This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 61995CJ0070
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1 Mitgliedstaaten - Verpflichtungen - Keine Pflicht zur Begründung einer nationalen generellen Regelung, die unter das Gemeinschaftsrecht fällt
(EG-Vertrag, Artikel 190)
2 Freizuegigkeit - Niederlassungsfreiheit - Nationale Regelung, die die Beteiligung an einem System der Sozialhilfe Wirtschaftsteilnehmern vorbehält, die keinen Erwerbszweck verfolgen - Zulässigkeit
(EG-Vertrag, Artikel 52 und 58)
3 Freier Dienstleistungsverkehr - Bestimmungen des Vertrages - Anwendungsbereich - Gesellschaft, die sich in einem Mitgliedstaat als Erbringer von Dienstleistungen für Heimbewohner niederlässt, die sich ständig oder für unbestimmte Zeit in ihren Wohnheimen für Senioren aufhalten - Ausschluß
(EG-Vertrag, Artiel 59)
4 Wettbewerb - Gemeinschaftsvorschriften - Verpflichtungen der Mitgliedstaaten - Nationale Regelung, die die Beteiligung an einem System der Sozialhilfe Wirtschaftsteilnehmern vorbehält, die keinen Erwerbszweck verfolgen - Vereinbarkeit - Voraussetzungen
(EG-Vertrag, Artikel 3 Buchstabe g, 5, 85, 86 und 90)
5 Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Artikel 190 des Vertrages, stellt keine Anforderungen an die Begründung einer nationalen generellen Regelung, die unter das Gemeinschaftsrecht fällt.
Denn abgesehen davon, daß die in Artikel 190 des Vertrages verankerte Begründungspflicht nur die Handlungen der Organe betrifft, gilt die Verpflichtung zur Begründung nationaler Entscheidungen, die die Ausübung eines Grundrechts betreffen, das dem einzelnen vom Vertrag verliehen ist, in Anbetracht ihres Zweckes nur für Einzelfallentscheidungen, gegen die die einzelnen über einen gerichtlichen Rechtsbehelf verfügen müssen, jedoch nicht für nationale generelle Rechtssätze.
6 Es verstösst nicht gegen die Artikel 52 und 58 des Vertrages, wenn ein Mitgliedstaat es allein privaten Wirtschaftsteilnehmern, die keinen Erwerbszweck verfolgen, erlaubt, sich an der Durchführung seines Systems der Sozialhilfe dadurch zu beteiligen, daß sie Verträge schließen, die einen Anspruch auf Erstattung der Kosten von gesundheitsbezogenen Leistungen der Sozialhilfe durch die Behörden vorsehen.
Denn beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts kann ein Mitgliedstaat im Rahmen der ihm verbliebenen Zuständigkeit für die Ausgestaltung seines Systems der sozialen Sicherheit davon ausgehen, daß die Ziele eines Systems der Sozialhilfe, das auf dem Grundsatz der Solidarität beruht und vorrangig denjenigen Personen beistehen soll, die bedürftig sind, nur dann erreicht werden können, wenn als Erbringer von Dienstleistungen der Sozialhilfe nur solche privaten Wirtschaftsteilnehmer zugelassen werden, die keinen Erwerbszweck verfolgen.
Diese Voraussetzung kann im übrigen die Gesellschaften mit Erwerbszweck aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber Gesellschaften mit Erwerbszweck des Niederlassungsmitgliedstaats weder sachlich noch rechtlich benachteiligen.
7 Artikel 59 des Vertrages erfasst eine Gesellschaft nicht, die sich in einem Mitgliedstaat niedergelassen hat, um dort Wohnheime für Senioren zu betreiben, und den Heimbewohnern, die sich zu diesem Zweck ständig oder für unbestimmte Zeit in diesen Wohnheimen aufhalten, Dienstleistungen erbringt.
Denn ein Unternehmen kann sich zwar gegenüber dem Staat, in dem es seinen Sitz hat, auf den freien Dienstleistungsverkehr berufen, sofern die Leistungen an Leistungsempfänger erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, hingegen erfasst Artikel 59 den Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt und dort seinen Hauptaufenthalt nimmt, um dort für unbestimmte Zeit Dienstleistungen zu empfangen.
8 Die Artikel 85 und 86 in Verbindung mit den Artikeln 3 Buchstabe g, 5 und 90 des Vertrages erfassen eine nationale Regelung nicht, die es nur privaten Wirtschaftsteilnehmern, die keinen Erwerbszweck verfolgen, erlaubt, sich an der Durchführung eines Systems der Sozialhilfe dadurch zu beteiligen, daß sie Verträge schließen, die einen Anspruch auf Erstattung der Kosten von gesundheitsbezogenen Leistungen der Sozialhilfe durch die Behörden vorsehen.
Denn eine solche Regelung
- schreibt Absprachen zwischen den Unternehmen, die zum Vertragsabschluß zugelassen sind, weder vor noch erleichtert sie sie, noch verstärkt sie die Auswirkungen solcher Absprachen; sie überträgt auch nicht die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern;
- verschafft den einzelnen Unternehmen, die zum Vertragsabschluß zugelassen sind, keine beherrschende Stellung und führt keine Verbindungen zwischen ihnen herbei, die so eng sind, daß sie zu einer kollektiven beherrschenden Stellung führen.