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Document 62023CC0018

    Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 11. Juli 2024.


    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:609

    Vorläufige Fassung

    SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    JULIANE KOKOTT

    vom 11. Juli 2024(1)

    Rechtssache C18/23

    F S.A.

    gegen

    Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej

    (Vorabentscheidungsersuchen des Wojewódzki Sąd Administracyjny w Gliwicach [Woiwodschaftsverwaltungsgericht Gliwice, Polen])

    „Vorabentscheidungsersuchen – Direkte Steuern und Grundfreiheiten – Art. 63 AEUV – Kapitalverkehrsfreiheit – Besteuerung von Einkünften von Organismen für gemeinsame Anlagen – OGAW – AIF – Unterschiedliche Behandlung von ansässigen und nicht ansässigen Organismen für gemeinsame Anlagen – Diskriminierung durch Steuerbefreiung nur von extern verwalteten Organismen für gemeinsame Anlagen – Mittelbare Diskriminierung im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit – Rechtstypenvergleich im internationalen Steuerrecht“






    I.      Einleitung

    1.        Gebietet die Kapitalverkehrsfreiheit einem Mitgliedstaat, gebietsfremde intern verwaltete und gebietsansässige extern verwaltete Investmentfonds steuerlich gleich zu behandeln? Diese Frage muss der Gerichtshof im vorliegenden Fall beantworten. Denn Polen hat sich in Ausübung seiner Steuerautonomie für eine Steuerbefreiung nur extern, nicht aber intern verwalteter Investmentfonds entschieden. Zugleich ist nach polnischem Recht die Errichtung intern verwalteter Investmentfonds überhaupt nicht möglich. Dies steht im Einklang mit dem Sekundärrecht der Union, wonach die Mitgliedstaaten zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, sowohl intern als auch extern verwaltete Investmentfonds in ihrem nationalen Recht zuzulassen.

    2.        Unlängst hat der Gerichtshof in der Rechtssache Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö entschieden, dass eine Steuerbefreiung, die nur für in Vertragsform, nicht aber für in Satzungsform errichtete Investmentfonds gilt, mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht vereinbar ist. In diesem Fall ließ das nationale Recht die Errichtung von Investmentfonds in Satzungsform nicht zu, so dass im Ergebnis alle steuerpflichtigen Fonds aus dem Ausland kommen.(2) Nach Auffassung des Gerichtshofs lag insofern eine mittelbare Diskriminierung vor, weil einem gebietsfremden Investmentfonds, der wirksam nach dem Recht seines Mitgliedstaats in Satzungsform gegründet worden war, ein Steuervorteil nur deshalb vorenthalten wurde, weil er nicht die vorgeschriebene Vertragsform hatte.

    3.        Nun stellt sich die Frage, ob sich die Grundsätze dieser Entscheidung auf den vorliegenden – möglicherweise vergleichbaren – Fall übertragen lassen. Insbesondere ist fraglich, ob die Ausübung eines unionsrechtlich zulässigen Wahlrechts eine mittelbare Diskriminierung darstellen kann, wenn andere Mitgliedstaaten ihr Wahlrecht in einer anderen Art und Weise ausüben, so dass außerhalb Polens auch intern verwaltete Investmentfonds existieren. Muss diesen dann in Polen dieselbe Steuerbefreiung wie extern verwalteten Investmentfonds gewährt werden, oder können die unterschiedlichen Rechtsformen auch steuerrechtlich unterschiedlich behandelt werden? Der Gerichtshof hat somit im vorliegenden Verfahren die Möglichkeit, die Anforderungen an das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung speziell im Bereich der direkten Steuern zu konkretisieren.

    II.    Rechtlicher Rahmen

    A.      Unionsrecht

    4.        Den unionsrechtlichen Rechtsrahmen bilden Art. 18, Art. 49 und Art. 63 Abs. 1 AEUV und laut vorlegendem Gericht auch die Richtlinie 2009/65/EG über bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (im Folgenden: OGAW-Richtlinie).(3)

    5.        Die Erwägungsgründe der OGAW-Richtlinie lauten auszugsweise:

    „(3) Die nationalen Rechtsvorschriften über die Organismen für gemeinsame Anlagen sollten koordiniert werden, um eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen auf Gemeinschaftsebene zu erreichen und gleichzeitig einen wirksameren und einheitlicheren Schutz der Anteilinhaber sicherzustellen. Eine derartige Koordinierung erleichtert die Beseitigung der Beschränkungen des freien Verkehrs für Anteile von OGAW in der Gemeinschaft.

    (4) Im Hinblick auf die vorstehend genannten Ziele ist es wünschenswert, für die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen OGAW gemeinsame Mindestregelungen für die Zulassung, Aufsicht, Struktur, Geschäftstätigkeit sowie hinsichtlich der zu veröffentlichenden Informationen festzulegen.

    (6) Muss ein OGAW nach Maßgabe einer Bestimmung dieser Richtlinie Maßnahmen ergreifen, so sollte sich diese Bestimmung auf die Verwaltungsgesellschaft beziehen, sofern der OGAW als Investmentfonds gegründet wurde und von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltet wird und sofern der Investmentfonds über keine Rechtspersönlichkeit verfügt und somit nicht selbständig handeln kann.

    (83) Diese Richtlinie hat keine Auswirkungen auf nationale steuerliche Regelungen sowie Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten gegebenenfalls eingeleitet wurden, um die Einhaltung dieser Regelungen auf ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten.“

    6.        Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der OGAW-Richtlinie lautet:

    „(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    b) ‚Verwaltungsgesellschaft‘ eine Gesellschaft, deren reguläre Geschäftstätigkeit in der Verwaltung von in der Form eines Investmentfonds oder einer Investmentgesellschaft konstituierten OGAW besteht (gemeinsame Portfolioverwaltung von OGAW).“

    7.        Schließlich bestimmt Art. 29 Abs. 1 der OGAW-Richtlinie auszugsweise:

    „(1) Unbeschadet sonstiger allgemein geltender Bedingungen des nationalen Rechts erteilen die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats der Investmentgesellschaft einer Investmentgesellschaft eine Zulassung nur, wenn diese eine Verwaltungsgesellschaft benannt hat oder wenn sie mit einem ausreichenden Anfangskapital von mindestens 300 000 EUR ausgestattet ist.

    Hat eine Investmentgesellschaft keine gemäß dieser Richtlinie zugelassene Verwaltungsgesellschaft benannt, gelten außerdem folgende Bedingungen: …“

    B.      Polnisches Recht

    8.        Im polnischen Recht sind insbesondere Vorschriften aus dem L’ustawa z dnia 15 lutego 1992 r. o podatku dochodowym od osób prawnych (Gesetz vom 15. Februar 1992 über die Körperschaftsteuer) in der durch die Ustawa z 10 lutego 2017 r. – Przepisy wprowadzające ustawę o Krajowym Ośrodku wsparcia Rolnictwa geänderten Fassung (im Folgenden: polnisches Körperschaftsteuergesetz) von Bedeutung.

    9.        Art. 6 Abs. 1 Nr. 10 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes sieht eine persönliche Steuerbefreiung für bestimmte inländische Investmentfonds vor. Von der Körperschaftsteuer befreit sind danach sinngemäß offene Investmentfonds und Spezial‑Investmentfonds, die nach dem polnischen Investmentfondsgesetz errichtet wurden. Eine Ausnahme gilt lediglich für offene Spezialinvestmentfonds, die die für geschlossene Investmentfonds geltenden Anlagevorschriften und ‑beschränkungen anwenden. Weitere Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung ergeben sich aus der Vorschrift nicht.

