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Document 62017CJ0190

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 31. Mai 2018.
Lu Zheng gegen Ministerio de Economía y Competitividad.
Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia de Madrid.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Überwachung von Barmitteln, die in die Europäische Union oder aus der Europäischen Union verbracht werden – Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 – Geltungsbereich – Art. 63 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Angehöriger eines Drittstaats, der in seinem Gepäck nicht angemeldete Barmittel in bedeutender Höhe befördert – Anmeldeverpflichtung in Verbindung mit der Verbringung dieser Barmittel aus dem spanischen Hoheitsgebiet – Sanktionen – Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache C-190/17.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:357

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

31. Mai 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Überwachung von Barmitteln, die in die Europäische Union oder aus der Europäischen Union verbracht werden – Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 – Geltungsbereich – Art. 63 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Angehöriger eines Drittstaats, der in seinem Gepäck nicht angemeldete Barmittel in bedeutender Höhe befördert – Anmeldeverpflichtung in Verbindung mit der Verbringung dieser Barmittel aus dem spanischen Hoheitsgebiet – Sanktionen – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑190/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Oberster Gerichtshof von Madrid, Spanien) mit Entscheidung vom 5. April 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 12. April 2017, in dem Verfahren

Lu Zheng

gegen

Ministerio de Economía y Competitividad

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter C. G. Fernlund (Berichterstatter), A. Arabadjiev, S. Rodin und E. Regan,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,

der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin und M. Jacobs als Bevollmächtigte,

der griechischen Regierung, vertreten durch K. Boskovits sowie E. Zisi und A. Dimitrakopoulou als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Arenas und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden (ABl. 2005, L 309, S. 9).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Lu Zheng und dem Ministerio de Economía y Competitividad (Ministerium für Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit, Spanien). Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Geldbuße, die ihm wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht, bei der Ausreise aus dem spanischen Hoheitsgebiet bestimmte mit sich geführte Barmittel anzumelden, auferlegt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 2 und 3 der Verordnung Nr. 1889/2005 lauten:

„(2)

Die Einleitung der Erlöse aus rechtswidrigen Handlungen in das Finanzsystem und ihre Investition im Anschluss an eine Geldwäsche schaden der gesunden und nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung. Daher wurde mit der Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche [ABl. 1991, L 166, S. 77] auf Gemeinschaftsebene ein Mechanismus zur Verhinderung von Geldwäsche eingeführt, indem Transaktionen, die von Finanz- und Kreditinstituten sowie bestimmten Berufsgruppen abgewickelt werden, überwacht werden. Da die Gefahr besteht, dass die Anwendung dieses Mechanismus zu einem Anstieg der Bewegungen von Barmitteln für illegale Zwecke führt, sollte die Richtlinie [91/308] durch ein System zur Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden, ergänzt werden.

(3)

Solche Überwachungssysteme werden derzeit nur von einigen Mitgliedstaaten auf der Grundlage des nationalen Rechts angewendet. Die Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften wirken sich negativ auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts aus. Daher sollten die Grundelemente auf Gemeinschaftsebene harmonisiert werden, um ein gleichwertiges Niveau der Überwachung der Bewegungen von Barmitteln über die Grenzen der Gemeinschaft hinweg sicherzustellen. Diese Harmonisierung sollte allerdings die Möglichkeit der Mitgliedstaaten nicht berühren, im Einklang mit den geltenden Bestimmungen des Vertrags nationale Kontrollen der Bewegungen von Barmitteln innerhalb der Gemeinschaft vorzunehmen.“

4

Art. 1 („Ziel“) der Verordnung bestimmt:

„(1)   Diese Verordnung ergänzt die Bestimmungen der Richtlinie [91/308] betreffend Transaktionen, die von Finanz- und Kreditinstituten sowie bestimmten Berufsgruppen abgewickelt werden, indem sie harmonisierte Vorschriften für die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden, durch die zuständigen Behörden festlegt.

