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Document 62008TJ0377

Urteil des Gerichts (Rechtsmittelkammer) vom 9. Dezember 2009.
Europäische Kommission gegen Gerhard Birkhoff.
Rechtsmittel - Öffentlicher Dienst - Beamte - Soziale Sicherheit - Krankenversicherung - Erstattung von Krankheitskosten - Erstinstanzliche Aufhebung der Entscheidung, mit der die vorherige Genehmigung der Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines Rollstuhls versagt wird - Verfälschung eines Beweismittels.
Rechtssache T-377/08 P.

Sammlung der Rechtsprechung – Öffentlicher Dienst 2009 I-B-1-00133; II-B-1-00807

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2009:485




URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

9. Dezember 2009

Rechtssache T‑377/08 P

Europäische Kommission

gegen

Gerhard Birkhoff

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Beamte – Soziale Sicherheit – Krankenversicherung – Erstattung von Krankheitskosten – Erstinstanzliche Aufhebung der Entscheidung, mit der die vorherige Genehmigung der Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines Rollstuhls versagt wird – Verfälschung eines Beweismittels“

Gegenstand: Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 8. Juli 2008, Birkhoff/Kommission (F‑76/07, Slg. ÖD 2008, I-A-1-0000 und II-A-1-0000), wegen Aufhebung dieses Urteils

Entscheidung: Das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 8. Juli 2008, Birkhoff/Kommission (F 76/07, Slg. ÖD 2008, I-A-1-0000 und II-A-1-0000), wird aufgehoben. Die Entscheidung der Abrechnungsstelle vom 8. November 2006 wird aufgehoben. Herr Birkhoff und die Europäische Kommission tragen jeweils ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren. Die Kommission trägt die gesamten Kosten des Verfahrens im Zusammenhang mit dem ersten Rechtszug.

Leitsätze

1.      Beamte – Soziale Sicherheit – Krankenversicherung – Krankheitskosten – Erstattung – Ablehnung – Beschwerde – Zurückweisung – Begründungspflicht

(Beamtenstatut, Art. 90 Abs. 2)

2.      Beamte – Soziale Sicherheit – Krankenversicherung – Krankheitskosten – Erstattung – Ablehnung – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

(Beamtenstatut, Art. 72)

3.      Beamte – Fürsorgepflicht der Verwaltung – Berücksichtigung der Interessen des Beamten

(Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge, Art. 35 Abs. 2)

1.      Die Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde ist auch für die Entscheidung maßgebend, gegen die die Beschwerde gerichtet war.

Lehnt die Abrechnungsstelle daher nach einer abschlägigen Stellungnahme des Vertrauensarztes die Übernahme bestimmter Krankheitskosten gemäß Art. 20 der Gemeinsamen Regelung ab und legt der Betroffene eine Beschwerde ein, mit der er die Begründung für diese Ablehnung als zu allgemein oder zu knapp beanstandet, so kann die Verwaltung die Beantwortung dieser Beschwerde im Vorverfahren auf eine eingehendere Begründung stützen. Bei einer solchen einzelfallspezifischen Begründung, die vor Klageerhebung mitgeteilt wird, ist davon auszugehen, dass sie auch für die ablehnende Entscheidung gilt und deshalb als eine für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung relevante Information anzusehen ist.

(vgl. Randnrn. 55 und 56)

Verweisung auf: Gerichtshof, 9. Dezember 1993, Parlament/Volger, C‑115/92 P, Slg. 1993, I‑6549, Randnr. 22; Gerichtshof, 23. September 2004, Hectors/Parlament, C‑150/03 P, Slg. 2004, I‑8691, Randnrn. 47 bis 49; Gericht, 22. März 1995, Kotzonis/WSA, T‑586/93, Slg. 1995, II‑665, Randnr. 105; Gericht, 11. März 1999, Gaspari/Parlament, T‑66/98, Slg. ÖD 1999, I‑A‑55 und II‑287, Randnrn. 30 bis 33; Gericht, 11. Mai 2000, Pipeaux/Parlament, T‑34/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑79 und II‑337, Randnrn. 18 und 19; Gericht, 6. Juli 2004, Huygens/Kommission, T‑281/01, Slg. ÖD 2004, I‑A‑203 und II‑903, Randnr. 107

2.      Die richterliche Kontrolle erstreckt sich nicht auf ärztliche Beurteilungen im eigentlichen Sinn, die als endgültig anzusehen sind, wenn sie unter ordnungsgemäßen Voraussetzungen erfolgt sind.

Stellungnahmen eines Vertrauensarztes und eines Ärztebeirats, die allein mit der – rein technischen – Frage befasst sind, ob ein defekter Rollstuhl in Anbetracht des zu seiner Herstellung verwendeten Materials und der Ursache für den Bruch der Rückenlehne bei vernünftiger Betrachtungsweise repariert werden konnte oder ob es aus Sicherheitsgründen gerechtfertigt war, die Anschaffung eines neuen Rollstuhls zu finanzieren, enthalten keine ärztliche Beurteilung im eigentlichen Sinn. Die Rechtsprechung zur beschränkten gerichtlichen Kontrolle ärztlicher Gutachten ist daher in einem solchen Fall nicht einschlägig.

(vgl. Randnrn. 68 bis 70)

Verweisung auf: Gerichtshof, 19. Januar 1988, Biedermann/Rechnungshof, 2/87, Slg. 1988, 143, Randnr. 8; Gericht, 16. März 1993, Blackman/Parlament, T‑33/89 und T‑74/89, Slg. 1993, II‑249, Randnr. 44; Gericht, 12. Mai 2004, Hecq/Kommission, T‑191/01, Slg. ÖD 2004, I‑A‑147 und II‑659, Randnr. 62

3.      Die der Verwaltung obliegende Fürsorgepflicht, die das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten widerspiegelt, das das Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und dem Beamten geschaffen hat, erfordert insbesondere, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Stellung eines Beamten nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch dasjenige des betroffenen Beamten berücksichtigt.

Die Anstellungsbehörde verstößt gegen ihre Fürsorgepflicht, wenn sie die Lage eines Klägers und Ruhestandsbeamten, der die Übernahme der Kosten für den Austausch des beschädigten Rollstuhls seiner Tochter beantragt, nicht berücksichtigt, obwohl ihr bekannt ist, dass der Kläger in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Tochter wohnt und dass der Rollstuhl in dem ersten Mitgliedstaat gekauft und in dem zweiten Mitgliedstaat repariert worden war. Hierdurch wird die Aufgabe des Klägers, die Ursache für die Beschädigung des Rollstuhls nachzuweisen und zu belegen, dass seine querschnittsgelähmte Tochter einen neuen Rollstuhl benötigt, um ein angemessenes Privat- und Berufsleben führen zu können, besonders erschwert.

Unter diesen Umständen ist die Anstellungsbehörde verpflichtet, eine aktivere Rolle bei der Behandlung des Vorgangs einzunehmen und insbesondere eine entsprechende Anwendung von Art. 35 Abs. 2 der Gemeinsamen Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften ins Auge zu fassen, wonach die Verwaltung vor der Entscheidung über eine Beschwerde, wenn der Streitfall medizinische Fragen betrifft, das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einholen kann, wobei „die Kosten des Gutachtens … zu Lasten des Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystems“ gehen. Da ein solcher Streitfall technische Fragen betrifft, muss sich die Anstellungsbehörde daher fragen, ob es finanziell günstiger wäre, zusammen mit dem Kläger einen technischen Gutachter zu suchen, und zwar auf Kosten des Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystems, oder die Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls –gegebenenfalls bis zu einer bestimmten Obergrenze – in Erwägung zu ziehen.

(vgl. Randnrn. 87 bis 89)

Verweisung auf: Gerichtshof, 28. Mai 1980, Kuhner/Kommission, 33/79 und 75/79, Slg. 1980, 1677, Randnr. 22; Gerichtshof, 29. Juni 1994, Klinke/Gerichtshof, C‑298/93 P, Slg. 1994, I‑3009, Randnr. 38; Gericht, 27. September 2006, Lantzoni/Gerichtshof, T‑156/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑189 und II‑A‑2‑969, Randnr. 88




URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

9. Dezember 2009(*)

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Beamte – Soziale Sicherheit – Krankenversicherung – Erstattung von Krankheitskosten – Erstinstanzliche Aufhebung der Entscheidung, mit der die vorherige Genehmigung der Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines Rollstuhls versagt wird – Verfälschung eines Beweismittels“

In der Rechtssache T‑377/08 P

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 8. Juli 2008, Birkhoff/Kommission (F‑76/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wegen Aufhebung dieses Urteils,

Europäische Kommission, vertreten durch J. Currall und B. Eggers als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin,

anderer Verfahrensbeteiligter:

Gerhard Birkhoff, ehemaliger Beamter der Europäischen Kommission, wohnhaft in Weitnau (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin C. Inzillo,

Kläger im ersten Rechtszug,

erlässt

DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger (Berichterstatter) sowie der Richter J. Azizi und A. W. H. Meij,

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

1        Die Europäische Kommission beantragt mit ihrem nach Art. 9 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs eingelegten Rechtsmittel die Aufhebung des Urteils des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union vom 8. Juli 2008, Birkhoff/Kommission (F‑76/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses die Entscheidung der Abrechnungsstelle der Kommission vom 8. November 2006 aufgehoben hat, mit der Herrn Birkhoff, dem Kläger im ersten Rechtszug (im Folgenden: Kläger), die für die Erstattung der Anschaffungskosten eines Rollstuhls erforderliche vorherige Genehmigung verweigert wurde (im Folgenden: streitige Entscheidung).

