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Document EESC-2023-04411-AS

Europäische grenzübergreifende Vereine

EESC-2023-04411-AS

DE

INT/1046

Europäische grenzübergreifende Vereine

STELLUNGNAHME

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

a)Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 und der Verordnung (EU) 2018/1724 hinsichtlich der Nutzung des Binnenmarkt-Informationssystems und des einheitlichen digitalen Zugangstors für die Zwecke bestimmter Anforderungen gemäß der Richtlinie (EU).../... des Europäischen Parlaments und des Rates über länderübergreifende europäische Vereinigungen

[COM(2023) 515 final – 2023/0314 (COD)]

b)Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische grenzübergreifende Vereine

[COM(2023) 516 final – 2023/0315 (COD)]

Kontakt

int@eesc.europa.eu

Verwaltungsrätin

Annalisa TESSAROLO

Datum des Dokuments

04/01/2024

Berichterstatter: Giuseppe GUERINI

Befassung

Europäisches Parlament, 02/10/2023

Rat, 20/09/2023

Rechtsgrundlage

Artikel 50 und Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständiges Arbeitsorgan

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme im Arbeitsorgan

20/12/2023

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

54/0/0

Verabschiedung im Plenum

DD/MM/YYYY

Plenartagung Nr.

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

…/…/…



1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission, die grenzübergreifende Tätigkeit von Vereinen ohne Erwerbszweck in der EU durch die neue Rechtsform eines „Europäischen grenzübergreifenden Vereins“ zu erleichtern, und schlägt den beiden gesetzgebenden EU-Organen vor, diesen rasch anzunehmen.

1.2Der EWSA weist auf die Schwierigkeiten hin, mit denen Vereine und Körperschaften ohne Erwerbszweck bei ihrer Tätigkeit auf dem Binnenmarkt konfrontiert sind, und empfiehlt der Kommission und den Mitgliedstaaten, diese rechtlichen und administrativen Hindernisse zu beseitigen und so die Rolle zu stärken, die Vereine in der EU bei der wirtschaftlichen und sozialen Wertschöpfung spielen können.

1.3Der Vorschlag trägt zu den Zielen des Aktionsplans für die Sozialwirtschaft bei und steht im Zusammenhang mit einigen der darin vorgesehenen Maßnahmen, wie dem Vorschlag für eine Empfehlung zur Entwicklung der Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft in den Mitgliedstaaten sowie den beiden einschlägigen Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststellen zu Steuerfragen.

1.4Der EWSA erkennt das Potenzial gemeinnütziger Organisationen für den Binnenmarkt an und betont, dass die Schaffung eines europäischen Ökosystems für diese Art von Körperschaften gefördert werden muss, um den Binnenmarkt „sozialer“ zu machen.

1.5Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, wonach die Mitgliedstaaten eine weitere Rechtsform – den Europäischen grenzübergreifenden Verein (European cross-border association (ECBA)) – in ihre nationalen Rechtsordnungen aufnehmen sollen, um den rechtlichen und administrativen Aufwand für die Anerkennung und Gründung von in einem anderen Mitgliedstaat tätigen Vereinen ohne Erwerbszweck zu verringern.

1.6Der EWSA schlägt vor, dass alle Organisationen, die die Anforderungen erfüllen und ihren Sitz in der EU haben, den Status eines ECBA erlangen können, und zwar selbst dann, wenn dem Exekutivorgan natürliche Personen angehören, die in Drittstaaten oder insbesondere in Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums ansässig sind.

1.7Nach Ansicht des EWSA sollte es unter Wahrung der Grundsätze der Demokratie und der Vereinigungsfreiheit den Vereinen selbst sowie ihren Mitgliedern überlassen werden, die Art der Vereinsmitgliedschaft und der Stimmrechte nach eigenem Ermessen in ihrer Satzung festzulegen.

1.8Diese Initiative trägt zur Anerkennung der Rolle von Vereinen ohne Erwerbszweck bei, die aufgrund ihrer Satzung und ihres gesetzlichen Auftrags Aufgaben von allgemeinem Interesse in Europa wahrnehmen. Sie liefert zudem einen Bezugspunkt für künftige Maßnahmen zur Förderung der grenzübergreifenden Tätigkeiten weiterer Körperschaften, die Aufgaben von allgemeinem Interesse wahrnehmen, wie Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Stiftungen.

