaat großzügigere Vorschriften angewandt werden als auf Reisen in andere und aus anderen Mitgliedstaaten, die sich in derselben epidemiologischen Lage befinden.

4.

Beschränkungen dürfen nicht durch die Staatsangehörigkeit der betreffenden Person begründet sein, sondern sollten auf dem Aufenthaltsort bzw. den Aufenthaltsorten der Person in den 14 Tagen vor der Einreise basieren.

5.

Die Mitgliedstaaten sollten stets ihre eigenen Staatsangehörigen sowie Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet haben, einreisen lassen und die rasche Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet erleichtern.

6.

Die Mitgliedstaaten sollten den Besonderheiten der Grenzregionen, der Regionen in äußerster Randlage, der Exklaven und der geografisch isolierten Gebiete sowie der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit auf lokaler und regionaler Ebene besondere Aufmerksamkeit widmen.

7.

Die Mitgliedstaaten sollten regelmäßig Informationen über alle Angelegenheiten austauschen, die in den Anwendungsbereich dieser Empfehlung fallen.

Gemeinsame Kriterien

8.

Wenn die Mitgliedstaaten erwägen, den freien Personenverkehr als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie zu beschränken, sollten sie dabei die folgenden zentralen Kriterien berücksichtigen:

a)

die „kumulative 14-Tage-Melderate für COVID-19-Fälle“, d. h. die Zahl aller auf regionaler Ebene innerhalb der letzten 14 Tage neu gemeldeten COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner;

b)

die „Testpositivitätsrate“, d. h. der prozentuale Anteil der positiven Tests an allen COVID-19-Tests, die in der letzten Woche durchgeführt wurden;

c)

die „Testquote“, d. h. die Zahl der COVID-19-Tests, die pro 100 000 Einwohner in der letzten Woche durchgeführt wurden.

Daten zu den gemeinsamen Kriterien

9.

Um sicherzustellen, dass umfassende und vergleichbare Daten verfügbar sind, sollten die Mitgliedstaaten dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten wöchentlich verfügbare Daten zu den unter Nummer 8 genannten Kriterien übermitteln.

Zudem sollten sie diese Daten auf regionaler Ebene bereitstellen, damit gezielt Maßnahmen für die Regionen getroffen werden können, in denen sie unbedingt notwendig sind.

Die Mitgliedstaaten sollten Informationen über die von ihnen verfolgten Teststrategien austauschen.

Kartierung von Risikogebieten

10.

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten sollte eine anhand der von den Mitgliedstaaten übermittelten Daten erstellte und nach Regionen aufgeschlüsselte Karte der EU-Mitgliedstaaten veröffentlichen, um die Mitgliedstaaten bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Diese Karte sollte auch Daten aus Island, Liechtenstein, Norwegen und — sobald die Voraussetzungen dies zulassen (4) — der Schweizerischen Eidgenossenschaft enthalten. Auf dieser Karte sollte jedes Gebiet in einer der folgenden Farben markiert werden:

a)

grün, wenn die kumulative 14-Tage-Melderate für COVID-19-Fälle bei unter 25 und die Testpositivitätsrate der COVID-19-Tests bei unter 4 % liegt;

b)

orange, wenn die kumulative 14-Tage-Melderate für COVID-19-Fälle bei unter 50, die Testpositivitätsrate der COVID-19-Tests jedoch bei 4 % oder mehr liegt oder wenn die kumulative 14-Tage-Melderate für COVID-19-Fälle zwischen 25 und 150, die Testpositivitätsrate der COVID-19-Tests jedoch bei unter 4 % liegt;

c)

rot, wenn die kumulative 14-Tage-Melderate für COVID-19-Fälle bei 50 oder mehr und die Testpositivitätsrate der COVID-19-Tests bei 4 % oder mehr liegt oder wenn die kumulative 14-Tage-Melderate für COVID-19-Fälle bei über 150 pro 100 000 Einwohner liegt;

d)

grau, wenn nicht genügend Informationen vorliegen, um die Kriterien gemäß den Buchstaben a bis c zu bewerten, oder wenn die Testquote bei 300 oder weniger COVID-19-Tests pro 100 000 Einwohner liegt.