 Rechtlicher Rahmen

2        Der rechtliche Rahmen ist in den Randnrn. 2 bis 15 des angefochtenen Urteils erschöpfend dargestellt.

3        Hinsichtlich der Erstattung der Krankheitskosten von Beamten der Europäischen Gemeinschaften und ihren unterhaltsberechtigten Kindern nach Art. 72 Abs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) und Art. 2 Abs. 5 des Anhangs VII des Statuts haben die Organe der Gemeinschaften auf der Grundlage der Art. 72 und 110 des Statuts eine gemeinsame Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Gemeinsame Regelung) erlassen, die die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 72 festlegen soll und mit der ein gemeinsames Krankheitsfürsorgesystem für die Organe der Europäischen Gemeinschaften geschaffen wurde.

4        Nach Art. 20 Abs. 3 der Gemeinsamen Regelung werden die Kosten für Behandlungen, die die Abrechnungsstelle nach Stellungnahme des Vertrauensarztes als nicht notwendig ansieht, nicht erstattet.

5        Kann die Kostenerstattung nur nach vorheriger Genehmigung erfolgen, trifft nach Art. 27 der Gemeinsamen Regelung die Anstellungsbehörde oder die von ihr bezeichnete Abrechnungsstelle die Entscheidung. Die angeschlossene Person reicht den Antrag auf vorherige Genehmigung zusammen mit einer Verordnung und/oder einem Kostenvoranschlag des behandelnden Arztes bei der Abrechnungsstelle ein. Diese legt den Antrag gegebenenfalls dem Vertrauensarzt vor, der seine Stellungnahme der Abrechnungsstelle übermittelt. Die Abrechnungsstelle entscheidet über den Antrag, wenn sie dazu befugt ist, oder übermittelt ihre Stellungnahme und die Stellungnahme des Vertrauensarztes der Anstellungsbehörde zur Entscheidung.

6        Art. 35 Abs. 2 der Gemeinsamen Regelung bestimmt:

„Bevor die Anstellungsbehörde … über eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts entscheidet, ist die Stellungnahme des Verwaltungsausschusses einzuholen.

Dieser kann seinen Vorsitzenden beauftragen, zusätzliche Informationen einzuholen. Betrifft der Streitfall medizinische Fragen, so kann der Verwaltungsausschuss vor seiner Stellungnahme das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einholen. Die Kosten des Gutachtens gehen zu Lasten des Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystems.

…“

7        Nach Art. 40 Abs. 5 der Gemeinsamen Regelung obliegt es jeder Abrechnungsstelle,

„…

b)      … wenn … Fragen medizinischer Art im Zusammenhang mit der Abwicklung von Erstattungen aufgeworfen werden, die Stellungnahme des Vertrauensarztes einzuholen …;

c)      die Anträge auf vorherige Genehmigung zu prüfen und ihnen gegebenenfalls stattzugeben;

…“.

8        Art. 41 der Gemeinsamen Regelung sieht vor:

„Dem Verwaltungsausschuss steht ein Ärztebeirat zur Seite, dem je ein Vertrauensarzt der einzelnen Organe und die Vertrauensärzte der einzelnen Abrechnungsstellen angehören.

Der Ärztebeirat kann … in allen Fragen medizinischer Art, die sich im Rahmen dieses Krankheitsfürsorgesystems ergeben, zu Rate gezogen werden. Er … gibt seine Stellungnahme innerhalb der ihm gesetzten Frist ab.“

9        Nach Anhang I Abschnitt XII Buchst. F Nr. 4 der Gemeinsamen Regelung werden die Kosten für die Anschaffung und die Reparatur eines ärztlich verordneten Rollstuhls nach Vorlage eines Kostenvoranschlags und Erteilung einer vorherigen Genehmigung nach Stellungnahme des Vertrauensarztes der Abrechnungsstelle erstattet.

10      Gemäß Art. 72 Abs. 1 Unterabs. 3 des Statuts und Art. 52 der Gemeinsamen Regelung hat die Kommission allgemeine Durchführungsbestimmungen (im Folgenden: ADB) für die Erstattung der Krankheitskosten erlassen, die im Juli 2007, d. h. nach den für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Ereignissen, in Kraft getreten sind. Darin ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Rollstuhls auf eine Anschaffung alle fünf Jahre beschränkt ist.

 Sachverhalt

11      Der Sachverhalt wird in den Randnrn. 16 bis 24 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt:

„16      Der Kläger ist ehemaliger Beamter der Kommission und befindet sich im Ruhestand. Seine Tochter, die seit einem 1978 erlittenen Unfall querschnittsgelähmt ist, benutzt einen Rollstuhl.

17      Das Krankheitsfürsorgesystem erstattete dem Kläger im Juli 2004 die Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls in Höhe von 2 574,42 Euro.

18      Im September 2006 brach ein Rohr am Rückenteil des Rollstuhls.

19      Mit am 7. November eingegangenem Schreiben vom 1. November 2006 stellte der Kläger bei der Abrechnungsstelle einen Antrag auf vorherige Genehmigung der Anschaffung eines neuen Rollstuhls des gleichen Modells wie des vorigen. Er fügte seinem Antrag einen Kostenvoranschlag sowie ein Attest des behandelnden Arztes seiner Tochter bei, der darauf hinwies, dass beim bisherigen Rollstuhl die Sicherheit der Benutzerin auch nach einer Reparatur nicht mehr hinreichend gewährleistet wäre.

20      Nach Einholung der Stellungnahme des Vertrauensarztes lehnte die Abrechnungsstelle den Antrag mit der streitigen Entscheidung ab. Darin führte sie aus, eine Kostenerstattung für einen Rollstuhl sei zuletzt 2004 gewährt worden; die Erstattung der Kosten eines neuen Rollstuhls sei nur alle fünf Jahre möglich.

21      Mit Schreiben vom 13. November 2006 bat der Kläger um Erläuterung der Ablehnungsgründe unter Hinweis darauf, dass er in der Regelung keine entsprechende Vorschrift finden könne. Daraufhin überprüfte die Verwaltung seinen Antrag, der in der Sitzung des Ärztebeirats vom 7. Dezember 2006 erörtert wurde. Nach dieser Sitzung wandte sich der Vertrauensarzt mit einem Schreiben an den Kläger, in dem er diesen bat, von einem Orthopädiemeister einen sachverständigen Bericht über die Gründe des Bruchs des Rückenteils des Rollstuhls und die funktionellen Mängel einer Reparatur erstellen zu lassen und vorzugsweise die Zweitmeinung eines anderen Orthopädiemechanikers einzuholen.

22      Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 16. Dezember 2006, er habe das Ersuchen des Vertrauensarztes an den Lieferanten und die Reparaturwerkstatt weitergeleitet, meine aber, dass Ursache des Schadens die Brüchigkeit des verwendeten Materials sei. Er teilte der Abrechnungsstelle mit, dass er aus Gründen der Sicherheit beschlossen habe, einen neuen, solideren Rollstuhl zu kaufen, für den er Kostenerstattung beantragen werde.

23      Mit Schreiben vom 8. Januar 2007 legte der Kläger gegen die streitige Entscheidung Beschwerde ein.

24      Die Anstellungsbehörde wies die Beschwerde mit Entscheidung vom 18. April 2007 zurück. Sie bestätigte, dass der Antrag auf vorherige Genehmigung mit der Begründung abgelehnt worden sei, dass eine Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls nur alle fünf Jahre möglich sei. …“

 Erstinstanzliches Verfahren und angefochtenes Urteil

12      Mit am 17. Juli 2007 beim Gericht für den öffentlichen Dienst erhobener Klage beantragte der Kläger die Aufhebung der Entscheidung über die Zurückweisung seiner Beschwerde vom 18. April 2007, was nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts bewirkte, dass die Klage sich in Wirklichkeit gegen die streitige Entscheidung richtete, die Gegenstand dieser Beschwerde war.

13      Seinen Aufhebungsantrag stützte der Kläger darauf, dass er Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls für seine querschnittsgelähmte Tochter habe, die ständig auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Seit dem im September 2006 eingetretenen Bruch eines Rohrs im Rückenteil des Rollstuhls gewährleiste der aus einer mangelhaften Aluminiumlegierung hergestellte Rollstuhl die Sicherheit seiner Tochter nicht mehr. Ein Austausch des gebrochenen Teils mit dem vom Hersteller gelieferten Teil genüge daher als Schutz vor einem neuerlichen Bruch des Rückenteils nicht.

14      Der Kläger trug weiter vor, dass der Austausch des Rollstuhls die einzig sachgerechte Lösung darstelle, da der behandelnde Arzt seiner Tochter am 18. September 2006 mit der Begründung, dass der alte Rollstuhl auch nach einer Reparatur die Sicherheit seiner Benutzerin nicht mehr gewährleiste, eine ärztliche Verordnung über die Anschaffung eines neuen Rollstuhls ausgestellt habe. Die Kommission könne vom Kläger nicht verlangen, den Hersteller haftbar zu machen. Da die Garantiezeit zum Zeitpunkt des Bruchs des Rückenteils bereits abgelaufen gewesen sei, erfordere die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Hersteller nämlich den Nachweis, dass ein Materialfehler vorliege. Ein solcher Nachweis könne aber nur nach einem langwierigen Verfahren erbracht werden. Seiner Tochter sei nicht zuzumuten, in der Zwischenzeit auf den Gebrauch eines Rollstuhls zu verzichten, weil sie sonst in einem nicht zu vertretenden Umfang in ihrer Lebensführung eingeschränkt würde. Dies gelte sowohl für ihr Privatleben als auch für ihr Berufsleben.

15      Die Kommission entgegnete, dass der Antrag auf Übernahme der Kosten für einen Austausch des Rollstuhls nach Art. 20 Abs. 3 der Gemeinsamen Regelung zu Recht abgelehnt worden sei, weil dieser Austausch nicht notwendig sei. Die fehlende Notwendigkeit stehe aufgrund des Gutachtens der Vertrauensärzte und des durch die Gemeinsame Regelung eingesetzten Ärztebeirats fest. Nach ständiger Rechtsprechung erstrecke sich die richterliche Kontrolle nämlich nicht auf ärztliche Beurteilungen im eigentlichen Sinn. Der Kläger habe nicht den ihm obliegenden Nachweis erbracht, dass der Rollstuhl bei einer Reparatur der Rückenlehne keine ausreichende Sicherheit garantieren würde.

