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Document EESC-2024-00120-AS

Erleichterung grenzübergreifender Lösungen

EESC-2024-00120-AS

DE

ECO/637

Erleichterung grenzübergreifender Lösungen

STELLUNGNAHME

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Mechanismus zur Überwindung rechtlicher und administrativer Hindernisse in einem grenzübergreifenden Kontext

[COM(2023) 790 final – 2018/0198 (COD)]

Kontakt

ECO@eesc.europa.eu

Verwaltungsrat

Georgios MELEAS

Datum des Dokuments

15/4/2024

Berichterstatter: Athanasios IOANNIDIS

Befassung

Europäisches Parlament, 25/01/2024

Rat der Europäischen Union, 1/2/2024

Rechtsgrundlage

Artikel 175 Absatz 3 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständiges Arbeitsorgan

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme im Arbeitsorgan

10/4/2024

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

72/0/2

Verabschiedung im Plenum

DD/MM/YYYY

Plenartagung Nr.

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

…/…/…



1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt den geänderten Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über einen Mechanismus zur Überwindung rechtlicher und administrativer Hindernisse in einem grenzübergreifenden Kontext als Versuch, den Integrationsprozess im Rahmen des EU-Binnenmarkts weiter zu stärken.

1.2Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission ihre Bemühungen konsequent fortgesetzt und den Vorschlag für eine Verordnung zur Überwindung rechtlicher und administrativer Hindernisse in einem grenzübergreifenden Kontext in geänderter Form erneut vorgelegt hat. Mit dem Vorschlag werden die Mitgliedstaaten zur Einrichtung von Stellen für grenzübergreifende Koordinierung verpflichtet, wobei es ihnen überlassen bleibt, das flankierende Instrument zur Überwindung von Hindernissen oder ein anderes Instrument ihrer Wahl freiwillig zu nutzen.

1.3Der EWSA vertritt die Auffassung, dass aus dem vorherigen einschlägigen Versuch nützliche Lehren gezogen und die Schwachpunkte des ursprünglichen Vorschlags ermittelt und behoben werden konnten. Er stützt sich in seiner Stellungnahme zum geänderten Vorschlag für eine Verordnung auf diese Erfahrungen.

1.4Der EWSA ist der Ansicht, dass der vorgeschlagene Mechanismus die in der Europäischen Union bereits bestehenden und funktionierenden Strukturen für die Unterstützung grenzüberschreitender Tätigkeiten grundsätzlich ergänzt und die Voraussetzungen für die Gestaltung eines umfassenden Rahmens für die Bewältigung grenzübergreifender rechtlicher und administrativer Hindernisse schafft, der das Leben von Millionen von Menschen in den Grenzregionen erleichtert und verbessert.

1.5Der EWSA befürwortet die angestrebte Vereinfachung der Verfahren im Rahmen des vorgeschlagenen Mechanismus, der die Einrichtung grenzübergreifender Koordinierungsstellen als zentrale Anlaufstellen in allen Mitgliedstaaten verpflichtend vorsieht. Diese Stellen sollen die Ersuchen der verschiedenen Interessenträger um Unterstützung bei der Beseitigung grenzübergreifender Hindernisse entgegennehmen, die entsprechenden Dossiers bewerten, mögliche Lösungen ermitteln und die Initiatoren informieren.

1.6 Der EWSA betrachtet die Bereitstellung des Instruments zur Erleichterung grenzübergreifender Lösungen als wichtigen Prozess, dessen Mehrwert im Rahmen des Mechanismus zur Überwindung grenzübergreifender Hindernisse jedoch nicht durch seinen fakultativen Charakter geschmälert werden darf.

1.7Der EWSA ist der Auffassung, dass die Einrichtung eines EU-weiten öffentlichen Registers grenzübergreifender Dossiers zu einer umfassenden Erfassung der einschlägigen rechtlichen und administrativen Hindernisse und im Anschluss zu einem Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen den zuständigen Behörden beitragen wird. Dabei können Wege zur Beseitigung dieser Hindernisse aufgezeigt werden, insbesondere wenn die Europäische Kommission erwägt, auf der Grundlage der im Register enthaltenen Daten einen Jahresbericht über die Hindernisse und vorgeschlagenen Lösungen zu erstellen.

