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Document 62005TJ0446
Judgment of the General Court (Fifth Chamber) of 28 April 2010.#Amann & Söhne GmbH & Co. KG and Cousin Filterie SAS v European Commission.#Competition – Agreements, decisions and concerted practices – European market in industrial thread – Decision finding an infringement of Article 81 EC and Article 53 of the EEA Agreement – Concept of a single infringement – Definition of the market – Fines – Upper limit for the fine – Gravity and duration of the infringement – Mitigating circumstances – Cooperation – Proportionality – Equal treatment – Rights of the defence – Guidelines on the method of setting fines.#Case T-446/05.
Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 28. April 2010.
Amann & Söhne GmbH & Co. KG und Cousin Filterie SAS gegen Europäische Kommission.
Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Industriegarne – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR‑Abkommens festgestellt wird – Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung – Bestimmung des Marktes – Geldbußen – Obergrenze der Geldbuße – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Zusammenarbeit – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung – Verteidigungsrechte – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen.
Rechtssache T-446/05.
Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 28. April 2010.
Amann & Söhne GmbH & Co. KG und Cousin Filterie SAS gegen Europäische Kommission.
Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Industriegarne – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR‑Abkommens festgestellt wird – Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung – Bestimmung des Marktes – Geldbußen – Obergrenze der Geldbuße – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Zusammenarbeit – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung – Verteidigungsrechte – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen.
Rechtssache T-446/05.
Sammlung der Rechtsprechung 2010 II-01255
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2010:165
Rechtssache T‑446/05
Amann & Söhne GmbH & Co. KG und
Cousin Filterie SAS
gegen
Europäische Kommission
„Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Industriegarne – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR‑Abkommens festgestellt wird – Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung – Bestimmung des Marktes – Geldbußen – Obergrenze der Geldbuße – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Zusammenarbeit – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung – Verteidigungsrechte – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen“
Leitsätze des Urteils
1. Wettbewerb – Kartelle – Verbot – Zuwiderhandlungen – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die als einheitliche Zuwiderhandlung eingestuft werden können – Begriff
(Art. 81 Abs. 1 EG; Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2)
2. Nichtigkeitsklage – Entscheidung der Kommission nach Art. 81 EG oder Art. 82 EG – Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen
(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2)
3. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Befugnis des Gemeinschaftsrichters zu unbeschränkter Nachprüfung
(Art. 81 EG, 82 EG, 229 EG und 253 EG; Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2 und 3 und Art. 31)
4. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessen der Kommission nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 – Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen – Fehlen
(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2)
5. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mehrzahl von Zuwiderhandlungen
(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 15 Abs. 2)
6. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 15 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)
7. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Messung der tatsächlichen Fähigkeit, auf dem betroffenen Markt eine Schädigung herbeizuführen
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 15 Abs. 2)
8. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Einteilung der betroffenen Unternehmen in Gruppen mit einem für die jeweilige Gruppe gleichen Ausgangsbetrag
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 15 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)
9. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Notwendigkeit, den Umsatz der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass die Geldbußen in angemessenem Verhältnis zu ihm stehen – Fehlen
(Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 3; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)
10. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Einteilung der betroffenen Unternehmen in Gruppen mit einem für die jeweilige Gruppe gleichen Ausgangsbetrag
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 15 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 A, Abs. 6)
11. Wettbewerb – Geldbußen – Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden – Begründungspflicht – Umfang
(Art. 253 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 15 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)
12. Wettbewerb – Kartelle – Teilnahme an Unternehmenszusammenkünften mit wettbewerbswidrigem Zweck – Umstand, der bei fehlender Distanzierung von den getroffenen Beschlüssen auf die Beteiligung an der daraus resultierenden Absprache schließen lässt
(Art. 81 Abs. 1 EG)
13. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Dauer der Zuwiderhandlung – Zuwiderhandlungen von mittlerer und langer Dauer – Erhöhung des Ausgangsbetrags um 10 % pro Jahr
(Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 3; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 B)
14. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände
(Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 3 dritter Gedankenstrich)
15. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Bei der Berechnung der Geldbuße zu berücksichtigender Umsatz
(Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 A)
16. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Berücksichtigung der Wirkungen der Zuwiderhandlung
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 15)
17. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Zulässige Beweismittel
(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 1)
18. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Auskunftsverlangen – Verteidigungsrechte
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 11 Abs. 5)
19. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Zusammenarbeit des Unternehmens im Verwaltungsverfahren
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 11 Abs. 4 und 5)
1. Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung erfasst eine Situation, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung, die aus einem fortgesetzten Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder aber an einzelnen Zuwiderhandlungen beteiligt waren, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren. Ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG kann sich nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder aus einem fortgesetzten Verhalten ergeben. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen. Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung kann sich außerdem auf die rechtliche Einstufung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens beziehen, das aus Vereinbarungen, aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen besteht.
Der Begriff des einzigen Ziels kann nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 81 Abs. 1 EG erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des einzigen Ziels könnte dem Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise seinen Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einzigen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten. Es ist somit bei der Einstufung unterschiedlicher Vorgänge als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu prüfen, ob zwischen ihnen insofern ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf ein einziges Ziel gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die diese Verbindung nachweisen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt und im Zusammenhang damit das Ziel der verschiedenen fraglichen Handlungen. Die Kommission kann somit aus objektiven Gründen getrennte Verfahren einleiten, mehrere getrennte Zuwiderhandlungen feststellen und mehrere getrennte Geldbußen verhängen.
Die Einstufung bestimmter rechtswidriger Handlungen wirkt sich als eine einzige Zuwiderhandlung oder als eine Mehrzahl von Zuwiderhandlungen grundsätzlich auf die mögliche Sanktion aus. Denn die Bejahung einer Mehrzahl von Zuwiderhandlungen kann die Verhängung mehrerer getrennter Geldbußen nach sich ziehen, jeweils innerhalb der durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23. Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln festgesetzten Grenzen.
(vgl. Randnrn. 89-94, 133-134)
2. Zur Gültigkeit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, wie er vom Gemeinschaftsrichter in Einklang mit den von der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gelieferten Anhaltspunkten und den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten anerkannt worden ist, verfügt die Kommission erstens bei der Feststellung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln, zweitens hinsichtlich der Frage, ob die verschiedenen Verstöße eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung oder mehrere selbständige Zuwiderhandlungen darstellen, und drittens bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen für die Zuwiderhandlungen nicht über einen unbegrenzten Wertungsspielraum.
Erstens handelt es sich bei den Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln, derentwegen die Kommission gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen verhängen kann, allein um Verstöße gegen die Bestimmungen der Art. 81 EG oder 82 EG. Die Frage, ob die Voraussetzungen der Art. 81 EG und 82 EG vorliegen, unterliegt grundsätzlich einer umfassenden Kontrolle des Gemeinschaftsrichters. Im Übrigen räumt die Rechtsprechung zwar dann, wenn diese Feststellung die Vornahme vielschichtiger wirtschaftlicher oder technischer Beurteilungen impliziert, der Kommission einen gewissen Wertungsspielraum ein, doch ist dieser in keinem Fall unbegrenzt. Denn das Vorliegen eines solchen Wertungsspielraums bedeutet nicht, dass sich das Gericht im Rahmen einer Nichtigkeitsklage einer Kontrolle der Art und Weise enthalten müsste, wie die Kommission derartige Daten auslegt. Der Gemeinschaftsrichter muss nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.
(vgl. Randnrn. 130-131)
3. Die Kommission verfügt nicht über einen unbegrenzten Wertungsspielraum, um Geldbußen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln festzusetzen. Wenn das objektive Kriterium der Obergrenze der Geldbuße und die subjektiven Kriterien der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung der Kommission auch einen weiten Wertungsspielraum belassen, so ändert dies nichts daran, dass es sich um Kriterien handelt, die es der Kommission erlauben, Sanktionen unter Berücksichtigung des Grades der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens zu verhängen. Daher ist davon auszugehen, dass Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln, obwohl sie der Kommission einen gewissen Wertungsspielraum belassen, die Kriterien und die Grenzen definieren, die für sie bei der Ausübung ihres Ermessens auf dem Gebiet der Geldbußen gelten. Ferner hat die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen gemäß diesen Vorschriften die allgemeinen Rechtsgrundsätze und ganz besonders die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts zu beachten.
Nach Art. 229 EG und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 befinden der Gerichtshof und das Gericht mit einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über Klagen gegen die Entscheidungen, mit denen die Kommission Geldbußen festsetzt, und können somit nicht nur die Entscheidungen der Kommission für nichtig erklären, sondern auch die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen. Die Verwaltungspraxis der Kommission unterliegt somit der unbeschränkten Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter.
Die Kommission ist nach Art. 253 EG verpflichtet, in der Entscheidung, mit der eine Geldbuße festgesetzt wird, ungeachtet des allgemein bekannten Kontextes der Entscheidung eine Begründung u. a. für die Höhe der verhängten Geldbuße und die dabei angewandte Methode zu geben. Diese Begründung muss die Überlegungen der Kommission so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es den Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie die Zweckmäßigkeit der Anrufung des Gemeinschaftsrichters beurteilen können, und dass dieser gegebenenfalls seine Kontrolle wahrnehmen kann.
(vgl. Randnrn. 140, 142-144, 148)
4. Die Einstufung bestimmter rechtswidriger Handlungen als eine einzige Zuwiderhandlung oder als eine Mehrzahl von Zuwiderhandlungen wirkt sich grundsätzlich auf die mögliche Sanktion aus, da die Feststellung einer Mehrzahl von Zuwiderhandlungen die Verhängung mehrerer getrennter Geldbußen nach sich ziehen kann, jeweils innerhalb der durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln festgesetzten Grenzen, wonach die Geldbuße gegen jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung 10 % seines bzw. ihres im vorausgegangenen Geschäftsjahr jeweils erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen darf. Daraus folgt, dass die Kommission den Grundsatz nulla poena sine lege nicht verletzt, wenn sie zwei Geldbußen verhängt, deren Beträge zusammengenommen die Obergrenze von 10 % des Umsatzes übersteigen.
(vgl. Randnrn. 150-151)
5. Das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Festsetzung einer Geldbuße verfolgen darf, besteht darin, zu gewährleisten, dass die Unternehmen die im Vertrag für ihre Tätigkeiten in der Gemeinschaft oder im Europäischen Wirtschaftsraum festgelegten Wettbewerbsregeln beachten. Im Fall einer Mehrzahl von Zuwiderhandlungen ist die Kommission zu der Ansicht berechtigt, ein derartiges Ziel könne allein durch die Verhängung einer Geldbuße für eine der Zuwiderhandlungen nicht erreicht werden.
(vgl. Randnr. 160)
6. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Ziels angemessen und erforderlich ist. Bei der Festsetzung von Geldbußen ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand von zahlreichen Gesichtspunkten zu ermitteln, von denen keinem gegenüber den anderen Beurteilungsgesichtspunkten unverhältnismäßiges Gewicht beizumessen ist. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt in diesem Zusammenhang, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei in schlüssiger und objektiv gerechtfertigter Weise bewerten muss.
Die Kommission hat bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung zahlreiche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die je nach der Art der fraglichen Zuwiderhandlung und den besonderen Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Art und Bedeutung sind. Es lässt sich nicht ausschließen, dass zu diesen Gesichtspunkten, die die Schwere einer Zuwiderhandlung belegen, je nach Fall auch die Größe des betroffenen Produktmarkts gehören kann. Zwar kann demnach die Marktgröße einen Gesichtspunkt darstellen, der bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen ist, doch ist dieser je nach den besonderen Umständen der Zuwiderhandlung von unterschiedlicher Bedeutung.
Horizontale Beschränkungen von der Art des „Preiskartells“ im Sinne der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 § 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, sind ihrer Art nach „besonders schwer“. In einem solchen Zusammenhang ist die geringe Größe der relevanten Märkte gegenüber der Gesamtheit der übrigen Gesichtspunkte, die die Schwere des Verstoßes belegen, nur von geringerer Bedeutung.
(vgl. Randnrn. 171, 175-176, 178)
7. Im Rahmen der zur Festsetzung der Höhe einer Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft durchgeführten Analyse der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der zuwiderhandelnden Gesellschaften, dem Wettbewerb einen bedeutenden Schaden zuzufügen, die eine Beurteilung des tatsächlichen Gewichts dieser Unternehmen auf dem betreffenden Markt, d. h. ihres Einflusses auf diesen, umfasst, vermittelt der Gesamtumsatz nur ein unvollständiges Bild der Verhältnisse. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass ein mächtiges Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Geschäftsbereichen auf einem spezifischen Produktmarkt nur am Rande vertreten ist. Ebenso wenig lässt sich ausschließen, dass ein Unternehmen mit einer starken Stellung auf einem räumlichen Markt außerhalb der Gemeinschaft auf dem Gemeinschaftsmarkt oder im Europäischen Wirtschaftsraum nur schwach vertreten ist. In diesen Fällen bedeutet der bloße Umstand, dass das betreffende Unternehmen einen hohen Gesamtumsatz erzielt, nicht unbedingt, dass es einen entscheidenden Einfluss auf den von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt ausübt. Daher können die auf den betreffenden Märkten von einem Unternehmen erzielten Umsätze zwar nicht entscheidend für die Schlussfolgerung sein, dass ein Unternehmen einer mächtigen Wirtschaftseinheit angehört, sind aber relevant für die Bestimmung des Einflusses, den das Unternehmen auf den Markt ausüben konnte.
So kann der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern. Dieser Umsatz kann einen zuverlässigen Anhaltspunkt für die Verantwortlichkeit jedes Unternehmens auf den genannten Märkten liefern, weil er ein objektives Kriterium ist, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Praxis auf den normalen Wettbewerb auswirkt, und stellt somit einen guten Indikator für die Fähigkeit jedes der Unternehmen zur Verursachung eines Schadens dar.
(vgl. Randnrn. 187-188)
8. Die Methode, die darin besteht, die Mitglieder des Kartells bei der Festsetzung der Höhe der gegen die verschiedenen Teilnehmer an einem Kartell festgesetzten Geldbußen in mehrere Kategorien einzuteilen, was zu einer Pauschalierung des Ausgangsbetrags der Geldbußen führt, der für die zu derselben Kategorie gehörenden Unternehmen festgesetzt wird, ist, obwohl diese Methode darauf hinausläuft, die Größenunterschiede zwischen Unternehmen derselben Kategorie auszublenden, nicht zu beanstanden, vorausgesetzt, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung werden eingehalten. Es ist nicht Sache des Gerichts, sich zur Sachdienlichkeit eines derartigen Systems zu äußern, selbst wenn es die Unternehmen von geringerer Größe benachteiligen sollte. Im Rahmen seiner Kontrolle, ob die Kommission das ihr in diesem Bereich zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat, hat sich das Gericht nämlich darauf zu beschränken, zu kontrollieren, ob die Einteilung der Mitglieder des Kartells in Kategorien schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist, ohne die Beurteilung der Kommission ohne Weiteres durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen.
(vgl. Randnr. 196)
9. Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln verlangt nicht, dass bei der Verhängung von Geldbußen gegenüber mehreren an derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen die gegen ein kleines oder mittelgroßes Unternehmen festgesetzte Geldbuße, als Prozentsatz vom Umsatz ausgedrückt, nicht höher ist als die gegen die größeren Unternehmen festgesetzten Geldbußen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass sowohl bei den kleinen oder mittelgroßen Unternehmen als auch bei den größeren Unternehmen für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt werden müssen. Soweit die Kommission gegen die an derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen Geldbußen verhängt, die angesichts der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung im Fall des jeweiligen Unternehmens gerechtfertigt sind, ist nicht zu beanstanden, dass bei einigen Unternehmen die Geldbuße im Verhältnis zum Umsatz höher ist als bei anderen. Die Kommission muss mithin die Geldbußen nicht verringern, wenn kleine oder mittelgroße Unternehmen betroffen sind. Der Größe des Unternehmens wird nämlich bereits durch die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegte Obergrenze und durch die Bestimmungen der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 § 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, Rechnung getragen. Abgesehen von diesen Erwägungen zur Größe gibt es keinen Grund, kleine oder mittelgroße Unternehmen anders als andere Unternehmen zu behandeln. Die Tatsache, dass die betreffenden Unternehmen von kleiner oder mittlerer Größe sind, befreit sie nicht von ihrer Verpflichtung zur Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften.
(vgl. Randnrn. 199-200)
10. Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 § 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, sehen in Nr. 1 A Abs. 6 vor, dass, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren, insbesondere bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung eine Abstufung gerechtfertigt sein kann. In ihrem Rahmen verstößt eine Entscheidung der Kommission nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn mehrere Unternehmen in dieselbe Gruppe eingestuft werden, von denen das eine einen deutlich, ja sogar „spürbar“ geringeren Gesamtumsatz als die übrigen Unternehmen hat, und zwar auf der Grundlage ihrer Umsätze auf dem betroffenen Markt und ihrer sehr ähnlichen Marktanteile, und wenn auf sie der gleiche spezifische Ausgangsbetrag angewandt wird.
(vgl. Randnrn. 202, 205)
11. Bei der Berechnung des Betrags der wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Geldbuße sind die Anforderungen aufgrund des wesentlichen Formerfordernisses, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln. Diese Anforderungen zwingen die Kommission nicht, in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen; sie darf sich jedenfalls nicht durch den ausschließlichen und mechanischen Rückgriff auf mathematische Formeln ihres Ermessens begeben. Hinsichtlich einer Entscheidung, mit der Geldbußen gegenüber mehreren Unternehmen verhängt werden, muss die Reichweite der Begründungspflicht u. a. im Licht der Tatsache beurteilt werden, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand zahlreicher Gesichtspunkte bestimmt werden muss, wie u. a. den besonderen Umständen der Rechtssache, ihres Zusammenhangs und des Abschreckungspotenzials der Geldbußen, ohne dass hiermit eine zwingende oder erschöpfende Liste der unbedingt zu berücksichtigenden Kriterien aufgestellt werden soll.
(vgl. Randnr. 226)
12. Dass ein Unternehmen an einem multilateralen Treffen nicht teilgenommen und die Übermittlung von Informationen an die übrigen Kartellmitglieder eingestellt haben soll, reicht nicht aus, um zu belegen, dass es seine Beteiligung an einem Kartell beendet hat, sofern es sich nicht offen von dessen Inhalt distanziert hat.
(vgl. Randnrn. 240-241, 244)
13. Nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln ist die Dauer der Zuwiderhandlung einer der Gesichtspunkte, die bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße von Unternehmen, die gegen Wettbewerbsregeln verstoßen haben, zu berücksichtigen sind.
Während die Bestimmungen von Nr. 1 B der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 § 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, bei Verstößen von kurzer Dauer, in der Regel von weniger als einem Jahr, keinen Aufschlag vorsehen, wird bei Verstößen von mittlerer Dauer, in der Regel von einem bis fünf Jahren, ein Aufschlag vorgenommen, der beispielsweise bis zu 50 % des Ausgangsbetrags der Geldbuße betragen kann. Für Verstöße von längerer Dauer, in der Regel von mehr als fünf Jahren, ist lediglich vorgesehen, dass der Betrag um 10 % pro Jahr erhöht werden kann. Diese Erhöhungen erfolgen nicht automatisch, sondern die Leitlinien lassen der Kommission einen Wertungsspielraum.
(vgl. Randnrn. 237, 247, 249)
14. Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 § 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, enthalten keine bindende Aufzählung mildernder Umstände, die die Kommission hinsichtlich einer Verringerung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigen muss. Folglich verbleibt der Kommission ein gewisser Spielraum, um über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden. Somit kann die Kommission keinesfalls verpflichtet sein, im Rahmen ihres Ermessens eine Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung einer offensichtlichen Zuwiderhandlung vorzunehmen, unabhängig davon, ob die Beendigung vor oder nach ihrem Eingreifen erfolgte.
Die in Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien vorgesehene Beendigung der Verstöße gegen die Wettbewerbsvorschriften nach dem ersten Eingreifen der Kommission kann logischerweise nur dann einen mildernden Umstand bilden, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass die fraglichen Unternehmen durch dieses Eingreifen zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden. Denn diese Bestimmung soll Unternehmen darin bestärken, ihr wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar nach Einleitung einer entsprechenden Untersuchung der Kommission zu beenden. Eine entsprechende Herabsetzung der Geldbuße kommt nicht in Betracht, wenn die Unternehmen bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission die klare Entscheidung getroffen hatten, den Verstoß zu beenden, oder wenn der Verstoß vor diesem Zeitpunkt bereits beendet war. Der letztgenannte Fall wird bei der Berechnung der Dauer des zugrunde gelegten Zeitraums der Zuwiderhandlung hinreichend berücksichtigt.
(vgl. Randnrn. 259-260)
15. Was die für die Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zu berücksichtigenden subjektiven Gesichtspunkte betrifft, ist es nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 § 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, nötig, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße zu berücksichtigen, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet. In Fällen, in denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, z. B. bei Kartellen, kann es nach den Leitlinien angebracht sein, den allgemeinen Ausgangsbetrag zu gewichten, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren, und infolgedessen den allgemeinen Ausgangsbetrag dem spezifischen Charakter jedes Unternehmens anzupassen.
Die Leitlinien schließen nicht aus, dass der Gesamtumsatz oder der Umsatz der Unternehmen auf dem betreffenden Markt bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt wird, damit die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es erfordern.
Eine Einteilung der Unternehmen in zwei Kategorien anhand ihres Umsatzes ist mithin kein unvernünftiges Vorgehen, um bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße ihrer relativen Bedeutung am Markt Rechnung zu tragen, sofern dies nicht zu einer grob entstellenden Darstellung des relevanten Marktes führt.
(vgl. Randnrn. 273-275, 280)
16. In Wettbewerbssachen sind die Anforderungen an die Beweislast für das Vorliegen von Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den in Rede stehenden Markt, die der Kommission obliegt, wenn sie sie im Rahmen der Festsetzung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt, geringer als die Anforderungen an den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung im Fall eines Kartells. Denn die konkreten Auswirkungen des Kartells auf den Markt dürfen bereits dann berücksichtigt werden, wenn die Kommission „gute Gründe für ihre Berücksichtigung“ angibt.
(vgl. Randnr. 301)
17. Die Verteidigungsrechte werden durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung nur verletzt, wenn ein in der endgültigen Entscheidung ausgesprochener Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte so unzulänglich dargestellt worden war, dass sich die Adressaten dagegen nicht verteidigen konnten.
Sind Schriftstücke in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden, kann das betroffene Unternehmen davon ausgehen, dass sie für das Verfahren bedeutungslos sind. Teilt die Kommission einem Unternehmen nicht mit, dass bestimmte Schriftstücke in der Entscheidung verwendet werden sollen, so hindert sie es daran, rechtzeitig seine Meinung zum Beweiswert dieser Schriftstücke kundzutun. Diese Schriftstücke können deshalb nicht als gültige Beweismittel gegen das Unternehmen angesehen werden.
Ein Schriftstück, das die Kommission zur Stützung eines Beschwerdepunkts in der endgültigen Entscheidung herangezogen hat, obwohl dieses Schriftstück in der Mitteilung der Beschwerdepunkte herangezogen wurde, um einen anderen Beschwerdepunkt zu belegen, kann in der Entscheidung nur dann gegen das betreffende Unternehmen verwendet werden, wenn dieses den Mitteilungen der Beschwerdepunkte und dem Inhalt des Schriftstücks bei vernünftiger Betrachtung entnehmen konnte, welche Schlüsse die Kommission daraus zu ziehen gedachte.
(vgl. Randnrn. 313-315)
18. Einem Unternehmen, an das sich eine Entscheidung über ein Auskunftsverlangen im Sinne von Art. 11 Abs. 5 der Verordnung Nr. 17 richtet, kann kein absolutes Auskunftsverweigerungsrecht zuerkannt werden. Die Anerkennung eines solchen Rechts ginge nämlich über das hinaus, was zur Wahrung der Verteidigungsrechte der Unternehmen erforderlich ist, und würde zu einer ungerechtfertigten Behinderung der Kommission bei der Erfüllung ihrer Aufgabe führen, die Einhaltung der Wettbewerbsregeln im Gemeinsamen Markt zu überwachen. Ein Auskunftsverweigerungsrecht kann nur insoweit anerkannt werden, als von dem betroffenen Unternehmen Antworten verlangt werden, durch die es das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingestehen müsste, für die die Kommission den Nachweis zu erbringen hat.
Daher darf die Kommission, um die praktische Wirksamkeit von Art. 11 der Verordnung Nr. 17 zu erhalten, die Unternehmen zwingen, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihnen eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen und erforderlichenfalls die in ihrem Besitz befindlichen Schriftstücke, die sich hierauf beziehen, zu übermitteln, selbst wenn diese dazu verwendet werden können, den Beweis für ein wettbewerbswidriges Verhalten zu erbringen. Diese Auskunftsbefugnisse der Kommission verstoßen weder gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention noch gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Die Pflicht zur Beantwortung rein tatsächlicher Fragen der Kommission und zur Vorlage von ihr angeforderter vorhandener Schriftstücke kann jedenfalls den tragenden Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte und den Anspruch auf einen fairen Prozess nicht verletzen, die auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts einen Schutz bieten, der dem durch Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährten gleichwertig ist. Denn nichts hindert den Adressaten eines Auskunftsverlangens daran, später im Verwaltungsverfahren oder in einem Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter zu beweisen, dass die in seinen Antworten mitgeteilten Tatsachen oder die übermittelten Schriftstücke eine andere als die ihnen von der Kommission beigemessene Bedeutung haben.
Wenn schließlich die Kommission in einem Auskunftsverlangen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 über reine Tatsachenfragen und die Aufforderung zur Vorlage von bereits existierenden Unterlagen hinaus ein Unternehmen auffordert, den Gegenstand, den Verlauf und die Resultate oder Schlussfolgerungen mehrerer Zusammenkünfte darzustellen, an denen es teilgenommen hat, und dabei klar ist, dass sie den Verdacht hat, dass es bei diesen Zusammenkünften um eine Beschränkung des Wettbewerbs ging, so ist diese Aufforderung geeignet, das befragte Unternehmen zu zwingen, seine Beteiligung an einem Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft einzugestehen; das betreffende Unternehmen muss derartige Fragen daher nicht beantworten. In einem solchen Fall ist es als Zusammenarbeit aus eigenem Antrieb, die eine Herabsetzung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen kann, anzusehen, wenn ein Unternehmen gleichwohl Auskunft über diese Punkte gibt. In diesem Fall können die Unternehmen nicht vorbringen, ihr Recht, sich nicht selbst zu belasten, sei deshalb verletzt worden, weil sie freiwillig auf ein derartiges Ersuchen geantwortet hätten.
