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Document 32005D0920

    2005/920/EG: Entscheidung der Kommission vom 20. Juli 2005 über eine staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten des Fleischverarbeitungsbetriebs Greußener Salamifabrik GmbH (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2005) 2725)

    ABl. L 335 vom 21.12.2005, p. 48–56 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

    Legal status of the document In force

    ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2005/920/oj

    21.12.2005   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 335/48


    ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

    vom 20. Juli 2005

    über eine staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten des Fleischverarbeitungsbetriebs Greußener Salamifabrik GmbH

    (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2005) 2725)

    (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

    (2005/920/EG)

    DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

    gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1,

    nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den genannten Artikeln (1) und unter Berücksichtigung dieser Stellungnahmen,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    I.   VERFAHREN

    (1)

    Die Maßnahme wurde mit Schreiben vom 6. November 1997 unter Bezugnahme auf Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag notifiziert. Der Begünstigte hatte offenbar schon früher eine ähnliche Beihilfe erhalten. Daher wurde die Maßnahme in das Verzeichnis der nicht notifizierten Beihilfen aufgenommen. Mit Schreiben vom 4. Februar 1998, vom 10. Juni 1998 und vom 4. Februar 1999 übermittelte Deutschland der Kommission zusätzliche Informationen.

    (2)

    Mit Schreiben vom 7. Juni 1999 teilte die Kommission Deutschland ihren Beschluss mit, wegen der betreffenden Beihilfe das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

    (3)

    Die Entscheidung der Kommission über die Einleitung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (2). Die Kommission forderte die Beteiligten zur Stellungnahme auf.

    (4)

    Die eingegangenen Stellungnahmen wurden Deutschland mit der Bitte um Äußerung zugeleitet. Die Bemerkungen Deutschlands gingen mit Schreiben vom 23. Februar 2000 ein.

    (5)

    Mit Schreiben vom 18. Mai 2005, eingegangen am 23. Mai 2005, hat Deutschland die Kommission unter Bezugnahme auf Artikel 7 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 mit besonderen Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 EG-Vertrag (3) gebeten, auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen eine Entscheidung zu erlassen.

    II.   BESCHREIBUNG DER MAßNAHME

    (6)

    Das begünstigte Unternehmen, die Greußener Salamifabrik GmbH, war ein Fleischverarbeitungsbetrieb, der verschiedene Arten von Wurst- und Fleischerzeugnissen herstellte und vermarktete. Das Unternehmen schlachtete die Tiere nicht selbst, sondern verarbeitete Schlachtfleisch. Nach den von Deutschland zur Verfügung gestellten Informationen wurde am 1. Oktober 1999 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Greußener Salamifabrik GmbH eröffnet. Die Kommission wurde über das Ergebnis des Verfahrens nicht informiert. Es hat jedoch den Anschein, dass zumindest die Anlagen des Unternehmens weiterhin — unter dem Namen „Greußener Salami- und Schinkenfabrik GmbH“ — betrieben werden. Die Bemerkungen in der vorliegenden Entscheidung beziehen sich jedoch auf die später in Insolvenz gegangene Firma Greußener Salamifabrik GmbH.

    (7)

    Stetige Umsatzrückgänge hatten dazu geführt, dass das Unternehmen seit 1995 Verluste einfuhr und der betriebliche Cashflow ab 1995 negativ ausfiel. Ein von Dr. Zimmermann & Partner im September 1996 erstelltes Papier lässt darauf schließen, dass die Cashflowsituation des Unternehmens zu jenem Zeitpunkt äußerst kritisch war. Dass sich das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten befand, ist im Beschluss der Kommission zur Einleitung des Verfahrens (4) mitgeteilt und während des Prüfverfahrens nicht in Frage gestellt worden. Eine Umstrukturierung der Greußener Salamifabrik wurde für erforderlich gehalten, zu deren Finanzierung das Unternehmen im vierten Quartal 1996 zusätzliche Darlehen (in Höhe von 375 000 DEM bei der Dresdner Bank AG und von 725 000 DEM bei der Sparkasse Erfurt) aufnehmen musste. Für beide Darlehen hat die Thüringer Aufbaubank eine Ausfallbürgschaft in Höhe von 80 % übernommen, durch die somit der Betrag von 880 000 DEM abgedeckt ist. Diese Bürgschaft ist der Kommission unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Schreibens der Kommission an die Mitgliedstaaten SG(89) D/4328 vom 5. April 1989 nicht notifiziert worden; sie wird nachstehend als Beihilfe 1 bezeichnet.

    (8)

    Am 8. Januar 1997 übernahm die Ergewa GmbH 75 % der Geschäftsanteile des begünstigten Unternehmens. Der neue Eigentümer nahm Einzelwertberichtigungen auf Forderungen für ungesicherte Exportgeschäfte nach Russland und eine Abwertung des Bestandes in Höhe von insgesamt 1,2 Mio. DEM vor. Dies führte in Verbindung mit einem weiteren Verkaufsrückgang zu einer Bilanzverschlechterung, die eine neuerliche Umstrukturierung erforderlich machte.

    (9)

    Deutschland hat in seinem Notifizierungsschreiben vom 6. November 1997 deutlich gemacht, dass die Greußener Salamifabrik ihre Umsatz- und Einkommensziele für 1997 nicht erreicht habe, das Unternehmen sich in ständiger Insolvenzgefahr befinde und davon auszugehen sei, dass das Unternehmen nicht mehr in der Lage sei, seinen Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber den Banken nachzukommen. Deshalb wurde im August 1997 von Schitag, Ernst & Young Deutsche Allgemeine Treuhand AG ein neues Sanierungskonzept für die Greußener Salamifabrik GmbH erstellt. Das neue Sanierungskonzept sah drei Arten von Maßnahmen vor:

    a)

    Gesundung der Finanzstruktur durch:

    teilweise Entschuldung des Unternehmens im Wege des Forderungsverzichts,

    Umschuldung der bestehenden Bankverbindlichkeiten,

    Kapitalzufuhr durch die Gesellschafter;

    b)

    Erarbeitung und Umsetzung eines neuen Vermarktungskonzepts;

    c)

    Maßnahmen zur Kosteneinsparung.