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten sollte außerdem für jeden zentralen Indikator, der zur umfassenden Karte beiträgt, eine gesonderte Karte veröffentlichen: für die 14-Tage-Melderate auf regionaler Ebene sowie die Testquote und die Testpositivitätsraten auf nationaler Ebene in der letzten Woche. Sobald die Daten auf regionaler Ebene vorliegen, sollten alle Karten auf diesen Daten beruhen.

11.

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten sollte jede Woche aktualisierte Fassungen der Karte und der zugrunde liegenden Daten veröffentlichen.

Gemeinsame Schwellenwerte für die Prüfung von Beschränkungen des freien Personenverkehrs aus Gründen der öffentlichen Gesundheit

12.

Die Mitgliedstaaten sollten die Freizügigkeit von Personen, die in gemäß Nummer 10 als „grün“ eingestufte Gebiete eines anderen Mitgliedstaats reisen oder aus solchen Gebieten einreisen, nicht beschränken.

13.

Bei der Prüfung der Frage, ob für ein Gebiet, das nicht als „grün“ gemäß Nummer 10 eingestuft wurde, Beschränkungen angewandt werden sollten,

a)

sollten die Mitgliedstaaten die unterschiedliche epidemiologische Lage von als „orange“ und als „rot“ eingestuften Gebieten beachten und verhältnismäßig vorgehen;

b)

könnten die Mitgliedstaaten zusätzliche Kriterien und Trends berücksichtigen. Zu diesem Zweck wird das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten — sofern verfügbar — wöchentlich Daten zur Bevölkerungszahl, zur Zahl der Krankenhausaufnahmen, zur Belegung der Intensivstationen und zur Sterblichkeitsrate vorlegen;

c)

sollten die Mitgliedstaaten die epidemiologische Lage in ihrem eigenen Hoheitsgebiet, einschließlich der Teststrategien, der Zahl der durchgeführten Tests und der Testpositivitätsraten sowie anderer epidemiologischer Indikatoren, berücksichtigen;

d)

sollten die Mitgliedstaaten Teststrategien berücksichtigen und die Lage in Gebieten mit hohen Testquoten besonders beachten.

Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten

14.

Mitgliedstaaten, die auf der Grundlage ihrer eigenen Entscheidungsprozesse beabsichtigen, Beschränkungen für Personen anzuwenden, die in ein Gebiet reisen, das nicht als „grün“ gemäß Nummer 10 eingestuft wurde, oder aus einem solchen einreisen, sollten zuerst — vor Inkrafttreten — den betreffenden Mitgliedstaat informieren. Besondere Aufmerksamkeit sollte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, den Regionen in äußerster Randlage, den Exklaven und den geografisch isolierten Gebieten gewidmet werden. Die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission sollten ebenfalls vor Inkrafttreten von der Absicht in Kenntnis gesetzt werden. Nach Möglichkeit sollten die Informationen 48 Stunden im Voraus erteilt werden.

Zur Unterrichtung der anderen Mitgliedstaaten und der Kommission sollten die Mitgliedstaaten die bestehenden Kommunikationsnetze nutzen, einschließlich des Netzes der Integrierten Regelung für die politische Reaktion auf Krisen (IPCR). Die IPCR-Kontaktstellen sollten sicherstellen, dass die Informationen unverzüglich an die zuständigen Behörden weitergeleitet werden.

15.

Die Mitgliedstaaten sollten die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission unverzüglich von der Aufhebung oder Lockerung jeglicher zuvor eingeführten Beschränkungen in Kenntnis setzen, und die betreffenden Aufhebungen oder Lockerungen sollten so bald wie möglich in Kraft treten.

Beschränkungen der Freizügigkeit sollten aufgehoben werden, wenn ein Gebiet wieder als „grün“ gemäß Nummer 10 eingestuft wird, sofern seit der Einführung der Beschränkungen mindestens 14 Tage vergangen sind.

16.

Spätestens sieben Tage nach Annahme dieser Empfehlung sollten die Mitgliedstaaten Beschränkungen, die vor der Annahme dieser Empfehlung auf gemäß Nummer 10 als „grün“ eingestufte Gebiete angewandt wurden, auslaufen lassen.

Gemeinsamer Rahmen für mögliche Maßnahmen für Reisende aus Gebieten mit erhöhtem Risiko

17.

Im Prinzip sollten die Mitgliedstaaten die Einreise aus anderen Mitgliedstaaten nicht verweigern.