(vgl. Randnrn. 326-329)
19. Im Rahmen eines wegen eines verbotenen Kartells eingeleiteten Verwaltungsverfahrens verleiht die Mitwirkung des betroffenen Unternehmens an der Untersuchung kein Recht auf eine Herabsetzung der Geldbuße, wenn diese Mitwirkung nicht über das hinausgegangen ist, wozu das Unternehmen nach Art. 11 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet war. Liefert das Unternehmen hingegen als Antwort auf ein Auskunftsverlangen nach Art. 11 Informationen, die weit über das hinausgehen, was die Kommission gemäß diesem Artikel verlangen kann, kann die Geldbuße des Unternehmens herabgesetzt werden.
(vgl. Randnr. 340)
URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
28. April 2010(*)
„Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Industriegarne – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR‑Abkommens festgestellt wird – Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung – Bestimmung des Marktes – Geldbußen – Obergrenze der Geldbuße – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Zusammenarbeit – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung – Verteidigungsrechte – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen“
In der Rechtssache T‑446/05
Amann & Söhne GmbH & Co. KG mit Sitz in Bönnigheim (Deutschland),
Cousin Filterie SAS mit Sitz in Wervicq-Sud (Frankreich),
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Röhling, M. Dietrich und C. Horstkotte,
Klägerinnen,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und K. Mojzesowicz als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwältin G. Eickstädt,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K (2005) 3452 der Kommission vom 14. September 2005 in einem Verfahren nach den Artikeln 81 [EG] und 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/38.337 – PO/Garne) in ihrer durch die Entscheidung K (2005) 3765 der Kommission vom 13. Oktober 2005 geänderten Fassung und, hilfsweise, Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße
erlässt
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter M. Prek (Berichterstatter) und V. M. Ciucă,
Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2008
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
A – Gegenstand des Rechtsstreits
1 Mit der Entscheidung K (2005) 3452 vom 14. September 2005 in einem Verfahren nach den Artikeln 81 [EG] und 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/38.337 – PO/Garne) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) in ihrer durch die Entscheidung K (2005) 3765 der Kommission vom 13. Oktober 2005 geänderten Fassung, von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 26. Januar 2008 (ABl. C 21, S. 10) veröffentlicht worden ist, stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass die Klägerinnen, die Amann & Söhne GmbH & Co. KG (im Folgenden: Amann) und die Cousin Filterie SAS (im Folgenden: Cousin), im Zeitraum von Mai/Juni 1998 bis 15. Mai 2000 an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem Markt für Garne für die Automobilindustrie (im Folgenden: Autogarne) im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beteiligt gewesen seien und dass Amann außerdem im Zeitraum von Januar 1990 bis September 2001 an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem Markt für Industriegarne mit Ausnahme der Automobilbranche (im Folgenden: Industriegarne) in den Beneluxländern sowie in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden (im Folgenden: nordische Länder) beteiligt gewesen sei.
2 Die Kommission belegte zum einen die gesamtschuldnerisch haftenden Amann und Cousin wegen ihrer Beteiligung am Kartell für Autogarne im EWR mit einer Geldbuße von 4,888 Millionen Euro und zum anderen Amann wegen ihrer Beteiligung am Kartell für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern mit einer Geldbuße von 13,09 Millionen Euro.
B – Verwaltungsverfahren
3 Am 7. und am 8. November 2001 führte die Kommission in den Geschäftsräumen mehrerer Garnhersteller Nachprüfungen gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) durch. Diese Nachprüfungen erfolgten aufgrund von Auskünften, die The English Needle & Tackle Co. im August 2000 erteilt hatte (angefochtene Entscheidung, 78. Erwägungsgrund).
4 Am 26. November 2001 stellte die Coats Viyella plc (im Folgenden: Coats) gemäß der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) einen Kronzeugenantrag, dem Beweise für das Vorliegen folgender Kartelle beigefügt waren: erstens eines Kartells auf dem Markt für Autogarne im EWR, zweitens eines Kartells auf dem Markt für Garne für Industriekunden im Vereinigten Königreich und drittens eines Kartells auf dem Markt für Garne für Industriekunden in den Benelux- und den nordischen Ländern (angefochtene Entscheidung, 82. Erwägungsgrund).
5 Die Kommission richtete aufgrund der Schriftstücke, die sie bei den Nachprüfungen mitgenommen hatte, und derjenigen, die sie von Coats erhalten hatte, im März und im August 2003 Auskunftsverlangen gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 an die betroffenen Unternehmen (angefochtene Entscheidung, 83. Erwägungsgrund).
6 Am 18. März 2004 nahm die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die sie an mehrere Unternehmen wegen ihrer Beteiligung an einem oder mehreren der oben in Randnr. 4 genannten Kartelle richtete, darunter das Kartell auf dem Markt für Garne für Industriekunden in den Benelux- und den nordischen Ländern.
7 Alle Unternehmen, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gesandt worden war, nahmen schriftlich Stellung (angefochtene Entscheidung, 90. Erwägungsgrund).
8 Am 19. und 20. Juli 2004 fand eine Anhörung statt.
9 Am 24. September 2004 wurde den Beteiligten Zugang zu der nichtvertraulichen Fassung der Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie zu den Stellungnahmen der Beteiligten zu der Anhörung gewährt und ihnen eine Frist für weitere Stellungnahmen eingeräumt (angefochtene Entscheidung, 93. Erwägungsgrund).
10 Am 14. September 2005 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.
C – Angefochtene Entscheidung
1. Relevante Märkte
a) Produktmärkte
11 In der angefochtenen Entscheidung weist die Kommission darauf hin, dass der Wirtschaftszweig Garne in zwei Kategorien unterteilt werden könne, nämlich zum einen den der Industriegarne zum Nähen oder Sticken verschiedener Bekleidungs- und sonstiger Waren wie Lederwaren, Erzeugnisse für die Automobilindustrie und Matratzen und zum anderen den Markt der für Endverbraucher bestimmten Garne, die Einzelpersonen zum Nähen, Stopfen und für Handarbeiten verwendeten (angefochtene Entscheidung, neunter Erwägungsgrund).
12 Die Kategorie der Industriegarne könne entsprechend ihrer Verwendung in drei Gruppen unterteilt werden: Bekleidungsnähgarne für verschiedene Arten von Bekleidungswaren, Stickereigarne, die auf computergestützten industriellen Stickmaschinen zur Verschönerung von Bekleidungswaren, Sportschuhen und Möbeln verwendet würden, und Spezialgarne, die in verschiedenen Wirtschaftszweigen wie bei der Herstellung von Schuhen und Lederwaren sowie in der Automobilindustrie verwendet würden (angefochtene Entscheidung, elfter Erwägungsgrund).
13 Garne für Industriekunden könnten auch anhand der Faserart und des Garnaufbaus in verschiedene Kategorien aufgeteilt werden (angefochtene Entscheidung, zwölfter Erwägungsgrund).
14 In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission die Ansicht, dass Garne für Industriekunden, da kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Endverwendung und der Faserart und/oder dem Garnaufbau bestehe, von der Angebotsseite her betrachtet als ein einziger Produktmarkt gelten könnten. Coats zufolge verwendeten bestimmte Kunden aus der Bekleidungsindustrie Spezialgarne und bestimmte Stickereiwarenkunden Bekleidungsgarne. Coats habe betont, dass bei Garnen für die Bekleidungsindustrie, Stickereigarnen und den verschiedenen Spezialgarnen der Herstellungsvorgang gleich oder leicht substituierbar sein könne (angefochtene Entscheidung, 13. Erwägungsgrund).
15 Die Kommission unterscheidet in der angefochtenen Entscheidung allerdings zwischen Autogarnen und den übrigen Industriegarnen. Denn obwohl diese beiden Garntypen ähnliche oder leicht substituierbare Herstellungsprozesse durchliefen, stamme die Nachfrage der Automobilindustrie von Großkunden, die für einige der von ihnen verwendeten Produkte – beispielsweise Garne für Sicherheitsgurte – höhere Anforderungen stellten und in den verschiedenen Ländern, in denen sie die Garne benötigten, Wert auf die Gleichartigkeit der Waren legten (angefochtene Entscheidung, 14. Erwägungsgrund).
16 In der vorliegenden Rechtssache sind die Produktmärkte, die von den Zuwiderhandlungen, die den Klägerinnen zur Last gelegt werden, betroffen sind, der der Autogarne und – hinsichtlich der Amann zur Last gelegten Zuwiderhandlung – der der Industriegarne.
b) Räumliche Märkte
17 Die Kommission weist in der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass der Markt für Autogarne aufgrund der oben genannten höheren, eine Gleichartigkeit im EWR verlangenden Anforderungen vom Markt für Industriegarne zu unterscheiden sei. Somit umfasse der Markt für Autogarne den gesamten EWR. Die Kommission stellt nämlich fest, dass im ganzen EWR lediglich einige Hersteller diese Waren standardisiert anbieten könnten. Die Gründe dafür seien, dass die Käufer zur Erleichterung ihrer Produktion in verschiedenen Ländern gleichartige Garne brauchten, dass diese Garne (beispielsweise Garne für Sicherheitsgurte) spezifischen Qualitätsnormen genügen müssten und die Rückverfolgbarkeit der Herstellung dieser Garne aus Gründen, die mit der Produktqualität und der Produkthaftung in Verbindung stünden, wesentlich sei (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 21 und 22).
18 Zu den Industriegarnen stellt die Kommission hingegen fest, dass nach den von den Parteien gelieferten Angaben der relevante räumliche Markt ein regionaler sei. Je nach Fall umfasse das Gebiet mehrere Länder des EWR, z. B. die Beneluxländer oder die nordischen Länder, oder ein einziges Land, z. B. das Vereinigte Königreich (angefochtene Entscheidung, 17. Erwägungsgrund).
19 Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass der räumliche Markt, auf den sich die Amann zur Last gelegte und die Industriegarne betreffende Zuwiderhandlung beziehe, der der Benelux- und der nordischen Länder sei, während der räumliche Markt, auf den sich die den Klägerinnen zur Last gelegte und die Autogarne betreffende Zuwiderhandlung beziehe, den EWR umfasse.
2. Größe und Struktur der relevanten Märkte
20 Die Kommission stellt in der angefochtenen Entscheidung klar, dass die Umsätze mit Industriegarnen in den Benelux- und den nordischen Ländern im Jahr 2000 ungefähr 50 Millionen Euro und im Jahr 2004 ungefähr 40 Millionen Euro betragen hätten; bei Autogarnen hätten sich die Umsätze im Jahr 1999 auf ungefähr 20 Millionen Euro belaufen (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 28 und 35).
21 Dort heißt es außerdem, dass zum Ende der Neunzigerjahre die Hauptlieferanten von Industriegarnen in den Beneluxländern und in den nordischen Ländern insbesondere Amann, die Barbour Threads Ltd (im Folgenden: Barbour) vor ihrer Übernahme durch Coats, die Belgian Sewing Thread NV (im Folgenden: BST), Coats, die Gütermann AG und die Zwicky & Co. AG (im Folgenden: Zwicky) gewesen seien und dass die Hauptlieferanten von Autogarnen insbesondere die Klägerinnen, Coats, die Oxley Threads Ltd (im Folgenden: Oxley), Gütermann und Zwicky gewesen seien.
3. Beschreibung der Verstöße
22 In der angefochtenen Entscheidung weist die Kommission darauf hin, dass das Verhalten, das den Klägerinnen betreffend das Kartell auf dem Markt für Autogarne im EWR zur Last gelegt werde, zwischen Mai/Juni 1998 und Mai 2000 liege.
23 Hauptziel der am Kartell auf dem Markt für Autogarne im EWR Beteiligten sei es gewesen, die Preise auf einem hohen Niveau zu halten (angefochtene Entscheidung, 214. Erwägungsgrund).
24 Zu diesem Zweck hätten fünf Treffen stattgefunden, in deren Verlauf die Beteiligten zunächst zwei Arten von Zielpreisen für die der europäischen Automobilbranche verkauften Kernprodukte festgelegt hätten; der eine Preis sei gegenüber bestehenden Kunden und der andere gegenüber Neukunden angewandt worden. Sodann seien Informationen über die Preise für einzelne Kunden und über Mindestzielpreise ausgetauscht worden. Die Beteiligten hätten sich schließlich dazu verpflichtet, es zugunsten des etablierten Lieferanten zu vermeiden, dessen Preise zu unterbieten (angefochtene Entscheidung, 215. Erwägungsgrund).
25 Zu dem Verhalten, das das Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern betreffe, stellt die Kommission fest, dass es in den Jahren 1990 bis 2001 liege.
26 Beim Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern hätten die betreffenden Unternehmen mindestens einmal im Jahr ein Treffen abgehalten, und diese Zusammenkünfte hätten in Form zweier Sitzungen – die eine für den Markt der Beneluxländer, die andere für den der nordischen Länder – stattgefunden, wobei das Hauptziel dieser Zusammenkünfte darin bestanden habe, die Preise auf jedem dieser beiden Märkte auf einem hohen Niveau zu halten.
27 Die Teilnehmer hätten Preislisten und Informationen über Rabatte, über die Erhöhung der Listenpreise, über die Senkung von Preisnachlässen und über die Erhöhung der Sonderpreise für bestimmte Kunden ausgetauscht. Es seien auch Vereinbarungen über die zukünftigen Preislisten, Maximalrabatte, Rabattsenkungen und die Erhöhung der Sonderpreise für bestimmte Kunden sowie Vereinbarungen zwecks Verhinderung der Unterbietung der Preise des etablierten Lieferanten und Aufteilung der Kunden geschlossen worden (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 99 bis 125).
4. Verfügender Teil der angefochtenen Entscheidung
28 In Art. 1 Abs. 3 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass sechs Unternehmen, darunter die Klägerinnen, durch ihre Beteiligung an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem Markt für Autogarne im EWR gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, und zwar die Klägerinnen bezogen auf den Zeitraum von Mai/Juni 1998 bis Mai 2000. In Art. 1 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission außerdem fest, dass acht Unternehmen, darunter Amann, dadurch gegen Art. 81 Abs. 1 EG und gegen Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, dass sie sich, was Amann betrifft in der Zeit von Januar 1990 bis September 2001, an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern beteiligt hätten.
29 Mit Art. 2 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung wurden folgende Geldbußen verhängt:
a) für das Kartell auf dem Markt für Autogarne im EWR:
– gegen die Klägerinnen als Gesamtschuldner: 4,888 Millionen Euro;
– gegen Coats: 0,65 Millionen Euro;
– gegen Oxley: 1,271 Millionen Euro;
– gegen Barbour und Hicking Pentecost plc als Gesamtschuldner: 0,715 Millionen Euro;
b) für das Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern u. a.:
– gegen Coats: 15,05 Millionen Euro;
– gegen Amann: 13,09 Millionen Euro;
– gegen BST: 0,979 Millionen Euro;
– gegen Gütermann: 4,021 Millionen Euro;
– gegen Zwicky: 0,174 Millionen Euro.
Verfahren und Anträge der Parteien
30 Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 22. Dezember 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
31 Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Fünften Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.
32 Die Klägerinnen beantragen,
– die angefochtene Entscheidung, soweit sie die Klägerinnen betrifft, für nichtig zu erklären;
– hilfsweise, die Höhe der Geldbuße auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
33 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
34 Die Klägerinnen führen an erster Stelle einen Klagegrund an, der auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung abzielt und aus einem Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) hergeleitet wird.
35 An zweiter Stelle machen die Klägerinnen eine Reihe von Klagegründen geltend, mit denen die Aufhebung der Geldbuße begehrt wird. Zum einen werfen sie der Kommission vor, gegen sie eine Geldbuße verhängt zu haben, deren Betrag die Obergrenze von 10 % ihres Umsatzes übersteige. Zum anderen machen die Klägerinnen sieben Klagegründe geltend, die aus einem Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit bei der Verhängung der Geldbuße, der fehlerhaften Festsetzung des Ausgangsbetrags der für das Kartell für Industriegarne verhängten Geldbuße, der fehlerhaften Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne, der Nichtberücksichtigung bestimmter mildernder Umstände bei der Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne, der fehlerhaften Berechnung des Ausgangsbetrags und des Grundbetrags der für die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Autogarne verhängten Geldbuße, einer Nichtberücksichtigung der Nichtumsetzung des Kartells über Autogarne und der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör und der Verteidigungsrechte hergeleitet werden.
A – Zu dem von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund, der auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung abzielt und aus einem Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 hergeleitet wird
1. Vorbringen der Parteien
36 Die Klägerinnen tragen vor, dass die beanstandeten Zuwiderhandlungen eine einheitliche Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 seien, da die Märkte für Autogarne und der Markt für Industriegarne keine getrennten sachlichen oder räumlichen Märkte seien, zwischen diesen Kartellen ein verbindendes subjektives Element vorliege und die von der Kommission für die Feststellung, dass keine einheitliche Zuwiderhandlung gegeben sei, herangezogenen Kriterien nicht stichhaltig seien.
37 Was erstens das Vorliegen eines einheitlichen Produktmarkts betrifft, bestreiten die Klägerinnen, explizit bestätigt zu haben, dass Garne für die Bekleidungs- und Automobilindustrie zwei getrennten Märkten zuzuordnen seien. Amanns Antwort auf das Auskunftsverlangen, in der der Markt für Autogarne als weltweit qualifiziert worden sei, bedeute nämlich keineswegs, dass dieses Unternehmen die behauptete Eigenständigkeit dieses Marktes anerkenne. Darüber hinaus habe Amann bei ihren Schätzungen für sechs verschiedene Garnkategorien darauf hingewiesen, dass sie nicht in der Lage sei, Schätzungen für die Kategorie der Garne vorzunehmen, die für die Automobilbranche bestimmt seien.
38 Eine solche Abgrenzung zwischen dem Markt für Autogarne und dem für Industriegarne könne auch nicht aus den Erklärungen anderer Wirtschaftsteilnehmer wie Coats und Gütermann abgeleitet werden.
39 Die Ansicht der Klägerinnen zur Einheitlichkeit des Marktes werde durch die Darstellung der von allen Unternehmen hergestellten Produkte bestätigt. Das gelte insbesondere für die von Gütermann, Amann und Coats vorgenommene Segmentierung. Dort zeige sich, dass ein branchenübergreifender Einsatz desselben Garns möglich sei.
40 Dass von den Großkunden der Automobilbranche höhere Spezifikationsstandards verlangt würden, rechtfertige auch nicht die Abgrenzung zwischen Industriegarnen und Autogarnen. Denn die Garne würden grundsätzlich den Anforderungen der Automobilindustrie entsprechend hergestellt und in dieser Qualität an die Großkunden aus anderen Industriezweigen geliefert. Die Herstellung zweier Garntypen unterschiedlicher Qualität wäre im Übrigen wirtschaftlich nicht zu vertreten. Die technischen Eigenschaften der Autogarne und die der Industriegarne seien somit im Wesentlichen gleich. Sie seien also austauschbar, und ihr Vertrieb sei im Übrigen nicht abnehmerspezifisch, sondern produktbezogen.
41 Zweitens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, dass sie nicht untersucht habe, ob die verschiedenen Tathandlungen aufgrund eines gemeinsamen subjektiven Elements miteinander verbunden seien und daher eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellten. Die Kommission habe selbst festgestellt, dass alle Zuwiderhandlungen von dem Ziel getragen seien, die normale Entwicklung der Preise auf dem relevanten Markt zu verfälschen.
42 Dass es um Preisabsprachen gegangen sei und die für die betroffenen Regionen gefassten Beschlüsse nahezu identisch gewesen seien, untermauere die Auffassung von der Einheitlichkeit der festgestellten Zuwiderhandlungen. Darüber hinaus sei in den meisten Mitgliedstaaten das subjektive Element das entscheidende Kriterium für die Bejahung einer einheitlichen Zuwiderhandlung.
43 Angesichts der mittleren Größe der meisten der fraglichen Unternehmen seien ihre obersten Führungsebenen und Gesellschafter zwangsläufig über die verschiedenen Zuwiderhandlungen informiert gewesen. Speziell in Bezug auf sie ergebe sich das subjektive Element überdies aus den intern sich überschneidenden Zuständigkeiten im Vertrieb von Industrie- und Autogarnen.
44 Darüber hinaus rügen die Klägerinnen im Wesentlichen die Inkohärenz der Methode der Kommission, die vom Grundsatz einer einheitlichen Zuwiderhandlung für die aufeinanderfolgenden Verstöße innerhalb eines jeden Kartells ausgegangen, aber nicht in gleicher Weise für die Kartelle untereinander vorgegangen sei. Insoweit enthalte die angefochtene Entscheidung in ihren Erwägungsgründen 266 bis 270 verschiedene Widersprüche, die darauf hindeuteten, dass die Annahme der Kommission, dass getrennte Zuwiderhandlungen vorlägen, nicht haltbar sei.
45 Drittens wenden sich die Klägerinnen gegen die Kriterien der Kommission zur Bejahung oder Verneinung einer einheitlichen Zuwiderhandlung.
46 An erster Stelle tragen sie vor, diese Kriterien seien nicht stichhaltig. Hierzu machen die Klägerinnen zum einen geltend, dass die Kommission selbst bei der Anwendung der Kriterien zur Bejahung einer einheitlichen Zuwiderhandlung unentschieden sei, da sie zwei getrennte Zuwiderhandlungen mit dem Hinweis auf unterschiedliche Teilnehmer, eine andere Funktionsweise und das Fehlen einer Gesamtkoordination begründe und sich dann auf die Unterschiedlichkeit der betroffenen Märkte stütze, obwohl sie im Weiteren erkläre, dass Absprachen, die die Benelux- und die nordischen Länder beträfen, zusammen betrachtet werden müssten, weil Organisation, Funktionsweise und Teilnehmer übereinstimmten. Das Kriterium der Gesamtkoordination spiele für die Annahme einer einheitlichen Zuwiderhandlung in den Benelux- und den nordischen Ländern keine Rolle mehr.
47 Zum anderen sei das Kriterium der Abgrenzung des Produktmarkts bei verwandten Produkten untauglich. Die Verwendung dieses Kriteriums würde, abgesehen von den klaren Fällen, in denen Produkte eindeutig nicht zu demselben Markt gehörten, der Kommission einen kaum kontrollierbaren Spielraum bei der Ahndung von Wettbewerbsverstößen eröffnen. Das Kriterium der fehlenden Identität der Teilnehmer sei ebenfalls untauglich. Denn durch wen sich die an den Absprachen beteiligten Unternehmen vertreten ließen, sei bedeutungslos, da die Teilnahme dem betreffenden Unternehmen zuzurechnen sei.
48 An zweiter Stelle tragen Amann und Cousin vor, dass die Anwendung dieser Kriterien die Kommission jedenfalls zu dem Schluss hätte gelangen lassen müssen, dass eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliege.
49 Zum einen machen sie geltend, dass die Kommission das Vorliegen getrennter Zuwiderhandlungen nicht stichhaltig begründen könne, indem sie sich auf die fehlende Gesamtkoordination der Kartelle stütze, weil sie selbst betone und insoweit die Aussagen von Coats aufgreife, dass, da die Produktmärkte eher länderspezifisch seien, kein Koordinierungsbedarf zwischen verschiedenen Regionen bestanden habe. Es sei ebenfalls irrelevant, wenn die Kommission versuche, zwischen einer Koordinierung der räumlichen Märkte und der Koordinierung getrennter Produktmärkte zu unterscheiden, da eine Koordinierung getrennter Produktmärkte bei unterschiedlichen räumlichen Märkten sinnlos sei. Daher müssten die fraglichen Verhaltensweisen unter der Annahme gewürdigt werden, dass die Treffen für die einzelnen Regionen im Zusammenhang mit einem Gesamtplan gestanden hätten, der von der jeweiligen Leitungsebene gebilligt gewesen sei und durch Schriftstücke bestätigt werde, die auf rege Kontakte zwischen den Vertretern von Coats und Amann Bezug nähmen, die „übergeordnete Strategiefragen“ in Europa zum Gegenstand gehabt hätten. Derartige Schriftstücke zeugten von einem verbindenden subjektiven Element. Hierbei werfen die Klägerinnen der Kommission vor, nicht untersucht zu haben, ob es entsprechende Kontakte auch zwischen Coats und anderen Wettbewerbern gegeben habe.
50 Zum anderen gebe es keine relevanten Unterschiede bei den Teilnehmern und der Organisation der Absprachen. Hierbei könne nach der Rechtsprechung eine einheitliche Zuwiderhandlung im rechtlichen Sinne nicht schon allein deshalb ausgeschlossen werden, weil jedes Unternehmen sich auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt habe; so könne ein Unternehmen an einem einheitlichen Kartell mitgewirkt haben, ohne an allen seinen Verästelungen beteiligt gewesen zu sein.
51 Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen heben die Klägerinnen hervor, dass lediglich drei Unternehmen nur an einer Absprache teilgenommen hätten, alle anderen Unternehmen aber an mindestens zwei Absprachen beteiligt gewesen seien, so dass eine Verzahnung bei den Teilnehmern vorhanden sei, die für eine einheitliche Zuwiderhandlung spreche. Auch eine Gegenüberstellung der Treffen des Industriegarnkartells und der des Autogarnkartells stütze nicht die Behauptung des Vorliegens getrennter Verstöße. Die Treffen seien in beiden Fällen unregelmäßig durchgeführt worden.
52 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
2. Würdigung durch das Gericht
a) Zur Abgrenzung der sachlichen und der räumlichen Märkte
53 Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission der Ansicht war, dass der Markt für Autogarne von dem für Industriegarne sowohl hinsichtlich der Produkte als auch in räumlicher Hinsicht zu unterscheiden sei (siehe oben, Randnrn. 12 bis 16 und 18 bis 20).
54 Einleitend ist festzustellen, dass die Definition des relevanten Marktes, da sie mit der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission verbunden ist, nur Gegenstand einer beschränkten Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 30. März 2000, Kish Glass/Kommission, T‑65/96, Slg. 2000, II‑1885, Randnr. 64, und vom 6. Juni 2002, Airtours/Kommission, T‑342/99, Slg. 2002, II‑2585, Randnr. 26). Er darf allerdings nicht von der Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission absehen. Insoweit hat er zu prüfen, ob die Kommission ihre Beurteilung auf zutreffende, zuverlässige und kohärente Beweise gestützt hat, die alle bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehenden relevanten Daten einschließen und die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 482).
