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Document 61974CJ0041

Urteil des Gerichtshofes vom 4. Dezember 1974.
Yvonne van Duyn gegen Home Office.
Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice, Chancery Division - Vereinigtes Königreich.
Öffentliche Ordnung.
Rechtssache 41-74.

Sammlung der Rechtsprechung 1974 -01337

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1974:133

61974J0041

URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 4. DEZEMBER 1974. - YVONNE VON DUYN GEGEN HOME OFFICE. - (ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VON DER CHANCERY DIVISION OF THE HIGH COURT OF JUSTICE, ENGLAND). - RECHTSSACHE 41-74.

Sammlung der Rechtsprechung 1974 Seite 01337
Griechische Sonderausgabe Seite 00537
Portugiesische Sonderausgabe Seite 00567
Spanische Sonderausgabe Seite 00529
Schwedische Sonderausgabe Seite 00389
Finnische Sonderausgabe Seite 00395


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


++++

1 . ARBEITNEHMER - FREIZUEGIGKEIT - UNMITTELBARE WIRKUNG

( EWG-VERTRAG, ARTIKEL 48 )

2 . HANDLUNGEN EINES ORGANS - UNMITTELBARE WIRKUNG - RICHTLINIE

( EWG-VERTRAG, ARTIKEL 177, ARTIKEL 189 )

3 . ARBEITNEHMER - FREIZUEGIGKEIT - EINSCHRÄNKUNGEN - ARTIKEL 3 DER RICHTLINIE NR . 64/221 DES RATES - UNMITTELBARE WIRKUNG

4 . GEMEINSCHAFTSRECHT - WESENTLICHER GRUNDSATZ - ABWEICHUNG - INNERSTAATLICHE ÖFFENTLICHE ORDNUNG - ENGE AUSLEGUNG - BEURTEILUNGSSPIELRAUM DER NATIONALEN BEHÖRDEN

5 . ARBEITNEHMER - FREIZUEGIGKEIT - ABWEICHUNG - BEEINTRÄCHTIGUNG DER INNERSTAATLICHEN ÖFFENTLICHEN ORDNUNG - ANGEHÖRIGER EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS - PERSÖNLICHES VERHALTEN - ZUGEHÖRIGKEIT ZU EINER NICHT VERBOTENEN VEREINIGUNG - BETÄTIGUNG DIESER VEREINIGUNG - GEFAHR FÜR DIE GESELLSCHAFT

( EWG-VERTRAG, ARTIKEL 48; RICHTLINIE NR . 64/221 DES RATES, ARTIKEL 3 ABSATZ 1 )

Leitsätze


1 . DA DIE EINSCHRÄNKUNGEN DES GRUNDSATZES DER FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER, DIE DER STAAT AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG, SICHERHEIT UND GESUNDHEIT EINFÜHREN KANN, EINER GERICHTLICHEN NACHPRÜFUNG ZUGÄNGLICH SIND, HINDERT DER VORBEHALT IN ABSATZ 3 NICHT, DASS DIE BESTIMMUNGEN DES ARTIKELS 48 DEN EINZELNEN RECHTE VERLEIHEN, DIE SIE GERICHTLICH GELTEND MACHEN KÖNNEN UND DIE DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE ZU WAHREN HABEN .

2 . MIT DER DEN RICHTLINIEN DURCH ARTIKEL 189 ZUERKANNTEN VERBINDLICHEN WIRKUNG WÄRE ES UNVEREINBAR, GRUNDSÄTZLICH AUSZUSCHLIESSEN, DASS BETROFFENE PERSONEN SICH AUF DIE DURCH DIE RICHTLINIE AUFERLEGTE VERPFLICHTUNG BERUFEN KÖNNEN . INSBESONDERE IN DEN FÄLLEN, IN DENEN ETWA DIE GEMEINSCHAFTSBEHÖRDEN DIE MITGLIEDSTAATEN DURCH RICHTLINIE ZU EINEM BESTIMMTEN VERHALTEN VERPFLICHTEN, WÜRDE DIE NÜTZLICHE WIRKUNG ( " EFFET UTILE " ) EINER SOLCHEN MASSNAHME ABGESCHWÄCHT, WENN DIE EINZELNEN SICH VOR GERICHT HIERAUF NICHT BERUFEN UND DIE STAATLICHEN GERICHTE SIE NICHT ALS BESTANDTEIL DES GEMEINSCHAFTSRECHTS BERÜCKSICHTIGEN KÖNNTEN . ARTIKEL 177, WONACH DIE STAATLICHEN GERICHTE BEFUGT SIND, DEN GERICHTSHOF MIT DER GÜLTIGKEIT UND AUSLEGUNG ALLER HANDLUNGEN DER ORGANE OHNE UNTERSCHIED ZU BEFASSEN, SETZT IM ÜBRIGEN VORAUS, DASS DIE EINZELNEN SICH VOR DIESEN GERICHTEN AUF DIE GENANNTEN HANDLUNGEN BERUFEN KÖNNEN .