Mitgliedstaaten, die es für notwendig erachten, die Freizügigkeit auf der Grundlage ihrer eigenen Entscheidungsprozesse zu beschränken, könnten von Personen, die aus einem gemäß Nummer 10 nicht als „grün“ eingestuften Gebiet einreisen, verlangen, dass sie

a)

sich in Quarantäne bzw. Selbstisolierung begeben und/oder

b)

sich nach der Ankunft einem COVID-19-Test unterziehen.

Die Mitgliedstaaten können Reisenden anbieten, den unter Buchstabe b genannten Test durch einen vor der Ankunft durchgeführten COVID-19-Test zu ersetzen.

Die Mitgliedstaaten sollten ihre Koordinierungsbemühungen in Bezug auf die Dauer der Quarantäne bzw. Selbstisolierung und Ersatzmöglichkeiten verstärken. Wo immer möglich und im Einklang mit den von den Mitgliedstaaten beschlossenen Strategien sollte die Testentwicklung gefördert werden.

18.

Die Mitgliedstaaten sollten die Ergebnisse von COVID-19-Tests, die in anderen Mitgliedstaaten von zertifizierten Gesundheitseinrichtungen durchgeführt wurden, gegenseitig anerkennen. Die Mitgliedstaaten sollten die Zusammenarbeit zu verschiedenen Aspekten im Zusammenhang mit Tests, einschließlich der Überprüfung von Testbescheinigungen, verstärken und dabei die Forschung und die Beratung durch Epidemiologen sowie bewährte Verfahren berücksichtigen.

19.

Reisende, die eine wichtige Funktion ausüben oder deren Reise zwingend notwendig ist, sollten sich während der Ausübung dieser wichtigen Funktion nicht in Quarantäne begeben müssen, insbesondere:

a)

Arbeitnehmer oder Selbstständige, die systemrelevante Funktionen wahrnehmen, einschließlich Beschäftigter im Gesundheitswesen, Grenzgänger und entsandte Arbeitnehmer sowie Saisonarbeitnehmer gemäß den Leitlinien zur Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs (5);

b)

Beschäftigte im Verkehrssektor oder Verkehrsdienstleister, einschließlich Fahrern von Güterfahrzeugen, die Güter zur Verwendung im Hoheitsgebiet befördern, sowie von Güterfahrzeugen, die das Land lediglich durchqueren;

c)

Patienten, die aus zwingenden medizinischen Gründen reisen;

d)

Schüler, Studierende und Auszubildende, die täglich ins Ausland reisen;

e)

Personen, die aus zwingenden familiären oder beruflichen Gründen reisen;

f)

Diplomaten, Personal internationaler Organisationen, von internationalen Organisationen eingeladene Personen, deren Anwesenheit für das reibungslose Funktionieren dieser Organisationen erforderlich ist, militärisches Personal und Polizeibeamte, humanitäre Helfer und Katastrophenschutzkräfte in Ausübung ihrer Tätigkeit;

g)

Passagiere im Transitverkehr;

h)

Seeleute;

i)

Journalisten, die ihre Tätigkeit ausüben.

20.

Bei Einreisen in ihr Hoheitsgebiet könnten die Mitgliedstaaten die Vorlage ausgefüllter Reiseformulare („Passenger Locator Forms“) verlangen, die die Datenschutzanforderungen erfüllen. Für eine mögliche Verwendung durch die Mitgliedstaaten sollte ein einheitliches europäisches Reiseformular entwickelt werden. Nach Möglichkeit sollte für die Angaben zu den Aufenthaltsorten von Reisenden eine digitale Option genutzt werden, um die Verarbeitung zu vereinfachen, gleichzeitig ist ein gleichberechtigter Zugang für alle Bürger zu gewährleisten.

21.

Die Maßnahmen, die auf Personen angewandt werden, die aus gemäß Nummer 10 als „rot“, „orange“ oder „grau“ eingestuften Gebieten einreisen, dürfen nicht diskriminierend sein, d. h., sie müssen gleichermaßen für zurückkehrende Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaats gelten.

22.

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass alle formellen Anforderungen, die Bürgern und Unternehmen auferlegt werden, einen konkreten Nutzen für die Bemühungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Bekämpfung der Pandemie haben und keinen unangemessenen und unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen.

23.