55 Sodann ist zu beachten, dass der in die Erwägungen einzubeziehende Markt die Gesamtheit der Produkte umfasst, die aufgrund ihrer Merkmale in besonderer Weise geeignet sind, gleichbleibende Bedürfnisse zu befriedigen, und in geringem Maße gegen andere Produkte austauschbar sind (Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, 322/81, Slg. 1983, 3461, Randnr. 37). Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass der Begriff des Produktmarkts das Bestehen einer tatsächlichen Konkurrenz zwischen den zu ihm gehörenden Produkten impliziert, was einen hinreichenden Grad an Austauschbarkeit zwischen allen Produkten voraussetzt, die zu demselben Markt gehören (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 28).
56 Die Austauschbarkeit beurteilt sich anhand eines Spektrums von Anhaltspunkten, nämlich nach den Merkmalen der Produkte, den Wettbewerbsbedingungen und der Struktur von Nachfrage und Angebot auf dem Markt (Urteil Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnr. 37).
57 Aus wirtschaftlicher Sicht ist zwar die Nachfragesubstituierbarkeit im Hinblick auf die Lieferanten eines bestimmten Produkts das unmittelbarste und wirksamste Beurteilungskriterium (Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, Slg. 2006, II‑1931, Randnr. 99), doch kann auch die Angebotssubstituierbarkeit zur Bestimmung des relevanten Marktes bei solchen Umsätzen berücksichtigt werden, bei denen sie Auswirkungen hat, die denen der Nachfragesubstituierbarkeit in Unmittelbarkeit und Wirksamkeit gleichwertig sind. Somit bedeutet das Kriterium der Angebotssubstituierbarkeit, dass die Produzenten durch bloße Umstellung auf diesem Markt mit hinreichender Stärke auftreten können, um ein ernst zu nehmendes Gegengewicht zu den dort bereits vorhandenen Produzenten zu bilden (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 829).
58 Zu den Produkten selbst ist festzustellen, dass sie einen getrennten Markt darstellen können, wenn sie durch besondere Produktionsmerkmale zu individualisieren sind, die ihnen für diese Zweckbestimmung eine spezielle Eignung verleihen, oder wenn sie sich aufgrund ihrer Verwendung individualisieren lassen (Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 1973, Europemballage und Continental Can/Kommission, 6/72, Slg. 1973, 215, Randnr. 33).
59 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission eine Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5, im Folgenden: Bekanntmachung über die Marktdefinition) erlassen hat, in der sie die Kriterien klargestellt hat, die bei der Definition eines maßgeblichen Produktmarkts und bei der Abgrenzung des relevanten räumlichen Marktes zu beurteilen sind. Der sachlich relevante Produktmarkt wird in dieser Bekanntmachung so definiert, dass er „sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen [umfasst], die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden“. Der räumlich relevante Markt wird so definiert, dass er „das Gebiet [umfasst], in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet“. Der relevante Markt, in dessen Rahmen ein bestimmtes wettbewerbliches Problem zu beurteilen ist, bestimmt sich durch eine Zusammenschau von Produktmarkt und räumlichem Markt.
60 Im Licht dieser Erwägungen ist die Stichhaltigkeit der Ergebnisse der Kommission in den Erwägungsgründen 14 und 22 der angefochtenen Entscheidung zum Vorhandensein zweier getrennter sachlicher und räumlicher Märkte, nämlich zum einen des Marktes für Autogarne im EWR und zum anderen des Marktes für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern, zu prüfen. Hierzu hat die Kommission zum einen die Nachfragesubstituierbarkeit und zum anderen die Angebotssubstituierbarkeit der Produkte beurteilt.
61 Erstens enthält die angefochtene Entscheidung, was die Nachfragesubstituierbarkeit anbelangt, eine Reihe von Angaben, in denen sich ein Beleg dafür sehen lässt, dass eine solche Substituierbarkeit nicht gegeben ist.
62 Zunächst heißt es in den Erwägungsgründen 14 und 22 der angefochtenen Entscheidung, dass die Nachfrage der Automobilindustrie von Großkunden ausgehe und dass diese deutlich weniger zahlreich seien als die übrigen Unternehmen, die Kunden auf dem Industriegarnmarkt seien. Diese Feststellung ist von den Klägerinnen nicht in Frage gestellt worden. In der mündlichen Verhandlung haben sie bestätigt, dass die Kunden der Automobilbranche aufgrund der sehr bedeutenden Mengen, die sie kauften, die mächtigsten seien.
63 Sodann geht aus den vorgenannten Erwägungsgründen der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kunden der Automobilbranche Garne für ihre in unterschiedlichen Ländern angesiedelten Produktionsstätten kauften und dass sie somit in jedem dieser Länder ein gleichartiges Produkt verlangten. Dieser Gleichartigkeitsbedarf, den die Klägerinnen im Übrigen nicht bestreiten, ist wirtschaftlich gesehen völlig erklärlich. Denn vernünftigerweise ist davon auszugehen, dass die Anpassung der Produktionsmaschinen an den Typ des verwendeten Garns Kosten verursacht. In der Automobilbranche ist die Industrie daher bestrebt, diese Kosten zu senken, indem in großen Mengen ein sehr spezifischer Garntyp gekauft und ihre Produktionsmaschinen in unterschiedlichen Ländern ein einziges Mal hierauf angepasst werden.
64 Schließlich heißt es in den Erwägungsgründen 14 und 22 der angefochtenen Entscheidung, dass Autogarne besonders strengen und für diesen Wirtschaftszweig spezifischen Normen genügen müssten und ihre Rückverfolgbarkeit aus Gründen, die mit der Produktqualität und der Produkthaftung in Verbindung stünden, wesentlich sei. Diese Feststellung haben die Klägerinnen sowohl in der Klageschrift als auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
65 Sie haben nämlich eingeräumt, dass im Allgemeinen die Kunden die Entscheidung über das für ihre Produktion erforderliche Garn träfen und somit das Produkt auswählten, das ihren Bedürfnissen als Verwender entspreche. Die Klägerinnen haben insbesondere hinsichtlich der Kunden der Automobilbranche anerkannt, dass diese verlangten, dass das gekaufte Garn mindestens der Norm ISO 9002 genüge. Sie haben in der mündlichen Verhandlung auch klargestellt, dass besondere, „TS950“ genannte Eigenschaften für die Automobilindustrie vorgegeben seien und dass sie diese Angaben für die Herstellung berücksichtigten.
66 Darüber hinaus haben die Klägerinnen das Verfahren zur Zertifizierung der Garne durch die Kunden der Automobilbranche beschrieben. Zunächst entwickeln die Klägerinnen einen Garntyp, der mindestens der Norm ISO 9002 genügt. Dieses Garn wird dann vom Automobilhersteller, der es in seiner Produktion verwenden möchte, getestet und schließlich von ihm, wenn der Test erfolgreich verläuft, zertifiziert.
67 Im Hinblick auf diese Erwägungen ist einzuräumen, dass das spezifische, von der Automobilindustrie ausgewählte Garn nicht durch andere Industriegarne ersetzt werden kann. Dass dieser Garntyp an andere Kunden als solche der Automobilindustrie verkauft wird, ist insoweit belanglos. Denn im Unterschied zu etwaigen anderen Käufern dieses Produkts kaufen die Unternehmen der Automobilbranche nur dasjenige Garn, das ihm wesenseigene spezifische Qualitäten aufweist und von den genannten Unternehmen aufgrund dieser besonderen Qualitäten zertifiziert worden ist. Daher können die Klägerinnen vernünftigerweise nicht mit Erfolg vortragen, dass auf der Angebotsseite eine Substituierbarkeit vorliege.
68 Auch in den Erklärungen von Coats auf das Auskunftsverlangen der Kommission lässt sich eine Bestätigung für die fehlende Substituierbarkeit auf der Angebotsseite sehen. Denn Coats hat betont, dass bestimmte Kunden aus der Bekleidungsindustrie Stickereigarne ebenso benötigten, wie bestimmte Stickereiwaren‑Kunden Bekleidungsgarne verwendeten. Eine derartige Angebotssubstituierbarkeit bei Kunden der Automobilbranche ist hingegen nicht angesprochen worden.
69 Zweitens war die Kommission zwar der Auffassung, dass Industriegarne, von der Angebotsseite her betrachtet, als ein einheitlicher Produktmarkt gelten könnten, weil es an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Endverwendung und der Faserart bzw. dem Garnaufbau und der Ähnlichkeit oder Austauschbarkeit der Herstellungsprozesse des genannten Garns fehle; allerdings gelangte sie zu dem Ergebnis, dass dies bei den Autogarnen nicht so sei.
70 Für dieses Ergebnis stützte sich die Kommission auf die Besonderheiten der Autogarne, auf die Notwendigkeit, ein standardisiertes Angebot sicherzustellen, und die Fähigkeit, den Bestellungen der Großkunden aus dieser Branche nachzukommen. Sie stützte sich außerdem auf die Tatsache, dass der räumliche Markt für Autogarne den gesamten EWR umfasse, anders als der Markt für Industriegarne, der einen bloß regionalen Charakter habe. Im Hinblick darauf war die Kommission der Ansicht, dass lediglich einige Unternehmen diese Art Nachfrage befriedigen könnten (vgl. angefochtene Entscheidung, 22. Erwägungsgrund).
71 Ziff. 20 der Bekanntmachung über die Marktdefinition zufolge setzt die Angebotssubstituierbarkeit voraus, dass die Anbieter in Reaktion auf kleine, aber dauerhafte Änderungen bei den relativen Preisen in der Lage sind, ihre Produktion auf die relevanten Erzeugnisse umzustellen und sie kurzfristig auf den Markt zu bringen, ohne spürbare Zusatzkosten oder Risiken zu gewärtigen. Sodann betont die Kommission in Ziff. 21 der Bekanntmachung über die Marktdefinition, eine derartige Substituierbarkeit liege gewöhnlich dann vor, wenn Unternehmen verschiedene Sorten oder Qualitäten eines Produkts absetzten und, selbst wenn für einen bestimmten Endverbraucher oder bestimmte Verbrauchergruppen Produkte unterschiedlicher Güte nicht substituierbar seien, sie einem einzigen Produktmarkt zuzuordnen seien. Die Industriegarne entsprechen auf den ersten Blick der Art von Produkt, auf die in Ziff. 21 der Bekanntmachung über die Marktdefinition abgestellt wird.
72 Schließlich bestätigt die Kommission in den Ziff. 22 und 23 der Bekanntmachung über die Marktdefinition mit konkreten Beispielen, dass die betreffenden Anbieter in der Lage sein müssen, diese unterschiedlichen Produktqualitäten sofort und ohne substanzielle Erhöhung der Kosten anzubieten und zu verkaufen, und dass im Stadium des Vertriebs keine besonderen Schwierigkeiten bestehen dürfen.
73 Im Licht dieser Erwägungen ist zu bestimmen, ob die Kommission das Kriterium der Angebotssubstituierbarkeit zutreffend beurteilt hat.
74 Erstens müssen die Autogarnhersteller, wie vorstehend in Randnr. 65 ausgeführt, ihre Produktionsmaschinen so anpassen, dass das hergestellte Garn spezifischen Normen entspricht.
75 Zweitens sind die Argumente der Klägerinnen zu den geringen Herstellungskosten von Autogarn nicht überzeugend. Denn zwar machen die Klägerinnen geltend, dass die Garne im Allgemeinen nicht nur gemäß den Anforderungen der Automobilindustrie hergestellt und in dieser Qualität an die Kunden anderer Industriebranchen geliefert würden, sondern dass die Kosten für die Umstellung der Fabrikationskette auch viel zu hoch wären, müsste man ein Produkt allein für die Automobilbranche herstellen und anschließend die Produktionskette ändern und zur Fabrikation von für andere Industriebranchen bestimmten Produkten anpassen.
76 Ungeachtet dessen verfährt eine bereits auf dem Markt für Autogarne vertretene Gesellschaft, wenn sie aus Gründen der Rationalisierung der Produktion im Wesentlichen Garne herstellt, die unabhängig von der Bestimmung des Produkts der höheren Norm entsprechen, angesichts der erhöhten Kosten, die mit der Produktion nach den spezifischen Autogarnnormen einhergehen, nur deshalb auf diese Weise, weil sie auf dem Automobilmarkt vertreten ist. Eine Gesellschaft, deren Haupttätigkeit Bekleidungs- oder Stickereigarnen gilt, wird mit anderen Worten kein Interesse daran haben, ein Spezialgarn für die Automobilbranche allein deshalb herzustellen, weil sie es womöglich an etwaige Kunden der Automobilbranche verkaufen könnte.
77 Somit ist die Behauptung der Klägerinnen, der zufolge die Produktionskosten für Autogarne so geringfügig höher seien, dass die Produktion immer nach einer höheren Anforderungsnorm erfolge, für die Hersteller von Industriegarnen nicht dargetan.
78 Schließlich haben die Klägerinnen im Lauf des Verwaltungsverfahrens den deutlichen Unterschied der beiden Märkte in räumlicher Hinsicht nicht in Frage gestellt. Amann hat auf das Auskunftsverlangen der Kommission hin den Markt für Autogarne sogar als weltweiten Markt bezeichnet. Auch Coats hat hervorgehoben, dass die spezifischen Merkmale dieses letztgenannten Marktes ihn auf „regionale“ und „globale“ Anbieter beschränkten, wobei die letztgenannten Begriffe im Zusammenhang der Antwort als „den gesamten EWR umfassend“ und „weltweit“ zu verstehen sind.
79 Somit würde die Angebotssubstituierbarkeit voraussetzen, dass die meisten Garnhersteller in der Lage wären, in großen Mengen spezifisches und gleichartiges Garn für jeden Kunden aus dem Wirtschaftszweig der Automobilindustrie herzustellen und dieses Garn kurzfristig im gesamten EWR zu vertreiben. Angesichts der vorstehenden Erwägungen lässt sich dies schwerlich vertreten.
80 Folglich ist der Kommission kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie zu dem Ergebnis gelangte, dass aus Angebotssicht zwei getrennte sachliche und räumliche Märkte vorlägen.
81 Hierbei ist klarzustellen, dass die Kommission die Antworten der Klägerinnen und der übrigen beteiligten Unternehmen, auf deren Grundlage sie zu dem Ergebnis gelangte, dass zwei getrennte Produktmärkte vorlägen, zutreffend beurteilt und ausgelegt hat.
82 Zunächst wollte die Kommission von den Klägerinnen wissen, ob Nähfäden für die Bekleidungsindustrie, Stickfäden für Industriekunden, Spezialfäden für Industriekunden und Verbraucherfäden unterschiedliche Produktmärkte des Wirtschaftszweigs der Garne seien. Die Kommission legte außerdem eine Tabelle vor, um die maßgeblichen räumlichen Märkte für jede der oben genannten Garnkategorien festzulegen, wobei sie als besondere Rubrik „Faden für Automotive‑Kunden“ vorsah. Sie stellte klar, dass diese letztgenannte Kategorie zu den Spezialfäden für Industriekunden gehöre, betonte aber, dass sie erfahren wolle, welcher räumliche Markt für diesen Garntyp nach Ansicht von Amann und Cousin gegeben sei.
83 Auf das vorgenannte Auskunftsverlangen hin führte Amann aus, dass die von der Kommission vorgenommene detaillierte Aufgliederung zutreffend sei, weil „besondere Produktspezifikationen und Kundenbedürfnisse vorliegen, die sich insbesondere im Bereich der Bekleidungsindustrie deutlich von den anderen beiden Segmenten hinsichtlich der Farbvielfalt etc. unterscheiden“. Cousin erklärte sich auch vollständig mit der von der Kommission vorgelegten Segmentierung einverstanden. Das Unternehmen stellte indessen klar, dass es sehr schwierig sei, die Märkte zu bewerten, insbesondere wenn es sich um Spezialfäden handele, da die betreffenden Verwendungen sehr vielfältig seien, wobei das Unternehmen betonte, mehr als 80 Sparten ermittelt zu haben.
84 Die Klägerinnen haben somit zwar explizit eingeräumt, dass der Markt für Spezialfäden ein getrennter Markt sei, aber entgegen dem schriftsätzlichen Vorbringen der Kommission nicht explizit anerkannt, dass der Markt für Autogarne, der im Markt für Spezialfäden enthalten sei, selbst ein getrennter Produktmarkt sei.
85 Gütermann bestätigte auch die von der Kommission vorgeschlagene Unterteilung, äußerte sich aber nicht explizit zum Markt für Autogarne. Coats antwortete auf die Frage nach den Produktmärkten, sie glaube nicht, dass die Unterschiede zwischen den Produkten ausreichten, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass drei getrennte Märkte bestünden, räumte aber die besonderen Merkmale des Marktes für Autogarne, wie vorstehend in Randnr. 78 ausgeführt, ein. Allein Oxley bestätigte den eigenständigen Charakter des Marktes für Autogarne und begründete diesen.
86 Wenn sich auch die Auslegung dieser Angaben im Hinblick auf das Bestehen eines getrennten Marktes für Autogarne nicht als so offenkundig erweist, wie die Kommission dies zu behaupten bestrebt ist, so ändert dies doch nichts daran, dass ihren Schlussfolgerungen kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder irgendeine Verfälschung der Tatsachen anhaftet.
87 Ihre Schlussfolgerungen werden außerdem durch weitere Indizien wie die Internetseiten der Unternehmen bestätigt, die im Allgemeinen eine separate Rubrik für Autogarne aufweisen. Außerdem sind diese Unternehmen sämtlich Inhaber von Marken für Garne, die spezifisch für diesen Bereich geschaffen wurden.
88 Aus alledem folgt, dass der Kommission kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, als sie die Ansicht vertrat, dass sich der Markt für Autogarne und der Markt für Industriegarne im vorliegenden Fall unterschieden.
b) Zum Vorliegen eines „Gesamtplans“
89 Zunächst ist zu beachten, dass der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung eine Situation erfasst, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung, die aus einem fortgesetzten Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder aber an einzelnen Zuwiderhandlungen beteiligt waren, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T‑53/03, Slg. 2008, II‑1333, Randnr. 257).
90 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder auch aus einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 258).
91 Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung kann sich außerdem nach der Rechtsprechung auf die rechtliche Einstufung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens beziehen, das aus Vereinbarungen, aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnrn. 696 bis 698, vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 186, und vom 12. Dezember 2007, BASF/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, Slg. 2007, II‑4949, Randnr. 159).
92 Auch ist klarzustellen, dass der Begriff des einzigen Ziels nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden kann, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 81 Abs. 1 EG erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des einzigen Ziels könnte dem Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise seinen Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einzigen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten. Es ist somit bei der Einstufung unterschiedlicher Vorgänge als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu prüfen, ob zwischen ihnen insofern ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf ein einziges Ziel gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die diese Verbindung nachweisen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und im Zusammenhang damit das Ziel der verschiedenen fraglichen Handlungen (vgl. in diesem Sinne Urteil BASF/Kommission, oben in Randnr. 91 angeführt, Randnrn. 179 bis 181).
93 Die Kommission kann somit aus objektiven Gründen getrennte Verfahren einleiten, mehrere getrennte Zuwiderhandlungen feststellen und mehrere getrennte Geldbußen verhängen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: Urteil Tokai II, Randnr. 124).
94 Schließlich ist festzustellen, dass die Einstufung bestimmter rechtswidriger Handlungen als eine einzige Zuwiderhandlung oder als eine Mehrzahl von Zuwiderhandlungen sich grundsätzlich auf die mögliche Sanktion auswirkt. Denn die Bejahung einer Mehrzahl von Zuwiderhandlungen kann die Verhängung mehrerer getrennter Geldbußen nach sich ziehen, jeweils innerhalb der durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23. Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgesetzten Grenzen (Urteil BASF/Kommission, oben in Randnr. 91 angeführt, Randnr. 158).
95 Im Licht dieser Erwägungen ist zu beurteilen, ob ein „Gesamtplan“ vorliegt.
96 Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerinnen hauptsächlich vortragen, das verbindende subjektive Element habe im vorliegenden Fall darin bestanden, dass die Zuwiderhandlungen sämtlich darauf abgezielt hätten, die normale Preisentwicklung zu verfälschen. Ein derartiges Ziel zum Verfälschen der Preise wohnt indes jedem Preiskartell inne und kann an sich nicht hinreichend beweisen, dass ein verbindendes subjektives Element vorliegt. Insoweit ist die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen keineswegs von dem Grundsatz ausgegangen, es bestehe zwischen den Zuwiderhandlungen in der angefochtenen Entscheidung eine Verbindung. Im 269. Erwägungsgrund dieser Entscheidung hat sie lediglich auf das einzige wettbewerbswidrige Ziel und den einzigen wirtschaftlichen Zweck hingewiesen, der in einer dieser Art von Kartell innewohnenden Verfälschung der normalen Preisentwicklung liegt, wobei sie betonte, dass dieses Ziel und dieser Zweck bei jeder der drei verschiedenen Zuwiderhandlungen verfolgt werde.
97 Die Kommission hat sich sodann, um zu widerlegen, dass eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliege, neben dem Umstand, dass der Markt für Autogarne und der für Industriegarne voneinander getrennte Märkte seien, wie im Übrigen vorstehend in den Randnrn. 53 bis 88 ausgeführt, im Wesentlichen darauf berufen, dass die meisten der an den Kartellen beteiligten Teilnehmer nicht identisch seien und dass es an einer Gesamtkoordinierung der Kartelle fehle. Die Klägerinnen konnten diese Kriterien nicht in Frage stellen und haben somit nicht bewiesen, dass zwischen den unterschiedlichen wettbewerbswidrigen Handlungen eine „enge Verbindung“ bestehe.
98 Was erstens das Kriterium dafür betrifft, dass die Teilnehmer nicht identisch gewesen seien, hat die Kommission in den Erwägungsgründen 96 und 216 der angefochtenen Entscheidung die Teilnehmer am Kartell auf dem Markt für Autogarne und am Kartell auf dem Markt für Industriegarne aufgeführt. Sie hat sodann im 265. Erwägungsgrund Buchst. a der angefochtenen Entscheidung die Ansicht vertreten, dass die meisten der Unternehmen nur an einem einzigen Kartell beteiligt gewesen seien, da sie nicht auf den von dem anderen Kartell erfassten Märkten tätig gewesen seien.
99 Festzustellen ist, dass sich von den zehn Unternehmen, die an dem einen und/oder dem anderen dieser Kartelle beteiligt waren, lediglich drei an beiden Kartellen beteiligten. Ackermann Nähgarne GmbH & Co, Bieze Stork BV, BST, Cousin, Gütermann, Zwicky und Oxley waren nämlich nur an einem von ihnen beteiligt. Nur Coats, Barbour (bis zu ihrer Übernahme durch Coats) und Amann waren an beiden Kartellen beteiligt. Allein die Tatsache, dass diese drei Unternehmen an beiden Kartellen beteiligt waren, kann für sich genommen kein Indiz für das Bestehen einer gemeinsamen Strategie darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Tokai II, oben in Randnr. 93 angeführt, Randnr. 120). Außerdem ist zu betonen, dass abgesehen von Barbour die Vertreter der Unternehmen bei den Zusammenkünften im Rahmen des Kartells auf dem Markt für Autogarne und dem auf dem Markt für Industriegarne während der Zeit, in der sich diese beiden Kartelle überschnitten (1998–2000), nicht identisch waren.
100 Folglich ist die Feststellung der Kommission im 265. Erwägungsgrund Buchst. a der angefochtenen Entscheidung nicht offensichtlich fehlerhaft.
101 Auch der Inhalt der Kartelle kann, zweitens, nicht zur Rechtfertigung der These vom Bestehen eines Gesamtplans dienen. Aus der angefochtenen Entscheidung geht nämlich hervor, dass sich die jeweiligen Inhalte des Kartells auf dem Markt für Autogarne und des Kartells auf dem Markt für Industriegarne in dieser Hinsicht deutlich unterscheiden.
102 Zum Kartell auf dem Markt für Autogarne ergibt sich aus den Erwägungsgründen 215, 220, 223, 224, 226, 228 bis 230, 233 bis 236 und 238 der angefochtenen Entscheidung zum einen, dass sich die zwischen den Kartellteilnehmern ausgetauschten Informationen auf die Preise bezogen, die gegenüber bestimmten Kunden angewandt wurden, und zum anderen, dass die geschlossenen Vereinbarungen in der Festlegung von Mindestzielpreisen für die der Kundschaft der Automobilbranche verkauften Kernprodukte, von zwei Arten von Zielpreisen für bestehende Kunden und Neukunden und von Mindestzielpreisen für einzelne Kunden bestanden, auf die sich der Informationsaustausch bezog. Die Beteiligten verpflichteten sich auch dazu, es zugunsten des etablierten Lieferanten zu vermeiden, dessen Preise zu unterbieten.
103 Zum Kartell auf dem Markt für Industriegarne ergibt sich aus den Erwägungsgründen 99 bis 153 der angefochtenen Entscheidung zum einen, dass sich die ausgetauschten Informationen auf Preislisten und Rabatte, die Erhöhung der Listenpreise, die Senkung von Preisnachlässen und die Erhöhung von Sonderpreisen für bestimmte Kunden bezogen, und zum anderen, dass sich die Parteien über die zukünftigen Preislisten, Maximalrabatte, Rabattsenkungen und die Erhöhung der Sonderpreise für bestimmte Kunden verständigt sowie Vereinbarungen zwecks Verhinderung der Unterbietung der Preise des etablierten Lieferanten geschlossen hatten.
104 Die vorgenannten Erwägungsgründe der angefochtenen Entscheidung bestätigen, dass sich die beiden Kartelle im Hinblick auf ihren Inhalt deutlich unterscheiden. Allein dass es die eine oder andere Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Kartellen gibt, wie etwa die Vereinbarungen zwecks Verhinderung der Unterbietung der Preise des etablierten Lieferanten, vermag diese Feststellung nicht in Frage zu stellen.
105 Die Funktionsweisen dieser beiden Kartelle waren, drittens, weitgehend unterschiedlich. Denn wie die Kommission im 218. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, wurde das Kartell auf dem Markt für Autogarne auf recht flexible Weise in Form von kleinen, unregelmäßigen Zusammenkünften organisiert, die durch häufige bilaterale Kontakte ergänzt wurden. Die Erwägungsgründe 96 bis 99 und 149 bis 153 der angefochtenen Entscheidung lassen erkennen, dass das Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern sich darin niederschlug, dass mindestens einmal im Jahr ein Treffen abgehalten wurde und dass diese Treffen in zwei Teile unterfielen, nämlich eine Sitzung für den Markt der nordischen Länder und eine andere für den der Beneluxländer. Außerdem lässt sich diesen Erwägungsgründen entnehmen, dass regelmäßig bilaterale Kontakte stattfanden.
