EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62013CC0373

Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11. September 2014.
H. T. gegen Land Baden-Württemberg.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - Deutschland.
Vorlage zur Vorabentscheidung - Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts - Grenzen, Asyl und Einwanderung - Richtlinie 2004/83/EG - Art. 24 Abs. 1 - Mindestnormen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus - Aufhebung des Aufenthaltstitels - Voraussetzungen - Begriff ‚zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung‘ - Beteiligung einer Person, die den Status eines Flüchtlings hat, an Aktivitäten einer Organisation, die auf der von der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen aufgeführt ist.
Rechtssache C-373/13.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2218

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 11. September 2014 ( 1 )

Rechtssache C‑373/13

H. T.

gegen

Land Baden-Württemberg

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg [Deutschland])

„Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts — Asyl und Einwanderung — Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes — Aufhebung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG — Voraussetzungen — Begriff ‚zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung‘ — Beteiligung einer als Flüchtling anerkannten Person an den Tätigkeiten einer terroristischen Vereinigung“

1. 

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Deutschland) wirft eine Reihe von heiklen und komplexen Fragen auf. Das vorlegende Gericht begehrt Aufschluss über die Auslegung der Art. 21 und 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie ( 2 ). Es möchte wissen, ob und gegebenenfalls wie diese Vorschriften anzuwenden sind, wenn die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats eine Person, der gemäß der Anerkennungsrichtlinie die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, ausweisen und ihren Aufenthaltstitel widerrufen. Auch wenn dem fraglichen Flüchtling das Recht gewährt wird, sich weiter im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufzuhalten, fragt sich, ob die Tatsache, dass er keinen Aufenthaltstitel mehr besitzt und dadurch nach dem nationalen Recht den Anspruch auf bestimmte Vergünstigungen, z. B. den Zugang zur Beschäftigung, (in geringerem oder größerem Maße) verliert, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Und wenn diese Person ausgewiesen wurde, weil sie durch ihre Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gegen nationales Recht verstoßen hat, fragt sich weiter, welche Kriterien für die Feststellung maßgeblich sind, dass eine Entscheidung über die Aufhebung des Aufenthaltstitels dieser Person aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gerechtfertigt ist.

Völkerrecht

Das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

2.

Das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ( 3 ) stützt sich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die jedermann das Recht zuerkennt, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen. Nach Art. 1 Abschnitt A Nr. 2 der Genfer Konvention findet der Ausdruck „Flüchtling“ auf jede Person Anwendung, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“.

3.

Neben den Vorschriften über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sieht die Genfer Konvention auch Rechte und Pflichten vor. So heißt es in ihrem Art. 2, dass jeder Flüchtling gegenüber dem Land, in dem er sich befindet, Pflichten hat, zu denen insbesondere die Verpflichtung gehört, die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften sowie die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffenen Maßnahmen zu beachten.

4.

Die Genfer Konvention sieht für eine Person, die als Flüchtling gilt, eine Reihe von Mindestrechten vor. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, dieselbe Behandlung zu gewähren wie den eigenen Staatsangehörigen, und zwar z. B. im Hinblick auf i) die Ausübung einer nichtselbständigen Arbeit ( 4 ), ii) die Gewährung derselben Behandlung wie den eigenen Staatsangehörigen in Bezug auf Lohn (einschließlich Familienbeihilfen) und soziale Sicherheit ( 5 ) sowie iii) die Gewährung des Rechts, ihren Aufenthalt zu wählen und sich innerhalb ihres Gebiets frei zu bewegen, wobei dies vorbehaltlich der Bestimmungen gilt, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden ( 6 ).

5.

Nach Art. 32 („Ausweisung“) der Genfer Konvention darf ein vertragschließender Staat einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in seinem Gebiet aufhält, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen. Die Ausweisung eines Flüchtlings darf nur in Ausführung einer Entscheidung erfolgen, die in einem durch gesetzliche Bestimmungen geregelten Verfahren ergangen ist. Einem Flüchtling ist Gelegenheit zu geben, eine Ausweisungsentscheidung anzufechten, indem er Beweise zu seiner Entlastung beibringt und/oder ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegt, soweit nicht zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit entgegenstehen. Vor der Vollstreckung einer Ausweisungsentscheidung müssen die vertragschließenden Staaten dem Flüchtling eine angemessene Frist gewähren, um ihm die Möglichkeit zu geben, in einem anderen Land um rechtmäßige Aufnahme nachzusuchen. Die vertragschließenden Staaten behalten sich das Recht vor, während dieser Frist diejenigen Maßnahmen anzuwenden, die sie zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung für zweckdienlich erachten.

6.

Die Aufhebung der Flüchtlingseigenschaft ist in der Konvention nicht ausdrücklich geregelt ( 7 ).

7.

Das Verbot der Zurückweisung gehört zu den grundlegenden Prinzipien, auf denen die Genfer Konvention beruht. Es besagt, dass keiner der vertragschließenden Staaten einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen wird, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht wäre ( 8 ). Ein Flüchtling jedoch, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des betreffenden Landes anzusehen ist oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde, kann sich nicht auf diese Vorschrift berufen ( 9 ).

Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

8.

Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ( 10 ) (EMRK) verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Nach Art. 8 EMRK ist das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gewährleistet. Art. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK enthält bestimmte verfahrensrechtliche Schutzvorschriften in Bezug auf die Ausweisung von Ausländern, u. a. das Recht des Betroffenen, Gründe vorzubringen, die gegen seine Ausweisung sprechen, das Recht, seinen Fall prüfen zu lassen, und das Recht, sich zu diesem Zweck vertreten zu lassen ( 11 ).

Unionsrecht

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union

9.

Das in Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ( 12 ) festgelegte Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung entspricht Art. 3 EMRK. Art. 7 der Charta lautet: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat‑ und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“ Art. 18 der Charta gewährleistet nach Maßgabe der Genfer Konvention und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union das Asylrecht. Art. 19 der Charta sieht Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung vor. Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht ( 13 ). In Art. 52 Abs. 1 der Charta heißt es, dass jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein muss und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Einschränkungen dürfen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Nach Art. 52 Abs. 3 sind die in der Charta verankerten Rechte im Sinne der entsprechenden durch die EMRK garantierten Rechte auszulegen.

Der Schengen-Besitzstand

10.

Der Schengen-Raum beruht auf dem Schengener Abkommen von 1985 ( 14 ), mit dem die Vertragsstaaten die Abschaffung sämtlicher Binnengrenzen und die Errichtung einer einzigen Außengrenze vereinbarten. Innerhalb des Schengen-Raums gelten für die Ausstellung von Kurzzeitvisa, Asylanträge und Grenzkontrollen gemeinsame Vorschriften und Verfahren. Nach Art. 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Schengener Abkommens ( 15 ) ist „Drittausländer“ eine Person, die nicht Staatsangehöriger eines der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften ist. Art. 5 Abs. 1 des Durchführungsübereinkommens bestimmt, dass einem Drittausländer für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien gestattet werden kann, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Nach Art. 21 des Durchführungsübereinkommens können sich Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sind, höchstens bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen, soweit sie die Voraussetzungen gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, c und e erfüllen ( 16 ).

Restriktive Maßnahmen gegen Personen und Organisationen, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind

11.

Im Dezember 2001 erließ die Europäische Union infolge der Terroranschläge in den Vereinigten Staaten von Amerika, insbesondere auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001, erstmals restriktive Maßnahmen gegen Personen und Organisationen, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind. Die entsprechende EU-Liste wurde zur Umsetzung der gemäß Kapitel VII der UN-Charta angenommenen Resolution 1373 (2001) des UN-Sicherheitsrates erlassen. Der Rat erließ hierzu den Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP ( 17 ) und die Verordnung Nr. 2580/2001 ( 18 ). In Ersterem ist festgelegt, nach welchen Kriterien an terroristischen Handlungen beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen in die Liste aufgenommen werden und welche Handlungen terroristische Handlungen darstellen, während mit der genannten Verordnung zur Bekämpfung des Terrorismus spezifische restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen eingeführt wurden.

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und die Anerkennungsrichtlinie

12.

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) dient zur Umsetzung der Genfer Konvention ( 19 ). Die im Rahmen des GEAS erlassenen Maßnahmen achten die Grundrechte und die in der Charta anerkannten Grundsätze ( 20 ). In Bezug auf die Behandlung von Personen, die von diesen Maßnahmen erfasst werden, sind die Mitgliedstaaten gehalten, die Verpflichtungen einzuhalten, die sie im Rahmen völkerrechtlicher Verträge eingegangen sind ( 21 ). Ziel des GEAS ist eine Harmonisierung des in den Mitgliedstaaten auf der Grundlage gemeinsamer Mindestnormen angewendeten rechtlichen Rahmens. Es liegt in der Natur von Mindestnormen, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, günstigere Regelungen einzuführen oder beizubehalten ( 22 ). Die Einführung des GEAS führte zur Annahme einer Reihe von Maßnahmen ( 23 ). Nach einer Überarbeitung des GEAS wurden im Jahr 2013 neue Regeln erlassen ( 24 ).

13.

Durch die Anerkennungsrichtlinie sollen in allen Mitgliedstaaten geltende Mindestnormen und gemeinsame Kriterien festgelegt werden für die Anerkennung von Flüchtlingen und anderen Personen, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen, für den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und für ein gerechtes und effizientes Asylverfahren ( 25 ). Die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn diese einmal festgestellt ist, ist ein deklaratorischer Akt ( 26 ).

14.

Folgende Erwägungsgründe sind von Bedeutung:

„(22)

Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, ‚dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘ und ‚dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘.

(28)

Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.

(30)

Innerhalb der durch die internationalen Verpflichtungen vorgegebenen Grenzen können die Mitgliedstaaten festlegen, dass Leistungen im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Sozialhilfe, zur medizinischen Versorgung und zu Integrationsmaßnahmen nur dann gewährt werden können, wenn vorab ein Aufenthaltstitel ausgestellt worden ist.

…“

15.

Die Anerkennungsrichtlinie, die hierin Art. 1 Abschnitt A Nr. 2 der Genfer Konvention folgt, bezeichnet als „Flüchtling“ einen „Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet“ ( 27 ). Der Ausdruck „Flüchtlingseigenschaft“ bedeutet gemäß der Anerkennungsrichtlinie die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat ( 28 ). Ein „Aufenthaltstitel“ ist gemäß dieser Richtlinie „die von den Behörden eines Mitgliedstaats erteilte und entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften ausgestellte Erlaubnis oder Genehmigung, die dem Drittstaatsangehörigen oder dem Staatenlosen den Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gestattet“ ( 29 ).

16.

Wer die Voraussetzungen des Kapitels II der Anerkennungsrichtlinie über die Beurteilung von Anträgen auf internationalen Schutz erfüllt, kann als Flüchtling anerkannt werden, wenn er nachweisen kann, dass er Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 ausgesetzt war oder zu befürchten hat.

17.

Als Verfolgung gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der unabdingbaren Rechte (im Sinne von Art. 15 Abs. 2 EMRK), darstellen, oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass sie einer Verletzung der grundlegenden Menschenrechte gleichkommt ( 30 ). Die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt kann als Verfolgungshandlung gelten ( 31 ). Es muss eine Verknüpfung zwischen den in Art. 10 genannten Gründen und den in Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen ( 32 ).

18.

Als Verfolgungsgründe gelten gemäß Art. 10 der Anerkennungsrichtlinie u. a. die Rasse, die Religion, die Nationalität, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und die politische Überzeugung.

19.

Art. 11 der Anerkennungsrichtlinie bestimmt die Umstände, unter denen die Flüchtlingseigenschaft erlischt. Sie bedingen, dass der Flüchtling auf die eine oder die andere Art den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hatte, erlangt oder dass er den Schutz eines anderen Landes genießt, dessen Staatsangehörigkeit er erworben hat. Das ist z. B. der Fall, wenn ein Flüchtling i) sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt oder ii) nach dem Verlust seiner Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat oder iii) eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er erworben hat, genießt oder iv) freiwillig in das Land, das er verlassen hat, zurückgekehrt ist oder v) nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder vi) als eine Person, die keine Staatsangehörigkeit besitzt, nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt wurde, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hatte.

20.

