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Document 62015CJ0175

Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 17. März 2016.
Taser International Inc. gegen SC Gate 4 Business SRL und Cristian Mircea Anastasiu.
Vorabentscheidungsersuchen der Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Verträge, nach denen ein rumänisches Unternehmen verpflichtet ist, Marken an ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat abzutreten – Weigerung – Gerichtsstandsklausel zugunsten des Drittstaats – Widerspruchslose Einlassung des Beklagten auf das Verfahren vor den rumänischen Gerichten – Maßgebende Zuständigkeitsvorschriften.
Rechtssache C-175/15.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:176

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

17. März 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts — Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen — Verordnung (EG) Nr. 44/2001 — Verträge, nach denen ein rumänisches Unternehmen verpflichtet ist, Marken an ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat abzutreten — Weigerung — Gerichtsstandsklausel zugunsten des Drittstaats — Widerspruchslose Einlassung des Beklagten auf das Verfahren vor den rumänischen Gerichten — Maßgebende Zuständigkeitsvorschriften“

In der Rechtssache C‑175/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) mit Entscheidung vom 5. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 20. April 2015, in dem Verfahren

Taser International Inc.

gegen

SC Gate 4 Business SRL,

Cristian Mircea Anastasiu

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Taser International Inc., vertreten durch S. Olaru, C. Radbâță und E. Bondalici, avocați,

der rumänischen Regierung, vertreten durch R. H. Radu und D. M. Bulancea als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. García‑Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Gheorghiu und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Nr. 4, Art. 23 Abs. 5 und Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Taser International Inc. (im Folgenden: Taser International), einer Gesellschaft mit Sitz in den USA, einerseits und der SC Gate 4 Business SRL (im Folgenden: Gate 4), einer Gesellschaft mit Sitz in Rumänien, und Herrn Cristian Mircea Anastasiu, ihrem Geschäftsführer, andererseits über die Erfüllung der dieser rumänischen Gesellschaft obliegenden vertraglichen Verpflichtung zur Abtretung von Marken an Taser International.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.“

4

Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

5

Art. 22 („Ausschließliche Zuständigkeit“) der Verordnung sieht vor:

„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:

4.

für Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterlegung oder Registrierung bedürfen, zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines Gemeinschaftsrechtsakts oder eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt.

…“

6

In Art. 23 der Verordnung heißt es:

„(1)   Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. …

(5)   Gerichtsstandsvereinbarungen und entsprechende Bestimmungen in trust-Bedingungen haben keine rechtliche Wirkung, wenn sie den Vorschriften der Artikel 13, 17 und 21 zuwiderlaufen oder wenn die Gerichte, deren Zuständigkeit abbedungen wird, aufgrund des Artikels 22 ausschließlich zuständig sind.“

7

Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Artikels 22 ausschließlich zuständig ist.“

Rumänisches Recht

8

Das Gesetz Nr. 84/1998 über Marken und geografische Angaben (Legea nr. 84/1998 privind mărcile și indicațiile geografice) sieht in Art. 41 Abs. 1 vor:

„Rechte an einer Marke können unabhängig von der Übertragung des Geschäftswerts, in dem sie enthalten ist, durch Abtretung übertragen werden. Die Abtretung muss schriftlich erfolgen und ist von den Vertragsparteien zu unterzeichnen; andernfalls ist sie nichtig. …“

9

Art. 42 dieses Gesetzes lautet:

„(1)   Dem Antrag auf Eintragung der Abtretung ist der Nachweis über den Wechsel des Inhabers der Marke beizufügen.

(2)   Das Oficiu de Stat pentru Invenţii şi Mărci [Staatliches Patent- und Markenamt, im Folgenden: OSIM] verweigert die Eintragung der Übertragung durch Abtretung, wenn offensichtlich ist, dass dadurch die Öffentlichkeit hinsichtlich der Art, der Qualität oder der geografischen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke registriert wurde, irregeführt wird, es sei denn, der Begünstigte der Übertragung willigt ein, die Übertragung der Marke auf die Waren oder Dienstleistungen zu beschränken, bezüglich deren die Marke nicht irreführend ist.

(3)   Auf Antrag des Betroffenen und gegen Zahlung der gesetzlich vorgesehenen Gebühr trägt das OSIM die Abtretung im Markenregister ein und veröffentlicht sie im Buletin Oficial de Proprietate Industrială (Amtsblatt für gewerbliches Eigentum). Die Abtretung kann Dritten ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung entgegengehalten werden.“

10

Das Gesetz Nr. 105/1992 zur Regelung internationaler Privatrechtsverhältnisse (Legea nr. 105/1992 cu privire la reglementarea raporturilor de drept internațional privat) bestimmt in Art. 154:

„Haben die Parteien vereinbart, dass ein bestimmtes Gericht über die zwischen ihnen entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus dem von ihnen geschlossenen Rechtsakt entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden soll, ist dieses Gericht zuständig, es sei denn,