106 Im Lichte dessen ist der Kommission kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie in den Erwägungsgründen 265 bis 267 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangte, dass das Kartell auf dem Markt für Autogarne und dasjenige auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern voneinander zu unterscheiden seien und dass hierin zwei getrennte Zuwiderhandlungen lägen.
107 Hierzu ist festzustellen, dass das Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Beneluxländern und dasjenige auf dem Markt für Industriegarne in den nordischen Ländern im Gegensatz zu dem Kartell auf dem Markt für Autogarne deswegen als eine einheitliche Zuwiderhandlung angesehen wurden, weil die Produkte identisch waren, am Kartell dieselben Teilnehmer beteiligt waren, Inhalt und Funktionsweise des Kartells ähnlich waren, die Treffen am selben Tag stattfanden und die teilnehmenden Unternehmen dort durch dieselben Personen vertreten wurden.
108 Nicht erheblich ist außerdem zum einen das Vorbringen, das auf intern sich überschneidende Zuständigkeiten bei den Klägerinnen auf dem Gebiet des Vertriebs von Industriegarnen und von Autogarnen gestützt wird, und zum anderen dasjenige, das darauf gestützt wird, dass die obersten Führungsebenen und Gesellschafter der beteiligten Unternehmen zwangsläufig über die verschiedenen Kartelle informiert gewesen sein müssten. Hierin liegt in keiner Weise ein Beweis für ein verbindendes subjektives Element.
109 Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerinnen zum Vorliegen einer Gesamtkoordination, das aus häufigen Kontakten eines Vertreters von Coats mit dem Geschäftsführer von Amann hergeleitet wird. Aus den Akten geht hervor, dass diese keine Erklärung enthalten, die als Hinweis auf eine Gesamtkoordination ausgelegt werden könnte. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen eingeräumt, dass sie dem Gericht kein konkretes Schriftstück vorlegen konnten, das einen Willen zur Gesamtkoordination zwischen Amann und Coats belegte.
110 Schließlich tragen die Klägerinnen zu Unrecht vor, dass das Kriterium der Abgrenzung der Produktmärkte kein brauchbares Beurteilungskriterium sein könne, da es der Kommission bei verwandten Produkten einen unkontrollierbaren Wertungsspielraum eröffne, um das Vorliegen zweier getrennter Zuwiderhandlungen festzustellen. Denn zum einen ist das genannte Ermessen der Kommission nicht unbegrenzt, da die Kommission weiterhin der Kontrolle des Gerichts, wie vorstehend in Randnr. 54 ausgeführt, unterliegt. Zum anderen war das sich auf die Produktmärkte beziehende Kriterium im vorliegenden Fall nur ein Kriterium unter anderen, anhand deren das Vorliegen zweier getrennter Zuwiderhandlungen festgestellt wurde.
111 Im Hinblick auf alle diese Erwägungen ist der Klagegrund, der aus einem Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 hergeleitet wird, als unbegründet zurückzuweisen.
B – Zu den eine Herabsetzung der Geldbuße betreffenden Klagegründen
1. Zum von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund der Nichtbeachtung der Sanktionsobergrenze gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003
a) Vorbringen der Parteien
112 Der von den Klägerinnen vorgebrachte Klagegrund umfasst drei Rügen.
113 Im Rahmen der ersten Rüge machen die Klägerinnen geltend, dass die beiden Zuwiderhandlungen in Wirklichkeit nur eine einzige Zuwiderhandlung seien und dass folglich gegen sie nur eine einzige Geldbuße verhängt werden könne, wobei deren Betrag nicht die Höchstgrenze von 10 % des Gesamtumsatzes übersteigen dürfe. Der sich nach Addition ergebende Gesamtbetrag übersteige die genannte Höchstgrenze, so dass gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen werde.
114 Insoweit tragen sie vor, dass der Grundsatz nulla poena sine lege des Gemeinschaftsverfassungsrechts verletzt worden sei. Im Wesentlichen kritisieren sie, dass sich die Kommission durch eine Aufteilung der Märkte, für die parallele Verstöße festgestellt worden seien, einen unbegrenzten Spielraum verschaffen könne, um Geldbußen über die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes hinaus festsetzen zu können. Aus dem Gesetzlichkeitsprinzip folge nicht nur das Verbot für den Richter, Strafen ohne gesetzliche Grundlage zu verhängen, sondern auch das Gebot an den Gesetzgeber, Strafnormen bestimmt und klar zu fassen. So gelte das Gebot der Klarheit sowohl auf der Tatbestandsseite als auch auf der Rechtsfolgenseite einer Norm. Derartige Anforderungen gälten auch für die vorgenannten Bestimmungen, die Geldbußen für Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln vorsähen.
115 Die Klägerinnen haben, in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung ihres Vorbringens aufgefordert, klargestellt, dass dieses Vorbringen dahin zu verstehen sei, dass auch die Rechtmäßigkeit der Norm selbst in Frage gestellt werde, und dass sie folglich gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Einrede der Rechtswidrigkeit erhöben.
116 Das Argument der Kommission, dass sie zur Beachtung des Grundsatzes ne bis in idem verpflichtet sei, weisen sie außerdem zurück, da dieser Grundsatz keine Gewähr für die Richtigkeit der Annahme einer oder mehrerer Zuwiderhandlungen biete. Im Wesentlichen tragen sie vor, dass die Problematik im Vorfeld bestehe, d. h. schon bei der Bestimmung, ob eine oder mehrere Zuwiderhandlungen vorlägen.
117 Mit ihrer zweiten Rüge machen die Klägerinnen geltend, dass die Kommission für mehrere Zuwiderhandlungen eine einheitliche Geldbuße verhängen könne, wenn diese Zuwiderhandlungen die gleiche Art von Verhaltensweisen auf verschiedenen Märkten bezweckten und deren Teilnehmer weitgehend dieselben Unternehmen seien. Diese beiden Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.
118 Die Kommission sei von ihrer früheren Praxis abgewichen, ohne dies zu begründen. Wenn sie von dem ihr zustehenden Ermessen bezüglich der Verhängung einer einzigen Geldbuße für mehrere Zuwiderhandlungen keinen Gebrauch mache, sei sie nämlich nach allgemeinen Grundsätzen des europäischen Verwaltungsrechts verpflichtet, den Ermessensnichtgebrauch zu begründen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission daher Art. 253 EG verletzt.
119 Die Klägerinnen vergleichen sodann die angefochtene Entscheidung mit der Entscheidung der Kommission vom 21. November 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/37.512 – Vitamine) (ABl. 2003, L 6, S. 1, im Folgenden: Vitamine-Entscheidung). Die Kommission habe dort die für die einzelnen Verstöße verhängten Geldbußen zu einer Gesamtgeldbuße zusammengezogen und mithin die Beachtung der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes für notwendig erachtet. Ebenso wie in der Vitamin-Entscheidung bestehe im vorliegenden Fall zwischen den Kartellen ein enger sachlicher und „räumlich‑zeitlicher“ Zusammenhang.
120 Mit ihrer dritten Rüge machen die Klägerinnen geltend, dass der von der Kommission gewollte Abschreckungseffekt bereits mit der Verhängung der Geldbuße für die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne erreicht worden sei. Die Kommission hätte dies daher bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße zur Ahndung des Kartells über Autogarne berücksichtigen müssen.
121 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
b) Würdigung durch das Gericht
122 Der vorliegende, von den Klägerinnen geltend gemachte Klagegrund besteht im Kern aus drei Rügen; die erste wird aus einer Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege, die zweite aus der Verpflichtung, für mehrere Zuwiderhandlungen eine einheitliche Geldbuße zu verhängen, und die dritte aus der Verkennung der zulässigen Sanktionsziele hergeleitet.
Zur Rüge der Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege und zur gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit
123 Erstens ist die Einrede der Rechtswidrigkeit zu prüfen, die von den Klägerinnen gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 auf dreierlei Ebenen vorgebracht wird. An erster Stelle tragen sie im Kern vor, dass schon der Begriff der Zuwiderhandlung, wie er in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorkomme, unklar sei. Zweitens machen sie geltend, dass auch der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nicht klar definiert sei und dass die Kommission somit willkürlich die Bemessung der Höhe der Geldbuße durch Aufteilung der Märkte, für die parallele Zuwiderhandlungen festgestellt worden seien, beeinflussen könne. Drittens tragen sie vor, dass die in diesem Artikel vorgesehenen Sanktionen ebenfalls unbestimmt seien.
124 Vorab ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts handelt und der insbesondere verlangt, dass jede Gemeinschaftsregelung, insbesondere wenn sie die Verhängung von Sanktionen vorschreibt oder gestattet, klar und bestimmt ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 9. Juli 1981, Gondrand und Garancini, 169/80, Slg. 1981, 1931, Randnr. 17, und vom 13. Februar 1996, Van Es Douane Agenten, C‑143/93, Slg. 1996, I‑431, Randnr. 27, sowie Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnr. 66).
125 Dieser Grundsatz, der zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gehört und in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen, u. a. in Art. 7 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK), verankert wurde, ist sowohl bei Normen mit strafrechtlichem Charakter als auch bei spezifischen verwaltungsrechtlichen Regelungen zu beachten, die die Verhängung von Sanktionen durch die Verwaltung vorschreiben oder gestatten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 18. November 1987, Maizena u. a., 137/85, Slg. 1987, 4587, Randnr. 15). Er gilt nicht nur für Normen, die die Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung festlegen, sondern auch für diejenigen, die die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen Erstere regeln (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 12. Dezember 1996, X, C‑74/95 und C‑129/95, Slg. 1996, I‑6609, Randnr. 25, und Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 67).
126 Insoweit bestimmt Art. 7 Abs. 1 EMRK:
„Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.“
127 Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) folgt aus dieser Bestimmung, dass die Zuwiderhandlungen und die Strafen, mit denen sie bedroht sind, gesetzlich klar definiert sein müssen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsbürger dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmung, gegebenenfalls anhand ihrer Auslegung durch die Gerichte, entnehmen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Haftung auslösen (vgl. Urteil des EGMR vom 22. Juni 2000, Coëme u. a./Belgien, Recueil des arrêts et décisions, 2000-VII, § 145) (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 69).
128 Aus der Rechtsprechung des EGMR geht hervor, dass es zur Erfüllung der Anforderungen von Art. 7 Abs. 1 EMRK nicht erforderlich ist, dass die Vorschriften, aufgrund deren diese Sanktionen verhängt werden, so genau formuliert sind, dass die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen sie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar sind (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 71).
129 Nach der Rechtsprechung des EGMR führt die Existenz vager Begriffe in einer Bestimmung nämlich nicht zwangsläufig zu einem Verstoß gegen Art. 7 EMRK, und die Tatsache, dass ein Gesetz ein Ermessen einräumt, verletzt als solche nicht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit, sofern der Umfang und die Modalitäten der Ausübung eines solchen Ermessens im Hinblick auf das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um dem Einzelnen angemessenen Schutz vor Willkür zu gewähren (vgl. Urteil des EGMR vom 25. Februar 1992, Margareta und Roger Andersson/Schweden, Serie A, Nr. 226, § 75). Dabei berücksichtigt der EGMR neben dem Wortlaut des Gesetzes selbst die Frage, ob die verwendeten unbestimmten Begriffe durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung präzisiert wurden (Urteil des EGMR vom 27. September 1995, G./Frankreich, Serie A, Nr. 325‑B, § 25) (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 72).
130 Zur Gültigkeit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, wie er vom Gemeinschaftsrichter in Einklang mit den von der EMRK gelieferten Anhaltspunkten und den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten anerkannt worden ist, ist zu betonen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen erstens bei der Feststellung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln, zweitens hinsichtlich der Frage, ob die verschiedenen Verstöße eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung oder mehrere selbständige Zuwiderhandlungen darstellen, und drittens bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen für die Zuwiderhandlungen nicht über einen unbegrenzten Wertungsspielraum verfügt.
131 Erstens handelt es sich bei den Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln, derentwegen die Kommission gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen verhängen kann, allein um Verstöße gegen die Bestimmungen der Art. 81 EG oder 82 EG. Zu Unrecht tragen die Klägerinnen vor, dass die Kommission über einen unbegrenzten Wertungsspielraum bei der Bejahung derartiger Zuwiderhandlungen verfüge. Zum einen ist daran zu erinnern, dass die Frage, ob die Voraussetzungen der Art. 81 EG und 82 EG vorliegen, grundsätzlich einer umfassenden Kontrolle des Gemeinschaftsrichters unterliegt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission, C‑7/95 P, Slg. 1998, I‑3111, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, Slg. 2008, II‑1501, Randnr. 144). Zum anderen räumt die Rechtsprechung zwar dann, wenn diese Feststellung die Vornahme vielschichtiger wirtschaftlicher oder technischer Beurteilungen impliziert, der Kommission einen gewissen Wertungsspielraum ein, doch ist dieser in keinem Fall unbegrenzt. Denn das Vorliegen eines solchen Wertungsspielraums bedeutet nicht, dass sich das Gericht einer Kontrolle der Art und Weise enthalten müsste, wie die Kommission derartige Daten auslegt. Der Gemeinschaftsrichter muss nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).
132 Im Übrigen tragen die Klägerinnen nicht vor, dass es die Definition einer der in Art. 81 EG angegebenen Zuwiderhandlungsarten, die in „Vereinbarungen zwischen Unternehmen … [bestehen], welche … eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere … die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen …“, ihnen nicht ermöglicht habe, sich dessen bewusst zu sein, dass die Kartelle auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern sowie das Kartell auf dem Markt für Autogarne im EWR Zuwiderhandlungen im Sinne des genannten Art. 81 EG darstellten und sie somit dafür zur Verantwortung gezogen würden.
133 Zum angeblichen Fehlen von Kriterien, die die Feststellung erlauben, ob eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung oder mehrere selbständige Zuwiderhandlungen vorliegen, ist einzuräumen, dass die genannten Kriterien als solche weder in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 noch in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, noch in Art. 81 EG genannt werden. Der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung hat allerdings in ständiger und veröffentlichter Rechtsprechung Verwendung gefunden. Kriterien wie die Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und die der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren), anhand deren bestimmt werden soll, ob sich die begangenen Verstöße in einen „Gesamtplan“ einfügen und mithin Teil einer einheitlichen Zuwiderhandlung sind, wurden über Jahre hinweg in der Rechtsprechung, etwa der vorstehend in Randnr. 89 angeführten, verfeinert.
134 Die Kommission kann somit aus objektiven Gründen getrennte Verfahren einleiten, getrennte Zuwiderhandlungen feststellen und mehrere getrennte Geldbußen verhängen (vgl. in diesem Sinne Urteil Tokai II, oben in Randnr. 93 angeführt, Randnr. 124).
135 Insoweit ergibt sich klar aus der Prüfung des auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung abzielenden Klagegrundes (oben, Randnrn. 53 ff.), dass die von der Kommission zur Bejahung des Vorliegens zweier unterschiedlicher Zuwiderhandlungen angewandten Kriterien feststehende, aus der Rechtsprechung hervorgegangene Kriterien sind.
136 Zwar belassen bestimmte Kriterien der Kommission einen weiten Wertungsspielraum, doch ändert dies nichts daran, dass die vom Gemeinschaftsrichter ausgeübte Kontrolle dieses Ermessens gerade ermöglicht hat, in einer ständigen und veröffentlichten Rechtsprechung bestimmte Begriffe klarzustellen. Dies gilt insbesondere für die Definition des sachlichen und räumlichen Marktes, die im vorliegenden Fall von der Kommission angewandt worden ist und wofür die Kommission komplexe wirtschaftliche Beurteilungen anstellen musste. Wie im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes dargelegt (oben, Randnrn. 53 ff.), musste sich die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens an die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien wie die Angebots- und die Nachfragesubstituierbarkeit halten.
137 Darüber hinaus hat die Kommission im Interesse der Transparenz und zur Erhöhung der Rechtssicherheit der betroffenen Unternehmen die Bekanntmachung über die Marktdefinition veröffentlicht, in der sie die Kriterien darlegt, die sie zur Definition des relevanten Marktes in jedem Einzelfall anwendet. Insoweit hat die Kommission dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass sie diese künftig auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, selbst die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass ein solches Verhalten gegebenenfalls wegen Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Gleichbehandlung und den Vertrauensschutz geahndet würde. Außerdem stellt die Bekanntmachung über die Marktdefinition zwar nicht die Rechtsgrundlage der Entscheidung dar, doch bestimmt sie allgemein und abstrakt die Kriterien, die sich die Kommission auferlegt hat, um zu bestimmen, ob es sich für die Feststellung des Vorhandenseins einer oder mehrerer Zuwiderhandlungen um einen Markt oder mehrere Märkte handelt, und stellt damit die Rechtssicherheit für die Unternehmen sicher (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 211 und 213). Folglich trug die Bekanntmachung über die Marktdefinition zur Klarstellung der Grenzen der Ausübung des Ermessens der Kommission bei, die bereits aus Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 resultieren.
138 Hierbei ergibt sich aus den Ziff. 4 und 5 der Bekanntmachung über die Marktdefinition, dass „die Kommission ihre Politik und Entscheidungspraxis im Wettbewerbsbereich transparenter gestalten [möchte]“ und „[m]ehr Transparenz … auch Unternehmen und ihren Beratern dabei helfen [wird], besser die Fälle vorauszusehen, in denen die Kommission Wettbewerbsbedenken erheben könnte. Dies könnten Unternehmen bei ihren Entscheidungen, beispielsweise über … das Eingehen bestimmter Vereinbarungen[,] berücksichtigen.“
139 Somit kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf die vorstehend genannten Anhaltspunkte – falls erforderlich mit Hilfe eines Rechtsberaters – in hinreichend genauer Weise vorhersehen, welche Methode die Kommission anwenden wird, um für bestimmte Verhaltensweisen eines Unternehmens festzustellen, ob eine einheitliche und fortgesetzte oder mehrere selbständige Zuwiderhandlungen vorliegen.
140 Drittens ist in Bezug auf die angeblich fehlende Klarheit der Sanktionen, die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen sind, festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht über einen unbegrenzten Wertungsspielraum verfügt, um Geldbußen wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsvorschriften festzusetzen (vgl. entsprechend Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 74).
141 Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 beschränken nämlich das Ermessen der Kommission. Diese Vorschriften sehen zum einen ein objektives Kriterium vor, dem zufolge die verhängte Geldbuße bei jedem Unternehmen oder jeder Unternehmensvereinigung 10 % des Umsatzes nicht übersteigen darf. Mithin besteht für die mögliche Geldbuße eine bezifferbare und absolute Obergrenze, die unternehmensspezifisch für jeden Fall der Zuwiderhandlung berechnet wird, so dass der Maximalbetrag der Geldbuße, die gegen ein bestimmtes Unternehmen verhängt werden kann, im Voraus bestimmbar ist. Zum anderen verlangen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, der deren Art. 23 Abs. 2 ergänzt, von der Kommission, bei der Festsetzung der Geldbußen in jedem Einzelfall „sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen“ (vgl. entsprechend Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 75).
142 Es ist zwar richtig, dass der Kommission das objektive Kriterium der Obergrenze der Geldbuße und die subjektiven Kriterien der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung einen weiten Wertungsspielraum belassen, doch ändert dies nichts daran, dass es sich um Kriterien handelt, die es der Kommission erlauben, Sanktionen unter Berücksichtigung des Grades der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens zu verhängen. Daher ist in diesem Stadium davon auszugehen, dass Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003, obwohl sie der Kommission einen gewissen Wertungsspielraum belassen, die Kriterien und die Grenzen definieren, die für sie bei der Ausübung ihres Ermessens auf dem Gebiet der Geldbußen gelten (vgl. entsprechend Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 76).
143 Ferner ist festzustellen, dass die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die allgemeinen Rechtsgrundsätze und ganz besonders die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts zu beachten hat (vgl. entsprechend Urteile des Gerichts Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 77, und vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg. 2008, II‑2567, Randnr. 41).
144 Hinzuzufügen ist außerdem, dass der Gerichtshof und das Gericht nach Art. 229 EG und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 mit einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über Klagen gegen die Entscheidungen befinden, mit denen die Kommission Geldbußen festsetzt, und somit nicht nur die Entscheidungen der Kommission für nichtig erklären, sondern auch die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen können. Die Verwaltungspraxis der Kommission unterliegt somit der unbeschränkten Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 41). Diese vom Gemeinschaftsrichter unter Beachtung der in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und in Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgestellten Kriterien ausgeübte Kontrolle hat es gerade ermöglicht, in einer ständigen und veröffentlichten Rechtsprechung etwaige unbestimmte Begriffe in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, die in Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 wieder aufgegriffen worden sind, zu präzisieren (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 79).
145 Im Übrigen hat die Kommission auf der Grundlage der in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und später in Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 herangezogenen und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts präzisierten Kriterien eine bekannte und zugängliche Verwaltungspraxis entwickelt. Auch wenn die Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet (vgl. Urteil des Gerichts vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission, T‑241/01, Slg. 2005, II‑2917, Randnr. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung), darf doch die Kommission nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung weder vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich noch unterschiedliche Sachverhalte gleich behandeln, sofern dies nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1984, Sermide, 106/83, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 309).
146 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Kommission im Interesse der Transparenz und zur Erhöhung der Rechtssicherheit der betroffenen Unternehmen Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), veröffentlicht hat, in denen sie die Berechnungsmethode darlegt, zu deren Anwendung sie sich in jedem Einzelfall verpflichtet. Die vorstehend in Randnr. 137 angestellten Erwägungen zur Bekanntmachung über die Marktdefinition gelten auch für die Leitlinien. Denn die Kommission hat dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass sie diese künftig auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, selbst die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne sich gegebenenfalls wegen Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Gleichbehandlung und den Vertrauensschutz einer Sanktion auszusetzen. Außerdem stellen die Leitlinien zwar nicht die Rechtsgrundlage der Entscheidung dar, doch enthalten sie eine allgemeine und abstrakte Regelung der Methodik, die sich die Kommission zur Festsetzung der in dieser Entscheidung verhängten Geldbußen auferlegt hat, und stellen damit die Rechtssicherheit für die Unternehmen sicher (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 137 angeführt, Randnrn. 211 und 213). Folglich war der Erlass der Leitlinien, da er sich in den durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und später in Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgegebenen rechtlichen Rahmen einfügte, ein Beitrag zur Klarstellung der Grenzen für die Ausübung des der Kommission durch diese Bestimmung bereits eingeräumten Ermessens (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 82).
147 Somit kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf die verschiedenen oben genannten Anhaltspunkte – falls erforderlich mit Hilfe eines Rechtsberaters – in hinreichend genauer Weise die Methode und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohen. Dass dieser Wirtschaftsteilnehmer die Höhe der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, nicht im Voraus genau erkennen kann, stellt keine Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen dar, da aufgrund der Schwere der von der Kommission zu ahndenden Zuwiderhandlungen die Ziele der Repression und der Abschreckung es rechtfertigen, die Unternehmen daran zu hindern, den Nutzen einzuschätzen, den sie aus ihrer Beteiligung an einer Zuwiderhandlung ziehen würden, indem sie im Voraus die Höhe der Geldbuße berücksichtigen, die ihnen aufgrund dieses rechtswidrigen Verhaltens auferlegt würde (Urteile Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 83, und Schunk und Schunk Kohlenstoff‑Technik/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 45).
148 Selbst wenn die Unternehmen nicht in der Lage sind, die Höhe der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, im Voraus genau zu erkennen, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 253 EG verpflichtet ist, in der Entscheidung, mit der eine Geldbuße festgesetzt wird, ungeachtet des allgemein bekannten Kontextes der Entscheidung eine Begründung u. a. für die Höhe der verhängten Geldbuße und die dabei angewandte Methode zu geben. Diese Begründung muss die Überlegungen der Kommission so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es den Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie die Zweckmäßigkeit der Anrufung des Gemeinschaftsrichters beurteilen können, und dass dieser gegebenenfalls seine Kontrolle wahrnehmen kann (Urteile Degussa/Kommission, oben in Randnr. 124 angeführt, Randnr. 84, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 46).
149 Was zweitens das Argument betrifft, dass eine einzige Zuwiderhandlung vorgelegen und folglich die Obergrenze von 10 % des Umsatzes überschritten worden sei, hat zum einen, wie dargelegt, die Prüfung des auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung abzielenden Klagegrundes ergeben, dass die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zwei getrennte Zuwiderhandlungen vorlagen. Wie vorstehend in Randnr. 94 ausgeführt, kann die Feststellung einer Mehrzahl von Zuwiderhandlungen die Verhängung mehrerer getrennter Geldbußen nach sich ziehen, jeweils innerhalb der durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23. Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgesetzten Grenzen. Somit konnte die Kommission grundsätzlich jede der Zuwiderhandlungen mit einer Geldbuße ahnden und war zunächst einmal nicht verpflichtet, eine einzige umfassende Geldbuße zu verhängen.
150 Zum anderen ist zu prüfen, ob der Gesamtbetrag der gegenüber einem Unternehmen, das mehrere Zuwiderhandlungen begangen hat, verhängten Geldbußen die Obergrenze von 10 % übersteigen darf. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Geldbuße gegen jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 10 % seines bzw. ihres im vorausgegangenen Geschäftsjahr jeweils erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen darf. Von der Summe der verschiedenen gegen eine Gesellschaft verhängten Geldbußen ist in dieser Bestimmung keine Rede. Falls die Klägerinnen tatsächlich getrennte Zuwiderhandlungen begangen haben, spielt es keine Rolle, ob die Zuwiderhandlungen in mehreren Entscheidungen oder in einer einzigen Entscheidung festgestellt werden; die einzige maßgebliche Frage ist somit, ob tatsächlich getrennte Zuwiderhandlungen vorliegen. Die Einstufung bestimmter rechtswidriger Handlungen als eine einzige Zuwiderhandlung oder als eine Mehrzahl von Zuwiderhandlungen wirkt sich mithin grundsätzlich auf die mögliche Sanktion aus, da die Feststellung einer Mehrzahl von Zuwiderhandlungen die Verhängung mehrerer getrennter Geldbußen nach sich ziehen kann, jeweils innerhalb der durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23. Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgesetzten Grenzen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile Tokai II, oben in Randnr. 93 angeführt, Randnr. 118, und BASF/Kommission, oben in Randnr. 91 angeführt, Randnr. 158).