Ein Drittstaatsangehöriger fällt nicht in den Anwendungsbereich der Anerkennungsrichtlinie, wenn er unter deren Art. 12 fällt. Im vorliegenden Fall ist der einschlägige Ausschlussgrund in Art. 12 Abs. 2 zu sehen, wonach eine Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass der Drittstaatsangehörige ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen ( 33 ), dass er eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Aufnahmelandes begangen hat, bevor er als Flüchtling aufgenommen wurde, d. h. vor dem Zeitpunkt der Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft – wobei in diesem Zusammenhang insbesondere grausame Handlungen als schwere nichtpolitische Straftaten eingestuft werden können, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt werden – ( 34 ), oder dass er sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen ( 35 ).

21.

Die Mitgliedstaaten können die bereits zuerkannte Flüchtlingseigenschaft unter den Voraussetzungen des Art. 14 der Anerkennungsrichtlinie aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen. Insbesondere können sie dies gemäß Art. 14 Abs. 4, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass der Flüchtling eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält ( 36 ), oder wenn er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde ( 37 ).

22.

Der Inhalt des internationalen Schutzes ist in Kapitel VII der Anerkennungsrichtlinie festgelegt. Die Bestimmungen dieses Kapitels berühren nicht die in der Genfer Konvention verankerten Rechte ( 38 ). Sie gelten sowohl für Flüchtlinge als auch für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz ( 39 ). Art. 20 Abs. 6 der Anerkennungsrichtlinie lautet: „Die Mitgliedstaaten können die einem Flüchtling aufgrund dieses Kapitels zugestandenen Rechte innerhalb der durch die Genfer Flüchtlingskonvention vorgegebenen Grenzen einschränken, wenn ihm die Flüchtlingseigenschaft aufgrund von Aktivitäten zuerkannt wurde, die einzig oder hauptsächlich deshalb aufgenommen wurden, um die für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen“ ( 40 ). Die Mitgliedstaaten sind nach keiner anderen allgemeinen Vorschrift berechtigt, die nach Kapitel VII gewährten Vergünstigungen einzuschränken.

23.

Art. 21 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie gebietet den Mitgliedstaaten, den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen zu achten. Art. 21 Abs. 2 sieht vor, dass ein Mitgliedstaat, sofern ihm dies nicht aufgrund seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, „einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen [kann], wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem [er] sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde“. Art. 21 Abs. 3 bestimmt: „Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn [Art. 21 Abs. 2] auf die betreffende Person Anwendung findet.“

24.

Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie bestimmt: „So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen …“

25.

In Bezug auf Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, müssen die Mitgliedstaaten außerdem i) Reiseausweise ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen ( 41 ), ii) die Aufnahme einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit gestatten ( 42 ), iii) dafür sorgen, dass beschäftigungsbezogene Bildungsangebote für Erwachsene zu gleichwertigen Bedingungen wie eigenen Staatsangehörigen angeboten werden ( 43 ), iv) gewährleisten, dass die notwendige Sozialhilfe gewährt wird, wie sie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten ( 44 ), v) dafür Sorge tragen, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung zu denselben Bedingungen wie den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gewährt wird ( 45 ), vi) dafür sorgen, dass Zugang zu Wohnraum unter Bedingungen gewährt wird, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten ( 46 ), vii) die Bewegungsfreiheit unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige gestatten, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten ( 47 ), und viii) Integrationsprogramme vorsehen oder Rahmenbedingungen schaffen, die den Zugang zu diesen Programmen garantieren ( 48 ).

Die Richtlinie 2003/109 des Rates

26.

Die Richtlinie 2003/109 ( 49 ) ist gestützt auf Art. 63 Abs. 3 und 4 EG (jetzt Art. 79 AEUV) über die gemeinsame Einwanderungspolitik. Sie enthält die Vorschriften für die Zuerkennung und den Entzug der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in Bezug auf Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in den Mitgliedstaaten aufhalten ( 50 ). Die Mitgliedstaaten können für die Ausstellung dauerhafter oder unbefristeter Aufenthaltstitel günstigere Voraussetzungen als die nach der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige vorsehen ( 51 ). Als Drittstaatsangehöriger gilt jede Person, die nicht Unionsbürger im Sinne des jetzigen Art. 20 Abs. 1 AEUV ist ( 52 ), und eine „langfristige Aufenthaltsberechtigung – EG“ (jetzt EU) ist ein Aufenthaltstitel, der bei der Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten von dem betreffenden Mitgliedstaat ausgestellt wird ( 53 ). Die Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige gilt für Flüchtlinge oder Personen, die anderweitig internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Anerkennungsrichtlinie benötigen ( 54 ). Die Mitgliedstaaten erteilen Drittstaatsangehörigen, die sich fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten ( 55 ). Die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten ist, sofern sie nicht gemäß Art. 9 entzogen wurde oder verloren ging, dauerhaft ( 56 ). Langfristige Aufenthaltstitel, die gemäß der Richtlinie 2003/109 ausgestellt wurden, sind mindestens fünf Jahre lang gültig und werden bei Ablauf automatisch verlängert ( 57 ).

27.

Die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten kann unter den in Art. 9 festgelegten Umständen entzogen werden oder verloren gehen, z. B. wenn eine Ausweisung verfügt worden ist ( 58 ) oder wenn die betreffende Person wegen der Schwere der von ihr begangenen Verstöße eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, doch ist eine solche Gefahr kein Grund für eine Ausweisung im Sinne von Art. 12 der Richtlinie ( 59 ). Die Entscheidung, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu versagen oder zu entziehen, ist zu begründen, und es ist auf die möglichen Rechtsbehelfe hinzuweisen ( 60 ). Langfristig Aufenthaltsberechtigte genießen im Hinblick auf eine Reihe sozialer Vergünstigungen, z. B. in Bezug auf den Zugang zur Beschäftigung, die gleiche Behandlung wie Inländer ( 61 ). Die Ausweisung langfristig Aufenthaltsberechtigter ist in Art. 12 geregelt. Die Mitgliedstaaten können im Wesentlichen nur dann gegen einen langfristig Aufenthaltsberechtigten eine Ausweisung verfügen, wenn er „eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt“ ( 62 ).

Die Unionsbürgerrichtlinie

28.

Die Richtlinie 2004/38/EG ( 63 ) regelt u. a. die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen ( 64 ). Kapitel VI dieser Richtlinie betrifft Beschränkungen des Einreise- und Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit. In Art. 28 („Schutz vor Ausweisung“) heißt es:

„…

(2)   Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3)   Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a)

ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben …

…“

Nationales Recht

29.

Art. 16a des Grundgesetzes (GG) für die Bundesrepublik Deutschland sieht ein Asylrecht vor. Das Verfahren für die Gewährung von Asyl ist im Asylverfahrensgesetz geregelt. Wird einem Antragsteller von den zuständigen Behörden die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, so erhält er eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis. Er hat daraufhin in Bezug auf Sozialleistungen und Kindergeld Anspruch auf dieselben Vergünstigungen wie ein deutscher Staatsbürger sowie ferner Anspruch auf Eingliederungsbeihilfe, was bestimmte Leistungen und Zugang zu Sprachkursen einschließt.

30.

Gemäß dem Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (im Folgenden: Vereinsgesetz) wurden Tätigkeiten der PKK verboten ( 65 ). Wer gegen dieses Verbot verstößt, begeht gemäß § 20 Vereinsgesetz eine Straftat.

31.

Nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) bedürfen Drittstaatsangehörige für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels. Dieser wird u. a. erteilt in Form einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Niederlassungserlaubnis ( 66 ). Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel ( 67 ). Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt ( 68 ).

32.

Wird einem Drittstaatsangehörigen von den zuständigen Behörden Asyl gewährt oder die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, so müssen sie ihm auch eine Aufenthaltserlaubnis erteilen ( 69 ). Eine unter solchen Umständen erteilte Aufenthaltserlaubnis kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden ( 70 ). Dem Inhaber einer solchen Aufenthaltserlaubnis ist gemäß § 26 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen ( 71 ).

33.

Ein Drittstaatsangehöriger, der keinen Aufenthaltstitel und kein Aufenthaltsrecht besitzt, muss Deutschland verlassen ( 72 ). Ein Aufenthaltstitel erlischt z. B. bei Ablauf seiner Geltungsdauer, bei Rücknahme oder Widerruf des Aufenthaltstitels oder bei Ausweisung des Ausländers ( 73 ).

34.

Die zuständigen Behörden können einen Drittstaatsangehörigen ausweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt. Auch auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen ( 74 ). Im Fall einer Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz ist der betroffene Ausländer verpflichtet, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, und sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der für ihn zuständigen Ausländerbehörde beschränkt ( 75 ). Für Flüchtlinge gilt ein besonderer Schutz vor Ausweisung, es sei denn, es liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vor. Deren Vorliegen wird im Allgemeinen dann angenommen, wenn z. B. eine Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz erlassen wurde.

35.

Die Ausweisung führt automatisch zum Entzug des Aufenthaltstitels. Ein neuer Aufenthaltstitel wird selbst dann nicht erteilt, wenn die Voraussetzungen hierzu ansonsten erfüllt sind ( 76 ). Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass dies Auswirkungen auf den Zugang des Flüchtlings zur Beschäftigung und zu anderen vom nationalen Recht vorgesehenen sozialen Rechten hat.

36.

Unter bestimmten Umständen darf ein Drittstaatsangehöriger jedoch nicht ausgewiesen werden, z. B. i) in dem von der Genfer Konvention vorgesehenen Fall, dass sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, ii) wenn er ernsthaften Schaden erleiden könnte oder iii) wenn seine Ausweisung gegen die EMRK verstoßen würde ( 77 ). Eine Ausweisung kann u. a. aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen für so lange ausgesetzt werden, wie die betroffene Person aus sachlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben (d. h. aus dem Hoheitsgebiet entfernt) werden kann, doch wird ihr während dieser Zeit kein Aufenthaltstitel erteilt ( 78 ). Die Aussetzung der Ausweisung lässt die Verpflichtung des Drittstaatsangehörigen, Deutschland zu verlassen, unberührt ( 79 ). Die zuständigen Behörden stellen über die Aussetzung der Ausweisung eine Bescheinigung aus ( 80 ).

Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

37.

Herr H. T. wurde 1956 geboren und ist ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung. Seit 1989 lebt er in Deutschland zusammen mit seiner Ehefrau, die ebenfalls die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, und acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

38.

Am 24. Juni 1993 erkannten die zuständigen Behörden den Asylantrag von Herrn H. T. an. Diese Entscheidung berücksichtigte seine im Exil ausgeübten politischen Tätigkeiten für die PKK und die Gefahr einer Verfolgung, der er wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt wäre, wenn er in die Türkei zurückkehren müsste. Seit dem 7. Oktober 1993 besitzt Herr H. T. eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Ihm wurde seine Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Konvention zuerkannt. Am 21. August 2006 widerriefen die zuständigen Behörden die Flüchtlingseigenschaft von Herrn H. T. mit der Begründung, dass sich die politische Situation in der Türkei geändert habe und er nunmehr nicht mehr der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sei. Dieser Bescheid wurde angefochten und vom Verwaltungsgericht Karlsruhe am 30. November 2007 aufgehoben. Folglich behielt Herr H. T. seine Flüchtlingseigenschaft bei.

39.

Daraufhin ermittelten die zuständigen Behörden gegen Herrn H. T. nach § 20 Vereinsgesetz wegen Unterstützung der PKK, wobei sie bei einer Durchsuchung seiner Wohnung Beweise gegen ihn erlangten. In diesem Verfahren wurde festgestellt, dass er für die PKK Spenden gesammelt und an diese Organisation weitergeleitet hatte und dass er daneben die Zeitschrift Serxwebûn, eine Veröffentlichung der PKK, vertrieben hatte. Mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 wurde er deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt. Nachdem sein Rechtsmittel vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen worden war, wurde das Urteil am 8. April 2009 rechtskräftig.

40.

