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Document 52010PC0082

    Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren

    /* KOM/2010/0082 endg. - COD 2010/0050 */

    52010PC0082

    Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren /* KOM/2010/0082 endg. - COD 2010/0050 */


    [pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

    Brüssel, den 9.3.2010

    KOM(2010) 82 endgültig

    2010/0050 (COD)

    Vorschlag für eine

    RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

    über das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren

    BEGRÜNDUNG

    1. EINFÜHRUNG

    1. Mit dem vorliegenden Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates sollen gemeinsame Mindestnormen für das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren innerhalb der Europäischen Union festgelegt werden. Dieser Vorschlag ist die erste von mehreren Maßnahmen, die in dem am 30. November 2009 im Rat verabschiedeten Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte aufgeführt sind, in dem die Kommission ersucht wurde, die Problematik schrittweise anzugehen. Diese Vorgehensweise wird mittlerweile als beste angesehen, weil sie zur Vertrauensbildung beiträgt. Der vorliegende Vorschlag ist daher als Teil eines in den kommenden Jahren vorzulegenden Pakets legislativer Maßnahmen zu verstehen, mit dem in Strafverfahren in der Europäischen Union ein Mindestmaß an Verfahrensrechten gewährleistet wird.

    2. Mit diesem Vorschlag sollen die Rechte von verdächtigen Personen, die die Verhandlungssprache weder sprechen noch verstehen, gestärkt werden. Eine Einigung auf gemeinsame Mindestnormen bei diesen Verfahrensrechten erleichtert die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und verbessert damit die justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der EU.

    3. Der vorliegende Vorschlag ersetzt den inhaltlich ähnlichen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates vom 8. Juli 2009[1] . Der Text wurde in den Arbeitsgruppen des Rates erörtert. Am 23. Oktober 2009 wurde im Rat “Justiz und Inneres” eine Einigung über das allgemeine Vorgehen erzielt. Für eine Annahme vor dem 1. Dezember 2009, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon, reichte aber die Zeit nicht aus, so dass der frühere Vorschlag obsolet wurde.

    4. Die Rechtsgrundlage des Vorschlags bildet Artikel 82 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Darin heißt es: „Soweit dies zur Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen mit grenzüberschreitender Dimension erforderlich ist, können das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien Mindestvorschriften festlegen . Bei diesen Mindestvorschriften werden die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen und -traditionen der Mitgliedstaaten berücksichtigt.

    Die Vorschriften betreffen Folgendes:

    a) die Zulässigkeit von Beweismitteln auf gegenseitiger Basis zwischen den Mitgliedstaaten;

    b) die Rechte des Einzelnen im Strafverfahren;

    c) die Rechte der Opfer von Straftaten;

    d)[…]“.

    Gegenseitige Anerkennung setzt gegenseitiges Vertrauen voraus. Um das gegenseitige Vertrauen und mithin auch die Zusammenarbeit zu verbessern, müssen die Vorschriften bis zu einem gewissen Grad kompatibel sein.

    5. Das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen, das sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ergibt und sich auch aus der EU-Grundrechtecharta[2] ableiten lässt, ist von grundlegender Bedeutung für eine die Verfahrenssprache nicht beherrschende, strafrechtlich verfolgte Person, damit sie weiß, welche Anschuldigungen gegen sie erhoben werden, und damit sie dem Verfahren folgen kann. Laut der Europäischen Menschenrechtskonvention sind Dolmetsch- und Übersetzungsdienste unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

    6. Folgenabschätzung – SEK(2009)915 und die Zusammenfassung SEK(2009)916: Zu dem Vorschlag vom Juli 2009 erstellte die Kommission eine Folgenabschätzung, die mutatis mutandis für den vorliegenden Richtlinienvorschlag gilt. Der Bericht über die Folgenabschätzung steht unter http://ec.europa.eu/governance/impact/ia_carried_out/docs/ia_2009/sec_2009_0917_en.pdf zur Verfügung.

    2. HINTERGRUND

    7. Artikel 6 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) zufolge sind die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Nach Artikel 6 Absatz 1 EUV erkennt die Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten Fassung niedergelegt sind, wobei die Charta der Grundrechte und die Unionsverträge rechtlich gleichrangig sind. Artikel 47 der Grundrechtecharta garantiert das Recht auf ein faires Verfahren, auf Rechtsberatung und Verteidigung, während Artikel 48 die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet.

    8. In den Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Tampere[3] wird die gegenseitige Anerkennung zum Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit erklärt. Zugleich wird betont, dass die gegenseitige Anerkennung „[…] und die notwendige Annäherung der Rechtsvorschriften […] den Schutz der Rechte des Einzelnen durch die Justiz erleichtern [würden]“[4].