16      Die streitige Entscheidung beruhe ferner auf der Entscheidung des Ärztebeirats vom 3. Juni 2004, der auf der Grundlage des Zeitwerts entschieden habe, dass die Anschaffung eines neuen Rollstuhls vor Ablauf der Frist von fünf Jahren nach Kauf des letzten Rollstuhls nicht notwendig sei. Diese Regel sei inzwischen in Anhang II Nr. 5 der ADB als neue Vorschrift niedergelegt worden.

17      Im angefochtenen Urteil hat das Gericht für den öffentlichen Dienst zunächst unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, wonach sich die richterliche Kontrolle nicht auf ärztliche Beurteilungen im eigentlichen Sinn erstrecke, ausgeführt, dass diese Rechtsprechung nicht auf die ärztlichen Beurteilungen von Vertrauensärzten der Abrechnungsstellen übertragen werden könne, da sie von einem dem Organ angehörenden Arzt einseitig abgegeben würden und somit, was die Ausgewogenheit zwischen den Beteiligten und die Objektivität angehe, nicht die gleichen Garantien wie die Beurteilungen des ärztlichen Invaliditätsausschusses wegen seiner Zusammensetzung oder des als Schiedsrichter benannten Arztes wegen der Modalitäten seiner Benennung böten, zumal weder das Statut noch die Gemeinsame Regelung vorsähen, dass die ärztlichen Beurteilungen der Vertrauensärzte der Abrechnungsstellen vor einer ärztlichen Instanz angefochten werden könnten, die die gleichen Ausgewogenheits- und Objektivitätsgarantien biete wie der Invaliditätsausschuss oder der unabhängige Arzt (Randnrn. 50 und 51 des angefochtenen Urteils).

18      Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat daraus geschlossen, dass es die Entscheidung einer Abrechnungsstelle über einen Antrag auf Genehmigung der Übernahme von in der Gemeinsamen Regelung vorgesehenen Krankheitskosten ebenso wie die Stellungnahme des Vertrauensarztes der Abrechnungsstelle, die dieser Entscheidung gegebenenfalls zugrunde liege, einer beschränkten Nachprüfung unterziehen könne, die sich auf tatsächliche und Rechtsfehler sowie auf offensichtliche Beurteilungsfehler erstrecke (Randnr. 52 des angefochtenen Urteils).

19      Sodann hat das Gericht für den öffentlichen Dienst festgestellt, dass der Kläger im Wesentlichen zwei Klagegründe geltend mache, erstens einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung der Notwendigkeit, den beschädigten Rollstuhl auszutauschen, und zweitens einen Rechtsfehler, den die Abrechnungsstelle begangen habe, indem sie sich auf die ADB berufen habe, die zum maßgebenden Zeitpunkt nicht bestanden hätten (Randnr. 53 des angefochtenen Urteils).

20      In diesem Zusammenhang hat das Gericht für den öffentlichen Dienst ausgeführt:

„54      Wie sich aus der streitigen Entscheidung ergibt, hat die Abrechnungsstelle die Genehmigung zur Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls durch das Krankheitsfürsorgesystem mit der Begründung abgelehnt, dass dem Kläger die Kosten eines Rollstuhls 2004 erstattet worden seien und dass eine Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl nur alle fünf Jahre möglich sei.

55      Die Anstellungsbehörde hat in ihrer Antwort auf die Beschwerde keinen weiteren Grund für ihre Ablehnung der Genehmigung angeführt. …

56      Der Kläger hat zwar mit seinem Vorbringen, das er in erster Linie darauf stützt, dass die Neuanschaffung eines Rollstuhls erforderlich sei, um die Sicherheit seiner Tochter zu gewährleisten, diese Frage ins Zentrum der streitigen Erörterungen gestellt. Die mündliche Verhandlung hat gezeigt, dass die Kommission selbst der Auffassung ist, dass die Fünfjahresregel und die fehlende Notwendigkeit eines Austauschs des Rollstuhls ein und denselben Ablehnungsgrund darstellen, da die Vermutung gilt, dass der Austausch eines Rollstuhls vor Ablauf von fünf Jahren nicht notwendig ist. Wie die Kommission jedoch in der mündlichen Verhandlung … eingeräumt hat, handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Ablehnungsgründe, da der erste, der auf der unmittelbaren Anwendung einer Rechtsvorschrift beruht, dem Erstattungsanspruch grundsätzlich unter bloßer Berücksichtigung des Zeitpunkts der Kostenerstattung für den vorherigen Rollstuhl entgegengehalten werden kann, während der zweite eine konkrete, gegebenenfalls schwierige Prüfung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls voraussetzt.

57      Es lässt sich daher nicht behaupten, dass der Erlass der streitigen Entscheidung damit begründet worden sei, dass der Austausch des beschädigten Rollstuhls nicht notwendig sei.

58      Somit ist der zweite Klagegrund zu prüfen, der sich auf den Ablehnungsgrund bezieht, dass die Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl nur alle fünf Jahre erlangt werden könne.“

21      Diesem zweiten Klagegrund hat das erstinstanzliche Gericht mit der Begründung stattgegeben, dass die ADB, die in der Tat die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Rollstuhls auf eine Anschaffung alle fünf Jahre beschränkten, erst im Juli 2007 in Kraft getreten seien und die einschlägigen Vorschriften der Gemeinsamen Regelung, die im vorliegenden Fall gälten, eine solche Beschränkung nicht vorsähen (Randnrn. 59 und 60 des angefochtenen Urteils). Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat in den Randnrn. 61 bis 64 des angefochtenen Urteils weiter ausgeführt:

„61      Zwar macht die Kommission geltend, die streitige Entscheidung beruhe auf einer Empfehlung des Ärztebeirats vom 3. Juni 2004, … nach der eine Neuanschaffung eines Rollstuhls frühestens nach fünf Jahren genehmigt werde.

62      Der Ärztebeirat verfügt jedoch nur über eine Beratungszuständigkeit, wie sich aus … der … Gemeinsamen Regelung ergibt. Folglich stellt eine Empfehlung des Ärztebeirats als solche keine Vorschrift dar, die von der Verwaltung anzuwenden wäre oder den Beamten und Bediensteten der Gemeinschaften entgegengehalten werden könnte. Außerdem ergibt sich aus den Akten nicht, dass die Empfehlung des Ärztebeirats vom 3. Juni 2004 veröffentlicht worden wäre. Der Kläger trägt daher zu Recht vor, dass sich die Verwaltung für den Erlass der streitigen Entscheidung auf nicht in Kraft befindliche Bestimmungen gestützt habe.

63      Mithin ist festzustellen, dass die streitige Entscheidung rechtsfehlerhaft ist.

64      Der Umstand – unterstellt, er sei erwiesen –, dass die streitige Entscheidung auch aus einem anderen Grund, nämlich dem der fehlenden Notwendigkeit eines Austauschs des Rollstuhls, gerechtfertigt sein könnte, kann der Aufhebung dieser Entscheidung nicht entgegenstehen. Anders verhielte es sich, wenn die Verwaltung über kein Ermessen verfügte und wenn deshalb eine Aufhebung der streitigen Entscheidung nur die Wirkung haben könnte, dass die Verwaltung durch sie verpflichtet würde, eine inhaltsgleiche neue Entscheidung zu erlassen … Mit einem solchen Fall einer gebundenen Entscheidung weist im vorliegenden Fall die Situation, in der sich die Kommission nach Verkündung des vorliegenden Urteils befinden wird, keine Ähnlichkeit auf. Zwar hat nämlich die Kommission … betont, sie habe geprüft, dass der Rollstuhl nach einer Reparatur sicher und zuverlässig wäre, doch wird der Vertrauensarzt der Abrechnungsstelle, der mit dem Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für einen neuen Rollstuhl erneut befasst sein wird, bei seiner Beurteilung der Begründetheit dieser Übernahme über ein weites Ermessen verfügen. Bei dieser Gelegenheit wird der Kläger seine Rechte z. B. in der Weise zweckdienlich wahrnehmen können, dass er Unterlagen jeder Art vorlegt oder Beweise jeder Art anbietet … Daraus folgt, dass die in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Ersetzung von Gründen, die im Übrigen von der Kommission nicht ausdrücklich beantragt worden ist, nicht erfüllt sind.“

22      Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat daher die streitige Entscheidung aufgehoben und festgestellt, dass es nicht erforderlich sei, den weiteren Klagegrund eines offensichtlichen Fehlers bei der Beurteilung der Notwendigkeit, den beschädigten Rollstuhl auszutauschen, zu prüfen (Randnrn. 65 und 53 des angefochtenen Urteils).

 Zum Rechtsmittel

 Verfahren und Anträge der Parteien

23      Mit am 10. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Kommission das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

24      Die Kommission beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        dem Kläger die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

25      In seiner am 1. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Rechtsmittelbeantwortung hat der Kläger davon Abstand genommen, einen förmlichen Antrag zu stellen, jedoch ist seiner Meinung nach „die Berufungsschrift als untauglich zu befinden“.

26      Das Gericht (Rechtsmittelkammer) hat auf Bericht des Berichterstatters festgestellt, dass keine der Parteien binnen einem Monat nach der Mitteilung über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und gemäß Art. 146 der Verfahrensordnung beschlossen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

 Rechtliche Würdigung

27      Die Kommission stützt ihren Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils auf zwei Reihen von Rechtsmittelgründen, die sich gegen die Randnrn. 24, 51 bis 57 und 61 bis 63 des angefochtenen Urteils richten. Sie wirft dem Gericht für den öffentlichen Dienst zum einen Verkennung der rechtlichen Bedeutung der Stellungnahmen des Vertrauensarztes und des Ärztebeirats und zum anderen schwere Fehler bei der rechtlichen Qualifizierung der Tatsachen und des Streitgegenstands sowie bei der Begründung des angefochtenen Urteils bis hin zur Verfälschung von Tatsachen vor.