Am 27. März 2012 erließ das Regierungspräsidium Karlsruhe im Namen des Landes Baden-Württemberg gegen Herrn H. T. eine Ausweisungsverfügung (im Folgenden: Bescheid vom 27. März 2012) gemäß § 54 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz (wegen „Unterstützung einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt“). Mit diesem Bescheid wurden Herrn H. T. gemäß § 54a Aufenthaltsgesetz bestimmte Auflagen auferlegt, darunter die, sich regelmäßig bei einer polizeilichen Dienststelle zu melden, und daneben wurde sein Aufenthalt auf die Stadt Mannheim begrenzt. Die zuständigen Behörden beschlossen allerdings, die Vollstreckung der Ausweisungsverfügung ( 81 ) in Anbetracht der Flüchtlingseigenschaft von Herrn H. T., seines Daueraufenthaltsrechts, seiner familiären Bindungen und seines in Art. 8 EMRK verankerten Rechts auf Familienleben (den gleichen Schutz bietet Art. 7 der Charta) auszusetzen. Die von Herrn H. T. gegen den Bescheid vom 27. März 2012 erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 7. August 2012 abgewiesen.

41.

Am 28. November 2012 ließ der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe die Berufung zu. Im Rahmen jenes Verfahrens macht Herr H. T. Folgendes geltend: i) Die PKK sei keine terroristische Organisation. ii) Als Kurde nehme er zwar an Newroz-Festen (dem kurdischen Neujahrsfest) teil und habe an genehmigten Veranstaltungen im Zusammenhang mit der PKK in Deutschland teilgenommen, doch unterstütze er diese Organisation nicht. iii) Die Art. 21 und 24 der Anerkennungsrichtlinie seien in dem Bescheid vom 27. März 2012 nicht berücksichtigt worden. iv) Seine Ausweisung wäre nur aus schwerwiegenden Gründen zulässig, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestünde, was auf seinen Fall nicht zutreffe. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens vertritt die Auffassung, dass weder Art. 21 noch Art. 24 der Anerkennungsrichtlinie der Ausweisung von Herrn H. T. entgegenstehe.

42.

Das vorlegende Gericht begehrt Aufschluss über die Frage der Auslegung der Art. 21 und 24 der Anerkennungsrichtlinie und möchte wissen, wie der Begriff „schwerwiegende Gründe“ in § 56 Aufenthaltsgesetz im Licht dieser Vorschriften auszulegen ist. Es hat dem Gerichtshof deshalb folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

a)

Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Anerkennungsrichtlinie über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b)

Ist diese daher dahin gehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie oder „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 derselben Richtlinie nicht gegeben sind?

2.

Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a)

Wie ist der Ausschlussgrund der „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Anerkennungsrichtlinie mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b)

Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Anerkennungsrichtlinie gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Zurückweisungsverbots nach Art. 33 Abs. 2 der Genfer Konvention und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie nicht erfüllt sind?

3.

Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95) zulässig?

43.

Schriftliche Erklärungen haben Herr H. T., Deutschland, Griechenland, Italien und die Europäische Kommission eingereicht. Außer Italien haben alle Parteien an der mündlichen Verhandlung am 4. Juni 2014 teilgenommen und mündliche Ausführungen gemacht.

Rechtliche Würdigung

Vorbemerkungen

44.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen dar ( 82 ). Die Anerkennungsrichtlinie wurde erlassen, um den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien bei der Anwendung der Konvention zu leiten ( 83 ). Diese Richtlinie ist daher im Licht ihrer allgemeinen Systematik und ihres Zwecks in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen auszulegen, auf die Art. 78 Abs. 1 AEUV Bezug nimmt. Außerdem muss diese Auslegung die Befolgung der in der Charta anerkannten Rechte gewährleisten ( 84 ).

45.

Bevor einer Person die Flüchtlingseigenschaft gemäß der Anerkennungsrichtlinie zuerkannt wird, richtet sich ihre Stellung u. a. nach der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen und der Verfahrensrichtlinie. Eine solche Person hat keinen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel, solange ihr Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch nicht beschieden ist ( 85 ). Herrn H. T. wurde allerdings die Flüchtlingseigenschaft gemäß der Anerkennungsrichtlinie zuerkannt, und er hat eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Wenn die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats eine Ausweisung erwägen, müssen sie ihre Verpflichtungen aus der Genfer Konvention berücksichtigen, d. h., sie müssen sicherstellen, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist; in anderen Worten, es muss der Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot) eingehalten werden ( 86 ). Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sich die zuständigen Behörden dessen bewusst gewesen seien und dass es hier um die Ausweisung von Herrn H. T. aus Deutschland und den Widerruf seines Aufenthaltstitels zu diesem Zweck, nicht aber um seine Abschiebung gehe.

46.

Insofern besteht zwischen den drei Vorlagefragen eine gewisse Überschneidung. Meines Erachtens geht es im Wesentlichen darum, ob erstens ein einmal gewährter Aufenthaltstitel widerrufen werden darf i) bei Vorliegen entweder zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gemäß Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie oder in Anwendung der Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 oder ii) nur dann, wenn Gründe vorliegen, die Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 anzuwenden (erste und dritte Frage). Zweitens geht es darum, falls die erste Frage im Sinne von i) zu beantworten ist, wie die Wendung „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ in Art. 24 Abs. 1 auszulegen ist (zweite Frage).

Die Lage von Herrn H. T.

47.

Es fragt sich, ob der Sachverhalt von Herrn H. T. unter Art. 21 Abs. 2 und 3 oder Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie fällt ( 87 ). Da sich diese Frage nicht abstrakt beantworten lässt, möchte ich zunächst die Lage von Herrn H. T. zusammenfassen, wie sie das vorlegende Gericht dargelegt hat.

48.

Herr H. T. ist ein anerkannter Flüchtling im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Anerkennungsrichtlinie. Die zuständigen Behörden haben, nachdem er wegen Unterstützung der PKK gemäß § 20 Vereinsgesetz verurteilt worden war, seine Ausweisung verfügt. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass es sich bei der PKK um eine Vereinigung handele, die den Terrorismus unterstütze, und dass Herr H. T. die Tätigkeiten der PKK im Sinne von § 54 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz unterstützt habe, so insbesondere dadurch, dass er für die PKK Spenden gesammelt und sie an diese Vereinigung weitergeleitet habe. Dieser Tatbestand erfülle jedoch nicht die Voraussetzungen von Art. 21 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie. Deshalb ist er auch weiterhin vor einer Zurückweisung geschützt.

49.

Der Aufenthaltstitel von Herrn H. T., der es ihm erlaubt, sich in Deutschland aufzuhalten (siehe Art. 2 Buchst. j der Anerkennungsrichtlinie), ist erloschen, weil eine Ausweisungsverfügung gegen ihn ergangen ist. Die Vollstreckung dieser Verfügung ist ausgesetzt worden. Die Situation von Herrn H. T. lässt sich daher so beschreiben, dass er rechtlich zwar ausgewiesen worden ist, sich aber faktisch weiterhin rechtmäßig in Deutschland aufhält, weil ihm dies von den zuständigen nationalen Behörden erlaubt worden ist ( 88 ).

50.

Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge liegt die Vollstreckung der Ausweisungsverfügung im Ermessen der zuständigen nationalen Behörden. Außerdem sei die Aussetzung der Vollstreckung der gegen Herrn H. T. erlassenen Ausweisungsverfügung nach nationalem Recht aus humanitären Gründen angemessen, insbesondere im Hinblick auf sein Recht auf ein Familienleben ( 89 ), denn fünf seiner acht Kinder seien deutsche Staatsbürger, die mit ihm und seiner Ehefrau zusammenlebten ( 90 ).

51.

Eine Ausweisungsverfügung führe nicht zwangsläufig zur Rückführung des Flüchtlings aus Deutschland. Nach dem nationalen Recht bedeute eine derartige Entscheidung jedoch, dass der Aufenthaltstitel widerrufen sei ( 91 ). Herr H. T. ist noch immer Flüchtling im Sinne der Anerkennungsrichtlinie. Die Ausweisungsverfügung bedeutet jedoch, dass er keinen Zugang zu Beschäftigung, zu Fortbildungsmaßnahmen und/oder keinen Anspruch auf soziale Rechte hat. Nach deutschem Recht hängt der Zugang zu diesen Rechten zwingend von dem Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels und nicht der Flüchtlingseigenschaft ab. Außerdem stellt sich im Ausgangsverfahren die Frage, ob es mit der Richtlinie vereinbar ist, dass der Aufenthalt von Herrn H. T. in Deutschland nach dem Widerruf seines Aufenthaltstitels nur „geduldet“ wird.

Ist Art. 21 Abs. 2 und 3 oder Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie anwendbar?

52.

Im Rahmen der ersten und der dritten Frage geht es darum, ob ein Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel entweder nach Art. 21 Abs. 2 und 3 oder nach Art. 24 Abs. 1 aufheben darf oder ob er den Aufenthaltstitel nur nach Art. 21 Abs. 3 aufheben darf, wenn der Flüchtling (weil die Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 zur Anwendung kommt) nicht mehr vor einer Zurückweisung geschützt ist.

Vorbringen der Parteien

53.

Herr H. T. macht geltend, die Art. 21 und 24 stellten unterschiedliche und abschließende Regelungen dar. Art. 21 Abs. 3 bestimme die Voraussetzungen, unter denen, wenn ein Mitgliedstaat einem Flüchtling eine Aufenthaltserlaubnis erteile, diese Aufenthaltserlaubnis in der Folge aufgehoben werden könne, wobei die Aufhebung den Verlust des Schutzes vor Zurückweisung (Art. 21 Abs. 2) voraussetze. Art. 24 Abs. 1 bestimme demgegenüber die Pflichten und die Voraussetzungen für die Gewährung (oder Versagung) eines Aufenthaltstitels nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ein Aufenthaltstitel könne nicht nach Art. 24 Abs. 1 aufgehoben werden. Es gebe keinen Anlass, Art. 24 Abs. 1 analog oder als Alternative zu Art. 21 Abs. 3 anzuwenden. Wenn dem so wäre, hätte der Gesetzgeber in Art. 21 Abs. 3 auf Art. 24 verwiesen. Deshalb sei die erste Frage zu verneinen.

54.

Alle Mitgliedstaaten, die neben der Kommission in diesem Verfahren schriftliche Erklärungen eingereicht haben, sind der Auffassung, dass die Aufenthaltserlaubnis eines Flüchtlings gemäß Art. 24 Abs. 1 aufgehoben werden könne.

55.

Sie machen im Wesentlichen geltend, dass sich erstens aus dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 implizit ergebe, dass es im Ermessen der Mitgliedstaaten stehe, i) die Erteilung oder ii) die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu verweigern. Daher sei es logisch und folgerichtig, davon auszugehen, dass ein Mitgliedstaat bei Vorliegen dieser Gründe auch zur Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis berechtigt sei. Zweitens stehe es im Einklang mit der Systematik der Regelung, wenn die Mitgliedstaaten eine Aufenthaltserlaubnis vor dem Zeitpunkt ihrer Verlängerung aufheben könnten. Da es in Art. 21 Abs. 3 eine solche Regelung gebe, sei nicht einzusehen, weshalb es in Art. 24 Abs. 1 nicht eine ähnliche Möglichkeit geben sollte. Drittens hätte eine enge Auslegung von Art. 24 Abs. 1 zur Folge, dass die Mitgliedstaaten eine Aufenthaltserlaubnis niemals aufheben könnten, sofern sie nicht auch berechtigt seien, den Flüchtling zurückzuweisen. Viertens würde eine Auslegung von Art. 24 Abs. 1, der zufolge diese Vorschrift nicht zu einer Aufhebung berechtige, zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Ob ein Mitgliedstaat die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis in einem bestimmten Fall verweigern könne, würde davon abhängen, ob die Informationen über die zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zum Zeitpunkt der Erteilung oder der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (Maßnahme möglich) oder erst zu einem anderen Zeitpunkt (Maßnahme nicht möglich) verfügbar geworden seien. Schließlich könne sich ein Drittstaatsangehöriger, der einen gültigen Aufenthaltstitel besitze, im Schengen-Raum frei bewegen ( 92 ). Deshalb sei es für die Mitgliedstaaten wichtig, eine Aufenthaltserlaubnis auch dann aufheben zu können, wenn eine Zurückweisung nicht in Betracht komme. Das habe nämlich Auswirkungen nicht nur auf den betroffenen Staat, sondern auf alle Staaten, die den Schengen-Raum bildeten, und auf den gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

56.

Die Kommission trägt vor, dass sämtliche Maßnahmen, die die Beendigung eines Aufenthaltstitels bewirkten, das in Art. 33 der Genfer Konvention und in Art. 21 der Anerkennungsrichtlinie verankerte Verbot der Zurückweisung beachten müssten.