    9. In der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 26. Juli 2000 über die gegenseitige Anerkennung von Endentscheidungen in Strafsachen[5] heißt es: „Daher muss sichergestellt werden, dass die Behandlung verdächtiger Personen und die Wahrung der Verteidigungsrechte durch die Anwendung dieses Grundsatzes [der gegenseitigen Anerkennung] nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern sogar verbessert würden.“

    10. Dies wurde auch im Maßnahmenprogramm des Rates und der Kommission zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen[6] („Maßnahmenprogramm“) bestätigt. Demzufolge „ist das Ausmaß der gegenseitigen Anerkennung eng verknüpft mit dem Bestehen und dem Inhalt bestimmter Parameter, die für die Effizienz des Verfahrens ausschlaggebend sind“.

    11. Zu diesen Parametern zählen Mechanismen zum Schutz der Rechte von verdächtigten Personen (Parameter 3) sowie die Festlegung der gemeinsamen Mindestnormen, deren es zur Erleichterung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung bedarf (Parameter 4). Der vorliegende Richtlinienvorschlag ist Ausdruck des erklärten Ziels, die Persönlichkeitsrechte zu stärken.

    12. Die Kommission legte 2004 einen umfassenden Vorschlag[7] für eine Regelung vor, die einige bedeutende Rechte von Beklagten in Strafverfahren enthielt. Dieser Vorschlag konnte vom Rat nicht angenommen werden.

    13. Am 30. November 2009 nahm der Rat „Justiz und Inneres” einen Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren[8] an. Darin rief er dazu auf, zu einigen wichtigen Verfahrensrechten schrittweise fünf Maßnahmen zu ergreifen, und forderte die Kommission auf, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Die erste im Fahrplan vorgesehene Maßnahme betrifft das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen.

    14. Das vom Europäischen Rat vom 10./11. Dezember 2009 angenommene Stockholmer Programm[9] bekräftigte die Bedeutung der Rechte des Einzelnen in Strafverfahren als Grundwert der Union und wesentlichem Bestandteil des gegenseitigen Vertrauens zwischen Mitgliedstaaten sowie des Vertrauens der Öffentlichkeit in die EU. Das Stockholmer Programm nimmt Bezug auf den Fahrplan als integralem Bestandteil des Mehrjahresprogramms und ruft die Kommission auf, geeignete Vorschläge für seine zügige Umsetzung vorzulegen.

    3. DAS RECHT AUF ÜBERSETZUNGS- UND DOLMETSCHLEISTUNGEN GEMÄß DER EUROPÄISCHEN MENSCHENRECHTSKONVENTION (EMRK) UND DER CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION

    15. In Artikel 5 der EMRK – Recht auf Freiheit und Sicherheit – heißt es:

    „1. Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden: (…)

    f) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung […] bei Personen, gegen die ein […] Auslieferungsverfahren im Gange ist.

    2. Jeder festgenommenen Person muss innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache mitgeteilt werden, welches die Gründe für ihre Festnahme sind und welche Beschuldigungen gegen sie erhoben werden.

    (…)

    4. Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist.“

    Artikel 6 der EMRK – Recht auf ein faires Verfahren – lautet:

    „3. Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte:

    a) innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;

    (…)

    e) unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht."

    In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind diese Rechte in den Artikeln 6 sowie 47 bis 50 verankert . Insbesondere Artikel 47 garantiert das Recht auf ein faires Verfahren, rechtliche Beratung und Vertretung; Artikel 48 gewährleistet die Unschuldsvermutung und die Verteidigungsrechte[10].

    16. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befand zu Artikel 6 EMRK, dass der Beschuldigte selbst im Falle seiner Verurteilung Anspruch auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers habe. Auch müssten die Unterlagen, aus denen hervorgeht, welche Beschuldigungen gegen ihn erhoben werden, in einer ihm verständlichen Sprache vorliegen. Schließlich müsse die Verdolmetschung ein Niveau besitzen, das es der betreffenden Person ermöglicht, dem Verfahren zu folgen, und es müsse ein sachkundiger Dolmetscher hinzugezogen werden. Dass das Recht auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers auch im Falle einer Verurteilung besteht, wurde im Fall Luedicke, Belkacem und Koç gegen Deutschland klargestellt[11]. In Kamasinski gegen Österreich[12] befand der EGMR, dass die Dolmetschleistung von einer Qualität sein müsse, die es dem Beschuldigten ermögliche zu verstehen, was ihm zur Last gelegt wird, so dass er sich verteidigen könne. Dieses Recht gelte für Beweismaterial ebenso wie für sämtliche Vorverfahren. Die Qualität der Dolmetschleistung müsse angemessen sein und die jeweilige Person müsse in einer ihr verständlichen Sprache ausführlich über die gegen sie vorgebrachten Anschuldigungen informiert werden ( Brozicek gegen Italien[13] ). Nicht der Beschuldigte müsse nachweisen, dass er die Gerichtssprache nicht hinreichend beherrscht, sondern die Gerichte müssten nachweisen, dass er ihrer hinreichend mächtig ist[14]. Der Dolmetscher müsse über entsprechende Kompetenzen verfügen und der Richter müsse ein faires Verfahren garantieren ( Cuscani gegen Vereinigtes Königreich[15] ).