    10.      Eine vergleichbare persönliche Steuerbefreiung für OGAWs mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR sieht Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a des polnischen Körperschaftsteuergesetzes vor. Um die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können, müssen die OGAWs sinngemäß kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

    a)      Sie sind in ihrem Sitzstaat mit ihren gesamten Einkünften, gleich welcher Herkunft, körperschaftsteuerpflichtig;

    b)      ihr einziger Zweck ist die Anlage von Finanzmitteln, die durch einen öffentlichen oder nicht öffentlichen Aufruf zum Erwerb ihrer Anlagetitel beschafft werden, für gemeinsame Rechnung in Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und anderen Vermögensrechten;

    c)      sie üben ihre Tätigkeiten auf der Grundlage einer Genehmigung aus, die von den Finanzaufsichtsbehörden des Staates erteilt wurde, in dem sie ihren Sitz haben;

    d)      ihre Tätigkeiten unterliegen der unmittelbaren Aufsicht der Finanzmarktaufsichtsbehörden des Staates, in dem sie ihren Sitz haben;

    e)      sie haben eine Verwahrstelle für die Verwahrung ihres Vermögens benannt;

    f)      sie werden von Einrichtungen verwaltet, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit über die Erlaubnis der für die Finanzmarktaufsicht zuständigen Behörden des Staates verfügen, in dem sie ihren Sitz haben.

    11.      Gemäß Art. 6 Abs. 4 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes gilt die Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a dieses Gesetzes nicht für OGAWs, die sinngemäß entweder solche des geschlossenen Typs sind bzw. den für OGAWS des geschlossenen Typs geltenden Anlagevorschriften und –beschränkungen unterliegen (Nr. 1) oder deren Anteile gemäß ihrer Satzung nicht öffentlich angeboten werden, nicht zum Handel an einem geregelten Markt oder über ein alternatives Handelssystem zugelassen werden und von natürlichen Personen nur erworben werden können, wenn sie einmalig Anteile im Wert von mindestens 40 000 Euro erwerben (Nr. 2).

    12.      Neben diesen persönlichen Steuerbefreiungen sieht Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes eine sachliche Steuerbefreiung vor. Danach sind sinngemäß auch die in Art. 6 Abs. 4 Nr. 1 dieses Gesetzes genannten Erträge (Einnahmen) der geschlossenen OGAWs mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Land des Europäischen Wirtschaftsraums von der Körperschaftsteuer befreit, sofern sie die in Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a Buchst. a und d bis f des polnischen Körperschaftsteuergesetzes genannten Voraussetzungen erfüllen.

    13.      Die entsprechenden OGAWs müssen also insbesondere im Staat ihres Sitzes der Körperschaftsteuer auf ihre gesamten Einkünfte unterliegen (Buchst. a) und von Einrichtungen verwaltet werden, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit über eine Zulassung der für die Finanzmarktaufsicht zuständigen Behörden ihres Sitzstaates unterliegen (Buchst. f). Wegen dieser Voraussetzung in Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a Buchst. f des polnischen Körperschaftsteuergesetzes gilt die Steuerbefreiung nach Auskunft des vorlegenden Gerichts nur für extern verwaltete, nicht aber für intern verwaltete Investmentfonds.

    14.      Daneben sind auch Vorschriften des L’ustawa z dnia 27 maja 2004 r. o funduszach inwestycyjnych i zarządzaniu alternatywnymi funduszami inwestycyjnymi (Gesetz vom 27. Mai 2004 über Investmentfonds und die Verwaltung von alternativen Investmentfonds) in der durch die Ustawa z dnia 31 marca 2016 r. o zmianie ustawy o funduszach inwestycyjnych oraz niektórych innych ustaw (Gesetz vom 31. März 2016 zur Änderung des Investmentfondsgesetzes und einiger anderer Gesetze) geänderten Fassung (im Folgenden: polnisches Investmentfondsgesetz) bedeutsam.

    15.      Art. 3 Abs. 1 des polnischen Investmentfondsgesetzes legt sinngemäß fest, dass ein Investmentfonds eine juristische Person ist, deren Unternehmensgegenstand ausschließlich darin besteht, Finanzmittel in Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und anderen Vermögensrechten anzulegen. Gemäß Art. 4 Abs. 1 dieses Gesetzes errichtet, verwaltet und vertritt eine Gesellschaft den Investmentfonds gegenüber Dritten. Aus Art. 14 Abs. 1 des polnischen Investmentfondsgesetzes folgt darüber hinaus, dass ein Investmentfonds nur von einer Gesellschaft errichtet werden kann.

    III. Sachverhalt

    16.      Die F S.A. mit Sitz in Luxemburg (im Folgenden: Klägerin) beantragte beim polnischen Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej (Direktor der nationalen Steuerinformationsbehörde, im Folgenden: Beklagter) den Erlass eines Vorbescheids, durch den festgestellt werden sollte, dass die von ihr in Polen erzielten Erträge gemäß Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a des polnischen Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreit seien.

    17.      Dabei gab die Klägerin an, dass es sich bei ihr um einen spezialisierten Investmentfonds in der Rechtsform einer nach luxemburgischem Recht gegründeten Société anonyme (S.A.; Aktiengesellschaft) handelt. Gemäß ihrer Satzung werde sie durch ihren Verwaltungsrat und damit intern verwaltet. Der Verwaltungsrat sei von der zuständigen luxemburgischen Aufsichtsbehörde zur Verwaltung des Fonds zugelassen, als registrierter Verwalter alternativer Investmentfonds eingetragen und in die Liste der Verwalter aufgenommen worden.

    18.      Nicht ganz klar ist der steuerliche Status der Klägerin in Luxemburg. Einerseits führt das vorlegende Gericht aus, dass die Klägerin in Luxemburg ansässig sei und dort der unbeschränkten Steuerpflicht unterliege. Andererseits geht das Gericht an anderer Stelle von einem OGAW in der Form einer Société d'Investissement à Capital Variable (SICAV) aus. Ein solcher luxemburgischer OGAW ist grundsätzlich von den luxemburgischen Ertrag- und Vermögensteuern befreit. Erhoben wird allenfalls eine geringfügige Registersteuer (taxe d'abonnement).

    19.      Alleiniger Gegenstand der Tätigkeiten der Klägerin ist die gemeinsame Anlage von Geldmitteln, die durch ein nicht öffentliches Angebot zum Erwerb von Fondsanteilen aufgebracht werden, in Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und anderen Vermögensrechten. Entsprechende Investitionen möchte die Klägerin auch in Polen tätigen. Da es sich bei ihr um einen geschlossenen Investmentfonds handelt, kommt die persönliche Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a des polnischen Körperschaftsteuergesetzes wegen der in Art. 6 Abs. 4 Nr. 1 dieses Gesetzes vorgesehenen Ausnahme nicht in Betracht. Die Klägerin ist aber der Ansicht, dass die von ihr in Polen erzielten Erträge unter die sachliche Steuerbefreiung gemäß Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes fallen.

    20.      Der Beklagte lehnte die Erteilung des beantragten Vorbescheids jedoch ab. Zur Begründung führte er an, dass eine Steuerbefreiung wegen des Verweises in Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes auf Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a Buchst. f desselben Gesetzes nur von extern verwalteten Investmentfonds in Anspruch genommen werden könne. Die Klägerin als intern verwalteter Investmentfonds erfülle diese Voraussetzungen nicht.

    21.      Gegen diese ablehnende Entscheidung erhob die Klägerin beim vorlegenden Gericht, dem Wojewódzki Sąd Administracyjny w Gliwicach (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Gliwice, Polen) Klage und beantragte die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung.

    IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof und Vorlagefrage

    22.      Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob die polnische Rechtslage mit den Grundfreiheiten und der OGAW-Richtlinie vereinbar ist. Daher legte es dem Gerichtshof die folgende Frage vor:

    Sind die Bestimmungen der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und insbesondere Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie in Verbindung mit den Art. 18, 49 und 63 AEUV dahin gehend auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass in nationalen Rechtsvorschriften formale Anforderungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für die Inanspruchnahme der Befreiung von der Körperschaftsteuer durch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums als der Republik Polen ansässige Organismen für gemeinsame Anlagen aufgestellt werden, d. h. die Anforderung, dass sie von externen Rechtsträgern verwaltet werden, die ihre Tätigkeit auf der Grundlage einer Zulassung durch die zuständigen Finanzmarktaufsichtsbehörden ihres Sitzstaats ausüben?

    23.      Auf ein Auskunftsersuchen des Gerichtshofs hin hat das vorlegende Gericht ergänzende Ausführungen gemacht, um insbesondere die Anforderungen des polnischen Rechts an die Gründung eines Investmentfonds und die damit vom polnischen Gesetzgeber verfolgten Ziele zu präzisieren.

    24.      Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben die Republik Polen und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. Neben der Klägerin haben auch die Republik Polen und die Europäische Kommission an der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2024 teilgenommen.

    V.      Rechtliche Würdigung

    25.      Das vorlegende Gericht bezieht sich in seiner Vorlagefrage zunächst ausdrücklich auf die Regelungen der OGAW-Richtlinie. Auch nach der mündlichen Verhandlung ist allerdings nicht eindeutig geklärt, ob es sich bei der Klägerin überhaupt um einen OGAW im Sinne der OGAW-Richtlinie handelt. Zweifel bestehen u. a. deshalb, weil die angelegten Gelder unter Umständen nicht öffentlich und damit nicht beim Publikum im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der OGAW-Richtlinie beschafft werden. Unklar ist aber auch, ob die Steuerbefreiung in Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes ausschließlich für Investmentfonds im Sinne der OGAW-Richtlinie gilt.

    26.      Es ist allerdings nicht die Aufgabe des Gerichtshofs, das nationale Recht auszulegen oder den Sachverhalt festzustellen. Die Richtigkeit der Prämissen, auf die sich das vorlegende Gericht stützt, hat der Gerichtshof also nicht zu prüfen.(4) Daher gehe ich im Folgenden davon aus, dass die Klägerin die Steuerbefreiung nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes jedenfalls im Grundsatz in Anspruch nehmen kann.

    27.      Im Übrigen fragt das vorlegende Gericht nach einer Verletzung des allgemeinen unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 18 AEUV), der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) durch die in Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a des polnischen Körperschaftsteuergesetzes vorgesehene Steuerbefreiung für Investmentfonds mit externer Verwaltung.

    28.      Im Ergebnis ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung – wovon auch die Kommission ausgeht – allerdings ausschließlich am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV zu prüfen. Denn zum einen enthalten die Grundfreiheiten und damit auch die Kapitalverkehrsfreiheit besondere Diskriminierungsverbote, so dass das allgemeine Diskriminierungsverbot von Art. 18 AEUV insoweit keine Anwendung findet.(5)

    29.      Zum anderen betrifft die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung Einkünfte eines OGAW aus Investitionen in Polen, die als bloße Geldanlage getätigt werden, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll. Daher beeinträchtigt die Regelung primär den freien Kapitalverkehr. Eine etwaige ebenfalls vorliegende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit wäre eine unvermeidliche Folge der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs und rechtfertigt daher keine eigenständige Prüfung am Maßstab von Art. 49 AEUV.(6)

    30.      Somit möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen gebietsfremde intern verwaltete Investmentfonds mit ihren in diesem Mitgliedstaat erzielten Erträgen körperschaftsteuerpflichtig sind, während gebietsansässige extern verwaltete Investmentfonds von dieser Steuer befreit sind. Zu klären ist daher, ob die polnischen Regelungen im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit zu einer Beschränkung (dazu A.) oder Diskriminierung (dazu B.) führen.(7)

    A.      Zum Beschränkungsverbot

    31.      Die Mitgliedstaaten müssen ihre Befugnisse im Bereich der direkten Steuern unter Wahrung des Unionsrechts und insbesondere der vom AEUV gewährleisteten Grundfreiheiten ausüben.(8) Art. 63 Abs. 1 AEUV verbietet dabei ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs. Verboten sind daher im Grundsatz u. a. solche Maßnahmen, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat abzuhalten.(9)

    32.      Allerdings ist bei Steuern und Abgaben zu berücksichtigen, dass diese per se eine Belastung darstellen und dadurch die Attraktivität einer Investition immer senken. Eine Prüfung von Steuern am Maßstab von diskriminierungsfreien Beschränkungen würde folglich sämtliche nationalen Steuertatbestände dem Unionsrecht unterwerfen und damit die Souveränität der Mitgliedstaaten in Steuerangelegenheiten wesentlich in Frage stellen.(10)

    33.      Dies widerspräche der ständigen Rechtsprechung, wonach die Mitgliedstaaten bei einer fehlenden Harmonisierung in der Union frei sind, ihre Steuerhoheit in diesem Bereich auszuüben.(11) Will man die vom Gerichtshof anerkannte Steuerhoheit der Mitgliedstaaten sowie das Budgetrecht der Parlamente nicht über Gebühr einschränken, so sind nationale steuerliche Maßnahmen daher grundsätzlich nur am Diskriminierungsverbot der Grundfreiheiten zu messen.(12)

    34.      Deswegen hat sich auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs durchgesetzt, dass die Grundfreiheiten im Steuerrecht stets als Diskriminierungsverbote und damit gleichheitsrechtlich wirken.(13) Im Ausgangsverfahren geht es um die Besteuerung extern und intern verwalteter Investmentfonds in Polen. Eine Prüfung am Maßstab des Beschränkungsverbots kommt daher nicht in Betracht.

    B.      Zum Diskriminierungsverbot

    35.      Es könnte somit allenfalls zu einem Verstoß gegen das ebenfalls in Art. 63 AEUV enthaltene Diskriminierungsverbot kommen. Denn die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, auch ihr Besteuerungssystem in nicht diskriminierender Weise auszugestalten.(14) Diskriminierung meint dabei im Grundsatz jede Ungleichbehandlung vergleichbarer Fälle, die zu einer Benachteiligung von Gebietsfremden gegenüber Gebietsansässigen führt.(15) Deswegen kann die unterschiedslose Erhebung einer direkten Steuer auf inländische und grenzüberschreitende Sachverhalte nicht zu einer Diskriminierung führen.(16)

    36.      Voraussetzung für die Annahme einer Diskriminierung ist daher über die Ungleichbehandlung (dazu 1.) hinaus eine objektiv vergleichbare Lage der Gruppen, zwischen denen der Mitgliedstaat aufgrund des von ihm gewählten Kriteriums differenziert (dazu 2.).(17)

    1.      Zum Vorliegen einer Ungleichbehandlung

    37.      Voraussetzung für die Annahme einer Diskriminierung ist zunächst, dass Steuerpflichtige ungleich behandelt werden. Verboten sind insofern nicht nur offene bzw. unmittelbare Diskriminierungen, sondern auch alle versteckten bzw. mittelbaren Formen der Diskriminierung.(18)

    38.      Eine unmittelbare Diskriminierung knüpft an unzulässige Unterscheidungsmerkmale an. Der Ort des Gesellschaftssitzes stellt ein solches Merkmal dar.(19) Zwar existieren im polnischen Körperschaftsteuergesetz mit Art. 6 Abs. 1 Nr. 10 einerseits und Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a andererseits unterschiedliche Steuerbefreiungsvorschriften für in Polen ansässige bzw. in EU-/EWR-Staaten ansässige Investmentfonds. Im Ergebnis wird die Befreiung von der Körperschaftsteuer aber unabhängig vom Sitz des Investmentfonds gewährt. Daher scheidet eine unmittelbare Diskriminierung von vornherein aus.