    1.   Finanzstruktur

    (10)

    Als Teil der Umstrukturierung verzichtete die Sparkasse Erfurt auf eine Forderung in Höhe von 1,7 Mio. DEM. Als Ausgleich wurde die zuvor von der Thüringer Aufbaubank (einer Staatsbank) übernommene Bürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 725 000 DEM (vgl. Randnummer 7) teilweise in Anspruch genommen; 370 000 DEM (64 % des Bürgschaftsbetrags) wurden im Rahmen der Umstrukturierung an die Sparkasse Erfurt gezahlt. Außerdem wurde eine Bürgschaft, die die Bürgschaftsbank Thüringen GmbH (eine Privatbank) 1993 für ein Darlehen in Höhe von 1 Mio. DEM übernommen hatte, teilweise in Anspruch genommen; 590 000 DEM (74 % des Bürgschaftsbetrags) wurden an die Sparkasse Erfurt gezahlt.

    (11)

    Außerdem refinanzierte die Dresdner Bank Erfurt ein Darlehen in Höhe von 2,5 Mio. DEM, das von der Sparkasse Erfurt bewilligt worden war. Die Dresdner Bank gewährte dieses Darlehen allerdings nur unter der Bedingung, dass sich die Thüringer Aufbaubank für 80 % des Darlehens verbürgte.

    (12)

    Die neue Bürgschaft in Höhe von 2 Mio. DEM sowie die teilweise Inanspruchnahme (370 000 DEM) der früheren Bürgschaft wurden der Kommission mit Schreiben vom 6. November 1997 gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag sowie gemäß ihrem Schreiben an die Mitgliedstaaten SG(89) D/4328 vom 5. April 1989 notifiziert. Diese beiden Maßnahmen zusammen werden nachstehend als Beihilfe 2 bezeichnet. Deutschland teilte in seinem Schreiben vom 4. Februar 1999 und erneut in seinem Schreiben vom 18. Mai 2005 mit, dass die Bürgschaft der Thüringer Aufbaubank in Höhe von 2 Mio. DEM nur unter der Voraussetzung der Genehmigung durch die Kommission gewährt werden sollte.

    (13)

    Das Darlehen der Dresdner Bank Erfurt in Höhe von 2,5 Mio. DEM wurde an die Greußener Salamifabrik GmbH ausgezahlt.

    (14)

    Schließlich hat die Ergewa GmbH, die 75 % der Geschäftsanteile hielt, dem Unternehmen noch ein nachrangiges Darlehen in Höhe von 1,5 Mio. DEM zugeführt.

    2.   Marketingstrategie

    (15)

    Die Marketingstrategie beinhaltet die folgende drei Ziele: Produktentwicklung, Produktpolitik und Absatzförderung. Generell sollte dadurch eine stärkere Orientierung am Markt erreicht werden.

    3.   Maßnahmen zur Kosteneinsparung

    (16)

    Die am leichtesten realisierbaren Einsparungen wurden bereits im Rahmen einer früheren Umstrukturierung vorgenommen. Das Sanierungskonzept sah jedoch weitere Kosteneinsparungen vor, um insbesondere den Stromverbrauch und die Transportkosten zu senken.

    (17)

    Nach den der Kommission übermittelten Informationen sollten diese Maßnahmen zusammengenommen das Unternehmen wieder lebensfähig machen und seine Rentabilität wiederherstellen. Hierzu wäre jedoch eine Umsatzsteigerung von 6 845 000 DEM im Jahr 1996 auf 7 Mio. DEM im Jahr 1998 und auf 8 Mio. DEM im Jahr 1999 erforderlich gewesen.

    (18)

    Die Kommission hat das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG-Vertrag in Bezug auf die genannten Maßnahmen zugunsten der Greußener Salamifabrik eingeleitet, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

    die 80 %ige Bürgschaft der Thüringer Aufbaubank für zwei Darlehen in einer Gesamthöhe von 1,1 Mio. DEM im Dezember 1996 (Bürgschaftsbetrag: 880 000 DEM);

    die teilweise Inanspruchnahme einer der Bürgschaften (370 000 DEM) im Laufe der Umstrukturierung/Umschuldung im Jahre 1997;

    die zweite 80 %ige Bürgschaft der Thüringer Aufbaubank für ein Bankdarlehen in Höhe von 2,5 Mio. DEM (Bürgschaftsbetrag: 2 Mio. DEM) im Jahre 1997.

    (19)

    Da die Bürgschaften für einen Betrieb in finanziellen Schwierigkeiten übernommen wurden, muss die Kommission davon ausgehen, dass das Beihilfeelement zum Zeitpunkt der Gewährung 100 % des verbürgten Betrags, nämlich 880 000 DEM im Jahre 1996 und 2 Mio. DEM im Jahre 1997, also insgesamt 2,88 Mio. DEM entspricht.

    (20)

    Die Kommission hat das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG-Vertrag in Bezug auf die genannten Maßnahmen eingeleitet, weil sie Zweifel hatte, ob: die Maßnahme mit dem Schreiben der Kommission SG(89) D/4328 vom 5. April 1989 über Staatsbürgschaften und mit den Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten von 1994 und 1997 (5) in Einklang steht. Mit Bezug auf die Leitlinien bezweifelte die Kommission, dass die Rentabilität des Unternehmens mit der Umstrukturierung wiederhergestellt werden kann, dass der Grundsatz, dass Umstrukturierungsbeihilfen nur einmal gewährt werden dürfen, eingehalten wurde und dass das Erfordernis der vollständigen Umsetzung des Umstrukturierungsplans eingehalten wurde.