ES IST DAHER IN JEDEM EINZELNEN FALL ZU PRÜFEN, OB DIE BESTIMMUNG, UM DIE ES GEHT, NACH RECHTSNATUR, SYSTEMATIK UND WORTLAUT GEEIGNET IST, UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN UND DEN EINZELNEN ZU BEGRÜNDEN .

3 . ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DER RICHTLINIE NR . 64/221 DES RATES VOM 25 . FEBRUAR 1964 " ZUR KOORDINIERUNG DER SONDERVORSCHRIFTEN FÜR DIE EINREISE UND DEN AUFENTHALT VON AUSLÄNDERN, SOWEIT SIE AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG, SICHERHEIT ODER GESUNDHEIT GERECHTFERTIGT SIND, " BEGRÜNDET RECHTE DER EINZELNEN, WELCHE DIESE IN EINEM MITGLIEDSTAAT GERICHTLICH GELTEND MACHEN KÖNNEN UND WELCHE DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE ZU WAHREN HABEN .

4 . DER BEGRIFF DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG IST IM GEMEINSCHAFTSRECHT, NAMENTLICH WENN ER EINE AUSNAHME VON EINEM WESENTLICHEN GRUNDSATZ DES GEMEINSCHAFTSRECHTS RECHTFERTIGT, ENG ZU VERSTEHEN; DAHER DARF SEINE TRAGWEITE NICHT VON JEDEM MITGLIEDSTAAT EINSEITIG OHNE NACHPRÜFUNG DURCH DIE ORGANE DER GEMEINSCHAFT BESTIMMT WERDEN . DENNOCH KÖNNEN DIE BESONDEREN UMSTÄNDE, DIE MÖGLICHERWEISE DIE BERUFUNG AUF DEN BEGRIFF DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG RECHTFERTIGEN, VON LAND ZU LAND UND IM ZEITLICHEN WECHSEL VERSCHIEDEN SEIN, SO DASS INSOWEIT DEN ZUSTÄNDIGEN INNERSTAATLICHEN BEHÖRDEN EIN BEURTEILUNGSSPIELRAUM INNERHALB DER DURCH DEN VERTRAG GESETZTEN GRENZEN ZUZUBILLIGEN IST .

5 . ARTIKEL 48 EWG-VERTRAG UND ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DER RICHTLINIE NR . 64/221 MÜSSEN DAHIN AUSGELEGT WERDEN, DASS EIN MITGLIEDSTAAT, DER AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG GERECHTFERTIGTE BESCHRÄNKUNGEN GELTEND MACHT, ALS PERSÖNLICHES VERHALTEN DES BETROFFENEN BERÜCKSICHTIGEN DARF, DASS DIESER EINER VEREINIGUNG ODER ORGANISATION ANGEHÖRT, DEREN BETÄTIGUNG VON DEM MITGLIEDSTAAT ALS EINE GEFAHR FÜR DIE GESELLSCHAFT ANGESEHEN WIRD, OHNE INDESSEN VERBOTEN ZU SEIN; DIES GILT AUCH DANN, WENN DEN EIGENEN STAATSANGEHÖRIGEN DIESES STAATES, DIE EINE VERGLEICHBARE BESCHÄFTIGUNG AUFNEHMEN WOLLEN, WIE SIE DER STAATSANGEHÖRIGE EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS BEI DENSELBEN VEREINIGUNGEN ODER ORGANISATIONEN ANSTREBT, KEINE ENTSPRECHENDEN BESCHRÄNKUNGEN AUFERLEGT WERDEN .