 Vorbringen der Parteien

–       Zu den Rechtsmittelgründen, mit denen eine Verkennung der rechtlichen Bedeutung der Stellungnahmen des Vertrauensarztes und des Ärztebeirats gerügt wird

28      Die Kommission wirft dem Gericht für den öffentlichen Dienst vor, Gemeinschaftsrecht verletzt und eine ständige Rechtsprechung verkannt zu haben, als es in den Randnrn. 51 und 62 des angefochtenen Urteils den Grundsatz der beschränkten Kontrolle der von den Vertrauensärzten und dem Ärztebeirat abgegebenen Stellungnahmen nicht beachtet habe, wonach die ärztlichen Beurteilungen im eigentlichen Sinn als endgültig anzusehen seien, wenn sie unter ordnungsgemäßen Voraussetzungen zustande gekommen seien. Dieser Grundsatz, der im Urteil des Gerichtshofs vom 19. Januar 1988, Biedermann/Rechnungshof (2/87, Slg. 1988, 143, Randnr. 8), für den Invaliditätsausschuss entwickelt worden sei, sei durchgängig auf die Gutachten der Vertrauensärzte, des Ärztebeirats und der anderen medizinischen Gremien, die im Statut oder in der Gemeinsamen Regelung vorgesehen seien, angewandt worden (Urteil des Gerichts vom 12. Mai 2004, Hecq/Kommission, T‑191/01, Slg. ÖD 2004, I‑A‑147 und II‑659, Randnrn. 62 und 63).

29      Das erstinstanzliche Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es in den Randnrn. 51 und 52 des angefochtenen Urteils postuliert habe, dass ein Beurteilungsspielraum nur im Fall des Invaliditätsausschusses gerechtfertigt sei, und zwar wegen dessen besonderer Objektivität, weil ihm ein vom Versicherten bestimmter Arzt und ein unabhängiger Arzt angehörten. Der Grundsatz der beschränkten Kontrolle von Stellungnahmen der Vertrauensärzte und des Ärztebeirats ergebe sich nämlich aus der besonderen Rolle, die der Gesetzgeber ihnen zugewiesen habe. So bestimme Art. 20 Abs. 3 der Gemeinsamen Regelung, dass die Vertrauensärzte über die Notwendigkeit bestimmter Krankheitskosten zu entscheiden hätten; ihre zentrale Rolle dabei sei in der Rechtsprechung anerkannt.

30      Nach Art. 41 Abs. 2 der Gemeinsamen Regelung könnten die Vertrauensärzte eine Stellungnahme des Ärztebeirats einholen, der seinerseits aus Vertrauensärzten zusammengesetzt sei und häufig bei Fragen konsultiert werde, die eine einheitliche Vorgehensweise erforderten. Der Ärztebeirat sei daher mit dem Ärzteausschuss des Art. 33 des Statuts vergleichbar, der über Beschwerden hinsichtlich der Einstellungsuntersuchungen befinde und sich ebenfalls ausschließlich aus Vertrauensärzten zusammensetze. Aus der Rechtsprechung des Gerichts ergebe sich jedoch, dass der Ärzteausschuss über einen weiten Beurteilungsspielraum verfüge (Urteil des Gerichts vom 9. Juni 1994, X/Kommission, T‑94/92, Slg. ÖD 1994, I‑A‑149 und II‑481, Randnrn. 40 und 41), obwohl ihm kein vom Betroffenen benannter Arzt angehöre (Urteile des Gerichtshofs vom 26. Januar 1984, Seiler u. a./Rat, 189/82, Slg. 1984, 229, Randnr. 15, sowie des Gerichts vom 14. April 1994, A/Kommission, T‑10/93, Slg. 1994, II‑179, Randnr. 61, und vom 23. März 2000, Rudolph/Kommission, T‑197/98, Slg. ÖD 2000, I‑A‑55 und II‑241, Randnr. 86). Diese Rechtsprechung gelte auch für die Beurteilungen des Ärztebeirats.

31      Fehlerhaft seien auch die Erwägungen des Gerichts für den öffentlichen Dienst in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils, wonach sich die Anstellungsbehörde nicht auf die Stellungnahmen des Ärztebeirats berufen dürfe, weil dieser nur eine beratende Funktion habe und seine Stellungnahmen nicht veröffentlicht würden.

32      Erstens sei der Ärztebeirat nämlich geschaffen worden, um Stellungnahmen allgemeiner Art abzugeben, die zu widerlegbaren Vermutungen über die Notwendigkeit bestimmter Kosten führten und von den Vertrauensärzten angewandt werden könnten. Die Möglichkeit solcher internen widerlegbaren Vermutungen, die dem Versicherten in einem ersten Schritt entgegengehalten, dann aber im Rahmen einer Beschwerde anhand des Einzelfalls überprüft werden könnten, sei in der Rechtsprechung anerkannt.

33      Zweitens bestehe keine Verpflichtung, die Stellungnahmen des Ärztebeirats zu veröffentlichen. Mit dieser Stellungnahme, bei der es sich nicht um eine allgemeine Durchführungsbestimmung handele, solle eine Begründung für Einzelentscheidungen geliefert werden, die in Einzelfällen zu treffen seien. Eine Veröffentlichung sei auch nicht notwendig, um den Versicherten von der fehlenden Notwendigkeit einer Anschaffung in Kenntnis zu setzen. Mit der Verpflichtung zur Einholung einer vorherigen Genehmigung habe der Gesetzgeber bereits sichergestellt, dass der Versicherte rechtzeitig über die Erstattungsfähigkeit der fraglichen Kosten informiert werde. Darüber hinaus enthielten die ärztlichen Stellungnahmen persönliche Daten, die dem Versicherten nicht automatisch mitgeteilt werden müssten.

34      Entgegen der Darstellung in den Randnrn. 56, 61 und 62 des angefochtenen Urteils sei die vorherige Genehmigung in der streitigen Entscheidung gerade nicht unter Berufung auf eine Durchführungsbestimmung versagt worden. Vielmehr verweise die streitige Entscheidung ausschließlich auf die Stellungnahme des Vertrauensarztes, nach der eine Erstattung der Kosten für die Neuanschaffung eines Rollstuhls nur alle fünf Jahre möglich sei. Es handele sich nicht um eine strikte A-priori-Regel, sondern um eine widerlegbare Vermutung der fehlenden Notwendigkeit der Anschaffung, die anhand der Umstände des Einzelfalls überprüft werden könne.

35      Eine solche Überprüfung der besonderen Umstände anhand der vom Kläger vorgetragenen detaillierten Argumente habe übrigens stattgefunden. Dieser habe nämlich um Überprüfung der streitigen Entscheidung ersucht (vgl. Randnr. 21 des angefochtenen Urteils). Das erstinstanzliche Gericht habe jedoch nicht angegeben, dass der Ärztebeirat nach Berücksichtigung des Einzelfalls am 7. Dezember 2006 zwei Gutachten von Orthopädietechnikermeistern verlangt habe, in denen die Gründe für eine so rasche Abnutzung des Rollstuhls und die Möglichkeiten einer Reparatur dargelegt werden sollten. Diese Aufforderung sei dem Kläger auch übermittelt worden, der jedoch, statt zwei Gutachten vorzulegen, Beschwerde eingelegt habe.

36      Ferner habe das Gericht für den öffentlichen Dienst in Randnr. 24 des angefochtenen Urteils verschwiegen, dass der zuständige Vertrauensarzt im Beschwerdeverfahren gebeten worden sei, seine Entscheidung anhand des Einzelfalls näher zu erläutern, und er bei dieser Gelegenheit erneut erklärt habe, dass ein Austausch der Rückenlehne nach üblicher Praxis und Angaben von Rollstuhlherstellern möglich sei, so dass der Kauf eines neuen Rollstuhls nicht notwendig sei. Im angefochtenen Urteil werde auch nicht erwähnt, dass der Hersteller des Rollstuhls dem Kläger kostenlos ein Ersatzrohr zur Verfügung gestellt habe, was dieser der Kommission im Vorverfahren mitgeteilt habe.

37      Die interne Leitlinie des Ärztebeirats, die sich auf Gebrauchswerte und Herstellerangaben stütze und auch der persönlichen Einschätzung des Vertrauensarztes entsprochen habe, sei als erste Antwort auf den Antrag des Klägers verwendet worden. Entgegen den Ausführungen in den Randnrn. 56 und 62 des angefochtenen Urteils habe sich die Abrechnungsstelle auf keine Durchführungsbestimmung berufen. Die Klage sei außerdem nur gegen die Passagen der Beschwerdeentscheidung gerichtet gewesen, in denen ausgeführt worden sei, dass ein Austausch des Rohrs in der Rückenlehne des Rollstuhls ausreichend sei.

38      Schließlich habe das Gericht für den öffentlichen Dienst rechtsfehlerhaft die Beweislastverteilung ignoriert. Die Stellungnahmen der Vertrauensärzte und des Ärztebeirats bewirkten eine Beweislastumkehr, so dass es dem Kläger obliege, darzulegen, dass diese Stellungnahmen falsch seien. In den Randnrn. 61 und 62 des angefochtenen Urteils habe das erstinstanzliche Gericht es jedoch versäumt, vom Kläger den Nachweis zu verlangen, dass statt des Austauschs des gebrochenen Rohrs die Anschaffung eines neuen Rollstuhls notwendig sei.