Art. 21 Abs. 2 und 3 der Anerkennungsrichtlinie

57.

Art. 21 Abs. 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen zu beachten. Dieser Grundsatz wird in der Anerkennungsrichtlinie selbst nicht definiert, auch wenn in deren zweitem Erwägungsgrund auf den in der Genfer Konvention enthaltenen Grundsatz der Nichtzurückweisung verwiesen und festgestellt wird, dass niemand dorthin zurückgeschickt werden soll, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung bedeutet gemäß Art. 33 Abs. 1 der Genfer Konvention, dass ein Flüchtling nicht dorthin abgeschoben oder zurückgewiesen werden darf, wo er Verfolgung ausgesetzt ist ( 93 ) und wo sein Leben oder seine Freiheit bedroht wäre. Demzufolge erfasst eine Zurückweisung lediglich Sachverhalte, in denen der betroffene Flüchtling aus dem Mitgliedstaat, in dem er Schutz sucht, ausgewiesen und von diesem Staat in das Hoheitsgebiet (oder an dessen Grenzen) zurückgebracht wird, aus dem er vor Verfolgung geflohen ist. Eine Zurückweisung umfasst nicht eine Ausweisung in ein anderes, sicheres Drittland.

58.

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 21 Abs. 2 steht es vorbehaltlich ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen im Ermessen der Mitgliedstaaten, einen Flüchtling zurückzuweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde (im Folgenden: Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2). Diese Formulierung spiegelt Art. 33 Abs. 2 der Genfer Konvention wider. Art. 21 der Richtlinie enthält keine ausdrückliche Regelung für die Ausweisung von Flüchtlingen, bei denen eine Zurückweisung nicht in Betracht kommt.

59.

Außerdem sieht Art. 32 Abs. 1 der Genfer Konvention in Bezug auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten vor, dass die Vertragsparteien sich das Recht vorbehalten, Flüchtlinge aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auszuweisen ( 94 ). Diese Formulierung findet sich nicht in Art. 21 der Richtlinie (und weicht von Art. 24 Abs. 1 ab) ( 95 ).

60.

Die EMRK gewährt keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ( 96 ). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat stets anerkannt, dass die Vertragsstaaten das Recht haben, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Ausländern zu kontrollieren ( 97 ). Er hat allerdings festgestellt, dass Ausweisungsverfügungen Fragen im Zusammenhang mit Art. 3 EMRK aufwerfen und deshalb die Verantwortlichkeit des betreffenden Staates auslösen können, wenn begründete Tatsachen für die Annahme vorliegen, dass der Flüchtling nach seiner Auslieferung der realen Gefahr ausgesetzt wäre, einer Behandlung unterworfen zu werden, die dieser Vorschrift zuwiderliefe. Unter derartigen Umständen impliziert Art. 3 der EMRK die Verpflichtung, den Flüchtling nicht in jenes Land abzuschieben ( 98 ).

61.

Meiner Ansicht nach ist die Ausweisung eines Flüchtlings aus dem Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaats ein weiter gefasster Begriff als die Zurückweisung, die nicht nur eine Rückführung aus dem Staat, sondern auch eine Rückkehr in ein Land bedeutet, in dem die fragliche Person in Gefahr sein könnte. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, einen Flüchtling zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 erfüllt sind. Sie haben vielmehr die folgenden drei Optionen: i) Zurückweisung, ii) Ausweisung in ein sicheres Drittland oder iii) Erlaubnis für den Flüchtling, sich weiterhin in ihrem Hoheitsgebiet aufzuhalten.

62.

Liegen die Voraussetzungen für die Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 vor, so können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling gegenüber gemäß Art. 21 Abs. 3 den erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen. Wird ein Flüchtling zurückgewiesen, braucht ihm nicht (oder gegebenenfalls nicht mehr) ein Aufenthaltstitel (oder dessen Verlängerung) ausgestellt zu werden. Demzufolge ist Art. 21 Abs. 3 nicht anwendbar, wenn die Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 nicht geltend gemacht werden kann. Erlässt daher ein Mitgliedstaat unter Umständen wie im Fall von Herrn H. T. gegen einen Flüchtling Maßnahmen, ohne ihn jedoch zurückzuweisen, weil die Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 nicht eingreift, kann der Aufenthaltstitel dieser Person nicht gemäß Art. 21 Abs. 3 widerrufen werden ( 99 ). Die Kernfrage ist im vorliegenden Fall, ob es mit der Anerkennungsrichtlinie vereinbar ist, wenn ein Mitgliedstaat den Aufenthaltstitel eines Flüchtlings unter solchen Umständen trotzdem widerruft.

Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie

63.

Die allgemeine Regel des Art. 24 Abs. 1 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, so bald wie möglich einen (verlängerbaren) Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens drei Jahre gültig ist, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen (im Folgenden: Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1). Die Ausstellung eines Aufenthaltstitels hängt ausdrücklich zusammen mit der vorherigen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Verlängerung des Aufenthaltstitels.

64.

Art. 24 Abs. 1 verfolgt (zumindest) einen doppelten Zweck. Erstens gewährleistet diese Vorschrift im Allgemeinen, dass die betroffene Person die Verwaltungspapiere besitzt, die erforderlich sind, um z. B. Zugang zur Beschäftigung und zu Sozial‑ und Wohlfahrtsleistungen zu erhalten, und auch, um den Integrationsprozess in dem Mitgliedstaat einzuleiten, in dem die Person lebt. Zweitens räumt diese Vorschrift den Mitgliedstaaten ein Ermessen ein, denn sie sieht eine begrenzte Ausnahme von der allgemeinen Regel vor, nach der die Mitgliedstaaten einen Aufenthaltstitel ausstellen oder verlängern müssen.

65.

Art. 24 Abs. 1 gilt „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“. Das bedeutet eindeutig, dass zwischen den beiden Bestimmungen eine Verknüpfung besteht und dass die Anwendung von Art. 24 Abs. 1 nicht durch die (gesonderten) Befugnisse der Mitgliedstaaten berührt wird, den Aufenthaltstitel gemäß Art. 21 Abs. 3 gegenüber einem Flüchtling zu widerrufen, zu beenden oder seine Verlängerung oder Erteilung abzulehnen.

66.

Mangels einer ausdrücklichen Regelung stellt sich die Frage, ob die Mitgliedstaaten einen Aufenthaltstitel nach seiner Ausstellung, jedoch bevor er zur Verlängerung ansteht, auch gemäß Art. 24 Abs. 1 widerrufen können.

67.

Meiner Auffassung nach spricht mehr dafür, dass die Mitgliedstaaten dazu berechtigt sind.

68.

Erstens schließt der Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 diese zusätzliche Möglichkeit eines Widerrufs dem Wortlaut nach nicht aus. Zweitens entspricht der Widerruf dem Zweck dieser Vorschrift, nach der es den Mitgliedstaaten ausdrücklich erlaubt ist, einen Aufenthaltstitel entweder im Zeitpunkt seiner Ausstellung oder seiner Verlängerung zu versagen, falls zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen. Drittens steht die genannte Möglichkeit mit der Systematik der Richtlinie im Einklang, denn Art. 21 Abs. 3 sieht bereits für den Fall, dass die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 erfüllt sind, ausdrücklich den Widerruf des Aufenthaltstitels vor. Viertens zeigt die Entstehungsgeschichte der Richtlinie, dass die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 von den Mitgliedstaaten im Rat aufgrund eines von Deutschland eingebrachten Vorschlags eingefügt wurde ( 100 ). Diese Änderungen wurden nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika vorgenommen, um den Terrorismus durch die Beschränkung der Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu bekämpfen und die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen ( 101 ). Die Befugnis, einen Aufenthaltstitel unter derartigen Umständen auch zu widerrufen, steht völlig im Einklang mit diesem Ziel. Diese Auslegung hat schließlich den Vorteil, dass etwaige Anomalien verhindert werden: Erstens käme es andernfalls entscheidend auf den Zeitpunkt an, in dem die Informationen über das Vorliegen zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung verfügbar sind, und zweitens würde diese Möglichkeit das Verständnis der Anerkennungsrichtlinie im Verhältnis zur Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige insofern erleichtern, als Letztere die Möglichkeit vorsieht, eine langfristige Aufenthaltsberechtigung zu entziehen, nachdem eine Ausweisungsmaßnahme getroffen wurde ( 102 ).

69.

Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass ein Mitgliedstaat, wenn er einen Flüchtling ausweist, weil er unter die Ausnahme des Art. 24 Abs. 1 fällt, auch seinen Aufenthaltstitel aufheben kann. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Systematik der Richtlinie. Wenn ein Flüchtling das Hoheitsgebiet aufgrund einer Ausweisungsverfügung verlassen muss, besteht keine Notwendigkeit, ihm einen Aufenthaltstitel zu gewähren.

70.

Zwar gilt dieser Sachverhalt nicht für Herrn H. T. Gegen ihn wurde zwar eine Ausweisungsverfügung erlassen, doch tatsächlich ist es ihm erlaubt, in Deutschland zu bleiben. Gleichwohl bin ich der Ansicht, dass Art. 24 Abs. 1 es den Behörden des Mitgliedstaats erlaubt, die Ausweisung zu berücksichtigen und seinen Aufenthaltstitel aufzuheben. Die Konsequenzen dieser Auslegung will ich nachstehend untersuchen ( 103 ).

71.

Am Rande möchte ich hier darauf hinweisen, dass die Anerkennungsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95 neu gefasst wurde ( 104 ). Der Zweck einer Neufassung besteht normalerweise darin, eine Klarstellung und Vereinfachung des zu ändernden Rechtsakts vorzunehmen, obwohl die später eingeführte Richtlinie auch einige substanzielle Änderungen enthält. Es ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber bei dieser Gelegenheit nicht auch den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 geklärt hat (der neu gefasste Text ist der gleiche wie der ursprüngliche). Es ist besonders wichtig, dass Rechtsvorschriften, die die Grundrechte von Personen betreffen, klar und verständlich sind, damit diese Personen ihre Rechte kennen und die Regierungen der Mitgliedstaaten ihre Aufgaben erfüllen können.

72.

Um das Gesagte zusammenzufassen: Ich meine, dass ein einem Flüchtling ausgestellter Aufenthaltstitel entweder aufgehoben werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 vorliegen, oder (nach Art. 21 Abs. 3) dann, wenn es Gründe gibt, die Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 anzuwenden.

Was bedeutet die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie?

73.

Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts gliedert sich in zwei Teile. Ich behandele hier den ersten angesprochenen Punkt, der wiederum zwei Teile umfasst: Zum einen, was bedeutet der Begriff „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ in Art. 24 Abs. 1, und zum anderen, überschneidet sich diese Vorschrift mit Art. 21 Abs. 2?

Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung

74.

Herr H. T. macht geltend, dass die Gründe dafür, die Ausstellung eines Aufenthaltstitels (oder dessen Verlängerung) nach Art. 24 Abs. 1 zu versagen, strenger ausgestaltet seien als nach Art. 21 Abs. 2 und 3. Er hält es für zweckmäßig, Art. 28 der Unionsbürgerrichtlinie entsprechend anzuwenden, in der der Begriff „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“ verwendet werde, um die Grundlage zu beschreiben, auf der ein Mitgliedstaat gegen einen Unionsbürger, der sich in seinem Hoheitsgebiet aufhalte, eine Ausweisung verfügen dürfe. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Begriff „zwingende Gründe“ in Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie anders ausgelegt werde, so hätte er das in der Rechtsvorschrift klar zum Ausdruck gebracht.

75.

Die Mitgliedstaaten, die schriftliche Erklärungen eingereicht haben, sind sich darüber einig, dass es zwischen Art. 21 Abs. 2 und 3 auf der einen Seite und Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie auf der anderen Seite Überschneidungen gibt. Deutschland vertritt die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 strenger seien als bei der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1, weil die Konsequenzen einer Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 für den Flüchtling gravierender seien als in dem Fall, dass lediglich sein Aufenthaltstitel widerrufen werde (im letztgenannten Fall muss der Flüchtling das Hoheitsgebiet nicht unbedingt verlassen). Nach deutscher Ansicht ergänzen sich diese zwei Vorschriften also. Griechenland trägt vor, der erforderliche Nachweis zwingender Gründe sei dahin auszulegen, dass dadurch sichergestellt werden solle, dass sich die Anwendung dieser Vorschrift auf Ausnahmefälle beschränke, so wie es die Rechtsprechung in Bezug auf die Unionsbürgerrichtlinie verlange. Italien meint, der Begriff „zwingende Gründe“ sollte in Art. 24 Abs. 1 weniger restriktiv ausgelegt werden als der Begriff „stichhaltige Gründe“ in Art. 21 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie.