    39.      In Betracht kommt daher allenfalls eine mittelbare Diskriminierung. Verboten sind nämlich auch alle Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zum gleichen Ergebnis wie eine unmittelbare Diskriminierung führen.(20)

    40.      Gegen die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung sprechen im vorliegenden Fall allerdings der Sinn und Zweck des Verbots mittelbarer Diskriminierungen (dazu a), die fehlende diskriminierende Wirkung des von Polen gewählten Unterscheidungskriteriums (dazu b) sowie die mangels unionsrechtlicher Harmonisierung bestehende Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Besteuerung von Investmentfonds (dazu c).

    a)      Sinn und Zweck des Verbots mittelbarer Diskriminierungen

    41.      Zunächst sprechen Sinn und Zweck des Verbots mittelbarer Diskriminierungen gegen die Annahme einer solchen im Ausgangsfall. Die mittelbare Diskriminierung soll nämlich keine Erweiterung des Diskriminierungstatbestands bewirken, sondern lediglich auch solche Fälle erfassen, die rein formal betrachtet keine Diskriminierung darstellen, aber wie eine solche wirken.(21) Folglich sind an die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung strenge Maßstäbe anzulegen.(22)

    42.      Von einer mittelbaren Diskriminierung ist auszugehen, wenn eine nationale Regelung zwar unterschiedslos für gebietsansässige und gebietsfremde Wirtschaftsteilnehmer gilt, de facto aber grenzüberschreitende Sachverhalte benachteiligt.(23) Dies soll im Steuerrecht u. a. dann der Fall sein, wenn die Gewährung eines Steuervorteils daran geknüpft wird, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Voraussetzungen oder Verpflichtungen erfüllt, die ihrer Art nach oder de facto für den inländischen Markt spezifisch sind, so dass nach der Rechtsprechung nur die auf dem inländischen Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer sie erfüllen können und vergleichbare gebietsfremde Wirtschaftsteilnehmer diese Voraussetzungen im Allgemeinen nicht erfüllen.(24)

    43.      Im Ausgangsverfahren sieht Art. 6 Abs. 1 Nr. 10 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes eine Steuerbefreiungsvorschrift für inländische offene Investmentfonds vor. Wesentliche Voraussetzung ist, dass der Investmentfonds nach dem polnischen Investmentfondsgesetz gegründet wurde. Aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des polnischen Investmentfondsgesetzes ergibt sich, dass ein Investmentfonds nur von einer Gesellschaft errichtet werden kann. Auf schriftliche Nachfrage des Gerichtshofs hat das vorlegende Gericht ausgeführt, dass aus diesen Regelungen folgt, dass nach dem polnischen Investmentsteuerrecht keine intern – also durch eigene Organe – verwalteten Investmentfonds gegründet werden können. Damit gilt auch die Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 10 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes nur für inländische extern verwaltete Investmentfonds.

    44.      Bei der Klägerin handelt es sich dagegen um einen intern verwalteten Investmentfonds mit Sitz in Luxemburg. Für sie käme allenfalls die in Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a des polnischen Körperschaftsteuergesetzes vorgesehene Steuerbefreiung für Investmentfonds mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Staat in Betracht. Die Steuerbefreiung gilt aber wiederum nur für solche Investmentfonds, die durch eine eigenständige Verwaltungsgesellschaft und damit extern verwaltet werden.

    45.      Im Ausgangsverfahren ist daher allein diese im polnischen Gesellschaftsrecht vorgesehene Unterscheidung zwischen extern und intern verwalteten Investmentfonds von Bedeutung. Diesbezüglich sind die Voraussetzungen für die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung aber nicht erfüllt.

    46.      Erstens sieht das Unionsrecht selbst ein Wahlrecht hinsichtlich der Zulassung intern oder extern verwalteter Investmentfonds vor (siehe unten, Nrn. 58 und 59). Damit ist die von Polen gewählte Anknüpfung der Steuerbefreiung an eine externe Verwaltung des Investmentfonds schon nicht ihrer Art nach oder de facto für den polnischen Markt „spezifisch“. Insbesondere können extern verwaltete Investmentfonds eine Steuerbefreiung unabhängig davon in Anspruch nehmen, ob sie in Polen oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Lediglich intern verwaltete Investmentfonds können keine Steuerbefreiung beanspruchen. Auch dies gilt aber unabhängig von der Ansässigkeit dieser Investmentfonds. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die polnischen Vorschriften zu einer systematischen Begünstigung der nationalen Investmentfonds führen.(25)

    47.      Zugleich unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Situationen in den Rechtssachen Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö und UBS Real Estate. In beiden Fällen hatte der Gerichtshof eine Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit deswegen angenommen, weil die nationalen Vorschriften jeweils zu einer Begünstigung der inländischen Investmentfonds führten.(26) Hiervon kann im vorliegenden Fall aus den oben genannten Gründen gerade nicht ausgegangen werden.

    48.      Zweitens muss bei der Prüfung einer mittelbaren Diskriminierung auch die Schutzfunktion der Grundfreiheiten beachtet werden. Da die Grundfreiheiten im Steuerrecht als Diskriminierungsverbote wirken (siehe Nrn. 31 ff.), ist Polen als Aufnahmemitgliedstaat verpflichtet, eine Inländergleichbehandlung zu gewährleisten. Dagegen soll keine Bevorzugung des grenzüberschreitenden Falls bewirkt werden. Insbesondere können die Grundfreiheiten nicht missbräuchlich in Anspruch genommen werden.(27)

    49.      Dies wäre aber z. B. der Fall, wenn die Klägerin mit ihren Einkünften in Luxemburg keiner Besteuerung unterliegen und dennoch eine Steuerbefreiung in Polen beanspruchen würde. Schädlich für den Wettbewerb im Binnenmarkt sind nämlich nicht nur Doppelbesteuerungen, sondern auch doppelte Nichtbesteuerungen.(28) Wohl auch aus diesem Grund setzt Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a Buchst. a des polnischen Körperschaftsteuergesetzes für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung voraus, dass der OGAW mit seinen gesamten Einkünften in seinem Sitzstaat der Körperschaftsteuer unterliegt. Nach der mündlichen Verhandlung verbleiben aber Zweifel, ob dies im Hinblick auf die Klägerin in Luxemburg tatsächlich der Fall ist.

    50.      Und drittens bezweckt der polnische Gesetzgeber mit den Vorschriften in Art. 6 Abs. 1 Nrn. 10 und 10a sowie Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes wohl gerade auch eine Gleichbehandlung gebietsfremder und gebietsansässiger Investmentfonds. Zur Vermeidung von Diskriminierungen ist es nämlich geboten, ausländische Rechtsformen nach einheitlichen Kriterien den im nationalen Recht bestehenden Besteuerungssystemen zuzuordnen. Gewährleistet wird dies im internationalen Steuerrecht vielfach über einen sogenannten Rechtstypenvergleich. Danach werden Gesellschaften ausländischen Rechts steuerrechtlich derjenigen inländischen Rechtsform gleichgestellt, mit der sie auf gesellschaftsrechtlicher Ebene die größten Gemeinsamkeiten aufweisen.

