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Dokument 62006CJ0418
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Finanzierung durch den EAGFL
(Verordnungen Nr. 729/70 und Nr. 3508/92 des Rates; Verordnungen Nr. 3887/92 und Nr. 2419/2001 der Kommission)
2. Landwirtschaft – EAGFL – Rechnungsabschluss
3. Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Finanzierung durch den EAGFL
(Verordnungen Nr. 729/70 und Nr. 1258/99 des Rates)
4. Landwirtschaft – EAGFL – Rechnungsabschluss
(Verordnung Nr. 729/70 des Rates)
5. Landwirtschaft – EAGFL – Rechnungsabschluss
(Art. 229 EG)
1. Selbst wenn die Gemeinschaftsregelung über die Gewährung von Beihilfen und Prämien den Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich die Einführung von Überwachungsmaßnahmen und Kontrollmodalitäten wie die von der Kommission im Zusammenhang mit dem Rechnungsabschluss des EAGFL genannte Verpflichtung vorschreibt, die für die Berechnung der Beihilfen zugrunde zu legenden Flächen zu verkleinern, falls die angegebene Fläche größer als die im System der computergestützten geografischen Informationstechniken (GIS) erfasste Fläche ist, kann sich eine derartige Verpflichtung trotzdem – gegebenenfalls implizit – daraus ergeben, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der betreffenden Regelung verpflichtet sind, ein wirksames Kontroll- und Überwachungssystem einzurichten.
Zum einen sind nämlich die Verwaltungskontrolle und die Kontrolle vor Ort vom Gemeinschaftsgesetzgeber als zwei gesonderte Kontrollmittel geschaffen worden, die sich aber gegenseitig ergänzen. Zum anderen ist die Verwaltungskontrolle, die den Kontrollen vor Ort vorausgeht, so durchzuführen, dass die nationalen Behörden in Bezug auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfen und Prämien alle möglichen Schlüsse – sei es Gewissheit oder seien es Zweifel – ziehen können. Mangels einer Kontrolle vor Ort oder einer anderen zusätzlichen Überprüfung können aber weder die angegebenen Flächen noch die GIS‑Flächen als richtig bestätigt werden. Somit kann der Widerspruch zwischen diesen beiden Informationsquellen als eine Ungereimtheit angesehen werden, die auf die Gefahr eines Verlusts für den EAGFL hindeutet und verlangt, dass der fragliche Mitgliedstaat Kontrollmaßnahmen entweder in Form von Kontrollen vor Ort oder anderen zusätzlichen Überprüfungen ergreift.
(vgl. Randnrn. 68, 70, 72-73, 75)
2. Bei der Ausarbeitung der Entscheidungen über den Rechnungsabschluss des EAGFL muss grundsätzlich jeder Fall einzeln betrachtet werden, damit festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß der fragliche Mitgliedstaat bei der Durchführung der vom EAGFL finanzierten Vorhaben die Erfordernisse des Gemeinschaftsrechts beachtet hat. Ein Mitgliedstaat ist nur insoweit berechtigt, einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz geltend zu machen, als die angeführten Fälle im Hinblick auf sämtliche sie kennzeichnenden Umstände zumindest ähnlich gelagert sind, insbesondere hinsichtlich des Zeitraums der Ausgaben, der betroffenen Sektoren und der Art der vorgeworfenen Unregelmäßigkeiten. Eine verbotene Diskriminierung kann dann vorliegen, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Die Situation eines Mitgliedstaats, der aufgrund eines freiwillig eingeführten Systems über maßgebliche Informationen verfügt, über die die anderen Mitgliedstaaten nicht verfügen, ist aber nicht mit deren Situation vergleichbar.
(vgl. Randnrn. 91-94)
3. In Bezug auf den Rechnungsabschluss des EAGFL rechtfertigt der Umstand, dass ein Verfahren verbesserungsfähig ist, nicht ohne Weiteres eine finanzielle Berichtigung. Es muss ein erheblicher Mangel bei der Anwendung der ausdrücklichen Bestimmungen der Gemeinschaft aufgetreten sein, und ein solcher Mangel muss den EAGFL einer wirklichen Gefahr eines Verlustes oder einer Unregelmäßigkeit aussetzen. Eine pauschale Berichtigung kann auch dann angewendet werden, wenn Mängel bei der Anwendung der impliziten Regeln festgestellt werden, soweit deren Einhaltung für die Einhaltung einer ausdrücklichen Vorschrift erforderlich ist.
(vgl. Randnrn. 124, 126)
4. Im Rahmen des Rechnungsabschlussverfahrens des EAGFL ist es zwar Sache der Kommission, einen Verstoß gegen die Gemeinschaftsvorschriften nachzuweisen. Ist dieser Nachweis aber erbracht, muss der Mitgliedstaat gegebenenfalls nachweisen, dass der Kommission hinsichtlich der hieraus zu ziehenden finanziellen Konsequenzen ein Irrtum unterlaufen ist. Hat die Kommission insoweit nicht alle von dem Verstoß betroffenen Ausgaben zurückgewiesen, sondern sich um die Aufstellung von Regeln für eine differenzierte Behandlung der Unregelmäßigkeiten entsprechend dem Ausmaß der fehlenden Kontrollen und dem Grad des Risikos für den EAGFL bemüht, so muss der Mitgliedstaat nachweisen, dass diese Kriterien willkürlich und unbillig sind.
(vgl. Randnrn. 135, 138)
5. Im Bereich des EAGFL gibt es keine Bestimmung, die den Gemeinschaftsgerichten eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Sinne von Art. 229 EG überträgt. Eine Befugnis der Gemeinschaftsgerichte zu unbeschränkter Nachprüfung in Bezug auf die Höhe der von der Kommission im Rahmen des Rechnungsabschlussverfahrens des EAGFL festgelegten finanziellen Berichtigungen kann nicht darauf gestützt werden, dass die Berichtigungen Sanktionscharakter hätten. Solche Berichtigungen sollen nämlich verhindern, dass Beträge zulasten des EAGFL gehen, die nicht zur Finanzierung eines mit der betreffenden Gemeinschaftsregelung verfolgten Zieles gedient haben; sie stellen daher keine Sanktion dar.