76.

Die Kommission verweist darauf, dass in der deutschen Fassung von Art. 33 Abs. 2 der Genfer Konvention der Begriff „schwerwiegende Gründe“ verwendet werde, während es in der englischen Fassung „reasonable grounds“ und in der französischen Fassung „des raisons sérieuses“ heiße. Die deutsche Fassung von Art. 21 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie unterscheide sich ebenfalls von der englischen und der französischen Fassung sowie von der Genfer Konvention, da darin von „stichhaltigen Gründen“ die Rede sei, während die englische und die französische Fassung mit der jeweiligen Sprachfassung der Genfer Konvention übereinstimmten. Eine wörtliche Auslegung der deutschen Fassung würde nach Ansicht der Kommission im Hinblick auf die Ausnahme des Art. 21 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie niedrigere Anforderungen ergeben als nach der englischen und der französischen Fassung. Dies entspräche nicht dem Willen des Gesetzgebers, und deshalb müsse der in der englischen und in der französischen Fassung festgelegte Standard gelten.

77.

Ich bin der Ansicht, dass die Art. 21 und 24 zwar zu unterschiedlichen Regelungen führen, doch gibt es tatsächlich insofern Überschneidungen, als beide Vorschriften sich auf die Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels für einen Flüchtling oder den Widerruf des Aufenthaltstitels beziehen, und das hat Auswirkungen auf den Status des Flüchtlings in dem Mitgliedstaat, in dem er Schutz sucht.

78.

Der Hinweis der Kommission auf die Unterschiede zwischen der englischen, der französischen und der deutschen Fassung von Art. 33 Abs. 2 der Genfer Konvention und Art. 21 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie ist zwar zutreffend, doch gibt dies meines Erachtens keinen Aufschluss darüber, ob Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie die Aufhebung eines Aufenthaltstitels in einem Sachverhalt wie dem von Herrn H. T. erfasst.

79.

Der guten Ordnung halber möchte ich darauf hinweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung, wenn es zwischen den einzelnen Sprachfassungen eines Textes einen Unterschied gibt, die fragliche Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Fassungen in allen Sprachen der Europäischen Union ausgelegt und angewandt werden muss ( 105 ) und dass die fragliche Vorschrift nach dem Zweck und der allgemeinen Systematik der Regelung ausgelegt werden muss, zu der sie gehört ( 106 ). Art. 21 der Anerkennungsrichtlinie basiert auf Art. 33 der Genfer Konvention. Die verbindlichen Fassungen der Konvention sind deren englische und französische Fassung. Die in den beiden Fassungen der Genfer Konvention verwendeten Begriffe „reasonable grounds“ und „des raisons sérieuses“ sind dieselben wie die, die in diesen beiden Sprachfassungen der Anerkennungsrichtlinie verwendet wurden. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie am ehesten den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck bringen.

80.

Im Rahmen der Anerkennungsrichtlinie gehören sowohl Art. 21 als auch Art. 24 zu Kapitel VII („Inhalt des internationalen Schutzes“), und Art. 20 Abs. 2 bestimmt: „Sofern nichts anderes bestimmt wird, gilt dieses Kapitel sowohl für Flüchtlinge als auch für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz.“ Es folgt auf die Kapitel „Allgemeine Bestimmungen“, „Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz“, „Anerkennung als Flüchtling“, „Flüchtlingseigenschaft“, „Voraussetzungen für den Anspruch auf subsidiären Schutz“ und „Subsidiärer Schutzstatus.“ Kapitel VII betrifft daher die Festlegung der einer als Flüchtling anerkannten Person zustehenden Vergünstigungen und den subsidiären Schutz, den diese Person beanspruchen kann.

81.

Ich gehe von dem (in Art. 21 Abs. 1 festgelegten) Grundsatz aus, dass Flüchtlinge normalerweise vor einer Zurückweisung geschützt sind. Bei den beiden Teilen von Art. 21 Abs. 2 handelt es sich insgesamt um eine Ausnahme von diesem Grundsatz. Sie erlauben es, „einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht“, zurückzuweisen, wenn „es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält“ (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a), oder wenn „er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde“ (Art. 21 Abs. 2 Buchst. b). Wird die Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 angewandt, so hat dies für den Betroffenen potenziell äußerst drastische Folgen. Er kann in ein Land zurückgebracht werden, in dem er möglicherweise gefährdet ist. (Meines Erachtens erklärt dies auch, warum Art. 21 Abs. 2 lediglich eine Kann-Vorschrift ist: „Ein Mitgliedstaat kann … zurückweisen“, wobei andere Optionen offen gelassen werden ( 107 ).) Gerade deshalb ist der Wortlaut der beiden Teile der Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 enger als der eher abstrakte Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 („es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen“). Das ist folgerichtig. Die potenziellen Folgen, die es für einen Flüchtling hat, sich (nach Anwendung von Art. 24 Abs. 1) ohne einen Aufenthaltstitel wiederzufinden, sind sicherlich unangenehm, doch sind sie viel weniger einschneidend als die Folgen des Verlusts des Schutzes vor Zurückweisung (nach Anwendung von Art. 21 Abs. 2). Die Tatsache, dass danach auch der Aufenthaltstitel verloren gehen kann (Art. 21 Abs. 3), ist nur ein zusätzlicher Nachteil.

82.

Kann die Heranziehung anderer Vorschriften der Anerkennungsrichtlinie, z. B. von Art. 14 („Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft“), zu einem besseren Verständnis beitragen (statt zu weiterer Verwirrung und Komplizierung)?

83.

Art. 14 Abs. 4 nennt die beiden Voraussetzungen, unter denen „[d]ie Mitgliedstaaten … einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs‑ oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen können“. Diese Voraussetzungen, die (vermutlich aus Unachtsamkeit) ohne die Konjunktion „oder“ aufgeführt sind, reflektieren exakt die beiden Teile der in Art. 21 Abs. 2 vorgesehenen Ausnahme. Allerdings ist diese Parallele nicht von Hilfe bei der Auslegung von Art. 24 Abs. 1, der Aufenthaltstitel für Personen betrifft, die ihre Flüchtlingseigenschaft behalten (statt diese zu verlieren). (Ich komme leider nicht umhin, daran zu erinnern, dass die verwendete Terminologie gemäß Nr. 6 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 22. Dezember 1998 über gemeinsame Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften ( 108 ) kohärent sein muss, und zwar ist auf Kohärenz sowohl zwischen den Bestimmungen ein und desselben Aktes als auch zwischen diesem Akt und den bereits geltenden Akten, insbesondere denjenigen aus demselben Bereich, zu achten.)

84.

Vor diesem Hintergrund halte ich es nicht für sinnvoll, auf die Worte „stichhaltige Gründe“ (in Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2) gegenüber den Worten „zwingende Gründe“ (in Art. 24 Abs. 1) abzustellen. Jeder Begriff ist in dem Kontext der Vorschrift zu sehen, zu der er gehört. Der Wortlaut jeder Ausnahme ist umfassend zu würdigen, und jede Ausnahme sollte als eine Ausnahme der vom Unionsrecht garantierten Rechte eng ausgelegt werden.

85.

Wenn man den Text so genau wie möglich betrachtet, scheint es sich mir so zu verhalten, dass Art. 24 Abs. 1 weiter ist als Art. 21 Abs. 2 und dass bestimmte Umstände die Anwendbarkeit der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 auslösen können (nach der der Flüchtling zwar seine Flüchtlingseigenschaft behält, jedoch ohne Aufenthaltstitel), die für die Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 nicht genügen und den Weg zum Entfall des Schutzes vor Zurückweisung nicht eröffnen würden.

86.

Ich verstehe den Wortlaut so, dass „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ stets ein objektives Element beinhalten müssen. Es muss plausible Beweise geben, die belegen, dass der geltend gemachte Grund mit Fug und Recht als „zwingend“ angesehen werden kann. Gleichzeitig beinhaltet der Begriff „zwingend“ eine gewisses Maß von Subjektivität, da diese Gründe von dem betreffenden Mitgliedstaat zu dem Zeitpunkt, in dem er die Maßnahme ergreift, als zwingend angesehen werden. Folglich werden die gleichen Gründe nicht in jedem einzelnen Fall „zwingend“ sein ( 109 ).

87.

Schließlich halte ich es weder für erforderlich noch für sinnvoll, eine analoge Auslegung anhand der Unionsbürgerrichtlinie oder der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige vorzunehmen.

88.

Was Erstere angeht, wurden zwar die Anerkennungsrichtlinie und die Unionsbürgerrichtlinie am selben Tag erlassen. Im Übrigen lässt zwar die vom Gerichtshof zu Recht angewandte Auslegungsmethode Raum für eine Auslegung, die dem Ziel jeder Richtlinie eigens Rechnung trägt, um deren praktische Wirksamkeit sicherzustellen, jedoch können die Grundrechte und die fundamentalen Grundsätze nicht je nachdem, in welchem Bereich sie relevant werden, unterschiedlich angewandt werden, da sie sonst ihren grundlegenden Charakter verlören ( 110 ). Es gibt also erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Richtlinien. Die Anerkennungsrichtlinie wurde gestützt auf Art. 63 EG (jetzt Art. 78 und 79 AEUV) erlassen. Sie ist Teil des GEAS, das unter Titel V des Dritten Teils des AEU-Vertrags („Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“) fällt, und ist (was vielleicht am wichtigsten ist) im Licht der Genfer Konvention auszulegen. Die Unionsbürgerrichtlinie wurde gestützt auf den jetzigen Zweiten Teil des AEU-Vertrags („Nichtdiskriminierung und Unionsbürgerschaft“) erlassen. Die beiden Rechtsakte sind daher in Bezug auf Anwendungsbereich und Gegenstand sehr unterschiedlich.

89.

Was Letztere angeht, gehört zwar die Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige nicht zum GEAS, aber hat denselben Ursprung wie die Anerkennungsrichtlinie, denn beide gehen auf die Tagung des Europäischen Rates in Tampere zurück, die am 15./16. Oktober 1999 stattfand. Die Art. 9 („Entzug oder Verlust der Rechtsstellung“) und 12 („Ausweisungsschutz“) der Richtlinie 2003/109 enthalten jedoch – einmal mehr – Begriffe, die von den in der Anerkennungsrichtlinie verwendeten abweichen. Eine Untersuchung der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige ist nicht dabei von Hilfe, einen kohärenten und systematischen Ansatz hinsichtlich der Entstehungsgeschichte zu finden. Sie ist daher für die Auslegung nicht von Nutzen ( 111 ).

Löst die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung die Anwendung der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 aus?

90.

Mit dem zweiten Teil der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob (und falls ja, unter welchen Umständen) es sich bei der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung um „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie handelt.

91.

Die Mitgliedstaaten und die Kommission stimmen in ihren schriftlichen Erklärungen darin überein, dass die Unterstützung einer terroristischen Organisation die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 erfüllen und daher die Aufhebung (oder die Versagung der Ausstellung oder der Verlängerung) des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings rechtfertigen kann. Herr H. T. ist gegenteiliger Ansicht und macht geltend, selbst wenn festgestellt sei, dass er gegen nationales Recht (namentlich § 20 Vereinsgesetz) verstoßen habe, seien doch die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 nicht erfüllt.

92.

In Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 ist definiert, was eine „terroristische Handlung“ ist ( 112 ). Die PKK ist in der Liste im Anhang dieses Rechtsakts und in der Liste im Anhang der Verordnung Nr. 2580/2001 aufgeführt. Der 28. Erwägungsgrund der Anerkennungsrichtlinie lautet: „Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.“ ( 113 )

93.

Die Unterstützung einer in den Listen aufgeführten Organisation, die Handlungen begeht, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und/oder der Verordnung Nr. 2580/2001 fallen, könnte daher die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 erfüllen, doch ist das nicht zwangsläufig immer der Fall. Der entscheidende Punkt ist, was genau unter „Unterstützung“ zu verstehen ist.

