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Document JOL_2009_315_R_0035_01

Beschluss 2009/877/GASP des Rates vom 23. Oktober 2009 über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Briefwechsels zwischen der Europäischen Union und der Republik Seychellen über die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber durch die EUNAVFOR an die Republik Seychellen und für deren Behandlung nach einer solchen Überstellung
Briefwechsel zwischen der Europäischen Union und der Republik Seychellen über die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber durch die EUNAVFOR an die Republik Seychellen und für deren Behandlung nach einer solchen Überstellung

ABl. L 315 vom 2.12.2009, p. 35–43 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

2.12.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 315/35


BESCHLUSS 2009/877/GASP DES RATES

vom 23. Oktober 2009

über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Briefwechsels zwischen der Europäischen Union und der Republik Seychellen über die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber durch die EUNAVFOR an die Republik Seychellen und für deren Behandlung nach einer solchen Überstellung

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 24,

auf Empfehlung des Vorsitzes,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN-Sicherheitsrat) hat am 2. Juni 2008 die Resolution 1816 (2008) verabschiedet, in der alle Staaten aufgefordert werden, bei der Festlegung der Zuständigkeit sowie bei den Ermittlungen gegen Personen, die für seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle vor der Küste Somalias verantwortlich sind, und bei ihrer strafrechtlichen Verfolgung zusammenzuarbeiten. Diese Bestimmungen wurden mit der am 2. Dezember 2008 vom VN-Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution 1846 (2008) erneut bestätigt.

(2)

Der Rat hat am 10. November 2008 die Gemeinsame Aktion 2008/851/GASP über die Militäroperation der Europäischen Union als Beitrag zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias (1) (Operation „Atalanta“) angenommen.

(3)

Nach Artikel 12 der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP können Personen, die in den Hoheitsgewässern Somalias seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle begangen haben oder im Verdacht stehen, diese Taten dort begangen zu haben, und die aufgegriffen und im Hinblick auf die Strafverfolgung festgehalten wurden, sowie die Güter, die zur Ausführung dieser Taten dienten, an einen Drittstaat, der seine gerichtliche Zuständigkeit in Bezug auf diese Personen und Güter wahrnehmen möchte, überstellt werden, sofern mit dem betreffenden Drittstaat die Bedingungen für diese Überstellung im Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht, insbesondere den internationalen Menschenrechtsnormen, festgelegt wurden, um insbesondere sicherzustellen, dass für niemanden das Risiko der Todesstrafe, Folter oder jeglicher anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.

(4)

Nach Artikel 24 des Vertrags hat der Vorsitz mit Unterstützung des Generalsekretärs/Hohen Vertreters einen Briefwechsel zwischen der Europäischen Union und der Regierung der Seychellen über die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber durch die EUNAVFOR an die Republik Seychellen und für deren Behandlung nach einer solchen Überstellung ausgehandelt.

(5)

Der Briefwechsel sollte vorbehaltlich seines späteren Abschlusses unterzeichnet und vorläufig angewendet werden —

BESCHLIESST:

Artikel 1

Die Unterzeichnung des Briefwechsels zwischen der Europäischen Union und der Republik Seychellen über die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber durch die EUNAVFOR an die Republik Seychellen und für deren Behandlung nach einer solchen Überstellung wird hiermit — vorbehaltlich des Abschlusses dieses Abkommens — im Namen der Europäischen Union genehmigt.

Der Wortlaut des Briefwechsels ist diesem Beschluss beigefügt.

Artikel 2

Der Präsident des Rates wird ermächtigt, die Person(en) zu bestellen, die befugt ist (sind), das betreffende Schreiben — vorbehaltlich des Abschlusses- im Namen der Europäischen Union zu unterzeichnen.

Artikel 3

Der Briefwechsel wird ab seiner Unterzeichnung bis zu seinem Inkrafttreten vorläufig angewendet.

Artikel 4

Dieser Beschluss wird am Tag seiner Annahme wirksam.

Artikel 5

Dieser Beschluss wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Geschehen zu Luxembourg am 23. Oktober 2009.

Im Namen des Rates

Der Präsident

T. BILLSTRÖM


(1)  ABl. L 301 vom 12.11.2008, S. 33.