(2)   Diese Verordnung berührt nicht die nationalen Maßnahmen zur Überwachung der Bewegungen von Barmitteln innerhalb der Gemeinschaft, sofern diese Maßnahmen im Einklang mit Artikel [65 AEUV] getroffen werden.“

5

Ihr Art. 3 Abs. 1 bestimmt:

„Jede natürliche Person, die in die Gemeinschaft einreist oder aus der Gemeinschaft ausreist und Barmittel in Höhe von 10000 EUR oder mehr mit sich führt, muss diesen Betrag gemäß dieser Verordnung bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, über den sie in die Gemeinschaft einreist oder aus der Gemeinschaft ausreist, anmelden. Die Anmeldepflicht ist nicht erfüllt, wenn die übermittelten Informationen unrichtig oder unvollständig sind.“

6

Art. 9 Abs. 1 der Verordnung lautet:

„Jeder Mitgliedstaat legt Sanktionen fest, die bei Verletzung der Anmeldepflicht nach Artikel 3 verhängt werden. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“

Spanisches Recht

7

Aus den Bestimmungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. v in Verbindung mit Art. 34 der Ley 10/2010 de prevención del blanqueo de capitales y de la financiación del terrorismo (Gesetz 10/2010 zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung) vom 28. April 2010 (BOE Nr. 103 vom 29. April 2010) ergibt sich, dass natürliche Personen, die das nationale Hoheitsgebiet mit Zahlungsmitteln in Höhe von 10000 Euro oder mehr betreten oder es verlassen, verpflichtet sind, eine vorherige Anmeldung vorzunehmen, die genaue Angaben enthält zu der Person, die die Zahlungsmittel mit sich führt, zu deren Eigentümer, zu der Person, für die die Zahlungsmittel bestimmt sind, zu deren Betrag, ihrer Art, ihrer Herkunft, ihrem Verwendungszweck sowie zur Route und zu den Mitteln, mit denen sie befördert werden.

8

Art. 35 Abs. 2 des Gesetzes sieht vor, dass die Unterlassung der Anmeldung, sofern sie vorgeschrieben ist, oder unrichtige Angaben im Rahmen der Anmeldung, sofern diese als besonders relevant anzusehen sind, zur Beschlagnahme der gesamten aufgefundenen Zahlungsmittel durch die zuständigen Zoll- oder Polizeibediensteten führen, mit Ausnahme eines Mindestbetrags zur Sicherung des Überlebens.

9

Nach Art. 52 Abs. 3 Buchst. a des Gesetzes 10/2010 stellt die Verletzung dieser Anmeldepflicht einen schweren Verstoß dar, der nach seinem Art. 57 Abs. 3 mit einer Geldbuße bestraft wird, die mindestens 600 Euro und höchstens das Doppelte der nicht angemeldeten Barmittel betragen kann.

10

Art. 59 Abs. 3 des Gesetzes bestimmt:

„Bei der Bemessung der wegen Verletzung der Anmeldepflicht gemäß Art. 34 anzuwendenden Sanktion werden folgende Umstände erschwerend berücksichtigt:

a)

ein hoher bewegter Betrag; ein solcher liegt jedenfalls vor, wenn er das Doppelte des Betrags erreicht, ab dem die Anmeldepflicht gilt;

b)

der fehlende Nachweis einer rechtmäßigen Herkunft der Zahlungsmittel;

c)

der fehlende Zusammenhang zwischen der von dem Betroffenen ausgeübten Tätigkeit und dem Betrag der Bewegung;

d)

die Tatsache, dass die Zahlungsmittel an einer Stelle oder in einer Situation aufgefunden wurden, die eindeutig die Absicht erkennen lässt, sie zu verstecken;

e)

in den letzten fünf Jahren in einem Verwaltungsverfahren gegen den Betroffenen wegen Verletzung der Anmeldepflicht rechtskräftig verhängte Sanktionen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11

Am 10. August 2014 gab Herr Zheng, chinesischer Staatsbürger, sein Gepäck am Flughafen von Gran Canaria (Spanien) für einen Flug nach Hongkong (China) mit Zwischenlandungen in Madrid (Spanien) und Amsterdam (Niederlande) auf.