1.8Der EWSA schließt sich als institutioneller Vertreter der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner dem im geänderten Verordnungsvorschlag verwendeten Bottom-up-Ansatz für die Überwindung grenzübergreifender Hindernisse an, da er das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für die Bedeutung der Vollendung des EU-Binnenmarktes stärkt.

1.9Der EWSA stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die regionalen Gebietskörperschaften, in denen grenzüberschreitende Tätigkeiten stattfinden, einbezogen werden müssen. Sie müssen dabei den politischen Willen der lokalen Ebene zum Ausdruck bringen, um die nationalen Behörden zu veranlassen, den vorgeschlagenen Mechanismus zu aktivieren und seine Möglichkeiten zu nutzen.

1.10Der EWSA merkt ferner an, dass klare Anreize für die Nutzung des vorgeschlagenen Mechanismus durch die Mitgliedstaaten geschaffen werden müssen, um dessen Mehrwert herauszustellen. Dazu sollten detaillierte Informationen über die Auswirkungen grenzübergreifender Hindernisse und über die erwarteten Vorteile ihrer Überwindung für die Entwicklung der betroffenen Regionen und die Europäische Union insgesamt bereitgestellt werden.

1.11Schließlich ist der EWSA der Ansicht, dass die Einrichtung und Anwendung des vorgeschlagenen Mechanismus noch stärker als bedeutende politische Entscheidung auf EU‑Ebene zu Tage treten kann, wenn die einzurichtenden nationalen Strukturen (die Stellen für die grenzübergreifende Koordinierung) im Rahmen der Maßnahmen der europäischen Kohäsionspolitik finanziell unterstützt werden.

2.Einleitung

2.1Im Jahr 2015 wurde auf Initiative des luxemburgischen Ratsvorsitzes der Nutzen eines neuen Instruments zur Vereinfachung grenzübergreifender Projekte oder befristeter Maßnahmen in Grenzregionen erwogen. Im Rahmen dieses Instruments sollten auf freiwilliger Basis und in Absprache mit den zuständigen Behörden die Regelungen eines Mitgliedsstaats im Nachbarmitgliedstaat Anwendung finden. 1

2.2Auf der Grundlage einer aktuellen Studie, der zufolge die Beseitigung der bestehenden grenzübergreifenden Hindernisse Vorteile in Höhe von 457 Mrd. EUR pro Jahr (3,8 % der gesamten Bruttowertschöpfung der EU) bringen würde, während bei Fortbestand dieser Hindernisse insgesamt 2 % weniger Arbeitsplätze in der EU geschaffen würden 2 , hat die Europäische Kommission einen Legislativvorschlag 3 zur Schaffung eines Mechanismus zur Überwindung rechtlicher und administrativer Hindernisse in einem grenzübergreifenden Kontext vorgelegt.

2.3Der Vorschlag der Kommission wurde vom Europäischen Parlament im Februar 2019 in erster Lesung grundsätzlich befürwortet, wobei das Parlament eine Reihe von Änderungen vorschlug. Ziel der Änderungen war es, den freiwilligen Charakter des vorgeschlagenen Mechanismus, die Auswirkungen auf Verfahrensebene im Falle seiner Nichtanwendung und das Verfahren für die Bearbeitung der eingereichten Dossiers zur Ermittlung und Überwindung rechtlicher und administrativer Hindernisse zu präzisieren.

2.4Der Rat verabschiedete keinen förmlichen Standpunkt zu dem Kommissionsvorschlag, da die Mitgliedstaaten auf der Ebene der Arbeitsgruppen mehrere Bedenken in Bezug auf den Inhalt des Vorschlags geäußert hatten. In der Folge wurden die Beratungen über das Dossier eingestellt und die Gesetzgebungsinitiative nicht weiter verfolgt.