Entscheidungsgründe


1/3 MIT BESCHLUSS IHRES VICE-CHANCELLOR VOM 1 . MÄRZ 1974, BEIM GERICHTSHOF EINGEGANGEN AM 13 . JUNI, HAT DIE CHANCERY-DIVISION DES HIGH COURT OF JUSTICE NACH ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG DREI FRAGEN ZUR AUSLEGUNG EINIGER VORSCHRIFTEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS AUF DEM GEBIET DER FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER VORGELEGT . DIESE FRAGEN SIND IN EINEM RECHTSSTREIT ZWISCHEN EINER NIEDERLÄNDISCHEN STAATSANGEHÖRIGEN UND DEM HOME OFFICE AUFGEWORFEN WORDEN; DER NIEDERLÄNDERIN WAR DIE GENEHMIGUNG ZUR EINREISE INS VEREINIGTE KÖNIGREICH ZU DEM ZWECK, EINE BESCHÄFTIGUNG ALS SEKRETÄRIN BEI DER " CHURCH OF SCIENTOLOGY " ZU ÜBERNEHMEN, VERSAGT WORDEN . DIES ENTSPRACH DER POLITIK, WELCHE DIE REGIERUNG DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS GEGENÜBER DIESER ORGANISATION VERFOLGT, DEREN PRAKTIKEN SIE FÜR GESELLSCHAFTSSCHÄDLICH HIELT .

ZUR ERSTEN FRAGE

4 MIT DER ERSTEN FRAGE WIRD DER GERICHTSHOF UM EINE ENTSCHEIDUNG DARÜBER ERSUCHT, OB ARTIKEL 48 EWG-VERTRAG UNMITTELBAR GILT, SO DASS ER EINZELPERSONEN RECHTE VERLEIHT, DIE SIE BEI DEN GERICHTEN EINES MITGLIEDSTAATS GELTEND MACHEN KÖNNEN .

5/7 ARTIKEL 48 BESTIMMT IN SEINEN ABSÄTZEN 1 UND 2, DASS BIS ZUM ENDE DER ÜBERGANGSZEIT DIE FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER HERGESTELLT WIRD, WELCHE " DIE ABSCHAFFUNG JEDER AUF DER STAATSANGEHÖRIGKEIT BERUHENDEN UNTERSCHIEDLICHEN BEHANDLUNG DER ARBEITNEHMER DER MITGLIEDSTAATEN IN BEZUG AUF BESCHÄFTIGUNG, ENTLOHNUNG UND SONSTIGE ARBEITSBEDINGUNGEN " UMFASST . DURCH DIESE BESTIMMUNGEN WIRD DEN MITGLIEDSTAATEN EINE EINDEUTIGE VERPFLICHTUNG AUFERLEGT, DIE ZU IHRER WIRKSAMKEIT KEINER WEITEREN MASSNAHME DER GEMEINSCHAFTSORGANE ODER DER MITGLIEDSTAATEN BEDARF UND LETZTEREN BEI DER DURCHFÜHRUNG KEINEN ERMESSUNGSSPIELRAUM ÜBERLÄSST . ABSATZ 3, DER DIE AUS DEM GRUNDSATZ DER FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER FLIESSENDEN RECHTE BEZEICHNET, MACHT EINEN VORBEHALT HINSICHTLICH DER AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG, SICHERHEIT UND GESUNDHEIT GERECHTFERTIGTEN BESCHRÄNKUNGEN . DIE ANWENDUNG DIESES VORBEHALTS IST JEDOCH EINER GERICHTLICHEN NACHPRÜFUNG ZUGÄNGLICH; DASS EIN MITGLIEDSTAAT SICH AUF DEN VORBEHALT BERUFEN KANN, HINDERT ALSO NICHT, DASS DIE BESTIMMUNGEN DES ARTIKELS 48, DER DEN GRUNDSATZ DER FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER VERANKERT, DEN EINZELNEN RECHTE VERLEIHEN, DIE SIE GERICHTLICH GELTEND MACHEN KÖNNEN UND DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE ZU WAHREN HABEN .