1.

es handelt sich um ein ausländisches Gericht und der Rechtsstreit fällt in die ausschließliche Zuständigkeit eines rumänischen Gerichts;

2.

es handelt sich um ein rumänisches Gericht und eine der Parteien wendet die ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts ein.“

11

Art. 157 dieses Gesetzes sieht vor:

„Das angerufene Gericht prüft von Amts wegen, ob es für die Entscheidung des Verfahrens über internationale Privatrechtsverhältnisse zuständig ist und weist, wenn es feststellt, dass weder es selbst noch ein anderes rumänisches Gericht zuständig ist, den Antrag als nicht in die Zuständigkeit der rumänischen Gerichte fallend zurück.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12

Taser International, die ihren Sitz in den USA hat, schloss am 4. April und 12. September 2008 zwei Verträge mit Gate 4 über den nicht ausschließlichen Vertrieb. Nach diesen Verträgen sind Gate 4 und ihr Geschäftsführer, Herr Anastasiu, verpflichtet, die Marken Taser International, die sie in Rumänien haben registrieren lassen oder deren Registrierung in Rumänien sie beantragt haben, an ihren Vertragspartner abzutreten.

13

Als sich Gate 4 und Herr Anastasiu weigerten, dieser vertraglichen Verpflichtung nachzukommen, rief Taser International das Tribunal Bucureşti (Landgericht Bukarest) an. Obwohl die Verträge Gerichtstandsklauseln zugunsten eines Gerichts in den USA enthielten, ließen sich Gate 4 und Herr Anastasiu auf das Verfahren vor diesem rumänischen Gericht ein, ohne den Mangel seiner Zuständigkeit geltend zu machen. Mit Urteil vom 31. Mai 2011 wurden sie vom Tribunal Bucureşti (Landgericht Bukarest) verpflichtet, die für die Registrierung der Abtretung erforderlichen Formalitäten zu erledigen.

14

Nach der Bestätigung dieses Urteils durch die Curte de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest) legten Gate 4 und Herr Anastasiu Rekurs bei der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) ein. Obwohl die Zuständigkeit der rumänischen Gerichte für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits von den Parteien nie in Frage gestellt worden ist, hält sich das vorlegende Gericht für verpflichtet, über diese Frage von Amts wegen zu entscheiden.

15

In diesem Kontext fragt sich das vorlegende Gericht, ob die Verordnung Nr. 44/2001 auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit anwendbar ist, obwohl die Parteien für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zwischen ihnen die Zuständigkeit der Gerichte eines im Verhältnis zur Europäischen Union dritten Staates und nicht, wie in Art. 23 Abs. 1 der Verordnung vorgesehen, der Gerichte eines Mitgliedstaats vereinbart haben. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts könnte eine solche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Drittstaats allein aufgrund dieses Umstands der stillschweigenden Vereinbarung der Zuständigkeit nach Art. 24 der Verordnung entgegenstehen.

16

Für den Fall der Anwendbarkeit von Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich dann aus einem anderen Grund für unzuständig erklären müsste.

17

Zudem sei die Anwendbarkeit von Art. 22 der Verordnung Nr. 44/2001 zu prüfen, um feststellen zu können, ob ein Rechtsstreit über eine Verpflichtung zur Abtretung einer Marke, der zu einer Eintragung nach nationalem Recht führen könne, unter Art. 22 Nr. 4 der Verordnung falle.

18

Unter diesen Umständen hat die Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass unter den Ausdruck „[s]ofern … nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig“ auch solche Situationen fallen, in denen die Parteien eines Vertrags über die Abtretung der Rechte an einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union registrierten Marke eindeutig und unstreitig vereinbart haben, die Zuständigkeit für die Entscheidung jedes Rechtsstreits über die Erfüllung vertraglicher Pflichten auf die Gerichte eines Staates zu übertragen, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist und in dem der Kläger seinen Wohnsitz (Sitz) hat, wenn der Kläger ein Gericht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union angerufen hat, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz (Sitz) hat?

2.

Falls die erste Frage bejaht wird:

a)

Ist Art. 23 Abs. 5 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er sich nicht auf eine Gerichtsstandsvereinbarung bezieht, mit der ein Staat bestimmt wird, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist, so dass das nach Art. 2 der Verordnung angerufene Gericht die Zuständigkeit für die Entscheidung nach den Vorschriften des Internationalen Privatrechts seines nationalen Rechts zu bestimmen hat?

b)

Kann ein Rechtsstreit, der die Erfüllung – auf gerichtlichem Weg – der durch einen zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits geschlossenen Vertrag übernommenen Pflicht zur Abtretung der Rechte an einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union registrierten Marke zum Gegenstand hat, als auf ein Recht bezogen angesehen werden, das „einer Hinterlegung oder Registrierung bedarf“ im Sinne von Art. 22 Nr. 4 der Verordnung, unter Berücksichtigung des Umstands, dass nach dem Recht des Staates, in dem die Marke registriert wurde, die Abtretung der Rechte an einer Marke der Eintragung im Markenregister und der Veröffentlichung im Buletin Oficial de Proprietate Industrială bedarf?