39      Der Kläger äußert sich nicht zu diesen Rechtsmittelgründen.

–       Zu den Rechtsmittelgründen, mit denen schwere Fehler bei der rechtlichen Qualifizierung der Tatsachen und des Streitgegenstandes bis hin zur Verfälschung von Tatsachen sowie bei der Begründung des angefochtenen Urteils gerügt werden

40      Die Kommission trägt vor, das Gericht für den öffentlichen Dienst habe in den Randnrn. 24, 55 und 57 des angefochtenen Urteils fälschlich verneint, dass die Beschwerdeentscheidung Ausführungen zur fehlenden Notwendigkeit der fraglichen Kosten im Einzelfall enthalten habe. Damit habe es die maßgeblichen Tatsachen verfälscht. Ein einfacher Blick in die im ersten Rechtszug vorgelegten Schriftstücke mache deutlich, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst den Inhalt der Beschwerdeentscheidung falsch gewürdigt habe.

41      Die Zurückweisung der Beschwerde wegen eines möglichen Austauschs der Rückenlehne des Rollstuhls sei der zentrale Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gewesen; der Kläger habe diese Begründung in seiner Klageschrift wiedergegeben und sich gegen einen Austausch gewendet, da seiner Ansicht nach ein mangelhaftes, weil „sprödes“, Material verwendet worden sei, das den Rollstuhl insgesamt inakzeptabel mache. Der Kläger habe nicht das Fehlen einer solchen Begründung in der Beschwerdeentscheidung angegriffen und auch nicht, dass die Kommission fälschlich eine noch nicht wirksame Durchführungsbestimmung angewandt habe. Die Beschwerdeentscheidung enthalte nämlich zwei Absätze, in denen die Erstattung abgelehnt worden sei, weil ein Austausch der vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellten Rückenrohre ausreichend sei. Dementsprechend habe die Kommission die streitige Entscheidung im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung verteidigt.

42      Der Rechtsirrtum des erstinstanzlichen Gerichts könne auch als schwerer Begründungsfehler oder als falsche Charakterisierung des Streitgegenstands zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Sowohl der Streitgegenstand selbst, d. h. die streitige Entscheidung in Form der Beschwerdeentscheidung, als auch die Klagegründe des Klägers seien vom Gericht für den öffentlichen Dienst falsch verstanden worden.

43      Der Kläger trägt vor, die Frage eines möglichen Austauschs der Rückenlehne des defekten Rollstuhls, die durchaus im Zentrum des gerichtlichen Verfahrens gestanden habe, sei in Randnr. 64 des angefochtenen Urteils zutreffend beantwortet worden. Da die maßgeblichen Tatsachen von der Verwaltung im Vorverfahren nicht hinreichend geprüft worden seien, habe das Gericht für den öffentlichen Dienst die Frage, ob die Anschaffungskosten für den von ihm gekauften Rollstuhl zu erstatten seien, nicht entschieden.

 Würdigung durch das Gericht

44      Unter den Umständen des vorliegenden Falls sind zunächst die Rechtsmittelgründe zu prüfen, mit denen Fehler des erstinstanzlichen Gerichts bei der rechtlichen Qualifizierung des Sachverhalts und insbesondere eine Verfälschung des Inhalts der Beschwerdeentscheidung gerügt werden.

45      Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung allein das erstinstanzliche Gericht zuständig ist für die Feststellung der Tatsachen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und für ihre Würdigung, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht werden, wobei sich eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben muss, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteile des Gerichtshofs vom 31. Januar 2008, Angelidis/Parlament, C‑103/07 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45, und vom 18. Dezember 2008, Coop de France bétail et viande u. a./Kommission, C‑101/07 P und C‑110/07 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 58 bis 60; Beschluss des Gerichts vom 12. Juli 2007, Beau/Kommission, T‑252/06 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 45 und 46). Der Gerichtshof hat im Rechtsmittelverfahren auch den Rechtsmittelgrund einer unvollständigen Aufklärung des Sachverhalts zugelassen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnrn. 392 bis 405).

46      Im hier angefochtenen Urteil hat das Gericht für den öffentlichen Dienst festgestellt, dass der Antrag des Klägers in der streitigen Entscheidung nach der „Fünfjahresregel“ abgelehnt worden sei (Randnr. 20), und sodann den Inhalt der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde in Randnr. 24 wie folgt zusammengefasst:

„Die Anstellungsbehörde … bestätigte, dass der Antrag auf vorherige Genehmigung mit der Begründung abgelehnt worden sei, dass eine Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls nur alle fünf Jahre möglich sei. Die Abrechnungsstelle sei jedoch bereit, die Reparaturkosten entsprechend der [Gemeinsamen] Regelung dann zu übernehmen, wenn sie nicht vom Hersteller übernommen würden. Allerdings falle die Frage der Qualität des verwendeten Materials und allgemein der Sicherheit des Rollstuhls nicht in ihren Zuständigkeitsbereich, sondern betreffe das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als Käufer und dem Hersteller.“

47      In seiner rechtlichen Würdigung hat das Gericht für den öffentlichen Dienst zunächst an den Inhalt der streitigen Entscheidung erinnert, mit der die Genehmigung zur Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls mit der Begründung versagt worden sei, dass dem Kläger die Kosten eines Rollstuhls 2004 erstattet worden seien und dass eine Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl nur alle fünf Jahre möglich sei (Randnr. 54 des angefochtenen Urteils).

48      Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat sodann in Randnr. 55 des angefochtenen Urteils ausgeführt:

„Die Anstellungsbehörde hat in ihrer Antwort auf die Beschwerde keinen weiteren Grund für ihre Ablehnung der Genehmigung angeführt. Sie hat insbesondere nicht angegeben, dass ihrer Ansicht nach der Austausch des Rollstuhls nicht erforderlich sei. Vielmehr hat sie in dieser Antwort hervorgehoben, dass sie für die vom Kläger hinsichtlich der Solidität des Materials des Rollstuhls und dessen Sicherheit geäußerten Bedenken und Beanstandungen nicht zuständig sei und dass die Frage der Sicherheit des Rollstuhls das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als Käufer und dem Hersteller des Rollstuhls, der Firma …, betreffe.“

49      In Randnr. 57 des angefochtenen Urteils hat das Gericht für den öffentlichen Dienst daraus geschlossen, dass sich „nicht behaupten [lasse], dass der Erlass der streitigen Entscheidung damit begründet worden sei, dass der Austausch des beschädigten Rollstuhls nicht notwendig sei“.

50      Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst in den Randnrn. 24, 55 und 57 des angefochtenen Urteils den Inhalt der Beschwerdeentscheidung, die die Anstellungsbehörde nach Anhörung des Verwaltungsausschusses und des Ärztebeirats erlassen hatte, offensichtlich verkannt hat. Auf Seite 2 dieser Entscheidung führt die Anstellungsbehörde nämlich ausdrücklich aus:

„Auch wenn eine die Sicherheit gewährleistende Reparatur der Rückenstrebe nicht möglich ist (siehe oben), bedeutet dies nicht zwangsläufig eine Neuanschaffung eines Rollstuhls. Nach üblicher Praxis und Angaben von Rollstuhlherstellern wäre in einem solchen Fall ein Austausch der Rückenlehne möglich.

Laut E-Mail des Orthopädietechnikermeisters … vom 30. Januar 2007, hat die Firma … (Hersteller des fraglichen Rollstuhls) 2 Rückenrohre kostenlos zur Verfügung gestellt. Damit wäre die weitere Nutzung des Rollstuhls sichergestellt, ohne dass es einer Anschaffung eines neuen Rollstuhls bedarf.“

51      Aus dieser klaren und eindeutigen Passage geht hervor, dass die Beschwerdeentscheidung zur Begründung der Versagung der beantragten vorherigen Genehmigung einen anderen als den in der streitigen Entscheidung enthaltenen Grund anführt, indem die Anstellungsbehörde ausdrücklich darauf hinweist, dass sie den Austausch des Rollstuhls nicht für notwendig halte.

52      Erst im Anschluss an diese Begründung erklärt die Anstellungsbehörde auf Seite 3 der Entscheidung, dass die Abrechnungsstelle bereit sei, die Reparaturkosten zu übernehmen, wenn sie nicht vom Hersteller übernommen würden, dass die Frage der Materialqualität und der Sicherheit des Rollstuhls aber nicht in ihren Zuständigkeitsbereich falle, sondern das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Hersteller betreffe.

53      Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat daher, als es in den Randnrn. 24, 55 und 57 des angefochtenen Urteils angenommen hat, dass die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde keine Ausführungen zur Notwendigkeit der Anschaffung eines neuen Rollstuhls enthalte, im Sinne der in Randnr. 45 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung den klaren und eindeutigen Sinn dieses Schriftstücks verfälscht, sachlich unzutreffende Feststellungen getroffen und den Sachverhalt unvollständig aufgeklärt.

54      Zu den Folgen dieses Fehlers ist festzustellen, dass sich das Gericht für den öffentlichen Dienst im angefochtenen Urteil darauf beschränkt hat, den „zweite[n] Klagegrund zu prüfen, der sich auf den Ablehnungsgrund bezieht, dass die Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl nur alle fünf Jahre erlangt werden könne“ (Randnr. 58), und die streitige Entscheidung schließlich aufgehoben hat, wobei es eine „Prüfung des weiteren Klagegrundes“ für nicht erforderlich hielt (Randnr. 65), d. h. des Klagegrundes, mit dem ein „offensichtliche[r] Fehler bei der Beurteilung der Notwendigkeit, den beschädigten Rollstuhl auszutauschen“ (Randnr. 53), gerügt wurde und der seiner Ansicht nach „eine konkrete, gegebenenfalls schwierige Prüfung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls voraussetzt“ (Randnr. 56).