    (21)

    Beihilfe 1 wurde in Form von Staatsbürgschaften gewährt, was bedeutet, dass sie mit dem Schreiben der Kommission an die Mitgliedstaaten SG(89) D/4328 vom 5. April 1989 in Einklang stehen muss. In diesem Schreiben hat die Kommission erklärt, dass sie Bürgschaften nur genehmigen wird, wenn ihre Inanspruchnahme vertraglich an besondere Bedingungen geknüpft ist, die sogar die Vorlage einer Konkurserklärung des begünstigten Unternehmens beinhalten können. Aus den übermittelten Informationen geht nicht hervor, dass die Inanspruchnahme der genannten Bürgschaften an besondere Bedingungen geknüpft war.

    (22)

    Die Beihilfe wurde gewährt, weil sich das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten befand und saniert werden musste. Daher musste die Beihilfe im Rahmen der Leitlinien der Gemeinschaft für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten geprüft werden, die zum Zeitpunkt der Bürgschaftsgewährung gegolten haben. Für Beihilfe 1 liegen der Kommission keinerlei Informationen vor, anhand deren sie die Vereinbarkeit mit den oben genannten Leitlinien prüfen könnte. Für Beihilfe 2 wurden offenbar drei der Bedingungen in den Umstrukturierungsleitlinien nicht erfüllt. Anscheinend wurde durch die Beihilfe die Rentabilität des Unternehmens nicht wiederhergestellt. Außerdem hat das Unternehmen anscheinend versucht, die Rentabilität dadurch wiederherzustellen, dass es seine Probleme durch eine Expansion überwindet. Durch eine solche Expansion könnte den Wettbewerb in ungerechtfertigter Weise verfälscht werden. Schließlich war nicht klar, ob der Umstrukturierungsplan vollständig durchgeführt worden ist.

    III.   BEMERKUNGEN DER BETEILIGTEN

    (23)

    Bei der Kommission sind Bemerkungen der Kemper Fleischwarenfabrik (Nortrup), des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwarenindustrie e.V. (Bonn) sowie eines dritten Beteiligten eingegangen, der ungenannt bleiben möchte. Alle drei Beteiligten vertraten die Auffassung, dass eine Umsatzsteigerung nur durch Preissenkungen hätte erreicht werden können, was für den Sektor schädlich gewesen wäre. Der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie e.V. wies darauf hin, dass jährlich 1 % der deutschen Fleischverarbeitungsbetriebe am Markt ausscheiden. In diesem wettbewerbsintensiven Markt können nur die Besten überleben. Erhält man ein Unternehmen künstlich am Leben, schadet man den Interessen des Sektors. Außerdem werde die vorgeschlagene Marketingstrategie von fast allen Unternehmen des Sektors verfolgt. Nach Auffassung des Bundesverbandes kann eine solche Strategie ohne erhebliche Mittel — die aber nicht vorhanden waren — nicht erfolgreich sein.

    IV.   BEMERKUNGEN DEUTSCHLANDS

    (24)

    Abgesehen von den Ersuchen um Verlängerung der Antwortfrist hat Deutschland mit Schreiben vom 22. Juli 1999, vom 28. Juli 1999, vom 6. August 1999 und vom 23. Februar 2000 Bemerkungen übermittelt.

    (25)

    In dem ersten Schreiben teilte Deutschland mit, dass das Unternehmen teilweise übernommen wurde.

    (26)

    Mit dem zweiten Schreiben kündigte Deutschland an, den Bürgschaftsvertrag mit den Voraussetzungen für die Bereitstellung der Bürgschaft übermitteln zu wollen, legte den Umstrukturierungsplan für die erste Umstrukturierung vor und teilte mit, auch die nach der zweiten Umstrukturierung erwarteten finanziellen Ergebnisse übermitteln zu wollen. Schließlich wurden weitere Informationen zu der Frage angekündigt, warum die Umsatzziele nach der zweiten Sanierung nicht erreicht worden sind.

    (27)

    In dem Schreiben vom 28. Juli 1999 wies Deutschland außerdem darauf hin, dass das Unternehmen keine Ausweitung der Produktionskapazität plane, sondern weiterhin etwa so viel produzieren werde wie in der Vergangenheit (1994/1995). Die Probleme des Unternehmens seien auf externe Faktoren zurückzuführen wie die Ausbrüche von Schweinepest, den Verfall des russischen Marktes und die BSE-Krise. Schließlich sei es unwahrscheinlich, dass die Beihilfe zu Wettbewerbsverzerrungen führen werde, da es sich bei dem begünstigten Unternehmen um ein KMU handele, das nur in Thüringen tätig sei.

    (28)

    Dem dritten Schreiben vom 6. August 1999 fügte Deutschland den Bürgschaftsvertrag und das Sanierungskonzept für die erste Umstrukturierung bei.

    (29)

    In seinem Schreiben vom 23. Februar 2000 teilte Deutschland mit, dass über das Vermögen der Greußener Salamifabrik GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war und dass die Banken ihre Kreditlinien gekündigt hatten. Außerdem wurde ein Schreiben der Hauptbank des Unternehmens, der Dresdner Bank, beigefügt, in dem die Bank feststellt, dass sich die Wettbewerber sicherlich gegen die Beihilfe aussprechen werden.

    V.   WÜRDIGUNG

    (30)

    Durch die Maßnahmen wird einem Fleischverarbeitungsbetrieb eine Beihilfe gewährt. Gemäß Artikel 40 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (6) und gemäß Artikel 21 der Verordnung (EWG) Nr. 2759/75 über die gemeinsame Marktorganisation für Schweinefleisch (7) gelten die Artikel 87, 88 und 89 EG-Vertrag für unter diese Verordnungen fallende Erzeugnisse. Die von der Beihilfemaßnahme betroffenen Sektoren fallen daher unter die Gemeinschaftsvorschriften für staatliche Beihilfen.

