EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 7.12.2022
COM(2022) 702 final
2022/0408(COD)
Vorschlag für eine
RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts
(Text von Bedeutung für den EWR)
{SEC(2022) 434 final} - {SWD(2022) 395 final} - {SWD(2022) 396 final}
BEGRÜNDUNG
1.KONTEXT DES VORSCHLAGS
•Gründe und Ziele des Vorschlags
Diese im September 2020 angekündigte Initiative trägt zur Umsetzung der Priorität der Kommission bei, die Kapitalmarktunion voranzubringen, ein Schlüsselprojekt für die weitere finanzielle und wirtschaftliche Integration innerhalb der Europäischen Union.
Das Fehlen harmonisierter Insolvenzvorschriften wird seit Langem als eines der größten Hindernisse für den freien Kapitalverkehr in der EU und für eine stärkere Integration der EU-Kapitalmärkte angesehen. Im Jahr 2015 haben das Europäische Parlament, der Rat, die Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) gemeinsam das Insolvenzrecht als wesentlichen Bereich im Hinblick auf die Verwirklichung einer „echten“ Kapitalmarktunion identifiziert. Dies war auch die übereinstimmende Ansicht internationaler Institutionen wie des Internationalen Währungsfonds (IWF) und zahlreicher Denkfabriken. Im Jahr 2019 bezeichnete der IWF die Gepflogenheiten im Bereich der Insolvenz als eines der drei Haupthindernisse für eine stärkere Kapitalmarktintegration in Europa, neben Transparenz und Regulierungsqualität. Die EZB hat wiederholt die Notwendigkeit hervorgehoben, „die größten Mängel und Unterschiede zwischen den Insolvenzrahmen […] über den Entwurf der Richtlinie über Insolvenz, Restrukturierung und die zweite Chance hinaus zu beheben“, da effizientere und harmonisierte Insolvenzvorschriften [neben anderen Maßnahmen] die Sicherheit für Anleger erhöhen, die Kosten senken und grenzübergreifende Investitionen erleichtern können, während zugleich die Attraktivität von Wagniskapital für Unternehmen erhöht und die Zugangsbedingungen erleichtert werden müssen.
Die Insolvenzvorschriften sind national fragmentiert. Infolgedessen führen sie in den Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Ergebnissen und erweisen sich insbesondere als unterschiedlich effizient im Hinblick auf die zur Liquidation eines Unternehmens erforderliche Zeit und den Wert, der schließlich zurückerlangt werden kann. In einigen Mitgliedstaaten führt dies zu langwierigen Insolvenzverfahren und einem niedrigen durchschnittlichen Verwertungswert im Falle einer Liquidation. Die Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen schaffen auch Rechtsunsicherheit in Bezug auf den Ausgang von Insolvenzverfahren und führen für Gläubiger mit Schuldnern in anderen Mitgliedstaaten im Vergleich zu denen, die nur im Inland tätig sind, zu höheren Kosten, was die Informationsbeschaffung und den Lernprozess angeht.
Die Ergebnisse von Insolvenzverfahren unterscheiden sich erheblich zwischen den Mitgliedstaaten, wobei der durchschnittliche Zeitraum bis zur Beitreibung zwischen 0,6 und 7 Jahren und die Gerichtskosten zwischen 0 und über 10 % liegen. Im Jahr 2018 betrug der durchschnittliche Verwertungswert im Falle von Unternehmenskrediten in der EU 40 % des zum Zeitpunkt des Ausfalls ausstehenden Betrags; bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) lag er bei 34 %. Niedrige Verwertungswerte, lange Insolvenzverfahren und hohe Verfahrenskosten haben nicht nur Auswirkungen auf die Effizienz der Liquidation eines Unternehmens. Sie sind auch ein wichtiger Gesichtspunkt für Anleger oder Kreditgeber, wenn sie die Höhe der Risikoprämie bestimmen, die sie bei einer Investition erwarten. Je geringer die Effizienz der Insolvenzregelung ist, desto höher setzen die Anleger unter sonst gleichen Bedingungen die Risikoprämie an. Eine Hochrisikoprämie erhöht die Kapitalkosten für das Unternehmen und schreckt im Falle eines besonders hohen Risikos die Anleger von der Kreditvergabe ab. Dies schränkt wiederum die Auswahl an Finanzierungsmöglichkeiten ein, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen, und begrenzt ganz allgemein seine Fähigkeit, erschwingliche Finanzmittel für die Ausweitung seiner Geschäftstätigkeit zu beschaffen.
10 bis 20 Prozent der jährlich 120 000 bis 150 000 Insolvenzfälle in der EU betrafen eine grenzübergreifende Kreditvergabe. Unterschiedliche Insolvenzregelungen in der EU stellen ein besonderes Problem für grenzübergreifende Anleger dar, die potenziell 27 verschiedene Insolvenzregelungen berücksichtigen müssen, wenn sie eine Investitionsmöglichkeit außerhalb ihres Heimatmitgliedstaats bewerten. Die Wettbewerbsbedingungen sind ungleich, da Investitionen in Mitgliedstaaten mit effizienteren Insolvenzregelungen als attraktiver angesehen werden als vergleichbare Investitionen in Mitgliedstaaten mit weniger effizienten Insolvenzregelungen, wodurch ein erhebliches Hindernis für den grenzüberschreitenden Kapitalfluss und das Funktionieren des Binnenmarktes für Kapital in der EU geschaffen wird. Unternehmen in Mitgliedstaaten mit effizienteren Insolvenzregelungen erhalten wahrscheinlich auch Zugang zu billigeren Finanzierungen, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten verschafft. Darüber hinaus schrecken unterschiedliche Insolvenzregelungen in den Mitgliedstaaten Anleger davon ab, Investitionen in Mitgliedstaaten in Betracht zu ziehen, mit deren Rechtssystemen sie weniger vertraut sind. Dies gilt insbesondere für Anleger, die nicht über die Mittel verfügen, um 27 verschiedene Insolvenzregelungen zu bewerten. Hierdurch verringert sich das Gesamtpotenzial für grenzübergreifende Investitionen in der EU, wodurch die Tiefe und die Breite der EU-Kapitalmärkte eingeschränkt werden und der Gesamterfolg des Projekts zur Schaffung einer Kapitalmarktunion untergraben wird.
Die anhaltende Energiekrise und der begrenzte haushaltspolitische Spielraum für öffentliche Subventionen könnten in Zukunft zu einer Zunahme der Geschäftsaufgaben führen. Mehr Unternehmen könnten sich in einer Situation wiederfinden, in der sich ihre Verschuldung als untragbar herausstellt. Darüber hinaus zeigen die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen, dass die EU-Wirtschaft immer noch anfällig für größere wirtschaftliche Schocks und Notlagen ist. Sollten Letztere eintreten, würden effizientere und besser abgestimmte Insolvenzvorschriften in der EU die Fähigkeit erhöhen, derartige Schocks abzufedern. Sie würden auch dazu beitragen, die negativen Auswirkungen (und Kosten für die Anleger) ungeordneter Abwicklungen zu begrenzen. Im Basisszenario werden Insolvenzfälle weiterhin eine Herausforderung für die Kapazität der Justizsysteme darstellen, doch würden keine Lösungen umgesetzt, um die Probleme langwieriger und ineffizienter Verfahren, niedriger Verwertungswerte und letztendlich einer geringeren Kreditvergabe sowie die Strukturanpassung in der Wirtschaft anzugehen.
Die unzureichende Konvergenz der Insolvenzregelungen wird dazu führen, dass der Umfang der grenzübergreifenden Investitionen und der grenzübergreifenden Geschäftsbeziehungen sein Potenzial nicht erreicht.
Maßnahmen auf EU-Ebene sind erforderlich, um die Fragmentierung der Insolvenzregelungen wesentlich zu verringern. Sie würden die Annäherung bestimmter Aspekte der mitgliedstaatlichen Insolvenzvorschriften fördern und für gemeinsame Standards in allen Mitgliedstaaten sorgen und so Investitionen über die Grenzen hinweg erleichtern.
Maßnahmen auf EU-Ebene würden gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherstellen und Verzerrungen bei Entscheidungen über grenzübergreifende Investitionen vermeiden, die auf mangelnde Informationen über die Insolvenzregelungen und die unterschiedliche Ausgestaltung dieser Regelungen zurückzuführen sind. Dies würde dazu beitragen, grenzübergreifende Investitionen und den Wettbewerb zu erleichtern, und zugleich dem Schutz des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts dienen. Da die Unterschiede zwischen den Insolvenzregelungen ein Haupthindernis für grenzübergreifende Investitionen darstellen, ist die Beseitigung dieses Hindernisses von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung eines Binnenmarktes für Kapital in der EU.
•Kohärenz mit bestehenden Vorschriften in diesem Politikbereich
Dieser Vorschlag steht in vollem Einklang mit anderen EU-Rechtsvorschriften in diesem Politikbereich, insbesondere der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates, da er Probleme angeht, die von den anderen bestehenden Rechtsvorschriften nicht gelöst werden. Mit dieser EU-Maßnahme wird daher eine echte Rechtslücke geschlossen.
Die Richtlinie (EU) 2019/1023 ist ein Instrument zur gezielten Harmonisierung, dessen Hauptaugenmerk auf zwei spezifischen Verfahrensarten liegt: Verfahren im Vorfeld einer Insolvenz und Entschuldungsverfahren für gescheiterte Unternehmer. Beide Verfahren waren neu und fehlten in den nationalen Insolvenzrahmen der meisten Mitgliedstaaten. Präventive Restrukturierungsverfahren (Titel II der Richtlinie (EU) 2019/1023) sind Regelungen, die Schuldnern, die sich in einer finanziellen Notlage befinden, zur Verfügung stehen, bevor sie insolvent werden, d. h. im Falle einer nur wahrscheinlichen Insolvenz. Ihnen liegt der Gedanke zugrunde, dass die Chance, angeschlagene Unternehmen zu retten, sehr viel größer ist, wenn ihnen schon sehr früh, noch vor der definitiven Insolvenz, Instrumente zur Umstrukturierung ihrer Schulden zur Verfügung stehen. Die Mindestharmonisierungsstandards der Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen gelten nur für Unternehmen, die noch nicht insolvent sind, und verfolgen das eigentliche Ziel, Insolvenzverfahren im Falle von Unternehmen zu vermeiden, deren Bestandsfähigkeit wiederhergestellt werden kann. Sie betreffen nicht den Fall, dass ein Unternehmen insolvent wird und sich einem Insolvenzverfahren unterziehen muss. Desgleichen betreffen die Mindeststandards zur zweiten Chance für gescheiterte Unternehmer (Titel III der Richtlinie (EU) 2019/1023) nicht die Art und Weise der Durchführung von Insolvenzverfahren. Sie beziehen sich vielmehr auf die Entschuldung insolventer Unternehmer, die auf die Insolvenz folgt, und könnten als Regelung der Folgen einer Insolvenz beschrieben werden, die jedoch das Insolvenzrecht selbst nicht harmonisiert.
Die Verordnung (EU) 2015/848 wurde auf der Rechtsgrundlage für die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (Artikel 81 AEUV) verabschiedet. Mit der Verordnung (EU) 2015/848 wurden einheitliche Vorschriften über die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht eingeführt, die in Bezug auf grenzübergreifende Insolvenzen festlegen, in welchem Mitgliedstaat die Insolvenzverfahren zu eröffnen sind und welches Recht anzuwenden ist. Parallel dazu gab es einheitliche Vorschriften, die sicherstellten, dass die Urteile der in diesen Fällen zuständigen Gerichte anerkannt und erforderlichenfalls im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten vollstreckt werden. Die Verordnung (EU) 2015/848 wirkt sich nicht auf den Inhalt des nationalen Insolvenzrechts aus. Sie bestimmt das anwendbare Recht, schreibt aber keine Merkmale oder Mindeststandards für dieses Recht vor. Daher befasst sie sich nicht mit den Unterschieden zwischen den Insolvenzvorschriften der Mitgliedstaaten (und den daraus resultierenden Problemen und Kosten).
•Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen
Dieser Vorschlag steht in vollem Einklang mit der Priorität der Kommission, die Kapitalmarktunion voranzutreiben, und insbesondere mit der Maßnahme 11 des Aktionsplans zur Kapitalmarktunion und der anschließenden Mitteilung der Kommission zur Kapitalmarktunion. Im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion von 2020 wurde angekündigt, dass die Kommission eine Initiative mit Legislativmaßnahmen oder nicht legislativen Maßnahmen einleiten würde, um für ein Mindestmaß an Harmonisierung oder eine verstärkte Konvergenz in bestimmten Bereichen des Unternehmensinsolvenzrechts für Nichtbanken zu sorgen, damit die Konsequenzen von Insolvenzverfahren berechenbarer werden. Am 15. September 2021 kündigte die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer an das Parlament und den Ratsvorsitz gerichteten Absichtserklärung eine Initiative zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des materiellen Insolvenzrechts an, die in das Arbeitsprogramm der Kommission für 2022 aufgenommen wurde. In der im November 2021 veröffentlichten Mitteilung der Kommission zur Kapitalmarktunion wird eine bevorstehende Richtlinie zum Thema Unternehmensinsolvenz angekündigt, die ggf. durch eine Empfehlung der Kommission ergänzt wird.
Der Vorschlag steht auch in vollem Einklang mit den gezielten länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters zur Verbesserung der nationalen Insolvenzregelungen im Hinblick auf Effizienz und Schnelligkeit, die in einigen Mitgliedstaaten zu Reformen im Bereich der Insolvenz geführt haben.
Der Vorschlag steht ferner im Einklang mit der Richtlinie 2001/23/EG des Rates, da er nicht gegen den Grundsatz verstößt, dass die Ansprüche von Arbeitnehmern nicht gewahrt bleiben, wenn der Übergang im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfolgt. In Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2001/23/EG heißt es insbesondere, dass, sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen, die Artikel 3 und 4 über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang eines Unternehmens nicht gelten, wenn gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde. Der Vorschlag steht in vollem Einklang mit dieser Bestimmung, was die Regelung von Pre-pack-Verfahren angeht. Im Einklang mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache „Heiploeg“ wird in diesem Vorschlag insbesondere klargestellt, dass die Liquidationsphase der Pre-pack-Verfahren als Konkurs- oder Insolvenzverfahren anzusehen ist, das mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 2001/23/EG eröffnet wird.
Der Vorschlag steht auch im Einklang mit der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, die darauf abzielt, die Akkumulation von Umweltverbindlichkeiten zu begrenzen und die Einhaltung des Verursacherprinzips sicherzustellen. Die Richtlinie 2004/35/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen den entsprechenden wirtschaftlichen und finanziellen Akteuren Anreize zur Schaffung von Instrumenten und Märkten der Deckungsvorsorge, einschließlich finanzieller Mechanismen im Falle von Insolvenz, geboten werden, damit die Betreiber Finanzsicherheiten in Anspruch nehmen können, um ihre Haftung im Rahmen der Richtlinie 2004/35/EG zu decken. Diese Mechanismen sollen sicherstellen, dass Forderungen auch dann bedient werden, wenn der Schuldner zahlungsunfähig wird. Der Vorschlag greift nicht in diese Maßnahmen der Richtlinie 2004/35/EG ein. Im Gegenteil, ein effizienterer Insolvenzrahmen würde eine schnellere und effektivere Vermögensverwertung insgesamt fördern und damit in vollem Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2004/35/EG den Ausgleich von Umweltforderungen gegenüber einem insolventen Unternehmen auch ohne Rückgriff auf Instrumente der Deckungsvorsorge erleichtern.
Schließlich wird dieser Vorschlag dazu beitragen, dass mehr Unternehmer von der Entschuldung profitieren, da Insolvenzverfahren gegen Kleinstunternehmen einfacher eröffnet und effizienter durchgeführt werden. Dies steht im Einklang mit dem Ziel des KMU-Entlastungspakets, das Präsidentin von der Leyen im September 2022 in ihrer Rede zur Lage der Union angekündigt hat.
2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT
•Rechtsgrundlage
Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der den Erlass von Maßnahmen zur Angleichung nationaler Bestimmungen ermöglicht, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben.
Insolvenzvorschriften stellen die geordnete Abwicklung von Unternehmen in finanzieller und wirtschaftlicher Notlage sicher. Sie gelten als einer der wesentlichen Faktoren bei der Bestimmung der Kosten von Finanzinvestitionen, da sie es ermöglichen, den endgültigen Verwertungswert einer Investition in insolvente Unternehmen zu ermitteln.
Durch die großen Unterschiede in der Effizienz nationaler Insolvenzverfahren entstehen Hindernisse für den freien Kapitalverkehr und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts, da sie die Attraktivität grenzübergreifender Investitionen für grenzübergreifende Anleger aufgrund der begrenzten Vorhersehbarkeit des Ausgangs von Unternehmensinsolvenzverfahren in den verschiedenen Mitgliedstaaten und den damit zusammenhängenden höheren Kosten für die Informationsbeschaffung mindern. Darüber hinaus führen diese Unterschiede dazu, dass sich die Verwertungswerte bei Investitionen in insolvente Unternehmen in der EU stark unterscheiden. Somit herrschen keine gleichen Wettbewerbsbedingungen in der Union, da Investitionen in Mitgliedstaaten mit effizienteren Insolvenzvorschriften als attraktiver angesehen werden als vergleichbare Investitionen in Mitgliedstaaten mit weniger effizienten Insolvenzvorschriften. Unternehmen aus Mitgliedstaaten mit effizienteren Insolvenzvorschriften können von niedrigeren Kapitalkosten profitieren als Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten und können sich daher im Allgemeinen den einfacheren Zugang zu Kapital zunutze machen.
Ziel des Vorschlags ist es, die Unterschiede zwischen den nationalen Insolvenzvorschriften zu verringern und somit das Problem der geringeren Effizienz der Insolvenzvorschriften einiger Mitgliedstaaten anzugehen, die Berechenbarkeit von Insolvenzverfahren im Allgemeinen zu erhöhen und Hindernisse für den freien Kapitalverkehr abzubauen. Mit diesem Vorschlag sollen insbesondere durch die Harmonisierung bestimmter Aspekte der Insolvenzvorschriften die mit der Informationsbeschaffung und dem Lernprozess verbundenen Kosten für grenzübergreifende Anleger gesenkt werden. Einheitlichere Insolvenzvorschriften sollten daher die Auswahl der den Unternehmen in der Union zur Verfügung stehenden Finanzierungen erweitern.
Dieser Vorschlag stützt sich nicht auf Artikel 81 AEUV, da er sich nicht ausschließlich mit Sachverhalten mit grenzübergreifenden Bezügen befasst. Der Vorschlag zielt zwar hauptsächlich darauf ab, insbesondere Hindernisse für grenzübergreifende Investitionen zu beseitigen, dient jedoch auch der Angleichung von nationalen Vorschriften, die gleichermaßen sowohl für Unternehmen als auch für Unternehmer gelten würden, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten tätig sind. Folglich behandelt der Vorschlag auch Sachverhalte ohne grenzübergreifende Dimension, und die Verwendung von Artikel 81 als Rechtsgrundlage wäre nicht gerechtfertigt.
•Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)
Die Hindernisse, die sich aus den sehr unterschiedlichen nationalen Insolvenzregelungen ergeben, behindern die Verwirklichung eines Binnenmarktes in der EU im Allgemeinen und die Schaffung der Kapitalmarktunion im Besonderen und rechtfertigen daher einen einheitlicheren EU-Insolvenzregelungsrahmen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslage in den Mitgliedstaaten sowie unterschiedlicher nationaler Rechtstraditionen und politischer Präferenzen ist es jedoch unwahrscheinlich, dass Reformen auf nationaler Ebene in diesem Bereich eine umfassende Annäherung der Insolvenzregelungen bewirken und somit ihre Gesamteffizienz verbessern würden.
Die Harmonisierung der nationalen Insolvenzvorschriften kann zu einem homogeneren Funktionieren der EU-Kapitalmärkte führen, die Marktfragmentierung verringern und einen besseren Zugang zur Unternehmensfinanzierung sicherstellen. Maßnahmen auf EU-Ebene sind besser geeignet, um die Fragmentierung der nationalen Insolvenzregelungen wesentlich zu verringern und die Annäherung bestimmter Elemente der Insolvenzvorschriften der Mitgliedstaaten in einem Maße sicherzustellen, das grenzübergreifende Investitionen in allen Mitgliedstaaten erleichtern würde. Maßnahmen auf EU-Ebene würden auch für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen und das Risiko von Verzerrungen bei Entscheidungen über grenzübergreifende Investitionen verringern, die auf faktische Unterschiede zwischen den Insolvenzregelungen und einen Mangel an Informationen über diese Unterschiede zurückzuführen sind.
•Verhältnismäßigkeit
Ziel dieses Vorschlags ist es, zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und Hindernisse für die Ausübung der Grundfreiheiten, etwa des freien Kapitalverkehrs oder der Niederlassungsfreiheit, zu beseitigen, die auf Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften und Verfahren im Bereich der Unternehmensinsolvenz zurückzuführen sind. Um dieses Ziel zu erreichen, werden in diesem Vorschlag nur Mindestanforderungen an die Harmonisierung festgelegt, die nur bestimmte Bereiche des materiellen Insolvenzrechts betreffen, welche voraussichtlich die größten Auswirkungen auf die Effizienz und die Dauer der entsprechenden Verfahren haben werden.
Dieser Vorschlag lässt den Mitgliedstaaten ausreichend Spielraum, um Maßnahmen in den Bereichen zu ergreifen, die außerhalb seines Anwendungsbereichs liegen, sowie zusätzliche Maßnahmen in den harmonisierten Bereichen festzulegen, sofern diese Maßnahmen mit dem Ziel dieses Vorschlags vereinbar sind. Entsprechend dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union genannten Subsidiaritätsprinzip geht dieser Vorschlag nicht über das für die Erreichung seiner Ziele erforderliche Maß hinaus.
•Wahl des Instruments
Artikel 114 AEUV ermöglicht den Erlass von Rechtsakten in Form einer Verordnung oder einer Richtlinie. Die Integration des EU-Binnenmarktes im Bereich des Insolvenzrechts lässt sich am besten durch die Angleichung der Rechtsvorschriften durch Harmonisierung im Wege einer Richtlinie erreichen, da eine Richtlinie die unterschiedlichen Rechtskulturen und Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Bereich des Insolvenzrechts wahrt und ausreichend Spielraum beim Umsetzungsprozess lässt, um gemeinsame Mindeststandards in einer Weise umzusetzen, die mit diesen unterschiedlichen Rechtsordnungen vereinbar ist.
Eine Empfehlung könnte nicht die gewünschte Annäherung in diesem Politikbereich bewirken, in dem große Unterschiede festgestellt wurden, die in verbindlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten verankert sind. Indes würde eine Annäherung im Wege einer Verordnung den Mitgliedstaaten nicht genügend Spielraum für die Anpassung an lokale Gegebenheiten und die Bewahrung der Kohärenz der Insolvenzverfahrensvorschriften mit der umfassenderen nationalen Rechtsordnung lassen.
3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG
•Ex-post-Bewertung/Eignungsprüfungen bestehender Rechtsvorschriften
Entfällt
•Konsultation der Interessenträger
Die Kommission hat die Interessenträger während des gesamten Prozesses der Ausarbeitung des vorliegenden Vorschlags konsultiert. Neben anderen Initiativen hat die Kommission insbesondere
i) eine spezielle öffentliche Konsultation zu diesem Thema durchgeführt (18. Dezember 2020 – 16. April 2021);
ii) die Öffentlichkeit zu einer Folgenabschätzung in der Anfangsphase konsultiert (11. November 2020 – 9. Dezember 2020);
iii) am 22. März 2022 und am [25.] Oktober 2022 spezielle Sitzungen mit Experten der Mitgliedstaaten abgehalten;
iv) am 8. März 2022 eine spezielle Sitzung mit Interessenträgern abgehalten.
Im Rahmen der Online-Konsultation der Öffentlichkeit gingen 129 Beiträge aus 17 Mitgliedstaaten und dem Vereinigten Königreich ein. Ein Drittel der Rückmeldungen wurde im Namen von Praktikern und Fachleuten abgegeben, die ein Interesse am Bereich der Insolvenz haben (diese Kategorie umfasst sowohl Insolvenzverwalter als auch Rechtsanwälte). Ungefähr 20 % der Antworten wurden von Interessenträgern des Finanzsektors, rund 12 % von Interessenträgern des Unternehmens- und Handelssektors, 7 % von sozialen und wirtschaftlichen Interessenvereinigungen und 5,5 % von Mitgliedern der Justiz (Richter) abgegeben. Zudem gingen 10 Rückmeldungen (7,75 %) von Behörden aus acht Mitgliedstaaten ein, davon sieben von Behörden auf der Ebene der Zentralregierung.
Die Interessenträger wiesen darauf hin, dass die Probleme, die durch die Unterschiede zwischen den Insolvenzvorschriften der Mitgliedstaaten für den Binnenmarkt entstehen, schwerwiegend sind und dass die Unterschiede zwischen den nationalen Insolvenzrahmen von grenzübergreifenden Investitionen und Kreditvergaben abschrecken. Nach Ansicht der Interessenträger wirken sich diese Unterschiede auf das Funktionieren des Binnenmarkts insbesondere in Bezug auf folgende Aspekte aus: 1) Anfechtungsklagen; 2) Aufspürung und Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswerte; 3) Pflichten und Haftung der Unternehmensleitung in Insolvenznähe; und 4) Art und Weise der Auslösung von Insolvenzverfahren. Folglich sprach sich die überwältigende Mehrheit der Interessenträger für EU-Maßnahmen zur Verbesserung der Konvergenz in diesem Politikbereich aus, entweder in Form gezielter Rechtsvorschriften (37,21 %) oder in Form einer Empfehlung (23,26 %) oder in Form einer Kombination aus beidem (27,13 %).
Die Kommission organisierte außerdem ein spezielles Treffen mit ausgewählten Interessenträgern. Eingeladen waren Vertreter des Finanzsektors und des Unternehmens- und Handelssektors, Arbeitnehmervertreter, Verbraucher, Praktiker und Fachleute, die in Insolvenzverfahren tätig sind, sowie Wissenschaftler und Mitglieder von Denkfabriken. Bei dem Treffen leisteten die Interessenträger einen proaktiven Beitrag, indem sie über praktische Schwierigkeiten berichteten, die sich aus der Fragmentierung der nationalen Insolvenzrahmen und ihren unterschiedlichen Leistungsniveaus ergeben. Sie brachten auch ihre Unterstützung für eine größere Konvergenz in der Rechtslandschaft der Insolvenzverfahren in der EU zum Ausdruck.