1.9Der EWSA unterstützt und begrüßt die Einführung der „ECBA-Bescheinigung“, die die Anerkennung dieser neuen Rechtsform in der gesamten EU ermöglichen wird, sobald ein ECBA in einem der Mitgliedstaaten registriert ist, empfiehlt jedoch, die Einstufungs- und Registrierungssysteme durch die Einrichtung vergleichbarer Datenbanken zu verbessern.

1.10Der EWSA ist sich der Komplexität der unterschiedlichen Standpunkte der Mitgliedstaaten in Bezug auf Stiftungen bewusst, vertritt jedoch die Auffassung, dass der ECBA-Vorschlag ein guter Ausgangspunkt für die Wiederaufnahme der Debatte zwischen den EU-Institutionen über das Europäische Stiftungsstatut sein könnte.

2.Bemerkungen zum Vorschlag der Kommission

2.1Der in dieser Stellungnahme behandelte Vorschlag ergänzt die Maßnahmen, die im Legislativprogramm 2023 der Europäischen Kommission im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans für die Sozialwirtschaft vorgesehen sind. Der eine Richtlinie und eine Verordnung umfassende Vorschlag ist geeignet, die Gesetzeslücke, auf die in der Folgenabschätzung sehr deutlich hingewiesen wird, zu schließen. Auf EU-Ebene gibt es nämlich keine speziellen Vorschriften, die es Vereinen ohne Erwerbszweck ermöglichen, im Binnenmarkt grenzübergreifend tätig zu sein.

2.2Im Rahmen der Folgenabschätzung wurden vier Hindernisse aufgezeigt, die die Tätigkeit von Vereinen und Organisationen ohne Erwerbszweck im Binnenmarkt de facto erschweren bzw. in bestimmten Fällen unmöglich machen: i) das Niederlassungsrecht von grenzübergreifend tätigen Vereinen ohne Erwerbszweck, ii) ihre Fähigkeiten, Dienstleistungen und Waren anzubieten, iii) die Möglichkeit, sich an einem Binnenmarkt für Kapital zu beteiligen und zu diesem beizutragen sowie iv) die Möglichkeit, in Leitungsgremien von grenzübergreifend tätigen Vereinen ohne Erwerbszweck mitzuwirken. Dies führt einerseits zu einer geringen grenzübergreifenden Mobilität von Vereinen ohne Erwerbszweck, andererseits aber auch zu einer Einschränkung der Möglichkeit, in Europa einen Markt für sozialwirkungsorientierte Investitionen zu schaffen, was sich in gewisser Weise auch an der begrenzten Nutzung der EuFSU-Verordnung 1 ablesen lässt, die speziell zur Förderung von Investitionen in soziales Unternehmertum erlassen wurde.

2.3Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission, mit dem eine Reihe von Forderungen aufgegriffen und umgesetzt werden, die er in den letzten Jahren in mehreren seiner Stellungnahmen 2 erhobenen hat. Auch er ist nämlich der Ansicht, dass die grenzübergreifende Tätigkeit von Vereinen ohne Erwerbszweck in der EU durch die Schaffung der neuen Rechtsform eines „europäischen grenzübergreifenden Vereins“ erleichtert werden muss. Grenzübergreifende Vereine sind Organisationen, die über nationale Grenzen hinweg tätig sind – häufig mit dem Ziel, die Zusammenarbeit, den Informationsaustausch und die gemeinsame Nutzung von Ressourcen zwischen benachbarten Ländern oder Regionen zu fördern. Mit dem Vorschlag soll das Funktionieren des Binnenmarkts verbessert werden, indem rechtliche und administrative Hindernisse für Vereine ohne Erwerbszweck, die in mehr als einem Mitgliedstaat tätig sind oder tätig werden wollen, beseitigt werden, wodurch die Rolle dieser Vereine bei der wirtschaftlichen und sozialen Wertschöpfung in der EU gestärkt wird. Auf diese Weise werden zudem gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Vereine gewährleistet.