94.

Bei der Prüfung des dem jeweiligen Einzelfall zugrunde liegenden Sachverhalts (was in die Zuständigkeit der nationalen Behörden fällt) stellt sich zunächst die Frage, ob die Handlungen der fraglichen Organisation zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie entstehen lassen. Erstens ist festzustellen, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet sind, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt werden, als schwere nichtpolitische Straftaten angesehen werden müssen und daher zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zur Entstehung bringen können ( 114 ). Zweitens laufen Handlungen des internationalen Terrorismus allgemein und unabhängig von der Beteiligung eines Staates den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider ( 115 ).

95.

Dem Gerichtshof liegen keine Angaben darüber vor, ob die Handlungen der PKK in eine der von mir soeben genannten Kategorien fallen. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 ist auf den ersten Blick ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein ( 116 ). Die Aufnahme in eine derartige Liste stellt daher einen Gesichtspunkt dar, den die zuständigen nationalen Behörden berücksichtigen dürfen, wenn sie in einem ersten Schritt prüfen, ob diese Organisation terroristische Handlungen begangen hat ( 117 ).

96.

Dies vorausgeschickt, muss aber bedacht werden, dass die Ziele, die mit dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und mit der Anerkennungsrichtlinie angestrebt werden, sehr unterschiedlich sind. Es ist daher in meinen Augen nicht gerechtfertigt, dass eine zuständige Behörde, wenn sie den Ausschluss einer Person von den in Kapitel VII der Anerkennungsrichtlinie gewährleisteten Vergünstigungen, die sich aus dem Flüchtlingsstatus ergeben, in Betracht zieht, sich für ihre Entscheidung nur auf den Umstand stützt, dass diese Person eine gewisse Unterstützung einer Organisation gewährt hat, die in einer Liste aufgeführt ist, welche außerhalb des durch die Anerkennungsrichtlinie und die Genfer Konvention geschaffenen Rahmens erlassen wurde ( 118 ).

97.

Wie ist die Rolle der einzelnen Person zu beurteilen, die diese in einer Liste aufgeführte Organisation „unterstützt“ haben soll? Was ist erforderlich, um die Anwendung der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 auszulösen?

98.

Erstens scheint mir, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 zwangsläufig in Fällen erfüllt sind, in denen die von einer Person geleistete Unterstützung Tätigkeiten einschließt, die sachgerechterweise zur Anwendung einer der beiden Teile der Ausnahme nach Art. 21 Abs. 2 führen könnten. Es ist nicht so leicht, eine klare Regel für die Einstufung anderer Handlungen anzugeben. Da die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 auf „zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ beruht, ist es für die zuständigen Behörden eindeutig nicht erforderlich, nachzuweisen, dass es beispielsweise stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die fragliche Person eine Gefahr für die Sicherheit des betroffenen Mitgliedstaats darstellt. Ich meine, dass es einer gerechten und ausgewogenen Würdigung des Ausmaßes bedarf, in dem die Tätigkeiten der fraglichen Person eine erhebliche Unterstützung der in Rede stehende Organisation bewirken. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sollten daher beispielsweise prüfen, ob die fragliche Person i) selbst terroristische Handlungen begangen hat, ii) an der Planung solcher Handlungen, der Entscheidung über ihre Begehung oder der Anleitung anderer Personen bei deren Begehung beteiligt war oder iii) die Mittel finanziert oder beschafft hat, um anderen Personen die Begehung terroristischer Handlungen zu ermöglichen. (Ich möchte klarstellen, dass zwar jede Spende, und sei sie noch so klein, im technischen Sinne eine „Finanzierung“ der gelisteten Organisation darstellt – viele Wassertropfen bilden einen Ozean –, aber dass ich es für eine unverhältnismäßige Anwendung der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 hielte, einem Flüchtling den Aufenthaltstitel aufgrund von gelegentlichen, kleineren Spenden zu entziehen. Es ist Sache der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, unter Kontrolle der nationalen Gerichte den genauen Sachverhalt in jedem Einzelfall zu würdigen.)

99.

Was ist, wenn diese Gesichtspunkte nicht gegeben sind? Dann muss geklärt werden, ob es andere zwingende Gründe für die Annahme gibt, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist. Dabei halte ich „zwingende Gründe“ für in etwa das Gleiche wie „schwerwiegende Gründe“ – sicherlich weniger als „überragende Gründe“, aber sicherlich mehr als „mögliche Gründe“. Der Sachverhalt muss sorgfältig geprüft und beurteilt werden, weil eine ablehnende Entscheidung die Ausweisung der betroffenen Person und unter Umständen einen Eingriff in deren Grundrechte zur Folge haben könnte.

100.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass sich ein Flüchtling im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Anerkennungsrichtlinie „fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in [dem] Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufgehalten haben“ mag (Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige) und folglich beantragen könnte, ihm die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten gemäß dieser Richtlinie zu erteilen ( 119 ). Gemäß Art. 6 Abs. 1 derselben Richtlinie können die Mitgliedstaaten „die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit versagen“. Außerdem wird in dieser Vorschrift klargestellt: „Trifft ein Mitgliedstaat eine entsprechende Entscheidung, so berücksichtigt er die Schwere oder die Art des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit oder die von der betreffenden Person ausgehende Gefahr, wobei er auch der Dauer des Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Aufenthaltsstaat angemessen Rechnung trägt.“ Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor, dass nach Erhalt dieser Rechtsstellung für den Schutz vor Ausweisung, den ein langfristig Aufenthaltsberechtigter normalerweise genießt, eine Ausnahme gilt, wenn diese Person „eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt“.

101.

Auch wenn dies ohnehin auf der Hand liegt, sei doch hervorgehoben, dass keiner dieser beiden (in der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige normierten) Maßstäbe auch nur annähernd dem Wortlaut der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie entspricht.

102.

Zurück zu Art. 24 Abs. 1. Ich stelle fest, dass in jedem Einzelfall folgende Gesichtspunkte für die Beurteilung des Sachverhalts von Bedeutung sind: i) die genauen Handlungen, die der Flüchtling selbst begangen hat, ii) die Handlungen der Organisation, die der Flüchtling unterstützt haben soll, und iii) etwaige sonstige Umstände oder Gesichtspunkte, die die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen. Es ist Sache der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, unter Kontrolle der nationalen Gerichte den genauen Sachverhalt in jedem Einzelfall zu würdigen.

103.

Den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass zu den Handlungen von Herrn H. T., in denen Unterstützung für die PKK zum Ausdruck gelangt ist, die Teilnahme an rechtmäßigen Versammlungen und an Veranstaltungen (wie dem Newroz-Fest) gehört, in der sich seine kulturelle Identität als Kurde manifestiert hat ( 120 ). Aus solchen Handlungen erfolgt nicht automatisch, dass er selbst terroristische Handlungen unterstützt hätte, und solche Veranstaltungen sind nicht automatisch terroristische Handlungen. Ich meine, es wäre mehr erforderlich, um mit Recht feststellen zu können, dass eine Person in einer solchen Lage ein Terrorist und/oder aktives Mitglied einer verbotenen Organisation wäre, so dass die Voraussetzungen für die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 erfüllt wären. All dies sind jedoch Dinge, die das vorlegende Gericht zu prüfen und zu würdigen hat.

Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 anwendbar ist?

104.

Falls die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 anwendbar ist und der Aufnahmemitgliedstaat sich darauf beruft, hat dies für den Flüchtling sowohl formelle als auch materielle Konsequenzen. Die formelle Konsequenz ist natürlich, dass er keinen Aufenthaltstitel mehr besitzt, aus dem hervorgeht, dass er die Erlaubnis oder Genehmigung des Mitgliedstaats besitzt, sich in dessen Hoheitsgebiet aufzuhalten ( 121 ) (obwohl es ihm – wie im vorliegenden Fall Herrn H. T. – gestattet sein kann, sich auf anderer Grundlage weiterhin in dem Hoheitsgebiet aufzuhalten). Der Flüchtling behält jedoch seinen Flüchtlingsstatus ( 122 ), sofern und solange dieser nicht endet ( 123 ). Im vorliegenden Fall ist klar, dass Herr H. T. noch immer ein Flüchtling ist und als solcher weiterhin Anspruch auf die substanziellen Vergünstigungen hat, die gemäß Kapitel VII der Anerkennungsrichtlinie sämtlichen Flüchtlingen zukommen. Dazu gehören: Schutz vor Zurückweisung ( 124 ), die Wahrung des Familienverbands ( 125 ), der Anspruch auf ein Reisedokument ( 126 ), der Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, Sozialhilfeleistungen, medizinischer Versorgung und Wohnraum ( 127 ), die Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats ( 128 ) und der Zugang zu Integrationsmaßnahmen ( 129 ).

105.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Aufhebung eines Aufenthaltstitels Auswirkungen auf die vom nationalen Recht vorgesehenen Rechte eines Flüchtlings hat, und zwar auf seinen Zugang zur Beschäftigung, zu berufsbildenden Maßnahmen und zu sonstigen sozialen Rechten, die einen Aufenthaltstitel voraussetzen ( 130 ). Es gibt also eindeutig Auswirkungen auf die materiellen Rechte, die Herr H. T. nach Kapitel VII der Anerkennungsrichtlinie besitzt.

106.

Meiner Meinung nach ist es zwar möglich, den Aufenthaltstitel eines Flüchtlings im Rahmen der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 aufzuheben, doch ist es nicht zulässig, gleichzeitig auch die nach Kapitel VII der Anerkennungsrichtlinie vorgesehenen Mindestgarantien zu entziehen oder einzuschränken, es sei denn, dass besondere ausdrücklich vorgesehene Voraussetzungen für den Entzug dieser Vergünstigungen gegeben sind ( 131 ). Das vorlegende Gericht hat nicht dargetan, dass diese Umstände hier gegeben wären. Daraus folgt, dass es nicht im Ermessen des betroffenen Mitgliedstaats liegt, ob er diese substanziellen Vergünstigungen weiterhin gewährt oder nicht.

107.

Im 30. Erwägungsgrund der Anerkennungsrichtlinie heißt es zwar: „Innerhalb der durch die internationalen Verpflichtungen vorgegebenen Grenzen können die Mitgliedstaaten festlegen, dass Leistungen im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung[,] zur Sozialhilfe, zur medizinischen Versorgung und zu Integrationsmaßnahmen nur dann gewährt werden können, wenn vorab ein Aufenthaltstitel ausgestellt worden ist.“ Dieser bloße Hinweis ist jedoch für die Mitgliedstaaten keine Rechtsgrundlage, um bei Aufhebung des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings die nach Kapitel VII gewährleisteten Vergünstigungen zu schmälern. Eine andere Auslegung liefe dem Zweck zuwider, der den Erwägungsgründen eines Rechtsakts zukommt ( 132 ). Ein Erwägungsgrund ist die Angabe einer Begründung für eine oder mehrere materiell-rechtliche Vorschriften. Er selbst kann kein materielles Recht begründen: bei Fehlen (wie hier) einer entsprechenden materiell-rechtlichen Vorschrift kann der Erwägungsgrund keine Auswirkungen haben.

108.

Es wird daher Sache des vorlegenden Gerichts sein, im vorliegenden Fall den Sachverhalt zu beurteilen und zu überprüfen, um festzustellen, ob die für Herrn H. T. mit dem Verlust seines Aufenthaltstitels verbundenen Folgen mit seinen nach der Anerkennungsrichtlinie fortbestehenden Rechten als Flüchtling vereinbar sind, und gegebenenfalls die nötigen Schritte zum Schutz dieser Rechte zu unternehmen. Vielleicht mögen meine nachstehenden Hinweise dabei hilfreich sein.

109.

Die gegen Herrn H. T. wegen Verstoßes gegen § 20 Vereinsgesetz verhängten Beschränkungen seiner Freizügigkeit innerhalb Deutschlands ( 133 ) sind mit der Anerkennungsrichtlinie im Licht der Genfer Konvention nicht unbedingt unvereinbar. Letztere bestätigt, dass Flüchtlinge die Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie Schutz suchen, zu beachten haben ( 134 ). Die Aufhebung des Aufenthaltstitels von Herrn H. T. hat unmittelbar zur Folge, dass er nicht mehr die Freizügigkeitsrechte im Rahmen des Schengen-Raums genießen kann ( 135 ). Aufgrund der Umstände, die zur Anwendung der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 führen, hat er möglicherweise auch keinen Reiseausweis mehr, weil er unter die Ausnahme des Art. 25 Abs. 1 fällt (das vorlegende Gericht ist auf diesen Punkt nicht eingegangen). Im Hinblick auf den nach Kapitel VII gewährleisteten Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, Sozialhilfeleistungen, medizinischer Versorgung und zu Wohnraum ( 136 ) gibt es jedoch keine ausdrückliche Ausnahmeregelung.