Entwickelt eine Person bei der Ankunft am Bestimmungsort Symptome, so sollten Tests, Diagnose, Isolierung und Kontaktnachverfolgung gemäß der örtlichen Praxis durchgeführt werden, die Einreise sollte aber nicht verweigert werden. Informationen über bei der Ankunft diagnostizierte Fälle sollten über das Frühwarn- und Reaktionssystem unverzüglich an die Gesundheitsbehörden der Länder, in denen sich die betreffende Person in den vorangegangenen 14 Tagen aufgehalten hat, weitergeleitet werden, damit die Kontakte der Person nachverfolgt werden können.

24.

Beschränkungen sollten nicht in Form von Verboten des Betriebs bestimmter Verkehrsdienste erfolgen.

Kommunikation und Unterrichtung der Öffentlichkeit

25.

Die Mitgliedstaaten sollten so rasch wie möglich die einschlägigen Interessenträger und die breite Öffentlichkeit klar, umfassend und zeitnah über etwaige Beschränkungen der Freizügigkeit, alle damit verbundenen Anforderungen (z. B. negative COVID-19-Tests oder Reiseformulare) sowie über die Maßnahmen für Reisende, die aus Risikogebieten einreisen, informieren, bevor neue Maßnahmen in Kraft treten. Diese Informationen sollten in der Regel 24 Stunden vor Inkrafttreten der Maßnahmen veröffentlicht werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass für epidemiologische Notfälle eine gewisse Flexibilität erforderlich ist.

Ferner sollten diese Informationen auch auf der Plattform „Re-open EU“ bereitgestellt werden; die entsprechenden Meldungen sollten einen Verweis auf die Karte enthalten, die das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten gemäß den Nummern 10 und 11 regelmäßig veröffentlicht.

Der Inhalt der Maßnahmen, ihr räumlicher Anwendungsbereich und die Personengruppen, für die sie gelten, sollten klar angegeben werden.

Überprüfung

26.

Diese Empfehlung sollte von der Kommission mit Unterstützung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten regelmäßig überprüft werden. Die Kommission sollte dem Rat regelmäßig darüber Bericht erstatten.

Geschehen zu Luxemburg am 13. Oktober 2020.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. ROTH


(1)  Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77).

(2)   ABl. C 57 vom 20.2.2020, S. 4.

(3)  Leitlinien der Kommission für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen (ABl. C 86 I vom 16.3.2020, S. 1), Leitlinien der Kommission zur Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs (ABl. C 102 I vom 30.3.2020, S. 12), „Gemeinsamer europäischer Fahrplan für die Aufhebung der Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19“ der Präsidentin der Europäischen Kommission und des Präsidenten des Europäischen Rates, Leitlinien der Kommission zur Freizügigkeit von Angehörigen der Gesundheitsberufe und zur Mindestharmonisierung der Ausbildung in Bezug auf COVID-19-Notfallmaßnahmen (ABl. C 156 vom 8.5.2020, S. 1), Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Hin zu einem abgestuften und koordinierten Vorgehen zur Wiederherstellung der Freizügigkeit und zur Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen“ (ABl. C 169 vom 15.5.2020, S. 30), Mitteilung der Kommission über die dritte Bewertung der Anwendung der vorübergehenden Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in die EU (COM(2020) 299 final), Leitlinien der Kommission für Saisonarbeitnehmer in der EU im Zusammenhang mit dem COVID-19-Ausbruch (ABl. C 235 I vom 17.7.2020, S. 1), Mitteilung der Kommission über die Umsetzung so genannter „Green Lanes“ im Rahmen der Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen (ABl. C 96 I vom 24.3.2020, S. 1), Leitlinien der Kommission: Erleichterung des Luftfrachtbetriebs während des COVID-19-Ausbruchs (ABl. C 100I vom 27.3.2020, S. 1) und Leitlinien der Kommission zum Schutz der Gesundheit, zur Rückkehr und zur Regelung der Reise von Seeleuten, Fahrgästen und anderen Personen an Bord von Schiffen (ABl. C 119 vom 14.4.2020, S. 1).

(4)  Vorbehaltlich eines Abkommens zwischen der EU und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Gesundheit, einschließlich der Beteiligung der Schweizerischen Eidgenossenschaft am Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 851/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ABl. L 142 vom 30.4.2004, S. 1).

(5)   ABl. C 102 I vom 30.3.2020, S. 12.


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