ÜBERSETZUNG

Briefwechsel zwischen der Europäischen Union und der Republik Seychellen über die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber durch die EUNAVFOR an die Republik Seychellen und für deren Behandlung nach einer solchen Überstellung

Exzellenz,

Hiermit wird auf die am 18. und 19. August 2009 auf den Seychellen abgehaltene Arbeitstagung Bezug genommen, auf der Vertreter der EU, die Mitglieder des Hochrangigen Ausschusses der Seychellen und anderer einschlägiger Einrichtungen die EU-Vereinbarungen zu seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen erörterten, und es wird Bezug genommen auf unser anschließendes Schreiben vom 21. August 2009.

Auf der Arbeitstagung trugen die verschiedenen einschlägigen Einrichtungen ihre Bedenken hinsichtlich der Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber vor. Der vom Generalstaatsanwalt der Republik Seychellen ausgearbeitete „Leitfaden für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber und die Übergabe von beschlagnahmten Gütern an die Seychellen“, der gewährleisten soll, dass die Überstellung von Personen, die im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle begangen zu haben, im Einklang mit den Gesetzen der Seychellen erfolgt, wurde grundsätzlich gebilligt. Ferner wurde vereinbart, dass die Durchführungsmodalitäten (mit denen Artikel 10 des vorgeschlagenen Überstellungsabkommens präzisiert wird) nach Fertigstellung des vorgeschlagenen Überstellungsabkommens festgelegt werden können und dass ein gemeinsamer Leitfaden für die Übergabe mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber sowie von beschlagnahmten Gütern ausgearbeitet wird. Darüber hinaus wird die Republik Seychellen die erforderliche Hilfe erhalten, um mutmaßliche Piraten und bewaffnete Räuber festzunehmen, in Haft zu halten, strafrechtlich zu verfolgen, vor Gericht zu stellen und in ihr Herkunftsland zurückzuführen.

Im Anschluss an die Arbeitstagung und unser Schreiben fanden im Hochrangigen Ausschuss weitere Beratungen über die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber in das Hoheitsgebiet der Republik Seychellen statt.

Die Regierung der Republik Seychellen möchte der EU bei dieser Gelegenheit erneut versichern, dass sie sich verpflichtet sieht, bei der Bekämpfung der Seeräuberei in größtmöglichem Umfang entsprechend ihren verfügbaren Mitteln und Infrastrukturkapazitäten zu kooperieren und die Überstellung gefangen genommener mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber zu akzeptieren.

Gleichzeitig möchte die Regierung der Republik Seychellen dem Wunsch Ausdruck verleihen, dass das Abkommen über die Rechtsstellung der Einsatzkräfte (SOFA) der EU im Verlauf der weiteren Beratungen über das vorgeschlagene Überstellungsabkommen der EU unterzeichnet wird.

In Anbetracht dessen, dass die Verhandlungen noch andauern und der Abschluss einer für beide Seiten annehmbaren Vereinbarung zwischen der EU und der Regierung der Republik Seychellen über die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber in ihr Hoheitsgebiet noch aussteht, kann die Regierung der Republik Seychellen die EUNAVFOR ermächtigen, mutmaßliche Piraten und bewaffnete Räuber, die sie im Laufe ihrer Einsätze in der ausschließlichen Wirtschaftszone, im Küstenmeer, in den Archipelgewässern und den inneren Gewässern der Republik Seychellen gefangen nimmt, zu überstellen. Diese Ermächtigung wird nach Ermessen der Republik Seychellen auf den Schutz der unter seychellischer Flagge fahrenden Schiffe und der seychellischen Bürger auf nicht unter seychellischer Flagge fahrenden Schiffen über den vorgenannten Raum hinaus und unter anderen Umständen auf die Hochsee ausgedehnt.