3.

Falls die erste Frage verneint wird: Steht Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 dem entgegen, dass das nach Art. 2 der Verordnung angerufene Gericht in einer Situation wie der in der ersten Frage geschilderten feststellt, dass es für die Entscheidung der Rechtssache unzuständig ist, obwohl der Beklagte sich auf das Verfahren vor diesem – auch letztinstanzlichen – Gericht eingelassen hat, ohne den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen?

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen 1 und 2 Buchst. a

19

Mit den Fragen 1 und 2 Buchst. a möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 23 Abs. 5 und Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen sind, dass sich im Rahmen eines Rechtsstreits über die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung, mit dem der Kläger die Gerichte des Mitgliedstaats befasst hat, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, die Zuständigkeit dieser Gerichte aus Art. 24 der Verordnung ergeben kann, wenn der Beklagte nicht den Mangel der Zuständigkeit geltend macht, obwohl der zwischen diesen beiden Parteien geschlossene Vertrag eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält.

20

Es ist daran zu erinnern, dass die Verordnung Nr. 44/2001 auf einen Rechtsstreit zwischen einem Beklagten, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, und einem Kläger eines Drittstaats anwendbar ist (vgl. entsprechend Urteil Owusu, C‑281/02, EU:C:2005:120, Rn. 27).

21

Ferner sieht Art. 24 Satz 1 der Verordnung Nr. 44/2001 für alle Streitigkeiten, bei denen sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht aus anderen Vorschriften dieser Verordnung ergibt, eine auf der Einlassung des Beklagten beruhende Zuständigkeitsregel vor. Diese Bestimmung findet auch in Fällen Anwendung, in denen das Gericht unter Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung angerufen worden ist, und beinhaltet, dass die Einlassung des Beklagten als stillschweigende Anerkennung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und somit als Vereinbarung der Zuständigkeit dieses Gerichts betrachtet werden kann (Urteil Cartier parfums-lunettes und Axa Corporate Solutions assurances, C‑1/13, EU:C:2014:109, Rn. 34).

22

Art. 24 Satz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 regelt Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel. Danach liegt keine stillschweigende Vereinbarung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vor, wenn der Beklagte eine Einrede der Unzuständigkeit erhebt und auf diese Weise seinen Willen zum Ausdruck bringt, die Zuständigkeit dieses Gerichts nicht anzuerkennen, oder wenn es sich um Rechtsstreitigkeiten handelt, für die nach Art. 22 der Verordnung eine ausschließliche Zuständigkeit besteht (Urteil Cartier parfums-lunettes und Axa Corporate Solutions assurances, C‑1/13, EU:C:2014:109, Rn. 35).

23

Somit gilt außer in den Fällen, die ausdrücklich unter den Ausnahmen des Art. 24 Satz 2 genannt sind, die allgemeine Regel über die stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung. Da die im Sinne von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 durch eine Gerichtsstandsklausel vereinbarte Zuständigkeit nicht zu diesen Ausnahmen gehört, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es keinen aus dem allgemeinen Aufbau oder den Zielen des Übereinkommens abzuleitenden Grund für die Annahme gibt, dass es den Parteien verwehrt wäre, eine Streitigkeit einem anderen als dem vereinbarten Gericht zu unterbreiten (vgl. in diesem Sinne Urteil ČPP Vienna Insurance Group, C‑111/09, EU:C:2010:290, Rn. 25).

24

Diese Überlegung trifft sowohl auf Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten von Gerichten eines Mitgliedstaats als auch auf solche zugunsten von Gerichten eines Drittstaats zu, weil die stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 24 Satz 1 der Verordnung Nr. 44/2001 auf eine bewusste Entscheidung der Parteien des Rechtsstreits über diese Zuständigkeit gegründet ist (vgl. Urteil A, C‑112/13, EU:C:2014:2195, Rn. 54). Daher ist, wie aus der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Frage nach der Anwendbarkeit von Art. 23 dieser Verordnung unerheblich.

25

Nach alledem ist auf die Fragen 1 und 2 Buchst. a zu antworten, dass Art. 23 Abs. 5 und Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen sind, dass sich im Rahmen eines Rechtsstreits über die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung, mit dem der Kläger die Gerichte des Mitgliedstaats befasst hat, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, die Zuständigkeit dieser Gerichte aus Art. 24 der Verordnung ergeben kann, wenn der Beklagte nicht den Mangel der Zuständigkeit geltend macht, obwohl der zwischen diesen beiden Parteien geschlossene Vertrag eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält.