2.5Im September 2023 nahm das Europäische Parlament gemäß Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine legislative Initiativentschließung mit Empfehlungen an die Kommission zur Änderung ihres ursprünglichen Vorschlags an.

2.6Im Dezember 2023 legte die Kommission den geänderten Vorschlag 4 für eine Verordnung zur Erleichterung grenzübergreifender Lösungen vor. Der geänderte Vorschlag trägt den Bedenken, Anmerkungen und Empfehlungen des Europäischen Parlaments und des Rates Rechnung, wobei der Schwerpunkt auf der Überwindung der Hindernisse, die das Leben von Gemeinschaften in Grenzregionen erschweren, beibehalten wurde.

2.7Wesentlicher Inhalt des neuen Kommissionsvorschlags

2.7.1Der neue Vorschlag der Europäischen Kommission sieht im Wesentlichen die Einrichtung von Stellen für grenzübergreifende Koordinierung in allen Mitgliedstaaten vor (verpflichtende Maßnahme), die für die Bewertung der von Interessenträgern in den Grenzregionen eingereichten Ersuchen zu potenziellen grenzübergreifenden Hindernissen zuständig sind und als Kontaktstellen zwischen diesen Interessenträgern und den nationalen Behörden fungieren. Darüber hinaus ist vorgesehen, in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission ein Netz solcher Koordinierungsstellen als Forum für den Austausch bewährter Verfahren und den Wissensaustausch zu schaffen.

2.7.2Die vorgeschlagene Verordnung sieht vor, dass die Interessenträger nach Bewertung ihrer Ersuchen eine Antwort erhalten, wie mit dem Hindernis weiter verfahren wird. Besteht tatsächlich ein grenzübergreifendes Hindernis und gibt es keine bilaterale oder internationale Kooperationsvereinbarung, die für die Umsetzung einer Lösung herangezogen werden könnte, können die Mitgliedstaaten das Instrument zur Erleichterung grenzübergreifender Lösungen anwenden (fakultative Maßnahme).

2.7.3Dieses mit der Verordnung eingeführte Instrument besteht in einem Standardverfahren für die Erleichterung der Überwindung grenzübergreifender (rechtlicher und administrativer) Hindernisse bei der Errichtung oder dem Betrieb von Infrastrukturelementen, die für öffentliche oder private Tätigkeiten oder für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen in einer grenzübergreifenden Region erforderlich sind und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt dieser Region stärken.

2.7.4Das Verfahren gilt für grenzübergreifende Hindernisse entlang der Land- und Seegrenzen zwischen Nachbarmitgliedstaaten, nicht jedoch für Hindernisse an den Grenzen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten. Es betrifft nur Hindernisse, die aus nationalen Rechtsvorschriften erwachsen, einschließlich der Fälle, in denen die Mitgliedstaaten EU-Recht korrekt, aber in unterschiedlicher Weise umsetzen. Darüber hinaus müssen die Ersuchen zwar beantwortet werden, die Entscheidung über die eventuelle Beseitigung des Hindernisses liegt jedoch weiter im Ermessen der zuständigen nationalen Behörden.

3.Allgemeine Bemerkungen

3.1Der Hauptunterschied zum ursprünglichen Vorschlag liegt darin, dass jetzt nicht mehr von einem Mechanismus mit spezifischen Standarddokumenten (Verpflichtung, Erklärung) die Rede ist, sondern von einem Verfahren zur Erleichterung der Beseitigung grenzübergreifender Hindernisse, weshalb die einschlägigen Bestimmungen entsprechend angepasst wurden. Es wird vorgeschlagen, die Einrichtung und den Betrieb von Stellen für grenzübergreifende Koordinierung für die Mitgliedstaaten verpflichtend vorzusehen, wobei es ihnen jedoch überlassen bleibt, mittels des Instruments zur Erleichterung grenzübergreifender Lösungen Maßnahmen zur Überwindung des gemeldeten grenzübergreifenden Problems zu ergreifen. Die Meldung grenzübergreifender Hindernisse erfolgt nun auf stark vereinfachte Weise (mittels grenzübergreifender Dossiers).