151 Daraus folgt, dass die Kommission den Grundsatz nulla poena sine lege nicht verletzt hat, indem sie zwei Geldbußen verhängte, deren Beträge zusammengenommen die Obergrenze von 10 % des Umsatzes der Klägerinnen übersteigen.
152 Aus allen diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Rüge der Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege und die gegenüber Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23. Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit zurückzuweisen sind.
Zu der Rüge, dass für mehrere Zuwiderhandlungen eine einzige Geldbuße zu verhängen sei
153 Das von den Klägerinnen hilfsweise vorgebrachte Argument, wonach selbst bei Vorliegen zweier getrennter Zuwiderhandlungen eine einzige umfassende Geldbuße hätte verhängt werden müssen, ist zurückzuweisen.
154 Zwar ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Kommission eine einzige Geldbuße für verschiedene Zuwiderhandlungen verhängen darf (Urteile des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission, T‑83/91, Slg. 1994, II‑755, Randnr. 236, vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 4761, und vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnr. 265).
155 Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Befugnis, von der die Kommission unter bestimmten Umständen Gebrauch machen kann, insbesondere dann, wenn sich die Zuwiderhandlungen in eine kohärente Gesamtstrategie einreihen (vgl. in diesem Sinne Urteile Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 154 angeführt, Randnrn. 4761 bis 4764, und Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 154 angeführt, Randnr. 236), wenn ein einziger Rechtsverstoß vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 127) oder wenn die in der Entscheidung der Kommission festgestellten Zuwiderhandlungen die gleiche Art von Verhaltensweisen auf verschiedenen Märkten, insbesondere die Festlegung von Preisen und Quoten und den Austausch von Informationen, bezweckten und wenn an diesen Zuwiderhandlungen weitgehend dieselben Unternehmen beteiligt waren (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Cockerill Sambre/Kommission, T‑144/89, Slg. 1995, II‑947, Randnr. 92). Die Prüfung des ersten Klagegrundes hat gezeigt, dass derartige Umstände hier nicht vorlagen.
156 Aus dieser Rechtsprechung lässt sich ebenso wenig ableiten, dass es eine frühere Praxis der Kommission gegeben hätte, wodurch diese sich verpflichtet hätte, automatisch von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, im Fall einer Vielzahl von Zuwiderhandlungen eine einzige Geldbuße zu verhängen, und auch nicht, dass die Kommission gehalten gewesen wäre, zu begründen, weswegen sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch mache. Die genannte Rechtsprechung zielt vielmehr darauf ab, zu zeigen, dass die in der Verhängung einer einzigen Geldbuße bestehende Praxis die Ausnahme war, da sie nur unter bestimmten Umständen befolgt wurde.
157 In dieser Hinsicht vermögen auch die Entscheidungen der Kommission, auf die die Klägerinnen sich berufen, eine derartige Praxis nicht aufzuzeigen. Denn sowohl in der Entscheidung der Kommission vom 10. Oktober 2001 bezüglich eines Verfahrens nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP/36.264 – Mercedes-Benz, ABl. 2002, L 257, S. 1, vgl. insbesondere 253. Erwägungsgrund) als auch in der vorstehend in Randnr. 119 erwähnten Vitamine‑Entscheidung (Erwägungsgründe 711 und 775) haben die verschiedenen festgestellten Zuwiderhandlungen Anlass zur Verhängung unterschiedlicher Geldbußenbeträge gegeben, die sodann zusammengerechnet wurden, um einen Gesamtgeldbußenbetrag zu ergeben. Die Kommission ist somit so vorgegangen, dass sie mehrere Geldbußen verhängte, die daraufhin zusammengerechnet wurden. Jedenfalls bildet die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen, da dieser allein in der Verordnung Nr. 17, der Verordnung Nr. 1/2003 und den Leitlinien geregelt ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 234, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 154 angeführt, Randnr. 254).
158 Folglich ist das Vorbringen zurückzuweisen, das aus einer angeblichen früheren Praxis der Kommission hergeleitet wird, die darin bestanden haben soll, zum einen bei getrennten Zuwiderhandlungen nur eine einzige umfassende Geldbuße festzusetzen und zum anderen die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens auf den Endbetrag der Geldbuße anzuwenden, der sich aus der Addition der verschiedenen Geldbußen ergebe, die für jede einzelne von dem fraglichen Unternehmen begangene Zuwiderhandlung verhängt worden seien.
Zur Rüge der Verkennung der zulässigen Sanktionsziele
159 Zu Unrecht tragen die Klägerinnen vor, die Kommission hätte, als sie die Geldbuße für das Kartell auf dem Markt für Autogarne im EWR verhängt habe, die abschreckende Wirkung berücksichtigen müssen, die durch die Verurteilung zu einer Geldbuße wegen des Kartells auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern erreicht worden sei.
160 Das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Festsetzung einer Geldbuße verfolgen darf, besteht nämlich darin, zu gewährleisten, dass die Unternehmen die im Vertrag für ihre Tätigkeiten in der Gemeinschaft oder im EWR festgelegten Wettbewerbsregeln beachten (Urteil des Gerichts vom 29. November 2005, Heubach/Kommission, T‑64/02, Slg. 2005, II‑5137, Randnr. 181). Im Fall einer Mehrzahl von Zuwiderhandlungen kann die Kommission mit Recht der Ansicht sein, ein derartiges Ziel könne allein durch die Verhängung einer Geldbuße für eine der Zuwiderhandlungen nicht erreicht werden.
161 Diese Rüge ist somit zurückzuweisen.
162 Aus allen vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der Klagegrund, der aus der Nichtbeachtung der in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze der Sanktion hergeleitet wird, als unbegründet zurückzuweisen ist.
2. Zum von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit bei der Verhängung der Geldbuße
a) Vorbringen der Parteien
163 Die Klägerinnen stützen ihren Klagegrund der Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße und des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Verhängung der Geldbuße auf mehrere Rügen.
164 Erstens tragen die Klägerinnen hinsichtlich des Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Erstes vor, die Kommission habe bei der Bemessung der Geldbußen die deutlichen Größenunterschiede zwischen den beteiligten Unternehmen nicht berücksichtigt, obwohl sie nach den Leitlinien dazu verpflichtet gewesen sei. Zu Unrecht habe die Kommission ausschließlich auf den Umsatz Bezug genommen, der von den Unternehmen auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt erzielt worden sei. So mache die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße 13,7 % des weltweiten Konzernumsatzes aus, während die gegen Coats verhängte Geldbuße nur 2,3 % ihres weltweiten Umsatzes betragen habe. Gegenüber bedeutenden Mitbewerbern wie Coats hält sich Amann nur für ein mittelständisches Unternehmen.
165 Als Zweites sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deshalb verletzt, weil auch der in Nr. 1 Teil A Abs. 7 der Leitlinien niedergelegte Grundsatz der Strafgleichheit verletzt worden sei. Die Kommission habe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Unternehmen, die sich in Bezug auf ihren Gesamtumsatz bemesse, nicht Rechnung getragen.
166 Als Drittes sei das „System der Pauschalierung“ in den Leitlinien für kleine und mittelständische Unternehmen ungewöhnlich nachteilig, was von dem für den Wettbewerb zuständigen Kommissionsmitglied und der Kommission selbst bestätigt werde.
167 Als Viertes stehe die Geldbuße, die gegen sie verhängt worden sei, völlig außer Verhältnis zur Größe des Marktes. Die Kommission habe daher gegen die Gebote der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Strafen verstoßen. Bußgeldentscheidungen verfolgten nämlich sowohl repressive als auch präventive Zwecke; Strafen könnten daher nicht über das hinausgehen, was erforderlich sei, um die „Resozialisierung“ des Täters zu bewirken. Je geringer der Anteil des von der Zuwiderhandlung betroffenen Umsatzes am Gesamtumsatz eines Unternehmens sei, desto größer müsse infolgedessen der Abstand zur Ausschöpfung der 10%-Grenze sein.
168 Zweitens machen die Klägerinnen, gestützt auf Zahlen, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zwischen ihnen und Coats sowohl hinsichtlich des Grundbetrags als auch des Endbetrags der Geldbuße geltend. Die Kommission habe nämlich die absolut und – bezogen auf Industriegarne – relativ geringe Unternehmensgröße von Amann nicht berücksichtigt und diese damit rechtsfehlerhaft derselben Gruppe wie Coats zugeordnet. Darüber hinaus sei die Kommission selbst von einer herausgehobenen Position von Coats ausgegangen, habe aber nirgends in der angefochtenen Entscheidung erwähnt, in welcher Weise sie dies berücksichtigt habe.
169 Die Kommission sei verpflichtet, die Größe anderer betroffener Unternehmen zu berücksichtigen, da die Größe und die Wirtschaftskraft der Unternehmen bei der Festsetzung der Geldbuße gleichwertige, neben anderen Kriterien zu berücksichtige Faktoren der Beurteilung seien.
170 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
b) Würdigung durch das Gericht
Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
171 Es ist daran zu erinnern, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Ziels angemessen und erforderlich ist. Bei der Festsetzung von Geldbußen ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand von zahlreichen Gesichtspunkten zu ermitteln, von denen keinem gegenüber den anderen Beurteilungsgesichtspunkten unverhältnismäßiges Gewicht beizumessen ist. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt in diesem Zusammenhang, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnrn. 226 bis 228).
– Zum Argument der Nichtberücksichtigung der Größe des Marktes
172 Zu Unrecht werfen die Klägerinnen der Kommission vor, sie habe die Geldbußen außer Verhältnis zur Größe des Marktes festgesetzt.
173 Es ist nämlich zu bemerken, dass die Kommission nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gegenüber den Unternehmen Geldbußen verhängen kann, deren Betrag 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr von jedem der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen erzielten Umsatzes nicht überschreiten darf. Zur Bemessung der Höhe der Geldbuße innerhalb dieser Grenze verlangt Art. 23 Abs. 3 die Berücksichtigung der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung. Nach den Leitlinien setzt die Kommission ferner den Ausgangsbetrag nach der Schwere der Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung ihrer Art, nach ihren konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, und nach dem Umfang des räumlichen Marktes fest.
174 Weder die Verordnung Nr. 1/2003 noch die Leitlinien sehen somit vor, dass die Höhe der Geldbußen unmittelbar nach Maßgabe der Größe des betroffenen Marktes festzusetzen ist, da dieser Faktor nur ein erheblicher Gesichtspunkt unter anderen ist. Dieser rechtliche Rahmen als solcher verpflichtet die Kommission daher nicht dazu, die begrenzte Größe des Produktmarkts zu berücksichtigen. (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T‑322/01, Slg. 2006, II‑3137, Randnr. 148).
175 Nach der Rechtsprechung hat die Kommission bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung jedoch zahlreiche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die je nach der Art der fraglichen Zuwiderhandlung und den besonderen Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Art und Bedeutung sind (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 155 angeführt, Randnr. 120). Es lässt sich nicht ausschließen, dass zu diesen Gesichtspunkten, die die Schwere einer Zuwiderhandlung belegen, je nach Fall auch die Größe des betroffenen Produktmarkts gehören kann.
176 Zwar kann demnach die Marktgröße einen Gesichtspunkt darstellen, der bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen ist, doch ist dieser je nach den besonderen Umständen der Zuwiderhandlung von unterschiedlicher Bedeutung.
177 Im vorliegenden Fall bestand die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Autogarne hauptsächlich in der Festlegung von Zielpreisen für die der Kundschaft der europäischen Automobilbranche verkauften Kernprodukte, im Informationsaustausch über die Preise für einzelne Kunden, in der Vereinbarung von Mindestzielpreisen für diese Kunden und in der Vereinbarung, es zugunsten des etablierten Lieferanten zu vermeiden, dessen Preise zu unterbieten (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 215 und 420). Die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne bestand im Wesentlichen im Austausch von sensiblen Informationen über Preislisten und/oder Kundenpreise, in Verständigungen über Preiserhöhungen und/oder Zielpreise, in der Verhinderung der Unterbietung der Preise des etablierten Lieferanten und in der Aufteilung der Kunden (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 99 bis 125 und 345).
178 Derartige Praktiken stellen horizontale Beschränkungen von der Art des „Preiskartells“ im Sinne der Leitlinien dar und sind somit ihrer Art nach „besonders schwer“. Insoweit ist zu betonen, dass die Klägerinnen die besondere Schwere der während zweier Jahre auf dem Markt für Autogarne im EWR begangenen Zuwiderhandlung zum einen und die besondere Schwere der während zehn Jahren auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern begangenen Zuwiderhandlungen zum anderen nicht in Abrede stellen. In diesem Zusammenhang ist die geringe Größe der relevanten Märkte, unterstellt, sie sei erwiesen, gegenüber der Gesamtheit der übrigen Gesichtspunkte, die die Schwere des Verstoßes belegen, nur von geringerer Bedeutung.
179 Jedenfalls ist zu berücksichtigen, dass die Kommission der Auffassung war, dass die Verstöße als besonders schwer im Sinne der Leitlinien anzusehen seien, die für derartige Fälle vorsehen, dass die Kommission „voraussichtlich“ einen Ausgangsbetrag von mehr als 20 Millionen Euro verhängt. Für die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Autogarne hat die Kommission jedoch einen anhand der Schwere des Verstoßes bestimmten Ausgangsbetrag von 5 Millionen Euro für die Klägerinnen und von 1,3 Millionen für die übrigen Unternehmen zugrunde gelegt (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 432 bis 435). Die Kommission hat außerdem in Bezug auf die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne einen Ausgangsbetrag von 14 Millionen Euro für Unternehmen der ersten Kategorie (darunter Amann), von 5,2 Millionen Euro für die Unternehmen der zweiten Kategorie, von 2,2 Millionen Euro für die Unternehmen der dritten Kategorie und von 0,1 Millionen Euro für die Unternehmen der vierten Kategorie zugrunde gelegt (angefochtene Entscheidung, 358. Erwägungsgrund).
180 Daraus ergibt sich, dass die Ausgangsbeträge, von denen ausgehend die Festsetzung der gegenüber den Klägerinnen verhängten Geldbußen erfolgte, einem Betrag entsprachen, der sehr deutlich unter demjenigen lag, den die Kommission nach den Leitlinien „voraussichtlich“ für besonders schwere Verstöße verhängt hätte.
181 In Anbetracht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, das daraus hergeleitet wird, die gegenüber den Klägerinnen verhängten Geldbußen stünden außer Verhältnis zur Größe des Marktes für Autogarne im EWR zum einen und zur Größe des Marktes für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern zum anderen.
– Zum Argument einer ausschließlichen Berücksichtigung des Umsatzes auf den von der Zuwiderhandlung betroffenen Märkten
182 Zu Unrecht berufen sich die Klägerinnen auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil die Kommission ausschließlich auf den Umsatz der Unternehmen auf den betroffenen Märkten für die relevanten Produkte hätte abstellen müssen, um den Ausgangsbetrag der Geldbußen zu bestimmen, und somit nicht den Größenunterschied der genannten Unternehmen berücksichtigt habe.
183 Erstens ist, was die gegen die Kommission erhobene Rüge betrifft, sie habe auf den Umsatz der beteiligten Unternehmen auf den betreffenden Märkten abgestellt, festzustellen, dass die Kommission es bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbußen, der anhand der Schwere der Zuwiderhandlung bestimmt wird, für notwendig erachtet hat, die an den Kartellen beteiligten Unternehmen entsprechend ihrer Möglichkeit, den Wettbewerb aufgrund ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit erheblich zu schädigen, differenziert zu behandeln und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleistet. Sie hat hinzugefügt, es sei erforderlich, das jeweilige Gewicht des Unternehmens und damit die tatsächlichen Auswirkungen seines rechtswidrigen Verhaltens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen. Zur Beurteilung dieser Gesichtspunkte hat die Kommission sich dafür entschieden, auf den Umsatz abzustellen, den jedes Unternehmen auf den relevanten Märkten für die von den Kartellen betroffenen Produkte erzielt hat.
184 Demgemäß hat die Kommission, wie vorstehend in Randnr. 179 ausgeführt, in Bezug auf die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Autogarne die beteiligten Unternehmen in zwei Kategorien eingeteilt. In Anbetracht ihres Umsatzes von 8,55 Millionen Euro wurden die Klägerinnen in die erste Kategorie eingestuft. Oxley, Coats und Barbour wurden in Anbetracht ihres Umsatzes zwischen einer und drei Millionen Euro in die zweite Kategorie eingestuft. Was die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne betrifft, hat die Kommission die Unternehmen in vier Kategorien eingeteilt. Amann und Coats wurden in Anbetracht ihres Umsatzes zwischen 14 und 18 Millionen Euro in die erste Kategorie eingestuft. BST wurde in Anbetracht ihres Umsatzes zwischen 5 und 8 Millionen Euro in die zweite Kategorie eingestuft. Gütermann, Barbour und Bieze Stork wurden in Anbetracht ihres Umsatzes zwischen 2 und 4 Millionen Euro in die dritte und Zwicky in Anbetracht ihres Umsatzes zwischen 0 und einer Million Euro in die vierte Kategorie eingestuft.
185 Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist die Kommission für die Klägerinnen hinsichtlich der ersten Zuwiderhandlung von einem anhand der Schwere der Zuwiderhandlung bestimmten Ausgangsbetrag von 5 Millionen Euro (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 432 bis 435) und von 14 Millionen Euro für Amann hinsichtlich der zweiten Zuwiderhandlung (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 356 bis 358) ausgegangen.
186 Zunächst ist festzustellen, dass die Leitlinien nicht vorsehen, dass die Höhe der Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes oder des von den Unternehmen auf dem betreffenden Markt erzielten Umsatzes berechnet wird. Allerdings stehen die Leitlinien, vorausgesetzt, die von der Kommission vorgenommene Auswahl weist keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf, dem nicht entgegen, dass solche Umsätze bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße berücksichtigt werden, damit die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts eingehalten werden und wenn die Umstände es erfordern (Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, im Folgenden: Urteil Tokai I, Randnr. 195). Somit kann der Umsatz bei der Berücksichtigung der Beurteilungsgesichtspunkte, nämlich der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, und der Festsetzung der Geldbuße auf einen Betrag, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet, eine Rolle spielen. Den Umsatz kann die Kommission auch dann berücksichtigen, wenn sie das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb beurteilt, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Randnr. 82).
187 In Bezug auf die der Kommission zustehende Wahl zwischen dem einen und/oder dem anderen Umsatz ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass im Rahmen der zur Festsetzung der Höhe einer Geldbuße wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft durchgeführten Analyse der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der zuwiderhandelnden Gesellschaften, dem Wettbewerb einen bedeutenden Schaden zuzufügen, die eine Beurteilung des tatsächlichen Gewichts dieser Unternehmen auf dem betreffenden Markt, d. h. ihres Einflusses auf diesen, umfasst, der Gesamtumsatz nur ein unvollständiges Bild der Verhältnisse vermittelt. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass ein mächtiges Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Geschäftsbereichen auf einem spezifischen Produktmarkt nur am Rande vertreten ist. Ebenso wenig lässt sich ausschließen, dass ein Unternehmen mit einer starken Stellung auf einem räumlichen Markt außerhalb der Gemeinschaft auf dem Gemeinschaftsmarkt oder im EWR nur schwach vertreten ist. In diesen Fällen bedeutet der bloße Umstand, dass das betreffende Unternehmen einen hohen Gesamtumsatz erzielt, nicht unbedingt, dass es einen entscheidenden Einfluss auf den von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt ausübt. Daher können die auf den betreffenden Märkten von einem Unternehmen erzielten Umsätze zwar nicht entscheidend für die Schlussfolgerung sein, dass ein Unternehmen einer mächtigen Wirtschaftseinheit angehört, sie sind aber relevant für die Bestimmung des Einflusses, den das Unternehmen auf den Markt ausüben konnte (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 29. November 2005, SNCZ/Kommission, T‑52/02, Slg. 2005, II‑5005, Randnr. 65, und Union Pigments/Kommission, T‑62/02, Slg. 2005, II‑5057, Randnr. 152).
188 In diesem Sinne kann nach ständiger Rechtsprechung der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern (Urteile Cheil Jedang/Kommission, Randnr. 91, und vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, Randnr. 196). Denn dieser Umsatz kann einen zuverlässigen Anhaltspunkt für die Verantwortlichkeit jedes Unternehmens auf den genannten Märkten liefern, weil er ein objektives Kriterium ist, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Praxis auf den normalen Wettbewerb auswirkt, und stellt somit einen guten Indikator für die Fähigkeit jedes der Unternehmen zur Verursachung eines Schadens dar.
189 Im Hinblick auf diese Erwägungen hat die Kommission nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, indem sie bei der Festsetzung der Ausgangsbeträge, auf die im Rahmen der Festsetzung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen abgestellt wurde, den auf den betreffenden Märkten und bei den betreffenden Produkten erzielten Umsätzen den Vorzug gab.
190 Zweitens ist im Licht dieser Erwägungen auch der der Kommission gemachte Vorwurf unerheblich, sie habe die durch ihren Gesamtumsatz bestimmte Größe der betreffenden Unternehmen bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen nicht berücksichtigt.
191 Den Leitlinien zufolge ist es nämlich nötig, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber des Verstoßes, Wettbewerber und den Verbraucher in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 4). Weiter heißt es in den Leitlinien, dass es bei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, wie bei Kartellen, angebracht sein kann, den allgemeinen Ausgangsbetrag zu gewichten, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren, und infolgedessen den allgemeinen Ausgangsbetrag dem spezifischen Charakter jedes Unternehmens anzupassen (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 6) (Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 186 angeführt, Randnr. 81).
192 Die Leitlinien sehen außerdem, wie vorstehend in Randnr. 186 ausgeführt, nicht vor, dass die Höhe der Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes der betreffenden Unternehmen berechnet wird, stehen aber auch nicht dem entgegen, dass unter Beachtung der in derselben Randnummer des vorliegenden Urteils aufgeführten Bedingungen solche Umsätze bei dieser Berechnung berücksichtigt werden.
193 Im vorliegenden Fall war, wie vorstehend in den Randnrn. 183 bis 189 ausgeführt, die Entscheidung der Kommission dafür, sich auf den Umsatz auf den relevanten Märkten zu beziehen, um die Fähigkeit jedes der betreffenden Unternehmen zur Verursachung eines Schadens zu bestimmen, schlüssig und objektiv gerechtfertigt. Dabei verfolgte die Kommission auch ein Abschreckungsziel, da sie offen bekundete, dass sie die Unternehmen, die an einem Kartell auf einem Markt beteiligt gewesen seien, auf dem sie ein bedeutendes Gewicht gehabt hätten, härter bestrafen werde.
194 Daraus folgt, dass auch das Vorbringen zurückzuweisen ist, die Geldbußen seien gegenüber den jeweiligen Gesamtumsätzen der Klägerinnen unverhältnismäßig. Denn die Klägerinnen können nicht mit Erfolg auf eine Unverhältnismäßigkeit des Endbetrags der verhängten Geldbuße schließen, da sich der Ausgangsbetrag ihrer Geldbußen im Licht der von der Kommission für die Beurteilung der Bedeutung jedes Unternehmens auf dem relevanten Markt zugrunde gelegten Kriterien rechtfertigen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 304, und vom 5. Dezember 2006, Westfalen Gassen Nederland/Kommission, T‑303/02, Slg. 2006, II‑4567, Randnr. 185).
– Zum System der Pauschalierung in den Leitlinien
195 Die Beanstandungen, die die Klägerinnen gegen das „System der Pauschalierung“ in den Leitlinien vorbringen, sind unerheblich.
196 Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich die Methode, die darin besteht, die Mitglieder des Kartells bei der Festsetzung der Höhe der gegen die verschiedenen Teilnehmer an einem Kartell festgesetzten Geldbußen in mehrere Kategorien einzuteilen, was zu einer Pauschalierung des Ausgangsbetrags der Geldbußen führt, der für die zu derselben Kategorie gehörenden Unternehmen festgesetzt wird, obwohl diese Methode darauf hinausläuft, die Größenunterschiede zwischen Unternehmen derselben Kategorie auszublenden, nicht zu beanstanden, vorausgesetzt, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung werden eingehalten (Urteile des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T‑213/00, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 385, vom 15. März 2006, Daiichi Pharmaceutical/Kommission, T‑26/02, Slg. 2006, II‑713, Randnrn. 83 bis 85, und vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 150). Werden diese Grundsätze eingehalten, ist es nicht Sache des Gerichts, sich zur Sachdienlichkeit eines derartigen Systems zu äußern, selbst wenn es die Unternehmen von geringerer Größe benachteiligen sollte. Im Rahmen seiner Kontrolle, ob die Kommission das ihr in diesem Bereich zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat, hat sich das Gericht nämlich darauf zu beschränken, zu kontrollieren, ob die Einteilung der Mitglieder des Kartells in Kategorien schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist, ohne die Beurteilung der Kommission ohne Weiteres durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (Urteil vom 15. März 2006, BASF/Kommission, Randnr. 157).
– Zur Nichtberücksichtigung der Lage der Klägerinnen als „mittelständische Unternehmen“
197 Das Vorbringen, die Kommission hätte die Tatsache berücksichtigen müssen, dass die Klägerinnen mittelständische Unternehmen seien, ist unerheblich.
198 Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission, da sie nicht verpflichtet ist, die Geldbuße ausgehend von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen beruhen, auch nicht verpflichtet ist, im Fall der Festsetzung von Geldbußen gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren Gesamtumsatz oder ihren Umsatz auf dem relevanten Produktmarkt zum Ausdruck kommen (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Dansk Rørindustri/Kommission, T‑21/99, Slg. 2002, II‑1681, Randnr. 202).
199 In dieser Hinsicht ist klarzustellen, dass Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 auch nicht verlangt, dass bei der Verhängung von Geldbußen gegenüber mehreren an derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen die gegen ein kleines oder mittelgroßes Unternehmen festgesetzte Geldbuße, als Prozentsatz vom Umsatz ausgedrückt, nicht höher ist als die gegen die größeren Unternehmen festgesetzten Geldbußen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass sowohl bei den kleinen oder mittelgroßen Unternehmen als auch bei den größeren Unternehmen für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt werden müssen. Soweit die Kommission gegen die an derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen Geldbußen verhängt, die angesichts der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung im Fall des jeweiligen Unternehmens gerechtfertigt sind, ist nicht zu beanstanden, dass bei einigen Unternehmen die Geldbuße im Verhältnis zum Umsatz höher ist als bei anderen (vgl. entsprechend Urteile Dansk Rørindustri/Kommission, oben in Randnr. 198 angeführt, Randnr. 203, und Westfalen Gassen Nederland/Kommission, oben in Randnr. 194 angeführt, Randnr. 174).