Zu Frage 2 Buchst. b

26

Mit Frage 2 Buchst. b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 22 Nr. 4 und Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen sind, dass ein Rechtsstreit, der – wie im Ausgangsverfahren – die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung zur Abtretung von Marken betrifft, in den Anwendungsbereich dieses Art. 22 Nr. 4 und somit der Ausnahmen von der allgemeinen Regel der stillschweigenden Vereinbarung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art. 24 Satz 2 der Verordnung fällt.

27

Nach Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 sind für Klagen, die die Eintragung oder die Gültigkeit von Marken zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats ausschließlich zuständig, in dem die Hinterlegung oder die Registrierung der Marke beantragt wurde. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Ausgangsverfahren hätte somit die ausschließliche Zuständigkeit der rumänischen Gerichte zur Folge.

28

Unter den Umständen des Ausgangsverfahrens ist jedoch nicht zu prüfen, ob ein Antrag auf Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung zur Abtretung der Marken tatsächlich unter Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 fällt, da die rumänischen Gerichte auf jeden Fall für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig sind. Sollte Art. 22 Nr. 4 der Verordnung auf den Rechtsstreit anwendbar sein, wären die Gerichte, deren Zuständigkeit sich aus dieser Vorschrift ergäbe, dieselben wie die, deren Zuständigkeit sich nach Art. 24 Satz 1 der Verordnung bestimmen würde, da sich der Beklagte des Ausgangsverfahrens auf das Verfahren vor den rumänischen Gerichten eingelassen hat, ohne den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen.

29

Nach alledem ist Frage 2 Buchst. b nicht zu beantworten.

Zu Frage 3

30

Mit Frage 3 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er es im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Parteien eines Vertrags, der eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält, dem angerufenen Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, verwehrt, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, obwohl der Mangel der Zuständigkeit vom Beklagten nicht geltend gemacht wird.

31

Wie aus der Antwort auf die erste und die zweite Vorlagefrage hervorgeht, steht eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats der Anwendbarkeit von Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht entgegen.

32

Ferner ergibt sich aus den Erwägungsgründen 2 und 11 der Verordnung Nr. 44/2001, dass mit ihr die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen durch in hohem Maß vorhersehbare Zuständigkeitsvorschriften vereinheitlicht werden sollen. Die Verordnung Nr. 44/2001 verfolgt damit einen der Rechtssicherheit dienenden Zweck, der darin besteht, den Rechtsschutz der in der Union ansässigen Personen in der Weise zu verbessern, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und ein Beklagter bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen kann, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (Urteil Falco Privatstiftung und Rabitsch, C‑533/07, EU:C:2009:257, Rn. 21 und 22).

33

Daher hat der Gerichtshof entschieden, dass sich das angerufene Gericht, soweit die ausschließlichen Zuständigkeitsregeln des Art. 22 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht anwendbar sind, für zuständig erklären muss, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt und keine Einrede der Unzuständigkeit erhebt, da eine solche Einlassung eine stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung im Sinne von Art. 24 der Verordnung darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil ČPP Vienna Insurance Group, C‑111/09, EU:C:2010:290, Rn. 26 und 33).

34

Etwas anderes gälte im Übrigen auch dann nicht, wenn sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus Art. 22 der Verordnung Nr. 44/2001 ergäbe.

35

Unter Berücksichtigung der Stellung, die diese Bestimmung in der Systematik der Verordnung einnimmt, und des verfolgten Zwecks haben die in dieser Bestimmung vorgesehenen Zuständigkeitsregeln nämlich ausschließlichen und zwingenden Charakter, der spezifisch sowohl für den Einzelnen als auch für die Gerichte gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil Solvay, C‑616/10, EU:C:2012:445, Rn. 44).

36

Im Licht dieser Erwägungen ist auf Frage 3 zu antworten, dass Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er es im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Parteien eines Vertrags, der eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält, dem angerufenen Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, verwehrt, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, obwohl der Mangel der Zuständigkeit vom Beklagten nicht geltend gemacht wird.

Kosten

37

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 23 Abs. 5 und Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen sind dahin auszulegen, dass sich im Rahmen eines Rechtsstreits über die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung, mit dem der Kläger die Gerichte des Mitgliedstaats befasst hat, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, die Zuständigkeit dieser Gerichte aus Art. 24 der Verordnung ergeben kann, wenn der Beklagte nicht den Mangel der Zuständigkeit geltend macht, obwohl der zwischen den beiden Parteien geschlossene Vertrag eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält.

 

2.

Art. 24 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass er es im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Parteien eines Vertrags, der eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält, dem angerufenen Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, verwehrt, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, obwohl der Mangel der Zuständigkeit vom Beklagten nicht geltend gemacht wird.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.

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