12

Anlässlich einer bei der Zwischenlandung am Flughafen von Madrid-Barajas durchgeführten Kontrolle wurde festgestellt, dass sich im Gepäck von Herrn Zheng Barmittel in Höhe von 92900 Euro befanden, die er unter Verstoß gegen die Pflicht gemäß Art. 34 des Gesetzes 10/2010 nicht angemeldet hatte.

13

Diese Barmittel wurden – abzüglich eines Betrags von 1000 Euro als Mindestbetrag gemäß Art. 35 Abs. 2 des Gesetzes – sichergestellt.

14

Am 15. April 2015 verhängte der Secretario General del Tesoro y Política Financiera (Generalsekretär für das Schatzamt und die Finanzpolitik, Spanien), der dem Ministerium für Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit untersteht, eine Geldbuße in Höhe von 91900 Euro gegen Herrn Zheng. Er stellte dabei die folgenden erschwerenden Umstände fest: den hohen Betrag der nicht angemeldeten Barmittel, das Fehlen eines Nachweises für ihre rechtmäßige Herkunft, die Widersprüche in den Erklärungen des Betreffenden zu seiner beruflichen Tätigkeit und die Tatsache, dass sich die Barmittel an einer Stelle befanden, die erkennen ließ, dass sie bewusst versteckt werden sollten.

15

Herr Zheng erhob beim vorlegenden Gericht Klage gegen die Entscheidung, mit der ihm eine Geldbuße auferlegt wurde, und beantragte ihre Nichtigerklärung, die Verhängung einer Mindestgeldbuße oder die Verhängung einer Strafe, die zum begangenen Verstoß im Verhältnis steht. Insofern macht er einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend.

16

Das vorlegende Gericht ist im Wesentlichen der Auffassung, dass Herr Zheng, auch wenn die im Ausgangsverfahren fraglichen Barmittel im Hoheitsgebiet der Europäischen Union verblieben seien, der Anmeldepflicht gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 unterlegen habe, da er vor seiner Ankunft im chinesischen Hoheitsgebiet keinen Zugang mehr zu dem Geld hätte haben können, das sich in seinem am Flughafen von Gran Canaria aufgegebenen Gepäck befunden habe.

17

Mit Blick auf die vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Juli 2015, Chmielewski (C‑255/14, EU:C:2015:475), vorgenommene Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung hat das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich seines Anwendungsbereichs und der Frage, inwieweit bestimmte Gesichtspunkte der nationalen Rechtsvorschriften, mit denen ein Verstoß gegen die Pflicht zur Anmeldung der Bewegungen von Barmitteln geahndet wird, mit dieser Bestimmung vereinbar sind.

18

Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Oberster Gerichtshof von Madrid, Spanien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der es zulässig ist, als Sanktion für eine Verletzung der Anmeldepflicht nach Art. 3 dieser Verordnung eine Geldbuße zu verhängen, die bis zum Doppelten des Werts der verwendeten Zahlungsmittel betragen kann?

2.

Ist Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der als erschwerende Umstände bei einer Verletzung der Anmeldepflicht der fehlende Nachweis einer rechtmäßigen Herkunft der Zahlungsmittel und der fehlende Zusammenhang zwischen der von dem Betroffenen ausgeübten Tätigkeit [und dem Betrag der Bewegung] anzusehen sind?

3.

Falls die beiden vorstehenden Fragen bejaht werden: Ist Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 dahin auszulegen, dass das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit bei der Verhängung einer wirtschaftlichen Sanktion erfüllt ist, die unabhängig von dem Betrag der Bewegung bis zu 25 % der nicht angemeldeten Barmittel beträgt?

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit der ersten Frage

19

Die spanische Regierung hält die erste Vorlagefrage für unzulässig, da die im Ausgangsverfahren fragliche Höhe der Geldbuße geringer als die Höhe der nicht angemeldeten Barmittel und somit von ihrem Doppelten weit entfernt sei. Die Beantwortung dieser Frage sei daher für die Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit nicht erforderlich.

20

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass eines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung betreffen (Urteil vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a., C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 24).

21

Folglich gilt für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit. Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts zu befinden, wenn die erbetene Auslegung oder Beurteilung der Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a., C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 25).