Es gelten stets folgende Voraussetzungen:

Die EU — im Bewusstsein der begrenzten Kapazitäten der Republik Seychellen zur Aufnahme, Aburteilung, Festsetzung und Inhaftierung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber und in Anbetracht dessen, dass die Republik Seychellen die Überstellung aller mutmaßlichen Piraten und bewaffneten Räuber in ihr Hoheitsgebiet akzeptiert — leistet der Republik Seychellen uneingeschränkte Hilfe in Bezug auf finanzielle Mittel, Personal, Material, Logistik und Infrastrukturen, die für die Festsetzung, die Aufrechterhaltung der Inhaftierung, die Ermittlungen, die strafrechtliche Verfolgung, die Aburteilung und die Rückführung der mutmaßlichen oder überführten Piraten und bewaffneten Räuber erforderlich sind;

Der Generalstaatsanwalt verfügt über mindestens zehn (10) Tage ab dem Zeitpunkt der Überstellung der mutmaßlichen Piraten oder bewaffneten Räuber, um darüber zu entscheiden, ob die vorliegenden Beweise für eine strafrechtliche Verfolgung ausreichen;

Die EUNAVFOR übernimmt in dem Falle, dass der Generalstaatsanwalt feststellt, dass die Beweise für eine strafrechtliche Verfolgung nicht ausreichen, binnen 10 Tagen nach Mitteilung einer solchen Entscheidung die volle Verantwortung, einschließlich der finanziellen Kosten, für die Rücküberstellung der mutmaßlichen Piraten und bewaffneten Räuber an ihr Herkunftsland;

Jede Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber erfolgt so weit wie möglich im Einklang mit dem „Leitfaden für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber und die Übergabe beschlagnahmter Güter an die Seychellen“;

Die Regierung der Republik Seychellen bestätigt ferner Folgendes:

Jede überstellte Person wird human behandelt und weder Folter noch grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt; sie wird angemessen untergebracht und verpflegt und erhält Zugang zu medizinischer Versorgung sowie Gelegenheit zu religiöser Betätigung.

Jede überstellte Person unverzüglich einem Richter oder einer anderen gesetzlich zur Wahrnehmung richterlicher Aufgaben ermächtigten Person vorgeführt, die unverzüglich über die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung entscheidet und ihre Freilassung anordnet, wenn die Inhaftierung nicht rechtmäßig ist.

Jede überstellte Person hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Freilassung.

Jede überstellte Person hat ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich verhandelt wird.

Jede überstellte Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

Jede überstellte Person, die einer Straftat angeklagt ist, hat in gleicher Weise im Verfahren Anspruch auf folgende Mindestgarantien:

1.

Sie ist unverzüglich und im Einzelnen in einer ihr verständlichen Sprache über die Art der gegen sie erhobenen Anklage zu unterrichten;

2.

sie muss hinreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung und zum Verkehr mit einem Verteidiger ihrer Wahl haben;

3.

sie hat das Recht, sich selbst zu verteidigen oder sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen; falls sie keinen Verteidiger hat, ist sie über das Recht, einen Verteidiger in Anspruch zu nehmen, zu unterrichten; fehlen ihr die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers, so ist ihr ein Verteidiger unentgeltlich zu bestellen, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;

4.

sie darf alle gegen sie vorliegenden Beweise prüfen oder prüfen lassen, einschließlich der eidlichen Erklärungen (Affidavits) von Zeugen, die die Festnahme durchgeführt haben, und das Erscheinen und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter den für die Belastungszeugen geltenden Bedingungen erwirken;

5.

sie kann die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers verlangen, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht;

6.

sie darf nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen.

Jede überstellte Person, die wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden ist, hat das Recht, das Urteil nach dem Recht der Seychellen durch ein höheres Gericht überprüfen zu lassen oder bei einem höheren Gericht dagegen Berufung einzulegen.

Ohne vorherige schriftliche Zustimmung der EUNAVFOR überstellen die Seychellen keine überstellte Person an einen anderen Staat.

Diese Regelung ist mit den seychellischen Behörden erörtert und vereinbart worden. Die hiermit vorgeschlagenen Regelungen können in Kraft treten, wenn die Europäische Union ihnen schriftlich zustimmt. Dies gilt unbeschadet der rechtlichen oder politischen Standpunkte, die die Delegationen beider Parteien in den laufenden Verhandlungen vertreten.