Die Ausarbeitung des Vorschlags wurde von der Expertengruppe für Restrukturierung und Insolvenzrecht unterstützt. Diese Expertengruppe wurde ursprünglich von der Kommission für die Ausarbeitung des Vorschlags eingesetzt, der zur Richtlinie (EU) 2019/1023 führte. Die Gruppe wurde dann erweitert, indem zehn Experten als Vertreter eines gemeinsamen Interesses in einem bestimmten Politikbereich ernannt wurden (die vertretenen Interessengruppen waren Finanz-, Handels-, Verbraucher- und Arbeitnehmergläubiger sowie insolvente oder überschuldete Schuldner).
Im Rahmen ihrer Arbeiten zur Ausarbeitung des Vorschlags hat die Kommission zwei externe Studien in Auftrag gegeben, die sich mit bestimmten Bereichen der Insolvenz befassen. Mit beiden Studien wurde ein aus Tipik und Spark Legal Network bestehendes Konsortium beauftragt. In der ersten Studie, in der missbräuchliche Praktiken des Forum Shopping bei Insolvenzverfahren nach den Änderungen der Verordnung (EU) 2015/848 im Jahr 2015 bewertet werden, wird auch der Frage nachgegangen, inwieweit Unterschiede zwischen den nationalen Insolvenzrahmen als Anreiz für missbräuchliches Forum Shopping durch Interessenträger wirken. In der zweiten Studie wird das Thema der Aufspürung und Verwertung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren untersucht. Beide Studien umfassen eine empirische Untersuchung, für die die Datenerhebung durch den Auftragnehmer sowohl öffentliche Online-Umfragen als auch strukturierte Interviews mit einer Reihe von Interessenträgern aus allen Mitgliedstaaten beinhaltete. Darüber hinaus beauftragte die Kommission Deloitte/Grimaldi mit einer speziellen Studie über die Auswirkungen gezielter Unternehmensinsolvenzmaßnahmen auf die Vermögensverwertung und die Wirksamkeit von Insolvenzverfahren. Die drei Studien können auf der Website der Kommission abgerufen werden.
Die Kommission konsultierte auch wiederholt die Mitgliedstaaten im Zuge der Ausarbeitung des Vorschlags. Die Finanzminister der Mitgliedstaaten erörterten den Vorschlag bei mehreren Gelegenheiten und brachten ihre Unterstützung für ihn zum Ausdruck. Die Schlussfolgerungen des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 3. Dezember 2020 zum Aktionsplan der Kommission für die Kapitalmarktunion ermutigten die Kommission zur Vorlage dieses Vorschlags. Diese Schlussfolgerungen wurden durch die Erklärung des Euro-Gipfels vom 11. Dezember 2020 bestätigt. Im April 2021 kamen die Minister der Euro-Gruppe zu dem Schluss, dass die nationalen Reformen der Insolvenzregelungen im Einklang mit parallelen Arbeiten unter der Leitung der EU-Organe vorangebracht werden sollten, die im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion vorgesehen sind. In der Erklärung des Euro-Gipfels vom 25. Juni 2021 wurde bestätigt, „dass strukturelle Herausforderungen für die Integration und Entwicklung der Kapitalmärkte, insbesondere in bestimmten Bereichen des Unternehmensinsolvenzrechts, ermittelt und angegangen werden müssen“. Desgleichen hat auch das Europäische Parlament seine Unterstützung für effizientere und harmonisierte Insolvenzregelungen zum Ausdruck gebracht und die Kommission aufgefordert, sich stärker für echte Fortschritte in diesem Bereich einzusetzen, der nach Ansicht des Parlaments immer noch ein großes Hindernis für die tatsächliche Integration der EU-Kapitalmärkte darstellt.
Zugleich haben einige Mitgliedstaaten angesichts der engen Verbindung zwischen den Insolvenzvorschriften und anderen Bereichen des nationalen Rechts (z. B. Sachenrecht und Arbeitsrecht) und der Unterschiede bei den wichtigsten politischen Zielen des Insolvenzrechts Vorbehalte gegen verbindliche Rechtsvorschriften zur Harmonisierung des Insolvenzrechts geäußert, unter anderem in einem Schreiben an die Kommission vom 1. April 2021.
Am 22. März 2022 veranstaltete die Kommission einen speziellen Workshop mit Regierungsexperten der Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten betonten die Notwendigkeit einer gründlichen und detaillierten Problemanalyse sowie die Bedeutung einer klaren Diagnose des Umfangs der Probleme, der davon betroffenen Interessenträger und ihrer tatsächlichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt. Desgleichen äußerten einige Mitgliedstaaten hinsichtlich der Art künftiger Maßnahmen auf EU-Ebene die Ansicht, dass ein vorsichtiger Ansatz erforderlich sei, und empfahlen, den Schwerpunkt der Maßnahmen auf die Verbesserung der Effizienz von Insolvenzverfahren zu legen.
Am 25. Oktober 2022 veranstaltete die Kommission einen zweiten Workshop mit Regierungsexperten der Mitgliedstaaten, um sie über die in der Folgenabschätzung enthaltenen Maßnahmenoptionen und den Stand der Ausarbeitung des Vorschlags zu unterrichten.
•Einholung und Nutzung von Expertenwissen
Die Folgenabschätzung zu diesem Vorschlag stützt sich auf Daten aus Desktop-Recherchen und insbesondere auf folgende Studien und Gutachten:
· Deloitte/Grimaldi (2022), „Study to support the preparation of an impact assessment on a potential EU initiative increasing convergence of national insolvency laws“, Entwurf des Abschlussberichts, GD JUST, März 2022.
· Spark, Tipik, „Study on the issue of abusive forum shopping in insolvency proceedings“, GD JUST, Februar 2022 (Einzelvertrag Nr. JUST/2020/JCOO/FW/CIVI/0160).
· Spark, Tipik, „Study on tracing and recovery of debtor’s assets by insolvency practitioners“, GD JUST, März 2022 (Einzelvertrag Nr. JUST/2020/JCOO/FW/CIVI/0172).
Das für die Folgenabschätzung zusammengetragene und verwendete Material war im Allgemeinen sachbezogen oder stammte aus renommierten und anerkannten Quellen, die als Maßstäbe und Bezugspunkte für das Thema dienen. Beiträge von Interessenträgern im Rahmen der Konsultationstätigkeiten wurden in der Regel als Stellungnahmen behandelt, sofern es sich nicht um sachbezogene Beiträge handelte.
•Folgenabschätzung
Im Rahmen der Folgenabschätzung wurden drei wesentliche Dimensionen des Insolvenzrechts untersucht: i) Verwertung der Vermögenswerte bei Liquidierung der Insolvenzmasse, ii) Effizienz der Verfahren und iii) Berechenbarkeit und gerechte Verteilung des zurückerlangten Werts unter den Gläubigern. Diese drei Dimensionen decken insbesondere Fragen im Zusammenhang mit Anfechtungsmaßnahmen, dem Aufspüren von Vermögenswerten, den Pflichten und der Haftung der Unternehmensleitung, dem Verkauf eines Unternehmens als fortgeführtes Unternehmen im Wege eines Pre-pack-Verfahrens, dem Insolvenzauslöser, einer besonderen Insolvenzregelung für Kleinst- und Kleinunternehmen, der Rangfolge der Forderungen sowie Gläubigerausschüssen ab. Die Optionen wurden auf der Grundlage von Beiträgen einer Expertengruppe für Restrukturierung und Insolvenzrecht, einer speziellen Studie und des Austauschs mit Interessenträgern bestimmt. Sie wurden im Hinblick auf drei Ziele analysiert, nämlich darauf, ob sie (i) einen höheren Verwertungswert ermöglichen; (ii) zu einer kürzeren Dauer der Insolvenzverfahren führen; und (iii) die Rechtsunsicherheit verringern sowie die Kosten für die Informationsbeschaffung, insbesondere für grenzübergreifende Anleger, senken.
Im Vorschlag und in der überarbeiteten Folgenabschätzung wird auf die Bemerkungen des Ausschusses für Regulierungskontrolle eingegangen, der in seiner ersten Stellungnahme vom 24. Juni 2022 zu dem Schluss kam, dass Änderungen der Folgenabschätzung erforderlich seien, bevor mit diesem Vorschlag fortgefahren werden könne. Es wurden weitere Belege im Hinblick auf die Frage gesammelt, wie sich derzeitige Insolvenzverfahren nachteilig auf grenzübergreifende Investitionen im Binnenmarkt auswirken und wie sich dies im Vergleich zu anderen Faktoren darstellt. Weitere Informationen zu den die Insolvenzvorschriften betreffenden Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern wurden in den Kerntext und in Anhang 5 eingefügt. Die Unterschiede zwischen der Richtlinie (EU) 2019/1023, der Verordnung (EU) 2015/848 und diesem Vorschlag wurden ausführlicher erläutert. Es wurden zusätzliche Analysen zu den Auswirkungen der verschiedenen Maßnahmen auf die Kapazitäten der Justiz und zu den Ansichten der Interessenträger über die verschiedenen Maßnahmen angestellt. Die Abwägungen zwischen den Maßnahmenoptionen wurden klarer ausgeführt und die Ansichten der Interessenträger wurden ausführlicher dargelegt.
Der Ausschuss für Regulierungskontrolle prüfte die überarbeitete Folgenabschätzung und gab am 10. Oktober 2022 eine befürwortende zweite Stellungnahme ohne Vorbehalte ab. Der Ausschuss stellte fest, dass die Folgenabschätzung erheblich verbessert worden war, und machte einige wenige Vorschläge für weitere Verbesserungen.
Dieser Vorschlag hat geringfügige positive Auswirkungen auf die Digitalisierung, die sich insbesondere aus einem höheren Grad der Prozessautomatisierung bei den vereinfachten Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen und die Nutzung eines digitalen Portals (E-Justiz-Portal) zur Bereitstellung von benutzerfreundlichen Informationen zu den wichtigsten Merkmalen der Insolvenzregelungen und zur Rangfolge der Forderungen ergeben.
•Effizienz der Rechtsetzung und Vereinfachung
Die Steigerung der Effizienz von Insolvenzverfahren wird dazu beitragen, ihre Dauer zu verkürzen und den Verwertungswert in Insolvenzfällen zu erhöhen, was sich in geringeren Kosten für die Abwicklung von Unternehmen und höheren Befriedigungsquoten für Gläubiger und Anleger niederschlagen würde.
Dieser Vorschlag zielt auch darauf ab, die Rahmenbedingungen für KMU zu verbessern. Durch die Erhöhung der erwarteten Befriedigungsquoten für Gläubiger und Anleger, die gegenüber KMU und anderen Unternehmen exponiert sind, soll der Vorschlag das wahrgenommene Risiko von Investitionen in KMU verringern, was sich unter sonst gleichen Bedingungen voraussichtlich in niedrigeren Finanzierungskosten für KMU niederschlagen wird. Unterdessen erlegt der Vorschlag wirtschaftlich tätigen KMU keine Verpflichtungen oder Befolgungskosten auf und vereinfacht die Verfahren für diejenigen, die von einer Insolvenz bedroht sind.
Mit diesem Vorschlag wird auch ein besonderes Verfahren eingeführt, um die Abwicklung von Kleinstunternehmen zu erleichtern und zu beschleunigen, wodurch ein kostenwirksameres Insolvenzverfahren für diese Kleinstunternehmen ermöglicht wird. Diese Regelungen unterstützen auch die geordnete Abwicklung von „vermögenslosen“ Kleinstunternehmen, indem sie das Problem angehen, dass einige Mitgliedstaaten den Zugang zu einem Insolvenzverfahren verweigern, wenn der prognostizierte Verwertungswert unter den Gerichtskosten liegt. Indem allen Kleinstunternehmen die Möglichkeit gegeben wird, ein Verfahren zur Bewältigung ihrer finanziellen Schwierigkeiten einzuleiten, stellt dieser Vorschlag sicher, dass Existenzgründer in den Genuss einer Entschuldung kommen und im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2019/1023 einen Neuanfang machen können.
•Grundrechte
Der Vorschlag steht im Einklang mit den Grundrechten und -freiheiten, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind, um muss entsprechend umgesetzt werden. Dieser Vorschlag steht insbesondere im Einklang mit den Rechten und Freiheiten, die in Artikel 7 (Achtung des Privat- und Familienlebens), Artikel 8 (Schutz personenbezogener Daten), Artikel 15 (Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten), Artikel 16 (Unternehmerische Freiheit), Artikel 17 (Eigentumsrecht), Artikel 27 (Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen) und Artikel 47 Absatz 2 (Recht auf ein unparteiisches Gericht) verankert sind.
Der Vorschlag sieht vor, dass benannte Gerichte Zugang zu nationalen Bankkontenregistern und elektronischen Datenabrufsystemen sowie über die zentrale Zugangsstelle für Bankkontenregister Zugang zum vernetzten System der zentralen Bankkontenregister erhalten. Der Vorschlag sieht ferner vor, dass Insolvenzverwalter Zugang zum Register wirtschaftlicher Eigentümer, das in dem Mitgliedstaat eingerichtet ist, in dem ein Verfahren eröffnet wurde, sowie zum vernetzten System der Register wirtschaftlicher Eigentümer (BORIS) erhalten.
In den nationalen Bankkontenregistern und elektronischen Datenabrufsystemen sowie den Registern wirtschaftlicher Eigentümer werden personenbezogene Daten zentral erfasst. Die Ausweitung des Zugangs zu diesen Registern und Systemen sowie zur zentralen Zugangsstelle wird sich daher auf die Grundrechte der betroffenen Personen auswirken, insbesondere auf das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Jede daraus resultierende Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss mit den Anforderungen der Charta, insbesondere Artikel 52 Absatz 1, im Einklang stehen.
Die Einschränkung basiert auf den Rechtsvorschriften und ist durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Aufspürbarkeit von Vermögenswerten im Zusammenhang mit laufenden Insolvenzverfahren – auch in einem grenzübergreifenden Kontext – zu verbessern, um den Wert zu maximieren, den Gläubiger aus einem insolventen Unternehmen ziehen können. Darüber hinaus wird der Wesensgehalt der betreffenden Rechte und Freiheiten geachtet, und die Einschränkungen stehen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel. Die Auswirkungen werden relativ begrenzt sein, da der Zugriff und die Abfrage nur in Bezug auf bestimmte Daten gestattet sind, die in diesem Vorschlag sowie in den EU-Instrumenten zur Einrichtung dieser Systeme festgelegt sind und die unbedingt erforderlich sind, um die zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswerte aufzuspüren. Durch diesen Vorschlag wird sichergestellt, dass bei der Verarbeitung dieser Daten die geltenden Datenschutzvorschriften der EU eingehalten werden. Die Verordnung (EU) 2018/1725 gilt für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Union für die Zwecke dieses Vorschlags.
In dem Vorschlag werden insbesondere die Zwecke der Verarbeitung personenbezogener Daten festgelegt, und es wird von den Mitgliedstaaten verlangt, die Insolvenzgerichte zu benennen, die berechtigt sind, Informationen direkt von nationalen Bankkontenregistern und elektronischen Datenabrufsystemen abzufragen. Der Vorschlag verpflichtet die Mitgliedstaaten außerdem sicherzustellen, dass das Personal der benannten Gerichte hohe professionelle Datenschutzstandards einhält, dass technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden, um die Sicherheit der Daten für die Zwecke der Ausübung der Befugnis zum Zugriff auf und zur Abfrage von Bankkontoinformationen durch die benannten Gerichte nach hohen technologischen Standards zu schützen, und dass die Behörden, die die zentralen Bankkontenregister betreiben, Aufzeichnungen über jeden Zugriff und jede Abfrage von Bankkontoinformationen durch ein benanntes Gericht führen.
Des Weiteren wird in dem Vorschlag der Umfang der in den Registern wirtschaftlicher Eigentümer hinterlegten Informationen klar angegeben, auf die Insolvenzverwalter zugreifen können.
Schließlich wird in dem Vorschlag festgelegt, dass die Kommission keine personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit der Vernetzung der nationalen elektronischen Auktionssysteme speichert, und er enthält Bestimmungen zur Aufsicht über die Daten durch die Kommission.
4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT
Dieser Vorschlag hat Auswirkungen im Hinblick auf die Kosten und den Verwaltungsaufwand für die Kommission. Diese Kosten und Belastungen ergeben sich aus der Verpflichtung gemäß Artikel 51 dieses Vorschlags, ein System zu schaffen, das die nationalen elektronischen Auktionssysteme über das europäische E-Justiz-Portal vernetzt. Basierend auf Erfahrungen mit anderen Projekten zur Vernetzung des E-Justiz-Portals werden die Ausführungskosten für die Kommission auf 1,75 Mio. EUR für den laufenden langfristigen Haushalt (mehrjähriger Finanzrahmen) geschätzt. Die Mehrkosten werden durch eine Umschichtung innerhalb des Programms „Justiz“ gedeckt.
Die finanziellen und budgetären Auswirkungen des Vorschlags werden im beigefügten Finanzbogen ausführlich erläutert.
5.WEITERE ANGABEN
•Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten
Eine Bewertung wird voraussichtlich fünf Jahre nach Umsetzung der Maßnahmen gemäß den Leitlinien der Kommission für bessere Rechtsetzung vorgenommen. Zweck der Bewertung ist es unter anderem, zu beurteilen, wie wirksam und effizient die Richtlinie bei der Erreichung der politischen Ziele war, und zu entscheiden, ob neue Maßnahmen oder Änderungen erforderlich sind. Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission die für die Ausarbeitung dieser Bewertung erforderlichen Angaben übermitteln.
•Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags
Dieser Vorschlag fasst die drei wesentlichen Dimensionen des Insolvenzrechts ins Auge: i) Verwertung der Vermögenswerte bei Liquidierung der Insolvenzmasse, ii) Effizienz der Verfahren und iii) Berechenbarkeit und gerechte Verteilung des zurückerlangten Werts unter den Gläubigern. Seine Bausteine wurden auf der Grundlage der Erfahrungen aus den Verhandlungen über die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz, der Beratungen und abschließenden Empfehlungen der Expertengruppe, der Ergebnisse der öffentlichen Konsultation, einer Studie eines externen Beraters und eines umfassenden Austauschs mit Interessenträgern sorgfältig ausgewählt.
Dieser Vorschlag zielt darauf ab, den Wert zu maximieren, den Gläubiger aus einem insolventen Unternehmen ziehen können. Zu diesem Zweck verstärken sich die Bestimmungen über Anfechtungsklagen und das Aufspüren von Vermögenswerten gegenseitig. Dies geschieht durch die Einführung eines Minimums an harmonisierten Bedingungen für die Erhebung von Anfechtungsklagen und durch die Verbesserung der Aufspürbarkeit von Vermögenswerten durch die Erleichterung des Zugangs von Insolvenzverwaltern zu Bankkontoinformationen, Informationen über wirtschaftliche Eigentümer und bestimmten nationalen Vermögensregistern, einschließlich derer anderer Mitgliedstaaten. Diese Bestimmungen werden mit der Möglichkeit, durch Pre-pack-Verfahren frühzeitig den Verwertungswert des Unternehmens zu maximieren, und der Pflicht der Unternehmensleitung kombiniert, rechtzeitig einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, um potenzielle Vermögensverluste für die Gläubiger zu vermeiden.
Dieser Vorschlag zielt auch auf die Steigerung der Verfahrenseffizienz ab, insbesondere im Hinblick auf die Liquidation insolventer Kleinstunternehmen. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass die neuen Vorschriften auch für Kleinstunternehmen in der EU gut funktionieren. Die Kosten regulärer Insolvenzverfahren sind für diese Unternehmen prohibitiv hoch, und die Möglichkeit, in den Genuss einer Entschuldung zu kommen, würde sie in die Lage versetzen, unternehmerisches Kapital für neue Projekte freizubekommen. Ergänzt wird dies durch eine größere Transparenz für die Gläubiger in Bezug auf die wichtigsten Merkmale des nationalen Insolvenzverfahrensrechts, einschließlich des Insolvenzauslösers.
Um schließlich eine gerechte und vorhersehbare Aufteilung des zurückerlangten Werts unter den Gläubigern sicherzustellen, werden mit dem Vorschlag Anforderungen zur Verbesserung der Vertretung der Gläubigerinteressen in den Verfahren durch Gläubigerausschüsse eingeführt. Dies wird durch eine größere Transparenz für die Gläubiger in Bezug auf die Vorschriften ergänzt, die die Rangfolge der Forderungen regeln.
Die vorgeschlagene Richtlinie ist in neun Titel untergliedert.
Titel I enthält allgemeine Bestimmungen über den Anwendungsbereich und die Begriffsbestimmungen.
Titel II über Anfechtungsklagen enthält Mindestharmonisierungsvorschriften, die darauf abzielen, die Insolvenzmasse vor der unrechtmäßigen Entziehung von Vermögenswerten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu schützen. Damit soll sichergestellt werden, dass die mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften über Insolvenzverfahren einen Mindestschutzstandard in Bezug auf die Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder Nichtdurchsetzbarkeit von Rechtshandlungen, die die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen, vorsehen. Zugleich können die Mitgliedstaaten Vorschriften einführen oder beibehalten, die ein höheres Maß an Gläubigerschutz sicherstellen, indem sie beispielsweise mehr Anfechtungsgründe vorsehen. Die in diesem Titel enthaltenen Bestimmungen legen die allgemeinen Voraussetzungen für die Nichtigerklärung einer Rechtshandlung, die Anfechtungsgründe und die Rechtsfolgen von Anfechtungsklagen fest.
Artikel 4 legt die allgemeinen Voraussetzungen für Anfechtungsklagen fest und besagt, dass alle Rechtshandlungen – einschließlich Unterlassungen – Gegenstand von Anfechtungsklagen sein können, sofern sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen und einer der in den nachfolgenden Artikeln genannten Anfechtungsgründe erfüllt ist.
In Artikel 5 wird präzisiert, dass die Bestimmungen über Anfechtungsklagen Mindestharmonisierungsvorschriften sind und die Mitgliedstaaten daher Bestimmungen beibehalten oder erlassen können, die ein höheres Maß an Gläubigerschutz vorsehen.
In Artikel 6 wird der erste spezifische Anfechtungsgrund („Bevorzugung“) dargelegt. Er bezieht sich auf Rechtshandlungen, die einen Gläubiger (oder eine Gruppe von Gläubigern) bevorzugt haben und in den letzten drei Monaten vor der Insolvenzanmeldung oder danach („Verdachtszeitraum“) vorgenommen wurden. Da dieser Anfechtungsgrund durch die bloße Vollendung der Rechtshandlung zum Tragen kommt, handelt es sich um den kürzesten Verdachtszeitraum im Vergleich zu den Verdachtszeiträumen bei den anderen Anfechtungsgründen. Des Weiteren können Rechtshandlungen im Fall einer „kongruenten Deckung“ (d. h. einer Leistung, die der Forderung des Gläubigers vollständig entsprach, wie etwa die Befriedigung einer fälligen Forderung mit üblichen Zahlungsmitteln) nur dann aus diesem Grund für nichtig erklärt werden, wenn der Gläubiger wusste oder hätte wissen müssen, dass der Schuldner nicht in der Lage war, seine Schulden zu begleichen, oder dass ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden war. Schließlich werden in der Bestimmung bestimmte Arten von Rechtshandlungen aufgeführt, die nicht aus diesem Grund für nichtig erklärt werden können.
In Artikel 7 wird der zweite spezifische Anfechtungsgrund dargelegt: Rechtshandlungen ohne wertentsprechende Gegenleistung. Dieser Grund deckt nicht nur Geschenke oder sonstige Zuwendungen ab, sondern auch Rechtshandlungen gegen eine ungewöhnlich niedrige Gegenleistung. Er spielt eine wichtige Rolle im Anfechtungsrecht, da er (unter anderem) ein wirksames Mittel gegen mögliche Bemühungen des Schuldners ist, Vermögenswerte dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, indem er sie auf Dritte, wie beispielsweise Familienmitglieder oder Einrichtungen der Vermögensverwaltung, überträgt, während er weiterhin die Möglichkeit hat, diese Vermögenswerte zu nutzen.
In Artikel 8 wird der dritte und letzte Anfechtungsgrund dargelegt, nämlich vorsätzliche Benachteiligung, d. h. Rechtshandlungen, durch die Gläubiger benachteiligt werden.
In Artikel 9 werden die allgemeinen Folgen von Anfechtungsklagen festgelegt. Dazu gehören die Nichtdurchsetzbarkeit von Forderungen aus einer für nichtig erklärten Rechtshandlung sowie die Verpflichtung des Begünstigten dieser Rechtshandlung, die durch diese verursachte Minderung der Insolvenzmasse wieder vollständig auszugleichen. In diesem Artikel wird präzisiert, dass die Verpflichtung zum Ausgleich der Insolvenzmasse nicht gegen Forderungen der anderen Partei der für nichtig erklärten Rechtshandlung aufgerechnet werden kann.
Artikel 10 enthält Bestimmungen über die Rechte der anderen Partei der für nichtig erklärten Rechtshandlung. Insbesondere leben Forderungen, die durch die für nichtig erklärte Rechtshandlung befriedigt werden, wieder in dem Umfang auf, in dem die Insolvenzmasse ausgeglichen wird.
Artikel 11 regelt die Haftung Dritter: Ein etwaiger Erbe oder Gesamtrechtsnachfolger der anderen Partei der für nichtig erklärten Rechtshandlung tritt an deren Stelle, auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen von Anfechtungsklagen. Einzelne Rechtsnachfolger haften nur, wenn sie den Vermögensgegenstand unter Wert erworben haben oder die Umstände, auf denen die Anfechtungsklagen beruhen, kannten oder hätten kennen müssen.
Artikel 12 bestätigt das durch die Artikel 17 und 18 der Richtlinie (EU) 2019/1023 eingeführte Sanierungsprivileg. Er besagt, dass die Vorschriften für Anfechtungsklagen in diesem Titel die Anwendung der Artikel 17 und 18 der Richtlinie (EU) 2019/1023 unberührt lassen.