2.4Neben der wichtigen gemeinnützigen Rolle von Vereinen ohne Erwerbszweck muss auch jene anderer gemeinwohlorientierter Körperschaften und von Stiftungen anerkannt werden. Diese stoßen bei der grenzübergreifenden Tätigkeit fallweise auf ähnliche Hürden wie die, die für Vereine in Bezug auf die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit, die Verlegung des Sitzes oder die grenzüberschreitende Verschmelzung aufgezeigt wurden. Der EWSA schließt sich daher der ursprünglich vom Europäischen Parlament in seinem Bericht erhobenen Forderung an, wonach es auch Lösungen für diese Körperschaften bedarf. 3

2.5Der Vorschlag trägt zu den Zielen des Aktionsplans für die Sozialwirtschaft bei und steht im Zusammenhang mit einigen der darin vorgesehenen Maßnahmen, wie dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz) vom 9. Oktober 2023 zur Entwicklung von Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft in den Mitgliedstaaten sowie den beiden Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststellen zu den „einschlägigen steuerlichen Rahmenbedingungen für sozialwirtschaftliche Einrichtungen“ und zur „nichtdiskriminierenden Besteuerung von karitativen Organisationen und deren Spendern: ein Grundsatz aus der EU-Rechtsprechung“. Zwar stützen sich viele Vereine ohne Erwerbszweck auf die Grundprinzipien der Sozialwirtschaft, doch gibt es auch gemeinnützige Vereinigungen, die andere Ziele verfolgen, wie die Förderung und den Schutz von Verbrauchern, Unternehmen oder Bürgerrechten.

2.6Vereine ohne Erwerbszweck sorgen als Dienstleister in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Pflege und Betreuung, Kultur, Beschäftigung, Bildung, Sport, Umwelt, internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe für soziale und wirtschaftliche Wertschöpfung. Darüber hinaus eröffnen sie Räume für die Beteiligung und die Tätigkeit der Zivilgesellschaft, fördern die aktive Rolle der Bürgerinnen und Bürger und schaffen damit eine soziale Infrastruktur für die Demokratie.

2.7Dieser sozialen Infrastruktur kommt eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Bewältigung der wichtigsten Herausforderungen zu, vor denen Europa aktuell steht – vom Klimawandel über die Digitalisierung bis hin zur Armutsbekämpfung und Stärkung der Kompetenzen. Sie liefert zudem häufig wichtige Lösungsansätze für die soziale Innovation und die Begleitung von Veränderungen und trägt so entscheidend zum guten Funktionieren des Binnenmarkts bei.

2.8Der EWSA ist der Auffassung, dass sich diese Initiative, die Empfehlung des Rates zur Entwicklung von Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft und die anderen im Aktionsplan für die Sozialwirtschaft enthaltenen wichtigen Maßnahmen für Vereine und Stiftungen gegenseitig ergänzen und verstärken. Die Gesetzgebungsinitiative soll gemeinnützige Organisationen als wichtige Akteure der Sozialwirtschaft bei der Überwindung der Hindernisse unterstützen, auf die sie bei einer grenzübergreifenden Tätigkeit auf dem Binnenmarkt stoßen, indem ein günstiges Umfeld geschaffen wird, das der großen Vielfalt an Organisationsformen der Zivilgesellschaft in der EU Rechnung trägt.

2.9Wie im Aktionsplan für die Sozialwirtschaft anerkannt wird, ist die Sozialwirtschaft eine der wichtigsten Stützen im Hinblick auf die Schaffung eines inklusiven und diskriminierungsfreien Europas, zielt sie doch klar auf die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen ab, indem sie z. B. benachteiligten Gruppen bei der Integration in den Arbeitsmarkt hilft oder von sozialer Ausgrenzung bedrohte Gruppen wie ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Migranten und Flüchtlinge sowie arbeitsmarktferne Personen unterstützt und fördert. Das Potenzial, das Organisationen ohne Erwerbszweck und gemeinwohlorientierte Körperschaften für den Binnenmarkt bergen, wird jedoch noch nicht genutzt und entfaltet sich bislang hauptsächlich in einem lokalen Kontext. Der vorliegende Vorschlag zielt darauf ab, die Schaffung eines europäischen Ökosystems für diese Art von Körperschaften zu fördern und trägt wesentlich dazu bei, den Binnenmarkt „sozialer“ zu gestalten.