110.

Wenn Herr H. T. – wie es offensichtlich der Fall ist – weiterhin Anspruch auf diese substanziellen Vergünstigungen hat, weil er nach wie vor den Flüchtlingsstatus besitzt, folgt daraus zwingend, dass der Mitgliedstaat verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um es einer Person in seiner Lage zu ermöglichen, diese Vergünstigungen weiterhin in Anspruch zu nehmen. Wie das geschieht, ist Sache des Mitgliedstaats.

111.

Meiner Ansicht nach könnte ein Mitgliedstaat im jeweiligen Einzelfall beispielsweise eine der folgenden Maßnahmen ergreifen: Erstens könnte er beschließen, den Aufenthaltstitel des Flüchtlings nicht aufzuheben, obwohl die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 anwendbar ist (denn gemäß der Anerkennungsrichtlinie steht es den Mitgliedstaaten jederzeit frei, günstigere Normen zu erlassen oder beizubehalten) ( 137 ).

112.

Der Mitgliedstaat kann stattdessen auch – wie hier geschehen – den Aufenthaltstitel aufheben, dem Flüchtling jedoch aus anderen Gründen gestatten, sich weiterhin in seinem Hoheitsgebiet rechtmäßig aufzuhalten. Ich habe zwar keine detaillierten Informationen darüber, ob andere Mitgliedstaaten ähnliche Regelungen haben wie die „Duldungen“ in Deutschland, doch erscheint diese Annahme nicht abwegig ( 138 ). Falls der Mitgliedstaat diese Maßnahme ergreift, muss er einen geeigneten Mechanismus vorsehen, um zu gewährleisten, dass der Flüchtling die Vergünstigungen nach Kapitel VII, die ihm nach wie vor zustehen, in Anspruch nehmen kann. Was der Mitgliedstaat nicht tun darf, ist meines Erachtens, über den Flüchtling eine Art rechtlichen Schwebezustand zu verhängen, indem er seinen Aufenthalt im Inland duldet, ihm jedoch (zumindest teilweise) die aus seiner Flüchtlingseigenschaft resultierenden substanziellen Vergünstigungen vorenthält. Das wäre mit dem Wortlaut, den Zielen und der Systematik der Anerkennungsrichtlinie unvereinbar. Auch hielte ich die Verhältnismäßigkeit einer derartigen Maßnahme für fragwürdig, denn jede Maßnahme, die ein Mitgliedstaat nach Art. 24 Abs. 1 ergreift, muss verhältnismäßig sein.

113.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (einer der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts) gilt für die Auslegung von EU-Vorschriften ( 139 ). Nach diesem Grundsatz müssen die von den Mitgliedstaaten gewählten Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sein ( 140 ). Die Aufhebung des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings fällt im vorliegenden Fall ohne Frage in den Anwendungsbereich des Unionsrechts (in Form der Anerkennungsrichtlinie), und das Gleiche gilt für die Folgen einer solchen Aufhebung, soweit sie den Zugang zu den substanziellen Vergünstigungen in Frage stellen können, die diese Richtlinie für Personen, die die Flüchtlingseigenschaft besitzen, vorsieht. Das hier verfolgte Ziel ist zwar berechtigt (es wird nämlich in Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie ausdrücklich bestätigt), aber verliert der Flüchtling die nach der Anerkennungsrichtlinie garantierten Vergünstigungen, obwohl er sich weiterhin im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufhält, so ist dies zur Erreichung dieses Ziels weder geeignet noch erforderlich.

114.

Führt die Anwendung nationaler Vorschriften dazu, dass einer Person, die zwar keinen Aufenthaltstitel mehr besitzt, wohl aber weiterhin die Flüchtlingseigenschaft, die substanziellen Vergünstigungen verweigert werden, die sie aufgrund dieser Eigenschaft beanspruchen kann, so verstoßen diese nationalen Vorschriften gegen die Richtlinie. Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein nationales Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden hat, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt ( 141 ).

Ergebnis

115.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten:

Ein einem Flüchtling ausgestellter Aufenthaltstitel kann aufgehoben werden, wenn entweder zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes) vorliegen oder wenn Gründe dafür vorliegen, die Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 dieser Richtlinie anzuwenden.

Die Worte „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 bedeuten, dass es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht ist. Dieser Ausdruck ist weiter gefasst als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie normierte Voraussetzung, wonach es stichhaltige Gründe für die Annahme geben muss, dass der Flüchtling eine Gefahr für die Sicherheit des fraglichen Mitgliedstaats (im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Buchst. a) darstellt oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats (im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Buchst. b) darstellen muss, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.

Bevor einem Flüchtling ein bereits ausgestellter Aufenthaltstitel gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 mit der Begründung entzogen werden kann, dass er eine verbotene Organisation unterstütze, bedarf es zunächst einer Einzelfallbeurteilung der genauen tatsächlichen Umstände. Für diese Beurteilung sind folgende Gesichtspunkte von Bedeutung: i) die genauen Handlungen des Flüchtlings selbst, ii) die Handlungen der Organisation, die er unterstützt haben soll, und iii) etwaige sonstige Gesichtspunkte oder Umstände, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen. Es ist Sache der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, unter der Kontrolle der nationalen Gerichte den genauen Sachverhalt in jedem Einzelfall zu würdigen.

Verfügt ein Mitgliedstaat zwar die Ausweisung eines Flüchtlings, aber setzt die Vollstreckung dieser Entscheidung aus, so ist es mit der Richtlinie 2004/83 unvereinbar, dieser Person den Zugang zu den in Kapitel VII dieser Richtlinie garantierten Vergünstigungen zu versagen, sofern nicht eine ausdrückliche Ausnahmeregelung gilt, und sämtliche Maßnahmen, die ein Mitgliedstaat ergreift, um die Ziele der fraglichen Bestimmung zu erreichen, müssen verhältnismäßig sein.

Die Flüchtlingseigenschaft einer Person darf nur gemäß den ausdrücklichen Regelungen der Richtlinie 2004/83 aufgehoben werden. Behält daher eine Person gemäß dieser Richtlinie diese Eigenschaft und haben nationale Vorschriften zur Folge, dass ihr die Vergünstigungen, auf die sie als Flüchtling gemäß dieser Richtlinie Anspruch hat, versagt werden, so sind diese nationalen Vorschriften mit der Richtlinie 2004/83 unvereinbar. Wenn nationales Recht in Widerspruch zu einer Richtlinie steht, ist ein nationales Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden hat, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304, S. 12) (im Folgenden: „Anerkennungsrichtlinie“). Diese Richtlinie wurde durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337, S. 9), die am 21. Dezember 2013 in Kraft trat (siehe unten, Fn. 104), aufgehoben und neu gefasst. Zum wesentlichen Inhalt der Art. 21 und 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie siehe unten, Nrn. 23 und 24.

( 3 ) Das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Band 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) trat am 22. April 1954 in Kraft. Es wurde ergänzt durch das am 31. Januar 1967 in New York abgeschlossene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, das am 4. Oktober 1967 in Kraft trat. Ich werde nachstehend das Abkommen und das Protokoll zusammen als „Genfer Konvention“ bezeichnen.

( 4 ) Art. 17 der Genfer Konvention.

( 5 ) Art. 24 der Genfer Konvention.

( 6 ) Art. 26 der Genfer Konvention.

( 7 ) Diese Möglichkeit könnte sich jedoch implizit aus einer Zusammenschau (z. B.) der Begriffsdefinitionen in Art. 1 Abschnitt A und Art. 1 Abschnitt C (Voraussetzungen, unter denen die Konvention nicht mehr gilt) oder in Art. 1 Abschnitt A und Art. 1 Abschnitt F (Ausschluss von Kriegsverbrechern usw.) ergeben, sofern die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, bevor die einen Ausschluss gemäß Art. 1 Abschnitt F rechtfertigenden Ereignisse bekannt wurden.

( 8 ) Art. 33 Abs. 1 der Genfer Konvention.

( 9 ) Art. 33 Abs. 2 der Genfer Konvention.

( 10 ) Unterzeichnet am 4. November 1950 in Rom.

( 11 ) Die laut Art. 15 Abs. 2 EMRK unabdingbaren Rechte sind das Recht auf Leben (Art. 2), das Verbot der Folter, der Sklaverei und der Zwangsarbeit (Art. 3 und 4) und das Recht des Einzelnen, nicht ohne ordentliches Gerichtsverfahren bestraft zu werden (Art. 7); siehe unten, Nr. 17.

( 12 ) ABl. 2010, C 83, S. 389 (im Folgenden: Charta).

( 13 ) Art. 19 Abs. 2 der Charta.

( 14 ) Der Schengen-Besitzstand – Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 13).

( 15 ) Vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19).

( 16 ) Siehe auch Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener-Grenzkodex) (ABl. 2006 L 105, S. 1), unlängst geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1051/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 (ABl. 2013, L 295, S. 1).

( 17 ) Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 93) (im Folgenden: Gemeinsamer Standpunkt 2001/931). Der Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 wurde unlängst durch den Beschluss 2014/72/GASP des Rates (ABl. 2014, L 40, S. 56) geändert, und in Nr. 16 der geänderten Liste ist die Partiya Karkerên Kurdistan (Kurdische Arbeiterpartei) (PKK) aufgeführt.

( 18 ) Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 70). Diese Liste wurde in gerichtlichen Verfahren hinsichtlich der PKK für rechtswidrig erklärt, und zwar hauptsächlich, weil der Rat es versäumt hatte, eine vollständige Begründung zu geben (siehe Urteil PKK/Rat, T‑229/02, EU:T:2008:87, sowie Urteil E und F, C‑550/09, EU:C:2010:382, Rn. 38). Um dem genannten Mangel abzuhelfen, erließ der Rat jedoch in der Folge neue Verordnungen: siehe Verordnung (EG) Nr. 501/2009 vom 15. Juni 2009 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2009 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/62/EG (ABl. L 151, S. 14), in der die PKK in der geänderten Liste unter Nr. 17 aufgeführt ist.

( 19 ) Vgl. Erwägungsgründe 2 und 3 der Anerkennungsrichtlinie.

( 20 ) Siehe zehnter Erwägungsgrund der Anerkennungsrichtlinie.

( 21 ) Siehe elfter Erwägungsgrund der Anerkennungsrichtlinie.

( 22 ) Siehe achter Erwägungsgrund der Anerkennungsrichtlinie.

( 23 ) Zu den ursprünglichen GEAS-Maßnahmen gehört die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31, S. 18) (im Folgenden: Richtlinie über die Aufnahmebedingungen). Sie gilt für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die an der Grenze oder innerhalb des Gebiets eines Mitgliedstaats einen Asylantrag stellen, so lange, wie sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen. Siehe auch die nachfolgende Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326, S. 13) (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie), die für sämtliche in der EU gestellten Asylanträge gilt.

( 24 ) Ich habe diejenigen Maßnahmen, die zwar zum GEAS gehören, jedoch für den vorliegenden Sachverhalt unerheblich sind, nicht aufgeführt. Aus demselben Grund gehe ich nachstehend nicht auf die entsprechenden geänderten Maßnahmen ein.

( 25 ) Siehe Erwägungsgründe 1 bis 4, 6, 7, 8, 10, 11 und 17 der Anerkennungsrichtlinie.

( 26 ) 14. Erwägungsgrund der Anerkennungsrichtlinie, siehe unten, Nr. 15.

( 27 ) Art. 2 Buchst. c der Anerkennungsrichtlinie. Zum Umfang des Ausschlusses nach Art. 12 siehe unten, Nr. 19.

( 28 ) Art. 2 Buchst. d der Anerkennungsrichtlinie.

( 29 ) Art. 2 Buchst. j der Anerkennungsrichtlinie.

( 30 ) Art. 9 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie.

( 31 ) Art. 9 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie.