8 DIE ERSTE FRAGE IST ALSO ZU BEJAHEN .

ZUR ZWEITEN FRAGE

9/10 DIE ZWEITE FRAGE GEHT DAHIN, OB DIE RICHTLINIE DES RATES VOM 25 . FEBRUAR 1964 ( 64/221 ) " ZUR KOORDINIERUNG DER SONDERVORSCHRIFTEN FÜR DIE EINREISE UND DEN AUFENTHALT VON AUSLÄNDERN, SOWEIT SIE AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG, SICHERHEIT ODER GESUNDHEIT GERECHTFERTIGT SIND ", UNMITTELBAR GILT, SO DASS SIE EINZELPERSONEN RECHTE VERLEIHT, DIE DIESE BEI DEN GERICHTEN EINES MITGLIEDSTAATS GELTEND MACHEN KÖNNEN . NACH DEM VORLAGEBESCHLUSS GEHT ES HIER NUR UM ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DER RICHTLINIENBESTIMMUNG, WONACH " BEI MASSNAHMEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG ODER SICHERHEIT ... AUSSCHLIESSLICH DAS PERSÖNLICHE VERHALTEN DER IN BETRACHT KOMMENDEN EINZELPERSON AUSSCHLAGGEBEND SEIN ( DARF ) ".

11 DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH VERTRITT DIE AUFFASSUNG, ARTIKEL 189 EWG-VERTRAG UNTERSCHEIDE ZWISCHEN DEN WIRKUNGEN VON VERORDNUNGEN, RICHTLINIEN UND ENTSCHEIDUNGEN; WENN DER RAT ALSO KEINE VERORDNUNG, SONDERN EINE RICHTLINIE ERLASSEN HABE, SO SEI ZU VERMUTEN, DASS ER IHR EINE ANDERE WIRKUNG ALS EINER VERORDNUNG VERLEIHEN WOLLTE UND DESHALB KEINE UNMITTELBARE GELTUNG WÜNSCHTE .

12 ZWAR GELTEN NACH ARTIKEL 189 VERORDNUNGEN UNMITTELBAR UND KÖNNEN INFOLGEDESSEN SCHON WEGEN IHRER RECHTSNATUR UNMITTELBARE WIRKUNGEN ERZEUGEN . HIERAUS FOLGT INDESSEN NICHT, DASS ANDERE IN DIESEM ARTIKEL GENANNTE KATEGORIEN VON RECHTSAKTEN NIEMALS ÄHNLICHE WIRKUNGEN ERZEUGEN KÖNNTEN . MIT DER DEN RICHTLINIEN DURCH ARTIKEL 189 ZUERKANNTEN VERBINDLICHEN WIRKUNG WÄRE ES UNVEREINBAR, GRUNDSÄTZLICH AUSZUSCHLIESSEN, DASS BETROFFENE PERSONEN SICH AUF DIE DURCH DIE RICHTLINIE AUFERLEGTE VERPFLICHTUNG BERUFEN KÖNNEN . INSBESONDERE IN DEN FÄLLEN, IN DENEN ETWA DIE GEMEINSCHAFTSBEHÖRDEN DIE MITGLIEDSTAATEN DURCH RICHTLINIE ZU EINEM BESTIMMTEN VERHALTEN VERPFLICHTEN, WÜRDE DIE NÜTZLICHE WIRKUNG ( " EFFET UTILE " ) EINER SOLCHEN MASSNAHME ABGESCHWÄCHT, WENN DIE EINZELNEN SICH VOR GERICHT HIERAUF NICHT BERUFEN UND DIE STAATLICHEN GERICHTE SIE NICHT ALS BESTANDTEIL DES GEMEINSCHAFTSRECHTS BERÜCKSICHTIGEN KÖNNTEN . ARTIKEL 177, WONACH DIE STAATLICHEN GERICHTE BEFUGT SIND, DEN GERICHTSHOF MIT DER GÜLTIGKEIT UND AUSLEGUNG ALLER HANDLUNGEN DER ORGANE OHNE UNTERSCHIED ZU BEFASSEN, SETZT IM ÜBRIGEN VORAUS, DASS DIE EINZELNEN SICH VOR DIESEN GERICHTEN AUF DIE GENANNTEN HANDLUNGEN BERUFEN KÖNNEN . ES IST DAHER IN JEDEM EINZELNEN FALL ZU PRÜFEN, OB DIE BESTIMMUNG, UM DIE ES GEHT, NACH RECHTSNATUR, SYSTEMATIK UND WORTLAUT GEEIGNET IST, UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN UND DEN EINZELNEN ZU BEGRÜNDEN .