Titel III über das Aufspüren von zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswerten ist ein gezielter Eingriff, der in Zusammenhang mit der Verordnung (EU) 2015/848 zu sehen ist, die vorsieht, dass Insolvenzverwalter die Befugnisse, die ihnen nach dem Recht des Mitgliedstaats übertragen wurden, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde, für das sie bestellt wurden, grundsätzlich auch in anderen Mitgliedstaaten ausüben können. Der Schwerpunkt der gezielten Vorschriften in diesem Titel liegt auf dem Zugang der Insolvenzverwalter zu verschiedenen Registern, die relevante Informationen über Vermögenswerte enthalten, die zur Insolvenzmasse gehören oder gehören sollten. Einige nationale elektronische Register sind öffentlich oder sogar über einzelne von der EU eingerichtete Vernetzungsplattformen wie das System zur Vernetzung der Insolvenzregister (IRI) zugänglich. Die Bestimmungen in der vorgeschlagenen Richtlinie erweitern den Kreis der Register, auf die Insolvenzverwalter zugreifen können, um einige Register, die nicht öffentlich zugänglich sind, wie z. B. die ursprünglich nach dem EU-Rahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche eingerichteten Register (nationale zentrale Bankkontenregister oder Register wirtschaftlicher Eigentümer (für Informationen über Trusts) der Mitgliedstaaten). Titel III enthält auch die Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, ausländischen Insolvenzverwaltern direkten und raschen Zugang zu den im Anhang aufgeführten Registern zu gewähren (sofern sie bereits in dem Mitgliedstaat verfügbar sind).
Artikel 13 verlangt von den Mitgliedstaaten, die Insolvenzgerichte in ihrem Hoheitsgebiet zu benennen, die direkten Zugang zu den gemäß Artikel 32a der Richtlinie (EU) 2015/849 eingerichteten nationalen zentralen automatischen Mechanismen wie etwa zentralen Bankkontenregistern oder elektronischen Datenabrufsystemen haben. Gemäß der Richtlinie (EU) 2015/849 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, zentrale automatische Mechanismen einzurichten, die alle natürlichen oder juristischen Personen ausweisen können, die bei Kreditinstituten durch die IBAN identifizierte Zahlungskonten und Bankkonten oder Schließfächer innehaben oder kontrollieren. Die Richtlinie zur Bekämpfung der Geldwäsche sieht außerdem vor, dass die Zentralstellen für Verdachtsmeldungen der Mitgliedstaaten direkten und ungefilterten Zugang zu diesen Registern haben. Die Richtlinie (EU) 2019/1153 gewährt den von den Mitgliedstaaten zu diesem Zweck benannten Strafverfolgungsbehörden den direkten und umgehenden Zugriff auf die nationalen Bankkontenregister, wenn dies für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Bekämpfung schwerer Straftaten erforderlich ist. Auch Vermögensabschöpfungsbeamten wird nach der Richtlinie (EU) 2019/1153 direkter Zugriff gewährt. Artikel 12 stellt sicher, dass nur Insolvenzgerichte, die ordnungsgemäß benannt und der Kommission gemeldet wurden, direkten Zugriff auf die Bankkontenregister oder elektronischen Datenabrufsysteme haben.
In den Artikeln 14 und 15 werden die spezifischen Bedingungen für den Zugriff auf die Bankkontenregister durch die benannten Gerichte präzisiert. Die benannten Gerichte haben über die zentrale Zugangsstelle für Bankkontenregister Zugang zu den nationalen zentralen Bankkontenregistern ihres Mitgliedstaats und anderer Mitgliedstaaten, sobald das Vernetzungssystem der zentralen Register der Mitgliedstaaten eingerichtet und betriebsbereit ist.
Artikel 16 regelt die Protokollierung von Abfragen in Bankkontenregistern.
In Artikel 17 werden Bestimmungen über den Zugang von Insolvenzverwaltern zu Registern für Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer festgelegt. Dies umfasst sowohl den Zugang zu dem oder den nationalen Register(n) wirtschaftlicher Eigentümer, das bzw. die in dem Mitgliedstaat eingerichtet wurde(n), in dem das Verfahren eröffnet wurde, als auch zum Vernetzungssystem der Register wirtschaftlicher Eigentümer. Rechtsgrundlage für diese Register sind Artikel 30 Absatz 3 und Artikel 31 Absatz 3a der Richtlinie (EU) 2015/849. Die Rechtsgrundlage für die Vernetzung dieser Register wird in Artikel 30 Absatz 10 und Artikel 31 Absatz 9 der Richtlinie (EU) 2015/849 festgelegt. Eine Mindestauswahl an Informationen in den Registern wirtschaftlicher Eigentümer ist für Unternehmen und andere juristische Personen öffentlich zugänglich. Für Trusts oder ähnliche Rechtsvereinbarungen ist der Zugang zu dieser Mindestauswahl an Informationen nicht öffentlich, sondern vom Nachweis eines berechtigten Interesses abhängig. In Artikel 17 wird präzisiert, dass immer dann ein berechtigtes Interesse vorliegt, wenn ein Insolvenzverwalter Informationen über Trusts und ähnliche Rechtsvereinbarungen einholt, um Vermögenswerte für das Insolvenzverfahren, in dem er bestellt ist, zu ermitteln und aufzuspüren, und dass der Zugang auf einen vorher festgelegten Umfang an Informationen beschränkt ist.
In Artikel 18 werden die Vorschriften für den direkten und raschen Zugang von Insolvenzverwaltern zu nationalen Registern, die Informationen über Vermögenswerte enthalten, festgelegt. Die entsprechenden Vermögensregister sollten die im Anhang des Richtlinienvorschlags aufgeführten Register umfassen, sofern derartige Register in dem betreffenden Mitgliedstaat verfügbar sind. Diese Bestimmung schreibt außerdem vor, dass für in anderen Mitgliedstaaten bestellte Insolvenzverwalter dieselben Zugangsbedingungen gelten müssen, wie für Insolvenzverwalter, die in dem Mitgliedstaat bestellt wurden, in dem sich das Vermögensregister befindet.
Titel IV über Pre-pack-Verfahren soll sicherstellen, dass diese Verfahren, die allgemein als wirkungsvoll angesehen werden, was die Verwertung für die Gläubiger angeht, in strukturierter Weise in den Insolvenzregelungen aller Mitgliedstaaten verfügbar sind. In einem Pre-pack-Verfahren wird der Verkauf des Unternehmens (oder eines Teils davon) des Schuldners vor der förmlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorbereitet und ausgehandelt. So besteht die Möglichkeit, kurze Zeit nach Eröffnung des förmlichen Insolvenzverfahrens zur Liquidation eines Unternehmens den Verkauf durchzuführen und den Erlös zu erzielen. Dieser Vorschlag enthält eine Reihe von Schutzmaßnahmen, um sicherzustellen, dass potenzielle Käufer erreicht werden und dass der bestmögliche Marktwert als Ergebnis eines vom Wettbewerb bestimmten Verkaufsprozesses erzielt wird. Diese Schutzmaßnahmen sind so geregelt, dass die Mitgliedstaaten die Wahl haben, entweder dafür zu sorgen, dass der in der (normalerweise vertraulichen) „Vorbereitungsphase“ durchgeführte Verkaufsprozess vom Wettbewerb bestimmt, transparent und fair ist, oder nach Eröffnung des förmlichen Verfahrens eine schnelle öffentliche Auktion in der „Liquidationsphase“ durchzuführen.
Artikel 19 verpflichtet die Mitgliedstaaten, in ihre Insolvenzregelung ein Pre-pack-Verfahren aufzunehmen, das aus zwei aufeinanderfolgenden Phasen („Vorbereitungsphase“ und „Liquidationsphase“) besteht.
Artikel 20 betrifft das Verhältnis zwischen der vorgeschlagenen Richtlinie und anderen Unionsinstrumenten. Er besagt, dass die Liquidationsphase als Insolvenzverfahren im Sinne von Artikel 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) 2015/848 anzusehen ist. Er lässt den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit, Sachwalter als Verwalter im Sinne von Artikel 2 Nummer 5 der Verordnung (EU) 2015/848 anzusehen. Im letzten Absatz der Bestimmung wird das Verhältnis zwischen der vorgeschlagenen Richtlinie und der Richtlinie 2001/23/EG des Rates im Einklang mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Heiploeg präzisiert. Er besagt, dass die Liquidationsphase des Pre-pack-Verfahrens für die Zwecke der Anwendung von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2001/23/EG als Insolvenzverfahren anzusehen ist, das mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle eröffnet wurde.
Artikel 21 enthält Vorschriften zur gerichtlichen Zuständigkeit in Bezug auf Pre-pack-Verfahren. In diesem Artikel wird präzisiert, dass das Gericht, dem die internationale Zuständigkeit für das Hauptinsolvenzverfahren des Gläubigers zukommt, auch für das Pre-pack-Verfahren zuständig ist.
Artikel 22 enthält Vorschriften über den „Sachwalter“, der der Hauptakteur in der „Vorbereitungsphase“ der Pre-pack-Verfahren ist. In diesem Artikel werden die Aufgaben aufgeführt, die der Sachwalter ausführen muss, um den Verkaufsprozess zu lenken und potenzielle Käufer zu finden. Als „künftiger Insolvenzverwalter“ muss der Sachwalter alle Zulassungskriterien erfüllen, die das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Pre-pack-Verfahren eröffnet wird, für die Bestellung eines Insolvenzverwalters vorschreibt, wodurch sichergestellt wird, dass dieselbe Person beide Funktionen in den beiden aufeinanderfolgenden Phasen des Pre-pack-Verfahrens wahrnehmen kann.
Artikel 23 weitet (mit den erforderlichen Änderungen) die Anwendung der Vorschriften über die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner gemäß den Artikeln 6 und 7 der Richtlinie (EU) 2019/1023 auf die Vorbereitungsphase des Pre-pack-Verfahrens aus, sofern die Bedingung einer wahrscheinlichen Insolvenz oder der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erfüllt ist.
Artikel 24 betrifft die Grundsätze, die für den Prozess des Verkaufs des Unternehmens des Schuldners gelten. Der Sachwalter muss für einen vom Wettbewerb bestimmten, transparenten, fairen und den Marktstandards entsprechenden (normalerweise vertraulich abgewickelten) Verkaufsprozess in der Vorbereitungsphase sorgen. Von diesen Grundsätzen darf nur abgesehen werden, wenn sich ein Mitgliedstaat dafür entscheidet, das Gericht zur Durchführung einer schnellen öffentlichen Auktion nach Eröffnung der Liquidationsphase zu verpflichten.
Durch Artikel 25 wird sichergestellt, dass der Sachwalter als Insolvenzverwalter bestellt wird, wenn die Liquidationsphase des Pre-pack-Verfahrens eröffnet wird.
Artikel 26 betrifft das Verfahren zur Genehmigung des Verkaufs des Unternehmens des Schuldners durch das Insolvenzgericht in der Liquidationsphase. Gemäß Absatz 1 muss das Gericht prüfen, ob der in der Vorbereitungsphase durchgeführte Verkaufsprozess im Einklang mit den geltenden Grundsätzen und Bedingungen stand. Bestätigt das Gericht den Verkauf des Unternehmens an den vom Sachwalter vorgeschlagenen Käufer nicht, wird das zu Beginn der Liquidationsphase eröffnete Insolvenzverfahren ohne Abschluss des Pre-pack-Verkaufs fortgesetzt. Gemäß Absatz 2 sind die Mitgliedstaaten, die sich dafür entscheiden, eine öffentliche Auktion zu Beginn der Liquidationsphase vorzuschreiben, verpflichtet, das beste in der Vorbereitungsphase eingegangene Gebot als „Stalking-Horse“-Gebot heranzuziehen, d. h. als Erstgebot, das als Mindestkaufpreis dient, damit andere Bieter den Kaufpreis nicht unterbieten können. Dieser Absatz schreibt außerdem vor, dass die dem Stalking-Horse-Bieter gewährten Garantien angemessen sein und in einem Umfang angewendet werden müssen, der nicht zur Unterdrückung eines echten Wettbewerbs führt.
Artikel 27 enthält Bestimmungen über die Abtretung von noch zu erfüllenden Verträgen, d. h. von Verträgen zwischen dem Schuldner und einer Gegenpartei, nach denen die Parteien bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch Verpflichtungen zu erfüllen haben. Derartige Verträge sollten in der Regel an den Käufer des Unternehmens abgetreten werden, auch ohne Zustimmung der Gegenpartei.
Artikel 28 besagt, dass ein Unternehmen oder ein Teil davon durch den Pre-pack-Verkauf frei von Schulden und Verbindlichkeiten erworben wird.
Artikel 29 stellt sicher, dass Rechtsmittel gegen die genehmigten Pre-pack-Verkäufe die Ausführung der Verkaufsvereinbarung und damit die Verwertung der Vermögenswerte nicht verzögern. Gemäß dieser Bestimmung können diese Rechtsmittel nur dann aufschiebende Wirkung auf die Durchführung des Verkaufs haben, wenn der Rechtsmittelführer eine angemessene Sicherheit zur Deckung möglicher Schäden leistet, die durch einen solchen Aufschub entstehen. Zugleich wird es durch Artikel 29 in das Ermessen des Rechtsmittelgerichts gestellt, eine natürliche Person, die Rechtsmittel einlegt, ganz oder teilweise von der Leistung einer Sicherheit zu befreien, wenn es eine solche Befreiung angesichts der Umstände des Einzelfalls für angemessen hält.
In Artikel 30 wird präzisiert, dass die Kriterien für die Auswahl des besten Gebots den Kriterien entsprechen sollten, die in regulären Insolvenzverfahren für die Wahl zwischen konkurrierenden Geboten angewendet werden.
Gemäß Artikel 31 haftet der Sachwalter und Insolvenzverwalter des Pre-pack-Verfahrens persönlich für alle Schäden, die er durch die Nichterfüllung seiner Verpflichtungen verursacht.
In Artikel 32 werden zusätzliche Schutzmaßnahmen für Fälle festgelegt, in denen der potenzielle Käufer eine dem Schuldner nahestehende Partei ist. Zu den zusätzlichen Schutzmaßnahmen gehört die Verpflichtung des Insolvenzverwalters, in Fällen, in denen das einzige Gebot von einer nahestehenden Partei stammt, zu prüfen, ob das Gebot das Kriterium des Gläubigerinteresses erfüllt. Fällt die Prüfung negativ aus, sollte der Insolvenzverwalter das Gebot ablehnen.
Artikel 33 umfasst verschiedene Bestimmungen, die darauf ausgerichtet sind, den Wert des zu verkaufenden Unternehmens zu maximieren. Dadurch wird sichergestellt, dass eine möglichst günstige Zwischenfinanzierung angestrebt wird und dass die Anbieter von Zwischenfinanzierungen in den Genuss bestimmter Garantien kommen. Dieser Artikel verbietet auch, dass Bietern Vorkaufsrechte eingeräumt werden, da die Möglichkeit, solche Rechte auszuüben, den Wettbewerb im Rahmen des Verkaufsprozesses beeinträchtigen würde. Eine weitere Bestimmung schränkt die Möglichkeit des Credit Bidding auf einen Teil der gesicherten Forderung gegenüber dem Schuldner ein.
Artikel 34 dient dem Schutz der Gläubigerinteressen in Pre-pack-Verfahren. Dazu gehören das Recht auf Anhörung im Verfahren und die grundsätzliche Angleichung der Anforderungen an die Freigabe von Sicherungsrechten an diejenigen, die nach nationalem Recht in Insolvenzverfahren gelten würden.
Artikel 35 betrifft Fälle, in denen der Erwerb des Unternehmens im Wege des Pre-pack-Verfahrens einer Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde unterliegt.
Titel V über die Pflichten der Unternehmensleitung ist Teil der Maßnahmen zur Wertmaximierung der Insolvenzmasse. Die vorgeschlagene Richtlinie enthält zwar keine harmonisierte Definition des Begriffs „Unternehmensleitung“, doch sollten die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der in diesem Titel enthaltenen Bestimmungen berücksichtigen, dass der Begriff „Mitglied der Unternehmensleitung“ weit zu fassen ist. Dies steht im Einklang mit der Empfehlung des Gesetzgebungsleitfadens zum Insolvenzrecht der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL), wonach „als allgemeine Leitlinie […] eine Person als Mitglied der Unternehmensleitung angesehen werden könnte, wenn sie damit betraut ist, wichtige Entscheidungen in Bezug auf die Geschäftsführung eines Unternehmens zu treffen, oder faktisch solche Entscheidungen trifft oder treffen sollte“. Die Mitglieder der Unternehmensleitung gehören in der Regel zu den Ersten, die erkennen, ob ein Unternehmen kurz vor der Insolvenz steht oder die Schwelle überschritten hat. Sie sollten daher verpflichtet sein, rechtzeitig einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Die vorgeschlagene Richtlinie sieht eine Frist zur Erfüllung dieser Verpflichtung vor und verbindet dies mit einer zivilrechtlichen Haftung. Bei den Bestimmungen in diesem Titel handelt es sich um Mindestharmonisierungsvorschriften, sodass die Mitgliedstaaten strengere Verpflichtungen für die Unternehmensleitung von insolvenznahen Unternehmen beibehalten oder einführen können.
Titel VI enthält Vorschriften für vereinfachte Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen. Nationale Insolvenzrahmen eignen sich nicht immer zu einem angemessenen und verhältnismäßigen Umgang mit insolventen Kleinstunternehmen. Kleinstunternehmen stellen selten einen Antrag auf Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens, und wenn, dann ist es oft zu spät, um ihren Wert zu erhalten. In vielen Mitgliedstaaten erfolgt keine geordnete Liquidation solcher Unternehmen, da sie keinen Zugang zu einem regulären Insolvenzverfahren haben oder die Eröffnung eines solchen Verfahrens abgelehnt wird. Dies geschieht, wenn kein Vermögen in der Insolvenzmasse vorhanden ist oder wenn der Wert des Vermögens nicht die Verwaltungskosten des Verfahrens abdeckt. Ziel des Richtlinienvorschlags ist es daher, eine geordnete Liquidation von Kleinstunternehmen, auch solchen ohne Vermögen, in einem zügigen und kostengünstigen Verfahren sicherzustellen. Das Hauptziel der Bestimmungen in Titel VI besteht darin, das Verfahren zu vereinfachen und die damit verbundenen Verwaltungskosten zu senken. Beispielsweise sollte in der Regel kein Insolvenzverwalter im Verfahren bestellt werden, da das Eingreifen des Insolvenzverwalters der Hauptkostenfaktor in Insolvenzverfahren ist und das Geschäft dieser Unternehmen gewöhnlich nicht so komplex ist, dass es eines Insolvenzverwalters bedarf. Ebenso sieht der Richtlinienvorschlag vor, dass der Schuldner in der Regel während des gesamten Verfahrens im Besitz des Vermögens und der Geschäfte des Unternehmens bleiben sollte. Ein weiterer kostenmindernder Faktor ist die Möglichkeit für das Gericht, die Verwertung der Vermögenswerte über ein elektronisches Auktionssystem vorzunehmen, das jeder Mitgliedstaat im Rahmen seiner vereinfachten Verfahren für Kleinstunternehmen einrichten sollte.
Artikel 38 verpflichtet die Mitgliedstaaten, in ihr nationales Insolvenzrecht Vorschriften aufzunehmen, die die Liquidation von Kleinstunternehmen im Wege eines vereinfachten Verfahrens ermöglichen, das den in Titel VI festgelegten Standards genügt. Diese Bestimmung regelt auch die Bedingungen der Insolvenz für die Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens und die Behandlung von Fällen, in denen kein Vermögen vorhanden ist.
In Artikel 39 wird präzisiert, dass in vereinfachten Liquidationsverfahren nur in Ausnahmefällen ein Insolvenzverwalter bestellt werden sollte.
Artikel 40 verlangt von den Mitgliedstaaten, die Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel für die gesamte Kommunikation zwischen der zuständigen Behörde und gegebenenfalls dem Insolvenzverwalter und den Verfahrensbeteiligten zu ermöglichen.
Artikel 41 legt fest, dass ein vereinfachtes Liquidationsverfahren auf Antrag des Kleinstunternehmens oder eines Gläubigers eingeleitet werden kann. Zur Vereinfachung des Anmeldeverfahrens wird im Rahmen eines Durchführungsrechtsakts der Kommission ein Standardformular erstellt.
Artikel 42 behandelt die Entscheidung über die Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens, einschließlich der Gründe, auf deren Grundlage die zuständige Behörde die Eröffnung verweigern kann.
Artikel 43 besagt, dass der Schuldner in der Regel während des Verfahrens die Kontrolle über sein Vermögen und sein Geschäft behalten sollte.
Artikel 44 besagt, dass der Schuldner Zugang zu einer Aussetzung einzelner Durchsetzungsmaßnahmen haben sollte. Die zuständige Behörde kann jedoch bestimmte Forderungen im Einzelfall unter vorab definierten Umständen hiervon ausnehmen.
Artikel 45 stellt die Öffentlichkeit der Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahren sicher.
Artikel 46 regelt die Anmeldung und Zulassung von Forderungen durch Gläubiger in einem vereinfachten Liquidationsverfahren. Die Bestimmung basiert auf der Annahme, dass die meisten Forderungen auf der Grundlage einer schriftlichen Erklärung des Schuldners angemeldet werden. Neben den in dieser Erklärung aufgeführten Forderungen können die Gläubiger weitere Forderungen anmelden. Zum Zweck der Vereinfachung des Zulassungsverfahrens gelten die in der Erklärung des Schuldners aufgeführten Forderungen als zugelassen, es sei denn, der Gläubiger erhebt dagegen ausdrücklich Widerspruch.
Artikel 47 enthält spezifische Bestimmungen zur Einleitung und Durchführung von Anfechtungsklagen im Rahmen des vereinfachten Liquidationsverfahrens für Kleinstunternehmen.
Artikel 48 betrifft die Bestimmung der Insolvenzmasse durch Festlegung der einzubeziehenden Vermögenswerte, wobei sichergestellt wird, dass die zuständigen Behörden eindeutig angeben, welche Vermögenswerte von der Insolvenzmasse ausgeschlossen sind und daher im Eigentum des Schuldners verbleiben können, wenn der Schuldner ein Unternehmer ist.
Artikel 49 besagt, dass die zuständige Behörde nach der Bestimmung der Insolvenzmasse entscheidet, ob sie a) mit der Verwertung des Vermögens fortfährt oder b) das vereinfachte Liquidationsverfahren unverzüglich einstellt, weil die Verwertung des Vermögens aufgrund seines Werts unangemessen wäre. Die Bestimmung legt auch fest, dass die Vermögenswerte des Schuldners über eine öffentliche elektronische Auktion verwertet werden sollten, es sei denn, die zuständige Behörde hält es angesichts der Art der Vermögenswerte oder der Verfahrensumstände für angemessener, den Verkauf der Vermögenswerte auf andere Weise durchzuführen.
Artikel 50 verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine oder mehrere elektronische Auktionsplattformen für die Verwertung des Vermögens der Insolvenzmasse in Insolvenzverfahren einzurichten und zu betreiben. Die Bestimmung räumt den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit ein, vorzusehen, dass Nutzer solcher Plattformen auch Gebote für den Erwerb des Unternehmens des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen abgeben können. Die Plattform(en) sollte(n) in vereinfachten Liquidationsverfahren zur Verfügung stehen, wenngleich die Mitgliedstaaten beschließen können, die Nutzung auf andere Insolvenzverfahren auszudehnen. Die Bestimmung verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Plattform(en) allen Einwohnern oder Personen, die ihren eingetragenen Sitz im Hoheitsgebiet der EU haben, zugänglich zu machen.
Artikel 51 ist an das Beispiel anderer EU-Projekte zur Vernetzung dezentraler elektronischer Register (z. B. System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (BRIS), System zur Vernetzung der Insolvenzregister (IRI)) angelehnt und verpflichtet die Kommission, ein System einzurichten, das die nationalen elektronischen Auktionssysteme über das europäische E-Justizportal vernetzt, das als zentraler elektronischer Zugangspunkt dienen sollte. Der Nutzen eines solchen Vernetzungssystems besteht darin, dass alle Auktionen über eine einzige Plattform zugänglich sind, die in allen Amtssprachen der EU verfügbar ist. Die technischen Spezifikationen dieses Vernetzungssystems werden im Wege von Durchführungsrechtsakten festgelegt. Entscheidungen in Bezug auf IT-Entwicklung und Auftragsvergabe werden vorab einer Prüfung durch den Informationstechnik- und Cybersicherheitsbeirat der Kommission unterzogen.
Artikel 52 betrifft die Kosten der Einrichtung und Vernetzung elektronischer Auktionssysteme, und in Artikel 53 werden die Aufgaben der Kommission im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten im System zur Vernetzung elektronischer Auktionsplattformen festgelegt.
Artikel 54 enthält die Vorschriften für den Verkauf von Vermögenswerten aus der Insolvenzmasse im Wege der elektronischen Auktion in vereinfachten Liquidationsverfahren.
In Artikel 55 wird der Beschluss zur Beendigung vereinfachter Liquidationsverfahren geregelt und festgelegt, dass in diesem Beschluss die Entschuldungsfrist angegeben werden sollte.
In Artikel 56 wird der Grundsatz verankert, dass nicht nur Unternehmerschuldner, sondern auch die Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter eines Kleinstunternehmens mit unbeschränkter Haftung, die persönlich für die Schulden des Schuldners haften, als Folge der Beendigung des vereinfachten Liquidationsverfahrens einen wirksamen Zugang zu einer vollen Entschuldung haben sollten. Die Bedingungen, Gründe, Fristen und sonstigen Umstände des zur Entschuldung führenden Verfahrens sind im Einklang mit den Bestimmungen des Titels III der Richtlinie (EU) 2019/1023 festzulegen.
In Artikel 57 wird präzisiert, dass das Verfahren über die für die Geschäftsanforderungen von Kleinstunternehmen geleisteten persönlichen Bürgschaften mit dem entsprechenden, dieses Kleinstunternehmen betreffenden vereinfachten Liquidationsverfahren koordiniert oder zusammengelegt werden sollte.
Titel VII enthält Bestimmungen über den Gläubigerausschuss. Der Gläubigerausschuss ist ein wichtiges Instrument, um sicherzustellen, dass Insolvenzverfahren so durchgeführt werden, dass die Interessen der Gläubiger gewahrt werden und die Beteiligung einzelner Gläubiger sichergestellt wird, die andernfalls aufgrund begrenzter Ressourcen oder der geografischen Entfernung nicht an dem Verfahren teilnehmen könnten. Ziel der Bestimmungen dieses Titels ist es daher, die Stellung der Gläubiger im Verfahren zu stärken. Dies geschieht, indem sichergestellt wird, dass ein Gläubigerausschuss gebildet wird, wenn die Gläubigerversammlung zustimmt, und indem Mindestharmonisierungsvorschriften für zentrale Aspekte wie die Ernennung der Mitglieder und die Zusammensetzung des Ausschusses, die Arbeitsweise, die Funktion des Ausschusses sowie die persönliche Haftung seiner Mitglieder vorgesehen werden.