22

Vorliegend bestreitet die spanische Regierung nicht, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften die Verhängung einer Geldbuße gestatten, die bis zum Doppelten der nicht angemeldeten Zahlungsmittel betragen kann. Wie nämlich aus Rn. 9 des vorliegenden Urteils hervorgeht, bestimmt Art. 57 Abs. 3 des Gesetzes 10/2010, dass jeder Verstoß gegen die Anmeldepflicht – wie der im Ausgangsverfahren fragliche – mit einer Geldbuße bestraft wird, die mindestens 600 Euro und höchstens das Doppelte der nicht angemeldeten Barmittel betragen kann.

23

Zwar trifft es zu, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Geldbuße nicht den in dieser Rechtsvorschrift erlaubten Höchstbetrag erreicht, allerdings wurde die Höhe der Geldbuße in Anwendung der Rechtsvorschrift unter Berücksichtigung des in ihr vorgesehenen Höchstbetrags festgelegt.

24

Somit ist es nicht offensichtlich, dass die erste Vorlagefrage hypothetischer Natur wäre oder in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stünde.

25

Demnach ist die Vorlegefrage für zulässig zu erklären.

Zur ersten und zur zweiten Frage

Vorbemerkungen

26

Die erste und die zweite Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, betreffen die Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 und genauer die Fragestellung, ob dieser Bestimmung eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren fragliche entgegensteht, nach der ein Verstoß gegen die Verpflichtung, hohe Beträge von Barmitteln anzumelden, die in diesen Mitgliedstaat oder aus diesem Mitgliedstaat verbracht werden, mit einer Geldbuße geahndet wird, die unter Berücksichtigung bestimmter erschwerender Umstände berechnet wird und bis zum Doppelten der nicht angemeldeten Barmittel betragen kann.

27

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Außerdem kann der Gerichtshof veranlasst sein, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seinen Fragen nicht angeführt hat (Urteil vom 13. Oktober 2016, M. und S., C‑303/15, EU:C:2016:771, Rn. 16 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Insoweit geht das vorlegende Gericht davon aus, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Bewegung von Barmitteln als Verbringung aus der Union anzusehen sei, da Herr Zheng vor seiner Ankunft in China keinen Zugang zu dem Geld hätte haben können, das sich in seinem am Flughafen von Gran Canaria aufgegebenen Gepäck befunden habe.

29

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 genannte Anmeldepflicht nur für natürliche Personen gilt, die in die Union einreisen oder aus der Union ausreisen und Barmittel in Höhe von 10000 Euro oder mehr mit sich führen. Des Weiteren ergibt sich aus dieser Vorschrift, dass die nach der Verordnung vorgeschriebene Anmeldung durch die betreffende natürliche Person bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats erfolgen muss, über den sie in die Union einreist oder aus der Union ausreist.

30

Zwar wird der Begriff „natürliche Person, die in die [Union] einreist oder aus der [Union] ausreist“ in der Verordnung nicht definiert. Der Gerichtshof hat allerdings bereits festgestellt, dass er unzweideutig ist und in seinem üblichen Sinn verstanden werden muss, nämlich dass eine natürliche Person sich von einem Ort, der nicht zum Unionsgebiet gehört, zu einem Ort, der zum Unionsgebiet gehört, fortbewegt oder umgekehrt (Urteil vom 4. Mai 2017, El Dakkak und Intercontinental, C‑17/16, EU:C:2017:341, Rn. 19 bis 21).

31

Daraus folgt, dass Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 dahin auszulegen ist, dass jede natürliche Person, die – wie Herr Zheng – körperlich aus der Union ausreist und Barmittel in Höhe von 10000 Euro oder mehr mit sich führt, diese bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, über den sie körperlich aus der Union ausreist, anmelden muss.

32

Vorliegend war Herr Zheng, da aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass er über den Flughafen Amsterdam aus dem Hoheitsgebiet der Union ausreisen sollte, nach der Verordnung verpflichtet, die im Ausgangsverfahren fraglichen Barmittel nicht bei den spanischen, sondern bei den zuständigen niederländischen Behörden anzumelden.