    (31)

    Gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

    (32)

    Die Beihilfe wurde in Form von Staatsbürgschaften gewährt. Dank dieser Bürgschaften konnte das begünstigte Unternehmen Geld aufnehmen, um zu überleben, anstatt in Konkurs zu gehen oder umstrukturiert zu werden.

    (33)

    Beihilfe 1 wurde 1996 gewährt. Nicht notifizierte staatliche Beihilfen müssen auf der Grundlage der zum Zeitpunkt ihrer Gewährung gültigen Rechtsvorschriften beurteilt werden. Die Rechtsgrundlage für die Würdigung von Staatsbürgschaften war 1996 das Schreiben der Kommission an die Mitgliedstaaten SG(89) D/4328 vom 5. April 1989. In diesem Schreiben hat die Kommission erklärt, dass alle Staatsbürgschaften unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag fallen. Hinzu kommt, dass gemäß Nummer 2.3 der Leitlinien für die Beurteilung von Staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (Leitlinien von 1994) bei staatlichen Kreditbürgschaften für ein Unternehmen, das sich in Schwierigkeiten befindet, die Vermutung besteht, dass die finanziellen Transfers staatliche Beihilfen enthalten. Wie unter Randnummer 7 beschrieben, befand sich das begünstigte Unternehmen zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe 1 in finanziellen Schwierigkeiten. Gemäß Nummer 2.1 der Leitlinien von 1994 gehören eine rückläufige Rentabilität, sinkende Umsätze und verminderter Cashflow zu den typischen Symptomen dafür, dass sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet.

    (34)

    Beihilfe 2 wurde 1997 notifiziert. Notifizierte Beihilfen müssen auf der Grundlage der zum Zeitpunkt ihrer Würdigung gültigen Rechtsvorschriften beurteilt werden. Unter Randnummer 4 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (8) werden die vier Voraussetzungen genannt, unter denen einzelne staatliche Garantien keine unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag fallende Beihilfe darstellen. Da Deutschland deutlich gemacht hat, dass der Kreditnehmer, die Greußener Salamifabrik GmbH, zum Zeitpunkt der Gewährung der zweiten Bürgschaft als Unternehmen in Schwierigkeiten gelten musste (vgl. Randnummer 9), ist bereits die erste der dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllt.

    (35)

    Somit handelt es sich bei der Maßnahme um eine aus staatlichen Mitteln (über die Thüringer Aufbaubank) gewährte Beihilfe.

    (36)

    Da die Bürgschaften für einen Betrieb in finanziellen Schwierigkeiten übernommen wurden, geht die Kommission davon aus, dass das Beihilfeelement 100 % des verbürgten Betrags in Höhe von 880 000 DEM für die erste und 2 Mio. DEM für die zweite Bürgschaft, also insgesamt 2,88 Mio. DEM entspricht.

    (37)

    Die Beihilfe begünstigt bestimmte Unternehmen, im vorliegenden Fall ein einziges Unternehmen, die Greußener Salamifabrik GmbH.

    (38)

    Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deutet die Verbesserung der Wettbewerbsposition eines Unternehmens aufgrund einer staatlichen Beihilfe im Allgemeinen auf eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber konkurrierenden Unternehmen hin, die keine solche Unterstützung erhalten (9). Weder der verhältnismäßig geringe Umfang einer Beihilfe noch die verhältnismäßig geringe Größe des begünstigten Unternehmens schließen von vornherein die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten aus (10).

    (39)

    Eine Maßnahme beeinträchtigt den Handel zwischen Mitgliedstaaten dann, wenn sie Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten erschwert oder Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten erleichtert. Ausschlaggebend dabei ist, dass sich der innergemeinschaftliche Handel aufgrund der fraglichen Maßnahme unterschiedlich entwickelt oder unterschiedlich zu entwickeln droht.

    (40)

    Die von der Beihilferegelung begünstigten Erzeugnisse sind Gegenstand des Handels zwischen Mitgliedstaaten (11) und somit dem Wettbewerb ausgesetzt. Infolgedessen steht zu befürchten, dass sich der innergemeinschaftliche Handel aufgrund der Maßnahme anders entwickelt hat.

    (41)

    Somit stellt die vorliegende Maßnahme eine Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag dar.

    (42)

    Dem Verbot staatlicher Beihilfen in Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag folgen in den Absätzen 2 und 3 Ausnahmetatbestände.

    (43)

    Die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 87 Absatz 2 EG-Vertrag sind aufgrund der Art der Beihilfemaßnahme und ihrer Zielsetzung nicht gegeben. Im Übrigen hat Deutschland die Anwendbarkeit von Artikel 87 Absatz 2 nicht geltend gemacht.

    (44)

    In Artikel 87 Absatz 3 EG-Vertrag sind die Beihilfen aufgeführt, die als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können. Ihre Vereinbarkeit mit dem Vertrag muss über den einzelstaatlichen Standpunkt hinaus auch unter dem Gesichtspunkt der Gemeinschaft geprüft werden. Um das reibungslose Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten, müssen die in Artikel 87 Absatz 3 formulierten Ausnahmetatbestände in engem Sinne ausgelegt werden.

    (45)

    In Bezug auf Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag ist darauf hinzuweisen, dass das begünstigte Unternehmen seinen Sitz in einer Region hat, deren wirtschaftliche Situation gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (12) gemessen am Gemeinschaftsniveau insgesamt als äußerst ungünstig angesehen werden kann (Bruttoinlandsprodukt je Einwohner — gemessen an der Kaufkraft — unter 75 % des Gemeinschaftsdurchschnitts). Nach den genannten Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (und einer früheren Fassung dieser Leitlinien (13), kommen die Vorschriften über die Gewährung staatlicher Beihilfen in den Regionen gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag für den Agrarsektor nicht zur Anwendung. Somit kann Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag nicht zur Begründung einer Beihilfe für die Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Anhang-I-Erzeugnissen herangezogen werden.