3.2Die Hindernisse für grenzüberschreitende Tätigkeiten in der EU bilden ein zentrales Problem für die europäische Integration, da die Errichtung des Binnenmarktes den freien Personen-, Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr und die Nutzung der Infrastrukturen innerhalb der EU betrifft. In den EU-Regionen mit Binnenlandgrenzen (40 Grenzen, 40 % des Territoriums der EU und fast ein Drittel ihrer Bevölkerung 5 ) überschreiten täglich etwa 3,5 Millionen Menschen Binnengrenzen zwischen EU-Mitgliedstaaten, um zu arbeiten, zu studieren oder Familie und Freunde zu besuchen. Etwa 1,7 Millionen Menschen wohnen in einem, arbeiten jedoch in einem anderen Mitgliedsland und müssen dafür grenzüberschreitend pendeln. Es wird geschätzt 6 , dass jährlich etwa 1,25 Milliarden grenzüberschreitende Reisen zwischen EU‑Ländern stattfinden (einschließlich Reisen zu touristischen Zwecken).

3.2.1Eine solche Zahl an Grenzübertritten verursacht erhebliche Herausforderungen. Es geht darum, wie etwaige Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Tätigkeiten bewältigt werden können, aufgrund derer diese Grenzübertritte erfolgen (z. B. unternehmerische oder berufliche Tätigkeiten, Gesundheitsversorgung, Erbringung öffentlicher Dienstleistungen). Diese Schwierigkeiten sind mehrheitlich auf divergierende nationale Rechtsvorschriften zurückzuführen und damit auch darauf, dass Verwaltungsverfahren und -Praktiken in den angrenzenden Ländern nicht kompatibel sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Mitgliedstaaten keine gemeinsame Raumplanung für Schlüsselbereiche (Wirtschaft, Unternehmertum, Gesundheit, Bildung, öffentliche Tätigkeiten u. a.) haben. 7

3.2.2Die Grenzregionen der Mitgliedstaaten verzeichnen tendenziell eine niedrigere Wirtschaftsleistung als andere Regionen der jeweiligen Mitgliedstaaten. Die Bewohner dieser Gebiete haben deutlich größere Schwierigkeiten beim Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, zu (öffentlichen oder privaten) Gesundheits- oder Bildungsdienstleistern und zu Chancen für eine Unternehmenstätigkeit. Selbst die von Privatpersonen oder öffentlichen Stellen unternommenen Bemühungen um grenzübergreifende Zusammenarbeit zur Lösung dieser Probleme werden durch die Divergenzen zwischen den verschiedenen Verwaltungs- und Rechtssystemen der beiden betroffenen Länder erheblich erschwert. 8

3.2.3Vor diesem Hintergrund hatte der EWSA den ursprünglichen Kommissionsvorschlag von 2018 unterstützt als Möglichkeit zur Schaffung eines Mechanismus, der einerseits auf sozialer Ebene durch die Beseitigung administrativer Hindernisse den Bürgerinnen und Bürgern die freie Wahl des Arbeitsplatzes ermöglichen und die Entwicklung von Infrastrukturen und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unterstützen würde, und andererseits auf wirtschaftlicher Ebene dazu beitragen würde, den Verwaltungsaufwand zum Nutzen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern weiter zu senken 9 .

3.2.4Der EWSA vertrat damals die Auffassung, dass im Rahmen der seinerzeit bestehenden Mechanismen zur Unterstützung der Grenzregionen (Interreg, Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit) keine Möglichkeit bestand, rechtliche und administrative Maßnahmen zur Beseitigung grenzübergreifender Hindernisse zu ergreifen.