13/14 DIE IN ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DER RICHTLINIE 64/221 ENTHALTENE BESTIMMUNG, DASS BEI MASSNAHMEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG AUSSCHLIESSLICH DAS PERSÖNLICHE VERHALTEN DES BETROFFENEN AUSSCHLAGGEBEND SEIN DARF, WILL DAS ERMESSEN BEGRENZEN, DAS DEN ZUSTÄNDIGEN BEHÖRDEN BEI DER EINREISE UND AUSWEISUNG VON AUSLÄNDERN NACH DEN INNERSTAATLICHEN RECHTSVORSCHRIFTEN IM ALLGEMEINEN ZUSTEHT . DIE BESTIMMUNG ENTHÄLT ZUM EINEN EINE VERPFLICHTUNG, DIE WEDER MIT EINEM VORBEHALT NOCH MIT EINER BEDINGUNG VERSEHEN IST UND IHREM WESEN NACH KEINER WEITEREN MASSNAHMEN DER GEMEINSCHAFTSORGANE ODER DER MITGLIEDSTAATEN BEDARF . DA ES SICH ZUM ANDEREN UM EINE VERPFLICHTUNG DER MITGLIEDSTAATEN HANDELT, IN DER ANWENDUNG EINER AUSNAHMEBESTIMMUNG ZU EINEM DER WESENTLICHEN DEN EINZELNEN BEGÜNSTIGENDEN VERTRAGSGRUNDSÄTZE KEINE AUSSERHALB DES PERSÖNLICHEN VERHALTENS LIEGENDEN UMSTÄNDE ZU BERÜCKSICHTIGEN, VERLANGT DIE RECHTSSICHERHEIT, DASS DIE BETROFFENEN SICH AUF DIESE VERPFLICHTUNG BERUFEN KÖNNEN, OBWOHL SIE IN EINEM RECHTSETZUNGSAKT NIEDERGELEGT IST, DER NICHT IPSO JURE IN SEINER GESAMTHEIT UNMITTELBARE WIRKUNGEN ERZEUGT . ZWAR KÖNNEN SICH AUSLEGUNGSFRAGEN ZU SINN UND GENAUER TRAGWEITE EINER EINZELNEN BESTIMMUNG STELLEN, DOCH LASSEN SICH DIESE AUF DEM RECHTSWEGE, GEGEBENENFALLS AUCH UNTER INANSPRUCHNAHME DES IN ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG VORGESEHENEN VERFAHRENS, KLÄREN .

15 DIE VORGELEGTE FRAGE IST ALSO DAHIN ZU BEANTWORTEN, DASS ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DER RICHTLINIE 64/221 DES RATES VOM 25 . FEBRUAR 1964 RECHTE DER EINZELNEN BEGRÜNDET, WELCHE DIESE IN EINEM MITGLIEDSTAAT GERICHTLICH GELTEND MACHEN KÖNNEN UND WELCHE DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE ZU WAHREN HABEN .

ZUR DRITTEN FRAGE

16 MIT DER DRITTEN FRAGE WIRD DER GERICHTSHOF ERSUCHT ZU ENTSCHEIDEN, OB BEI RICHTIGER ANWENDUNG VON ARTIKEL 48 EWG-VERTRAG UND ARTIKEL 3 DER RICHTLINIE 64/221 EIN MITGLIEDSTAAT,

" WENN ER EINE MASSNAHME DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG ODER SICHERHEIT AUSSCHLIESSLICH AUF DAS PERSÖNLICHE VERHALTEN DER IN BETRACHT KOMMENDEN PERSON STÜTZEN DARF, DAS RECHT ( HAT ), ALS PERSÖNLICHES VERHALTEN ZU BERÜCKSICHTIGEN :

A ) DASS DIE BETROFFENE EINZELPERSON EINER VEREINIGUNG ODER ORGANISATION ANGEHÖRT ODER ANGEHÖRT HAT, DEREN TÄTIGKEIT DER MITGLIEDSTAAT ALS DEM ÖFFENTLICHEN INTERESSE ZUWIDERLAUFEND BETRACHTET, OHNE DASS SIE JEDOCH IN DIESEM STAAT UNGESETZLICH WÄRE;