    51.      Davon ausgehend ordnet Polen intern verwaltete Investmentfonds wohl aufgrund der besonderen Risikotragung den anderen – ebenfalls intern verwalteten – Körperschaften zu. Damit unterscheidet sich das Ausgangsverfahren auch von der durch den Gerichtshof entschiedenen Rechtssache Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö(29),  denn dort hat der Gerichtshof die Form der Gründung eines Investmentfonds (in Vertrags- oder Satzungsform) als eine bloße Formalität(30) und nicht als Ausdruck der besonderen Risikotragung betrachtet.

    52.      Es ist die Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Rechtstypenvergleich rechtsfehlerfrei vorgenommen wurde. Ist dies der Fall, dient der Rechtstypenvergleich der Gleichbehandlung der ausländischen Rechtsform mit der im Inland existierenden (vergleichbaren) Rechtsform. Damit gewährleistet er gerade die Vereinbarkeit der polnischen Körperschaftbesteuerung mit den Grundfreiheiten und kann nicht seinerseits als mittelbare Diskriminierung behandelt werden.

    b)      Kein diskriminierendes Unterscheidungskriterium

    53.      Darüber hinaus ist Grundvoraussetzung einer Diskriminierung, dass das vom Mitgliedstaat gewählte Unterscheidungskriterium überhaupt geeignet ist, diskriminierend zu wirken.(31) Gerade bei mittelbaren Diskriminierungen bedarf es stets einer Prüfung im Einzelfall. Erforderlich ist, dass das Unterscheidungskriterium „seinem Wesen nach“ zu einer auf dem Sitz der Gesellschaft beruhenden Ungleichbehandlung führt.(32)

    54.      Darin kommt zum Ausdruck, dass es nicht ausreicht, für das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung allein auf eine überwiegende Betroffenheit ausländischer Investmentfonds abzustellen. Vielmehr muss eine Korrelation zwischen dem gewählten Unterscheidungskriterium und dem Sitz einer Gesellschaft bestehen, um eine Ungleichbehandlung vergleichbar einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Sitzes annehmen zu können.(33)

    55.      Als Unterscheidungskriterium kommt im Ausgangsfall – wie bereits ausgeführt – allenfalls die Differenzierung zwischen extern und intern verwalteten Investmentfonds in Betracht. Das polnische Recht lässt die Gründung intern verwalteter Investmentfonds aber generell nicht zu. Hierfür macht es keinen Unterschied, ob der Investmentfonds seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Streng genommen existiert das Unterscheidungskriterium im polnischen Recht daher gar nicht, weil alle in Polen ansässige Investmentfonds extern verwaltete Investmentfonds sind. Daher werden intern verwaltete Investmentfonds aus dem Ausland weder benachteiligt noch intern verwaltete Investmentfonds im Inland begünstigt.

    56.      Eine irgendwie geartete Korrelation zwischen der externen oder internen Verwaltung des Investmentfonds und dessen Sitz ist daher nicht erkennbar. Extern verwaltete ausländische Investmentfonds werden steuerlich wie extern verwaltete inländische Investmentfonds behandelt, und intern verwaltete ausländische Investmentfonds werden steuerlich wie die vergleichbaren inländischen Körperschaften behandelt. Folglich existiert in Polen schon kein diskriminierendes Unterscheidungskriterium. Daher kann das Unterscheidungskriterium auch nicht „seinem Wesen nach“ zu einer Ungleichbehandlung abhängig vom Sitz des Investmentfonds führen.

    c)      Fehlende unionsrechtliche Harmonisierung

    57.      Schließlich würde die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung im vorliegenden Fall die polnische Steuerautonomie verletzen.

    58.      Denn erstens verpflichtet die OGAW-Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht, im nationalen Recht sowohl extern als auch intern verwaltete Investmentfonds zuzulassen. Die Richtlinie bezweckt vielmehr den Anlegerschutz und bewirkt deshalb lediglich eine Koordinierung der nationalen Rechtsvorschriften durch das Festlegen gemeinsamer Mindestregelungen.(34) Aus keiner der Richtlinienbestimmungen lässt sich entnehmen, dass die Mitgliedstaaten den OGAWs zwingend die Möglichkeit einräumen müssen, extern oder intern verwaltet zu werden.(35) Vielmehr folgt aus dem sechsten Erwägungsgrund sowie Art. 29 Abs. 1 der OGAW-Richtlinie implizit, dass beide Formen eines OGAWs möglich sind, aber nicht zwingend vorgesehen werden müssen.

    59.      Das Unionsrecht räumt den Mitgliedstaaten somit ein Wahlrecht ein, auch nur intern oder nur extern verwaltete Investmentfonds im nationalen Recht zuzulassen. Von diesem Wahlrecht hat Polen Gebrauch gemacht, indem es Vorschriften lediglich zu extern verwalteten Investmentfonds geschaffen hat. Dieses sekundärrechtlich eingeräumte Wahlrecht würde aber durch ein extensives Verständnis einer mittelbaren Diskriminierung überlagert werden. Damit würde der Wille des Unionsgesetzgebers missachtet.

    60.      Zweitens ist es im Steuerrecht Sache der Mitgliedstaaten, festzulegen, welche Gesellschaften als Körperschaften der regulären Besteuerung unterliegen und welche als Investmentfonds begünstigt besteuert werden. Entsprechend hat auch die OGAW-Richtlinie nach ihrem 83. Erwägungsgrund keine Auswirkungen auf nationale steuerliche Regelungen. Außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert wurde, bestimmt der Mitgliedstaat in Wahrnehmung seiner eigenen Zuständigkeiten die grundlegenden Merkmale der Steuer.(36) Dies gilt insbesondere für die Festlegung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, des Steuertatbestands und etwaiger Steuerbefreiungen.(37)

    61.      Deshalb können die Mitgliedstaaten im Grundsatz z. B. auch die Bedingungen und die Höhe der Besteuerung der verschiedenen Rechtsformen wählen.(38) Etwas anderes kann folglich auch dann nicht gelten, wenn sich ein Mitgliedstaat dazu entscheidet, ausschließlich extern verwaltete Investmentfonds zuzulassen und damit intern verwaltete Investmentfonds nach einem anderen System als inländische und ausländische extern verwaltete Investmentfonds zu besteuern.

    62.      Davon ausgehend hat der polnische Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenzen „lediglich“ eine Rechtsformentscheidung getroffen. An diese Rechtsform knüpfen in einer allgemeinen und nicht diskriminierenden Weise steuerrechtliche Folgen an. Die Kapitalverkehrsfreiheit kann einen Mitgliedstaat nicht dazu verpflichten, seine Rechtsvorschriften mit denjenigen eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit beseitigt.(39) Vielmehr können die Entscheidungen, die ein Steuerpflichtiger in Bezug auf seine Investitionen im Ausland trifft, je nach Fall mehr oder weniger vorteilhaft oder nachteilig für ihn sein.(40)

    63.      Bekräftigt werden diese Erwägungen drittens dadurch, dass es Polen unionsrechtlich nicht verwehrt wäre, auch intern verwaltete Investmentfonds zuzulassen und diese dann normal – d. h. wie andere Kapitalgesellschaften auch – zu besteuern. Solange Polen dabei nicht zwischen inländischen und ausländischen intern verwalteten Investmentfonds differenziert hätte, wäre kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit festzustellen.