2.10Die aktuelle Kommission sollte diese Gesetzgebungsinitiative nachdrücklich weiterverfolgen, um einen Binnenmarkt mit gleichen Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Arten von Körperschaften zu schaffen, die Ziele von allgemeinem Interesse verfolgen und in dem Gemeinwesen, in dem sie tätig sind, einen Nutzen für die Allgemeinheit bringen. Gemeinsam mit dem Aktionsplan für die Sozialwirtschaft muss der vorliegende Vorschlag einen echten Wandel bewirken, damit die europäische Zivilgesellschaft, die Körperschaften ohne Erwerbszweck und die europäischen Wohltätigkeitsorganisationen einen Beitrag zur Schaffung einer Gesellschaft leisten können, die im Dienste der Menschen und unseres Planeten steht. Außerdem sollte die Sozialwirtschaft in all ihren Facetten damit in die Lage versetzt werden, auf eine inklusive und vielfältige Union hinzuarbeiten, die wirksam und integrativ handelt. Der EWSA fordert die beiden gesetzgebenden Organe daher auf, den Vorschlag zügig anzunehmen.

2.11Es kommt entscheidend darauf an, dass die Möglichkeit für Vereine ohne Erwerbszweck, ihre Rechtspersönlichkeit in anderen Mitgliedstaaten anerkennen zu lassen, verbessert und so deren Gleichbehandlung im Binnenmarkt sichergestellt wird. Ebenso wichtig ist, dass der Wechsel zur Rechtsform eines ECBA freiwillig bleibt und kein Verein dazu gezwungen wird.

2.12Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind sozialwirtschaftliche Unternehmen, die Lebens- und Schadensversicherungsdienstleistungen erbringen und damit die Systeme der sozialen Sicherheit ergänzen. Der aktuelle EU-Rechtsrahmen macht es diesen Versicherungsvereinen, die als Rechtsform nicht in allen Mitgliedstaaten anerkannt sind, unmöglich, die Vorteile des Binnenmarkts zu nutzen. Die Schaffung der Rechtsform eines grenzübergreifenden Vereins könnte ein Schritt hin zur spezifischen Anerkennung von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit sein.

2.13In den EU-Mitgliedstaaten gibt es 3,8 Mio. Vereine ohne Erwerbszweck, die 2,9 % zum EU‑BIP beitragen. Schätzungen zufolge würden die zusätzlichen Betriebskosten für die rund 310 000 Vereine ohne Erwerbszweck, die derzeit bei ihrer Tätigkeit in einem anderen Land auf Hindernisse stoßen, dank der neuen Vorschriften um bis zu 770 Mio. EUR pro Jahr gesenkt, wobei sich diese Kosteneinsparungen über einen Zeitraum von 15 Jahren auf bis zu 8,5 Mrd. EUR belaufen könnten. Werden die in dem Vorschlag genannten Hindernisse beseitigt, könnten zudem rund 185 000 weitere Vereine ohne Erwerbszweck eine grenzübergreifende Tätigkeit aufnehmen und über 15 Jahre eine Wertschöpfung von bis zu 4,2 Mrd. EUR generieren. 4

2.14In der EU gibt es 24 unterschiedliche Rechtsrahmen für Vereine ohne Erwerbszweck sowie vielfach auch noch regionale Regelungen. Dieser rechtliche Flickenteppich schafft Hindernisse für das grenzübergreifende bürgerschaftliche Engagement und schränkt letztlich den zivilgesellschaftlichen Raum ein. Gegenwärtig werden die Rechtspersönlichkeit sowie die Rechts- und Geschäftsfähigkeit von Vereinen ohne Erwerbszweck nicht unionsweit einheitlich anerkannt, sodass Vereine ohne Erwerbszweck sich häufig ein zweites Mal registrieren oder sogar einen neuen Rechtsträger errichten müssen, um in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie niedergelassen sind, Tätigkeiten auszuüben.

2.15Manche Verbände reichen über die Grenzen der Union hinaus, da sie Netze nationaler und europäischer Organisationen umfassen, die häufig Mitglieder aus europäischen Drittstaaten haben und dort tätig sind. Damit auch solche Organisationen eine ECBA-Bescheinigung erhalten können, sollte die in Artikel 7 des Richtlinienvorschlags enthaltene Einschränkung überprüft werden, wonach nur natürliche Personen, die Bürger der Europäischen Union sind, dem Exekutivorgan eines ECBA angehören dürfen. Diese Beschränkung erscheint überzogen. Nach Ansicht des EWSA ist eine Ausweitung auf den Europäischen Wirtschaftsraum erforderlich, um das Ziel der Beteiligung am Binnenmarkt gemäß Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu erreichen.

