Mindestlöhne in der EU
ZUSAMMENFASSUNG DES DOKUMENTS:
Richtlinie (EU) 2022/2041 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union
WAS IST DER ZWECK DER RICHTLINIE?
Mit ihr sollen die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Europäischen Union (EU) verbessert werden, indem ein Rahmen geschaffen wird für:
- Angemessenheit der gesetzlichen Mindestlöhne*;
- Förderung von Tarifverhandlungen* zur Lohnfestsetzung;
- Verbesserung des wirksamen Zugangs der Arbeitnehmer zum Schutz der gesetzlichen Mindestlöhne*, wie sie im nationalen Recht oder in Tarifverträgen festgelegt sind.
WICHTIGE ECKPUNKTE
Geltungsbereich
Die Richtlinie gilt für alle Arbeitnehmer in der EU, die nach der die Rechtsprechung des Gerichtshofs berücksichtigenden Definition im Recht, in den Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder den Gepflogenheiten jedes einzelnen Mitgliedstaates einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.
Um Tarifverhandlungen zur Lohnfestsetzung auszuweiten, ergreifen die Mitgliedstaaten unter Beteiligung der Sozialpartner folgende Maßnahmen:
- Förderung des Auf- und Ausbaus der Kapazitäten der Sozialpartner, Tarifverhandlungen insbesondere auf sektoraler oder branchenübergreifender Ebene zu führen;
- Förderung konstruktiver, zielführender und fundierter Lohnverhandlungen zwischen den Sozialpartnern;
- Sicherstellung des Rechts auf Tarifverhandlungen und Schutz der Arbeitnehmer und Gewerkschaftsvertreter vor Diskriminierung in Bezug auf ihre Beschäftigung;
- Schutz von Arbeitnehmern und Gewerkschaftsvertretern sowie Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen vor Eingriffen der jeweils anderen Seite oder ihrer Vertreter oder Mitglieder in ihre Gründung, ihre Arbeitsweise oder ihre Verwaltung;
- sofern die tarifvertragliche Abdeckung unterhalb einer Schwelle von 80 % liegt, Schaffung der Voraussetzungen, entweder durch Erlass eines Gesetzes oder nach Anhörung der Sozialpartner, und Erstellung eines Aktionsplans zur Förderung von Tarifverhandlungen.
Die Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen schaffen die erforderlichen Verfahren, um deren Angemessenheit sicherzustellen, mit dem Ziel:
- einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen;
- die Armut trotz Erwerbstätigkeit zu verringern;
- den sozialen Zusammenhalt und die soziale Aufwärtskonvergenz zu fördern;
- das geschlechterspezifische Lohngefälle zu verringern.
Die Mitgliedstaaten:
- verwenden Kriterien, die mindestens die folgenden Aspekte umfassen:
- die Kaufkraft der gesetzlichen Mindestlöhne unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten,
- das allgemeine Niveau der Löhne, ihre Wachstumsrate und ihre Verteilung,
- langfristige nationale Produktivitätsniveaus und -entwicklungen;
- legen bei ihrer Bewertung der Angemessenheit der gesetzlichen Mindestlöhne Referenzwerte zugrunde – die Mitgliedstaaten können einen automatischen Indexierungsmechanismus verwenden, sofern dieser nicht zu einer Senkung der gesetzlichen Mindestlöhne führt;
- aktualisieren die gesetzlichen Mindestlöhne mindestens alle zwei Jahre oder, bei Mitgliedstaaten, die einen automatischen Indexierungsmechanismus verwenden, mindestens alle vier Jahre;
- bestimmen einen oder mehrere Beratungsgremien, welche eine beratende Funktion einnehmen;
- beteiligen die Sozialpartner an der Festlegung und Aktualisierung der gesetzlichen Mindestlöhne;
- gewährleisten unter Einbeziehung der Sozialpartner den wirksamen Zugang der Arbeitnehmer zum gesetzlichen Mindestlohnschutz durch:
- wirksame, verhältnismäßige und nichtdiskriminierende Kontrollen und Inspektionen vor Ort;
- ausreichende Ressourcen, Schulung und Anleitung der Durchsetzungsbehörden, damit diese gezielt gegen Arbeitgeber, welche die Vorschriften nicht einhalten, vorgehen können.
Gemäß zusätzlichen Vorschriften müssen die Mitgliedstaaten:
- genaue Daten zur Überwachung des Mindestlohnschutzes erheben;
- sicherstellen, dass alle relevanten Informationen über die gesetzlichen Mindestlöhne öffentlich zugänglich sind und Arbeitnehmer wie Arbeitgeber über die Maßnahmen informiert sind;
- sicherstellen, dass Arbeitnehmer Zugang zu einer wirksamen, rechtzeitigen und unparteiischen Streitbeilegung und Anspruch auf Rechtsbehelfe haben;
- Arbeitnehmer und deren Vertreter vor Benachteiligungen durch den Arbeitgeber schützen;
- bei Verstößen gegen die Pflichten dieser Richtlinie Sanktionen anwenden.
Die Richtlinie:
- berührt nicht die Autonomie der Sozialpartner oder deren Recht, Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen;
- verpflichtet Mitgliedstaaten nicht,
- einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen,
- Tarifverträge als allgemein verbindlich zu erklären;
- berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten,
- über die Festsetzung gesetzlicher Mindestlöhne, deren Höhe oder den Zugang zu Schutz zu entscheiden,
- günstigere Bestimmungen oder Tarifverträge für Arbeitnehmer zu erlassen;
- rechtfertigt nicht eine Verringerung des den Arbeitnehmern bereits gewährten allgemeinen Schutzniveaus, insbesondere nicht die Senkung oder Abschaffung von Mindestlöhnen.
WANN TRETEN DIE VORSCHRIFTEN IN KRAFT?
Die Richtlinie muss bis 15. November 2024 in nationales Recht umgesetzt werden. Diese Vorschriften werden ab dem 15. November 2024 gelten.
HINTERGRUND
Die Mindestlöhne fallen in der EU sehr unterschiedlich aus, sodass viele Arbeitnehmer ungeschützt bleiben. Dies ist ein Bereich der nationalen Gerichtsbarkeit, in dem die EU eine unterstützende und ergänzende Rolle übernimmt. Diese Richtlinie zielt weder darauf ab, die Höhe der Mindestlöhne in der EU zu vereinheitlichen, noch einen einheitlichen Mechanismus für die Festsetzung von Mindestlöhnen zu schaffen.
Die Richtlinie beruht auf Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dessen spezifischen Angaben zu Arbeitsbedingungen.
Weiterführende Informationen:
SCHLÜSSELBEGRIFFE
Gesetzlicher Mindestlohn: ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn mit Ausnahme der tarifvertraglichen und allgemein verbindlichen Mindestlöhne.
Tarifverhandlungen: alle Verhandlungen gemäß dem nationalen Recht und im Einklang mit den nationalen Gepflogenheiten zwischen Arbeitgebern einerseits und Gewerkschaften andererseits zur Festlegung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen.
Mindestlohn: das gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegte Mindestentgelt, das ein Arbeitgeber den Arbeitnehmern für die in einem bestimmten Zeitraum geleistete Arbeit zu zahlen hat.
HAUPTDOKUMENT
Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (ABl. L 275 vom 25.10.2022, S. 33-47).
VERBUNDENE DOKUMENTE
Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Dritter Teil – Die internen Politiken und Maßnahmen der Union – Titel X – Sozialpolitik – Artikel 153 (ex-Artikel 137 EGV) (ABl. C 202 vom 7.6.2016, S. 114-116).
Letzte Aktualisierung: 06.02.2023