55      Damit hat das Gericht für den öffentlichen Dienst den Grundsatz außer Acht gelassen, wonach die Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde auch für die Entscheidung maßgebend ist, gegen die die Beschwerde gerichtet war (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 9. Dezember 1993, Parlament/Volger, C‑115/92 P, Slg. 1993, I‑6549, Randnr. 22; Urteile des Gerichts vom 22. März 1995, Kotzonis/WSA, T‑586/93, Slg. 1995, II‑665, Randnr. 105, und vom 6. Juli 2004, Huygens/Kommission, T‑281/01, Slg. ÖD 2004, I‑A‑203 und II‑903, Randnr. 107). Dieser Grundsatz gilt auch für Entscheidungen im Rahmen der Gemeinsamen Regelung, deren Art. 35 auf das Vorverfahren nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts verweist.

56      Lehnt die Abrechnungsstelle daher nach einer abschlägigen Stellungnahme des Vertrauensarztes die Übernahme bestimmter Krankheitskosten gemäß Art. 20 der Gemeinsamen Regelung ab und legt der Betroffene eine Beschwerde ein, mit der er die Begründung für diese Ablehnung als zu allgemein oder zu knapp beanstandet, so kann die Verwaltung die Beantwortung dieser Beschwerde im Vorverfahren auf eine eingehendere Begründung stützen. Bei einer solchen einzelfallspezifischen Begründung, die vor Klageerhebung mitgeteilt wird, ist davon auszugehen, dass sie auch für die ablehnende Entscheidung gilt und deshalb als eine für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung relevante Information anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Gaspari/Parlament, T‑66/98, Slg. ÖD 1999, I‑A‑55 und II‑287, Randnrn. 30 bis 33, und vom 11. Mai 2000, Pipeaux/Parlament, T‑34/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑79 und II‑337, Randnrn. 18 und 19; vgl. auch Urteil des Gerichtshofs vom 23. September 2004, Hectors/Parlament, C‑150/03 P, Slg. 2004, I‑8691, Randnrn. 47 bis 49).

57      Im vorliegenden Fall geht aus den erstinstanzlichen Akten hervor, dass sich die Anstellungsbehörde in der Beschwerdeentscheidung (S. 3) darauf beschränkt hat, die „Rechtmäßigkeit“ der streitigen Entscheidung insoweit zu bestätigen, als diesen den Antrag des Klägers abschlägig beschieden hat. Dagegen hat die Anstellungsbehörde die recht allgemeine Begründung für diese Ablehnung – Unmöglichkeit der Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl vor Ablauf einer Frist von fünf Jahren – keineswegs bestätigt, sondern durch die auf den konkreten Fall des Klägers bezogene Begründung ersetzt, dass ihr die Anschaffung eines neuen Rollstuhls unter den Umständen des vorliegenden Falles als nicht notwendig erscheine (vgl. Randnr. 50 des vorliegenden Urteils).

58      Damit hat die Anstellungsbehörde im Übrigen den einschlägigen Bestimmungen der Gemeinsamen Regelung (Art. 27, 35 und 41) und der Rechtsprechung Rechnung getragen, aus der sich ergibt, dass die Vorlage einer Bescheinigung des behandelnden Arztes seiner Tochter durch den Kläger eine Vermutung für die Notwendigkeit der Anschaffung eines neuen Rollstuhls begründet hatte, dass diese Vermutung durch die abschlägige Stellungnahme des Vertrauensarztes widerlegt wurde, dass die folgenden Schritte des Klägers einschließlich seiner mit Gründen versehenen Beschwerde darauf abzielten, diese Vermutung wiederherzustellen, und dass die Anstellungsbehörde in ihrer Beschwerdeentscheidung sämtliche Aspekte dieser im Gang des Verfahrens eingetretenen Entwicklung zu berücksichtigen hatte (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile des Gerichts vom 6. Mai 1997, Quijano/Kommission, T‑169/95, Slg. ÖD 1997, I‑A‑91 und II‑273, Randnrn. 40 und 49, und vom 8. Juli 1999, Gaspari/Parlament, T‑36/96, Slg. ÖD 1999, I‑A‑135 und II‑729, Randnrn. 53, 54, 56 und 60; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 10. Mai 1994, Stempels/Kommission, T‑512/93, Slg. ÖD 1994, I‑A‑133 und II‑437, Randnr. 26).

59      Unter Berücksichtigung des evolutiven Charakters dieses Vorverfahrens ist demnach bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Weigerung, die Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls zu übernehmen, auf die Begründung in der Entscheidung der Anstellungsbehörde, mit der die Beschwerde zurückgewiesen wurde, abzustellen, da diese spezifische Begründung das Ergebnis der erneuten Prüfung des ursprünglichen Antrags ist, die die Anstellungsbehörde nach Anhörung des Verwaltungsausschusses und des Ärztebeirats vorgenommen hat.

60      Daraus folgt, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst in den Randnrn. 58 bis 63 des angefochtenen Urteils einen irrelevanten Klagegrund geprüft hat. Die mit diesem Klagegrund gerügte Begründung der streitigen Entscheidung betraf nämlich die Unmöglichkeit, Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl vor Ablauf einer Frist von fünf Jahren zu erlangen. Wie soeben ausgeführt, hat die Anstellungsbehörde diese Begründung im Lauf des vorprozessualen Verfahrens jedoch durch die Begründung ersetzt, dass die Anschaffung eines neuen Rollstuhls unter den Umständen des vorliegenden Falls als nicht notwendig erscheine. Das erstinstanzliche Gericht hat folglich die angefochtene Entscheidung damit aufgehoben, dass es einen irrelevanten Klagegrund für begründet erklärt hat (Randnr. 65 des angefochtenen Urteils), während es davon abgesehen hat, den relevanten Klagegrund eines offensichtlichen Fehlers bei der Beurteilung der Notwendigkeit eines Austauschs des beschädigten Rollstuhls zu prüfen.

61      Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben, ohne dass die gegen seine Randnrn. 51, 52 und 62 gerichteten Rechtsmittelgründe zu prüfen wären, mit denen gerügt wird, das erstinstanzliche Gericht habe die rechtliche Bedeutung der Stellungnahmen der Vertrauensärzte und des Ärztebeirats verkannt.

 Zu den Folgen der Aufhebung des angefochtenen Urteils

62      Ist das Rechtsmittel begründet, kann das Gericht nach Art. 13 Abs. 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts für den öffentlichen Dienst den Rechtsstreit selbst entscheiden, wenn er zur Entscheidung reif ist.

63      Dies ist hier der Fall. In Anbetracht der erstinstanzlichen Akten verfügt das Gericht nämlich über alle erforderlichen Angaben, um über die Klage zu entscheiden.

64      Hinsichtlich des Streitgegenstands ist daran zu erinnern, dass der Klageantrag, obwohl er formal gegen die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 18. April 2007 über die Zurückweisung der Beschwerde vom 8. Januar 2007 gerichtet ist, bewirkt, dass das Gericht mit der streitigen Entscheidung befasst wird, gegen die die Beschwerde eingelegt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. Januar 1989, Vainker/Parlament, 293/87, Slg. 1989, 23, Randnr. 8). Wie sich aus den Randnrn. 50 bis 59 des vorliegenden Urteils ergibt, ist allerdings für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung die in der Beschwerdeentscheidung enthaltene Begründung maßgeblich.

65      Der vom Kläger im ersten Rechtszug geltend gemachte Klagegrund, dass die Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl nur alle fünf Jahre erlangt werden könne, geht aus den in den Randnrn. 54 bis 60 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen ins Leere.

66      Mit dem anderen Klagegrund trägt der Kläger im ersten Rechtszug im Wesentlichen vor, dass die Kommission die Notwendigkeit eines Austauschs des defekten Rollstuhls offensichtlich fehlerhaft beurteilt habe. Außerdem wirft der Kläger der Kommission vor, unangemessene Anforderungen an ihn gestellt zu haben. Insbesondere sei seiner Tochter nicht zuzumuten, auf den Gebrauch ihres Rollstuhls zu verzichten, bis er nachgewiesen habe, dass das für diesen Rollstuhl verwendete Material fehlerhaft gewesen sei (vgl. Randnrn. 13 und 14 des vorliegenden Urteils).

67      Die Kommission tritt dem erstens damit entgegen, dass die fehlende Notwendigkeit eines Austauschs des Rollstuhls aufgrund des Gutachtens der Vertrauensärzte und des Ärztebeirats feststehe, deren Beurteilungen einer gerichtlichen Kontrolle entzogen seien.

68      Insoweit trifft es zu, dass sich die richterliche Kontrolle nach ständiger Rechtsprechung nicht auf ärztliche Beurteilungen im eigentlichen Sinn erstreckt, die als endgültig anzusehen sind, wenn sie unter ordnungsgemäßen Voraussetzungen erfolgt sind (Urteil Biedermann/Rechnungshof, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 8; Urteile des Gerichts vom 16. März 1993, Blackman/Parlament, T‑33/89 und T‑74/89, Slg. 1993, II‑249, Randnr. 44, und Hecq/Kommission, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 62).

69      Im vorliegenden Fall steht jedoch fest, dass die ärztlichen Stellen, die sich zum Antrag des Klägers geäußert haben, nicht zu prüfen hatten, ob seine Tochter querschnittsgelähmt war, ob sie einen Rollstuhl brauchte oder ob der Rollstuhl, der Gegenstand des Antrags auf vorherige Genehmigung war, aus ärztlicher Sicht ihrer Krankheit angepasst war. Diese Stellen waren allein mit der – rein technischen – Frage befasst, ob der defekte Rollstuhl in Anbetracht des zu seiner Herstellung verwendeten Materials und der Ursache für den Bruch der Rückenlehne bei vernünftiger Betrachtungsweise repariert werden konnte oder ob es aus Sicherheitsgründen gerechtfertigt war, die Anschaffung eines neuen Rollstuhls zu finanzieren.