In Artikel 58 werden die Anforderungen für die Einsetzung des Gläubigerausschusses behandelt und es wird der Grundsatz verankert, dass die Entscheidung darüber, ob ein Gläubigerausschuss gebildet wird, auf der Gläubigerversammlung getroffen werden sollte. Dieser Artikel gestattet es den Mitgliedstaaten auch, den Gläubigern die Bildung eines Gläubigerausschusses ab der Insolvenzanmeldung (und vor der Verfahrenseröffnung) zu ermöglichen, und gleichzeitig sicherzustellen, dass die erste Gläubigerversammlung einberufen wird, um über dessen Fortführung und Besetzung zu entscheiden. Darüber hinaus steht es den Mitgliedstaaten frei, in ihrem nationalen Recht die Möglichkeit der Einsetzung eines Gläubigerausschusses in Insolvenzverfahren auszuschließen, wenn die Kosten für die Einsetzung und die Tätigkeit eines solchen Ausschusses in keinem angemessenen Verhältnis zu dem erzielten Wert stehen.
In Artikel 59 werden das Verfahren für die Ernennung der Mitglieder des Gläubigerausschusses und die Anforderungen an die gerechte Vertretung der Gläubiger im Ausschuss festgelegt.
In Artikel 60 wird der Grundsatz verankert, dass der Gläubigerausschuss ausschließlich die Interessen der gesamten Gläubigergemeinschaft vertritt und unabhängig vom Insolvenzverwalter agiert. Nach diesem Artikel steht es außerdem den Mitgliedstaaten frei, nationale Bestimmungen beizubehalten, die die Einsetzung mehrerer Gläubigerausschüsse zulassen, die verschiedene Gläubigergruppen vertreten. In den Artikeln 61 und 62 werden die Anzahl der Mitglieder und die Voraussetzungen für die Abberufung und die Ersetzung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses festgelegt.
In Artikel 63 werden Mindestregelungen für die Tätigkeit des Gläubigerausschusses festgelegt, einschließlich der Abstimmungsverfahren.
In Artikel 64 werden die Funktion sowie die Mindestrechte, -pflichten und -befugnisse des Gläubigerausschusses festgelegt, beispielsweise das Recht auf Anhörung im Insolvenzverfahren, die Pflicht zur Beaufsichtigung des Insolvenzverwalters und die Befugnis, in bestimmten Angelegenheiten externe Beratung zu beantragen.
In Artikel 65 werden die Anforderungen in Bezug auf die dem Gläubigerausschuss bei der Wahrnehmung seiner Rechte und Aufgaben entstehenden Kosten sowie die Vergütung der Mitglieder festgelegt.
Die Mitglieder des Gläubigerausschusses unterliegen auch spezifischen Haftungsbestimmungen nach Artikel 66.
Artikel 67 sieht schließlich ein Anfechtungsrecht gegen Beschlüsse des Gläubigerausschusses vor, wenn der Gläubigerausschuss nach nationalem Recht befugt ist, Beschlüsse zu fassen.
In Titel VIII geht es um Maßnahmen zur Stärkung der Transparenz der nationalen Rechtsvorschriften über Insolvenzverfahren. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten, für Anleger ein klar definiertes einheitliches Merkblatt mit praktischen Informationen zu den wichtigsten Merkmalen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu Insolvenzverfahren zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren. Dieses Merkblatt muss auf dem E-Justiz-Portal verfügbar gemacht werden. Als Teil der vom Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen bereitgestellten Inhalte sind auf dem E-Justiz-Portal bereits einige Informationen zu den nationalen Insolvenzregelungen der Mitgliedstaaten verfügbar. Die Inhalte dieser bestehenden nationalen Seiten sind jedoch nicht so aneinander angeglichen, dass es für die Anleger einfach ist, die verschiedenen Regelungen zu vergleichen.
Artikel 68 enthält Anforderungen an den Inhalt und die Veröffentlichung eines Merkblatts mit wesentlichen Informationen, die Angaben zu den wesentlichen Merkmalen des nationalen Insolvenzverfahrensrechts enthalten sollten.
Titel IX enthält die Schlussbestimmungen der vorgeschlagenen Richtlinie. Artikel 69 enthält Anforderungen an die Rolle des Ausschusses für Restrukturierung und Insolvenz gemäß Artikel 30 der Richtlinie (EU) 2019/1023. Artikel 70 enthält eine Überprüfungsklausel und in Artikel 71 werden die Bedingungen für die Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie festgelegt. In Artikel 72 wird das Datum des Inkrafttretens der vorgeschlagenen Richtlinie festgelegt, und in Artikel 73 wird angegeben, an wen sich die vorgeschlagene Richtlinie richtet.
2022/0408 (COD)
Vorschlag für eine
RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts
(Text von Bedeutung für den EWR)
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Ziel dieser Richtlinie ist es, zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und Hindernisse für die Ausübung der Grundfreiheiten, etwa des freien Kapitalverkehrs oder der Niederlassungsfreiheit, zu beseitigen, die auf Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften und Verfahren im Bereich der Insolvenz zurückzuführen sind.
(2)Durch die in der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates anerkannten großen Unterschiede im materiellen Insolvenzrecht entstehen Hindernisse für den Binnenmarkt, da sie die Attraktivität grenzübergreifender Investitionen mindern und so den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr in der Union sowie von und nach Drittländern beeinträchtigen.
(3)Insolvenzverfahren stellen die geordnete Abwicklung oder Restrukturierung von Unternehmen oder Unternehmern in finanzieller und wirtschaftlicher Notlage sicher. Diese Verfahren sind bei Finanzinvestitionen von entscheidender Bedeutung, da sie den endgültigen Verwertungswert dieser Investitionen bestimmen. Die unterschiedlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten haben zu einer zunehmenden Rechtsunsicherheit und Unvorhersehbarkeit des Ausgangs von Insolvenzverfahren beigetragen und damit die Barrieren insbesondere für grenzübergreifende Investitionen im Binnenmarkt erhöht. Die in der Union bestehenden großen Unterschiede beim Verwertungswert und bei der Zeit, die benötigt wird, um ein Insolvenzverfahren abzuschließen, haben für die Kreditgeber und Anleger in grenzübergreifenden Fällen innerhalb des Binnenmarkts nachteilige Auswirkungen auf die Vorhersehbarkeit der Kosten.
(4)Die mit dieser Richtlinie verfolgte Integration des Binnenmarkts im Bereich des Insolvenzrechts ist von entscheidender Bedeutung für ein effizienteres Funktionieren der Kapitalmärkte in der Europäischen Union, auch im Hinblick auf einen besseren Zugang zur Unternehmensfinanzierung. Daher müssen in bestimmten Bereichen nationaler Insolvenzverfahren, die einen erheblichen Einfluss auf die Effizienz und Dauer solcher Verfahren haben, insbesondere auf grenzüberschreitende Insolvenzverfahren, Mindestanforderungen festgelegt werden.
(5)Zum Schutz des Werts der Insolvenzmasse für die Gläubiger sollten die nationalen Insolvenzvorschriften wirksame Bestimmungen enthalten, die die Nichtigerklärung von Rechtshandlungen ermöglichen, die die Gläubiger benachteiligen und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollendet wurden (Anfechtungsklagen). Da Anfechtungsklagen darauf abzielen, die nachteiligen Auswirkungen der Rechtshandlung auf die Insolvenzmasse rückgängig zu machen, ist es angebracht, die Beendigung der Ursache für diese Benachteiligung, nämlich die Vollendung der Rechtshandlung und nicht die eigentliche Vornahme, als maßgeblichen Zeitpunkt zugrunde zu legen. Beispielsweise sollte im Falle einer elektronischen Geldüberweisung der maßgebliche Zeitpunkt nicht der Zeitpunkt sein, zum dem der Schuldner das Finanzinstitut anweist, das Geld an einen Gläubiger zu überweisen (Vornahme der Rechtshandlung), sondern der Zeitpunkt, zu dem die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers erfolgt (Vollendung der Rechtshandlung). Vorschriften über Anfechtungsklagen sollten auch die Möglichkeit des Ausgleichs der Insolvenzmasse für die den Gläubigern durch derartige Rechtshandlungen verursachten Nachteil vorsehen.
(6)Die Bandbreite der Rechtshandlungen, die nach den Vorschriften über Anfechtungsklagen angefochten werden könnten, sollte weit gefasst werden, um jedes menschliche Handeln mit Rechtswirkung abzudecken. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger impliziert, dass Rechtshandlungen auch Unterlassungen umfassen sollten, da es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob Gläubigern infolge einer Handlung oder der Untätigkeit der betreffenden Partei ein Nachteil entsteht. So macht es beispielsweise keinen Unterschied, ob ein Schuldner aktiv auf eine Forderung gegenüber seinem Schuldner verzichtet oder ob er untätig bleibt und die Verjährung der Forderung hinnimmt. Weitere Beispiele für Unterlassungen, die Gegenstand von Anfechtungsklagen sein können, sind die Unterlassung, ein nachteiliges Urteil oder andere Entscheidungen von Gerichten oder Behörden anzufechten, oder die Unterlassung, ein Recht des geistigen Eigentums anzumelden. Aus dem gleichen Grund sollten Anfechtungsvorschriften nicht auf Rechtshandlungen des Schuldners beschränkt sein, sondern auch Rechtshandlungen der Gegenpartei oder eines Dritten umfassen. Andererseits sollten nur Rechtshandlungen Anfechtungsvorschriften unterliegen, die die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen.
(7)Um das berechtigte Vertrauen der Gegenpartei des Schuldners zu schützen, sollte jeder Eingriff in die Gültigkeit oder Durchsetzbarkeit einer Rechtshandlung in einem angemessenen Verhältnis zu den Umständen stehen, unter denen diese Rechtshandlung vollendet wird. Zu diesen Umständen sollten der Vorsatz des Schuldners, das Wissen der Gegenpartei oder die Zeitspanne zwischen der Vollendung der Rechtshandlung und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zählen. Daher ist zwischen einer Vielzahl konkreter Anfechtungsgründe zu unterscheiden, die auf gemeinsamen und typischen Sachverhalten beruhen und die allgemeinen Voraussetzungen für Anfechtungsklagen ergänzen sollten. Jeder Eingriff sollte auch im Einklang mit den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechten stehen.
(8)Im Zusammenhang mit Anfechtungsklagen sollte unterschieden werden zwischen Rechtshandlungen, bei denen die Forderung der Gegenpartei fällig und durchsetzbar war und gebührend befriedigt wurde (kongruente Deckung), und solchen, bei denen die Leistung nicht vollständig der Forderung des Gläubigers entsprach (inkongruente Deckung). Inkongruente Deckungen umfassen insbesondere vorzeitige Zahlungen, die Befriedigung mit ungewöhnlichen Zahlungsmitteln, die nachträgliche Besicherung einer noch nicht gesicherten Forderung, die nicht bereits in der ursprünglichen Schuldvereinbarung vereinbart war, die Gewährung eines außerordentlichen Kündigungsrechts oder sonstiger nicht im zugrundeliegenden Vertrag vorgesehener Änderungen, den Verzicht auf Rechtsverteidigung oder Einsprüche oder die Anerkennung streitiger Schulden. Im Falle kongruenter Deckungen kann der Anfechtungsgrund der Bevorzugung nur geltend gemacht werden, wenn der Gläubiger der Rechtshandlung, die für nichtig erklärt werden kann, zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts wusste oder hätte wissen müssen, dass der Schuldner zahlungsunfähig war.
(9)Bestimmte kongruente Deckungen, nämlich Rechtshandlungen, die unmittelbar gegen eine angemessene Gegenleistung zum Vorteil der Insolvenzmasse vorgenommen werden, sollten von den Rechtshandlungen ausgenommen werden, die für nichtig erklärt werden können. Diese Rechtshandlungen zielen darauf ab, das normale Tagesgeschäft des Unternehmens des Schuldners zu unterstützen. Rechtshandlungen, die unter diese Ausnahme fallen, sollten eine vertragliche Grundlage haben und den direkten Austausch der gegenseitigen Leistungen erfordern, aber nicht unbedingt einen gleichzeitigen Austausch von Leistungen, da sich in einigen Fällen aus praktischen Umständen unvermeidbare Verzögerungen ergeben können. Diese Ausnahme sollte jedoch nicht für die Gewährung von Krediten gelten. Außerdem sollten Leistung und Gegenleistung bei diesen Rechtshandlungen gleichwertig sein. Zugleich sollte die Gegenleistung der Insolvenzmasse und nicht einem Dritten zugutekommen. Diese Ausnahme sollte insbesondere für die unverzügliche Zahlung von Waren, Löhnen oder Dienstleistungshonoraren, insbesondere für Rechts- oder Wirtschaftsberater, die Bar- oder Kartenzahlung für Waren, die für das Tagesgeschäft des Schuldners erforderlich sind, die Lieferung bzw. Erbringung von Waren, Produkten oder Dienstleistungen gegen Zahlung, die Schaffung eines Sicherungsrechts gegen Auszahlung des Darlehens sowie die unverzügliche Zahlung öffentlicher Gebühren gegen eine Gegenleistung (z. B. Zutritt zu öffentlichen Anlagen oder Einrichtungen) gelten.
(10)Neu- oder Zwischenfinanzierungen, die im Zuge eines Restrukturierungsversuchs bereitgestellt werden, auch im Laufe einer präventiven Restrukturierung gemäß Titel II der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates, sollten in anschließenden Insolvenzverfahren geschützt werden. Folglich sollten Anfechtungsklagen wegen Bevorzugung, die Zahlungen an oder Besicherungen zugunsten der Anbieter dieser neuen Finanzierungen oder Zwischenfinanzierungen zum Gegenstand haben, nicht zulässig sein, wenn diese Zahlungen oder Besicherungen im Einklang mit den Forderungen der Anbieter geleistet werden. Diese Zahlungen oder Besicherungen sollten daher als Rechtshandlungen angesehen werden, die unmittelbar gegen eine angemessene Gegenleistung zugunsten der Insolvenzmasse vorgenommen werden.
(11)Die wichtigste Folge der Nichtigerklärung einer Rechtshandlung im Anfechtungsverfahren ist die Verpflichtung des Begünstigten der für nichtig erklärten Rechtshandlung, den durch diese Rechtshandlung verursachten Schaden für die Insolvenzmasse auszugleichen. Der Ausgleich sollte gegebenenfalls Vergütungen und Zinsen im Einklang mit dem geltenden allgemeinen Zivilrecht umfassen. Der Ausgleich beinhaltet die Zahlung eines Betrags in Höhe des Wertes der empfangenen Leistung, wenn diese nicht in natura in die Insolvenzmasse zurückgeführt werden kann.
(12)Dem Schuldner nahestehende Parteien, wie z. B. Verwandte, falls der Schuldner eine natürliche Person ist, oder Akteure, die in Beziehung zu einem Schuldner, der eine juristische Person ist, Entscheidungsfunktionen innehaben, haben gewöhnlich einen Informationsvorteil im Hinblick auf die finanzielle Situation des Schuldners. Um Missbrauch zu verhindern, sollten zusätzliche Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Folglich sollten im Rahmen von Anfechtungsklagen Rechtsvermutungen über die Kenntnis der Umstände, auf denen die Anfechtungsvoraussetzungen beruhen, für den Fall eingeführt werden, dass die andere Partei, die an der Rechtshandlung beteiligt ist, die für nichtig erklärt werden kann, eine dem Schuldner nahestehende Partei ist. Diese Vermutungen sollten widerlegbar sein und auf eine Beweislastumkehr zugunsten der Insolvenzmasse abzielen.
(13)Die Verbesserung der Möglichkeiten von Insolvenzverwaltern, zur Insolvenzmasse gehörende Vermögenswerte zu ermitteln und aufzuspüren, ist für die Maximierung des Wertes dieser Insolvenzmasse von wesentlicher Bedeutung. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben können Insolvenzverwalter bereits jetzt auf Informationen zugreifen, die in öffentlichen Datenregistern hinterlegt sind, die teilweise im Rahmen des Unionsrechts eingerichtet wurden und auf europäischer Ebene miteinander vernetzt sind, wie z. B. das System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (BRIS), das System zur Vernetzung der Insolvenzregister (IRI) oder das Vernetzungssystem der Register wirtschaftlicher Eigentümer. Der Zugriff auf die in öffentlichen Datenbanken gespeicherten Informationen reicht jedoch häufig nicht aus, um bedeutende Vermögenswerte zu ermitteln und aufzuspüren, die zum Umfang der Insolvenzmasse gehören oder gehören sollten. Insolvenzverwalter stehen insbesondere vor praktischen Schwierigkeiten, wenn sie versuchen, auf im Ausland befindliche Vermögensregister zuzugreifen.
(14)Daher müssen Bestimmungen festgelegt werden, durch die sichergestellt wird, dass Insolvenzverwalter bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Insolvenzverfahren direkt oder indirekt Zugang zu Informationen haben können, die in nicht öffentlich zugänglichen Datenbanken gespeichert sind.
(15)Der zeitnahe direkte Zugriff auf zentrale Bankkontenregister oder Datenabrufsysteme ist für die Maximierung des Werts der Insolvenzmasse oft unabdingbar. Daher sollten Vorschriften festgelegt werden, die den benannten mitgliedstaatlichen Gerichten, die für die Insolvenzverfahren zuständig sind, direkten Zugang zu Informationen gewähren, die in zentralen Bankkontenregistern oder Datenabrufsystemen gespeichert sind. Wenn ein Mitgliedstaat Zugang zu Bankkontoinformationen über ein zentrales elektronisches Datenabrufsystem gewährt, sollte dieser Mitgliedstaat sicherstellen, dass die Behörde, die das Datenabrufsystem betreibt, die Suchergebnisse unverzüglich und ungefiltert den benannten Gerichten übermittelt.
(16)Zur Wahrung des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten und des Rechts auf Privatsphäre sollte der direkte und unverzügliche Zugang zu Bankkontenregistern nur den für Insolvenzverfahren zuständigen Gerichten gewährt werden, die von den Mitgliedstaaten zu diesem Zweck benannt wurden. Insolvenzverwaltern sollte daher nur der indirekte Zugriff auf die in den Bankkontenregistern gespeicherten Informationen im Wege eines Ersuchens um Zugriff und Abfrage an die benannten Gerichte in ihrem Mitgliedstaat gestattet sein.
(17)Die Richtlinie (EU) YYYY/XX des Europäischen Parlaments und des Rates [Amt für Veröffentlichungen: die Richtlinie, die die Richtlinie 2015/849 ersetzt] sieht vor, dass die zentralen automatischen Mechanismen über die zentrale Zugangsstelle für Bankkontenregister miteinander vernetzt werden, die von der Kommission entwickelt und betrieben werden soll. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung von Insolvenzfällen mit grenzübergreifendem Bezug und der Bedeutung relevanter Finanzinformationen für die Zwecke der Maximierung des Wertes der Insolvenzmasse in Insolvenzverfahren sollten die benannten nationalen Gerichte, die für Insolvenzsachen zuständig sind, über die gemäß der Richtlinie (EU) YYYY/XX [Amt für Veröffentlichungen: die Richtlinie, die die Richtlinie 2015/849 ersetzt] eingerichtete zentrale Zugangsstelle für Bankkontenregister direkt auf die zentralen Bankkontenregister anderer Mitgliedstaaten zugreifen und diese abfragen können.
(18)Alle nach Maßgabe dieser Richtlinie erlangten personenbezogenen Daten sollten im Einklang mit den geltenden Datenschutzvorschriften nur dann von benannten Gerichten und Insolvenzverwaltern verarbeitet werden, wenn dies in laufenden Insolvenzverfahren für die Zwecke der Ermittlung und Aufspürung von Vermögenswerten, die zur Insolvenzmasse des Schuldners gehören, erforderlich und verhältnismäßig ist.
(19)Die Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates stellt sicher, dass Personen, die ein berechtigtes Interesse nachweisen können, im Einklang mit den Datenschutzvorschriften Zugang zu den Informationen über den wirtschaftlichen Eigentümer in Bezug auf Trusts und andere Arten von Rechtsvereinbarungen gewährt wird. Diesen Personen wird der Zugang zum Namen, Monat und Jahr der Geburt, dem Wohnsitzland und der Staatsangehörigkeit des wirtschaftlichen Eigentümers sowie Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses gewährt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Insolvenzverwalter schnell und einfach auf diese Informationen zugreifen können, um ihre Aufgaben zur Aufspürung von Vermögenswerten im Rahmen laufender Insolvenzverfahren zu erfüllen. Es muss daher klargestellt werden, dass in einem solchen Fall der Zugang durch Insolvenzverwalter ein berechtigtes Interesse darstellt. Zugleich sollte der Umfang der Daten, auf die die Insolvenzverwalter direkt zugreifen können, nicht größer sein als der Umfang der Daten, auf die andere Parteien mit einem berechtigten Interesse zugreifen können.
(20)Um sicherzustellen, dass Vermögenswerte im Zusammenhang mit grenzübergreifenden Insolvenzverfahren effizient aufgespürt werden können, sollte den in einem Mitgliedstaat bestellten Insolvenzverwaltern rascher Zugang zu Vermögensregistern gewährt werden, auch wenn sich diese Register in einem anderen Mitgliedstaat befinden. Daher sollten für ausländische Insolvenzverwalter keine komplizierteren Zugangsbedingungen als für inländische Insolvenzverwalter gelten.
(21)Im Zusammenhang mit der Liquidation bei Insolvenz sollten es die nationalen Insolvenzvorschriften ermöglichen, dass die Verwertung des Unternehmensvermögens durch den Verkauf des Unternehmens oder eines Teils davon als fortgeführtes Unternehmen erfolgt. Unter Verkauf als fortgeführtes Unternehmen ist in diesem Zusammenhang die Übertragung des Unternehmens, in Teilen oder als Ganzes, an einen Käufer in einer Weise zu verstehen, die es ermöglicht, dass das Unternehmen (oder ein Teil davon) als wirtschaftlich produktive Einheit weitergeführt wird. Der Verkauf als fortgeführtes Unternehmen sollte als das Gegenteil eines stückweisen Verkaufs der Vermögenswerte des Unternehmens (stückweise Liquidation) verstanden werden.
(22)Es wird allgemein davon ausgegangen, dass bei einer Liquidation durch den Verkauf des Unternehmens (oder eines Teils davon) als fortgeführtes Unternehmen ein höherer Wert erzielt werden kann als durch eine stückweise Liquidation. Zur Förderung von Verkäufen als fortgeführtes Unternehmen bei der Liquidation sollten die nationalen Insolvenzregelungen ein Pre-pack-Verfahren beinhalten, bei dem der in finanzieller Notlage befindliche Schuldner vor der förmlichen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit der Unterstützung eines „Sachwalters“ nach möglichen interessierten Käufern sucht und den Verkauf des Unternehmens als fortgeführtes Unternehmen vorbereitet, damit das Vermögen zeitnah nach Eröffnung des förmlichen Insolvenzverfahrens verwertet werden kann. Das Pre-pack-Verfahren sollte zwei Phasen umfassen, nämlich eine Vorbereitungsphase und eine Liquidationsphase.
(23)Für die effektive Verwaltung des Pre-pack-Verfahrens sollte das Gericht, das mit diesem Verfahren befasst ist, auch befugt sein, über Fragen zu entscheiden, die in engem Zusammenhang mit dem Pre-pack-Verkauf des Unternehmens oder eines Teils davon stehen.
(24)Das Pre-pack-Verfahren sollte sicherstellen, dass der in der Vorbereitungsphase bestellte Sachwalter das beste im Laufe des Verkaufsverfahrens erzielte Gebot nur dann zur Genehmigung durch das Gericht vorschlagen kann, wenn er erklärt, dass nach seinem Dafürhalten bei einer stückweisen Liquidation kein Wert für die Gläubiger erzielt würde, der deutlich über dem Marktpreis läge, der für das Unternehmen (oder einen Teil davon) als fortgeführtes Unternehmen erzielt wird. Der Wert des fortgeführten Unternehmens ist in der Regel höher als der Wert bei stückweiser Liquidation, da er auf der Annahme beruht, dass das Unternehmen seine Tätigkeit mit der geringstmöglichen Störung fortsetzt, das Vertrauen der finanziellen Gläubiger, Aktionäre und Kunden genießt sowie weiter Einnahmen erwirtschaftet. Daher sollte die Erklärung des Sachwalters nicht in jedem Fall eine Bewertung erfordern. Es sollte ausreichen, dass der Sachwalter nach vernünftigem Ermessen zu dem Schluss kommt, dass der Verkaufspreis nicht wesentlich niedriger ist als der Erlös, der durch eine schrittweise Liquidation erzielt werden könnte. In Fällen, in denen das einzige vorliegende Gebot von einer Partei stammt, die dem Schuldner nahesteht, sollte jedoch eine eingehendere Prüfung durch den Sachwalter oder den Insolvenzverwalter verlangt werden. In diesen Fällen sollte der Sachwalter oder der Insolvenzverwalter das Gebot ablehnen, wenn es nicht das Kriterium des Gläubigerinteresses erfüllt.
(25)Um zu gewährleisten, dass das Unternehmen im Zuge des Pre-pack-Verfahrens zum besten Marktwert verkauft wird, sollten die Mitgliedstaaten entweder hohe Standards in Bezug auf Wettbewerbsorientiertheit, Transparenz und Fairness des in der Vorbereitungsphase durchgeführten Verkaufsprozesses sicherstellen oder vorsehen, dass das Gericht nach Eröffnung der Liquidationsphase des Verfahrens eine schnelle öffentliche Auktion durchführt.
(26)Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür, in der Vorbereitungsphase hohe Standards zu verlangen, sollte der Sachwalter (der anschließend als Insolvenzverwalter in der Liquidationsphase bestellt wird) dafür verantwortlich sein, sicherzustellen, dass der Verkaufsprozess vom Wettbewerb bestimmt, transparent und fair ist und den Marktstandards entspricht. Die Einhaltung von Marktstandards sollte in diesem Zusammenhang erfordern, dass das Verfahren mit den normalen Vorschriften und der üblichen Praxis in Bezug auf Zusammenschlüsse und Übernahmen in dem betreffenden Mitgliedstaat vereinbar ist, was unter anderem beinhaltet, potenziell interessierte Parteien zur Teilnahme am Verkaufsprozess einzuladen, an potenzielle Käufer die gleichen Informationen weiterzugeben, interessierten Käufern die Ausübung der Sorgfaltspflicht zu ermöglichen und die Gebote der interessierten Parteien im Wege eines strukturierten Prozesses einzuholen.