    (46)

    In Bezug auf Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag ist festzustellen, dass die betreffende Maßnahme weder der Förderung eines wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischen Interesse noch der Behebung einer beträchtlichen Störung des Wirtschaftslebens in Deutschland dienen soll.

    (47)

    Außerdem ist die Maßnahme weder dazu bestimmt noch dazu geeignet, die Ziele gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag zu verwirklichen.

    (48)

    Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete können von der Kommission gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, soweit sie die Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete erleichtern und die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

    (49)

    Normalerweise würde die Kommission die Vereinbarkeit von Beihilfen an Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, mit Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag auf der Grundlage der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (14) von 2004 (Leitlinien von 2004) beurteilen. Gemäß den Nummern 103 und 104 dieser Leitlinien beurteilt die Kommission jedoch die vor dem 10. Oktober 2004 notifizierten Beihilfen sowie die in voller Höhe vor der Veröffentlichung der Leitlinien von 2004 gewährten nicht notifizierten Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Notifizierung bzw. der zum Zeitpunkt der Beihilfegewährung geltenden Leitlinien. Beihilfe 1 wurde 1996 gewährt, Beihilfe 2 ist im November 1997 notifiziert worden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Leitlinien von 1994 in Kraft. Nach Nummer 2.2 dieser Leitlinien von 1994 steht es für den Landwirtschaftssektor im Ermessen der Mitgliedstaaten, weiterhin die vor dem Inkrafttreten selbiger Leitlinien geltenden besonderen Vorschriften der Kommission für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen zugunsten einzelner Beihilfeempfänger in diesem Sektor anzuwenden. Deutschland hat nicht um die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit nachgesucht. Daher wird die Maßnahme auf der Grundlage der Bestimmungen der Leitlinien von 1994 gewürdigt.

    (50)

    Beihilfe 1 betrifft eine 80 %ige Staatsbürgschaft für Darlehen im Wert von 1,1 Mio. DEM. Die Kommission hat das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG-Vertrag aus folgenden Gründen eingeleitet:

    Es war nicht sicher, ob die Bürgschaft mit den besonderen Voraussetzungen für Staatsbürgschaften in Einklang stand;

    es gab keinen Umstrukturierungsplan (Sanierungskonzept), aus dem hervorginge, dass die Beihilfe mit den Leitlinien für die Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten in Einklang stand.

    (51)

    Deutschland hat eine Kopie des Bürgschaftsvertrags übermittelt. Danach kann die Bürgschaft nur in Anspruch genommen werden, wenn sich das begünstigte Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten befindet (Konkursverfahren o. ä.) und wenn das verbürgte Darlehen nicht durch den Verkauf anderer Vermögenswerte des Unternehmens getilgt werden kann. Somit wurde die in dem Schreiben der Kommission an die Mitgliedstaaten SG(89) D/4328 vom 5. April 1989 (15) erwähnte Voraussetzung erfüllt. Das heißt, dass die Bürgschaft mit den besonderen Voraussetzungen für Staatsbürgschaften in Einklang stand.

    (52)

    Da das begünstigte Unternehmen, die Greußener Salamifabrik GmbH, zum Zeitpunkt der Bürgschaftsgewährung als Unternehmen in Schwierigkeiten anzusehen war, muss die Beihilfe jedoch im Rahmen der zum Zeitpunkt der Bürgschaftsgewährung geltenden Bestimmungen der Gemeinschaft für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten geprüft werden (vgl. Randnummer 49). Die Bürgschaft wurde im Rahmen der Sanierung des begünstigten Unternehmens gewährt.

    (53)

    Deutschland hat einen Bericht von Dr. Zimmermann & Partner vom 9. September 1996 übermittelt. Nach Auskunft Deutschlands handelt es sich bei diesem Bericht um das Sanierungskonzept, das zum Zeitpunkt der Gewährung der ersten staatlichen Beihilfe vorgelegt worden war. Der Bericht ist aber als Sanierungskonzept in zweierlei Hinsicht ungeeignet: Der Status des Berichts ist nicht klar, und in dem Bericht wird eine Umstrukturierung auch nicht erwähnt.

    (54)

    Vielmehr scheint der Bericht in einer Beschreibung des Unternehmens mit Stichtag 9. September 1996 zu bestehen. Danach waren die Schwierigkeiten des Unternehmens durch die BSE-Krise und durch das Wegbrechen der Ausfuhrmärkte in Osteuropa verursacht. Allerdings fanden sich in dem Bericht — vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt — handschriftlich geänderte Zahlen. Der Status dieser Korrekturen ist nicht klar. Weiter ist nicht klar, ob der Plan von den Eigentümern des Unternehmens akzeptiert worden ist.

    (55)

    Der Bericht gibt Auskunft über die Kostenstruktur und den Kapitalbedarf des Unternehmens im September 1996. Abgesehen von einer Beschreibung der Stärkung des bestehenden Managements ist nicht klar, wie das Unternehmen umstrukturiert werden soll. Falls der Bericht zum Zeitpunkt seiner Erstellung als Umstrukturierungsplan gedacht war, was nicht klar ist, könnte er so verstanden werden, dass das Unternehmen seine Schwierigkeiten durch Expansion und ohne jede Umstrukturierung überwinden könnte.