200 Die Kommission muss mithin die Geldbußen nicht verringern, wenn kleine oder mittelgroße Unternehmen betroffen sind. Der Größe des Unternehmens wird nämlich bereits durch die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegte Obergrenze und durch die Leitlinien Rechnung getragen. Abgesehen von diesen Erwägungen zur Größe gibt es keinen Grund, kleine oder mittelgroße Unternehmen anders als andere Unternehmen zu behandeln. Die Tatsache, dass die betreffenden Unternehmen von kleiner oder mittlerer Größe sind, befreit sie nicht von ihrer Verpflichtung zur Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften (vgl. entsprechend Urteil SNCZ/Kommission, oben in Randnr. 187 angeführt, Randnr. 84).
201 Aus allen diesen Gründen ist das aus dem Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Strafgleichheit hergeleitete Argument ebenfalls zurückzuweisen.
Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
202 Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ist zu bemerken, dass die Einteilung in Kategorien dem Grundsatz entsprechen muss, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt. In dieser Beziehung sehen die Leitlinien in Nr. 1 Abschnitt A Abs. 6 vor, dass, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung insbesondere eine Abstufung gerechtfertigt sein kann.
203 Die Gruppenbildung kann gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sowohl zwischen den unterschiedlichen Gruppen verstoßen, indem Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, unterschiedlich behandelt werden, als auch innerhalb jeder Gruppe, indem Unternehmen, die sich in einer unterschiedlichen Lage befinden, gleichbehandelt werden. Im vorliegenden Fall rügen die Klägerinnen beide Konstellationen, die Erstgenannte im Rahmen des Kartells auf dem Markt für Autogarne, die Zweitgenannte im Rahmen des Kartells auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern. Somit ist zu prüfen, ob Unterschiede in der Behandlung der Unternehmen bestehen und ob sie, wenn dies zutrifft, objektiv gerechtfertigt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil CMA CGM u. a./Kommission, oben in Randnr. 196 angeführt, Randnrn. 407 und 408).
204 Es steht fest, dass zwischen den Klägerinnen und Coats ein bedeutender Größenunterschied besteht. Da auf sie für das Kartell auf dem Markt für Autogarne im EWR aufgrund ihrer Einstufung in zwei verschiedene Kategorien unterschiedliche Ausgangsbeträge und für das Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern aufgrund ihrer Einstufung in dieselbe Gruppe ein identischer Ausgangsbetrag angewandt worden ist, ist zu prüfen, ob die unterschiedliche Behandlung sich objektiv rechtfertigen lässt durch den Vorrang, der der jeweiligen Bedeutung der Unternehmen auf dem relevanten Markt (die sich durch die auf dem relevanten Markt für das betreffende Produkt erzielten Umsätze bestimmt) gegenüber der Größe der Unternehmen (die durch den Gesamtumsatz bestimmt wird) eingeräumt wird.
205 Insoweit hat das Gericht bereits entschieden, dass es schlüssig und objektiv gerechtfertigt war, in dieselbe Gruppe mehrere Unternehmen einzustufen, von denen das eine einen deutlich, ja sogar „spürbar“ geringeren Gesamtumsatz als die übrigen Unternehmen gehabt hatte, und zwar auf der Grundlage ihrer Umsätze auf dem betroffenen Markt und ihrer sehr ähnlichen Marktanteile, und auf sie einen gleichen spezifischen Ausgangsbetrag anzuwenden. Damit ist befunden worden, dass die Kommission in keiner Weise den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 186 angeführt, Randnrn. 104 bis 115, und Union Pigments/Kommission, oben in Randnr. 187 angeführt, Randnrn. 155 bis 158).
206 Im vorliegenden Fall ist die gleiche Schlussfolgerung zu ziehen. Denn die Klägerinnen und Coats wurden, wie oben festgestellt, für den Markt für Autogarne in die erste bzw. in die zweite Kategorie eingestuft, da der Umsatz der Klägerinnen auf diesem Markt etwa fünfmal höher war als der von Coats. Ebenso wurden für den Markt für Industriegarne Amann und Coats in dieselbe Kategorie eingestuft, weil ihre Umsätze auf diesem Markt sehr ähnlich waren. Es ist somit schlüssig und objektiv gerechtfertigt, dass die genannten Unternehmen auf dieser Grundlage eingestuft wurden.
207 Daraus folgt, dass die Kommission nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen hat.
208 In Anbetracht dieser Erwägungen ist der Klagegrund, der aus einem Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung hergeleitet wird, zurückzuweisen.
3. Zu dem von Amann geltend gemachten Klagegrund der fehlerhaften Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße, die für das Industriegarnkartell verhängt wurde
a) Vorbringen der Parteien
209 Amann trägt vor, die Kommission habe gegen die Leitlinien verstoßen, indem sie Amann in dieselbe Kategorie wie Coats eingruppiert habe.
210 Zunächst habe sich die Kommission nämlich bei der Differenzierung zwischen den Unternehmen ausschließlich auf die Umsätze gestützt, die im Jahr 2000 mit den Produkten erzielt worden seien, die Gegenstand des Kartells auf dem Markt für Industriegarne gewesen seien. Sie habe die Tatsache verkannt, dass Coats bereits 1999 sämtliche Anteile an Barbour erworben habe und bei der Differenzierung zu ihren Umsätzen somit die von Barbour hätten hinzugerechnet werden müssen.
211 Sodann habe sich Amann, da die Kommission die Umsätze beider Unternehmen nur mit Umsatzspannen angegeben habe (2 bis 4 Millionen Euro bzw. 14 bis 18 Millionen Euro), nicht in der Lage gesehen, die exakten Umsätze dieser Unternehmen zu beziffern. Die Kommission hätte bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags besonders sorgfältig vorgehen müssen, da die Größenunterschiede zwischen Unternehmen aufgrund des in den Leitlinien angelegten Systems der pauschalierten Bußgeldberechnung im Ergebnis unberücksichtigt blieben. Das Verfahren, das zur Eingruppierung der Unternehmen herangezogen werde, müsse korrekt, schlüssig und diskriminierungsfrei angewandt werden. Die Kommission habe diese sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebenden Verpflichtungen missachtet. Da Amann nur die Umsatzspannen zur Verfügung ständen, könne das Unternehmen überdies nicht nachvollziehen, ob die Kommission bei der Bestimmung des Geldbußenausgangsbetrags korrekt, schlüssig und in nichtdiskriminierender Weise vorgegangen sei. Insoweit rügt Amann auch einen Verstoß gegen Art. 253 EG.
212 Die Kommission habe schließlich dem Umsatz aus dem Verkauf der Waren, hinsichtlich deren die Zuwiderhandlung begangen worden sei, gegenüber den übrigen Beurteilungsgesichtspunkten eine übermäßige Bedeutung beigemessen.
213 Die Kommission hält diesen Klagegrund für nicht begründet.
b) Würdigung durch das Gericht
214 Erstens ist die Rüge von Amann zu prüfen, dass die Kommission bei der Eingruppierung der Unternehmen und der Bestimmung des Geldbußenausgangsbetrags nicht korrekt, schlüssig und diskriminierungsfrei vorgegangen sei.
215 Zurückzuweisen ist zunächst das Vorbringen von Amann, die Kommission habe bei der Abstufung der Ausgangsbeträge den Umsatz von Barbour, deren Anteile zur Gänze bereits im September 1999 von Coats erworben worden waren, nicht berücksichtigt.
216 Coats hat nämlich in ihrer Antwort vom 11. April 2005 auf das Auskunftsverlangen der Kommission hin erklärt, dass Barbour seit September 1999 nicht operativ tätig gewesen sei und auch keinen Umsatz erzielt habe. Der von Coats auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern erzielte Umsatz von 14 bis 18 Millionen Euro des Jahres 2000 umfasst somit sowohl die Geschäftstätigkeit von Coats als auch die Aktivitäten von Barbour, die Coats im September 1999 erworben hat, und lässt sich somit nicht in Frage stellen.
217 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission es für notwendig erachtet hat, die am Kartell beteiligten Unternehmen entsprechend ihrer Möglichkeit, den Wettbewerb aufgrund ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit erheblich zu schädigen, differenziert zu behandeln und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleistet. Zudem sei es erforderlich, das jeweilige Gewicht des rechtswidrigen Verhaltens jedes Unternehmens und damit seine tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu berücksichtigen (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 354 und 355). Zur Beurteilung dieser Gesichtspunkte hat die Kommission sich dafür entschieden, auf den Umsatz abzustellen, den jedes Unternehmen auf dem Markt für Industriegarne im letzten Jahr der Zuwiderhandlung, nämlich im Jahr 2000, erzielt hat, wie aus der Tabelle im 356. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht.
218 Folglich hat sie, wie vorstehend in Randnr. 184 angegeben, die Unternehmen in vier Kategorien eingeteilt, Amann und Coats in die erste Kategorie eingestuft und für diese beiden Unternehmen einen Ausgangsbetrag von 14 Millionen Euro angesetzt.
219 In dieser Hinsicht muss sich das Gericht bei seiner Kontrolle, ob die Kommission ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat, darauf beschränken, zu kontrollieren, ob diese Aufteilung schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil BASF/Kommission, oben in Randnr. 196 angeführt, Randnr. 157 und die dort angeführte Rechtsprechung).
220 Insoweit ist eine Einteilung der Unternehmen in vier Kategorien als eine nicht sachwidrige Vorgehensweise für die Berücksichtigung ihrer relativen Bedeutung auf dem Markt zwecks Anpassung des Ausgangsbetrags anzusehen, sofern sie nicht zu einer grob verfälschenden Darstellung des relevanten Marktes führt. Im vorliegenden Fall kann die Methode der Kommission, die darin bestand, anhand der auf dem relevanten Markt für das betreffende Produkt erzielten Umsätze Kategorien, nämlich von 14 bis 18 Millionen Euro, von 5 bis 8 Millionen Euro, von 2 bis 4 Millionen Euro und von 0 bis einer Million Euro, zu bestimmen, nicht von vornherein als unschlüssig angesehen werden.
221 Die Kritik von Amann an der Methode zur Bestimmung der Kategorien und zur Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße für jede von ihnen ist umso weniger begründet, als für die Kategorie, in die Amann eingestuft wurde, die für die Berechnung der Geldbuße als Ausgangsbetrag gewählten 14 Millionen Euro in dieser Kategorie der niedrigste Betrag waren.
222 Insoweit ist das Vorbringen von Amann zurückzuweisen, sie hätte sich nicht in derselben Kategorie wie Coats befinden dürfen, da die jeweiligen Umsätze auf dem Markt für Industriegarne einen Unterschied von mindestens 2 Millionen Euro aufwiesen und Unternehmen, zwischen denen der gleiche Abstand bestehe, in verschiedene Kategorien eingeordnet worden seien. Denn es ist festzustellen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Juli 2005, Acerinox/Kommission (C‑57/02 P, Slg. 2005, I‑6689, Randnrn. 74 bis 80), auf das die Kommission zu Recht verweist, eine Einordnung von Unternehmen, deren Marktanteile sich deutlicher als im vorliegenden Fall voneinander unterschieden, in dieselbe Kategorie zugelassen hat.
223 Schließlich ist im Hinblick auf die Erwägungen, die vorstehend in den Randnrn. 182 bis 194 angestellt worden sind, das Vorbringen von Amann zurückzuweisen, die Kommission habe dem aus dem Verkauf der Waren, hinsichtlich deren die Zuwiderhandlung begangen worden sei, erzielten Umsatz gegenüber den übrigen Beurteilungsgesichtspunkten eine übermäßige Bedeutung beigemessen.
224 Die Kommission ist folglich bei der Einstufung der Unternehmen und bei der Bestimmung des Geldbußenausgangsbetrags korrekt, schlüssig und diskriminierungsfrei vorgegangen.
225 Zweitens beruft sich Amann zu Unrecht auf eine Verletzung der Begründungspflicht, weil dem Unternehmen nur die Umsatzspannen zur Verfügung gestanden hätten und es somit nicht hätte wissen können, wie die Kommission die Ausgangsbeträge anhand der genannten Zahlen bestimmt habe.
226 Zum einen ergibt sich nämlich aus der Rechtsprechung, dass bei der Berechnung des Betrags der wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht verhängten Geldbuße die Anforderungen aufgrund des wesentlichen Formerfordernisses, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt sind, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 1521). Diese Anforderungen zwingen die Kommission nicht, in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen; sie darf sich jedenfalls nicht durch den ausschließlichen und mechanischen Rückgriff auf mathematische Formeln ihres Ermessens begeben. Hinsichtlich einer Entscheidung, mit der Geldbußen gegenüber mehreren Unternehmen verhängt werden, muss die Reichweite der Begründungspflicht u. a. im Licht der Tatsache beurteilt werden, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand zahlreicher Gesichtspunkte bestimmt werden muss, wie u. a. der besonderen Umstände der Rechtssache, ihres Zusammenhangs und des Abschreckungspotenzials der Geldbußen, ohne dass hiermit eine zwingende oder erschöpfende Liste der unbedingt zu berücksichtigenden Kriterien aufgestellt werden soll (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnrn. 464 und 465).
227 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind; denn die Kommission hat angegeben, dass sie die Schwere der Zuwiderhandlung unter Heranziehung der Kriterien der Leitlinien beurteilt, sodann die Unternehmen anhand ihrer durch ihren Umsatz auf dem Markt bestimmten Marktbedeutung eingestuft und dabei einen Ausgangsbetrag bestimmt habe, der dem Ausmaß des relevanten räumlichen Marktes Rechnung trage.
228 Zum anderen ist die Kommission ihrer Begründungspflicht nachgekommen, indem sie unter gleichzeitiger Wahrung des Geschäftsgeheimnisses Umsatzspannen angegeben hat, die hinreichend eng sind, um es Amann zu ermöglichen, zu erkennen, wie die Kommission die Ausgangsbeträge festgelegt hat.
229 Somit lässt sich der Kommission keine Verletzung der Begründungspflicht vorwerfen.
230 Der Klagegrund der unzutreffenden Festsetzung des Ausgangsbetrags der für das Industriegarnkartell verhängten Geldbuße ist somit als unbegründet zurückzuweisen.
4. Zu dem von Amann geltend gemachten Klagegrund der fehlerhaften Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne
a) Vorbringen der Parteien
231 Amann zufolge ist die Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlung fehlerhaft.
232 Erstens habe die Dauer der von Amann auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern begangenen Zuwiderhandlung elf Jahre und nicht elf Jahre und neun Monate betragen. Amann habe zum letzten Mal am 16. Januar 2001 und nicht am 18. September 2001 an einem Treffen teilgenommen, was im 147. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bestätigt werde. Der Geldbußenausgangsbetrag habe somit nur um höchstens 110 % und nicht um 115 % erhöht werden dürfen.
233 Darüber hinaus bemerkt Amann, dass selbst dann, wenn man auf der Grundlage der von der Kommission behaupteten bilateralen Kontakte zu dem Ergebnis käme, dass sie an den fraglichen Absprachen nach dem 16. Januar 2001 beteiligt gewesen sei, dies nur bis einschließlich Mai 2001 der Fall gewesen wäre. Der Verstoß hätte dann höchstens elf Jahre und vier Monate gedauert.
234 Zweitens hätte unter Berücksichtigung mehrerer Entscheidungen der Kommission das erste Jahr des Verstoßes nicht in die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße einbezogen werden dürfen.
235 Drittens hätte die Kommission ihr Ermessen gemäß Nr. 1 Teil B Abs. 2 der Leitlinien dahin gehend ausüben müssen, den Ausgangsbetrag um deutlich weniger als 10 % pro Jahr zu erhöhen, da die Preise für Nähfaden für die Textilindustrie von vornherein nicht oder nur in äußerst begrenztem Umfang geeignet seien, die Verbraucher dauerhaft zu schädigen; der prozentuale Anteil von Nähfaden an den Kosten diverser Endprodukte liege nur bei 0,15 %.
236 Die Kommission tritt allen diesen Rügen entgegen und beantragt demgemäß, den Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.
b) Würdigung durch das Gericht
237 Nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist die Dauer der Zuwiderhandlung einer der Gesichtspunkte, die bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße gegen Unternehmen, die gegen Wettbewerbsregeln verstoßen haben, zu berücksichtigen sind.
238 In Bezug auf den Faktor der Dauer der Zuwiderhandlung unterscheiden die Leitlinien zwischen Verstößen von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), bei denen der für die Schwere des Verstoßes festgesetzte Ausgangsbetrag nicht zu erhöhen ist, Verstößen von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren), bei denen dieser Betrag um bis zu 50 % erhöht werden kann, und Verstößen von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), bei denen dieser Betrag um bis zu 10 % für jedes Jahr erhöht werden kann (Nr. 1 Teil B Abs. 1 erster bis dritter Gedankenstrich).
239 Aus dem 359. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass Amann von Januar 1990 bis September 2001, also während eines Zuwiderhandlungszeitraums von elf Jahren und neun Monaten, an dem Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern beteiligt war. Dieser Zeitraum entspricht einer Zuwiderhandlung von langer Dauer. Der Ausgangsbetrag der Geldbuße von Amann ist folglich im Hinblick auf die Dauer der Zuwiderhandlung um 115 % erhöht worden (angefochtene Entscheidung, 360. Erwägungsgrund).
240 Die Tatsache, dass Amann an dem multilateralen Treffen vom 18. September 2001 nicht teilgenommen hat, reicht erstens nicht aus, um zu beweisen, dass das Unternehmen darauf verzichtet hätte, sich nach dem 16. Januar 2001, dem Datum des letzten multilateralen Treffens, bei dem das Unternehmen vertreten war, an der Zuwiderhandlung zu beteiligen.
241 Der Schluss auf die endgültige Beendigung der Beteiligung von Amann an dem Kartell wäre nur möglich, wenn dieses Unternehmen sich anlässlich des Treffens am 16. Januar 2001 offen vom Inhalt des Kartells distanziert hätte, was es nicht getan hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. April 1995, Tréfileurope/Kommission, T‑141/89, Slg. 1995, II‑791, Randnr. 85, und BPB de Eendracht/Kommission, oben in Randnr. 145 angeführt, Randnr. 203).
242 Außerdem wurde, wie im 99. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnt, das Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern sowohl über multilaterale als auch über bilaterale Treffen organisiert. Amann unterhielt in der Tat nach dem 16. Januar 2001 regelmäßige bilaterale Kontakte. Denn es ergibt sich aus dem 151. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass Amann und Coats E-Mails wechselten, um Informationen über die Preise auszutauschen, was Amann übrigens nicht in Frage stellt.
243 Dass die letzten E-Mails vom Mai 2001 datieren, reicht nicht aus, um davon auszugehen, dass Amann bereits im Monat Juni 2001 ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung eingestellt hätte.
244 Insoweit ist festzustellen, dass das Kartell, wie vorstehend in Randnr. 27 erwähnt, im Austausch von Informationen über Preise, Rabatte und Sonderpreise, in Vereinbarungen über die zukünftigen Preislisten, Rabatte und Sonderpreise sowie in Vereinbarungen zwecks Verhinderung der Unterbietung der Preise des etablierten Lieferanten und Aufteilung der Kunden bestand. Selbst wenn Amann nach den E-Mails aus dem Monat Mai 2001 die Übermittlung von Informationen an die übrigen Kartellmitglieder eingestellt haben sollte, belegt dieser Umstand allein nicht, dass Amann ihre Beteiligung am Kartell beendet hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission, T‑329/01, Slg. 2006, II‑3255, Randnr. 252).
245 Daraus folgt, dass der Kommission bei der Berechnung kein Fehler unterlaufen ist, als sie einen Aufschlag von 5 % zum Ausgangsbetrag der Geldbuße anwandte, die gegen Amann wegen ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach dem multilateralen Treffen vom 16. Januar 2001 verhängt worden ist.
246 Zweitens weist die Berechnungsmethode, die darin besteht, dass das erste Jahr der Zuwiderhandlung bei der aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung vorgenommenen Erhöhung der Geldbuße nicht berücksichtigt wird, nicht die Merkmale einer ständigen Praxis der Kommission auf. Diese Methode ist nämlich in den jüngeren Entscheidungen der Kommission nicht mehr angewandt worden. Außerdem ist mit der Kommission festzustellen, dass die von Amann zur Untermauerung ihres Vorbringens angeführten Entscheidungen Zuwiderhandlungen von mittlerer Dauer (bis zu fünf Jahren) betreffen und somit eine angebliche ständige Entscheidungspraxis der Kommission für Zuwiderhandlungen von langer Dauer nicht belegen. Im Übrigen verfügt die Kommission im Bereich der Festsetzung der Höhe der Geldbußen über ein weites Ermessen und ist nicht an frühere eigene Beurteilungen gebunden (vgl. in diesem Sinne Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 154 angeführt, Randnr. 292).
247 Überdies ergibt sich aus dem Urteil Cheil Jedang/Kommission (oben in Randnr. 186 angeführt, Randnr. 133), auf das Amann sich beruft, im Gegenteil, dass die Bestimmungen aus Nr. 1 Teil B der Leitlinien keineswegs besagen, dass das erste Jahr der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt werden dürfe. Es ist nämlich nur vorgesehen, dass bei Verstößen von kurzer Dauer, in der Regel bei einer Dauer von weniger als einem Jahr, kein Aufschlag erfolgt. Dagegen wird bei Verstößen von längerer Dauer ein Aufschlag vorgenommen, der beispielsweise 50 % betragen kann, wenn die Zuwiderhandlung zwischen einem und fünf Jahre gedauert hat. Das Gericht hat hinzugefügt, dass die letztgenannte Bestimmung für Verstöße von mittlerer Dauer zwar keine automatische Erhöhung um 10 % pro Jahr vorsieht, aber der Kommission insoweit einen Wertungsspielraum belässt. Gleiches gilt im Übrigen für Nr. 1 Teil B dritter Gedankenstrich der Leitlinien, der Verstöße von langer Dauer betrifft und nur vorsieht, dass der Betrag um 10 % pro Jahr erhöht werden kann (Urteil Cheil Jedang/Kommission, Randnrn. 133 und 134). Im vorgenannten Urteil Cheil Jedang/Kommission ist das Gericht lediglich aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Erhöhung um 10 % nicht anzuwenden war, weil nämlich die Kommission in ihrer Entscheidung ohne die geringste Rechtfertigung einen Satz von 40 % gegenüber bestimmten Unternehmen wegen einer fünfjährigen Zuwiderhandlung angesetzt hatte, während sie eine Erhöhung um 30 % gegenüber der Klägerin für eine Zuwiderhandlung von zwei Jahren und zehn Monaten vorgenommen hatte.
248 Drittens macht Amann zu Unrecht geltend, dass die Kommission von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht habe, indem sie automatisch den höchsten Aufschlagsatz von 10 % pro Jahr der Zuwiderhandlung angewandt und somit die Tatsache nicht berücksichtigt habe, dass die Preise für Nähfaden für die Textilindustrie von vornherein nicht oder nur in äußerst begrenztem Umfang geeignet seien, die Verbraucher dauerhaft zu schädigen.
249 Es ist zu beachten, dass Nr. 1 Teil B Abs. 1 dritter Gedankenstrich der Leitlinien zwar für Verstöße von langer Dauer keine automatische Erhöhung um 10 % pro Jahr vorsieht, dass er aber der Kommission insoweit einen Wertungsspielraum lässt (Urteile des Gerichts vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T‑410/03, Slg. 2008, II‑881, Randnr. 396, und BPB/Kommission, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnr. 362).
250 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der vorstehenden Randnr. 239, dass die Kommission bei der Erhöhung der Geldbußen im Hinblick auf die Dauer der Zuwiderhandlung die Regeln beachtet hat, die sie sich in den Leitlinien auferlegt hat. Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls ist davon auszugehen, dass die Kommission von ihrem Ermessen zutreffend Gebrauch gemacht hat, indem sie die Geldbuße für jedes Jahr, in dessen Verlauf die Zuwiderhandlung stattfand, um 10 % erhöhte.
251 Außerdem ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass eine Erhöhung der Geldbuße nach Maßgabe der Dauer nicht auf den Fall beschränkt ist, dass zwischen der Dauer und einer erhöhten Schädigung der mit den Wettbewerbsregeln verfolgten Ziele der Gemeinschaft ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 12. Juli 2001, Tate & Lyle u. a./Kommission, T‑202/98, T‑204/98 und T‑207/98, Slg. 2001, II‑2035, Randnr. 106, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 154 angeführt, Randnr. 278).
252 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Erwägungsgründen 347 bis 351 der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission die konkreten schädlichen Auswirkungen des Kartells auf den betreffenden Markt geprüft hat. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, es sei schwierig, diese genau abzuschätzen, die Auswirkungen der Kartellabsprachen seien aber durchaus tatsächlich gegeben.
253 Im Licht der Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte des Einzelfalls ist davon auszugehen, dass der Kommission bei der Erhöhung der Geldbuße um 10 % für jedes Jahr der Zuwiderhandlung kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist.
254 Folglich ist der auf eine fehlerhafte Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne gestützte Klagegrund zurückzuweisen.
5. Zu dem von Amann geltend gemachten Klagegrund einer fehlenden Berücksichtigung bestimmter mildernder Umstände betreffend die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne
a) Vorbringen der Parteien
255 Amann beruft sich auf einen mildernden Umstand gemäß Nr. 3 siebter Gedankenstrich der Leitlinien angesichts ihres einseitigen Entschlusses, sich aus eigenem Antrieb und vor dem ersten Eingreifen der Kommission von dem Verstoß loszusagen. Das Unternehmen behauptet nämlich, nach dem Treffen vom 16. Januar 2001 an keinem Treffen mehr teilgenommen und ab März 2001 jeden bilateralen Kontakt beendet zu haben. Da sie nicht Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien geltend mache, stehe insoweit die Rechtsprechung, dass die betroffenen Unternehmen durch das Eingreifen der Kommission zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst worden seien, der Anerkennung eines mildernden Umstands nicht entgegen. Amann habe sich dadurch dem Risiko von Sanktionen ihrer Mitbewerber, insbesondere von Coats, ausgesetzt. Dass das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen nicht nur theoretisch gewesen sei, sei im Übrigen durch die E-Mails bewiesen, die mit dem Vertreter von Coats gewechselt worden seien, wie dies von BST während der Anhörung am 19. und 20. Juli 2004 bestätigt worden sei. Die Kommission sei im Übrigen diesen Erklärungen nicht nachgegangen und habe so die ihr obliegenden Pflichten zur Sachverhaltsaufklärung verletzt.