70      Es erweist sich somit, dass die verschiedenen Stellungnahmen des Vertrauensarztes und des Ärztebeirats, wie sie sich aus den Akten ergeben, keine ärztliche Beurteilung im eigentlichen Sinn enthalten. Die von der Kommission angeführte Rechtsprechung zur beschränkten gerichtlichen Kontrolle ärztlicher Gutachten ist daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig und kann somit den Rügen des Klägers, mit denen er einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und die an ihn gestellten unangemessenen Anforderungen beanstandet, nicht entgegengehalten werden.

71      Die Kommission trägt zweitens vor, die Rügen des Klägers seien deshalb unbegründet, weil er nicht den ihm obliegenden Nachweis erbracht habe, dass der beschädigte Rollstuhl im Fall einer Reparatur der Rückenlehne keine ausreichende Sicherheit garantieren würde (vgl. Randnr. 15 des vorliegenden Urteils).

72      In diesem Zusammenhang ist, was die Beweislast angeht, zum einen darauf hinzuweisen, dass die einfache Vermutung der Notwendigkeit der Anschaffung eines neuen Rollstuhls, die mit der Bescheinigung des behandelnden Arztes der Tochter des Klägers verbunden war, durch die abschlägige Stellungnahme des Vertrauensarztes, auf die sich die streitige Entscheidung gestützt hat, widerlegt wurde, und zum anderen darauf, dass der Kläger zur Wiederherstellung dieser für die Notwendigkeit sprechenden Vermutung das Vorverfahren einleiten und eine stichhaltige und hinreichend substantiierte Begründung beibringen musste (vgl. Randnr. 58 des vorliegenden Urteils).

73      Zur Prüfung der Frage, ob die von der Anstellungsbehörde am Ende des Vorverfahrens aufrechterhaltene Versagung der vorherigen Genehmigung zur Folge hat, dass die streitige Entscheidung materiell an einer offensichtlich fehlerhaften Beurteilung der Notwendigkeit eines Austauschs des defekten Rollstuhls leidet, sind die einzelnen Schritte des Vorverfahrens, wie sie sich aus den erstinstanzlichen Akten ergeben, zu untersuchen.

74      Die streitige Entscheidung, wie sie dem Kläger mitgeteilt wurde, enthielt einen einzigen Grund für die Versagung der vorherigen Genehmigung, nämlich den – einzeiligen – Hinweis auf die abschlägige Stellungnahme des Vertrauensarztes, nach der dem Kläger 2004 die Kosten eines Rollstuhls erstattet worden waren und die Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl erst nach fünf Jahren möglich sei.

75      Mit Schreiben vom 13. November 2006 ersuchte der Kläger die Abrechnungsstelle um Erläuterung der Gründe für die Ablehnung. Dieses Ersuchen hat der Ärztebeirat in seiner Sitzung vom 7. Dezember 2006 erörtert; ausweislich des Protokolls dieser Sitzung war „der Beirat der Auffassung, dass zwei Gutachten von Technikern über die Ursache eines so raschen Verschleißes und die Reparaturmöglichkeit verlangt werden sollten“. Daraufhin bat der Vertrauensarzt den Kläger mit Schreiben vom 13. Dezember 2006, ihm einen Bericht des Orthopädiemeisters zukommen zu lassen, in dem ausgeführt werde, weshalb die Rückenlehne des Rollstuhls gebrochen und eine Reparatur funktionsmäßig nicht zufriedenstellend sei, und am besten die Zweitmeinung eines zweiten Orthopädiemechanikers einzuholen.

76      Auf dieses Schreiben des Vertrauensarztes hin teilte der Kläger mit Schreiben vom 16. Dezember 2006 der Abrechnungsstelle mit, dass er sich um den gewünschten Bericht des Orthopädiemeisters bemühen werde. Dieses Schreiben enthielt eine Skizze der Bruchstelle der tragenden Rückenstütze mit den durchgeführten Reparaturmaßnahmen, auf der angegeben war, dass das gebrochene Rohr aus einer Aluminiumlegierung gefertigt sei. Der Kläger führte aus, dass der Bruch nicht das Ergebnis eines übermäßigen Biegemoments, sondern der Brüchigkeit des verwendeten Materials sei. Der Beweis der Bruchursache erfordere eine Materialprüfung durch ein Fachinstitut. Solange die Bruchursache ungeklärt bleibe, bestehe ein erhöhtes Risiko eines erneuten Bruchs mit Gefahr für Leib und Leben des querschnittsgelähmten Rollstuhlfahrers. Zur Vermeidung dieses Risikos habe er beschlossen, umgehend einen neuen, soliden Rollstuhl zu kaufen und dafür Kostenerstattung zu beantragen.

77      Mit Schreiben vom 30. Dezember 2006 wandte sich der Kläger erneut an die Abrechnungsstelle, um die aktuelle Sachlage zu schildern. Er gab an, dass er die vom Vertrauensarzt gestellten Fragen an den Lieferanten und die Reparaturwerkstatt des fraglichen Rollstuhls weitergeleitet habe; sie seien jedoch trotz mehrfacher Anmahnungen unbeantwortet geblieben. Er habe keine Handhabe, in der Sache voranzukommen.

78      Der Vertrauensarzt gab eine undatierte (nach Angaben der Kommission höchstwahrscheinlich am 5. Januar 2007 erstellte) interne ärztliche Stellungnahme ab, in der der Fall des Klägers so dargestellt wurde, dass eine „Stahlstrebe“ am Rückenteil des Rollstuhls gebrochen sei und die erfolgte Reparatur laut Attest des behandelnden Arztes nicht ausreichend sei, um die Sicherheit der Tochter des Klägers zu garantieren. In der Stellungnahme heißt es weiter:

„Am 07.12.2006 wurde im Ärzterat über das [durch den Antrag auf vorherige Genehmigung der Anschaffung eines neuen Rollstuhls aufgeworfene] Problem diskutiert. Eine Entscheidung ist bisher nicht gefällt worden. Herr Birkhoff wurde zur Klärung der Situation um eine detaillierte Stellungnahme des Orthopädietechnikers gebeten. Diese Stellungnahme liegt bis heute trotz Zusage nicht vor.

Die vorgelegten Bilder der Bruchstelle lassen einen Material- oder Konstruktionsfehler vermuten. Hierzu ist bisher keine Erklärung seitens des Herstellers vorgelegt worden, ob eine Kulanzleistung möglich ist. Die Garantie war am 19.07.06 abgelaufen. Der Defekt entstand im September 2006, lt. Angaben von Herrn Birkhoff.

Es gibt also keine detaillierten Angaben darüber, wie der Defekt entstanden ist und warum das Stahlrohr gebrochen ist.

Nach üblicher Praxis und Angaben von Rollstuhlherstellern wäre in diesem Fall ein Austausch der Rückenlehne möglich, was nicht in Erwägung gezogen wurde. Der Kauf eines neuen Rollstuhls ist m. E. nicht notwendig.

Nach Klärung der bisher offenen Fragen ist vorgesehen, den Fall erneut im Ärzterat am 01.03.07 zu erörtern.“

79      Mit Schreiben vom 8. Januar 2007 legte der Kläger Beschwerde ein, mit der er insbesondere vortrug, dass ein technisches Gutachten eines Orthopädiemeisters untauglich sei, weil die Frage der Benutzbarkeit des reparierten Rollstuhls nur über eine zerstörungsfreie Materialprüfung durch ein kompetentes Institut beantwortet werden könne.

80      Im Rahmen des Vorverfahrens übermittelte der Kläger der Anstellungsbehörde außerdem seine Antwort vom 30. Januar 2007 auf eine E-Mail vom selben Tag, in der der Orthopädietechnikermeister und Verkäufer des fraglichen Rollstuhls dessen Reparatur angeboten und dem Kläger mitgeteilt hatte, dass der Hersteller kostenlos zwei Rückenrohre gesendet habe. In dieser Antwort wandte sich der Kläger gegen jede Reparatur des defekten Rollstuhls ohne vorherige Kontrolle der Werkstoffe, weil die Rückenstütze, die „ohne Vorwarnung“ gebrochen sei, aus einer Aluminiumlegierung bestehe. Diese Art von Brüchigkeit sei erforscht, z. B. im Bereich der Fahrrad- oder Motorblockfertigung, und erfordere eine entsprechende Qualitätskontrolle der Werkstoffe; ohne eine solche Kontrolle sei die Sicherheit des Rollstuhls nicht gewährleistet. Vor einer Entscheidung über die Reparaturfähigkeit sei eine Materialprüfung erforderlich. Die zerstörungsfreie Untersuchung des gebrochenen Rohrs könne von einem unabhängigen Institut für Materialprüfung durchgeführt werden. Abschließend bat der Kläger den Orthopädietechnikermeister, ihn über die Zusammensetzung der verwendeten Aluminiumlegierung, die angewandte Qualitätskontrolle und die Garantie gegen „Rohrbruch ohne Vorwarnung“ zu informieren.

81      Ebenfalls noch im Rahmen des Vorverfahrens unterrichtete der Kläger die Anstellungsbehörde von seiner Korrespondenz mit der Technischen Universität Berlin bezüglich einer Kontrolle der Konformität des fraglichen Rollstuhls (Februar 2007) und mit dem deutschen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dem er den Bruch der Rückenlehne des Rollstuhls gemeldet hatte (März 2007).

82      Mit Entscheidung vom 18. April 2007 wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde mit der Begründung zurück, dass die Anschaffung eines neuen Rollstuhls als nicht notwendig erscheine, weil ein Austausch der beschädigten Rückenlehne möglich sei und der Hersteller des fraglichen Rollstuhls dem Orthopädietechnikermeister angeboten habe, kostenlos zwei Rohre zur Verfügung zu stellen (vgl. Randnr. 50 des vorliegenden Urteils).