    (56)

    Nach den Leitlinien von 1994 kann eine Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

    a)

    Die Beihilfe muss die Rentabilität des Unternehmens wiederherstellen;

    b)

    unzumutbare beihilfebedingte Wettbewerbsverfälschungen müssen vermieden werden;

    c)

    der Beihilfebetrag muss in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten und Nutzen der Umstrukturierung stehen und

    d)

    die Durchführung des Umstrukturierungsplans wird anhand von jährlich vorzulegenden Berichten kontrolliert.

    (57)

    Nach dem Bericht von Dr. Zimmermann & Partner ist der Umsatz des begünstigen Unternehmens seit 1994 stetig zurückgegangen. Dennoch solle, so der Bericht, der Umsatz im folgenden Jahr wieder steigen. Eine Erklärung für diese erwartete Entwicklung wird jedoch nicht gegeben, obwohl die Wiederherstellung der Rentabilität von dieser Trendwende abhing. Nach Nummer 3.2.2 i der Leitlinien von 1994 muss „die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens (…) vor allem durch entsprechende unternehmensinterne Maßnahmen herbeigeführt werden, die in dem Umstrukturierungsplan aufgeführt sind. Externe Faktoren wie höhere Preise (…) dürfen nur berücksichtigt werden, wenn die betreffenden Marktprognosen allgemein anerkannt werden.“ Da diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ist die Kommission nicht der Auffassung, dass die Beihilfe in Form einer Bürgschaft zu einer Wiederherstellung der Rentabilität führt.

    (58)

    Die Rentabilität sollte über eine Umsatzsteigerung wiederhergestellt werden. Obwohl die Umsatzsteigerung offenbar mit der bestehenden Produktionskapazität erreicht werden könnte, hätte die Rentabilität nur dadurch wieder hergestellt werden können, dass Konkurrenzunternehmen Marktanteile verlieren (wäre der Markt jedoch stabil, wie in dem „Umstrukturierungs“-Bericht festgestellt, würde die Nachfrage sinken). Daher kommt die Kommission auch zu dem Schluss, dass die Beihilfe nicht dazu angetan ist, unzumutbare Wettbewerbsverfälschungen zu vermeiden, da die Wiederherstellung der Rentabilität zu einer Benachteiligung von Konkurrenzunternehmen geführt hätte.

    (59)

    Ob das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Kosten und Nutzen der Umstrukturierung erfüllt ist, lässt sich nur schwer beurteilen. Von beihilfebegünstigten Unternehmen wird in der Regel erwartet, dass sie aus eigenen Mitteln oder aus externen kommerziellen Finanzierungsquellen einen wesentlichen Beitrag zur Umstrukturierung leisten. Nach dem Bericht von Dr. Zimmermann & Partner sollte der Eigentümer dem Unternehmen neues Kapital zuführen, aber es war nicht klar, ob dies tatsächlich geschehen ist. Daher kann die Kommission nicht abschließend feststellen, ob die Beihilfe in diesem Punkt mit den genannten Leitlinien von 1994 übereinstimmt.

    (60)

    Schließlich ist unklar, wie die „Umstrukturierung“ kontrolliert werden sollte. Infolgedessen ist auch diese in den Leitlinien genannte Bedingung nicht erfüllt.

    (61)

    Die Greußener Salamifabrik GmbH erfüllt die Kriterien für eine Einstufung als kleines bzw. mittleres Unternehmen (KMU). Gemäß Nummer 3.2.4 der Leitlinien von 1994 wird die Kommission an Umstrukturierungsbeihilfen für KMU nicht dieselben strengen Anforderungen wie an Umstrukturierungsbeihilfen für große Unternehmen stellen, weil solche Beihilfen in der Regel die Handelsbedingungen in geringerem Umfang verändern. Dieser mildere Ansatz bei der Bewertung von Umstrukturierungsbeihilfen für KMU betrifft jedoch insbesondere die Verpflichtung zur Kapazitätsherabsetzung in Wirtschaftszweigen mit strukturellen Überkapazitäten sowie die Berichtspflicht. Unbeschadet des für KMU geltenden milderen Ansatzes war bereits festgestellt worden, dass die Beihilfe nicht zur Wiederherstellung der Rentabilität des begünstigten Unternehmens führt (vgl. Randnummer 57), und dass sie den Wettbewerb in ungerechtfertigter Weise verfälscht.

    (62)

    Aus den genannten Gründen hält die Kommission die erste Beihilfe, die der Greußener Salamifabrik GmbH in Form von Staatsbürgschaften für einen Betrag von bis zu 880 000 DEM gewährt wurde, für mit den Artikeln 87 und 88 EG-Vertrag unvereinbar. Da die Beihilfe unrechtmäßig gewährt wurde und mit dem Vertrag unvereinbar ist, muss sie zurückgezahlt werden.

    (63)

    Die zweite Beihilfe betrifft die teilweise Inanspruchnahme und Auszahlung von 370 000 DEM an die Sparkasse Erfurt im Rahmen der ersten Bürgschaft bei der Umschuldung/Umstrukturierung von 1997 sowie die 80 %ige Staatsbürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 2,5 Mio. DEM, das 1997 von der Dresdner Bank bereitgestellt wurde.

    (64)

    Da die erste Staatsbürgschaft, wie unter Randnummer 62 ausgeführt ist, eine unrechtmäßig gewährte, mit den Artikeln 87 und 88 EG-Vertrag unvereinbare Beihilfe zugunsten der Greußener Salamifabrik GmbH darstellt, gelten diese Feststellungen auch für die teilweise Inanspruchnahme der ersten Bürgschaft im Rahmen des zweiten Umstrukturierungsplans.