(27)Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür, vorzusehen, dass das Gericht nach Eröffnung der Liquidationsphase eine öffentliche Auktion durchführt, sollte das vom Sachwalter im Zuge der Vorbereitungsphase ausgewählte Gebot bei der Auktion als erstes Gebot („Stalking-Horse-Gebot“) zugrunde gelegt werden. Der Schuldner sollte dem „Stalking-Horse-Bieter“ Anreize bieten können, indem er insbesondere Aufwandserstattungen oder Strafzahlungen für den Fall vereinbart, dass im Wege der öffentlichen Auktion ein besseres Gebot ausgewählt wird. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch sicherstellen, dass solche Anreize, die die Schuldner den „Stalking-Horse-Bietern“ während der Vorbereitungsphase bieten, angemessen sind und andere potenziell interessierte Bieter nicht von der Teilnahme an der öffentlichen Auktion in der Liquidationsphase abhalten.
(28)Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sollte nicht zur vorzeitigen Kündigung von Verträgen führen, nach denen die Parteien noch Erfüllungspflichten haben (noch zu erfüllende Verträge), die für die Fortführung des Geschäftsbetriebs notwendig sind. Eine solche Kündigung würde den Wert des Unternehmens oder eines Teils davon, das bzw. der im Wege des Pre-pack-Verfahrens verkauft werden soll, in unangemessener Weise gefährden. Daher sollte sichergestellt werden, dass diese Verträge auch ohne Zustimmung der Gegenpartei des Schuldners zu diesen Verträgen auf den Käufer des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon übertragen werden. Gleichwohl gibt es Fälle, in denen die Abtretung der noch zu erfüllenden Verträge nach vernünftigem Ermessen nicht erwartet werden kann, wie etwa dann, wenn der Käufer ein Wettbewerber der Vertragsgegenpartei ist. Ebenso kann das Gericht bei einer individuellen Beurteilung eines noch zu erfüllenden Vertrags zu dem Schluss kommen, dass seine Kündigung den Interessen des Unternehmens des Schuldners besser dienen würde als seine Abtretung, etwa wenn die Abtretung des Vertrags zu einer unverhältnismäßigen Belastung für das Unternehmen führen würde. Dem Gericht sollte jedoch nicht gestattet sein, laufende Verträge in Bezug auf Lizenzen für Rechte an geistigem und gewerblichem Eigentum zu kündigen, da diese normalerweise Schlüsselkomponenten der Geschäftstätigkeit des verkauften Unternehmens sind.
(29)Die Möglichkeit, im Laufe des Verkaufsprozesses Vorkaufsrechte durchzusetzen, würde den Wettbewerb im Pre-pack-Verfahren verzerren. Potenzielle Bieter könnten von der Abgabe eines Gebots absehen, wenn die Möglichkeit besteht, dass ihr Gebot unabhängig von der investierten Zeit und den investierten Ressourcen und dem wirtschaftlichen Wert des Gebots aufgrund von Rechten verworfen wird, die ihr Inhaber nach seinem Ermessen geltend machen kann. Um sicherzustellen, dass das erfolgreiche Gebot den besten verfügbaren Preis auf dem Markt widerspiegelt, sollten Vorkaufsrechte weder Bietern eingeräumt noch im Laufe des Bietverfahrens durchgesetzt werden. Inhaber von Vorkaufsrechten, die vor Beginn des Pre-pack-Verfahrens gewährt wurden, sollten zur Teilnahme am Bietverfahren eingeladen werden, anstatt ihre Option auszuüben.
(30)Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit vorsehen, dass gesicherte Gläubiger am Bietverfahren im Rahmen des Pre-pack-Verfahrens teilnehmen, indem sie die Höhe ihrer gesicherten Forderungen als Gegenleistung für den Kauf der Vermögenswerte anbieten, für die sie eine Sicherheit halten (Credit Bidding). Es sollte jedoch ausgeschlossen werden, dass das Credit Bidding den gesicherten Gläubigern einen ungebührlichen Vorteil im Bietverfahren verschafft, wie beispielsweise dann, wenn der Betrag ihrer gesicherten Forderung gegenüber dem Vermögen des Schuldners über dem Marktwert des Unternehmens liegt.
(31)Diese Richtlinie sollte die Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates, unberührt lassen und die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, nationale Fusionskontrollregelungen durchzusetzen. Bei der Auswahl des besten Gebots sollte der Sachwalter die regulatorischen Risiken berücksichtigen können, die mit Geboten verbunden sind, die die Genehmigung der Wettbewerbsbehörden erfordern, und er sollte sich mit diesen Behörden beraten können, wenn dies nach den geltenden Vorschriften zulässig ist. Es sollte in der Verantwortung der Bieter liegen, alle erforderlichen Informationen zur Bewertung dieser Risiken bereitzustellen und sich rechtzeitig mit den zuständigen Wettbewerbsbehörden in Verbindung zu setzen, um diese Risiken zu mindern. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Verfahren zu einem guten Ende kommen, sollte der Sachwalter bei Vorliegen eines Gebots, das derartige Risiken birgt, verpflichtet sein, seine Funktion so auszuüben, dass die Abgabe alternativer Gebote erleichtert wird.
(32)Die Unternehmensleitung beaufsichtigt die Führung der Geschäfte einer juristischen Person und hat den besten Überblick über ihre finanzielle Situation. Die Mitglieder der Unternehmensleitung gehören daher zu den Ersten, die erkennen, ob eine juristische Person kurz vor der Insolvenz steht oder die Schwelle überschreitet. Eine verspätete Insolvenzanmeldung durch die Unternehmensleitung kann zu niedrigeren Verwertungswerten für die Gläubiger führen; die Mitgliedstaaten sollten daher eine Pflicht für die Unternehmensleitung einführen, innerhalb einer bestimmten Frist einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Die Mitgliedstaaten sollten auch festlegen, für wen die Pflichten der Unternehmensleitung gelten sollten, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Begriff „Mitglied der Unternehmensleitung“ weit auszulegen ist, damit er alle Personen umfasst, die damit betraut sind, wichtige Entscheidungen in Bezug auf die Geschäftsführung einer juristischen Person zu treffen, oder faktisch solche Entscheidungen treffen oder treffen sollten.
(33)Um sicherzustellen, dass die Unternehmensleitung nicht in ihrem eigenen Interesse handelt, indem sie die Einreichung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens trotz Anzeichen einer Zahlungsunfähigkeit verzögert, sollten die Mitgliedstaaten Bestimmungen erlassen, die die Unternehmensleitung für eine Verletzung der Insolvenzantragspflicht zivilrechtlich haftbar machen. In diesem Fall sollte die Unternehmensleitung die Gläubiger für den Schaden entschädigen, der aus der Verschlechterung des Verwertungswerts der juristischen Person im Vergleich zu der Situation bei rechtzeitiger Antragstellung resultiert. Die Mitgliedstaaten sollten nationale Vorschriften über die zivilrechtliche Haftung der Unternehmensleitung im Zusammenhang mit Insolvenzanmeldungen erlassen oder beibehalten können, die strenger als die Bestimmungen dieser Richtlinie sind.
(34)Kleinstunternehmen sind oft Einpersonengesellschaften oder kleine Personengesellschaften, deren Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter keinen beschränkten Haftungsschutz genießen und somit für Geschäftsschulden unbegrenzt haften. Wenn Kleinstunternehmen als Gesellschaften mit beschränkter Haftung tätig sind, ist der beschränkte Haftungsschutz für die Eigentümer der Kleinstunternehmen normalerweise illusorisch, da von ihnen oft erwartet wird, dass sie die Geschäftsschulden ihres Unternehmens mit ihrem persönlichen Vermögen als Sicherheit besichern. Da Kleinstunternehmen außerdem stark von den Zahlungen ihrer Kunden abhängig sind, sehen sie sich häufig mit Liquiditätsproblemen und höheren Ausfallrisiken konfrontiert, die sich aus dem Verlust eines wichtigen Geschäftspartners oder aus verspäteten Zahlungen ihrer Kunden ergeben. Darüber hinaus sind Kleinstunternehmen auch mit knappem Betriebskapital, höheren Zinssätzen und größeren Anforderungen an Sicherheiten konfrontiert, was die Beschaffung von Finanzmitteln, insbesondere in finanziellen Notlagen, schwierig, wenn nicht sogar unmöglich macht. Infolgedessen sind sie möglicherweise öfter insolvenzgefährdet als größere Unternehmen.
(35)Die nationalen Insolvenzvorschriften eignen sich nicht immer zu einem angemessenen und verhältnismäßigen Umgang mit insolventen Kleinstunternehmen. In Anbetracht der besonderen Merkmale von Kleinstunternehmen und ihrer besonderen Erfordernisse in finanziellen Notlagen, insbesondere dem Erfordernis schnellerer, einfacherer und erschwinglicher Verfahren, sollte anerkannt werden, dass auf nationaler Ebene gesonderte Insolvenzverfahren in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieser Richtlinie ausgearbeitet werden sollten. Obwohl die in dieser Richtlinie enthaltenen Bestimmungen über vereinfachte Liquidationsverfahren nur für Kleinstunternehmen gelten, sollte es den Mitgliedstaaten möglich sein, ihre Anwendung auch auf kleine und mittlere Unternehmen auszudehnen, die keine Kleinstunternehmen sind.
(36)Es sollte sichergestellt werden, dass die Durchführung und Beaufsichtigung vereinfachter Liquidationsverfahren von den Mitgliedstaaten einer zuständigen Behörde übertragen werden können, bei der es sich entweder um ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde handelt. Die Wahl würde unter anderem von den Verwaltungs- und Rechtssystemen der Mitgliedstaaten sowie den Kapazitäten der Gerichte und dem Erfordernis abhängen, die Kosteneffizienz und Schnelligkeit der Verfahren sicherzustellen.
(37)Der Solvenztest und der Bilanztest sind in den Mitgliedstaaten die beiden üblichen Auslöser für die Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens. Der Bilanztest ist jedoch unter Umständen nicht durchführbar, wenn der Schuldner ein Kleinstunternehmen ist, insbesondere im Falle von Einzelunternehmern, da möglicherweise keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen vorliegen und nicht klar zwischen Privatvermögen und -verbindlichkeiten und Geschäftsvermögen und -verbindlichkeiten unterschieden werden kann. Daher sollte die Unfähigkeit, Schulden bei Fälligkeit zu begleichen, das Kriterium für die Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens sein. Die Mitgliedstaaten sollten auch die spezifischen Bedingungen festlegen, unter denen dieses Kriterium erfüllt ist, solange diese Bedingungen klar, einfach und für das betreffende Kleinstunternehmen leicht feststellbar sind.
(38)Um kostengünstige und zügige vereinfachte Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen einzurichten, sollten kurze Fristen eingeführt werden. Ebenso sollten die Formalitäten auf allen Stufen des Verfahrens, einschließlich der Eröffnung des Verfahrens, der Anmeldung und Zulassung von Forderungen, der Feststellung der Insolvenzmasse und der Verwertung des Vermögens, auf ein Minimum reduziert werden. Für die Einreichung eines Antrags auf Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens sollte ein Standardformular verwendet werden, und für die gesamte Kommunikation zwischen der zuständigen Behörde und gegebenenfalls dem Insolvenzverwalter und den Verfahrensbeteiligten sollten elektronische Mittel verwendet werden.
(39)Alle Kleinstunternehmen sollten die Möglichkeit haben, ein Verfahren einzuleiten, um ihre finanziellen Schwierigkeiten zu bewältigen und in den Genuss einer Entschuldung zu kommen. Der Zugang zu einem vereinfachten Liquidationsverfahren sollte nicht davon abhängen, dass das Kleinstunternehmen in der Lage ist, die Verwaltungskosten eines solchen Verfahrens zu tragen. In die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten sollten Vorschriften zur Deckung der Kosten für die Verwaltung vereinfachter Liquidationsverfahren für den Fall aufgenommen werden, dass das Vermögen und die Einnahmequellen des Schuldners nicht ausreichen, um diese Kosten zu decken.
(40)In vereinfachten Liquidationsverfahren muss in der Regel in Anbetracht der einfachen Geschäftstätigkeiten von Kleinstunternehmen, die von der zuständigen Behörde ausreichend beaufsichtigt werden können, kein Insolvenzverwalter bestellt werden. Daher sollte der Schuldner die Kontrolle über sein Vermögen und das Tagesgeschäft behalten. Um zugleich sicherzustellen, dass vereinfachte Liquidationsverfahren effektiv und effizient durchgeführt werden können, sollte der Schuldner zu Beginn und während des gesamten Verfahrens genaue, zuverlässige und vollständige Angaben zu seiner Finanzlage und seinen Geschäftsangelegenheiten machen.
(41)Wenn der Schuldner ein Kleinstunternehmen ist, sollte er in den Genuss einer vorübergehenden Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen kommen können, damit der Wert der Insolvenzmasse bewahrt und eine faire und ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens sichergestellt werden kann. Die Mitgliedstaaten können jedoch den zuständigen Behörden gestatten, bestimmte Forderungen unter genau festgelegten Umständen vom Geltungsbereich der Aussetzung auszuschließen.
(42)Bestrittene Forderungen sollten so behandelt werden, dass die Durchführung vereinfachter Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen nicht unnötig erschwert wird. Wenn bestrittene Forderungen nicht schnell behandelt werden können, kann die Möglichkeit, eine Forderung zu bestreiten, dazu genutzt werden, unnötige Verzögerungen zu verursachen. Im Hinblick auf die Entscheidung über die Behandlung einer bestrittenen Forderung sollte die zuständige Behörde befugt sein, die Fortsetzung des vereinfachten Liquidationsverfahrens nur in Bezug auf unbestrittene Forderungen zuzulassen.
(43)Im Rahmen des vereinfachten Liquidationsverfahrens sollten Anfechtungsklagen nur von einem Gläubiger oder, sofern bestellt, vom Insolvenzverwalter erhoben werden. Die zuständige Behörde sollte, wenn sie darüber entscheidet, das vereinfachte Liquidationsverfahren zum Zweck der Durchführung eines Anfechtungsverfahrens in ein reguläres Insolvenzverfahren umzuwandeln, verschiedene Gesichtspunkte abwägen, darunter die voraussichtlichen Kosten, die Dauer und die Komplexität des Anfechtungsverfahrens, die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Wiedererlangung von Vermögenswerten und die erwarteten Vorteile für alle Gläubiger.
(44)Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass das Vermögen der Insolvenzmasse im vereinfachten Liquidationsverfahren durch eine öffentliche gerichtliche Online-Versteigerung verwertet werden kann, wenn die zuständige Behörde diese Art der Vermögensverwertung für angemessen hält. Aus diesem Grund sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass in ihrem Hoheitsgebiet mindestens ein elektronisches Auktionssystem zu diesem Zweck unterhalten wird. Diese Verpflichtung sollte die zahlreichen Plattformen nicht berühren, die es in einigen Mitgliedstaaten für gerichtliche Online-Versteigerungen bestimmter Arten von Vermögenswerten gibt.
(45)Die zur Verwertung des Schuldnervermögens im vereinfachten Liquidationsverfahren betriebenen Auktionssysteme sollten über das europäische E-Justiz-Portal vernetzt werden. Das E-Justiz-Portal sollte als zentraler elektronischer Zugangspunkt zu den im nationalen System oder den nationalen Systemen durchgeführten Online-Versteigerungsverfahren dienen, eine Suchfunktion für die Nutzer bereitstellen und sie zu den einschlägigen nationalen Online-Plattformen führen, wenn sie beabsichtigen, am Bietverfahren teilzunehmen. Bei der Festlegung der technischen Spezifikationen dieses Vernetzungssystems im Wege eines Durchführungsrechtsakts sollte die Kommission entsprechend ihrem „Zwei-Säulen-Ansatz“ das Ergebnis der Analyse bereits von der Kommission bereitgestellter Lösungen, die weiterverwendet werden können, vorlegen oder eine Marktuntersuchung in Bezug auf potenzielle gebrauchsfertige kommerzielle Lösungen durchführen, die als solche oder mit geringfügigen Anpassungen verwendet werden können.
(46)Im Falle der Insolvenz eines Schuldners in Form eines Kleinstunternehmens mit unbeschränkter Haftung sollten Personen, die persönlich für die Schulden des Schuldners haften, nach der Liquidation der Insolvenzmasse des Schuldners nicht persönlich für unbefriedigte Forderungen haften. Daher sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass in vereinfachten Liquidationsverfahren Unternehmerschuldner sowie diejenigen Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter eines Kleinstunternehmens mit unbeschränkter Haftung, die persönlich für die Schulden des Kleinstunternehmens haften, das Gegenstand des vereinfachten Liquidationsverfahrens ist, in vollem Umfang entschuldet werden. Für die Zwecke der Gewährung dieser Entschuldung sollten die Mitgliedstaaten Titel III der Richtlinie (EU) 2019/1023 entsprechend anwenden.
(47)Es ist wichtig, im Insolvenzverfahren für einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und der Gläubiger zu sorgen. Gläubigerausschüsse ermöglichen eine bessere Teilnahme der Gläubiger am Insolvenzverfahren, insbesondere, wenn Gläubiger andernfalls als Einzelpersonen aufgrund begrenzter Ressourcen, der wirtschaftlichen Bedeutung ihrer Forderungen oder der geografischen Entfernung daran gehindert wären. Gläubigerausschüsse können insbesondere Gläubigern mit Schuldnern in anderen Mitgliedstaaten helfen, ihre Rechte besser auszuüben, und ihre faire Behandlung sicherstellen. Die Mitgliedstaaten sollten die Einsetzung eines Gläubigerausschusses nach Verfahrenseröffnung zulassen. Ein Gläubigerausschuss sollte nur mit Zustimmung der Gläubiger eingesetzt werden. Die Mitgliedstaaten können auch zulassen, dass er vor der Verfahrenseröffnung und nach der Insolvenzanmeldung gebildet wird. In diesem Fall sollten die Mitgliedstaaten jedoch vorsehen, dass die Gläubiger der Fortführung und Besetzung auf der Gläubigerversammlung zustimmen. Sind die Gläubiger mit der Besetzung nicht einverstanden, können sie auch einen neuen Gläubigerausschuss bilden.
(48)Die Kosten für die Einsetzung und die Tätigkeit eines Gläubigerausschusses sollten in einem angemessenen Verhältnis zu dem Wert stehen, den er generiert. Die Bildung des Gläubigerausschusses sollte in den Fällen nicht gerechtfertigt sein, in denen die Kosten seiner Einsetzung und seiner Tätigkeit wesentlich höher sind als die wirtschaftliche Bedeutung der von ihm getroffenen Entscheidungen. Dies kann der Fall sein, wenn es zu wenige Gläubiger gibt, wenn die große Mehrheit der Gläubiger nur einen geringen Anteil an den Forderungen gegen den Schuldner hat oder wenn die zu erwartende Verwertung der Insolvenzmasse im Insolvenzverfahren deutlich unter den Kosten der Einsetzung und der Tätigkeit des Gläubigerausschusses liegt. Dies ist insbesondere bei Insolvenzen von Kleinstunternehmen der Fall.
(49)Die Mitgliedstaaten sollten die Anforderungen, Pflichten und Verfahren für die Bestellung der Mitglieder des Gläubigerausschusses sowie die dem Gläubigerausschuss übertragenen Aufgaben klar angeben. Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, zu entscheiden, ob die Bestellung durch die Gläubigerversammlung oder durch das Gericht erfolgen soll. Um unnötige Verzögerungen bei der Einsetzung des Gläubigerausschusses zu vermeiden, sollten die Mitglieder zügig bestellt werden. Die Mitgliedstaaten sollten für eine faire Vertretung der Gläubiger im Ausschuss sorgen und sicherstellen, dass Gläubiger, deren Forderung noch nicht zugelassen wurde, oder Gläubiger, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, nicht von der Teilnahme am Gläubigerausschuss ausgeschlossen werden.
(50)Eine faire Vertretung der Gläubiger im Gläubigerausschuss ist besonders wichtig in Bezug auf ungesicherte Gläubiger, bei denen es sich um Kleinst-, kleine oder mittlere Unternehmen handelt, denen, wenn sie im Falle der Insolvenz eines Schuldners, der ein Großunternehmen ist, nicht rechtzeitig bezahlt werden, selbst die Insolvenz droht (Dominoeffekt). Die angemessene Vertretung solcher Gläubiger im Gläubigerausschuss könnte sicherstellen, dass sie im Zuge der Verteilung des beigetriebenen Erlöses ihre Anteile schneller erhalten.
(51)Eine wichtige Aufgabe des Gläubigerausschusses sollte es sein, zu prüfen, ob das Insolvenzverfahren so geführt wird, dass die Interessen der Gläubiger gewahrt werden. Die Rolle des Ausschusses bei der Überwachung der Fairness und Integrität des Verfahrens kann nur dann effektiv wahrgenommen werden, wenn der Gläubigerausschuss und seine Mitglieder unabhängig vom Insolvenzverwalter handeln und nur den Gläubigern gegenüber rechenschaftspflichtig sind, die den Gläubigerausschuss eingesetzt haben.
(52)Die Anzahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses sollte einerseits ausreichend groß sein, um eine Meinungs- und Interessensvielfalt im Ausschuss zu gewährleisten, und andererseits relativ begrenzt bleiben, damit der Gläubigerausschuss seine Aufgaben wirkungsvoll und zeitnah wahrnehmen kann. Die Mitgliedstaaten sollten präzisieren, wann und wie die Besetzung des Ausschusses geändert werden muss, was, auch im besten Interesse der Gläubiger, erforderlich sein könnte, wenn Mitglieder verhindert sind oder ihr Amt niederlegen möchten. Die Mitgliedstaaten sollten auch die Bedingungen für die Abberufung von Mitgliedern präzisieren, die unablässig gegen die Interessen der Gläubiger gehandelt haben.
(53)Die Organisation der Arbeit steht im Ermessen der Mitglieder des Gläubigerausschusses, solange die Arbeitsweise rechtmäßig, transparent und wirkungsvoll ist. Die Mitgliedstaaten sollten daher vorschreiben, dass der Gläubigerausschuss die Arbeitsweise festlegt und angibt, wie Sitzungen abzuhalten sind, wer daran teilnehmen und wer abstimmen darf und wie die Unparteilichkeit und die Vertraulichkeit der Arbeit des Ausschusses gewährleistet werden. Bei der Festlegung der Arbeitsweise sollte auch eine Rolle für Arbeitgebervertreter oder Transparenz gegenüber anderen Gläubigern vorgesehen werden können. Die Gläubiger sollten auf elektronischem Wege teilnehmen und abstimmen oder das Stimmrecht an eine dritte Person übertragen können, sofern diese Person ordnungsgemäß bevollmächtigt ist. Diese Möglichkeit wäre insbesondere für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Gläubiger von Vorteil.
(54)Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass das Gericht befugt ist, die Arbeitsweise des Gläubigerausschusses festzulegen, falls diese nicht zügig festgelegt wird. Die Kommission sollte eine einheitliche Arbeitsweise festlegen, die die Aufgabe des Gläubigerausschusses erleichtern und die Notwendigkeit des Eingreifens von Gerichten in Fällen, in denen keine Arbeitsweise festgelegt wurde, verringern sollte.
(55)Der Gläubigerausschuss sollte mit ausreichenden Rechten ausgestattet werden, um seine Funktionen effizient und effektiv erfüllen zu können. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass der Gläubigerausschuss nach Bedarf mit Insolvenzverwaltern, Gerichten, dem Schuldner, externen Beratern und den Gläubigern, die er vertritt, zusammenarbeiten kann, damit er sich zu Angelegenheiten, die unmittelbar von Interesse und bedeutungsvoll sind, eine Meinung bilden und diese kundtun kann, und dass diese Meinung im Verfahren gebührend berücksichtigt wird. Die Mitgliedstaaten könnten den Gläubigerausschuss auch ermächtigen, Beschlüsse zu fassen.
(56)Da die Tätigkeit des Gläubigerausschusses Kosten verursacht, sollten die Mitgliedstaaten im Voraus festlegen, wer dafür aufkommt. Die Mitgliedstaaten sollten auch Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, dass die Kosten des Gläubigerausschusses den Verwertungswert der Insolvenzmasse unverhältnismäßig mindern.
(57)Um Gläubiger zu ermutigen, Mitglieder des Gläubigerausschusses zu werden, sollten die Mitgliedstaaten ihre persönliche zivilrechtliche Haftung beschränken, wenn sie Aufgaben gemäß dieser Richtlinie wahrnehmen. Dennoch können Mitglieder des Gläubigerausschusses, die bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben in betrügerischer oder fahrlässiger Weise handeln, abberufen und für ihre Handlungen haftbar gemacht werden. Für einen solchen Fall sollten die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Mitglieder für den durch ihr Fehlverhalten verursachten Schaden persönlich haftbar gemacht werden.
(58)Um eine verbesserte Transparenz in Bezug auf die wesentlichen Merkmale nationaler Insolvenzverfahren sicherzustellen und insbesondere Gläubigern mit Schuldnern in anderen Mitgliedstaaten dabei zu helfen, abzuschätzen, was passieren würde, wenn ihre Investitionen in ein Insolvenzverfahren verwickelt würden, sollte Anlegern und potenziellen Anlegern ein einfacher Zugang zu diesen Informationen in einem vorab festgelegten, vergleichbaren und benutzerfreundlichen Format gewährt werden. Die Mitgliedstaaten sollten ein einheitliches Merkblatt mit wesentlichen Informationen ausarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Ein solches Dokument wäre von wesentlicher Bedeutung, damit sich potenzielle Anleger einen Überblick über die Insolvenzverfahrensvorschriften in einem bestimmten Mitgliedstaat verschaffen können. Es sollte ausreichende Erläuterungen enthalten, damit der Leser die darin enthaltenen Informationen verstehen kann, ohne auf andere Dokumente zurückgreifen zu müssen. Das Merkblatt mit den wesentlichen Informationen sollte insbesondere praktische Informationen zum Insolvenzauslöser sowie zu den Schritten enthalten, die zu unternehmen sind, um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen oder eine Forderung anzumelden.
(59)Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates ausgeübt werden.
(60)Da die Ziele dieser Richtlinie von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, weil Unterschiede zwischen den nationalen Insolvenzrahmen nach wie vor Hindernisse für den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit darstellen würden, sondern vielmehr auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(61)Die Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, und zwar insbesondere mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 7 der Charta), dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten (Artikel 8 der Charta), der Berufsfreiheit und dem Recht zu arbeiten (Artikel 15 der Charta), der unternehmerischen Freiheit (Artikel 16 der Charta), dem Eigentumsrecht (Artikel 17 der Charta), dem Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Artikel 27 der Charta) und dem Recht auf ein unparteiisches Gericht (Artikel 47 Absatz 2 der Charta).