    64.      Im vorliegenden Fall gibt es aufgrund der Rechtsformentscheidung von Polen im Inland keine intern verwalteten Investmentfonds, weswegen erst recht keine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen intern verwalteten Investmentfonds stattfindet (bzw. stattfinden kann). Daraus eine mittelbare Diskriminierung konstruieren zu wollen – wie es offenbar die Kommission vertritt –, geht zu weit und missachtet sowohl den Umsetzungsspielraum, den die OGAW-Richtlinie Polen gerade eingeräumt hat, als auch die mitgliedstaatliche Steuerautonomie im Bereich der direkten Steuern. Denn hierdurch würde Polen faktisch gezwungen, die Gründung intern verwalteter Investmentfonds in seinem nationalen Recht zuzulassen.

    d)      Zwischenergebnis

    65.      Im Ergebnis scheidet die Annahme einer Diskriminierung schon deshalb aus, weil es nicht zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen kommt. Hiergegen sprechen sowohl der Sinn und Zweck des Verbots mittelbarer Diskriminierungen als auch der Umstand, dass Polen kein diskriminierendes Unterscheidungsmerkmal gewählt hat. Bekräftigt wird dieses Ergebnis schließlich durch die polnische Autonomie bei der Besteuerung von Investmentfonds.

    2.      Hilfsweise: zum Vorliegen objektiv vergleichbarer Situationen

    66.      Sollte der Gerichtshof gleichwohl eine mittelbare Diskriminierung annehmen, wäre im Anschluss zu prüfen, ob im Ausgangsverfahren überhaupt objektiv vergleichbare Situationen vorliegen. Beruht eine etwaige Ungleichbehandlung nämlich auf unterschiedlichen Sachverhalten, ist eine Diskriminierung schon deshalb ausgeschlossen.(41) Zudem wird durch die Prüfung der objektiven Vergleichbarkeit verhindert, dass die Mitgliedstaaten sachlich berechtigte Differenzierungen ihrer Regelungen nur deshalb nicht vorsehen können, weil das Unterscheidungskriterium – mitunter auch zufällig – mit dem Sitz einer Gesellschaft korreliert.(42)

    67.      Deswegen ist dann zu prüfen, ob sich gebietsansässige extern verwaltete Investmentfonds und gebietsfremde intern verwaltete Investmentfonds in einer objektiv vergleichbaren Lage befinden.(43) Die Vergleichbarkeit ist unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu prüfen.(44) Davon ausgehend ist eine objektive Vergleichbarkeit hier fraglich.

    68.      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich nicht eindeutig, welche Ziele der polnische Gesetzgeber mit der Körperschaftsteuerbefreiung für extern verwaltete Investmentfonds verfolgt. Die Kommission geht deshalb davon aus, dass das Ziel der polnischen Steuerbefreiung die Sicherstellung der Steuerneutralität in Bezug auf direkte und indirekte Investitionen in Wertpapiere sei. Durch die Steuerbefreiung auf Ebene des Investmentfonds werde eine doppelte Besteuerung der Erträge sowohl auf Ebene des Fonds als auch auf Ebene der Anleger vermieden.

    69.      Das vorlegende Gericht hat dagegen auf die schriftliche Nachfrage des Gerichtshofs hin ausgeführt, dass die Entscheidung, nur extern verwaltete Investmentfonds im Inland zuzulassen, auf zwei Gründen beruht: Zum einen solle die Tätigkeit eines solchen Fonds in der polnischen Rechtsordnung rechtssicher beurteilt werden können, und zum anderen solle das im Investmentfonds gebündelte Vermögen der Anleger aus Gründen des Anlegerschutzes von der Vermögenssphäre der Verwaltungsgesellschaft getrennt werden.

    70.      Damit haben die polnischen Vorschriften des Investmentfondsgesetzes jedenfalls auch zum Ziel, das mit den Tätigkeiten der OGAWs verbundene Anlagerisiko aus Gründen des Anlegerschutzes zu begrenzen. Nach der Auffassung Polens kann nur im Wege der externen Verwaltung eines Investmentfonds durch eine rechtsfähige Verwaltungsgesellschaft eine Trennung von Investmentvermögen und Vermögen der Verwaltungsgesellschaft hinreichend sichergestellt werden. Diese Trennung der Vermögenssphären führt nach der Ansicht Polens zugleich zu einer Trennung der Anlagerisiken und der wirtschaftlichen Risiken, die mit der Errichtung und Verwaltung von Investmentfonds verbunden sind.

    71.      Die polnischen Steuerbefreiungsvorschriften knüpfen unmittelbar an diese im Investmentfondsgesetz getroffene Entscheidung an. Damit dienen auch die Steuerbefreiungsvorschriften dem Ziel des Anlegerschutzes (vgl. hierzu auch unten, Nr. 81). Ausgehend von diesem Ziel befinden sich daher in Polen ansässige extern verwaltete und im Ausland ansässige intern verwaltete Investmentfonds auch nicht in einer objektiv vergleichbaren Lage. Bei intern verwalteten Fonds lassen sich Anlagerisiken einerseits und Insolvenz- und Haftungsrisiken andererseits nämlich nicht ebenso klar voneinander trennen wie bei extern verwalteten Fonds.

    72.      Damit unterscheidet sich das Ausgangsverfahren auch insofern wesentlich von der durch den Gerichtshof entschiedenen Rechtssache Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö(45). In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof zwar eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit im Wege der mittelbaren Diskriminierung durch eine finnische Vorschrift bejaht, die hinsichtlich der Besteuerung eines OGAWs nach der Art des Gründungsaktes differenzierte. Nur OGAWs in Vertragsform, nicht aber in Satzungsform konnten von der Steuer befreit werden. Zugleich aber konnten Investmentfonds – ähnlich wie hier – nach finnischem Recht nur in Vertragsform errichtet werden.

    73.      Allerdings hat der Gerichtshof die Form der Gründung eines Investmentfonds dort offensichtlich als eine bloße Formalität betrachtet. Denn materielle Gesichtspunkte, wie etwa solche des Anlegerschutzes, die mit der Wahl des Gründungsstatuts verbunden sein können, wurden in diesem Verfahren nicht genügend dargelegt.

    74.      Im Ausgangsverfahren besteht dagegen eine Verknüpfung zwischen der Art der Verwaltung eines Investmentfonds und dem von Polen bezweckten Anlegerschutz. Daher kann die interne oder externe Verwaltung des Investmentfonds nicht als bloß formale Anforderung betrachtet werden.

    75.      Daher befinden sich gebietsansässige extern verwaltete Investmentfonds und gebietsfremde intern verwaltete Investmentfonds angesichts des von Polen verfolgten Ziels des Anlegerschutzes nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation.

    3.      Ergebnis

    76.      Selbst bei der Annahme einer mittelbaren Diskriminierung durch die Anknüpfung an die Art der Verwaltung eines Investmentfonds befinden sich extern und intern verwaltete Investmentfonds angesichts des vom polnischen Gesetzgeber verfolgten Ziels des Anlegerschutzes nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation. Damit liegt kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor.

    C.      Hilfsweise: zur Rechtfertigung einer etwaigen Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit

    77.      Sollte der Gerichtshof dagegen von einer mittelbaren Diskriminierung und einer objektiv vergleichbaren Lage ausgehen, wäre die unterschiedliche Besteuerung jedenfalls gerechtfertigt. Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV nämlich nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Allerdings dürfen die insofern zulässigen Ungleichbehandlungen nach Art. 65 Abs. 3 AEUV weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs darstellen.(46) Daher sind solche Ungleichbehandlungen, die objektiv vergleichbare Situationen betreffen, nur zulässig, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und zudem verhältnismäßig sind.(47)

    1.      Zum Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes

    78.      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts sowie den Ausführungen Polens, dass die polnischen Regelungen zur Zulassung und Besteuerung von Investmentfonds – wie ich bereits ausgeführt habe (siehe Nr. 69) – im Wesentlichen zwei Ziele verfolgen: Einerseits soll die Rechtssicherheit hinsichtlich der Errichtung von Investmentfonds erhöht und andererseits soll ein wirksamer Anlegerschutz gewährleistet werden.