2.16Zudem muss im Einklang mit dem Grundsatz der Demokratie für Flexibilität bei der Gewährung der Stimmrechte gesorgt werden, um den unterschiedlichen Arten von Mitgliedschaften in auf europäischer Ebene tätigen Vereinen Rechnung zu tragen. Der derzeitige Wortlaut von Artikel 8, der für jedes Mitglied eines ECBA eine Stimme vorsieht, erscheint daher zu restriktiv.

3.Rolle von ECBA

3.1Mit dem Vorschlag der Kommission wird eine neue Rechtsform – der Europäische grenzübergreifende Verein (ECBA) – in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten eingeführt. Auf die darin bestehenden großen Unterschiede wird in den Begleitdokumenten zum Vorschlag und im Text des Richtlinienvorschlags umfassend eingegangen. Die Rechtsform des ECBA wurde spezifisch für eine grenzübergreifende Tätigkeit konzipiert und verringert den rechtlichen und administrativen Aufwand für die Anerkennung und Gründung von in einem anderen Mitgliedstaat tätigen Vereinen ohne Erwerbszweck.

3.2Zusätzlich zur Einführung der neuen Rechtsform eines ECBA sollte auch ein angemessenes Instrument für Stiftungen in Betracht gezogen werden. 2012 wurde bereits – erfolglos – versucht, das Statut einer Europäischen Stiftung einzuführen. Dank der durch den Aktionsplan und die Empfehlung zur Sozialwirtschaft ausgelösten Dynamik könnte nun die Zeit reif sein, um eine weitere diesbezügliche Initiative auf den Weg zu bringen.

3.3Der EWSA weist darauf hin, wie wichtig es ist, die in den Rechtsvorschriften einiger Mitgliedstaaten noch bestehenden ungerechtfertigten Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sowie des freien Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehrs zu beseitigen. Er begrüßt daher ganz besonders, dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 12 des Richtlinienvorschlag sicherzustellen haben, dass sich ein ECBA nur einmal registrieren muss.

 

3.4Vereine ohne Erwerbszweck, die in einem anderen Mitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen, sind nämlich bislang zur Gründung und Eintragung eines völlig neuen Vereins ohne Erwerbszweck in diesem Mitgliedstaat gezwungen, was zusätzliche Verwaltungskosten und Formalitäten mit sich bringt.

3.5Das hat auch Auswirkungen auf die Übertragung von Kapital von einem Verein ohne Erwerbszweck auf den anderen, wodurch ein nahtloser Kapitalfluss behindert und die Möglichkeit von Vereinen ohne Erwerbszweck, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, untergraben wird. Auch für den Zugang zu Kapital gelten unterschiedliche Regelungen, und es bestehen Schwierigkeiten beim Zugang zu Darlehen, Finanzkrediten und Bürgschaften bei Kreditinstituten.

3.6Der EWSA ist der Auffassung, dass durch die Schaffung einer neuen, von allen Mitgliedstaaten anerkannten Rechtsform für Vereine ohne Erwerbszweck das Potenzial der zivilgesellschaftlichen Organisationen besser genutzt und der wesentliche Beitrag, den sie unabhängig von ihrer Größe zu unserer Gesellschaft leisten, unterstützt werden kann. Diese neue Rechtsform kann entscheidend dazu beitragen, dass sich Bürgerinnen und Bürger insbesondere im Rahmen von Vereinen und Stiftungen verstärkt gemeinsam engagieren, mehr gemeinnützige Tätigkeiten ausführen und in den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft mitarbeiten. Darüber hinaus erlaubt sie es Vereinen aus Grenzregionen, ihre Zusammenarbeit auszubauen, wodurch das Zugehörigkeitsgefühl zu Europa und der Bürgersinn in diesen einzigartigen Gebieten gestärkt werden. Die vorliegende Initiative wird zur Anerkennung der Rolle gemeinnütziger Vereine ohne Erwerbszweck in Europa beitragen und kann als Bezugspunkt für künftige Initiativen dienen, die weitere Arten von Körperschaften wie Stiftungen betreffen.