(62)Für die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Zwecke dieser Richtlinie gilt die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates. Für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Union für die Zwecke dieser Richtlinie gilt die Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates.
(63)Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates angehört und hat am [Amt für Veröffentlichungen: Datum der Veröffentlichung einfügen] eine Stellungnahme abgegeben —
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Titel I
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Artikel 1
Gegenstand und Anwendungsbereich
(1)Diese Richtlinie enthält gemeinsame Vorschriften über
a)Anfechtungsklagen;
b)die Aufspürung von zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswerten;
c)Pre-pack-Verfahren;
d)die Pflicht der Unternehmensleitung, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen;
e)vereinfachte Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen;
f)Gläubigerausschüsse;
g)die Ausarbeitung eines Merkblatts mit wesentlichen Informationen über bestimmte Elemente ihres nationalen Insolvenzrechts durch die Mitgliedstaaten.
(2)Diese Richtlinie gilt nicht für Verfahren nach Absatz 1, die folgende Schuldner betreffen:
a)Versicherungsunternehmen oder Rückversicherungsunternehmen im Sinne des Artikels 13 Nummer 1 beziehungsweise Nummer 4 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates;
b)Kreditinstitute im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates;
c)Wertpapierfirmen oder Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 2 beziehungsweise Nummer 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013;
d)zentrale Gegenparteien im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates;
e)Zentralverwahrer im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates;
f)andere Finanzinstitute und Unternehmen, die in Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates aufgeführt sind;
g)öffentliche Stellen nach nationalem Recht;
h)natürliche Personen, ausgenommen Unternehmer, und, in Bezug auf Entschuldungsverfahren, diejenigen Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter von Schuldnern in Form von Kleinstunternehmen mit unbeschränkter Haftung, die persönlich für die Schulden des Schuldners haften.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a)„Insolvenzverwalter“ einen von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren bestellten Verwalter nach Artikel 26 der Richtlinie (EU) 2019/1023;
b)„Gericht“ das Justizorgan eines Mitgliedstaats;
c)„zuständige Behörde“ eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaats, die für die Durchführung und/oder Beaufsichtigung vereinfachter Liquidationsverfahren nach Titel VI dieser Richtlinie zuständig ist;
d)„zentrale Bankkontenregister“ die nach Artikel 32a Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2015/849 eingerichteten zentralen automatischen Mechanismen wie zentrale Register oder zentrale elektronische Datenabrufsysteme;
e)„Register wirtschaftlicher Eigentümer“ die nationalen zentralen Register für Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer nach den Artikeln 30 und 31 der Richtlinie (EU) 2015/849;
f)„Rechtshandlung“ jedes menschliche Verhalten, einschließlich einer Unterlassung, das eine rechtliche Wirkung entfaltet;
g)„noch zu erfüllender Vertrag“ einen Vertrag zwischen einem Schuldner und einer oder mehreren Gegenparteien, nach dem die Parteien zum Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in der Liquidationsphase nach Titel IV noch Verpflichtungen zu erfüllen haben;
h)„Kriterium des Gläubigerinteresses“ das Kriterium, nach dem kein Gläubiger im Rahmen einer Liquidation im Pre-pack-Verfahren schlechter gestellt würde als bei Anwendung der normalen Rangfolge der Liquidationsprioritäten im Falle einer stückweisen Liquidation;
i)„Zwischenfinanzierung“ von einem bestehenden oder einem neuen Gläubiger bereitgestellte neue finanzielle Unterstützung, die mindestens finanzielle Unterstützung während des Pre-pack-Verfahrens umfasst sowie angemessen und unverzüglich notwendig ist, damit das Unternehmen des Schuldners oder ein Teil davon seinen Betrieb fortsetzen kann oder um den Wert dieses Unternehmens zu erhalten oder zu steigern;
j)„Kleinstunternehmen“ ein Kleinstunternehmen im Sinne des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission;
k)„Kleinstunternehmen mit unbeschränkter Haftung“ ein Kleinstunternehmen mit oder ohne eigene Rechtspersönlichkeit und ohne Schutz seiner Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter durch eine Haftungsbeschränkung;
l)„Unternehmer“ einen Unternehmer im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 9 der Richtlinie (EU) 2019/1023;
m)„volle Entschuldung“ den Umstand, dass entweder i) die Eintreibung ausstehender für eine Entschuldung infrage kommender Schulden gegenüber Unternehmern oder Personen, die Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter eines Kleinstunternehmens mit unbeschränkter Haftung sind und persönlich für die Schulden des Kleinstunternehmens haften, ausgeschlossen ist oder ii) ausstehende für eine Entschuldung infrage kommende Schulden als solche im Rahmen eines vereinfachten Liquidationsverfahrens erlassen werden;
n)„Tilgungsplan“ ein Programm, nach dem eine natürliche Person, die in den Genuss einer vollen Entschuldung kommt, bestimmte Beträge zu bestimmten Zeitpunkten an Gläubiger zahlen muss, oder einen Plan, in dem regelmäßige Übertragungen eines bestimmten Teils des verfügbaren Einkommens der betreffenden natürlichen Person während des Entschuldungszeitraums an Gläubiger festgelegt sind;
o)„Gläubigerausschuss“ ein nach dem anzuwendenden Insolvenzrecht gebildetes Gremium zur Vertretung von Gläubigern mit den in dem genannten Recht festgelegten Beratungs- und sonstigen Befugnissen;
p)„Pre-pack-Verfahren“ ein zügiges Liquidationsverfahren, in dem der vollständige oder teilweise Verkauf des Unternehmens des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen an den Bestbieter mit dem Ziel der Liquidation der Vermögenswerte des Schuldners infolge der festgestellten Insolvenz des Schuldners vorgesehen ist;
q)„dem Schuldner nahestehende Partei“ Personen, einschließlich juristischer Personen, die bevorzugten Zugang zu nicht öffentlichen Informationen über die Geschäfte des Schuldners haben.
Wenn der Schuldner eine natürliche Person ist, gehören zu den nahestehenden Personen insbesondere
i)
der Ehegatte oder Partner des Schuldners;
ii)
Verwandte in aufsteigender Linie, Verwandte in absteigender Linie und Geschwister des Schuldners oder des Ehegatten oder Partners und die Ehegatten oder Partner dieser Personen;
iii)
Personen, die im Haushalt des Schuldners leben;
iv)
Personen, die im Rahmen eines Arbeitsvertrags für den Schuldner arbeiten und Zugang zu nicht öffentlichen Informationen über die Geschäfte des Schuldners haben oder die anderweitig Aufgaben wahrnehmen, durch die sie Zugang zu nicht öffentlichen Informationen über die Geschäfte des Schuldners haben, einschließlich Beratern, Wirtschaftsprüfern und Notaren;
v)
juristische Personen, bei denen der Schuldner oder eine der unter den Ziffern i bis iv genannten Personen Mitglied des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans ist oder Aufgaben wahrnimmt, durch die sie Zugang zu nicht öffentlichen Informationen über die Geschäfte des Schuldners haben.
Wenn der Schuldner eine juristische Person ist, gehören zu den nahestehenden Personen insbesondere
i)
jedes Mitglied des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Schuldners;
ii)
Anteilseigner mit einer Mehrheitsbeteiligung am Schuldner;
iii)
Personen, die ähnliche Aufgaben wahrnehmen wie die Personen unter Ziffer i;
iv)
Personen, die im Sinne des Unterabsatzes 2 den unter den Ziffern i, ii und iii des vorliegenden Unterabsatzes aufgeführten Personen nahestehen.
Artikel 3
Für das Nahestehen maßgebender Zeitpunkt
Der maßgebende Zeitpunkt für die Feststellung, ob eine Partei dem Schuldner nahesteht, ist
a)für die Zwecke des Titels II der Tag, an dem die Rechtshandlung, die Gegenstand einer Anfechtungsklage ist, vollendet wurde, oder drei Monate vor Vollendung der Rechtshandlung;
b)für die Zwecke des Titels IV der Tag, an dem die Vorbereitungsphase beginnt, oder drei Monate vor Beginn der Vorbereitungsphase.
Titel II
ANFECHTUNGSKLAGEN
Kapitel 1
Allgemeine Bestimmungen über Anfechtungsklagen
Artikel 4
Allgemeine Voraussetzungen für Anfechtungsklagen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger vollendet wurden, unter den in Kapitel 2 dieses Titels festgelegten Voraussetzungen für nichtig erklärt werden können.
Artikel 5
Verhältnis zu nationalen Bestimmungen
Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Bestimmungen über die Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder Unwirksamkeit von Rechtshandlungen, die die Gesamtheit der Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzverfahrens benachteiligen, zu erlassen oder beizubehalten, wenn diese Bestimmungen die Gesamtheit der Gläubiger besser schützen als die Bestimmungen in Kapitel 2 dieses Titels.
Kapitel 2
Besondere Voraussetzungen für Anfechtungsklagen
Artikel 6
Bevorzugung
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Rechtshandlungen, die einen Gläubiger oder eine Gruppe von Gläubigern durch Befriedigung, Besicherung oder in sonstiger Weise begünstigen, für nichtig erklärt werden können, wenn sie vollendet wurden:
a)innerhalb von drei Monaten vor Einreichung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, sofern der Schuldner nicht in der Lage war, seine fälligen Schulden zu begleichen, oder
b)nach Einreichung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Wenn mehrere Personen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen denselben Schuldner eingereicht haben, ist als Beginn der Dreimonatsfrist nach Unterabsatz 1 Buchstabe a der Zeitpunkt anzusehen, zu dem der erste zulässige Antrag eingereicht wurde.
(2)Wurde eine fällige Forderung eines Gläubigers in der geschuldeten Weise befriedigt oder besichert, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Rechtshandlung nur dann für nichtig erklärt werden kann, wenn
a)die in Absatz 1 Buchstaben a bis f festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind und
b)der betreffende Gläubiger wusste oder hätte wissen müssen, dass der Schuldner nicht in der Lage war, seine fälligen Schulden zu begleichen, oder dass ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eingereicht worden war.
Das Wissen des Gläubigers nach Unterabsatz 1 Buchstabe b wird vermutet, wenn der Gläubiger eine dem Schuldner nahestehende Partei war.
(3)Abweichend von den Absätzen 1 und 2 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass folgende Rechtshandlungen nicht für nichtig erklärt werden können:
a)Rechtshandlungen, die unmittelbar gegen eine angemessene Gegenleistung zugunsten der Insolvenzmasse vorgenommen werden;
b)Zahlungen auf Wechsel oder Schecks, wenn das für Wechsel oder Scheck maßgebende Recht die Forderungen des Empfängers aus dem Wechsel oder Scheck gegen andere Wechsel- oder Scheckschuldner wie z. B. Indossanten, den Aussteller oder den Bezogenen, wenn er die Zahlung des Schuldners ablehnt, ausschließt;
c)Rechtshandlungen, die nach der Richtlinie 98/26/EG und der Richtlinie 2002/47/EG nicht Gegenstand von Anfechtungsklagen sind.
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Falle von Zahlungen auf Wechsel oder Schecks nach Unterabsatz 1 Buchstabe b der auf den Wechsel oder Scheck gezahlte Betrag vom letzten Indossanten oder, falls dieser den Wechsel für einen Dritten indossiert hat, von diesem Dritten herausgegeben wird, wenn der letzte Indossant oder der Dritte zu dem Zeitpunkt, zu dem er den Wechsel indossierte oder indossieren ließ, wusste oder hätte wissen müssen, dass der Schuldner nicht in der Lage war, seine fälligen Schulden zu begleichen, oder dass ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eingereicht worden war. Dieses Wissen wird vermutet, wenn der letzte Indossant oder der Dritte eine dem Schuldner nahestehende Partei war.
Artikel 7
Rechtshandlungen ohne Gegenleistung oder gegen eine offensichtlich nicht angemessene Gegenleistung
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Rechtshandlungen des Schuldners ohne Gegenleistung oder gegen eine offensichtlich nicht angemessene Gegenleistung für nichtig erklärt werden können, wenn sie innerhalb eines Jahres vor Einreichung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder nach Einreichung dieses Antrags vollendet wurden.
(2)Absatz 1 gilt nicht für Zuwendungen und Spenden von symbolischem Wert.
(3)Wenn mehrere Personen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen denselben Schuldner eingereicht haben, ist als Beginn der Einjahresfrist nach Absatz 1 der Zeitpunkt anzusehen, zu dem der erste zulässige Antrag eingereicht wurde.
Artikel 8
Rechtshandlungen, die die Gläubiger absichtlich benachteiligen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Rechtshandlungen, durch die der Schuldner absichtlich einen Nachteil für die Gesamtheit der Gläubiger verursacht hat, für nichtig erklärt werden können, wenn die beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a)die betreffenden Handlungen wurden entweder innerhalb von vier Jahren vor Einreichung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder nach Einreichung dieses Antrags vollendet;
b)die andere Partei der Rechtshandlung wusste oder hätte wissen müssen, dass der Schuldner die Absicht hatte, einen Nachteil für die Gesamtheit der Gläubiger zu verursachen.
Das Wissen nach Unterabsatz 1 Buchstabe b wird vermutet, wenn die andere Partei der Rechtshandlung eine dem Schuldner nahestehende Partei war.
(2)Wenn mehrere Personen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen denselben Schuldner eingereicht haben, ist als Beginn der Vierjahresfrist nach Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Zeitpunkt anzusehen, zu dem der erste zulässige Antrag eingereicht wurde.
Kapitel 3
Folgen von Anfechtungsklagen
Artikel 9
Allgemeine Folgen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Forderungen, Rechte oder Pflichten, die sich aus nach Kapitel 2 dieses Titels für nichtig erklärten Rechtshandlungen ergeben, nicht geltend gemacht werden können, um aus der betreffenden Insolvenzmasse befriedigt zu werden.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Partei, die durch die für nichtig erklärte Rechtshandlung begünstigt wurde, verpflichtet ist, den durch die betreffende Rechtshandlung verursachten Nachteil für die Gläubiger zugunsten der betreffenden Insolvenzmasse vollständig auszugleichen.
Die Tatsache, dass die Bereicherung, die sich aus der für nichtig erklärten Rechtshandlung ergibt, im Vermögen der durch diese Rechtshandlung begünstigten Partei nicht mehr vorhanden ist („Entreicherung“), kann nur geltend gemacht werden, wenn diese Partei die Umstände, auf die die Anfechtungsklage gestützt ist, weder kannte noch hätte kennen müssen.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verjährungsfrist für alle Forderungen, die sich aus der Rechtshandlung, die gegenüber der anderen Partei für nichtig erklärt werden kann, ergeben, drei Jahre ab dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beträgt.
(4)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Anspruch auf einen vollständigen Ausgleich nach Absatz 2 Unterabsatz 1 an einen Gläubiger oder einen Dritten abgetreten werden kann.
(5)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Partei, die nach Absatz 2 Unterabsatz 1 verpflichtet wurde, einen Ausgleich zugunsten der Insolvenzmasse zu leisten, diese Verpflichtung nicht mit ihren Forderungen gegen die Insolvenzmasse aufrechnen kann.
(6)Dieser Artikel berührt nicht auf das allgemeine Zivil- und Handelsrecht gestützte Klagen auf Ersatz des Schadens, der Gläubigern durch eine Rechtshandlung entstanden ist, die für nichtig erklärt werden kann.
Artikel 10
Folgen für die Partei, die durch die für nichtig erklärte Rechtshandlung begünstigt wurde
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass, sofern und soweit die Partei, die durch die für nichtig erklärte Rechtshandlung begünstigt wurde, den durch diese Rechtshandlung verursachten Nachteil zugunsten der Insolvenzmasse ausgleicht, Ansprüche dieser Partei, die durch die betreffende Rechtshandlung befriedigt wurden, wieder aufleben.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jede Gegenleistung, die die Partei, die durch die für nichtig erklärte Rechtshandlung begünstigt wurde, nach der Leistung des Schuldners im Rahmen dieser Rechtshandlung oder im sofortigen Tausch gegen sie erbracht hat, aus der Insolvenzmasse erstattet wird, soweit die Gegenleistung in der Masse noch in einer Form vorhanden ist, die vom Rest der Insolvenzmasse unterschieden werden kann, oder die Insolvenzmasse noch durch ihren Wert bereichert ist.
In allen Fällen, die nicht unter Unterabsatz 1 fallen, kann die Partei, die durch die für nichtig erklärte Rechtshandlung begünstigt wurde, einen Anspruch auf Ersatz der Gegenleistung geltend machen. Für die Zwecke der Rangfolge der Forderungen im Insolvenzverfahren wird davon ausgegangen, dass dieser Anspruch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist.
Artikel 11
Haftung Dritter
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Artikel 9 festgelegten Rechte gegenüber einem Erben oder sonstigen Gesamtrechtsnachfolger der Partei, die durch die für nichtig erklärte Rechtshandlung begünstigt wurde, wirksam sind.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Artikel 9 festgelegten Rechte auch gegenüber Einzelrechtsnachfolgern der Partei, die durch die für nichtig erklärte Rechtshandlung begünstigt wurde, wirksam sind, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
a)der Rechtsnachfolger hat den Vermögenswert ohne Gegenleistung oder gegen eine offensichtlich nicht angemessene Gegenleistung erworben;
b)der Rechtsnachfolger kannte die Umstände, auf die die Anfechtungsklage gestützt ist, oder hätte sie kennen müssen.
Die Kenntnis nach Unterabsatz 1 Buchstabe b wird vermutet, wenn der Einzelrechtsnachfolger eine Partei ist, die der Partei, die durch die für nichtig erklärte Rechtshandlung begünstigt wurde, nahesteht.
Artikel 12
Verhältnis zu anderen Rechtsakten
(1)Die Bestimmungen dieses Titels lassen die Artikel 17 und 18 der Richtlinie (EU) 2019/1023 unberührt.
Titel III
Aufspürung von zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswerten
Kapitel 1
Zugriff auf Bankkontoinformationen durch benannte Gerichte
Artikel 13
Benannte Gerichte
(1)Jeder Mitgliedstaat benennt aus dem Kreise seiner Gerichte, die für Sachen im Zusammenhang mit Restrukturierungs-, Insolvenz- oder Entschuldungsverfahren zuständig sind, die Gerichte, die befugt sind, auf sein nach Artikel 32a der Richtlinie (EU) 2015/849 eingerichtetes nationales zentrales Bankkontenregister zuzugreifen und Abfragen darin durchzuführen (im Folgenden „benannte Gerichte“).
(2)Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission bis zum [6 Monate nach Ablauf der Umsetzungsfrist] die von ihm benannten Gerichte mit und teilt der Kommission diesbezügliche Änderungen mit. Die Kommission veröffentlicht die Mitteilungen im Amtsblatt der Europäischen Union.
Artikel 14
Zugriff auf und Abfrage von Bankkontoinformationen durch benannte Gerichte
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die benannten Gerichte auf Antrag des in einem laufenden Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalters befugt sind, direkt und umgehend auf die in Artikel 32a Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2015/849 aufgeführten Bankkontoinformationen zuzugreifen und sie abzufragen, wenn dies für die Ermittlung und Aufspürung von Vermögenswerten, die zur Insolvenzmasse des Schuldners in dem betreffenden Verfahren gehören, einschließlich solcher, die Gegenstand von Anfechtungsklagen sind, erforderlich ist.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die benannten Gerichte auf Antrag des in einem laufenden Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalters befugt sind, direkt und umgehend auf Bankkontoinformationen in anderen Mitgliedstaaten, die über die nach Artikel XX der Richtlinie (EU) YYYY/XX [OP: neue Geldwäscherichtlinie] eingerichtete zentrale Zugangsstelle für Bankkontenregister verfügbar sind, zuzugreifen und sie abzufragen, wenn dies für die Ermittlung und Aufspürung von Vermögenswerten, die zur Insolvenzmasse des Schuldners in dem betreffenden Verfahren gehören, einschließlich solcher, die Gegenstand von Anfechtungsklagen sind, erforderlich ist.
(3)Die zusätzlichen Informationen, die die Mitgliedstaaten als wesentlich ansehen und nach Artikel 32a Absatz 4 der Richtlinie (EU) 2015/849 in die zentralen Bankkontenregister aufnehmen, dürfen für die benannten Gerichte nicht verfügbar und durchsuchbar sein.
(4)Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 werden der Zugriff und die Abfrage unter anderem auch dann als direkt und umgehend erachtet, wenn die nationalen Behörden, die die zentralen Bankkontenregister betreiben, die Bankkontoinformationen über einen automatisierten Mechanismus zügig den benannten Gerichten übermitteln, sofern kein zwischengeschaltetes Institut in die angeforderten Daten oder die zu übermittelnden Informationen eingreifen kann.
Artikel 15
Voraussetzungen für Zugriff und Abfrage durch benannte Gerichte
(1)Zugriffe auf und Abfragen von Bankkontoinformationen nach Artikel 14 werden nur im Einzelfall durchgeführt und sind dem innerhalb des jeweils benannten Gerichts eigens zur Wahrnehmung dieser Aufgaben bestellten und ermächtigten Personal vorbehalten.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass
a)das Personal der benannten Gerichte in Fragen der Vertraulichkeit und des Datenschutzes mit hohem professionellem Standard arbeitet, in Bezug auf seine Integrität hohen Maßstäben genügt und entsprechend qualifiziert ist;
b)technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden, um die Sicherheit der Daten für die Zwecke der Ausübung der Befugnis zum Zugriff auf und zur Abfrage von Bankkontoinformationen durch die benannten Gerichte gemäß Artikel 14 nach hohen technologischen Standards zu gewährleisten.
Artikel 16
Kontrolle von Zugriff und Abfrage durch benannte Gerichte
(1)Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Behörden, die die zentralen Bankkontenregister betreiben, sicherstellen, dass über jeden Zugriff auf und jede Abfrage von Bankkontoinformationen durch ein benanntes Gericht Protokoll geführt wird. Die Protokolle enthalten insbesondere folgende Angaben:
a)Aktenzeichen;
b)Datum und Uhrzeit der Suche oder Abfrage;
c)Art der für die Suche oder Abfrage verwendeten Daten;
d)eindeutige Kennung der Ergebnisse;
e)Name des benannten Gerichts, das Einsicht in das Register nimmt;
f)eindeutige Benutzerkennung des Bediensteten des benannten Gerichts, der die Suche oder Abfrage durchgeführt hat, und gegebenenfalls des Richters, der die Suche oder Abfrage angeordnet hat, sowie nach Möglichkeit die eindeutige Benutzerkennung des Empfängers der Ergebnisse der Suche oder Abfrage.
(2)Die Behörden, die die zentralen Bankkontenregister führen, überprüfen die in Absatz 1 genannten Protokolle regelmäßig.
(3)Die in Absatz 1 genannten Protokolle werden ausschließlich zur Überwachung der Einhaltung dieser Richtlinie und der Verpflichtungen, die sich aus den geltenden Rechtsinstrumenten der Union zum Datenschutz ergeben, verwendet. Die Überwachung umfasst auch die Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags und der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die Frage, ob die Integrität und Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten gewährleistet ist. Die Protokolle werden durch geeignete Maßnahmen vor unbefugtem Zugriff geschützt und fünf Jahre nach ihrer Erstellung gelöscht, es sei denn, sie werden für laufende Kontrollverfahren benötigt.
Kapitel 2
Zugang der Insolvenzverwalter zu Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer
Artikel 17
Zugang der Insolvenzverwalter zu Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Insolvenzverwalter bei der Ermittlung und Aufspürung von Vermögenswerten, die für das Insolvenzverfahren, für das sie bestellt wurden, relevant sind, zeitnah Zugang zu den in Artikel 30 Absatz 5 Unterabsatz 2 und Artikel 31 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Richtlinie (EU) 2015/849 genannten Informationen erhalten, die in den von den Mitgliedstaaten eingerichteten Registern wirtschaftlicher Eigentümer geführt werden und über das gemäß Artikel 30 Absatz 10 und Artikel 31 Absatz 9 der Richtlinie (EU) 2015/849 eingerichtete vernetzte System der Register wirtschaftlicher Eigentümer zugänglich sind.
(2)Wenn der Zugang der Insolvenzverwalter zu den Informationen gemäß Absatz 1 in laufenden Insolvenzverfahren für die Zwecke der Ermittlung und Aufspürung von Vermögenswerten, die zur Insolvenzmasse des Schuldners gehören, erforderlich ist, stellt er ein berechtigtes Interesse dar, beschränkt sich jedoch auf folgende Informationen:
a)Name, Geburtsmonat, Geburtsjahr, Wohnsitzland und Staatsangehörigkeit des rechtmäßigen Eigentümers;
b)Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses.
Kapitel 3
Zugang der Insolvenzverwalter zu nationalen Vermögensregistern
Artikel 18
Zugang der Insolvenzverwalter zu nationalen Vermögensregistern
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Insolvenzverwalter unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie bestellt wurden, rasch direkten Zugang zu den im Anhang aufgeführten nationalen Vermögensregistern, die in ihrem Hoheitsgebiet geführt werden, erhalten.
(2)Bezüglich des Zugangs zu den im Anhang aufgeführten nationalen Vermögensregistern stellt jeder Mitgliedstaat sicher, dass in einem anderen Mitgliedstaat bestellte Insolvenzverwalter keinen Zugangsbedingungen unterliegen, die de jure oder de facto ungünstiger sind als die Bedingungen, die den in diesem Mitgliedstaat bestellten Insolvenzverwaltern gewährt werden.
TITEL IV
PRE-PACK-VERFAHREN
Kapitel 1
Allgemeine Bestimmungen
Artikel 19
Pre-pack-Verfahren
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Pre-pack-Verfahren aus den folgenden zwei aufeinanderfolgenden Phasen besteht:
a)Vorbereitungsphase, in der versucht wird, für das Unternehmen des Schuldners oder einen Teil davon einen geeigneten Käufer zu finden;
b)Liquidationsphase, in der der Verkauf des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon genehmigt und ausgeführt und der Erlös an die Gläubiger verteilt wird.
(2)Die Pre-pack-Verfahren müssen die im vorliegenden Titel festgelegten Bedingungen erfüllen. Für alle übrigen Fragen, einschließlich der Rangfolge der Forderungen und der Regeln für die Verteilung des Erlöses, wenden die Mitgliedstaaten ihre nationalen Bestimmungen über Liquidationsverfahren an, sofern diese mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Bestimmungen des vorliegenden Titels, vereinbar sind.