    (65)

    Die 80 %ige Staatsbürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 2,5 Mio. DEM muss nach den Bestimmungen der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (16) bewertet werden (vgl. Randnummer 34). Aus den der Kommission vorliegenden allgemeinen Bedingungen für Bürgschaften, die von der Thüringer Aufbaubank angewandt werden, ist ersichtlich, dass die Bürgschaft nur in Anspruch genommen werden kann, wenn sich das begünstigte Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten befindet (Konkursverfahren o. ä.) und wenn das verbürgte Darlehen nicht durch den Verkauf anderer Vermögenswerte des Unternehmens getilgt werden kann (vgl. auch Randnummer 51). Die unter Nummer 5.3 der erwähnten Mitteilung der Kommission genannten besonderen Voraussetzungen sind somit erfüllt.

    (66)

    Gemäß Nummer 2.1 der Leitlinien von 1994 gehören zu den typischen Symptomen dafür, dass sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet, eine rückläufige Rentabilität, zunehmende Verluste, sinkende Umsätze, wachsende Lager, Überkapazitäten, verminderter Cashflow, zunehmende Verschuldung und Zinsbelastung sowie ein niedriger Nettobuchwert.

    (67)

    Da Deutschland deutlich gemacht hatte, dass das Unternehmen sich in ständiger Insolvenzgefahr befand, wurde festgestellt, dass die Greußener Salamifabrik GmbH zum Zeitpunkt der Bürgschaftsgewährung ein Unternehmen in Schwierigkeiten war (vgl. Randnummern 9 und 34). Deshalb muss die Beihilfe nach den geltenden Bestimmungen der Gemeinschaft für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten geprüft werden. Wie unter Randnummer 49 ausgeführt wurde, handelt es sich hierbei um die Leitlinien von 1994. Die Kommission hat wegen dieser Beihilfe das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG-Vertrag eingeleitet, weil sie bezweifelte, dass die folgenden Voraussetzungen der Leitlinien von 1994 erfüllt waren:

    a)

    Umstrukturierungsbeihilfen sollten nur einmal gewährt werden;

    b)

    die Beihilfe sollte zur Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens führen;

    c)

    die Beihilfe sollte nicht zu unzumutbaren Wettbewerbsverfälschungen führen und

    d)

    die Durchführung des Umstrukturierungsplans muss anhand jährlich vorzulegender Berichte kontrolliert werden.

    (68)

    Nach Nummer 3.2.2 i der Leitlinien von 1994 sollten Umstrukturierungsbeihilfen normalerweise nur einmal gewährt werden. Deutschland hat sich zu diesem Punkt nicht geäußert.

    (69)

    Der Tatbestand, dass im Rahmen einer zweiten Umstrukturierung eine weitere Beihilfe gewährt wurde, verstößt gegen den Grundsatz, wonach Umstrukturierungsbeihilfen nur einmal gewährt werden dürfen.

    (70)

    Die Kommission hat bezweifelt, dass der Umstrukturierungsplan, der zur Begründung der zweiten Umstrukturierungsbeihilfe (in Form der zweiten Bürgschaft) vorgelegt wurde, zu einer Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens führen werde. Hierzu wäre eine erhebliche Umsatzsteigerung erforderlich gewesen. Es schien jedoch unwahrscheinlich, dass diese tatsächlich eintreten würde, vor allem, nachdem sich die ersten Umsatzprognosen bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens als zu optimistisch erwiesen hatten. Deutschland hat keine Begründung oder Erklärung für die mitgeteilten Umsatzprognosen übermittelt. Daher hat die Kommission weiterhin Zweifel, ob die Voraussetzung, dass durch den Umstrukturierungsplan die langfristige Rentabilität des Unternehmens wiederhergestellt werden kann, erfüllt ist.

    (71)

    Zu dem Kriterium der Vermeidung unzumutbarer Wettbewerbsverfälschungen hat Deutschland zwei Argumente vorgelegt. Erstens sei das betreffende Unternehmen zu klein, um den Wettbewerb zu verfälschen oder den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinflussen. Zweitens werde das Unternehmen seine Produktionskapazität nicht ausweiten, sondern lediglich die bestehenden Kapazitäten besser nutzen.

    (72)

    Das erste Argument wird durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs widerlegt (vgl. Randnummer 38). Zum zweiten Argument ist zu sagen, dass die Kommission gemäß Nummer 3.2.2 ii der Leitlinien von 1994 einen Kapazitätsabbau nur beim Bestehen struktureller Überkapazitäten innerhalb der Gemeinschaft verlangt. Zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens hatte die Kommission festgestellt, dass in dem betreffenden Sektor keine Überkapazitäten bestanden. Allerdings fragte sich die Kommission, wie die Maßnahme als im gemeinsamen Interesse liegend angesehen werden könne, wenn sie auf eine Produktionssteigerung abzielte und Produktionssteigerungen automatisch zu einem Rückgang der Marktanteile der Konkurrenzunternehmen führte.

    (73)

    Deutschland hat in keiner Weise erklärt, wie die höhere Produktion ohne negative Auswirkungen auf Konkurrenzunternehmen vom Markt absorbiert werden könnte. Überdies hat Deutschland keine Angaben zu dem Verhältnis zwischen dem Nutzen für das betreffende Unternehmen und den Kosten für den Sektor als Ganzem gemacht. Daher kann die Kommission nicht beurteilen, ob die Beihilfe unzumutbare Wettbewerbsverfälschungen vermeidet.

    (74)

    Deutschland hat keine Informationen über die Kontrolle der Durchführung des Umstrukturierungsplans übermittelt.

    (75)

    Am 8. Januar 1997 übernahm die Ergewa GmbH 75 % der Geschäftsanteile des begünstigten Unternehmens. Es ist nicht klar, ob die Ergewa als KMU im Sinne der Leitlinien von 1994 eingestuft werden kann, und ob somit beim Status der Greußener Salamifabrik GmbH, an der die Ergewa mehr als 25 % der Geschäftsanteile hält, eine Änderung eingetreten ist. Selbst wenn man den milderen Ansatz bei der Bewertung von Umstrukturierungsbeihilfen für KMU (Nummer 3.2.4 der Leitlinien von 1994) zugrunde legt, ist jedoch festzustellen, dass, wie unter Randnummer 72 ausgeführt wurde, in dem Sektor keine Überkapazitäten bestehen und eine Einschätzung der Kontrollanforderungen wegen unzureichender Informationen nicht vorgenommen werden konnte. Der Tatbestand, dass das begünstigte Unternehmen wahrscheinlich auch 1997 noch als KMU hätte eingestuft werden können, ändert somit nichts an der Bewertung der vorliegenden Beihilfe.