33

Jedoch ist zu beachten, dass die Verordnung Nr. 1889/2005 einer Regelung eines Mitgliedstaats grundsätzlich nicht entgegensteht, nach der andere als die in der Verordnung vorgesehenen Anmeldepflichten gelten.

34

Aus dem dritten Erwägungsgrund und aus Art. 1 Abs. 2 der Verordnung ergibt sich nämlich, dass diese nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten berührt, im Einklang mit den Bestimmungen des AEU-Vertrags, insbesondere mit seinem Art. 65, nationale Kontrollen der Bewegungen von Barmitteln innerhalb der Union vorzunehmen.

35

Somit sind die erste und die zweite Vorlagefrage dahin gehend zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Art. 63 und 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der ein Verstoß gegen die Verpflichtung, hohe Beträge von Barmitteln anzumelden, die in diesen Mitgliedstaat oder aus diesem Mitgliedstaat verbracht werden, mit einer Geldbuße geahndet wird, die unter Berücksichtigung bestimmter erschwerender Umstände berechnet wird und bis zum Doppelten der nicht angemeldeten Barmittel betragen kann.

Zum freien Kapitalverkehr

36

Art. 65 Abs. 1 Buchst. b AEUV bestimmt, dass Art. 63 AEUV, der nach ständiger Rechtsprechung ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verbietet (Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 61 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), nicht das Recht der Mitgliedstaaten berührt, insbesondere Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen oder Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind.

37

In dieser Hinsicht können nationale Regelungen, die den freien Kapitalverkehr beschränken, aus den in Art. 65 AEUV genannten Gründen gerechtfertigt sein, sofern sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, was erfordert, dass sie zur Erreichung des legitimerweise verfolgten Ziels geeignet sind und nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 76 und 77 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Insoweit ist festzustellen, dass der Gerichtshof bereits anerkannt hat, dass die Bekämpfung der Geldwäsche, die Teil des Ziels des Schutzes der öffentlichen Ordnung ist, ein legitimes Ziel darstellt, das eine Beschränkung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten rechtfertigen kann (Urteil vom 25. April 2013, Jyske Bank Gibraltar, C‑212/11, EU:C:2013:270, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Im Übrigen ergibt sich, was konkret die im Ausgangsverfahren fragliche Anmeldepflicht angeht, aus der ständigen Rechtsprechung, dass der freie Kapitalverkehr, wie er von den Verträgen geschaffen wurde, dem nicht entgegensteht, dass die Ausfuhr von Banknoten von einer vorherigen Anmeldung abhängig gemacht wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Februar 1995, Bordessa u. a., C‑358/93 und C‑416/93, EU:C:1995:54, Rn. 31, sowie vom 14. Dezember 1995, Sanz de Lera u. a., C‑163/94, C‑165/94 und C‑250/94, EU:C:1995:451, Rn. 10).

40

Jedoch ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht nur in Bezug auf die Festlegung der Tatbestandsmerkmale eines Verstoßes zu beachten, sondern auch in Bezug auf die Festlegung der Regeln über die Höhe der Geldbußen und die Würdigung der Gesichtspunkte, die in ihre Festsetzung einfließen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Februar 2012, Urbán, C‑210/10, EU:C:2012:64, Rn. 53 und 54).

41

Insbesondere dürfen die administrativen oder repressiven Maßnahmen, die nach den nationalen Rechtsvorschriften gestattet sind, nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit diesen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgten Ziele erforderlich ist (vgl. sinngemäß Urteil vom 16. Juli 2015, Chmielewski, C‑255/14, EU:C:2015:475, Rn. 22).

42

In diesem Zusammenhang muss die Härte der Sanktionen der Schwere der mit ihnen geahndeten Verstöße entsprechen (vgl. sinngemäß Urteil vom 16. Juli 2015, Chmielewski, C‑255/14, EU:C:2015:475, Rn. 23).