Artikel 20
Bezüge zu anderen Unionsrechtsakten
(1)Die Liquidationsphase nach Artikel 19 Absatz 1 ist als Insolvenzverfahren im Sinne von Artikel 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) 2015/848 anzusehen.
Die Sachwalter nach Artikel
können als Insolvenzverwalter im Sinne von Artikel 2 Nummer 5 der Verordnung (EU) 2015/848 angesehen werden.
(2)Für die Zwecke der Anwendung von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates ist die Liquidationsphase als Konkurs- oder Insolvenzverfahren anzusehen, das mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle eröffnet wird.
Artikel 21
Gerichtliche Zuständigkeit bei Pre-pack-Verfahren
Das für Pre-pack-Verfahren zuständige Gericht hat die ausschließliche Zuständigkeit für alle Fragen, die den Umfang und die Auswirkungen des Verkaufs des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon in Pre-pack-Verfahren auf Schulden und Verbindlichkeiten im Sinne des Artikels
betreffen.
Kapitel 2
Vorbereitungsphase
Artikel 22
Sachwalter
(1)Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass das Gericht auf Antrag des Schuldners einen Sachwalter bestellt.
Mit der Bestellung des Sachwalters beginnt die in Artikel
Absatz 1 genannte Vorbereitungsphase.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Sachwalter
a)jeden Schritt des Verkaufsprozesses dokumentiert und offenlegt;
b)begründet, inwiefern der Verkaufsprozess als wettbewerbsbestimmt, transparent und fair angesehen werden kann und den Marktstandards entspricht;
c)den Bieter mit dem besten Gebot gemäß Artikel 30 als Pre-pack-Käufer vorschlägt;
d)angibt, ob das beste Gebot seiner Einschätzung nach keinen offensichtlichen Verstoß gegen das Kriterium des Gläubigerinteresses darstellt.
Der Sachwalter nimmt die in Unterabsatz 1 genannten Handlungen schriftlich vor und stellt sie allen an der Vorbereitungsphase beteiligten Parteien zeitnah in digitaler Form zur Verfügung.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Personen, die als Sachwalter bestellt werden, die beiden folgenden Bedingungen erfüllen:
a)Sie erfüllen alle in dem Mitgliedstaat, in dem das Pre-pack-Verfahren eröffnet wird, für Insolvenzverwalter geltenden Zulassungskriterien.
b)Sie können in der anschließenden Liquidationsphase tatsächlich als Insolvenzverwalter bestellt werden.
(4)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Schuldner während der Vorbereitungsphase die Kontrolle über seine Vermögenswerte und den täglichen Betrieb des Unternehmens behält.
(5)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Vergütung des Sachwalters
a)vom Schuldner geleistet wird, wenn keine Liquidationsphase folgt;
b)als bevorrechtigter Verwaltungsaufwand aus der Insolvenzmasse geleistet wird, wenn eine Liquidationsphase folgt.
Artikel 23
Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Schuldner, wenn er sich in einer Situation befindet, in der eine Insolvenz wahrscheinlich ist, oder wenn er nach nationalem Recht zahlungsunfähig ist, während der Vorbereitungsphase die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen nach den Artikeln 6 und 7 der Richtlinie (EU) 2019/1023 in Anspruch nehmen kann, sofern dies die reibungslose und wirksame Durchführung des Pre-pack-Verfahrens erleichtert. Vor der Entscheidung über die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen wird der Sachwalter angehört.
Artikel 24
Für den Verkaufsprozess geltende Grundsätze
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der im Rahmen der Vorbereitungsphase durchgeführte Verkaufsprozess wettbewerbsbestimmt, transparent und fair ist und den Marktstandards entspricht.
(2)Geht im Rahmen des Verkaufsprozesses nur ein einziges verbindliches Angebot ein, so gilt dieses als das dem Marktpreis des Unternehmens entsprechende Angebot.
(3)Die Mitgliedstaaten können von Absatz 1 nur abweichen, wenn das Gericht in der Liquidationsphase nach Artikel 26 eine öffentliche Auktion durchführt. In diesem Fall findet Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe b keine Anwendung.
Kapitel 3
Liquidationsphase
Artikel 25
Bestellung des Insolvenzverwalters
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Gericht bei Eröffnung der Liquidationsphase den in Artikel
genannten Sachwalter als Insolvenzverwalter bestellt.
Artikel 26
Genehmigung des Verkaufs des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Gericht bei Eröffnung der Liquidationsphase den Verkauf des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon an den vom Sachwalter vorgeschlagenen Käufer genehmigt, sofern in seiner Stellungnahme bestätigt wird, dass der während der Vorbereitungsphase durchgeführte Verkaufsprozess den Anforderungen des Artikels 22 Absätze 2 und 3 sowie des Artikels 24 Absätze 1 und 2 genügt.
Das Gericht genehmigt den Verkauf nicht, wenn die Anforderungen des Artikels
Absätze 2 und 3 oder des Artikels
Absätze 1 und 2 nicht erfüllt werden. In letzterem Fall stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass das Gericht das Insolvenzverfahren weiterführt.
(2)Wenden die Mitgliedstaaten Artikel 24 Absatz 3 an, muss die dort genannte öffentliche Auktion innerhalb von zwei Wochen nach Eröffnung der Liquidationsphase eingeleitet werden und darf nicht länger als vier Wochen dauern. Bei der öffentlichen Auktion wird das vom Sachwalter ausgewählte Angebot als erstes Gebot zugrunde gelegt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die dem Erstbieter in der Vorbereitungsphase gewährten Schutzmaßnahmen, wie Aufwandserstattungen oder Strafzahlungen, angemessen und verhältnismäßig sind und potenziell interessierte Parteien nicht davon abhalten, in der Liquidationsphase ein Gebot abzugeben.
Artikel 27
Abtretung oder Kündigung noch zu erfüllender Verträge
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass dem Käufer des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon die noch zu erfüllenden Verträge abgetreten werden, die für die Weiterführung der Geschäftstätigkeit des Schuldners erforderlich sind und deren Aussetzung die Geschäftstätigkeit zum Erliegen brächte. Die Zustimmung der Gegenpartei(en) des Schuldners ist für die Abtretung nicht erforderlich.
Unterabsatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Käufer des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon ein Wettbewerber der Gegenpartei(en) des Schuldners ist.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Gericht beschließen kann, noch zu erfüllende Verträge gemäß Absatz 1 Unterabsatz 1 zu kündigen, sofern eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
a)Die Kündigung liegt im Interesse des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon.
b)Der noch zu erfüllende Vertrag umfasst Gemeinwohlverpflichtungen, bei denen die Gegenpartei eine Behörde ist, und der Käufer des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon erfüllt nicht die technischen oder rechtlichen Voraussetzungen zur Erbringung der in diesem Vertrag vorgesehenen Leistungen.
Unterabsatz 1 Buchstabe a gilt nicht für noch zu erfüllende Verträge in Bezug auf Lizenzen für Rechte an geistigem oder gewerblichem Eigentum.
(3)Auf die Abtretung oder die Kündigung noch zu erfüllender Verträge ist das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, in dem die Liquidationsphase eröffnet wurde.
Artikel 28
Schulden und Verbindlichkeiten eines im Rahmen des Pre-pack-Verfahrens erworbenen Unternehmens
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Käufer das Unternehmen des Schuldners oder den betreffenden Teil davon frei von Schulden und Verbindlichkeiten erwirbt, es sei denn, der Käufer erklärt sich ausdrücklich damit einverstanden, die Schulden und Verbindlichkeiten des Unternehmens oder des betreffenden Teils davon zu tragen.
Artikel 29
Besondere Vorschriften für die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Gerichts, die die Genehmigung oder Ausführung des Verkaufs des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon betreffen, nur dann aufschiebende Wirkung haben, wenn der Rechtsmittelführer eine Sicherheit leistet, die ausreicht, um den durch die Aussetzung des Verkaufs möglicherweise verursachten Schaden zu decken.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Rechtsmittelgericht die das Rechtsmittel einlegende natürliche Person ganz oder teilweise von der Leistung einer Sicherheit befreien kann, wenn es eine solche Befreiung angesichts der Umstände des Einzelfalls für angemessen hält.
Kapitel 4
Für beide Phasen des Pre-pack-Verfahrens geltende Bestimmungen
Artikel 30
Kriterien für die Auswahl des besten Angebots
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Kriterien für die Auswahl des besten Gebots im Pre-pack-Verfahren den Kriterien entsprechen, die in Liquidationsverfahren für die Wahl zwischen konkurrierenden Angeboten angewendet werden.
Artikel 31
Zivilrechtliche Haftung des Sachwalters und des Insolvenzverwalters
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Sachwalter und der Insolvenzverwalter für Schäden haften, die Gläubigern und von dem Pre-pack-Verfahren betroffenen Dritten durch die Nichterfüllung ihrer Pflichten aus diesem Titel entstehen.
Artikel 32
Dem Schuldner nahestehende Parteien im Verkaufsprozess
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass dem Schuldner nahestehende Parteien berechtigt sind, das Unternehmen des Schuldners oder einen Teil davon zu erwerben, sofern die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a)Die betreffenden Parteien weisen den Sachwalter und das Gericht zeitnah auf ihre Beziehung zum Schuldner hin.
b)Die anderen am Verkaufsprozess beteiligten Parteien werden angemessen über die dem Schuldner nahestehenden Parteien und deren Beziehung zum Schuldner unterrichtet.
c)Die dem Schuldner nicht nahestehenden Parteien erhalten ausreichend Zeit zur Abgabe eines Angebots.
Wurde die in Unterabsatz 1 Buchstabe a genannte Offenlegungspflicht nachweislich verletzt, können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass das Gericht die in Artikel
genannten Vorteile widerruft.
(2)Bildet das Angebot einer dem Schuldner nahestehenden Partei das einzige Angebot, sehen die Mitgliedstaaten zusätzliche Schutzmaßnahmen für die Genehmigung und Ausführung des Verkaufs des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon vor. Diese Schutzmaßnahmen umfassen mindestens die Verpflichtung des Sachwalters oder Insolvenzverwalters, das Angebot der dem Schuldner nahestehenden Partei abzulehnen, wenn es das Kriterium des Gläubigerinteresses nicht erfüllt.
Artikel 33
Maßnahmen zur Wertmaximierung des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon
(1)Ist eine Zwischenfinanzierung erforderlich, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass
a)der Sachwalter beziehungsweise der Insolvenzverwalter für eine möglichst günstige Zwischenfinanzierung sorgt;
b)die Zahlungen an Geber von Zwischenfinanzierungen bei späteren Insolvenzverfahren vorrangig geleistet werden, auch wenn andere Gläubiger höher- oder gleichrangige Forderungen haben;
c)den Gebern von Zwischenfinanzierungen Sicherungsrechte am Verkaufserlös gewährt werden können, um die Rückzahlung zu sichern;
d)Zwischenfinanzierungen, die von interessierten Bietern gewährt wurden, mit dem Preis verrechnet werden dürfen, der im Rahmen des erfolgreichen Angebots zu zahlen ist.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Bietern keine Vorkaufsrechte eingeräumt werden.
(3)Wenn in Bezug auf das dem Pre-pack-Verfahren unterliegende Unternehmen Sicherungsrechte bestehen, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Gläubiger, die diese Sicherungsrechte genießen, ihre Forderungen nur unter der Voraussetzung mit ihrem Angebot verrechnen können, dass der Wert dieser Forderungen deutlich unter dem Marktwert des Unternehmens liegt.
Artikel 34
Schutz der Gläubigerinteressen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Gläubiger und Anteilseigner des Unternehmens des Schuldners berechtigt sind, vor der Genehmigung oder Ausführung des Verkaufs des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon vor Gericht gehört zu werden.
Die Mitgliedstaaten legen detaillierte Vorschriften fest, um das Recht auf rechtliches Gehör nach Unterabsatz 1 wirksam zu gewährleisten.
(2)Abweichend von Absatz 1 können die Mitgliedstaaten in ihren Rechtsvorschriften für die folgenden Personen kein Recht auf rechtliches Gehör vorsehen:
a)Gläubiger oder Anteilseigner, denen nach nationalem Recht nach der normalen Rangfolge der Liquidationsprioritäten keine Zahlung oder Beteiligung zusteht;
b)Gläubiger im Rahmen von noch zu erfüllenden Verträgen, deren Forderungen gegen den Schuldner vor der Genehmigung des Verkaufs des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon entstanden und nach den Bedingungen des Pre-pack-Angebots vollständig zu begleichen sind.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die Freigabe der Sicherungsrechte im Pre-pack-Verfahren die gleichen Voraussetzungen gelten wie in Liquidationsverfahren.
(4)Mitgliedstaaten, nach deren Rechtsvorschriften in Liquidationsverfahren für die Freigabe von Sicherungsrechten die Zustimmung der Inhaber gesicherter Forderungen erforderlich ist, können von dieser Zustimmung abweichen, sofern sich die Sicherungsrechte auf Vermögenswerte beziehen, die für die Weiterführung des täglichen Betriebs des Unternehmens des Schuldners oder eines Teils davon erforderlich sind, und eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
a)Die Gläubiger der gesicherten Forderungen weisen nicht nach, dass das Pre-pack-Angebot das Kriterium des Gläubigerinteresses nicht erfüllt.
b)Die Gläubiger der gesicherten Forderungen haben weder direkt noch oder über einen Dritten ein verbindliches Kaufangebot eingereicht, auf dessen Grundlage mit der Insolvenzmasse eine bessere Verwertung erzielt werden kann als mit dem vorgeschlagenen Pre-pack-Angebot.
Artikel 35
Auswirkungen wettbewerbsrechtlicher Verfahren auf den Zeitpunkt der Einreichung oder den Erfolg eines Gebots
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Sachwalter die Einreichung weiterer Gebote erleichtert, wenn in Bezug auf ein in der Vorbereitungsphase eingegangenes Angebot infolge eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens eine erhebliche Gefahr einer Verzögerung oder einer ablehnenden Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde besteht.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Sachwalter über die anwendbaren wettbewerbsrechtlichen Verfahren, die sich auf den Zeitpunkt oder den Erfolg des Gebots auswirken können, und über deren Ergebnisse unterrichtet werden kann, insbesondere durch die Offenlegung von Informationen durch die Bieter oder gegebenenfalls durch die Gewährung eines Verzichts auf den Informationsaustausch mit den Wettbewerbsbehörden. In diesem Zusammenhang unterliegt der Sachwalter einer uneingeschränkten Geheimhaltungspflicht.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Angebot unberücksichtigt bleiben kann, wenn in Bezug auf dieses Angebot eine erhebliche Gefahr einer Verzögerung nach Absatz 1 besteht, sofern die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a)Das betreffende Angebot ist nicht das einzige bestehende Angebot.
b)Durch die Verzögerung des Abschlusses des Pre-pack-Verkaufs mit dem betreffenden Bieter entstünde dem Unternehmen des Schuldners oder einem Teil davon ein Schaden.
Titel V
PFLICHT DER UNTERNEHMENSLEITUNG, DIE ERÖFFNUNG EINES INSOLVENZVERFAHRENS ZU BEANTRAGEN, UND ZIVILRECHTLICHE HAFTUNG
Artikel 36
Pflicht zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer juristischen Person die Unternehmensleitung verpflichtet ist, spätestens drei Monate, nachdem sie Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person erlangt hat oder vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie Kenntnis davon erlangt hat, beim Gericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen.
Artikel 37
Zivilrechtliche Haftung der Unternehmensleitung
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Unternehmensleitung der zahlungsunfähigen juristischen Person für Schäden haftet, die Gläubigern aufgrund der Nichterfüllung der Verpflichtung nach Artikel 36 entstehen.
(2)Absatz 1 gilt unbeschadet strengerer nationaler Vorschriften über die zivilrechtliche Haftung bei der Verletzung der Pflicht der Unternehmensleitung, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß Artikel 36 zu beantragen.
Titel VI
LIQUIDATION ZAHLUNGSUNFÄHIGER KLEINSTUNTERNEHMEN
Kapitel 1
Allgemeine Bestimmungen
Artikel 38
Bestimmungen für die Liquidation von Kleinstunternehmen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zahlungsunfähige Kleinstunternehmen Zugang zu vereinfachten Liquidationsverfahren erhalten, die den Bestimmungen dieses Titels entsprechen.
(2)Ein Kleinstunternehmen gilt für die Zwecke des vereinfachten Liquidationsverfahrens als zahlungsunfähig, wenn es generell nicht in der Lage ist, seine Schulden bei Fälligkeit zu begleichen. Die Mitgliedstaaten legen fest, unter welchen Bedingungen davon auszugehen ist, dass ein Kleinstunternehmen generell nicht in der Lage ist, seine Schulden bei Fälligkeit zu begleichen, und stellen sicher, dass diese Bedingungen klar, einfach und für das betreffende Kleinstunternehmen leicht feststellbar sind.
(3)Die Eröffnung und Durchführung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens darf nicht mit der Begründung verweigert werden, dass der Schuldner über keine Vermögenswerte verfügt oder seine Vermögenswerte nicht ausreichen, um die Kosten des vereinfachten Liquidationsverfahrens zu decken.
(4)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Kosten des vereinfachten Liquidationsverfahrens in Situationen nach Absatz 3 gedeckt werden.
Artikel 39
Insolvenzverwalter
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei vereinfachten Liquidationsverfahren ein Insolvenzverwalter nur bestellt werden kann, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a)Der Schuldner, ein Gläubiger oder eine Gruppe von Gläubigern haben eine solche Bestellung beantragt.
b)Die Kosten für das Eingreifen des Insolvenzverwalters können aus der Insolvenzmasse oder von der Partei finanziert werden, die die Bestellung beantragt hat.
Artikel 40
Kommunikationsmittel
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei vereinfachten Liquidationsverfahren die gesamte Kommunikation zwischen der zuständigen Behörde und gegebenenfalls dem Insolvenzverwalter einerseits und den Verfahrensparteien andererseits gemäß Artikel 28 der Richtlinie (EU) 2019/1023 auf elektronischem Wege erfolgen kann.
Kapitel 2
Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens
Artikel 41
Antrag auf Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zahlungsunfähige Kleinstunternehmen bei einer zuständigen Behörde die Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens beantragen können.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jeder Gläubiger eines zahlungsunfähigen Kleinstunternehmens bei einer zuständigen Behörde die Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens in Bezug auf das Kleinunternehmen beantragen kann. Das betreffende Kleinstunternehmen erhält Gelegenheit, diesem Antrag zu widersprechen oder zuzustimmen.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kleinstunternehmen die Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens mittels eines Standardformulars beantragen können.
(4)Das Standardformular nach Absatz 3 ermöglicht unter anderem die folgenden Angaben:
a)Name, Registernummer, Sitz oder, sofern davon abweichend, Postanschrift des Schuldners, wenn es sich bei dem Kleinstunternehmen um eine juristische Person handelt;
b)Name, gegebenenfalls Registernummer sowie Postanschrift des Schuldners oder, falls die Anschrift geschützt ist, Geburtsort und Geburtsdatum des Schuldners, wenn es sich bei dem Kleinstunternehmen um einen Einzelunternehmer handelt;
c)Verzeichnis der Vermögenswerte des Kleinstunternehmens;
d)Name, Anschrift oder sonstige Kontaktdaten der Gläubiger des Kleinstunternehmens, die dem Kleinstunternehmen zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen;
e)Verzeichnis der Forderungen gegenüber dem Kleinstunternehmen, wobei für jede Forderung der Betrag, die Hauptforderung und gegebenenfalls die Zinsen sowie der Entstehungszeitpunkt der Forderung und, sofern davon abweichend, das Fälligkeitsdatum angegeben wird;
f)Angabe, ob für eine bestimmte Forderung eine dingliche Sicherheit oder ein Eigentumsvorbehalt geltend gemacht wird und, wenn ja, welche Vermögenswerte Gegenstand der Sicherheit sind.
(5)Die Kommission legt das in Absatz 3 genannte Standardformular im Wege von Durchführungsrechtsakten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 69 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
(6)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Kleinstunternehmen, wenn der Antrag auf Eröffnung des vereinfachten Liquidationsverfahrens von einem Gläubiger gestellt wird und es der Eröffnung des Verfahrens zustimmt, verpflichtet ist, zusammen mit seiner Antwort nach Absatz 2 die in Absatz 4 aufgeführten Informationen vorzulegen, soweit ihm diese vorliegen.
(7)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Kleinstunternehmen, wenn der Antrag auf Eröffnung des vereinfachten Liquidationsverfahrens von einem Gläubiger gestellt wird und die zuständige Behörde ungeachtet seines Widerspruchs oder bei Ausbleiben seiner Antwort das Verfahren eröffnet, verpflichtet ist, die in Absatz 4 aufgeführten Informationen spätestens zwei Wochen nach Eingang der Mitteilung über die Verfahrenseröffnung vorzulegen.
Artikel 42
Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde spätestens zwei Wochen nach Eingang des Antrags auf Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens über den Antrag entscheidet.
(2)Die Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens kann nur abgelehnt werden, wenn eine oder mehrere der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a)Der Schuldner ist kein Kleinstunternehmen.
b)Der Schuldner ist nach Artikel 38 Absatz 2 dieser Richtlinie nicht zahlungsunfähig.
c)Die zuständige Behörde, bei der der Antrag gestellt wurde, ist für den Fall nicht zuständig.
d)Der Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, hat nicht die internationale Zuständigkeit für den Fall.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Kleinstunternehmen sowie jeder Gläubiger des Kleinstunternehmens die Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des vereinfachten Liquidationsverfahrens vor Gericht anfechten kann. Die Anfechtung hat keine aufschiebende Wirkung für die Eröffnung des vereinfachten Liquidationsverfahrens und wird vom Gericht unverzüglich bearbeitet.
Artikel 43
Schuldner in Eigenverwaltung
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldner, die vereinfachte Liquidationsverfahren in Anspruch nehmen, unter den in den Absätzen 2, 3 und 4 genannten Bedingungen die Kontrolle über ihre Vermögenswerte und den täglichen Betrieb des Unternehmens behalten.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde im Fall der Bestellung eines Insolvenzverwalters in der Entscheidung über die Bestellung festlegt, ob die Rechte und Pflichten zur Verwaltung und Veräußerung des Vermögens des Schuldners auf den Insolvenzverwalter übertragen werden.
(3)Die Mitgliedstaaten legen die Umstände fest, unter denen die zuständige Behörde in Ausnahmefällen beschließen kann, dem Schuldner das Recht auf Verwaltung und Veräußerung seiner Vermögenswerte zu entziehen. Dieser Beschluss muss auf einer Einzelfallprüfung beruhen, bei der allen relevanten rechtlichen und tatsächlichen Umständen Rechnung getragen wird.
(4)Falls dem Schuldner das Recht auf Verwaltung und Veräußerung seiner Vermögenswerte entzogen wurde und kein Insolvenzverwalter bestellt wurde, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass
a)jede diesbezügliche Entscheidung des Schuldners der Genehmigung der zuständigen Behörde unterliegt oder
b)die zuständige Behörde das Recht auf Verwaltung und Veräußerung der Vermögenswerte des Schuldners einem Gläubiger überträgt.
Artikel 44
Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldnern, sobald die zuständige Behörde die Eröffnung des vereinfachten Liquidationsverfahrens beschließt, bis zum Abschluss dieses Verfahrens eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gewährt wird.
(2)Die Mitgliedstaaten können die zuständige Behörde ermächtigen, auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers eine Forderung vom Anwendungsbereich der Aussetzung der Einzelvollstreckungsmaßnahmen auszunehmen, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a)Die Vollstreckung der Forderung wird die berechtigten Erwartungen der Gesamtheit der Gläubiger voraussichtlich nicht gefährden.
b)Der Gläubiger dieser Forderung würde durch die Aussetzung in unangemessener Weise benachteiligt.
Artikel 45
Öffentlichkeit der Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Informationen zum vereinfachten Liquidationsverfahren so bald wie möglich nach seiner Eröffnung in dem in Artikel 24 der Verordnung (EU) 2015/848 genannten Insolvenzregister veröffentlicht werden.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde den Schuldner und alle bekannten Gläubiger im Wege individueller Mitteilungen von der Eröffnung des vereinfachten Liquidationsverfahrens in Kenntnis setzt.
Diese Mitteilung umfasst insbesondere:
a)das vom Schuldner aufgestellte Verzeichnis der ihn betreffenden Forderungen;
b)eine Aufforderung an den Gläubiger, spätestens 30 Tage nach Eingang der Mitteilung etwaige Forderungen, die nicht in dem unter Buchstabe a genannten Verzeichnis aufgeführt sind, anzumelden und unrichtige Angaben zu den gelisteten Forderungen zu berichtigen;
c)einen Hinweis für den Gläubiger, dass seine in dem unter Buchstabe a genannten Verzeichnis aufgeführten Forderungen, wenn er nicht tätig wird, als von ihm angemeldet gelten.
Kapitel 3
Forderungsverzeichnis und Feststellung der Insolvenzmasse
Artikel 46
Anmeldung und Feststellung von Forderungen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Forderungen gegen den Schuldner ohne weitere Maßnahmen seitens der betreffenden Gläubiger als angemeldet gelten, wenn der Schuldner diese Forderungen in einer der folgenden Eingaben angegeben hat:
a)in seinem Antrag auf Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens;
b)in seiner Antwort auf den Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung eines solchen Verfahrens;
c)in seiner Eingabe nach Artikel 41 Absatz 7.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jeder Gläubiger innerhalb von 30 Tagen nach Veröffentlichung des Datums der Eröffnung des vereinfachten Liquidationsverfahrens im Insolvenzregister oder – im Falle eines bekannten Gläubigers – nach Eingang der individuellen Mitteilung nach Artikel 45, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist, Forderungen anmelden kann, die nicht in den in Absatz 1 genannten Eingaben enthalten sind, oder hinsichtlich der in einer dieser Eingaben enthaltenen Forderungen Einwände erheben oder Bedenken äußern kann.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Forderung, die in den in Absatz 1 genannten Eingaben enthalten ist, als unbestritten gilt, wenn innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist seitens eines Gläubigers keine Einwände erhoben oder Bedenken geäußert wurden, und dass sie entsprechend festgestellt wird.
(4)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde oder – falls bestellt – der Insolvenzverwalter Forderungen eines Gläubigers, die über die in Absatz 1 genannten Forderungen hinausgehen, im Einklang mit Absatz 2 und den im nationalen Recht festgelegten geeigneten Kriterien feststellen oder deren Feststellung verweigern kann.