3.2.5In der Folge hat die Europäische Kommission dann die Pilotinitiative „b-solutions“ ins Leben gerufen, die von der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG) durchgeführt wird. Im Rahmen dieser innovativen Maßnahme erhalten die Behörden in grenzübergreifenden Regionen rechtliche Unterstützung bei der Ermittlung der tieferen Ursachen rechtlicher und administrativer Hindernisse, die sich auf ihre grenzüberschreitenden Interaktionen auswirken, sowie bei der Prüfung möglicher Lösungen für diese Probleme. Im Rahmen der Initiative „b‑solutions“ wurden zahlreiche rechtliche und administrative Hindernisse aufgezeigt, ebenso das Fehlen von unmittelbaren Lösungen auf der Ebene der grenzüberschreitenden Tätigkeiten, die Notwendigkeit von Veränderungen der jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen und die Notwendigkeit einer Unterstützung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. 10 Der Vorschlag der Europäischen Kommission trägt dieser Notwendigkeit ausreichend Rechnung 11 .

3.2.6Mit dem geänderten Vorschlag der Europäischen Kommission wird der Versuch unternommen, den Forderungen des Europäischen Parlaments und des Rates in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen, was sich erheblich auf die potenzielle Wirkung der Gesetzgebungsinitiative niederschlagen wird, sollte diese angenommen werden.

4.Besondere Bemerkungen

4.1Ein wichtiges Element des Kommissionsvorschlags ist die Beibehaltung des Bottom-up-Ansatzes in Bezug auf die Auslösung des vorgeschlagenen Mechanismus (durch Einreichen eines grenzübergreifenden Dossiers durch einen Interessenträger). Auf diese Weise können Betroffene, die tatsächlich mit Hindernissen konfrontiert sind, den Prozesses der Harmonisierung und Suche nach Lösungen einleiten.

4.1.1Um den Einwänden des Rates 12 gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag Rechnung zu tragen, weist der Kommissionsvorschlag jedoch folgende Besonderheit auf: einerseits kommt das verbindliche Rechtsinstrument einer Verordnung zur Anwendung (das gemäß Artikel 288 AEUV für die Adressaten allgemein und unmittelbar gilt), das heißt, die Mitgliedstaaten werden zur Einrichtung der entsprechenden institutionellen Infrastruktur (Stellen für grenzübergreifende Koordinierung) verpflichtet; andererseits bleibt die Nutzung dieser Infrastruktur durch die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Anwendung des Instruments zur Erleichterung grenzübergreifender Lösungen rein freiwillig.

4.1.2Diese Besonderheit des geänderten Vorschlags der Europäischen Kommission sollte aber nicht dazu verleiten, das Risiko zu vernachlässigen, auf das der EWSA in seiner Stellungnahme zum ursprünglichen Vorschlag hingewiesen hatte, nämlich, dass eine Einführung des Mechanismus auf freiwilliger Basis zu einer weiteren Fragmentierung in der europäischen Rechtspraxis und administrativen Struktur führen könnte 13 .

4.2Es sei darauf hingewiesen, dass in vielen Grenzregionen mit Seegrenzen aufgrund der großen Entfernungen weniger grenzübergreifende Interaktionen und grenzübergreifende Nutzung öffentlicher Dienstleistungen stattfinden, diese Regionen aber nichtsdestotrotz in den Anwendungsbereich des neuen Vorschlags der Europäischen Kommission fallen. Zudem birgt die Anwendung einer solchen zusätzlichen rechtlichen Regelung für die Regionen mit Seegrenzen ein erhebliches Risiko von Überschneidungen mit Rechtsvorschriften für grenzüberschreitende Tätigkeiten, die im Rahmen des internationalen Seerechts auf bilateraler oder multilateraler Ebene festgelegt wurden.