256 Außerdem verkenne die Kommission, wenn sie geltend mache, die Beendigung der Zuwiderhandlung sei bereits bei der Beurteilung ihrer Dauer berücksichtigt worden, dass die objektive Dauer eines Verstoßes von der subjektiven Seite der Beendigung zu trennen sei. Die Berücksichtigung eines Verhaltens als mildernder Umstand dürfe nicht ausgeschlossen sein, wenn sich das Verhalten zugunsten des Unternehmens auf die Dauer des Verstoßes auswirke.
257 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
b) Würdigung durch das Gericht
258 Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Leitlinien in Nr. 3 eine Verringerung des Grundbetrags bei „mildernden Umständen“ wie z. B. ausschließlich passiver Mitwirkung oder reinem Mitläufertum bei der Begehung der Zuwiderhandlung, der tatsächlichen Nichtanwendung der Vereinbarungen, der Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission oder sonstigen nicht ausdrücklich genannten Umständen vorsehen.
259 Außerdem ist festzustellen, dass diese Vorschrift keine bindende Aufzählung mildernder Umstände, die die Kommission berücksichtigen muss, enthält. Folglich verbleibt der Kommission ein gewisser Spielraum, um über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, Slg. 2004, II‑2395, Randnr. 326). So kann die Kommission keinesfalls verpflichtet sein, im Rahmen ihres Ermessens eine Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung einer offensichtlichen Zuwiderhandlung vorzunehmen, unabhängig davon, ob die Beendigung vor oder nach ihrem Eingreifen erfolgte (Urteil Tokai II, oben in Randnr. 93 angeführt, Randnr. 292).
260 Ferner ist zu betonen, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien vorgesehene Beendigung der Verstöße gegen die Wettbewerbsvorschriften nach dem ersten Eingreifen der Kommission logischerweise nur dann einen mildernden Umstand bilden kann, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass die fraglichen Unternehmen durch dieses Eingreifen zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden. Denn diese Bestimmung soll Unternehmen offenkundig darin bestärken, ihr wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar nach Einleitung einer entsprechenden Untersuchung der Kommission zu beenden. Eine entsprechende Herabsetzung der Geldbuße kommt nicht in Betracht, wenn die Unternehmen bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission die klare Entscheidung getroffen hatten, den Verstoß zu beenden, oder wenn der Verstoß vor diesem Zeitpunkt bereits beendet war. Der letztgenannte Fall wird bei der Berechnung der Dauer des zugrunde gelegten Zeitraums der Zuwiderhandlung hinreichend berücksichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C‑407/04 P, Slg. 2007, I‑829, Randnr. 158; Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, T‑44/00, Slg. 2004, II‑2223, Randnrn. 280 und 281, und vom 12. Dezember 2007, BASF/Kommission, oben in Randnr. 91 angeführt, Randnr. 128).
261 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Amann mildernde Umstände aufgrund der Tatsache beansprucht, dass sie schon nach dem Treffen vom 16. Januar 2001 einseitig beschlossen habe, an keinem weiteren Treffen mehr teilzunehmen und jeden bilateralen Kontakt zu beenden. Wie vorstehend in den Randnrn. 240 ff. dargestellt, nahm aber Amann nach diesen multilateralen Treffen weiterhin an bilateralen Treffen teil.
262 Aus den gleichen Gründen ist auch das Vorbringen von Amann zurückzuweisen, Coats sei in dem Kartell die treibende Kraft gewesen und habe gegenüber Amann nach deren Entscheidung, sich nicht mehr an der Zuwiderhandlung zu beteiligen, Drohungen geäußert. Insoweit geht das Vorbringen der Klägerin, das aus einem Verstoß gegen die der Kommission obliegende Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung hergeleitet wird, ins Leere. Denn wie sich aus der vorstehenden Randnr. 261 ergibt, ist die Ausgangsprämisse der Klägerin, sie habe ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach dem Treffen vom 16. Januar 2001 beendet, unzutreffend. Sie kann somit nicht mit Erfolg behaupten, dass die Beendigung der Zuwiderhandlung nach diesem Treffen dazu geführt habe, dass sie Vergeltungsmaßnahmen seitens Coats ausgesetzt gewesen sei, und kann folglich in dieser Hinsicht keine Verletzung der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung geltend machen.
263 Schließlich ergibt sich, selbst unterstellt, dass Amann früher ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung eingestellt hätte, aus der vorgenannten Rechtsprechung, dass der Kommission ein gewisser Spielraum verbleibt, um über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, und dass sie keineswegs verpflichtet ist, wegen Beendigung einer offensichtlichen Zuwiderhandlung vor ihrem Eingreifen eine derartige Geldbußenherabsetzung zu gewähren.
264 Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
6. Zu dem von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund der fehlerhaften Berechnung des Ausgangsbetrags und des Grundbetrags der wegen der Zuwiderhandlung auf dem Markt für Autogarne verhängten Geldbuße
a) Vorbringen der Parteien
265 Erstens rügen die Klägerinnen eine willkürliche Festsetzung des Ausgangsbetrags der wegen der Zuwiderhandlung auf dem Markt für Autogarne verhängten Geldbuße. Der angefochtenen Entscheidung lasse sich nämlich nicht entnehmen, wie die Kommission den Ausgangsbetrag errechnet und auf welcher Grundlage sie die Kategorien gebildet habe. Denn die Ausgangsbeträge (5 Millionen Euro für die Klägerinnen und 1,3 Millionen Euro für die übrigen in Rede stehenden Unternehmen) entsprächen nicht genau den jeweiligen kartellierten Umsätzen.
266 Sodann habe die Kommission nicht begründet, warum sie die Klägerinnen anders als Coats und Barbour als eine Unternehmenseinheit betrachte. Die Ausführungen der Kommission in Bezug auf den starken Einfluss Amanns auf Cousin vor Erwerb der Mehrheit an Cousin seien insoweit nicht überzeugend. Die Lage von Coats und Barbour hätte wie die der Klägerinnen bewertet werden müssen. Die Informationen von Oxley in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte sprächen ebenfalls dafür, dass die Kommission die Bedeutung von „Coats/Barbour“ unterschätzt habe. Es sei nicht auszuschließen, dass die Kommission bei einer korrekten Einordnung dieser Unternehmen zu einem anderen Ausgangsbetrag gekommen wäre. Nach alledem sei die angefochtene Entscheidung nicht begründet.
267 Die Klagebeantwortung der Kommission bestätige ihren Denkfehler, da sie die Teilnahme von Barbour nur bis zu ihrem Erwerb durch Coats im September 1999 und nach diesem Erwerb nur die Umsätze von Coats berücksichtigt habe, obwohl sie auch die Umsätze von Barbour im Jahr 1999 Coats hätte zuschlagen müssen. Dieser Umsatz habe etwa 6 Millionen Euro betragen. Die Klägerinnen rügen daher, dass der für sie festgesetzte Ausgangsbetrag 5 Millionen Euro betrage (bei einem kumulierten Umsatz von 8,55 Millionen Euro), während der für Coats sich auf 1,3 Millionen Euro (bei einem Umsatz von ungefähr 6 Millionen Euro) belaufe. Die von der Kommission durchgeführte Kategorienbildung habe ferner dazu geführt, dass der Umsatz der Klägerinnen für die volle Zeit zusammengefasst worden sei, während der Umsatz von Barbour ab dem Erwerb durch Coats bei der Bußgeldfestsetzung überhaupt nicht mehr berücksichtigt worden sei.
268 Zweitens seien die Berechnung des Grundbetrags entsprechend der Dauer der Zuwiderhandlung von Mai/Juni 1998 bis zum 15. Mai 2000, d. h. ein Jahr und elf Monate, und die daraus resultierende Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße um 15 % fehlerhaft.
269 Es sei nicht der Nachweis erbracht worden, dass im Mai/Juni 1998 ein Treffen stattgefunden habe und die Klägerinnen daran teilgenommen hätten. Der einzige Nachweis, auf den sich die Kommission stütze, sei die Antwort von Coats auf das Auskunftsverlangen. Diese Antwort von Coats beruhe selbst nur auf einer Notiz eines ehemaligen Mitarbeiters. Die Durchführung dieses Treffens stütze sich daher nur auf „Hörensagen“, und an der Authentizität dieser Notiz seien Zweifel angebracht, die die Kommission durch Nachprüfen hätte ausräumen müssen. Das erste Treffen habe erst im Juni 1999 stattgefunden. Oxley habe nichts zu diesem Treffen sagen können, und Coats sei nicht in der Lage gewesen, seine Teilnahme eindeutig zu klären. Im Hinblick auf die Unsicherheiten bezüglich dieses Treffens werfen die Klägerinnen der Kommission darüber hinaus vor, dass sie nichts unternommen habe, um den Ort eines solchen Treffens aufzuklären. Daher dürfe der Grundbetrag der Geldbuße erst ab dem 15. April 1999 berechnet werden.
270 Die Kommission tritt diesem Klagegrund entgegen.
b) Würdigung durch das Gericht
271 An erster Stelle ist das aus einer willkürlichen Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße hergeleitete Argument zu prüfen.
272 Hierbei ist zu beachten, dass die Leitlinien erstens die Beurteilung der Schwere des Verstoßes als solche regeln, auf deren Grundlage ein „allgemeiner Ausgangsbetrag“ errechnet werden kann. Die Schwere eines Verstoßes wird somit anhand objektiver Gesichtspunkte wie der Art des Verstoßes, seiner konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes bestimmt. Zweitens wird die Schwere des Verstoßes auf der Grundlage einer Vielzahl subjektiver Gesichtspunkte untersucht. So werden die Merkmale des betroffenen Unternehmens berücksichtigt, insbesondere seine Größe und seine Stellung auf dem relevanten Markt, was Anlass für die Gewichtung des Ausgangsbetrags, die Unterteilung der Unternehmen in Kategorien und die Festsetzung eines „spezifischen Ausgangsbetrags“ sein kann. Drittens wird die Dauer des Verstoßes für die Festsetzung des Grundbetrags berücksichtigt, und viertens werden die erschwerenden und mildernden Umstände berücksichtigt, die es erlauben, insbesondere die Schwere in Bezug auf die Beteiligung jedes der betroffenen Unternehmen an der Zuwiderhandlung zu bewerten.
273 Was im Einzelnen die für die Festsetzung des Ausgangsbetrags berücksichtigten subjektiven Gesichtspunkte betrifft, ist es nach den Leitlinien nötig, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße zu berücksichtigen, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet (Nr. l Abschnitt A Abs. 4).
274 In Fällen, in denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, z. B. bei Kartellen, kann es nach den Leitlinien angebracht sein, den allgemeinen Ausgangsbetrag zu gewichten, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren, und infolgedessen den allgemeinen Ausgangsbetrag dem spezifischen Charakter jedes Unternehmens anzupassen (Nr. 1 Teil A Abs. 6) (Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 186 angeführt, Randnr. 81).
275 Die Leitlinien sehen nicht vor, dass die Höhe der Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes oder des Umsatzes der Unternehmen auf dem betreffenden Markt berechnet wird. Sie schließen jedoch auch nicht aus, dass diese Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden, damit die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es erfordern. Insbesondere kann somit der Umsatz eine Rolle spielen, wenn es um die Berücksichtigung der verschiedenen oben in den Randnrn. 269 und 270 angeführten Faktoren geht (Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 186 angeführt, Randnr. 82, und Tokai I, oben in Randnr. 186 angeführt, Randnr. 195).
276 Im vorliegenden Fall geht aus den Erwägungsgründen 418 ff. der angefochtenen Entscheidung hervor, dass sich die Kommission an die Bestimmungen der Leitlinien gehalten hat. Denn sie hat die Art des Verstoßes, seine konkreten Auswirkungen auf den Markt sowie den Umfang des betreffenden räumlichen Marktes bestimmt. In Anbetracht dieser Faktoren hat sie den Vorstoß als besonders schwer eingestuft und dabei im 428. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung klargestellt, dass sie der geringen Größe des betroffenen Marktes bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße Rechnung tragen werde.
277 Schließlich hat sie es ebenso wie bei dem Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern für nötig gehalten, die an dem Autogarnkartell beteiligten Unternehmen entsprechend ihrer Möglichkeit, den Wettbewerb aufgrund ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit erheblich zu schädigen, differenziert zu behandeln und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleistet. Zudem hat sie es als erforderlich bezeichnet, das jeweilige Gewicht des rechtswidrigen Verhaltens jedes Unternehmens und damit seine tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu berücksichtigen. Zur Beurteilung dieser Gesichtspunkte hat die Kommission sich dafür entschieden, auf den Umsatz auf dem betreffenden Markt für das vom Kartell betroffene Produkt abzustellen (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 430 bis 432).
278 Demzufolge hat sie die Unternehmen in zwei Kategorien eingeteilt. Amann und Cousin wurden in Anbetracht eines kumulierten Umsatzes von 8,55 Millionen Euro in die erste Kategorie eingruppiert. Coats, Oxley und Barbour wurden in Anbetracht ihres zwischen einer und drei Millionen Euro geschätzten Umsatzes in die zweite Kategorie eingestuft. Die Kommission hat für Amann und Cousin einen anhand der Schwere der Zuwiderhandlung bestimmten Ausgangsbetrag von 5 Millionen Euro und für Coats, Oxley und Barbour einen von 1,3 Millionen Euro zugrunde gelegt (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 432 bis 435).
279 Wie in den vorstehenden Randnrn. 216 bis 221 betont, muss sich das Gericht jedoch im Rahmen seiner Kontrolle, ob die Kommission ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat, darauf beschränken, ob die Einteilung schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil BASF/Kommission, oben in Randnr. 196 angeführt, Randnr. 157 und die dort angeführte Rechtsprechung).
280 In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass eine Einteilung der Unternehmen in zwei Kategorien kein unvernünftiges Vorgehen ist, um bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags ihrer relativen Bedeutung am Markt Rechnung zu tragen, sofern dies nicht zu einer grob entstellenden Darstellung des relevanten Marktes führt. Im vorliegenden Fall lässt sich die Methode der Kommission, die in der Festsetzung von Kategorien anhand des auf dem relevanten Markt für das betreffende Produkt erzielten Umsatzes bestand, nicht von vornherein als unschlüssig ansehen.
281 In Bezug auf die Bestimmung des Ausgangsbetrags als solche ist festzustellen, dass sich die Wahl des Betrags von 5 Millionen Euro für die in die erste Kategorie eingestuften Unternehmen nicht als willkürlich qualifizieren lässt und nicht die Grenzen des der Kommission insoweit zustehenden weiten Ermessens überschreitet. Denn dieser Betrag wurde unter Berücksichtigung der Kategorien bestimmt, die selbst, wie in den vorstehenden Randnrn. 277 und 278 festgestellt worden ist, wirksam festgelegt wurden. Außerdem liegt der als Ausgangsbetrag gewählte Betrag von 5 Millionen Euro unter dem Umsatz der Klägerin, der für die erste Kategorie als Referenz gedient hat.
282 In Anbetracht dieser Ausführungen tragen die Klägerinnen zu Unrecht vor, die Kommission habe die beiden Kategorien willkürlich bestimmt und den Ausgangsbetrag der Geldbuße willkürlich berechnet.
283 Nicht erheblich ist sodann der der Kommission gemachte Vorwurf, sie habe Coats und Barbour nicht als „Unternehmenseinheit“ betrachtet und demzufolge ihre Umsätze nicht addiert. Denn es ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung (Erwähnungsgründe 40 und 67), dass Coats Barbour erst im September 1999 erworben hat. Bei letzterem Unternehmen handelte es sich somit um ein rechtlich selbständiges Unternehmen, und es konnte als solches individuell für die im Zeitraum Mai/Juni 1998 bis September 1999 begangene Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen werden. Für Coats ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass dieses Unternehmen an der Zuwiderhandlung vom 8. Juni 1999 bis zum 15. Mai 2000 beteiligt war und dass es somit individuell für seine Verstöße zur Verantwortung gezogen werden konnte.
284 Somit bestand entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kein Anlass, die Umsätze von Coats und Barbour zu addieren und diese Unternehmen in die erste Kategorie einzugruppieren.
285 Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nur den Umsatz von Coats für das Jahr 1999 berücksichtigt hat. Es wäre aber gerechtfertigt, diesem Betrag den auf die Monate Oktober bis Dezember 1999 entfallenden Anteil des Umsatzes von Barbour, mithin 3/12 ihres Jahresumsatzes, hinzuzufügen. Der Umsatz von Coats hätte somit um einen Betrag zwischen 250 000 Euro und 750 000 Euro erhöht werden müssen. Dieser Rechenfehler stellt jedoch die Einstufung der Klägerinnen in die erste Kategorie ebenso wenig in Frage wie den Ausgangsbetrag, der auf sie angewandt worden ist. Die Klägerinnen bestreiten nämlich nicht die von der Kommission in den Erwägungsgründen 323 und 433 der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, der zufolge sie als „Unternehmenseinheit“ betrachtet werden müssten, und auch nicht, dass deswegen die Kommission zu Recht ihre jeweiligen Umsätze addiert hat.
286 Schließlich ist das Argument zurückzuweisen, das aus einem Verstoß gegen Art. 253 EG hergeleitet wird, weil zum einen die Kommission nicht erklärt habe, weswegen sie die Klägerinnen im Gegensatz zu Coats und Barbour als „Unternehmenseinheit“ betrachte, und weil zum anderen die Bestimmung und die Berechnung des Ausgangsbetrags nicht verständlich seien.
287 Die Kommission hat nämlich zum einen klar in den Erwägungsgründen 323 und 433 der angefochtenen Entscheidung die Gründe angegeben, aus denen die Klägerinnen als „Unternehmenseinheit“ betrachtet werden müssten. Zum anderen verlangt die Begründungspflicht, wie vorstehend in Randnr. 225 festgestellt, von der Kommission nicht, in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen; sie darf sich jedenfalls nicht durch den ausschließlichen und mechanischen Rückgriff auf mathematische Formeln ihres Ermessens begeben.
288 Im vorliegenden Fall ist die Kommission, wie sich aus den vorstehenden Randnrn. 276 bis 278 ergibt, ihrer Begründungspflicht vollauf nachgekommen, indem sie in den Erwägungsgründen 418 ff. der angefochtenen Entscheidung die Beurteilungsfaktoren angegeben hat, die es ihr ermöglicht haben, die Schwere der Zuwiderhandlung zu bemessen.
289 Zweitens ergibt sich in Bezug auf das Argument, der Grundbetrag der Geldbuße sei aufgrund einer fehlerhaften Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung fehlerhaft festgesetzt worden, aus den Akten, dass das erste Treffen hinsichtlich des Marktes für Autogarne nicht im Juni 1999 stattgefunden hat, wie dies die Klägerinnen vortragen, sondern im Mai/Juni 1998.
290 In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hat Amann ausdrücklich erwähnt, dass es dieses Treffen gegeben habe, und angegeben, es habe den Teilnehmern ermöglicht, untereinander einen ersten Kontakt herzustellen, Informationen über bestimmte Preise auszutauschen und ihre Absicht zu äußern, Preise für einen sechs Monate nicht überschreitenden Zeitraum festzulegen.
291 Dieses Vorbringen geht somit in tatsächlicher Hinsicht fehl.
292 Außerdem ist der der Kommission gemachte Vorwurf, sie habe nicht exakt bestimmt, ob das Treffen im Mai oder im Juni stattgefunden habe, deshalb nicht erheblich, weil die Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlung ab dem Monat Juni erfolgte, was ein für die Klägerin günstigerer Anfangszeitpunkt ist.
293 In Anbetracht dieser Erwägungen ist der aus einer fehlerhaften Berechnung des Ausgangsbetrags und des Grundbetrags der Geldbuße hergeleitete Klagegrund zurückzuweisen.
7. Zu dem von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund der Nichtberücksichtigung der Nichtumsetzung des Kartells auf dem Markt für Autogarne
a) Vorbringen der Parteien
294 Nach Ansicht der Klägerinnen sind die Feststellungen zu den Marktauswirkungen der Zuwiderhandlung fehlerhaft. In der Entscheidung sei nämlich die tatsächliche Umsetzung der Vereinbarungen, die im Rahmen des Kartells auf dem Markt für Autogarne geschlossen worden seien, nicht nachgewiesen worden. Die Schriftstücke, auf die die Kommission ihre Behauptungen in Bezug auf die tatsächliche Umsetzung des Kartells stütze, seien lediglich als Nachweis für die Treffen zwischen den Teilnehmern aufgeführt. Die Kommission räume im 427. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst ein, Schwierigkeiten bei der Feststellung der Umsetzung des Kartells gehabt zu haben.
295 Insbesondere habe die Kommission zu Unrecht behauptet, dass Cousin seinem Kunden Johnson Controls Preiserhöhungen vorgeschrieben habe. Diese Erhöhung habe allein der individuellen Preispolitik der Klägerinnen entsprochen und nichts mit den Absprachen zu tun gehabt. Den Klägerinnen sei zu diesem in der Entscheidung erstmals erwähnten Punkt kein rechtliches Gehör gewährt worden, so dass dieser nicht als Nachweis zur Umsetzung des Kartells herangezogen werden könne.
296 Die Klägerinnen erinnern an die Pflicht der Kommission, bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes alle Umstände zu berücksichtigen, die für die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt relevant sein könnten. Die Kommission habe selbst in Fällen, in denen die Absprachen nur teilweise umgesetzt worden seien, die Existenz eines solchen Umstands strafmildernd berücksichtigt. Da der fehlenden Umsetzung im vorliegenden Fall noch viel mehr Gewicht zukomme, hätte die Kommission dies im Einklang mit ihrer bisherigen Praxis berücksichtigen und mithin als mildernden Umstand gemäß Nr. 3 der Leitlinien anerkennen oder bei der Bemessung der Schwere des Verstoßes berücksichtigen müssen.
297 Die Kommission tritt diesem Klagegrund entgegen.
b) Würdigung durch das Gericht
298 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der 233. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erkennen lässt, dass Cousin anlässlich des Treffens vom 9. Juli 1999 angegeben hat, sie versuche, die Preise für ihren Kunden Johnson Controls zu erhöhen. Aus den Erklärungen von Barbour ergibt sich außerdem, dass ein Vertreter von Cousin einen Vertreter von Barbour angerufen habe, um ihm zu bestätigen, dass die Erhöhung durchgesetzt worden sei. Schließlich ist festzustellen, dass Cousin bestätigt, ihre Preise erhöht zu haben, aber behauptet, diese Erhöhung habe sich keineswegs aus einer Vereinbarung ergeben.
299 Erstens behaupten die Klägerinnen zu Unrecht, dass die Bezugnahme auf die Preiserhöhung gegenüber Johnson Controls in der Mitteilung der Beschwerdepunkte niemals erwähnt worden sei und dass sie daher keine Gelegenheit gehabt hätten, darauf zu antworten. Da sich die Kommission in den Nrn. 192 und 201 der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich hierauf bezogen hat, geht dieses Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht fehl.
300 Zweitens ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vereinbarung durchgeführt worden sei, indem sie sich auf die vorgenannte Erhöhung der Preise gegenüber Johnson Controls berief. Denn die Erklärungen von Cousin anlässlich des Treffens vom 9. Juli 1999 bezüglich ihrer Absicht, gegenüber Johnson Controls die Preise zu erhöhen, das Telefongespräch zwischen Cousin und Barbour, bei dem die Konkretisierung dieser Absicht angekündigt wurde, und die Bestätigung dieser Erhöhung durch Cousin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens stellen ein insoweit hinreichendes Bündel von Indizien dar. Es ist somit Sache der Klägerinnen, darzutun, dass sich in der Preiserhöhung keineswegs die Anwendung einer Vereinbarung niedergeschlagen habe; das bloße Anführen ihrer „individuellen Preispolitik“ genügt insoweit nicht.
301 Was drittens die Auswirkungen der Zuwiderhandlung betrifft, hat die Kommission im 427. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die Kartellabsprachen umgesetzt worden seien und sich auf den in Frage stehenden Markt und das betreffende Produkt ausgewirkt hätten, „auch wenn sich die Auswirkungen nicht genau abschätzen lassen.“ Es ist daran zu erinnern, dass die Anforderungen an die Beweislast für das Vorliegen von Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf einen Markt, die der Kommission obliegt, wenn sie diese Auswirkungen im Rahmen der Festsetzung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt, geringer sind als die Anforderungen an den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung im Fall eines Kartells als solcher. Denn die konkreten Auswirkungen des Kartells auf den Markt dürfen bereits dann berücksichtigt werden, wenn die Kommission „gute Gründe für ihre Berücksichtigung“ angibt (Urteil Jungbunzlauer/Kommission, oben in Randnr. 171 angeführt, Randnr. 161). Die Erhöhung der Preise gegenüber Johnson Controls stellt somit schon für sich allein einen sehr guten Grund dar, um konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt zu berücksichtigen.
302 Viertens ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass die Klägerinnen keineswegs die Berücksichtigung mildernder Umstände zu ihren Gunsten wegen tatsächlicher Nichtanwendung der Vereinbarungen verlangen können.
303 Daraus folgt, dass der Klagegrund zurückzuweisen ist.
8. Zu dem Klagegrund, der aus der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Verteidigungsrechte hergeleitet wird
a) Vorbringen der Parteien
304 Dieser Klagegrund stützt sich auf zwei Rügen. Die erste Rüge leitet sich aus einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör her, die zweite aus einer Verletzung der Verteidigungsrechte.
305 Erstens ist Amann der Ansicht, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör, der in Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 verankert sei, sei verletzt worden. Die Kommission habe nämlich einen bedeutenden Teil ihrer Entscheidung in Bezug auf bestimmte Rabatte auf Schriftstücke gestützt, die im 116. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnt worden seien. Diese Schriftstücke und die von der Kommission daraus gezogenen Schlüsse seien Amann in der Mitteilung der Beschwerdepunkte in diesem Zusammenhang nicht zur Kenntnis gebracht worden. Sie könnten daher nicht als Beweis für einen Verstoß gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens verwendet werden. Die schlichte Präsenz dieser Schriftstücke in den Akten der Kommission und die Möglichkeit, sie im Zuge der Akteneinsicht einzusehen, genügten für die Wahrung des rechtlichen Gehörs nämlich nicht.