( 32 ) Art. 9 Abs. 3 der Anerkennungsrichtlinie.

( 33 ) Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Anerkennungsrichtlinie.

( 34 ) Art. 12 Abs. 2 Buchst. b der Anerkennungsrichtlinie.

( 35 ) Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Anerkennungsrichtlinie.

( 36 ) Art. 14 Abs. 4 Buchst. a der Anerkennungsrichtlinie.

( 37 ) Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Anerkennungsrichtlinie. Die Mitgliedstaaten können es ablehnen, einem Flüchtling die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, solange eine Entscheidung nach Art. 14 Abs. 4 noch aussteht (Art. 14 Abs. 5). Siehe auch Kapitel IV der Verfahrensrichtlinie bezüglich der Aufhebung der Flüchtlingseigenschaft.

( 38 ) Art. 20 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie.

( 39 ) Art. 20 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie.

( 40 ) Für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz gilt gemäß Art. 20 Abs. 7 eine ähnliche Regelung.

( 41 ) Art. 25 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie.

( 42 ) Art. 26 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie.

( 43 ) Art. 26 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie.

( 44 ) Art. 28 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie.

( 45 ) Art. 29 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie.

( 46 ) Art. 31 der Anerkennungsrichtlinie.

( 47 ) Art. 32 der Anerkennungsrichtlinie.

( 48 ) Art. 33 der Anerkennungsrichtlinie.

( 49 ) Richtlinie des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004 L 16, S. 44) (im Folgenden: Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige oder Richtlinie 2003/109). Diese Richtlinie wurde in der Folge durch die Richtlinie 2011/51/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates zur Erweiterung ihres Anwendungsbereichs auf Personen, die internationalen Schutz genießen (ABl. L 132, S. 1) mit Wirkung ab 20. Mai 2011 geändert.

( 50 ) Siehe Erwägungsgründe zwei und elf sowie Art. 1 der Richtlinie 2003/109.

( 51 ) Art. 13 der Richtlinie 2003/109.

( 52 ) Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 (der ursprüngliche Text verweist auf „Artikel 17 Absatz 1 des Vertrags“).

( 53 ) Art. 2 Buchst. g der Richtlinie 2003/109.

( 54 ) Die Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige wurde durch die Richtlinie 2011/51 geändert. Vgl. Erwägungsgründe 1 bis 4 und Art. 3 der Richtlinie 2011/51.

( 55 ) Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109.

( 56 ) Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109.

( 57 ) Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2003/109.

( 58 ) Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/109.

( 59 ) Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/109.

( 60 ) Art. 10 der Richtlinie 2003/109.

( 61 ) Art. 11 der Richtlinie 2003/109.

( 62 ) Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109.

( 63 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77) (im Folgenden: Unionsbürgerrichtlinie).

( 64 ) Art. 1 der Richtlinie 2004/38.

( 65 ) Es gibt eine Reihe von Nachfolgeorganisationen, z. B. Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê (ENRK), KADEK und KONGRA-GEL. Im Rahmen dieser Schlussanträge umfasst der Begriff PKK auch diese Organisationen.

( 66 ) § 4 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz. Zu den Ausnahmen siehe § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes. Ich habe den Begriff „Aufenthaltserlaubnis“ bzw. „Aufenthaltstitel“ in diesen Schlussanträgen als Oberbegriff verwendet.

( 67 ) § 7 Aufenthaltsgesetz.

( 68 ) § 9 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz.

( 69 ) § 25 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz gilt nicht, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgewiesen wurde.

( 70 ) § 26 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz.

( 71 ) § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz.

( 72 ) § 50 Aufenthaltsgesetz.

( 73 ) § 51 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz.

( 74 ) § 54 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz.

( 75 ) § 54a Aufenthaltsgesetz.

( 76 ) §§ 11 und 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz.

( 77 ) § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz.

( 78 ) § 60a Abs. 1 und 2 Aufenthaltsgesetz.

( 79 ) § 60a Abs. 3 Aufenthaltsgesetz.

( 80 ) § 60a Abs. 4 Aufenthaltsgesetz.

( 81 ) Gemäß § 60a Aufenthaltsgesetz.

( 82 ) Urteile Salahadin Abdulla u. a. (C‑175/08, C‑176/08, C‑178/08 und C‑179/08, EU:C:2010:105, Rn. 52), Y und Z (C‑71/11 und C‑99/11, EU:C:2012:518, Rn. 47) sowie X, Y und Z (C‑199/12 bis C‑201/12, EU:C:2013:720, Rn. 39).

( 83 ) Urteil X, Y und Z (EU:C:2013:720, Rn. 39).

( 84 ) Urteil X, Y und Z (EU:C:2013:720, Rn 40). Siehe auch Art. 10 der Charta.

( 85 ) Siehe Art. 6 der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen und Art. 7 der Verfahrensrichtlinie, angeführt in Fn. 23.

( 86 ) Urteil N. S. u. a., C‑411/10 und C‑493/10 (EU:C:2011:865, Rn. 7), siehe auch nachstehend Nr. 57.

( 87 ) Aus Gründen der Einfachheit heißt es im Folgenden „Art. 21 Abs. 2 und 3“ oder „Art. 24 Abs. 1“ jeweils ohne Hinzufügung der Worte „der Anerkennungsrichtlinie“.

( 88 ) Siehe oben, Nrn. 33, 34, 35 und 40.

( 89 ) Siehe oben, Nrn. 37 und 40.

( 90 ) Das vorlegende Gericht stellt keine Fragen im Hinblick auf die etwaigen Rechte eines Drittstaatsangehörigen, dessen Kinder zum Teil Unionsbürger sind. Ich werde daher auf diesen Aspekt nicht weiter eingehen.

( 91 ) Siehe oben, Nr. 34.

( 92 ) Siehe oben, Nr. 10.

( 93 ) Siehe oben, Nr. 7.

( 94 ) Siehe Art. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK über die verfahrensrechtlichen Schutzvorschriften im Hinblick auf die Ausweisung von Ausländern.

( 95 ) Siehe unten, Nrn. 74 ff., zum Begriff „zwingende Gründe“.

( 96 ) Siehe u. a. EGMR, Vilvarajah u. a./Vereinigtes Königreich, 30. Oktober 1991, § 102, Serie A, Nr. 215.

( 97 ) EGMR, S. F. u. a./Schweden, 15. Mai 2012, Nr. 52077/10, § 62 und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 98 ) Siehe Urteile des EGMR, Chahal/Vereinigtes Königreich, 15. November 1996, Reports of Judgments and Decisions 1996‑V, § 74, und S. F. u. a./Schweden, oben in Fn. 97 angeführt, § 62, und Othman (Abu Qatada)/Vereinigtes Königreich, Nr. 8139/09, §§ 258 bis 261, zu dem nach Art. 6 EMRK garantierten Recht auf ein faires Verfahren.

( 99 ) Siehe oben, Nr. 48.

( 100 ) Siehe Dokument Nr. 8919/03 des Rates vom 12. Mai 2003, S. 24, betreffend Art. 22 des Vorschlags, der zu Art. 24 der Anerkennungsrichtlinie wurde.

( 101 ) Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats aufhalten, benötigen eine gültige Aufenthaltserlaubnis und ein Reisedokument, um sich im Schengen-Raum bewegen zu können, wo sie sich bis zu 90 Tage lang innerhalb des Hoheitsgebiets des jeweiligen Vertragsstaats aufhalten dürfen (siehe oben, Nr. 10).

( 102 ) Siehe Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige.

( 103 ) Siehe unten, Nrn. 104 ff.

( 104 ) Die Anerkennungsrichtlinie wurde durch die Richtlinie 2011/95 mit Wirkung vom 12. Dezember 2013 neu gefasst und ersetzt, d. h., nachdem im Ausgangsverfahren die Ausweisungsverfügung erlassen worden war (siehe oben, Nr. 40). Deshalb gilt die letztgenannte Richtlinie nicht für das Ausgangsverfahren.

( 105 ) Urteil Endendijk (C‑187/07, EU:C:2008:197, Rn. 22).

( 106 ) Urteil Endendijk (EU:C:2008:197, Rn. 24).

( 107 ) Siehe oben, Nr. 62.

( 108 ) ABl. 1999, C 73, S. 1 (im Folgenden: Gemeinsame Leitlinien). Die Rechtsgrundlage für derartige interinstitutionelle Vereinbarungen ist nunmehr in den Verträgen verankert: siehe Art. 295 AEUV.

( 109 ) Urteil Jipa (C‑33/07, EU:C:2008:396, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 110 ) Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Bot in der Rechtssache Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:322, Nr. 47).

( 111 ) Siehe den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige. Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass die Entstehungsgeschichte der Anerkennungsrichtlinie nichts zur Klärung der Frage beiträgt, denn der vorstehend in Fn. 100 angeführte ursprüngliche Kommissionsvorschlag enthielt weder den jetzigen Art. 14 noch Art. 21 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie.

( 112 ) Siehe oben, Nr. 11.

( 113 ) Siehe Dokument Nr. 8919/03 des Rates vom 12. Mai 2003, oben in Fn. 100 angeführt.

( 114 ) Siehe Urteil B (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 80 und 81), zur Auslegung von Art. 12 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie, das ich hier entsprechend heranziehe.

( 115 ) Siehe Urteil B (EU:C:2010:661, oben in Fn. 114 angeführt, Rn. 82 und 83).

( 116 ) Die zunehmend umfangreiche Rechtsprechung des Gerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten betreffend Beschlüsse über die Aufnahme in eine Liste dürfte der Annahme, dass eine bestimmte Organisation zwangsläufig eine terroristische Organisation sein müsse, da sie in der Liste geführt wird, entgegenwirken: siehe oben, Fn. 18.

( 117 ) Siehe Urteil B (EU:C:2010:661, oben in Fn. 114 angeführt, Rn. 90).

( 118 ) Siehe Urteil B (EU:C:2010:661, oben in Fn. 114 angeführt, Rn. 89).

( 119 ) Siehe die Art. 5 und 7 der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige.

( 120 ) Siehe oben, Nrn. 39, 41 und 48.

( 121 ) Siehe Art. 2 Buchst. j der Anerkennungsrichtlinie.

( 122 ) Siehe Art. 2 Buchst. d der Anerkennungsrichtlinie.

( 123 ) Eine Person behält die ihr gemäß der Anerkennungsrichtlinie zuerkannte Flüchtlingseigenschaft, soweit nicht (insbesondere) Art. 11 (Erlöschen) oder Art. 14 (Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft) zur Anwendung kommt. Außerdem wären die entsprechenden Verfahren einzuhalten, die nach Kapitel IV der Verfahrensrichtlinie vorgesehen sind. Es ist unstreitig, dass all dies für den vorliegenden Fall nicht gilt bzw. geschehen ist.

( 124 ) Art. 21.

( 125 ) Art. 23.

( 126 ) Art. 25.

( 127 ) Art. 26, 27, 28, 29 und 31.

( 128 ) Art. 32.

( 129 ) Art. 33.

( 130 ) Siehe oben, Nrn. 35 und 48.

( 131 ) Siehe insbesondere Art. 20 Abs. 6 (und in Bezug auf Personen, die subsidiären Schutz erhalten, die entsprechende Regelung in Art. 20 Abs. 7 der Anerkennungsrichtlinie).

( 132 ) Siehe Nr. 10 der Gemeinsamen Leitlinien, siehe oben, Fn. 108.

( 133 ) Siehe oben, Nr. 40.

( 134 ) Siehe oben, Nr. 3.

( 135 ) Siehe oben, Nr. 10.

( 136 ) Oder zu Integrationsmaßnahmen, die hier in Betracht kommen oder auch nicht in Betracht kommen mögen, da Herr H. T. seit 1989 in Deutschland lebt.

( 137 ) Siehe Art. 3 der Anerkennungsrichtlinie.

( 138 ) Obwohl es sich hierbei nicht um eine genaue Entsprechung handelt, lässt sich hier an den Begriff „temporary admission“ aus der mir vertrautesten nationalen Rechtsordnung denken.

( 139 ) Siehe z. B. die Rechtsprechung betreffend gleiches Entgelt, so u. a. Urteil Cadman (C‑17/05, EU:C:2006:633, Rn. 31 und 32).

( 140 ) Urteil Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 32 und 33).

( 141 ) Urteil Filipiak (C‑314/08, EU:C:2009:719, Rn. 81).

Top