B ) DASS DIE BETROFFENE EINZELPERSON BEABSICHTIGT, IN DEM MITGLIEDSTAAT IN DIE DIENSTE EINER SOLCHEN VEREINIGUNG ODER ORGANISATION ZU TRETEN, WENN GLEICHZEITIG GEGENÜBER DEN ANGEHÖRIGEN DES MITGLIEDSTAATS, DIE VERGLEICHBARE TÄTIGKEITEN BEI EINER SOLCHEN VEREINIGUNG ODER ORGANISATION AUFNEHMEN MÖCHTEN, KEINE BESCHRÄNKUNGEN BESTEHEN . "

17 ZUNÄCHST IST ZU PRÜFEN, OB IN DER BLOSSEN TATSACHE, DASS JEMAND EINER VEREINIGUNG ODER EINER ORGANISATION ANGEHÖRT, EIN PERSÖNLICHES VERHALTEN IM SINNE VON ARTIKEL 3 DER RICHTLINIE 64/221 LIEGEN KANN . WENN AUCH EINE FRÜHERE MITGLIEDSCHAFT IM ALLGEMEINEN NICHT AUSREICHEN DÜRFTE, UM DEM BETROFFENEN DIE FREIZUEGIGKEIT INNERHALB DER GEMEINSCHAFT ZU VERSAGEN, SO KANN DOCH EINE BESTEHENDE MITGLIEDSCHAFT, DIE EINE BETEILIGUNG AN DEN TÄTIGKEITEN DER VEREINIGUNG ODER ORGANISATION SOWIE EINE IDENTIFIZIERUNG MIT IHREN ZIELEN UND ABSICHTEN WIDERSPIEGELT, ALS FREIWILLIGES TUN UND DAMIT ALS TEIL DES PERSÖNLICHEN VERHALTENS IM SINNE DER GENANNTEN VORSCHRIFT GEWERTET WERDEN .

18/19 IN DER VORLAGEFRAGE WIRD SODANN DAS PROBLEM AUFGEWORFEN, WIE DER UMSTAND ZU WERTEN IST, DASS DIE TÄTIGKEIT DER FRAGLICHEN ORGANISATION, DIE NACH ANSICHT DES MITGLIEDSTAATS DEM ÖFFENTLICHEN INTERESSE ZUWIDERLÄUFT, NACH DEM INNERSTAATLICHEN RECHT NICHT VERBOTEN IST . DER BEGRIFF DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG IST IM GEMEINSCHAFTSRECHT, NAMENTLICH, WENN ER EINE AUSNAHME VON DEM WESENTLICHEN GRUNDSATZ DER FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER RECHTFERTIGT, ENG ZU VERSTEHEN; DAHER DARF SEINE TRAGWEITE NICHT VON JEDEM MITGLIEDSTAAT EINSEITIG OHNE NACHPRÜFUNG DURCH DIE ORGANE DER GEMEINSCHAFT BESTIMMT WERDEN . DENNOCH KÖNNEN DIE BESONDEREN UMSTÄNDE, DIE MÖGLICHERWEISE DIE BERUFUNG AUF DEN BEGRIFF DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG RECHTFERTIGEN, VON LAND ZU LAND UND IM ZEITLICHEN WECHSEL VERSCHIEDEN SEIN, SO DASS INSOWEIT DEN ZUSTÄNDIGEN INNERSTAATLICHEN BEHÖRDEN EIN BEURTEILUNGSSPIELRAUM INNERHALB DER DURCH DEN VERTRAG GESETZTEN GRENZEN ZUZUBILLIGEN IST . HABEN DIE ZUSTÄNDIGEN BEHÖRDEN EINES MITGLIEDSTAATS IHRE HALTUNG GEGENÜBER DER BETÄTIGUNG EINER BESTIMMTEN ORGANISATION EINDEUTIG FESTGELEGT UND DIESE BETÄTIGUNG ALS EINE GEFAHR FÜR DIE GESELLSCHAFT BEZEICHNET, HABEN SIE FERNER VERWALTUNGSMASSNAHMEN ERGRIFFEN, UM DIE GENANNTE BETÄTIGUNG ZU BEKÄMPFEN, SO IST DER MITGLIEDSTAAT ALSO NICHT VERPFLICHTET, SIE AUCH NOCH GESETZLICH ZU VERBIETEN, UM SICH AUF DIE ÖFFENTLICHE ORDNUNG BERUFEN ZU KÖNNEN, WENN EINE SOLCHE MASSNAHME DEN UMSTÄNDEN NACH UNZWECKMÄSSIG ERSCHEINT .