    (76)

    Aus den genannten Gründen ist die Kommission der Auffassung, dass die zweite Beihilfe, die der Greußener Salamifabrik GmbH in Form einer Staatsbürgschaft für einen Betrag von bis zu 2 Mio. DEM gewährt wurde, mit den Artikeln 87 und 88 EG-Vertrag unvereinbar ist. Deutschland teilte in seinem Schreiben vom 4. Februar 1999 und erneut in seinem Schreiben vom 18. Mai 2005 mit, dass die Bürgschaft nur unter der Voraussetzung der Genehmigung durch die Kommission gewährt worden war. Da im Rahmen dieser Bürgschaft keine Zahlungen geleistet worden sind, erübrigt sich die Rückzahlung dieser mit dem Vertrag unvereinbaren Beihilfe.

    VI.   SCHLUSSFOLGERUNG

    (77)

    Die Kommission stellt fest, dass die staatliche Beihilfe, die in Form von Staatsbürgschaften in Höhe von 880 000 DEM (Beihilfe 1) bzw. 2 Mio. DEM (Beihilfe 2), also insgesamt 2,88 Mio. DEM, für Darlehen im Wert von 1,1 Mio. DEM bzw. 2,5 Mio. DEM, also insgesamt 3,6 Mio. DEM, gewährt wurde, mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar ist.

    (78)

    Beihilfen, die unrechtmäßig gewährt wurden und mit dem Vertrag unvereinbar sind, müssen zurückgezahlt werden. Die Kommission stellt fest, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Greußener Salamifabrik GmbH am 1. Oktober 1999 eröffnet wurde. Da der Kommission nicht bekannt ist, ob dem Bestehen des Unternehmens durch das Insolvenzverfahren ein Ende bereitet wurde, ist die Rückzahlung möglicherweise auch weiterhin angezeigt.

    (79)

    Die Kommission weist Deutschland darauf hin, dass gemäß den Nummern 6.4 und 6.5 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften die Frage, ob die Rechtswidrigkeit der Beihilfe das Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und Dritten berührt, nach innerstaatlichem Recht zu prüfen ist. Nationale Gerichte müssen unter Umständen prüfen, ob innerstaatliche Rechtsvorschriften der Einhaltung der Garantieverträge entgegenstehen; bei der Prüfung dieser Frage sollten sie die Verletzung des Gemeinschaftsrechts berücksichtigen —

    HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

    Artikel 1

    Die von Deutschland 1996 an die Greußener Salamifabrik GmbH in Form einer Bürgschaft in Höhe von 880 000 DEM gewährte Beihilfe ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

    Artikel 2

    (1)   Deutschland ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die im Rahmen der in Artikel 1 genannten Bürgschaft gezahlten Beträge von dem Empfänger zurückzufordern.

    (2)   Die Rückforderung der Beihilfe erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernden Beträge umfassen Zinsen ab dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, und bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden auf der Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfen verwendeten Bezugssatzes berechnet.

    Artikel 3

    Die von Deutschland geplante, an die Greußener Salamifabrik GmbH in Form einer Bürgschaft in Höhe von 2 Mio. DEM zu gewährende Beihilfe ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

    Aus diesem Grunde darf diese Beihilfe nicht gewährt werden.

    Artikel 4

    Deutschland teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

    Artikel 5

    Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet.

    Brüssel, den 20. Juli 2005

    Für die Kommission

    Mariann FISCHER BOEL

    Mitglied der Kommission


    (1)  ABl. C 238 vom 21.8.1999, S. 15.

    (2)  Vgl. Fußnote 1.

    (3)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1. Verordnung geändert durch die Beitrittsakte 2003.

    (4)  Vgl. Fußnote 1.

    (5)  ABl. C 368 vom 23.12.1994 bzw. ABl. C 283 vom 19.9.1997.

    (6)  ABl. L 160 vom 26.6.1999, S. 21. Zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1899/2004 der Kommission (ABl. L 328 vom 30.10.2004, S. 67

    (7)  ABl. L 282 vom 1.11.1975, S. 1. Zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1365/2000 (ABl. L 156 vom 29.6.2000, S. 5)

    (8)  ABl. C 71 vom 11.3.2000, S. 14.

    (9)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. September 1980, Rechtssache C-730/79, Slg. 1980, S. 2671, Rn. 11 und 12.

    (10)  Urteile des Gerichtshofs vom 21. März 1990, Rechtssache C-142/87, Slg. 1990, S. I-959, Rn. 43, und Urteil vom 14. September 1994, verbundene Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und C-280/92, Slg. 1994, S. I-4103, Rn. 40 bis 42.

    (11)  Im Fleischsektor gibt es einen beträchtlichen innergemeinschaftlichen Handel. 1996 wurden rund 8 Millionen Tonnen Fleisch (Schlachtkörpergewicht) innerhalb der EU gehandelt. Dies waren rund 23 % der Gesamtfleischproduktion des Jahres 1996 (Quelle: Eurostat).

    (12)  ABl. C 74 vom 10.3.1998, S. 9.

    (13)  ABl. C 31 vom 3.2.1979, S. 9.

    (14)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

    (15)  Dieses Schreiben wurde durch die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (ABl. C 71 vom 11.3.2000, S. 14) ersetzt.

    (16)  ABl. C 71 vom 11.3.2000, S. 14.


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