(Schlussformel)

J. Morgan

DER MINISTER

Vorsitzender des Hochrangigen Ausschusses für Seeräuberei

Exzellenz,

Ich beehre mich, den Eingang Ihres Schreibens vom 29. September 2009 über die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber durch die EUNAVFOR an die Republik Seychellen und für deren Behandlung nach einer solchen Überstellung zu bestätigen, das wie folgt lautet:

„Hiermit wird auf die am 18. und 19. August 2009 auf den Seychellen abgehaltene Arbeitstagung Bezug genommen, auf der Vertreter der EU, die Mitglieder des Hochrangigen Ausschusses der Seychellen und anderer einschlägiger Einrichtungen die EU-Vereinbarungen zu seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen erörterten, und es wird Bezug genommen auf unser anschließendes Schreiben vom 21. August 2009.

Auf der Arbeitstagung trugen die verschiedenen einschlägigen Einrichtungen ihre Bedenken hinsichtlich der Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber vor. Der vom Generalstaatsanwalt der Republik Seychellen ausgearbeitete ‚Leitfaden für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber und die Übergabe von beschlagnahmten Gütern an die Seychellen‘, der gewährleisten soll, dass die Überstellung von Personen, die im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle begangen zu haben, im Einklang mit den Gesetzen der Seychellen erfolgt, wurde grundsätzlich gebilligt. Ferner wurde vereinbart, dass die Durchführungsmodalitäten (mit denen Artikel 10 des vorgeschlagenen Überstellungsabkommens präzisiert wird) nach Fertigstellung des vorgeschlagenen Überstellungsabkommens festgelegt werden können und dass ein gemeinsamer Leitfaden für die Übergabe mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber sowie von beschlagnahmten Gütern ausgearbeitet wird. Darüber hinaus wird die Republik Seychellen die erforderliche Hilfe erhalten, um mutmaßliche Piraten und bewaffnete Räuber festzunehmen, in Haft zu halten, strafrechtlich zu verfolgen, vor Gericht zu stellen und in ihr Herkunftsland zurückzuführen.

Im Anschluss an die Arbeitstagung und unser Schreiben fanden im Hochrangigen Ausschuss weitere Beratungen über die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber in das Hoheitsgebiet der Republik Seychellen statt.

Die Regierung der Republik Seychellen möchte der EU bei dieser Gelegenheit erneut versichern, dass sie sich verpflichtet sieht, bei der Bekämpfung der Seeräuberei in größtmöglichem Umfang entsprechend ihren verfügbaren Mitteln und Infrastrukturkapazitäten zu kooperieren und die Überstellung gefangen genommener mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber zu akzeptieren.

Gleichzeitig möchte die Regierung der Republik Seychellen dem Wunsch Ausdruck verleihen, dass das Abkommen über die Rechtsstellung der Einsatzkräfte (SOFA) der EU im Verlauf der weiteren Beratungen über das vorgeschlagene Überstellungsabkommen der EU unterzeichnet wird.

In Anbetracht dessen, dass die Verhandlungen noch andauern und der Abschluss einer für beide Seiten annehmbaren Vereinbarung zwischen der EU und der Regierung der Republik Seychellen über die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber in ihr Hoheitsgebiet noch aussteht, kann die Regierung der Republik Seychellen die EUNAVFOR ermächtigen, mutmaßliche Piraten und bewaffnete Räuber, die sie im Laufe ihrer Einsätze in der ausschließlichen Wirtschaftszone, im Küstenmeer, in den Archipelgewässern und den inneren Gewässern der Republik Seychellen gefangen nimmt, zu überstellen. Diese Ermächtigung wird nach Ermessen der Republik Seychellen auf den Schutz der unter seychellischer Flagge fahrenden Schiffe und der seychellischen Bürger auf nicht unter seychellischer Flagge fahrenden Schiffen über den vorgenannten Raum hinaus und unter anderen Umständen auf die Hochsee ausgedehnt.