83      Diese Darstellung des Ablaufs des Verwaltungsverfahrens bis zur Zurückweisung der Beschwerde lässt erkennen, dass sich der Kläger bemüht hat, der Abrechnungsstelle und der Anstellungsbehörde möglichst sachdienliche und detaillierte Angaben zu übermitteln. Insbesondere hat er die Verwaltung sehr frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass die mit seinem Antrag auf vorherige Genehmigung verbundenen Fragen rein technischer Natur seien, indem er auf die Brüchigkeit des verwendeten Materials, einer Aluminiumlegierung, und die Notwendigkeit einer Prüfung durch ein Fachinstitut hinwies, um die Ursache des „Bruchs ohne Vorwarnung“ zu klären. Er hat die Befürchtung geäußert, dass, solange die Bruchursache nicht geklärt sei, ein erhöhtes Risiko eines erneuten Bruchs mit Gefahr für Leib und Leben seiner Tochter bestehe, und geltend gemacht, dass eine Reparatur der Rückenlehne nichts an der Brüchigkeit der zur Herstellung des Rollstuhls verwendeten Aluminiumlegierung ändere. Der Kläger hat außerdem aktiv, allerdings erfolglos, versucht, Gutachten oder andere Auskünfte zur Ursache für den Bruch des fraglichen Materials einzuholen.

84      Die Anstellungsbehörde hat sich ihrerseits strikt darauf beschränkt, die vom Kläger vorgelegten Informationen zur Kenntnis zu nehmen und sie, trotz ihrer rein technischen Natur, vom Verwaltungsausschuss, vom Vertrauensarzt und vom Ärztebeirat bewerten zu lassen. Sie hat nichts unternommen, um die Sache selbst zu untersuchen.

85      In diesem Zusammenhang ist insbesondere daran zu erinnern, dass der Vertrauensarzt erklärt hat, der Fall des Klägers werde am 1. März 2007 „nach Klärung der bisher offenen Fragen“ erneut erörtert (vgl. Randnr. 78 des vorliegenden Urteils). Aus den Akten geht jedoch nicht hervor, dass diese Fragen vor Zurückweisung der Beschwerde tatsächlich geklärt worden wären. Jedenfalls hat die Kommission kein Schriftstück vorgelegt, aus dem sich ergäbe, wie diese Fragen vom Ärztebeirat behandelt worden sind. Ebenso wenig geht aus den Akten hervor, dass der offenkundige Widerspruch zwischen den Angaben des Klägers und denen des Vertrauensarztes zur Art des für die fragliche Rückenlehne verwendeten Materials – dem Vertrauensarzt zufolge Stahl, dem Kläger zufolge eine Aluminiumlegierung – vor Erlass der Beschwerdeentscheidung aufgelöst worden wäre.

86      In Anbetracht der vom Kläger übermittelten sachdienlichen und detaillierten Angaben war die Anstellungsbehörde verpflichtet, die in dieser Sache aufgeworfenen technischen Fragen vor einer Zurückweisung der Beschwerde zu untersuchen.

87      In diesem Kontext ist auch daran zu erinnern, dass der Kläger in Nr. 66 der Klageschrift ausgeführt hat, dass seiner Tochter nicht zuzumuten sei, zeitweise auf einen Rollstuhl zu verzichten, weil sie dadurch in einem nicht zu vertretenden Umfang in ihrer privaten und beruflichen Lebensführung eingeschränkt würde (vgl. Randnr. 14 des vorliegenden Urteils). Der Kläger wirft der Verwaltung damit im Kern vor, bei der Versagung der vorherigen Genehmigung unter Berufung auf das dienstliche Interesse seinen eigenen Interessen und denen seiner Tochter nicht hinreichend Rechnung getragen zu haben. Die der Verwaltung obliegende Fürsorgepflicht, die das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten widerspiegelt, das das Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und dem Beamten geschaffen hat, erfordert aber insbesondere, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Stellung eines Beamten nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch dasjenige des betroffenen Beamten berücksichtigt (Urteile des Gerichtshofs vom 28. Mai 1980, Kuhner/Kommission, 33/79 und 75/79, Slg. 1980, 1677, Randnr. 22, und vom 29. Juni 1994, Klinke/Gerichtshof, C‑298/93 P, Slg. 1994, I‑3009, Randnr. 38; Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Lantzoni/Gerichtshof, T‑156/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑189 und II‑A‑2‑969, Randnr. 88).

88      Im vorliegenden Fall hat die Anstellungsbehörde verkannt, dass sie aufgrund ihrer Fürsorgepflicht die persönliche Lage zu berücksichtigen hatte, in der sich der Kläger und seine Tochter befanden. Es war ihr nämlich sehr wohl bekannt, dass der Kläger, ein Ruhestandsbeamter, in Deutschland wohnte, während seine querschnittsgelähmte Tochter in Italien lebte, und dass der fragliche Rollstuhl zwar in Deutschland gekauft, aber in Italien benutzt und nach dem Bruch der Rückenlehne dort auch repariert worden war. Es lag auf der Hand, dass hierdurch die Aufgabe des Klägers, die Bruchursache nachzuweisen und zu belegen, dass seine querschnittsgelähmte Tochter einen neuen Rollstuhl benötigte, um ein angemessenes Privat- und Berufsleben führen zu können, besonders erschwert würde.

89      Unter diesen Umständen war die Anstellungsbehörde verpflichtet, eine aktivere Rolle bei der Behandlung des Vorgangs einzunehmen und insbesondere eine entsprechende Anwendung von Art. 35 Abs. 2 der Gemeinsamen Regelung ins Auge zu fassen, wonach die Verwaltung vor der Entscheidung über eine Beschwerde, wenn der Streitfall medizinische Fragen betrifft, das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einholen kann, wobei „die Kosten des Gutachtens … zu Lasten des Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystems“ gehen. Da der vorliegende Streitfall technische Fragen betrifft, hätte sich die Anstellungsbehörde daher fragen müssen, ob es finanziell günstiger gewesen wäre, zusammen mit dem Kläger einen technischen Gutachter zu suchen, und zwar auf Kosten des Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystems, oder die Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls in Erwägung zu ziehen, wobei von den Anschaffungskosten offenbar höchstens 650 Euro erstattungsfähig waren (vgl. die der Klagebeantwortung als Anlage B 3 beigefügte Liste).

90      Daraus folgt, dass die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde und damit auch die streitige Entscheidung insoweit mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sind, als sie auf einer unvollständigen Prüfung des Antrags auf vorherige Genehmigung beruhen; diese Prüfung trägt rechtlich nicht das Ergebnis, zu dem die Anstellungsbehörde gelangt ist, als sie festgestellt hat, dass die Anschaffung eines neuen Rollstuhls nicht notwendig erscheine, weil ein Austausch des beschädigten Rückenrohrs genüge.

91      Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger, ohne die Erteilung der vorherigen Genehmigung abzuwarten, bereits im Januar 2007 einen neuen Rollstuhl gekauft hat. Nach Art. 27 Buchst. c der Gemeinsamen Regelung ist die Kostenerstattung für genehmigungspflichtige Leistungen nämlich nur dann ausgeschlossen, wenn die Genehmigung „nicht vor Erbringung der Leistungen beantragt wurde“. Hier hat der Kläger den Antrag auf vorherige Genehmigung jedoch lange vor diesem Kauf gestellt. Es kann daher nicht angenommen werden, dass der Antrag auf vorherige Genehmigung wegen eines verfrühten Kaufs gegenstandslos geworden wäre. Die Anschaffung eines neuen Rollstuhls durch den Kläger ist daher durch den fraglichen Antrag auf vorherige Genehmigung gedeckt.

92      Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger das ihm vom Hersteller des defekten Rollstuhls in einer E-Mail vom 25. September 2007 unterbreitete Angebot abgelehnt hat, das gebrochene Rohr der beschädigten Rückenlehne nach dessen Übersendung untersuchen zu lassen. Denn sowohl dieses Angebot als auch seine Ablehnung erfolgten nach Abschluss des Vorverfahrens und sind daher für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung und der Beschwerdeentscheidung irrelevant.

93      Nach alledem ist die streitige Entscheidung aufzuheben.

 Kosten

94      Nach Art. 148 Abs. 1 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und es selbst den Rechtsstreit entscheidet.

95      Gemäß Art. 87 § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der im ersten Rechtszug unmittelbar und nach Art. 144 der Verfahrensordnung im Rechtsmittelverfahren entsprechend anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 88 der Verfahrensordnung, der nach Art. 144 in Verbindung mit Art. 148 Abs. 2 der Verfahrensordnung bei von den Organen eingelegten Rechtsmitteln entsprechend anwendbar ist, tragen jedoch die Organe in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten ihre Kosten grundsätzlich selbst.

96      Unter diesen Umständen ist zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittelverfahren trägt. Dagegen sind der Kommission, da sie im ersten Rechtszug mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, gemäß dem in erster Instanz gestellten Antrag des Klägers die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 8. Juli 2008, Birkhoff/Kommission (F‑76/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wird aufgehoben.

2.      Die Entscheidung der Abrechnungsstelle vom 8. November 2006 wird aufgehoben.

3.      Herr Birkhoff und die Europäische Kommission tragen jeweils ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren.

4.      Die Kommission trägt die gesamten Kosten des Verfahrens im Zusammenhang mit dem ersten Rechtszug.

Jaeger

Azizi

Meij

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Dezember 2009.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Sachverhalt

Erstinstanzliches Verfahren und angefochtenes Urteil

Zum Rechtsmittel

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Vorbringen der Parteien

– Zu den Rechtsmittelgründen, mit denen eine Verkennung der rechtlichen Bedeutung der Stellungnahmen des Vertrauensarztes und des Ärztebeirats gerügt wird

– Zu den Rechtsmittelgründen, mit denen schwere Fehler bei der rechtlichen Qualifizierung der Tatsachen und des Streitgegenstandes bis hin zur Verfälschung von Tatsachen sowie bei der Begründung des angefochtenen Urteils gerügt werden

Würdigung durch das Gericht

Zu den Folgen der Aufhebung des angefochtenen Urteils

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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