(5)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass sich entweder die zuständige Behörde oder ein Gericht unverzüglich mit den Forderungen befassen. Die zuständige Behörde kann beschließen, das vereinfachte Liquidationsverfahren in Bezug auf unbestrittene Forderungen fortzusetzen.
Artikel 47
Anfechtungsklagen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Vorschriften über Anfechtungsklagen in vereinfachten Liquidationsverfahren wie folgt Anwendung finden:
a)Die Verfolgung und Durchsetzung von Anfechtungsklagen ist nicht zwingend, sondern liegt im Ermessen der Gläubiger oder gegebenenfalls des Insolvenzverwalters.
b)Die Entscheidung der Gläubiger, keine Anfechtungsklagen einzuleiten, berührt nicht die zivil- oder strafrechtliche Haftung des Schuldners, wenn später festgestellt wird, dass die vom Schuldner übermittelten Informationen über Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten gefälscht wurden oder Informationen verheimlicht wurden.
c)Die zuständige Behörde kann vereinfachte Liquidationsverfahren in ein normales Insolvenzverfahren umwandeln, wenn die Durchführung von Anfechtungsverfahren im Rahmen eines vereinfachten Liquidationsverfahrens aufgrund der Bedeutung der zugrundeliegenden Forderungen im Verhältnis zum Wert der Insolvenzmasse und aufgrund der voraussichtlichen Dauer des Anfechtungsverfahrens nicht möglich wäre.
Artikel 48
Feststellung der Insolvenzmasse
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde oder – falls bestellt – der Insolvenzverwalter das endgültige Verzeichnis der Vermögenswerte, die die Insolvenzmasse bilden, auf der Grundlage des vom Schuldner nach Artikel 41 Absatz 4 Buchstabe c vorgelegten Verzeichnisses der Vermögenswerte und der anschließend erhaltenen einschlägigen zusätzlichen Informationen festlegt.
(2)Zu den Vermögenswerten der Insolvenzmasse gehören Vermögenswerte, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des vereinfachten Liquidationsverfahrens im Besitz des Schuldners befanden, Vermögenswerte, die nach der Stellung des Antrags auf Eröffnung eines solchen Verfahrens erworben wurden, sowie Vermögenswerte, die im Wege von Anfechtungs- oder andere Klagen beigetrieben wurden.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen in dem Falle, dass der Schuldner ein Unternehmer ist, sicher, dass die zuständige Behörde oder – falls bestellt – der Insolvenzverwalter festlegt, welche Vermögenswerte aus der Insolvenzmasse ausgeschlossen sind und daher beim Schuldner verbleiben können.
Kapitel 4
Verwertung der Vermögenswerte und Verteilung des Erlöses
Artikel 49
Entscheidung über das anzuwendende Verfahren
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde im vereinfachten Liquidationsverfahren, sobald die Insolvenzmasse festgestellt und das Verzeichnis der Forderungen gegen den Schuldner erstellt wurde,
a)die Verwertung der Vermögenswerte und die Verteilung des Erlöses vornimmt oder
b)nach Absatz 2 beschließt, das vereinfachte Liquidationsverfahren ohne Verwertung der Vermögenswerte abzuschließen.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde nur dann den sofortigen Abschluss des vereinfachten Liquidationsverfahrens ohne Verwertung der Vermögenswerte beschließen kann, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
a)Die Insolvenzmasse enthält keine Vermögenswerte.
b)Die Vermögenswerte der Insolvenzmasse sind von so geringem Wert, dass die Kosten und der Zeitaufwand für ihre Veräußerung und die Verteilung des Erlöses nicht gerechtfertigt wären.
c)Der offensichtliche Wert belasteter Vermögenswerte ist niedriger als der Betrag, der dem/den gesicherten Gläubiger(n) geschuldet wird, sodass die zuständige Behörde es für gerechtfertigt hält, dem/den gesicherten Gläubiger(n) die Übernahme des Vermögenswertes/der Vermögenswerte zu gestatten.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde, wenn sie die Verwertung der in Absatz 1 Buchstabe a genannten Vermögenswerte des Schuldners vornimmt, auch festlegt, wie die Verwertung erfolgen soll. Andere Verwertungsweisen als die Veräußerung der Vermögenswerte des Schuldners im Wege einer elektronischen öffentlichen Auktion kommen nur in Betracht, wenn sie in Anbetracht der Beschaffenheit der Vermögenswerte oder der Umstände des Verfahrens als angemessener erachtet werden.
Artikel 50
Elektronische Auktionssysteme für die Veräußerung der Vermögenswerte des Schuldners
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in ihrem Hoheitsgebiet eine oder mehrere elektronische Auktionsplattformen zum Zwecke der Veräußerung der Vermögenswerte der Insolvenzmasse in vereinfachten Liquidationsverfahren eingerichtet und unterhalten werden.
Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass Nutzer zum Zwecke der Veräußerung der Vermögenswerte des Schuldners auch Angebote für den Erwerb des Unternehmens des Schuldners als laufendes Unternehmen abgeben können.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Absatz 1 genannten elektronischen Auktionsplattformen immer dann genutzt werden, wenn das Unternehmen oder die Vermögenswerte des Schuldners, die Gegenstand eines vereinfachten Liquidationsverfahrens sind, im Wege der Auktion verwertet werden.
(3)Die Mitgliedstaaten können die Nutzung der in Absatz 1 genannten elektronischen Auktionssysteme auf die Veräußerung von Unternehmen oder Vermögenswerten des Schuldners ausweiten, die Gegenstand anderer Arten von Insolvenzverfahren sind, die in ihrem Hoheitsgebiet eröffnet wurden.
(4)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Absatz 1 genannten elektronischen Auktionsplattformen für alle natürlichen und juristischen Personen mit Wohnsitz oder eingetragenem Sitz in ihrem Hoheitsgebiet oder im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zugänglich sind. Der Zugang zum Auktionssystem kann einer elektronischen Identifizierung des Nutzers unterliegen, wobei Personen mit Wohnsitz oder eingetragenem Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ihre nationalen elektronischen Identifizierungssysteme gemäß der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 nutzen können.
Artikel 51
Vernetzung der elektronischen Auktionssysteme
(1)Die Kommission richtet im Wege von Durchführungsrechtsakten ein System für die Vernetzung der nationalen elektronischen Auktionssysteme nach Artikel 50 ein. Das System besteht aus nationalen elektronischen Auktionssystemen, die über das Europäische Justizportal vernetzt sind, das als zentraler elektronischer Zugangspunkt im System dient. Das System enthält in allen Amtssprachen der Union Informationen über alle auf nationalen elektronischen Auktionsplattformen angekündigten Auktionsverfahren, ermöglicht Suchen zwischen diesen Verfahren und enthält Hyperlinks, die zu den Seiten der nationalen Systeme führen, auf denen Angebote direkt eingereicht werden können.
(2)Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten technische Spezifikationen und Verfahren fest, die erforderlich sind, um die Vernetzung der nationalen elektronischen Auktionssysteme der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, insbesondere:
a)die technische(n) Spezifikation(en) für die elektronische Kommunikation und den elektronischen Informationsaustausch auf der Grundlage der festgelegten Schnittstellenspezifikation für das System zur Vernetzung der elektronischen Auktionssysteme;
b)die technischen Maßnahmen, durch die die IT-Mindestsicherheitsstandards für die Übermittlung und Verbreitung von Informationen innerhalb des Systems zur Vernetzung der elektronischen Auktionssysteme gewährleistet werden;
c)die Mindestinformationen, die über die zentrale Plattform zugänglich gemacht werden müssen;
d)die Mindestkriterien für die Präsentation angekündigter Auktionsverfahren über das Europäische Justizportal;
e)die Mindestkriterien für die Suche nach angekündigten Auktionsverfahren über das Europäische Justizportal;
f)Mindestkriterien für die Verweisung der Nutzer an die Plattform des nationalen Auktionssystems des betreffenden Mitgliedstaats, auf der sie ihre Angebote direkt im angekündigten Auktionsverfahren einreichen können;
g)die Mittel und technischen Voraussetzungen für die Verfügbarkeit der durch das System zur Vernetzung der elektronischen Auktionssysteme angebotenen Dienste;
h)die Verwendung der europäischen einheitlichen Kennung nach Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2017/1132;
i)Angabe, auf welche personenbezogenen Daten zugegriffen werden kann;
j)Datenschutzgarantien.
Diese Durchführungsrechtsakte werden bis spätestens [ein Jahr nach Ablauf der Umsetzungsfrist] nach dem in Artikel 69 Absatz
genannten Prüfverfahren erlassen.
Artikel 52
Kosten für die Einrichtung und Vernetzung elektronischer Auktionssysteme
(1)Die Einrichtung, Instandhaltung und Weiterentwicklung des Systems zur Vernetzung der elektronischen Auktionssysteme nach Artikel 50 wird aus dem Gesamthaushalt der Union finanziert.
(2)Jeder Mitgliedstaat trägt die Kosten für die Einrichtung und Anpassung seiner nationalen elektronischen Auktionssysteme für deren Interoperabilität mit dem Europäischen Justizportal sowie die Kosten für die Verwaltung, den Betrieb und die Instandhaltung dieser Systeme. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, Zuschüsse zur Unterstützung dieser Vorhaben im Rahmen der Finanzierungsprogramme der Union zu beantragen.
Artikel 53
Zuständigkeiten der Kommission im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten im System der Vernetzung elektronischer Auktionsplattformen
(1)Die Kommission nimmt die Aufgaben des Verantwortlichen nach Artikel 3 Absatz 8 der Verordnung (EU) 2018/1725 im Einklang mit den diesbezüglich in diesem Artikel festgelegten Aufgaben wahr.
(2)Die Kommission legt die notwendigen Maßnahmen fest und wendet die notwendigen technischen Lösungen an, um ihre Aufgaben im Aufgabenbereich des Verantwortlichen zu erfüllen.
(3)Die Kommission setzt die technischen Maßnahmen um, die erforderlich sind, um die Sicherheit der personenbezogenen Daten bei der Übermittlung, insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit bei der Übermittlung zum und vom Europäischen Justizportal, zu gewährleisten.
(4)Für Informationen aus den vernetzten nationalen Auktionssystemen gilt, dass keine personenbezogenen Daten von betroffenen Personen im Europäischen Justizportal gespeichert werden. Sämtliche derartige Daten werden in den von den Mitgliedstaaten oder anderen Stellen betriebenen nationalen Auktionssystemen gespeichert.
Artikel 54
Veräußerung der Vermögenswerte im Wege der elektronischen Auktion
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die elektronische Auktion von Vermögenswerten der Insolvenzmasse in vereinfachten Liquidationsverfahren rechtzeitig im Voraus auf der in Artikel 50 genannten elektronischen Auktionsplattform bekanntgegeben wird.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde oder gegebenenfalls der Insolvenzverwalter alle bekannten Gläubiger durch individuelle Mitteilungen über Gegenstand, Uhrzeit und Datum der elektronischen Auktion sowie über die Anforderungen für die Teilnahme daran unterrichtet.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle interessierten Personen, einschließlich der vorhandenen Anteilseigner oder Mitglieder der Unternehmensleitung des Schuldners, an der elektronischen Auktion teilnehmen und Angebote abgeben dürfen.
(4)Gibt es Angebote sowohl für den Erwerb des Unternehmens des Schuldners als laufendes Unternehmen als auch für die einzelnen Vermögenswerte der Insolvenzmasse, so entscheiden die Gläubiger, welche der Alternativen sie bevorzugen.
Artikel 55
Entscheidung über den Abschluss des vereinfachten Liquidationsverfahrens
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Behörde spätestens zwei Wochen nach der erfolgten Verteilung des Erlöses aus der Veräußerung des Unternehmens oder der Vermögenswerte des Schuldners eine Entscheidung über den Abschluss des vereinfachten Liquidationsverfahrens trifft.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in der Entscheidung über den Abschluss des vereinfachten Liquidationsverfahrens die Frist für die Entschuldung des Unternehmerschuldners oder derjenigen Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter eines Kleinstunternehmens mit unbeschränkter Haftung, die persönlich für die Schulden des Schuldners haften, angegeben wird.
Kapitel 5
Entschuldung von Unternehmern im vereinfachten Liquidationsverfahren
Artikel 56
Zugang zur Entschuldung
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in vereinfachten Liquidationsverfahren Unternehmerschuldner sowie diejenigen Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter eines Kleinstunternehmens mit unbeschränkter Haftung, die persönlich für die Schulden des Kleinstunternehmens haften, im Einklang mit Titel III der Richtlinie (EU) 2019/1023 in vollem Umfang entschuldet werden.
Artikel 57
Handhabung persönlicher Bürgschaften für unternehmensbezogene Schulden
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen ein Insolvenzverfahren oder Einzelvollstreckungsverfahren betreffend die persönliche Bürgschaft für die geschäftlichen Bedürfnisse eines Kleinstunternehmens, das Schuldner in einem vereinfachten Liquidationsverfahren ist, gegen einen Bürgen eingeleitet wurde, der – falls es sich bei dem betreffenden Kleinstunternehmen um eine juristische Person handelt – Gründer, Eigentümer oder Mitglied dieser juristischen Person oder – falls es sich bei dem betreffenden Kleinstunternehmen um einen Unternehmer handelt – ein Familienmitglied dieses Unternehmers ist, das Verfahren betreffend die persönliche Bürgschaft entweder mit dem vereinfachten Liquidationsverfahren koordiniert oder zusammengelegt wird.
Titel VII
GLÄUBIGERAUSSCHUSS
Kapitel 1
Einsetzung und Mitglieder des Gläubigerausschusses
Artikel 58
Einsetzung des Gläubigerausschusses
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Gläubigerausschuss ausschließlich auf Beschluss der Gläubigerversammlung eingesetzt wird.
(2)Abweichend von Absatz 1 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der Gläubigerausschuss mit der Einreichung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingesetzt werden kann, wenn ein oder mehrere Gläubiger beim Gericht die Einsetzung des Ausschusses beantragen.
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die erste Gläubigerversammlung über die Fortführung und die Zusammensetzung des nach Unterabsatz 1 eingesetzten Gläubigerausschusses entscheidet.
(3)Die Mitgliedstaaten können im nationalen Recht die Möglichkeit ausschließen, in Insolvenzverfahren einen Gläubigerausschuss einzusetzen, wenn die Gesamtkosten der Beteiligung eines solchen Ausschusses angesichts der geringen wirtschaftlichen Bedeutung der Insolvenzmasse, der geringen Zahl von Gläubigern oder des Umstands, dass es sich beim Schuldner um ein Kleinstunternehmen handelt, nicht gerechtfertigt sind.
Artikel 59
Ernennung der Mitglieder des Gläubigerausschusses
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses entweder auf der Gläubigerversammlung oder durch Gerichtsbeschluss innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung des Verfahrens gemäß Artikel 24 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2015/848 ernannt werden.
(2)Werden die Mitglieder des Gläubigerausschusses auf der Gläubigerversammlung ernannt, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass das Gericht die Ernennung innerhalb von fünf Tagen ab dem Tag, an dem die Ernennung dem Gericht mitgeteilt wird, bestätigt.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die ernannten Mitglieder des Gläubigerausschusses die unterschiedlichen Interessen der Gläubiger oder Gläubigergruppen angemessen widerspiegeln.
(4)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Gläubiger, deren Forderungen nur vorläufig festgestellt wurden, sowie Gläubiger mit Schuldnern in anderen Mitgliedstaaten ebenfalls zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses ernannt werden können.
(5)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jede interessierte Partei die Ernennung eines oder mehrerer Mitglieder des Gläubigerausschusses vor Gericht unter Berufung darauf anfechten kann, dass die Ernennung nicht im Einklang mit dem geltenden Recht erfolgt ist.
Artikel 60
Pflichten von Gläubigern als Mitglieder des Gläubigerausschusses
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses ausschließlich die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger vertreten und unabhängig vom Insolvenzverwalter agieren.
Abweichend vom vorangehenden Unterabsatz können die Mitgliedstaaten nationale Bestimmungen beibehalten, die die Einsetzung von mehreren Gläubigerausschüssen ermöglichen, die verschiedene Gläubigergruppen in demselben Insolvenzverfahren vertreten. Im diesem Fall vertreten die Mitglieder des Gläubigerausschusses ausschließlich die Interessen der Gläubiger, die sie ernannt haben.
(2)Der Gläubigerausschuss kommt seinen Pflichten gegenüber allen von ihm vertretenen Gläubigern nach.
Artikel 61
Zahl der Mitglieder
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Zahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses mindestens 3 beträgt und 7 nicht überschreitet.
Artikel 62
Abberufung und Ersetzung eines Mitglieds
(1)Die Mitgliedstaaten erlassen Vorschriften, in denen sowohl die Gründe für die Abberufung und Ersetzung von Mitgliedern des Gläubigerausschusses als auch die damit verbundenen Verfahren festgelegt werden. Diese Vorschriften regeln auch den Fall, dass Mitglieder des Gläubigerausschusses zurücktreten oder nicht in der Lage sind, die erforderlichen Aufgaben zu erfüllen, beispielsweise bei schwerer Krankheit oder Tod.
(2)Gründe für die Abberufung sind zumindest betrügerisches oder grob fahrlässiges Verhalten, vorsätzliches Verschulden oder die Verletzung treuhänderischer Pflichten in Bezug auf die Interessen der Gläubiger.
Kapitel 2
Arbeitsmethoden und Aufgabe des Gläubigerausschusses
Artikel 63
Arbeitsmethoden des Gläubigerausschusses
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Gläubigerausschuss innerhalb von 15 Arbeitstagen nach der Ernennung der Mitglieder ein Protokoll über die Arbeitsmethoden festlegt. Kommt der Gläubigerausschuss dieser Verpflichtung nicht nach, so ist das Gericht befugt, das Protokoll innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Ablauf der ersten Frist von 15 Arbeitstagen im Namen des Gläubigerausschusses festzulegen. In der ersten Sitzung des Gläubigerausschusses billigen dessen Mitglieder die Arbeitsmethoden mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder.
(2)Das Protokoll nach Absatz 1 regelt mindestens folgende Aspekte:
a)Voraussetzungen für die Teilnahme an den Sitzungen des Gläubigerausschusses;
b)Stimmberechtigung und Beschlussfähigkeit;
c)Interessenkonflikte;
d)Vertraulichkeit von Informationen.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Protokoll nach Absatz 1 allen Gläubigern, dem Gericht und dem Insolvenzverwalter zur Verfügung steht.
(4)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses die Möglichkeit der persönlichen oder elektronischen Teilnahme und Stimmabgabe erhalten.
(5)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses durch eine bevollmächtigte Partei vertreten werden können.
(6)Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten ein Standardprotokoll fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 69 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Artikel 64
Aufgabe, Rechte, Pflichten und Befugnisse des Gläubigerausschusses
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Aufgabe des Gläubigerausschusses darin besteht, zu gewährleisten, dass bei der Durchführung des Insolvenzverfahrens die Interessen der Gläubiger geschützt und einzelne Gläubiger einbezogen werden.
Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Gläubigerausschuss mindestens über folgende Rechte, Pflichten und Befugnisse verfügt:
a)das Recht, den Insolvenzverwalter jederzeit anzuhören;
b)das Recht, in einem Insolvenzverfahren vor Gericht zu erscheinen und gehört zu werden;
c)die Pflicht, den Insolvenzverwalter zu beaufsichtigen, unter anderem durch Anhörung des Insolvenzverwalters und seine Unterrichtung über die Wünsche der Gläubiger;
d)die Befugnis, den Schuldner, das Gericht oder den Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens jederzeit um sachdienliche und notwendige Informationen zu ersuchen;
e)die Informationspflicht gegenüber den Gläubigern, die durch den Gläubigerausschuss vertreten werden, und das Recht, von diesen Gläubigern Informationen zu erhalten;
f)das Recht auf Unterrichtung und Anhörung in Angelegenheiten, an denen die vom Gläubigerausschuss vertretenen Gläubiger ein Interesse haben, einschließlich der Veräußerung von Vermögenswerten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs;
g)die Befugnis, externe Beratung in Angelegenheiten einzuholen, an denen die vom Gläubigerausschuss vertretenen Gläubiger ein Interesse haben.
(2)Übertragen die Mitgliedstaaten dem Gläubigerausschuss die Befugnis, bestimmte Beschlüsse oder Rechtshandlungen zu genehmigen, so legen sie klar fest, in welchen Angelegenheiten eine solche Genehmigung erforderlich ist.
Artikel 65
Kosten und Vergütung
(1)Die Mitgliedstaaten legen fest, wer die Kosten trägt, die dem Gläubigerausschuss bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe nach Artikel 64 entstehen.
(2)Gehen die in Absatz 1 genannten Kosten zulasten der Insolvenzmasse, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Gläubigerausschuss über diese Kosten Buch führt und das Gericht befugt ist, ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Kosten zu begrenzen.
(3)Gestatten die Mitgliedstaaten, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses zulasten der Insolvenzmasse vergütet werden, so stellen sie sicher, dass die Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu den von den Mitgliedern wahrgenommenen Aufgaben steht und dass der Gläubigerausschuss darüber Buch führt.
Artikel 66
Haftung
Die Mitglieder eines Gläubigerausschusses sind von der individuellen Haftung für ihre Handlungen in ihrer Eigenschaft als Ausschussmitglieder befreit, es sei denn, sie haben grob fahrlässig oder betrügerisch gehandelt, sich vorsätzlich fehlverhalten oder gegen eine treuhänderische Pflicht gegenüber den von ihnen vertretenen Gläubigern verstoßen.
Artikel 67
Rechtsmittel
(1)Übertragen die Mitgliedstaaten dem Gläubigerausschuss die Befugnis, bestimmte Beschlüsse oder Transaktionen zu genehmigen, sehen sie auch das Recht vor, gegen eine solche Genehmigung Rechtsmittel einzulegen.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Rechtsmittelverfahren effizient und zügig ist.
Titel VIII
MASSNAHMEN ZUR ERHÖHUNG DER TRANSPARENZ DES NATIONALEN INSOLVENZRECHTS
Artikel 68
Merkblatt mit wesentlichen Informationen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen des Europäischen Justizportals ein Merkblatt mit wesentlichen Informationen zu bestimmten Elementen des nationalen Insolvenzrechts bereit.
(2)Der Inhalt des in Absatz 1 genannten Merkblatts mit wesentlichen Informationen muss genau, klar und unmissverständlich sein und den Sachverhalt in ausgewogener und fairer Weise darstellen. Er muss im Einklang stehen mit anderen Informationen zum Insolvenz- oder Konkursrecht, die im Rahmen des Europäischen Justizportals nach Artikel 86 der Verordnung (EU) 2015/848 bereitgestellt werden.
(3)Das Merkblatt mit wesentlichen Informationen
a)muss bis zum [6 Monate nach Ablauf der Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie] in einer Amtssprache der Union abgefasst und der Kommission vorgelegt werden;
b)darf höchstens fünf gedruckte DIN-A4-Seiten umfassen, wobei Schriftzeichen lesbarer Größe zu verwenden sind;
c)muss in klarer, nichtfachlicher und verständlicher Sprache abgefasst sein.
(4)Das Merkblatt mit wesentlichen Informationen enthält die folgenden Abschnitte in nachstehender Reihenfolge:
a)die Bedingungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens;
b)die Regeln für die Anmeldung, Prüfung und Feststellung von Forderungen;
c)die Regeln für die Rangfolge der Forderungen der Gläubiger und die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung der sich aus dem Insolvenzverfahren ergebenden Vermögenswerte;
d)die gemeldete durchschnittliche Dauer von Insolvenzverfahren nach Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2019/1023.
(5)Der in Absatz 4 Buchstabe a genannte Abschnitt enthält Folgendes:
a)Liste der Personen, die die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen können;
b)Liste der Bedingungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens;
c)Angabe, wo und wie der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden kann;
d)Angabe, wie und wann der Schuldner über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterrichtet wird.
(6)Der in Absatz 4 Buchstabe b genannte Abschnitt enthält Folgendes:
a)Liste der Personen, die eine Forderung anmelden können;
b)Liste der Bedingungen für die Anmeldung einer Forderung;
c)Frist für die Anmeldung einer Forderung;
d)gegebenenfalls Angabe, wo das Formblatt für die Anmeldung einer Forderung zu finden ist;
e)Angabe, wie und wo eine Forderung anzumelden ist;
f)Angabe, wie die Forderung überprüft und validiert wird.
(7)Der in Absatz 4 Buchstabe c genannte Abschnitt enthält Folgendes:
a)kurze Beschreibung, wie die Rangfolge der Ansprüche und Forderungen der Gläubiger festgelegt wird;
b)kurze Beschreibung, wie der Erlös verteilt wird.
(8)Die Mitgliedstaaten aktualisieren die in Absatz 4 genannten Informationen innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten der einschlägigen Änderungen des nationalen Rechts. Das Merkblatt mit wesentlichen Informationen enthält die folgende Erklärung: „Dieses Merkblatt mit wesentlichen Informationen gibt den Sachstand zum [Datum der Übermittlung der Informationen an die Kommission oder Datum der Aktualisierung] wieder.“
Die Kommission trägt dafür Sorge, dass dieses Merkblatt mit wesentlichen Informationen ins Englische, Französische und Deutsche oder, falls es in einer dieser Sprachen abgefasst ist, in die anderen beiden Sprachen übersetzt wird, und macht es der Öffentlichkeit über das Europäische Justizportal im Abschnitt „Insolvenz/Bankrott“ für jeden Mitgliedstaat zugänglich.
(9)Der Kommission wird die Befugnis übertragen, das Format des Merkblatts mit wesentlichen Informationen zu ändern oder den Umfang der darin enthaltenen fachlichen Informationen im Wege von Durchführungsrechtsakten zu erweitern oder zu verringern. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 69 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Titel IX
SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 69
Ausschuss
(1)Die Kommission wird vom Ausschuss für Restrukturierung und Insolvenz nach Artikel 30 der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.
(2)Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.
Artikel 70
Überprüfung
Bis zum [5 Jahre nach Ablauf der Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie] legt die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die Anwendung und die Auswirkungen dieser Richtlinie vor.
Artikel 71
Umsetzung
(1)Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens bis zum [2 Jahre nach Inkrafttreten] nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.
Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.
(2)Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.
Artikel 72
Inkrafttreten
Diese Richtlinie tritt am […] Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Artikel 73
Adressaten
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am […]
Im Namen des Europäischen Parlaments
Im Namen des Rates
Die Präsidentin
Der Präsident /// Die Präsidentin
[...]
[...]