306 Die Kommission habe den Anspruch auf rechtliches Gehör auch dadurch verletzt, dass sie sich auf Vorwürfe gestützt habe, zu denen sie sich nicht habe äußern können. Die angefochtene Entscheidung beziehe sich zur Begründung des Vorwurfs eines Informationsaustauschs über Rabatte und einer Vereinbarung über deren Reduzierung auf eine Diskussion am 19. September 2000 zur Reduzierung der Rabatte in Schweden. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte fehle jeder Hinweis auf derartige Vereinbarungen im Hinblick auf Schweden; diese behandle vielmehr solche Vereinbarungen für Finnland. Die Kommission habe im 116. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eingeräumt, dass sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte versehentlich auf Finnland statt auf Schweden hingewiesen habe. Amann sei daher zu diesem Punkt nicht gehört worden. Die Kommission nehme zu Unrecht an, dass Amann aus dem in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten Dokument habe ableiten können, dass sich der Vorwurf auf Schweden beziehe. Das fragliche Dokument, nämlich eine E-Mail vom 10. Oktober 2000, sei aber in einem anderen Zusammenhang als dem der Vereinbarungen über Rabatte erwähnt worden. Zudem erlaube der Inhalt des Dokuments keinen Schluss auf eine konkrete Rabattvereinbarung. Nach der Rechtsprechung seien nicht die Schriftstücke als solche entscheidend, sondern die Schlussfolgerungen, die die Kommission daraus ziehe. Diese Rechtsprechung gelte auch im vorliegenden Fall, selbst wenn die angefochtene Entscheidung die oben genannte E-Mail erwähne, da diese in einem anderen Zusammenhang angeführt worden sei.
307 Darüber hinaus widerspreche die Kommission sich selbst, wenn sie vortrage, dass sie Schweden statt Finnland gemeint habe, zugleich aber erkläre, dass es in beiden Ländern Absprachen gegeben habe.
308 Zweitens habe die Kommission ihre Verteidigungsrechte dadurch verletzt, dass sie von den Klägerinnen verlangt habe, die in den Auskunftsverlangen vom 6. und 24. März 2003 gestellten Fragen zu Kontakten mit Wettbewerbern zu beantworten, ohne zu erkennen zu geben, dass sie als „Beschuldigte“ befragt würden. Nach der Rechtsprechung sei es unzulässig gewesen, die Klägerinnen aufzufordern, im Zusammenhang mit Kontakten zu Wettbewerbern im Einzelnen anzugeben, worüber diskutiert und welche Entscheidungen getroffen worden seien; dies gelte erst recht, soweit die Unternehmen aufgefordert worden seien, über reine Tatsachen und die Vorlage von bereits existierenden Schriftstücken hinaus Gegenstand, Verlauf und Resultate von Kontakten mit Wettbewerbern darzustellen, wenn die Kommission offensichtlich den Verdacht gehabt habe, dass es bei diesen Zusammenkünften um eine Beschränkung des Wettbewerbs gegangen sei. Dies sei hier der Fall gewesen, wie sich aus Abschnitt 4.1. der vorgenannten Auskunftsverlangen ergebe.
309 Da die Klägerinnen ihrer Ansicht nach trotz Bestehens eines Auskunftsverweigerungsrechts sämtliche Fragen der Kommission umfassend beantwortet haben, machen sie gemäß Abschnitt D Nr. 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit eine über die auf ihre Geldbußen angewandten 15 % hinausgehende Ermäßigung geltend. Sie seien weit über das hinausgegangen, was die Kommission hätte verlangen können.
310 Die genannte Ermäßigung um 15 % sei außerdem im Vergleich mit der für Coats festgesetzten Ermäßigung um 50 % als unzureichend zu betrachten. Die Kommission hätte nämlich berücksichtigen müssen, dass sie im Rahmen der Nachprüfung bereits an die wesentlichen Schriftstücke, die die Feststellung einer Zuwiderhandlung in den betroffenen Bereichen ohne Weiteres zugelassen hätten, gelangt gewesen sei. Darüber hinaus hätte Coats gegenüber ihren Wettbewerbern einen Informationsvorsprung hinsichtlich des unmittelbar bevorstehenden Verfahrens gehabt, so dass sich die Stellung eines Kronzeugenantrags förmlich aufgedrängt habe. Ferner sei Coats die treibende Kraft gewesen, was mehrere andere betroffene Unternehmen bestätigt hätten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätten die Klägerinnen die gleiche Behandlung wie Coats erfahren müssen.
311 Die Kommission weist diesen Klagegrund zurück.
b) Würdigung durch das Gericht
Zum Vorwurf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
312 Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Beschwerdepunkte in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, sei es auch nur in gedrängter Form, so klar abgefasst sein, dass die Betroffenen tatsächlich erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt, und sie ihre Verteidigung sachgerecht wahrnehmen können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlässt. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die genannte Entscheidung den Betroffenen keine anderen Zuwiderhandlungen zur Last legt als diejenigen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt werden, und sich nur auf Tatsachen stützt, zu denen die Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung hatten (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjö/Kommission, T‑352/94, Slg. 1998, II‑1989, Randnr. 63, CMA CGM u. a./Kommission, oben in Randnr. 196 angeführt, Randnr. 109, und Tokai II, oben in Randnr. 93 angeführt, Randnr. 138).
313 Die Verteidigungsrechte werden durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung nur verletzt, wenn ein in der endgültigen Entscheidung ausgesprochener Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte so unzulänglich dargestellt worden war, dass sich die Adressaten dagegen nicht verteidigen konnten (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T‑48/00, Slg. 2004, II‑2325, Randnr. 100).
314 Aus der Rechtsprechung ergibt sich auch, dass nicht die Schriftstücke als solche entscheidend sind, sondern die Schlussfolgerungen, die die Kommission daraus gezogen hat, und dass, wenn diese Schriftstücke in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden sind, das betroffene Unternehmen zu Recht davon ausgehen kann, dass sie für das Verfahren bedeutungslos sind. Teilt die Kommission einem Unternehmen nicht mit, dass bestimmte Schriftstücke in der Entscheidung verwendet werden sollen, so hindert sie es daran, rechtzeitig seine Meinung zum Beweiswert dieser Schriftstücke kundzutun. Diese Schriftstücke können deshalb nicht als gültige Beweismittel gegen das Unternehmen angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG-Telefunken/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnr. 27, und vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, C‑62/86, Slg. 1991, I‑3359, Randnr. 21; Urteil des Gerichts vom 10. März 1992, Shell/Kommission, T‑11/89, Slg. 1992, II‑757, Randnr. 55).
315 Ein Schriftstück, das die Kommission zur Stützung eines Beschwerdepunkts in der endgültigen Entscheidung herangezogen hat, obwohl dieses Schriftstück in der Mitteilung der Beschwerdepunkte herangezogen wurde, um einen anderen Beschwerdepunkt zu belegen, kann in der Entscheidung nur dann gegen das betreffende Unternehmen verwendet werden, wenn dieses den Mitteilungen der Beschwerdepunkte und dem Inhalt des Schriftstücks bei vernünftiger Betrachtung entnehmen konnte, welche Schlüsse die Kommission daraus zu ziehen gedachte (vgl. in diesem Sinne Urteil Shell/Kommission, oben in Randnr. 314 angeführt, Randnr. 62).
316 Im Licht der vorstehend dargestellten Rechtsprechung ist die von Amann erhobene Rüge zu prüfen.
317 Die Kommission hat im 116. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eingeräumt, in den Nrn. 104 und 126 der Mitteilung der Beschwerdepunkte versehentlich angegeben zu haben, dass bei dem Treffen am 19. September 2000 in Budapest (Ungarn) eine Rabattreduzierung in Finnland vereinbart worden sei. Diesen Fehler hat sie in demselben 116. Erwägungsgrund richtiggestellt, indem sie betont hat, dass in Wirklichkeit Schweden von der Rabattreduzierung betroffen gewesen sei.
318 Zunächst ist festzustellen, dass die Überschrift vor den Nrn. 125 und 126 der Beschwerdepunkte – „Zusammenkunft im Mercure Hotel in Budapest am 19. September 2000“ – auf Fn. 244 verweist, die auf die E-Mail vom 10. Oktober 2000 Bezug nimmt, die die im Lauf dieser Zusammenkunft angesprochenen Aspekte enthält, darunter die Rabattreduzierung in Schweden.
319 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Amann dieses Schriftstück kannte, was ihre Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zeigt. Sie erwähnt nämlich, dass dieses Schriftstück eine E-Mail von J. L. (Coats) an F. S. (Coats) vom 10. Oktober 2000 mit einem sehr detaillierten Bericht über den Inhalt der Zusammenkunft von Budapest enthalte.
320 Aus dieser E-Mail geht sehr klar hervor, dass das einzige von der Rabattreduzierung betroffene Land Schweden war und dass kein weiterer, sich auf Finnland beziehender Gesichtspunkt zum Vorhandensein einer etwaigen Vereinbarung über eine derartige Reduzierung in Finnland für Verwirrung sorgen konnte.
321 Entgegen dem Vorbringen von Amann wurde diese E-Mail ferner nicht in einem anderen Zusammenhang vorgelegt, weil sie Vereinbarungen aufführt, die anlässlich der Zusammenkunft vom 19. September 2000 getroffen wurden, an der teilgenommen zu haben Amann im Übrigen nicht bestreitet.
322 Somit ist im Einklang mit der vorgenannten Rechtsprechung davon auszugehen, dass Amann bei verständiger Betrachtung aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte und dem Inhalt des Schriftstücks ableiten konnte, welche Schlussfolgerungen die die Kommission daraus zu ziehen gedachte, und somit den Irrtum allein in Bezug auf das durch die Rabattreduzierung betroffene Land klarstellen konnte.
323 Unerheblich ist insoweit das Vorbringen von Amann, wonach der in der E-Mail enthaltene Satz „Sweden: … Special prices to increase by 3,5% per 1-4-2001 or rebates down“ (Schweden: … Sonderpreise um 3,5 % zum 1. April 2001 erhöhen oder Rabatte senken) es dem Unternehmen nicht ermöglicht habe, zu erkennen, dass die Kommission sich auf den genannten Satz habe stützen wollen, um das Vorhandensein einer Vereinbarung über die Senkung der Rabatte in Schweden zu belegen. Aus den vorgenannten Erwägungen geht hervor, dass Amann damit rechnen musste, dass die Kommission hierauf abstellen werde.
324 Folglich ist davon auszugehen, dass der Anspruch von Amann auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden ist.
Zum Vorwurf einer Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Grundsatzes des Verbots der Selbstbelastung
325 Aus der Rechtsprechung zum Umfang der Befugnisse der Kommission in Voruntersuchungs- und Verwaltungsverfahren geht hervor, dass die Kommission berechtigt ist, ein Unternehmen gegebenenfalls durch Entscheidung zu verpflichten, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihm eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen. Doch darf sie dem Unternehmen nicht die Verpflichtung auferlegen, Antworten zu geben, durch die es die Zuwiderhandlung eingestehen müsste, für die die Kommission den Beweis zu erbringen hat (Urteile des Gerichtshofs vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg. 1989, 3283, Randnrn. 34 und 35, Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnrn. 61 und 65, und Dalmine/Kommission, oben in Randnr. 260 angeführt, Randnr. 34).
326 So kann einem Unternehmen, an das sich eine Entscheidung über ein Auskunftsverlangen im Sinne von Art. 11 Abs. 5 der Verordnung Nr. 17 richtet, kein absolutes Auskunftsverweigerungsrecht zuerkannt werden. Die Anerkennung eines solchen Rechts ginge nämlich über das hinaus, was zur Wahrung der Verteidigungsrechte der Unternehmen erforderlich ist, und würde zu einer ungerechtfertigten Behinderung der Kommission bei der Erfüllung ihrer Aufgabe führen, die Wettbewerbsregeln im Gemeinsamen Markt zu überwachen. Ein Auskunftsverweigerungsrecht kann nur insoweit anerkannt werden, als von dem betroffenen Unternehmen Antworten verlangt werden, durch die es das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingestehen müsste, für die die Kommission den Nachweis zu erbringen hat (Urteil Tokai I, oben in Randnr. 186 angeführt, Randnr. 402).
327 Daher darf die Kommission, um die praktische Wirksamkeit von Art. 11 der Verordnung Nr. 17 zu erhalten, die Unternehmen zwingen, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihnen eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen und erforderlichenfalls die in ihrem Besitz befindlichen Schriftstücke, die sich hierauf beziehen, zu übermitteln, selbst wenn diese dazu verwendet werden können, den Beweis für ein wettbewerbswidriges Verhalten zu erbringen. Diese Auskunftsbefugnisse der Kommission verstoßen weder gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK noch gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil Tokai I, oben in Randnr. 186 angeführt, Randnrn. 403 und 404).
328 Die Pflicht zur Beantwortung rein tatsächlicher Fragen der Kommission und zur Vorlage von ihr angeforderter vorhandener Schriftstücke kann jedenfalls den tragenden Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte und den Anspruch auf einen fairen Prozess nicht verletzen, die auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts einen Schutz bieten, der dem durch Art. 6 EMRK gewährten gleichwertig ist. Denn nichts hindert den Adressaten eines Auskunftsverlangens daran, später im Verwaltungsverfahren oder in einem Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter zu beweisen, dass die in seinen Antworten mitgeteilten Tatsachen oder die übermittelten Schriftstücke eine andere als die ihnen von der Kommission beigemessene Bedeutung haben (Urteil Tokai I, oben in Randnr. 186 angeführt, Randnr. 406).
329 Wenn schließlich die Kommission in einem Auskunftsverlangen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 über reine Tatsachenfragen und die Aufforderung zur Vorlage von bereits existierenden Unterlagen hinaus ein Unternehmen auffordert, den Gegenstand, den Verlauf und die Resultate oder Schlussfolgerungen mehrerer Zusammenkünfte darzustellen, an denen es teilgenommen hat, und dabei klar ist, dass sie den Verdacht hat, dass es bei diesen Zusammenkünften um eine Beschränkung des Wettbewerbs ging, so ist diese Aufforderung geeignet, das befragte Unternehmen zu zwingen, seine Beteiligung an einem Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft einzugestehen; das betreffende Unternehmen muss derartige Fragen daher nicht beantworten. In einem solchen Fall ist es als Zusammenarbeit aus eigenem Antrieb, die eine Herabsetzung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen kann, anzusehen, wenn ein Unternehmen gleichwohl Auskunft über diese Punkte gibt (Urteil des Gerichts vom 6. Dezember 2005, Brouwerij Haacht/Kommission, T‑48/02, Slg. 2005, II‑5259, Randnr. 107). Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass in diesem Fall die Unternehmen nicht vorbringen können, ihr Recht, sich nicht selbst zu belasten, sei deshalb verletzt worden, weil sie freiwillig auf ein derartiges Ersuchen geantwortet hätten (Urteil des Gerichts Dalmine/Kommission, oben in Randnr. 259 angeführt, Randnr. 46).
330 Im Licht dieser Rechtsprechung ist zu bestimmen, ob die Kommission das Recht der Klägerinnen, sich nicht selbst zu belasten, verletzt hat.
331 Erstens ist zu betonen, dass die Kommission durch Auskunftsverlangen (E-Mails vom 6. und 24. März 2003) und nicht im Entscheidungswege um Informationen ersucht hat.
332 Aus Abschnitt 4 der vorgenannten Anfragen ergibt sich in Bezug auf den Inhalt der begehrten Informationen, dass die Kommission u. a. Angaben über die Zusammenkünfte mit den Wettbewerbern, über Datum, Ort und Liste der Teilnehmer, über den Gegenstand und Verlauf dieser Zusammenkünfte sowie Informationen über die bilateralen Kontakte erhalten wollte. Keinesfalls waren die Klägerinnen verpflichtet, auf die Fragen zu antworten, wenn sich zeigen sollte, dass ihre Antworten sie dazu verleiten würden, ihre Beteiligung an einer vermuteten Zuwiderhandlung einzugestehen. Trotzdem haben sie freiwillig auf diese Anfragen geantwortet und können daher nicht vorbringen, ihr Recht, sich nicht selbst zu belasten, sei dadurch verletzt worden.
333 Zweitens ist zu dem der Kommission von den Klägerinnen gemachten Vorwurf, sie nicht über die ihnen geltenden Vermutungen informiert zu haben, vorab darauf hinzuweisen, dass eine Verbindung zwischen den von der Kommission gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 verlangten Auskünften und der in der Anfrage thematisierten Zuwiderhandlung, derentwegen ermittelt wird, bestehen muss. Denn Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 17 ermächtigt die Kommission dazu, insbesondere bei Unternehmen „alle erforderlichen Auskünfte“ zur Anwendung der in den Art. 81 EG und 82 EG aufgeführten Grundsätze einzuholen. Außerdem sieht Art. 11 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 vor, dass die Kommission in ihrem Auskunftsverlangen u. a. auf „die Rechtsgrundlage und den Zweck des Verlangens“ hinweist. Bei einer Gesamtschau von Art. 11 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 17 sowie der Anforderungen an die Wahrung der Verteidigungsrechte der betreffenden Unternehmen ergibt sich somit, dass das in Art. 11 der Verordnung Nr. 17 aufgestellte Erforderlichkeitskriterium anhand des Zwecks der Untersuchung, wie er zwingend im Auskunftsverlangen selbst klargestellt wird, zu beurteilen ist. Denn wie der Gerichtshof in Bezug auf eine Art. 11 der Verordnung Nr. 17 vergleichbare Vorschrift im Urteil vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission (46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859, Randnr. 29), hinsichtlich der Nachprüfungsbefugnisse entschieden hat, die Art. 14 der Verordnung Nr. 17 der Kommission verleiht, stellt die Verpflichtung der Kommission zur Angabe von Gegenstand und Zweck der Nachprüfung ein grundlegendes Erfordernis dar, um nicht nur die Berechtigung des beabsichtigten Vorgehens in den betroffenen Unternehmen aufzuzeigen, sondern auch diese Unternehmen in die Lage zu versetzen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren. Daraus folgt, dass die Kommission nur solche Auskünfte verlangen kann, die ihr die Prüfung der vermuteten Zuwiderhandlungen, die die Durchführung der Untersuchung rechtfertigen und die im Auskunftsverlangen angegeben sind, ermöglichen können (Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, T‑39/90, Slg. 1991, II‑1497, Randnr. 25, und vom 8. März 1995, Société Générale/Kommission, T‑34/93, Slg. 1995, II‑545, Randnrn. 40, 62 und 63).
334 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Kommission bei ihrem Auskunftsverlangen nicht gehalten ist, explizit die vermuteten Zuwiderhandlungen den betreffenden Unternehmen zuzuordnen, und dass sie somit nicht gehalten ist, auf dieser Stufe das Unternehmen darüber in Kenntnis zu setzen, dass es von dem Verfahren betroffen ist. Denn wenn die Kommission klar Rechtsgrundlage und Zweck ihres Verlangens angibt, sind die Verteidigungsrechte des betreffenden Unternehmens als gewahrt anzusehen.
335 Im vorliegenden Fall ist die Kommission ihren Verpflichtungen in vollem Umfang nachgekommen, indem sie klar in den vorgenannten Auskunftsverlangen den Gegenstand und den Zweck des Verlangens angegeben hat.
336 Insoweit ist auch, drittens, der von den Klägerinnen gegenüber der Kommission erhobene Vorwurf, sie habe bereits in ihrem Besitz befindliche Informationen ihnen gegenüber zurückgehalten, unerheblich. Denn im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens auf dem Gebiet des Wettbewerbs werden durch die Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte zum einen und die Akteneinsicht zum anderen, die es dem Adressaten dieser Mitteilung ermöglicht, von den Beweismitteln Kenntnis zu erlangen, die sich in den Akten der Kommission befinden, die Verteidigungsrechte und das Recht auf ein faires Verfahren des fraglichen Unternehmens gewährleistet. Durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte wird das betreffende Unternehmen nämlich über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt. Folglich kann das betreffende Unternehmen die Verteidigungsrechte erst nach Übersendung dieser Mitteilung umfassend geltend machen. Würden die genannten Rechte auf den Zeitraum vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte erstreckt, würde die Effizienz der von der Kommission geführten Untersuchung beeinträchtigt, da das Unternehmen schon in der ersten Ermittlungsphase der Kommission erfahren würde, welche Informationen der Kommission bekannt sind und welche damit noch vor ihr verborgen werden können (Urteil des Gerichtshofs Dalmine/Kommission, oben in Randnr. 260 angeführt, Randnrn. 58 bis 60).
337 Viertens verlangen die Klägerinnen zu Unrecht eine weitere Herabsetzung der Geldbuße im Hinblick auf die Zusammenarbeit, weil sie auf das Auskunftsverlangen hin Informationen geliefert hätten, die „weit über das“ hinausgingen, was gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 habe verlangt werden können.
338 Aufgrund der Zusammenarbeit der Klägerinnen während der die beiden Kartelle betreffenden Untersuchung sind beide verhängten Geldbußen gemäß Abschnitt D Nr. 2 erster und zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit um 15 % herabgesetzt worden. Die Kommission hat nämlich festgestellt, dass die Klägerinnen Informationen und Schriftstücke übermittelt hätten, die materiell dazu beigetragen hätten, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung zu begründen, und dass sie insbesondere eingeräumt hätten, an Zusammenkünften mit ihren Wettbewerbern teilgenommen zu haben, um sich über Preise auszutauschen, über sie zu diskutieren oder sie sogar umzusetzen. Darüber hinaus haben sie nicht substantiiert den Sachverhalt bestritten, auf den die Kommission ihre Vorwürfe gestützt hat (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 390 bis 397 und 460 bis 463).
339 Zum einen ist daran zu erinnern, dass eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt ist, wenn das Verhalten des betreffenden Unternehmens der Kommission ermöglicht hat, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung leichter festzustellen und sie gegebenenfalls zu beenden (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, T‑327/94, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 156, und vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, T‑45/98 und T‑47/98, Slg. 2001, II‑3757, Randnr. 270).
340 Die Mitwirkung eines Unternehmens an der Untersuchung verleiht zum anderen dann kein Recht auf eine Herabsetzung der Geldbuße, wenn diese Mitwirkung nicht über das hinausgegangen ist, wozu das Unternehmen nach Art. 11 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet war (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T‑12/89, Slg. 1992, II‑907, Randnrn. 341 und 342). Liefert ein Unternehmen hingegen als Antwort auf ein Auskunftsverlangen nach Art. 11 Informationen, die weit über das hinausgehen, was die Kommission gemäß diesem Artikel verlangen kann, kann die Geldbuße dieses Unternehmens herabgesetzt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Cascades/Kommission, T‑308/94, Slg. 1998, II‑925, Randnr. 262).
341 Ungeachtet dessen muss sich anhand des Inhalts der der Kommission übermittelten Informationen feststellen lassen, ob die Klägerinnen tatsächlich Informationen übermittelt haben, die weit über das hinausgehen, was die Kommission verlangen konnte.
342 Die Klägerinnen haben nicht dargetan, worin die übermittelten Informationen in ihrem Inhalt weit über das hinausgingen, was die Kommission verlangen konnte.
343 Außerdem ist festzustellen, dass die Klägerinnen nicht sämtliche Gesichtspunkte eingeräumt haben, auf die die Kommission die angefochtene Entscheidung gestützt hat. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass Cousin behauptet hat, weiterhin ihre Produkte angeboten zu haben, ohne zu irgendeinem Zeitpunkt den Diskussionen Rechnung zu tragen, und dass Amann die Dauer der Zuwiderhandlung bestritten hat.
344 Demgemäß erscheint die Herabsetzung der Geldbuße um 15 %, die den Klägerinnen gewährt worden ist, im Hinblick auf die Umstände des Falles gerechtfertigt. Damit ist das Vorbringen, das aus der unzureichenden Herabsetzung um 15 % im Vergleich zu der Coats gewährten Herabsetzung um 50 % hergeleitet wird, zurückzuweisen.
345 Daher ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.
346 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die von den Klägerinnen erhobene Klage abzuweisen ist.
Kosten
347 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen, wie von der Kommission beantragt, die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Amann & Söhne GmbH & Co. KG und die Cousin Filterie SAS tragen die Kosten.
Vilaras |
Prek |
Ciucă |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. April 2010.
Unterschriften
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte des Rechtsstreits
A – Gegenstand des Rechtsstreits
B – Verwaltungsverfahren
C – Angefochtene Entscheidung
1. Relevante Märkte
a) Produktmärkte
b) Räumliche Märkte
2. Größe und Struktur der relevanten Märkte
3. Beschreibung der Verstöße
4. Verfügender Teil der angefochtenen Entscheidung
Verfahren und Anträge der Parteien
Rechtliche Würdigung
A – Zu dem von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund, der auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung abzielt und aus einem Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 hergeleitet wird
1. Vorbringen der Parteien
2. Würdigung durch das Gericht
a) Zur Abgrenzung der sachlichen und der räumlichen Märkte
b) Zum Vorliegen eines „Gesamtplans“
B – Zu den eine Herabsetzung der Geldbuße betreffenden Klagegründen
1. Zum von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund der Nichtbeachtung der Sanktionsobergrenze gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
Zur Rüge der Verletzung des Grundsatzes nulla poena sine lege und zur gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit
Zu der Rüge, dass für mehrere Zuwiderhandlungen eine einzige Geldbuße zu verhängen sei
Zur Rüge der Verkennung der zulässigen Sanktionsziele
2. Zum von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit bei der Verhängung der Geldbuße
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
– Zum Argument der Nichtberücksichtigung der Größe des Marktes
– Zum Argument einer ausschließlichen Berücksichtigung des Umsatzes auf den von der Zuwiderhandlung betroffenen Märkten
– Zum System der Pauschalierung in den Leitlinien
– Zur Nichtberücksichtigung der Lage der Klägerinnen als „mittelständische Unternehmen“
Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
3. Zu dem von Amann geltend gemachten Klagegrund der fehlerhaften Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße, die für das Industriegarnkartell verhängt wurde
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
4. Zu dem von Amann geltend gemachten Klagegrund der fehlerhaften Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
5. Zu dem von Amann geltend gemachten Klagegrund einer fehlenden Berücksichtigung bestimmter mildernder Umstände betreffend die Zuwiderhandlung auf dem Markt für Industriegarne
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
6. Zu dem von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund der fehlerhaften Berechnung des Ausgangsbetrags und des Grundbetrags der wegen der Zuwiderhandlung auf dem Markt für Autogarne verhängten Geldbuße
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
7. Zu dem von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund der Nichtberücksichtigung der Nichtumsetzung des Kartells auf dem Markt für Autogarne
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
8. Zu dem Klagegrund, der aus der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Verteidigungsrechte hergeleitet wird
a) Vorbringen der Parteien
b) Würdigung durch das Gericht
Zum Vorwurf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Zum Vorwurf einer Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Grundsatzes des Verbots der Selbstbelastung
Kosten
* Verfahrenssprache: Deutsch.