20 SCHLIESSLICH WIRFT DIE VORLAGEFRAGE NOCH DAS PROBLEM AUF, OB EIN MITGLIEDSTAAT SICH AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG DAGEGEN WEHREN DARF, DASS IN SEINEM HOHEITSGEBIET EIN STAATSANGEHÖRIGER AUS EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT BEI EINER VEREINIGUNG ODER ORGANISATION EINE ENTGELTLICHE BESCHÄFTIGUNG AUFNIMMT, OBGLEICH SEINE EIGENEN STAATSANGEHÖRIGEN KEINER VERGLEICHBAREN BESCHRÄNKUNG UNTERLIEGEN .

21/23 DER VERTRAG ANERKENNT ZWAR DEN GRUNDSATZ DER FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER OHNE DISKRIMINIERUNG ZWISCHEN DEN ANGEHÖRIGEN DER EINZELNEN MITGLIEDSTAATEN, FÜGT ABER IN ARTIKEL 48 ABSATZ 3 DEN AUS DIESEM GRUNDSATZ FLIESSENDEN RECHTEN EINEN VORBEHALT AN, DER AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG, SICHERHEIT UND GESUNDHEIT GERECHTFERTIGTE BESCHRÄNKUNGEN BETRIFFT . DANACH UNTERLIEGEN DIESEM VORBEHALT UNTER ANDEREM DAS RECHT, SICH UM TATSÄCHLICH ANGEBOTENE STELLEN ZU BEWERBEN, DAS RECHT, SICH ZU DIESEM ZWECK IM HOHEITSGEBIET DER MITGLIEDSTAATEN FREI ZU BEWEGEN, SOWIE DAS RECHT, SICH IN EINEM MITGLIEDSTAAT AUFZUHALTEN, UM DORT EINE BESCHÄFTIGUNG AUSZUÜBEN . DER VORBEHALT BEWIRKT ALSO, DASS EINEM STAATSANGEHÖRIGEN EINES MITGLIEDSTAATS DIE EINREISE IN DAS HOHEITSGEBIET EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS ODER DER AUFENTHALT IN DIESEM GEBIET VERSAGT WERDEN KANN, WENN DIE VORAUSSETZUNGEN DES VORBEHALTS GEGEBEN SIND . ANDERERSEITS BESAGT EIN VÖLKERRECHTLICHER GRUNDSATZ, DEN DER EWG-VERTRAG IN DEN BEZIEHUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN ZUEINANDER SICHERLICH NICHT AUSSER ACHT LASSEN WOLLTE, DASS EIN STAAT SEINEN EIGENEN STAATSANGEHÖRIGEN DIE EINREISE IN SEIN HOHEITSGEBIET ODER DEN AUFENTHALT IN DIESEM NICHT VERSAGEN DARF . SONACH KANN EIN MITGLIEDSTAAT AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG GEGEBENENFALLS EINEM ANGEHÖRIGEN EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS DIE RECHTSVORTEILE AUS DER ANWENDUNG DES GRUNDSATZES DER FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER IM HINBLICK AUF DIE AUSÜBUNG EINER BESTIMMTEN ENTGELTLICHEN BESCHÄFTIGUNG VERSAGEN, OBWOHL ER SEINEN EIGENEN STAATSANGEHÖRIGEN KEINE VERGLEICHBARE BESCHRÄNKUNG AUFERLEGT .