    79.      Allein das Ziel der Rechtssicherheit kann eine Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht rechtfertigen.(48) Denn andernfalls stünde es den Mitgliedstaaten frei, solche Beschränkungen einzuführen, sofern diese eindeutig formuliert sind.(49)

    80.      Etwas anderes gilt aber hinsichtlich des Ziels eines wirksamen Anlegerschutzes. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass der Anlegerschutz ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel der Union darstellt.(50) Auch der Unionsgesetzgeber hat dieses Ziel beim Erlass der OGAW-Richtlinie verfolgt. So ergibt sich aus dem dritten Erwägungsgrund der OGAW-Richtlinie, dass mit der Rechtsangleichung ein wirksamer und einheitlicher Schutz der Anteilsinhaber sichergestellt werden soll.

    81.      Unerheblich ist, dass der Anlegerschutz im vorliegenden Fall durch das Steuerrecht gewährleistet wird. Auch wenn die meisten steuerrechtlichen Normen der Finanzierung der öffentlichen Haushalte dienen, ist anerkannt, dass Steuergesetze auch andere Zwecke verfolgen können. So kann ihr Einsatz die Steuerpflichtigen durch gezielte Steuerentlastungen oder –belastungen zu einem bestimmten Verhalten veranlassen. Entsprechend hat Polen eine Steuerbefreiung nur als Anreiz für eine Anlage in extern verwaltete Investmentfonds vorgesehen, die aus Sicht des polnischen Gesetzgebers den Anlegerschutz besser verwirklichen.

    82.      Darüber hinaus hat die polnische Regierung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass Art. 17 Abs. 1 Nr. 58 des polnischen Körperschaftsteuergesetzes auch der Missbrauchsvermeidung diene. Nach dieser Vorschrift werde nämlich geschlossenen Investmentfonds – wie der Klägerin – abweichend von Art. 6 Abs. 1 Nr. 10a des polnischen Körperschaftsteuergesetzes allenfalls eine sachliche Steuerbefreiung für einen Teil der erzielten Erträge gewährt, um die missbräuchliche Einschaltung dieser Fonds zu verhindern. Nicht ganz klar ist allerdings, inwiefern eine Verknüpfung zwischen der Ausgestaltung als offener oder geschlossener Investmentfonds und der Art ihrer Verwaltung besteht. Sollte eine solche Verknüpfung nach polnischem Recht bestehen, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat, wäre auch die hiermit bezweckte Missbrauchsvermeidung ein anerkannter Rechtfertigungsgrund.

    83.      Im Ergebnis stellt jedenfalls das vom polnischen Gesetzgeber verfolgte Ziel eines wirksamen Anlegerschutzes einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine etwaige Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen kann.

    2.      Verhältnismäßigkeit der Maßnahme

    84.      Schließlich muss die Maßnahme – hier die Versagung der Steuerbefreiung für Einkünfte von intern verwalteten Investmentfonds – verhältnismäßig sein. Dies setzt voraus, dass die Maßnahme geeignet ist, die Erreichung ihres Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was dafür erforderlich ist. Dabei sind die Besonderheiten der Kapitalverkehrsfreiheit zu berücksichtigen.(51)

    85.      Die Versagung der Steuerbefreiung für intern verwaltete Investmentfonds ist jedenfalls nicht offensichtlich ungeeignet, den bezweckten Anlegerschutz zu verwirklichen. Aufgrund der Steuerbefreiung der Einkünfte von extern verwalteten Investmentfonds ist es für Kleinanleger attraktiver, sich an einem extern verwalteten als an einem intern verwalteten Investmentfonds zu beteiligen.

    86.      Auch erscheint es nicht unplausibel, dass das Anlagevermögen der Kleinanleger im Falle der externen Verwaltung geringeren wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt ist als im Fall einer internen Verwaltung eines Investmentfonds. Denn die Vermögensmassen sind – wie auch Polen vorträgt – im Falle der externen Verwaltung rechtlich getrennt. Haftungs- und Insolvenzrisiken treffen daher zunächst allein die rechtsfähige Verwaltungsgesellschaft. Dass diese Vorteile möglicherweise dadurch (mittelbar) ausgeglichen werden, dass z. B. Verwaltungsgebühren erhoben werden, steht dem nicht entgegen. Denn entsprechende Gebühren sind für den Anleger transparenter als die genannten Risiken.

    87.      Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist die Versagung der Steuerbefreiung auch angemessen. Bei der Abwägung zwischen einem wirksamen Anlegerschutz einerseits und der Kapitalverkehrsfreiheit andererseits ist zunächst zu berücksichtigen, dass den Mitgliedstaaten ein weiter Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Ausgestaltung von Anlagen in Investmentfonds zusteht. Weder der steuerrechtliche noch der investmentrechtliche Investmentfondsbegriff sind – wie ich bereits ausgeführt habe (siehe Nrn. 57 ff.) – vollständig durch das Unionsrecht harmonisiert.

    88.      Für die Abwägung maßgeblich sind die Bedeutung des Anlegerschutzes einerseits sowie die Eingriffsintensität andererseits. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Ziel des Anlegerschutzes nicht allein für den individuellen Marktteilnehmer bedeutsam ist, sondern auch strukturelle Marktrelevanz besitzt. So werden Anleger, die auf ein hohes Schutzniveau hinsichtlich ihres Anlagevermögens vertrauen können, auch eher über Investmentfonds investieren.

    89.      Zugleich ist die Intensität des Eingriffs eher gering. So werden im Ausland ansässige intern verwaltete Investmentfonds letztlich wie alle anderen Kapitalgesellschaften behandelt. Eine Wettbewerbsverzerrung tritt insofern nicht ein, weil konkurrierende intern verwaltete Investmentfonds mit Sitz in Polen nicht existieren. Lediglich das Privileg der Steuerbefreiung bleibt den extern verwalteten (in- und ausländischen) Investmentfonds vorbehalten. Dies ist aber angesichts des von extern verwalteten Investmentfonds besser gewährleisteten Anlegerschutzes gerechtfertigt.

    90.      Darüber hinaus werden im Ausland ansässige intern verwaltete Investmentfonds durch die polnischen Vorschriften nicht daran gehindert, überhaupt in Polen zu investieren. Denn Polen verbietet Investitionen durch intern verwaltete Investmentfonds nicht, sondern gewährt ihnen lediglich keine Steuerbefreiung. Eine solche steht aber auch anderen Steuerpflichtigen, die extern verwalteten Investmentfonds nicht vergleichbar sind (wie z. B. Aktiengesellschaften), nicht zu.

    91.      Schließlich gibt es keinen allgemeinen unionsrechtlichen Anspruch darauf, von der Besteuerung durch einen Mitgliedstaat ausgenommen zu werden, weil ein anderer Mitgliedstaat (hier Luxemburg) andere „Rechtsformen“ in seiner Rechtsordnung zulässt. Vielmehr kommt es in einem solchen Fall auf einen Rechtstypenvergleich an. Es ist die Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob im Rahmen des Rechtstypenvergleichs hier rechtsfehlerfrei angenommen wurde, dass ausländische intern verwaltete Investmentfonds „normalen“ Kapitalgesellschaften nach polnischem Recht entsprechen (vgl. bereits Nrn. 50 ff.).

    3.      Zwischenergebnis

    92.      Das von Polen verfolgte Ziel eines wirksamen Anlegerschutzes stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar. Eine Steuerbefreiung nur für extern verwaltete in- und ausländische Investmentfonds ist auch geeignet, die Erreichung dieses Ziels zu gewährleisten, und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels erforderlich und angemessen ist. Sofern man daher von einer Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit ausgehen wollte, wäre diese im Ergebnis jedenfalls gerechtfertigt.