Es gelten stets folgende Voraussetzungen:

Die EU — im Bewusstsein der begrenzten Kapazitäten der Republik Seychellen zur Aufnahme, Aburteilung, Festsetzung und Inhaftierung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber und in Anbetracht dessen, dass die Republik Seychellen die Überstellung aller mutmaßlichen Piraten und bewaffneten Räuber in ihr Hoheitsgebiet akzeptiert — leistet der Republik Seychellen uneingeschränkte Hilfe in Bezug auf finanzielle Mittel, Personal, Material, Logistik und Infrastrukturen, die für die Festsetzung, die Aufrechterhaltung der Inhaftierung, die Ermittlungen, die strafrechtliche Verfolgung, die Aburteilung und die Rückführung der mutmaßlichen oder überführten Piraten und bewaffneten Räuber erforderlich sind;

Der Generalstaatsanwalt verfügt über mindestens zehn (10) Tage ab dem Zeitpunkt der Überstellung der mutmaßlichen Piraten oder bewaffneten Räuber, um darüber zu entscheiden, ob die vorliegenden Beweise für eine strafrechtliche Verfolgung ausreichen;

Die EUNAVFOR übernimmt in dem Falle, dass der Generalstaatsanwalt feststellt, dass die Beweise für eine strafrechtliche Verfolgung nicht ausreichen, binnen 10 Tagen nach Mitteilung einer solchen Entscheidung die volle Verantwortung, einschließlich der finanziellen Kosten, für die Rücküberstellung der mutmaßlichen Piraten und bewaffneten Räuber an ihr Herkunftsland;

Jede Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber erfolgt so weit wie möglich im Einklang mit dem ‚Leitfaden für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber und die Übergabe beschlagnahmter Güter an die Seychellen‘;

Die Regierung der Republik Seychellen bestätigt ferner Folgendes:

Jede überstellte Person wird human behandelt und weder Folter noch grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt; sie wird angemessen untergebracht und verpflegt, erhält Zugang zu medizinischer Versorgung sowie Gelegenheit zu religiöser Betätigung.

Jede überstellte Person wird unverzüglich einem Richter oder einer anderen gesetzlich zur Wahrnehmung richterlicher Aufgaben ermächtigten Person vorgeführt, die unverzüglich über die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung entscheidet und ihre Freilassung anordnet, wenn die Inhaftierung nicht rechtmäßig ist.

Jede überstellte Person hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Freilassung.

Jede überstellte Person hat ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich verhandelt wird.

Jede überstellte Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

Jede überstellte Person, die einer Straftat angeklagt ist, hat in gleicher Weise im Verfahren Anspruch auf folgende Mindestgarantien:

1.

Sie ist unverzüglich und im Einzelnen in einer ihr verständlichen Sprache über die Art der gegen sie erhobenen Anklage zu unterrichten;

2.

sie muss hinreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung und zum Verkehr mit einem Verteidiger ihrer Wahl haben;

3.

sie hat das Recht, sich selbst zu verteidigen oder sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen; falls sie keinen Verteidiger hat, ist sie über das Recht, einen Verteidiger in Anspruch zu nehmen, zu unterrichten; fehlen ihr die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers, so ist ihr ein Verteidiger unentgeltlich zu bestellen, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;

4.

sie darf alle gegen sie vorliegenden Beweise prüfen oder prüfen lassen, einschließlich der eidlichen Erklärungen (Affidavits) von Zeugen, die die Festnahme durchgeführt haben, und das Erscheinen und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter den für die Belastungszeugen geltenden Bedingungen erwirken;

5.

sie kann die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers verlangen, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht;

6.

sie darf nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen.

Jede überstellte Person, die wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden ist, hat das Recht, das Urteil nach dem Recht der Seychellen durch ein höheres Gericht überprüfen zu lassen oder bei einem höheren Gericht dagegen Berufung einzulegen.

Ohne vorherige schriftliche Zustimmung der EUNAVFOR überstellen die Seychellen keine überstellte Person an einen anderen Staat.

Diese Regelung ist mit den seychellischen Behörden erörtert und vereinbart worden. Die hiermit vorgeschlagenen Regelungen können in Kraft treten, wenn die Europäische Union ihnen schriftlich zustimmt. Dies gilt unbeschadet der rechtlichen oder politischen Standpunkte, die die Delegationen beider Parteien in den laufenden Verhandlungen vertreten.“

Ich habe die Ehre, im Namen der Europäischen Union zu bestätigen, dass die Europäische Union dem Inhalt Ihres Schreibens zustimmen kann. Diese Übereinkunft wird von der Europäischen Union ab dem Tag der Unterzeichnung dieses Schreibens vorläufig angewandt und wird endgültig in Kraft treten, sobald die Europäische Union ihre internen Verfahren für den Abschluss abgeschlossen hat.