43

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass, auch wenn die Mitgliedstaaten nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 über einen Wertungsspielraum bei der Entscheidung darüber verfügen, welche Sanktionen sie einführen, um die Einhaltung der Anmeldepflicht nach Art. 3 der Verordnung sicherzustellen, eine Geldbuße für den Fall eines Verstoßes gegen diese Pflicht in Höhe von 60 % der nicht angemeldeten Barmittel, wenn deren Betrag 50000 Euro übersteigt, angesichts der Art des betreffenden Verstoßes nicht verhältnismäßig ist. Eine solche Geldbuße überschreitet nämlich die Grenzen dessen, was erforderlich ist, um die Beachtung dieser Pflicht zu gewährleisten und die Erreichung der mit der Verordnung verfolgten Ziele sicherzustellen, da mit der in deren Art. 9 vorgesehenen Sanktion nicht mögliche betrügerische oder widerrechtliche Handlungen geahndet werden sollen, sondern allein eine Verletzung eben dieser Anmeldepflicht (Urteil vom 16. Juli 2015, Chmielewski, C‑255/14, EU:C:2015:475, Rn. 29 bis 31).

44

Vorliegend ist jedoch festzustellen, dass mit Art. 57 Abs. 3 des Gesetzes 10/2010 ebenso wie mit Art. 9 der Verordnung Nr. 1889/2005 nicht mögliche betrügerische oder widerrechtliche Handlungen geahndet werden sollen, sondern eine Verletzung der Anmeldepflicht.

45

Darüber hinaus geht die Tatsache, dass der Höchstbetrag der Geldbuße, selbst wenn sie unter Berücksichtigung bestimmter erschwerender Umstände vorbehaltlich der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit berechnet wird, das Doppelte der nicht angemeldeten Barmittel erreichen kann und sie jedenfalls wie im vorliegenden Fall auch in einer Höhe festgesetzt werden kann, die fast 100 % des Werts entspricht, über das hinaus, was erforderlich ist, um die Einhaltung einer Anmeldepflicht sicherzustellen.

46

Aufgrund sämtlicher vorstehenden Erwägungen ist auf die erste und auf die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 63 und 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der ein Verstoß gegen die Verpflichtung, hohe Beträge von Barmitteln anzumelden, die in diesen Mitgliedstaat oder aus diesem Mitgliedstaat verbracht werden, mit einer Geldbuße geahndet wird, die bis zum Doppelten der nicht angemeldeten Barmittel betragen kann.

Zur dritten Frage

47

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das im Ausgangsverfahren entscheidungserhebliche Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass die Auferlegung einer Geldbuße, die unabhängig von dem bewegten Barmittelbetrag bis zu 25 % der nicht angemeldeten Barmittel beträgt, dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügt.

48

Insoweit ist, auch wenn für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit gilt, worauf in den Rn. 20 und 21 des vorliegenden Urteils hingewiesen wurde, nach ständiger Rechtsprechung eine dem nationalen Gericht dienliche Auslegung des Unionsrechts nur möglich, wenn dieses die Sach- und Rechtslage, in der sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen, auf denen diese Fragen beruhen, erläutert. Außerdem muss die Vorlageentscheidung die genauen Gründe angeben, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Unionsrechts fraglich und die Vorlage einer Vorabentscheidungsfrage an den Gerichtshof erforderlich erscheint (Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games u. a., C‑685/15, EU:C:2017:452, Rn. 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Vorliegend geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die wirtschaftliche Sanktion, auf die sich das vorlegende Gericht in seiner dritten Vorlagefrage bezieht, nicht der entspricht, die dem Kläger im Ausgangsverfahren auferlegt wurde, und dass sie im Übrigen nach der Sachlage in der spanischen Rechtsordnung nicht zu existieren scheint. Jedenfalls gibt es in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass es eine solche Sanktion gibt.

50

Somit ist die Frage für unzulässig zu erklären, da die dem Gerichtshof im Rahmen von Art. 267 AEUV übertragene Aufgabe darin besteht, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson, C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Kosten

51

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der ein Verstoß gegen die Verpflichtung, hohe Beträge von Barmitteln anzumelden, die in diesen Mitgliedstaat oder aus diesem Mitgliedstaat verbracht werden, mit einer Geldbuße geahndet wird, die bis zum Doppelten der nicht angemeldeten Barmittel betragen kann.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

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