24 AUF DIE VORLAGEFRAGE IST ALSO ZU ANTWORTEN : ARTIKEL 48 EWG-VERTRAG UND ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DER RICHTLINIE 64/221 MÜSSEN DAHIN AUSGELEGT WERDEN, DASS EIN MITGLIEDSTAAT, DER AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG GERECHTFERTIGTE BESCHRÄNKUNGEN GELTEND MACHT, ALS PERSÖNLICHES VERHALTEN DES BETROFFENEN BERÜCKSICHTIGEN DARF, DASS DIESER EINER VEREINIGUNG ODER ORGANISATION ANGEHÖRT, DEREN BETÄTIGUNG VON DEM MITGLIEDSTAAT ALS EINE GEFAHR FÜR DIE GESELLSCHAFT ANGESEHEN WIRD, OHNE INDESSEN VERBOTEN ZU SEIN; DIES GILT AUCH DANN, WENN DEN EIGENEN STAATSANGEHÖRIGEN DIESES STAATES, DIE EINE VERGLEICHBARE BESCHÄFTIGUNG AUFNEHMEN WOLLEN, WIE SIE DER STAATSANGEHÖRIGE EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS BEI DENSELBEN VEREINIGUNGEN ODER ORGANISATIONEN ANSTREBT, KEINE ENTSPRECHENDEN BESCHRÄNKUNGEN AUFERLEGT WERDEN .

Kostenentscheidung


25 DIE AUSLAGEN DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS UND DER KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN, DIE ERKLÄRUNGEN VOR DEM GERICHTSHOF ABGEGEBEN HABEN, SIND NICHT ERSTATTUNGSFÄHIG . FÜR DIE PARTEIEN DES AUSGANGSVERFAHRENS IST DAS VERFAHREN EIN ZWISCHENSTREIT IN DEM VOR DEM NATIONALEN GERICHT ANHÄNGIGEN RECHTSSTREIT . DIE KOSTENENTSCHEIDUNG OBLIEGT DAHER DIESEM GERICHT .

Tenor


AUS DIESEN GRÜNDEN

HAT

DER GERICHTSHOF

AUF DIE IHM VOM HIGH COURT OF JUSTICE GEMÄSS BESCHLUSS VOM 1 . MÄRZ 1974 VORGELEGTEN FRAGEN FÜR RECHT ERKANNT :

1 . ARTIKEL 48 EWG-VERTRAG ERZEUGT UNMITTELBARE WIRKUNGEN IN DEN RECHTSORDNUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN UND VERLEIHT DEN EINZELNEN RECHTE, WELCHE DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE ZU WAHREN HABEN .

2 . ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DER RICHTLINIE 64/221 DES RATES VOM 25 . FEBRUAR 1964 " ZUR KOORDINIERUNG DER SONDERVORSCHRIFTEN FÜR DIE EINREISE UND DEN AUFENTHALT VON AUSLÄNDERN, SOWEIT SIE AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG, SICHERHEIT ODER GESUNDHEIT GERECHTFERTIGT SIND ", BEGRÜNDET RECHTE DER EINZELNEN, WELCHE DIESE IN EINEM MITGLIEDSTAAT GERICHTLICH GELTEND MACHEN KÖNNEN UND WELCHE DIE INNERSTAATLICHEN GERICHTE ZU WAHREN HABEN .

3 . ARTIKEL 48 EWG-VERTRAG UND ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DER RICHTLINIE 64/221 MÜSSEN DAHIN AUSGELEGT WERDEN, DASS EIN MITGLIEDSTAAT, DER AUS GRÜNDEN DER ÖFFENTLICHEN ORDNUNG GERECHTFERTIGTE BESCHRÄNKUNGEN GELTEND MACHT, ALS PERSÖNLICHES VERHALTEN DES BETROFFENEN BERÜCKSICHTIGEN DARF, DASS DIESER EINER VEREINIGUNG ODER ORGANISATION ANGEHÖRT, DEREN BETÄTIGUNG VON DEM MITGLIEDSTAAT ALS EINE GEFAHR FÜR DIE GESELLSCHAFT ANGESEHEN WIRD, OHNE INDESSEN VERBOTEN ZU SEIN; DIES GILT AUCH DANN, WENN DEN EIGENEN STAATSANGEHÖRIGEN DIESES STAATES, DIE EINE VERGLEICHBARE BESCHÄFTIGUNG AUFNEHMEN WOLLEN, WIE SIE DER STAATSANGEHÖRIGE EINES ANDEREN MITGLIEDSTAATS BEI DENSELBEN VEREINIGUNGEN ODER ORGANISATIONEN ANSTREBT, KEINE ENTSPRECHENDEN BESCHRÄNKUNGEN AUFERLEGT WERDEN .

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