4.3Schließlich ist einmal mehr festzustellen, dass keinerlei EU-Mittel zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Einrichtung und dem Betrieb der vorgeschlagenen institutionellen Infrastruktur vorgesehen sind, was umso mehr ins Gewicht fällt, als der Vorschlag im Bereich EU-Kohäsionspolitik angesiedelt ist. Der EWSA hat bereits aufgezeigt, dass dies insbesondere für weniger entwickelte Mitgliedstaaten Probleme verursachen kann, und hält es daher für erforderlich, eine Finanzierung der Einrichtung und des Betriebs der vorgeschlagenen Strukturen und insbesondere der Stellen für grenzübergreifende Koordinierung mit EU‑Strukturfondsmitteln vorzusehen. 14

4.4Der geänderte Vorschlag der Kommission sieht im Wesentlichen die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für alle einschlägigen Fragen vor, wobei es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, die Form und die Art der Stellen für grenzübergreifende Koordinierung (einschließlich bestehender Verwaltungsstrukturen) festzulegen. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, solche Stellen einzurichten, es liegt jedoch in ihrem Ermessen zu entscheiden, ob und wie sie das jeweilige Hindernis angehen wollen. Es wird somit ein Instrument vorgeschlagen, das dazu beitragen kann, wirksame Lösungen für die Überwindung dieser Hindernisse zu finden.

4.5Um den Mehrwert des vorgeschlagenen Mechanismus nicht zu schmälern, sollte dieser daher nicht als Mittel angesehen werden, das lediglich dazu dient, auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten unter Koordinierung durch die Europäischen Kommission erhobenen Daten auf festgestellte Probleme und deren Merkmale hinzuweisen. Es gilt hervorzuheben und zu betonen, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, grenzübergreifende Hindernisse durch das Instrument zur Erleichterung grenzübergreifender Lösungen inhaltlich anzugehen (auch wenn die Nutzung freiwillig ist).

4.6Im Hinblick auf eine bessere Funktionsweise des neuen Mechanismus hätte die Kommission mehr Beispiele für grenzübergreifende Probleme und Lösungsmöglichkeiten anführen sollen, um den Interessenträgern und den Mitgliedstaaten ein besseres Verständnis des Mechanismus und seiner Notwendigkeit zu vermitteln.

4.7Damit der Mechanismus nicht zu einem rein formalen administrativen Akt wird, sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, ein bereits eingereichtes grenzübergreifendes Dossier, bei dessen erster Prüfung kein grenzübergreifendes Hindernis festgestellt wurde, mit zusätzlichen Informationen zu ergänzen (Einspruchsrecht).

Brüssel, den 10. April 2024

Ioannis VARDAKASTANIS

Vorsitzender der Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

_____________

(1)     Input-Papier für die informelle Ministertagung zum territorialen Zusammenhalt unter luxemburgischer Präsidentschaft .
(2)     EPRS, Mechanism to resolve legal and administrative obstacles in a cross-border context - European added value assessment, PE 740.233 – Mai 2023, S. 19 .
(3)     COM(2018) 373 final .
(4)     COM(2023) 790 final .
(5)    Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament – Stärkung von Wachstum und Zusammenhalt in den EU‑Grenzregionen, COM(2017) 534 final, S. 2 .
(6)     Erläuterungen zum Schengen-Raum ,
(7)     http://ec.europa.eu/regional_policy/de/policy/cooperation/european-territorial/cross-border/review/ .
(8)    Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Stärkung von Wachstum und Zusammenhalt in den EU‑Grenzregionen“, COM(2017) 534 final, S. 4 .
(9)    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Mechanismus zur Überwindung rechtlicher und administrativer Hindernisse in einem grenzübergreifenden Kontext, ABl C 440 vom 6.12.2018 .
(10)    Europäische Kommission und Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen: „b-solutions: Solving Border Obstacles – A Compendium of 43 Cases“, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2020.
(11)    Europäische Kommission: Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Mechanismus zur Überwindung rechtlicher und administrativer Hindernisse in einem grenzübergreifenden Kontext, COM(2023) 790 final .
(12)     https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-6009-2020-INIT/de/pdf .
(13)    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Mechanismus zur Überwindung rechtlicher und administrativer Hindernisse in einem grenzübergreifenden Kontext, ABl C 440 vom 6.12.2018 .
(14)    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Mechanismus zur Überwindung rechtlicher und administrativer Hindernisse in einem grenzübergreifenden Kontext, ABl C 440 vom 6.12.2018 .
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