Hinsichtlich der Bezugnahme in Ihrem Schreiben auf die Prüfung durch den Generalstaatsanwalt der Seychellen, ob die zur Verfügung stehenden Beweise für eine Strafverfolgung ausreichen, geht die Europäische Union davon aus, dass Sie zugestimmt haben, dass, da die EUNAVFOR in jedem Fall alle ihr zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Beweise übermittelt, wie etwa Logbücher, Fotoaufnahmen und Videoaufzeichnungen, dies dem Generalstaatsanwalt der Seychellen erlauben wird, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob diese Beweise ausreichen, bevor der Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber zugestimmt wird.

Ich möchte ferner daran erinnern, dass diese Übereinkunft — wie in Ihrem Schreiben erwähnt — auf vorläufiger Grundlage angewandt wird, solange der Abschluss eines für beide Seiten annehmbaren Abkommens zwischen der EU und der Republik Seychellen über die Überstellung von Piraten und bewaffneten Räubern in das Hoheitsgebiet der Republik Seychellen noch aussteht.

Genehmigen Sie, Exzellenz, den Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.

Für die Europäische Union

J. SOLANA MADARIAGA

ERKLÄRUNG DER EUROPÄISCHEN UNION ANLÄSSLICH DER UNTERZEICHNUNG DES BRIEFWECHSELS ZWISCHEN DER EUROPÄISCHEN UNION UND DER REPUBLIK SEYCHELLEN ÜBER DIE BEDINGUNGEN UND MODALITÄTEN FÜR DIE ÜBERSTELLUNG MUTMASSLICHER PIRATEN UND BEWAFFNETER RÄUBER DURCH DIE EUNAVFOR AN DIE REPUBLIK SEYCHELLEN UND FÜR DEREN BEHANDLUNG NACH EINER SOLCHEN ÜBERSTELLUNG

1.

Die Europäische Union (EU) stellt fest, dass der Briefwechsel zwischen der Europäischen Union und der Republik Seychellen über die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung mutmaßlicher Piraten und bewaffneter Räuber keine Abweichung von etwaigen aus dem geltenden innerstaatlichen Recht oder dem geltenden Völkerrecht herrührenden Rechten einer überstellten Person bezweckt und auch nicht in diesem Sinne ausgelegt werden darf.

2.

Die EU stellt fest, dass die Vertreter der EU und der EUNAVFOR aufgrund des Briefwechsels zu allen an die Republik Seychellen (Seychellen) überstellten Personen Zugang haben werden, solange solche Personen dort in Gewahrsam sind, und dass die Vertreter der EU und der EUNAVFOR das Recht haben werden, sie zu befragen.

Zu diesem Zweck stellt die EU fest, dass den Vertretern der EU und der EUNAVFOR genaue Aufzeichnungen über alle überstellten Personen, einschließlich Angaben über alle beschlagnahmten Güter, den körperlichen Zustand der überstellten Personen, den Ort ihrer Inhaftierung, alle gegen sie erhobenen Anklagepunkte sowie alle wesentlichen Entscheidungen, die während ihrer strafrechtlichen Verfolgung und des Gerichtsverfahrens getroffen wurden, zur Verfügung stehen werden.

Die EUNAVFOR ist bereit, die Seychellen rechtzeitig durch die Entsendung von Zeugen der EUNAVFOR und die Beibringung von relevanten Beweismitteln zu unterstützen. Zu diesem Zweck sollten die Seychellen der EUNAVFOR notifizieren, dass sie ein Strafverfahren gegen eine überstellte Person einzuleiten beabsichtigen, und den Zeitplan für die Beibringung von Beweismitteln und die Vernehmung von Zeugen mitteilen.

Die EU stellt fest, dass nationalen und internationalen humanitären Einrichtungen auf ihr Ersuchen hin ebenfalls gestattet werden wird, die aufgrund des Briefwechsels überstellten Personen zu besuchen.


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