    VI.    Ergebnis

    93.      Ich schlage daher vor, auf die Vorlagefrage des Wojewódzki Sąd Administracyjny w Gliwicach (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Gliwice, Polen) wie folgt zu antworten:

    Art. 63 Abs. 1 AEUV ist dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die eine Befreiung der Einkünfte von Investmentfonds von der Körperschaftsteuer nur für extern, nicht aber intern verwaltete Investmentfonds vorsieht, sofern im In- und Ausland ansässige Investmentfonds nicht unterschiedlich behandelt werden. Eine mittelbare Diskriminierung liegt nicht vor, wenn das nationale Investmentrecht die Errichtung intern verwalteter Investmentfonds nicht zulässt, so dass die Steuerpflicht von Einkünften intern verwalteter Investmentfonds nur im Ausland ansässige intern verwaltete Investmentfonds betrifft, die dann wie alle anderen Körperschaften auch besteuert werden.


    1      Originalsprache: Deutsch.


    2      Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276).


    3      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. 2009, L 302, S. 32).


    4      Vgl. Urteil vom 14. April 2016, Polkomtel (C‑397/14, EU:C:2016:256, Rn. 37).


    5      Explizit zur Kapitalverkehrsfreiheit Urteile vom 16. Dezember 2021, Prefettura di Massa Carrara (C‑274/20, EU:C:2021:1022, Rn. 18), sowie vom 29. Oktober 2015, Nagy (C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 24).


    6      Vgl. Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    7      Beschränkungen und Diskriminierungen werden im Folgenden als verschiedene Formen der Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit verstanden.


    8      Vgl. nur Urteil vom 27. April 2023, L Fund (C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    9      Vgl. nur Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    10      Vgl. bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Google Ireland (C‑482/18, EU:C:2019:728, Nr. 36).


    11      So unlängst im Kontext des Beihilfenrechts Urteil vom 14. Dezember 2023, Kommission/Amazon.com u. a. (C‑457/21 P, EU:C:2023:985, Rn. 39).


    12      Vgl. bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Google Ireland (C‑482/18, EU:C:2019:728, Nr. 37).


    13      Anschaulich hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Hornbach-Baumarkt (C‑382/16, EU:C:2017:974, Nrn. 39 und 40).


    14      Vgl. Urteil vom 9. September 2021, Real Vida Seguros (C‑449/20, EU:C:2021:721, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    15      Vgl. im Ergebnis die Prüfung im Urteil vom 30. April 2020, Société Générale (C‑565/18, EU:C:2020:318, Rn. 27 ff.), sowie Urteil vom 13. März 2014, Bouanich (C‑375/12, EU:C:2014:138, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    16      Vgl. bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache C (C‑122/15, EU:C:2016:65, Nr. 66).


    17      Siehe hierzu bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 47).


    18      Vgl. nur Urteil vom 2. Februar 2023, Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland (C‑372/21, EU:C:2023:59, Rn. 29); konkret zum Steuerrecht auch Urteil vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    19      Urteil vom 25. Januar 2011, Neukirchinger (C‑382/08, EU:C:2011:27, Rn. 37).


    20      Vgl. nur Urteil vom 3. März 2020, Vodafone Magyarország (C‑75/18, EU:C:2020:139, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    21      Siehe dazu bereits meine Schlussanträge in den Rechtssachen Memira Holding (C‑607/17, EU:C:2019:8, Nr. 36), ANGED (C‑233/16, EU:C:2017:852, Nr. 38) und Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 40).


    22      So bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 40).


    23      Vgl. etwa Urteile vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 54), vom 16. Dezember 2021, UBS Real Estate (C‑478/19 und C‑479/19, EU:C:2021:1015, Rn. 40), und vom 30. Januar 2020, Köln-Aktienfonds Deka (C‑156/17, EU:C:2020:51, Rn. 55).


    24      Urteile vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 55), vom 16. Dezember 2021, UBS Real Estate (C‑478/19 und C‑479/19, EU:C:2021:1015, Rn. 40), und vom 30. Januar 2020, Köln-Aktienfonds Deka (C‑156/17, EU:C:2020:51, Rn. 56).


    25      Eben dies war aber bei der von Italien vorgenommenen Differenzierung zwischen offenen und geschlossenen Investmentfonds der Fall, siehe Urteil vom 16. Dezember 2021, UBS Real Estate (C‑478/19 und C‑479/19, EU:C:2021:1015, Rn. 69).


    26      Vgl. etwa Urteile vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 64), und vom 16. Dezember 2021, UBS Real Estate (C‑478/19 und C‑479/19, EU:C:2021:1015, Rn. 69).


    27      Grundlegend im steuerrechtlichen Kontext Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 35).


    28      Vgl. bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Oy AA (C‑231/05, EU:C:2006:551, Nrn. 55 ff.).


    29      Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276).


    30      Dies ergibt sich aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache A (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2021:823, Nr. 90).


    31      In diese Richtung bereits Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Veronsaajien oikeudenvalvontaksikkö (Von OGAW ausgeschüttete Einkünfte) (C‑480/19, EU:C:2020:942, Nr. 52).


    32      Vgl. Urteile vom 3. März 2020, Tesco-Global Áruházak (C‑323/18, EU:C:2020:140, Rn. 74), sowie vom 3. März 2020, Vodafone Magyarország (C‑75/18, EU:C:2020:139, Rn. 54).


    33      Vgl. bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nrn. 41 ff.).


    34      Vgl. Erwägungsgründe 3 und 4 der Richtlinie 2009/65/EG.


    35      Aus dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/61/EU folgt lediglich, dass AIF je nach ihrer Rechtsform die Möglichkeit offenstehen sollte, entweder extern oder intern verwaltet zu werden.


    36      So zuletzt im Beihilfenrecht Urteil vom 14. Dezember 2023, Kommission/Amazon.com u. a. (C‑457/21 P, EU:C:2023:985, Rn. 39).


    37      Urteil vom 14. Dezember 2023, Kommission/Amazon.com u. a. (C‑457/21 P, EU:C:2023:985, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    38      In diesem Sinne vgl. Urteil vom 6. Dezember 2007, Columbus Container Services (C‑298/05, EU:C:2007:754, Rn. 53).


    39      Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    40      Urteile vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 59), vom 30. Januar 2020, Köln-Aktienfonds Deka (C‑156/17, EU:C:2020:51, Rn. 72), und vom 7. November 2013, K (C‑322/11, EU:C:2013:716, Rn. 80).


    41      Vgl. nur Urteil vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (C‑374/04, EU:C:2006:773, Rn. 46).


    42      Siehe hierzu bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 47).


    43      Teilweise prüft der Gerichtshof die Vergleichbarkeit auch erst auf Rechtfertigungsebene, vgl. nur Urteile vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 68 ff.), und vom 30. Juni 2016, Riskin und Timmermans (C‑176/15, EU:C:2016:488, Rn. 28 ff.).


    44      Ständige Rechtsprechung, vgl. nur Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    45      Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276).


    46      Siehe nur Urteil vom 17. März 2022, AllianzGI-Fonds AEVN (C‑545/19, EU:C:2022:193, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    47      Vgl. Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 68).


    48      Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 85) mit Verweis auf die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache A (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2021:823, Nrn. 97 und 99).


    49      Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 85).


    50      Urteile vom 1. August 2022, HOLD Alapkezelő (C‑352/20, EU:C:2022:606, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    51      Vgl. Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds) (C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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