3.7Nach Auffassung des EWSA ist es besonders nützlich und begrüßenswert, dass ein ECBA gemäß dem Richtlinienvorschlag mit seiner Eintragung in einem Mitgliedstaat Rechtspersönlichkeit sowie Rechts- und Geschäftsfähigkeit erlangt. Sobald ein europäischer grenzübergreifender Verein in einem Mitgliedstaat registriert ist, wird er automatisch in allen Mitgliedstaaten anerkannt und kann dort tätig werden und auch eine Wirtschaftstätigkeit ausüben. Dadurch kann das gesamte soziale und wirtschaftliche Potenzial von ECBA in der EU erschlossen werden.

3.8Die Rechtsform des ECBA tritt zu den anderen auf Ebene der Mitgliedstaaten bestehenden Rechtsformen für Vereinigungen hinzu. In nicht in dem Richtlinienvorschlag geregelten Aspekten, wie z. B. die steuerliche Behandlung, behandeln die Mitgliedstaaten ECBA in gleicher Weise wie vergleichbare nationale Vereine ohne Erwerbszweck, entsprechend ihren Traditionen im jeweiligen Bereich. Bestehende Vereine bleiben davon unberührt.

3.9Die neuen Vorschriften zur „ECBA-Bescheinigung“ tragen dazu bei, dass ein ECBA nach seiner Eintragung in einem Mitgliedstaat überall in der Union rasch anerkannt wird. Außerdem sind einheitliche Vorschriften zur Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes vorgesehen, wodurch ECBA alle Vorteile der Niederlassungsfreiheit sowie des freien Dienstleistungs-, Güter- und Kapitalverkehrs in der EU nutzen können.

3.10ECBA können unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat die Eintragung erfolgt, in vollem Umfang von den Vorteilen des Binnenmarkts profitieren, und erhalten in jedem Mitgliedstaat, in dem sie tätig sind, ungehinderten und diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlicher Finanzierung.

3.11Der EWSA hält es für notwendig, mehr Daten zu den Körperschaften bereitzustellen, die den Status eines ECBA erlangen können, und so die Informationen und das Wissen über die vielfältigen Rechtsformen von Vereinigungen ohne Erwerbszweck zu verbessern. Darüber hinaus spricht er sich für die Schaffung geeigneter und vergleichbarer Register und statistischer Systeme aus. Die Register und Einstufungssysteme für Vereinigungen mit Gewinnerzielungsabsicht müssen darauf abzielen, den Missbrauch der den ECBA gewährten Vorteile zu verhindern, dürfen aber nicht dazu verwendet werden, Beschränkungen aufzuerlegen, wie es in Artikel 15 des Richtlinienvorschlags eindeutig vorgesehen ist.

3.12Mit dem Vorschlag für eine Richtlinie hat die Kommission auch eine Verordnung technischer Art zur Änderung der Verordnungen über das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) und das einheitliche digitale Zugangstor angenommen, um die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden über das IMI-System zu ermöglichen, digitale Verfahren über das einheitliche digitale Zugangstor durchzuführen und so der Öffentlichkeit den Zugang zu online verfügbaren Informationen zu ECBA zu ermöglichen.

3.13Der EWSA begrüßt die Einrichtung und den Betrieb des einheitlichen digitalen Zugangstors, das den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen sowie anderen juristischen Personen einen einfachen Zugang zu hochwertigen Informationen, effizienten Verfahren und wirksamen Hilfs‑ und Problemlösungsdiensten im Zusammenhang mit den für sie geltenden Unions- und nationalen Vorschriften bietet.

Brüssel, den 20. Dezember 2023

Sandra PARTHIE

Vorsitzende der Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

_____________

(1)      Europäischer Fonds für soziales Unternehmertum.
(2)      EWSA-Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des rumänischen Ratsvorsitzes „Gemeinnützigkeit in Europa: ein ungenutztes Potenzial“, ABl. C 240 vom 16.7.2019, S. 24 .
(3)

     Für weiterführende Informationen über das Umfeld für gemeinnützige Tätigkeiten in Europa siehe: Philea,  Country profiles on the legal and fiscal landscape for philanthropy  sowie Comparative Highlights of Foundation Laws.

(4)     COM(2023) 516 final .
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