    17. Der vorliegende Vorschlag für einen Richtlinienentwurf formuliert Mindestanforderungen und stützt sich dabei auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des EGMR. Vom „Reflection Forum on Multilingualism and Interpreter Training”der Kommission[16] stammt ein Bericht mit Empfehlungen zur Qualität von Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen. Der Bericht ist das Ergebnis verschiedener Treffen des Forums im Jahr 2008, das von der Generaldirektion Dolmetschen der Kommission den Auftrag erhalten hatte, einen etwaigen Handlungsbedarf festzustellen und gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen vorzuschlagen. Das Forum kam zu dem Schluss, dass Handlungsbedarf bestehe, und gab Empfehlungen ab, wie das Angebot an kompetenten und qualifizierten Dolmetschern für Strafverfahren verbessert werden könne. Zu den Empfehlungen gehörte auch, dass jeder Mitgliedstaat über einen Lehrplan für das Fach Gerichtsdolmetschen sowie ein Verfahren zur Zulassung, Zertifizierung und amtlichen Registrierung von Gerichtsdolmetschern verfügt.

    18. Auf Initiative der Generaldirektion Übersetzung der Europäischen Kommission (DGT) wurde eine Initiative für einen Europäischen Masterabschluss Übersetzung (EMT) ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit einer aus sechs hochrangigen Experten bestehenden Gruppe wurde ein Referenzrahmen für die Hochschulausbildung von Übersetzern geschaffen. Im September 2009 führte die DGT in der gesamten EU ein Netz hochwertiger Übersetzungsprogramme auf Masterebene ein, um die hohe Qualität der Übersetzerausbildung, auch im spezifischen Bereich der Übersetzung von Rechtstexten, aufrechtzuerhalten und den Übersetzerberuf in allen Mitgliedstaaten zu fördern.

    19. Falls erforderlich, können auf der Ebene der Europäischen Union verfügbare Finanzierungsmöglichkeiten eingesetzt werden, um die Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen, den Anforderungen dieser Rechtsvorschrift gerecht zu werden, insbesondere im Hinblick auf mit öffentlichen Mitteln finanzierte Übersetzungs- und Dolmetschfazilitäten zu unterstützen.

    4. DER VORSCHLAG IM EINZELNEN

    Artikel 1 - Anwendungsbereich

    20. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf Strafverfahren und Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls. Erfasst sind bis zum Abschluss des Verfahrens (einschließlich etwaiger Rechtsmittelinstanzen) sämtliche Personen, die verdächtigt werden, eine Straftat begangen zu haben. Dass Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls ausdrücklich mit eingeschlossen sind, ist insofern von Bedeutung, als im Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl auf diesen Punkt nur ganz allgemein eingegangen wird. Diesbezüglich ist der Vorschlag also eine Weiterentwicklung von Artikel 5 EMRK.

    21. Der EGMR hat klargestellt, dass sich Personen, die wegen einer Straftat vernommen werden, auf Artikel 6 EMRK berufen können, unabhängig davon, ob gegen sie Strafantrag gestellt wurde oder nicht. Hieraus folgt, dass dieses Recht auch für im Zusammenhang mit einer Straftat festgenommene oder festgehaltene Personen gilt. Diese Rechte gelten ab dem Zeitpunkt, zu dem die betreffende Person darüber informiert wird, dass sie verdächtigt wird, eine Straftat begangen zu haben.

    Artikel 2- Recht auf Dolmetschleistungen

    22. Dieser Artikel schreibt fest, dass während des Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens, d.h. während der polizeilichen Vernehmung, im Prozess sowie bei allen Zwischenverfahren und in allen Instanzen für Unterstützung durch einen Dolmetscher gesorgt werden muss. Dies schließt die Dolmetschleistung für die Verständigung der verdächtigen oder beschuldigten Person mit ihrem Rechtsbeistand ein. Es sollte ein System eingeführt werden, mit dem sich feststellen lässt, ob die betreffende Person einen Dolmetscher benötigt, und das der betreffenden Person ermöglichen würde, eine Entscheidung anzufechten, nach der kein Dolmetscher erforderlich sei, oder gegen die Qualität der Dolmetschleistung Beschwerde einzulegen.

    23. Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sind ausdrücklich eingeschlossen.

    Artikel 3 - Recht auf Übersetzung maßgeblicher Unterlagen

    24. Um ein faires Verfahren zu gewährleisten, hat die verdächtige Person Anspruch auf die schriftliche Übersetzung maßgeblicher Unterlagen. In Kamasinski gegen Österreich[17] urteilte der EGMR, dass sich das Recht auf Verdolmetschung auch auf Aktenmaterial beziehen müsse und dass die einer Straftat angeklagte Person über die gegen sie vorgebrachten Anschuldigungen so weit unterrichtet sein müsse, dass sie sich verteidigen kann[18]. Maßgebliche Unterlagen in Strafverfahren sind daher die Anklageschrift und alle sonstigen sachdienlichen Unterlagen wie Zeugenaussagen, die erforderlich sind, um im Einklang mit Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe a EMRK „in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung“ unterrichtet zu sein. Auch die Anordnung, eine Person festzunehmen oder ihr die Freiheit zu entziehen, muss ebenso wie das Gerichtsurteil in einer Übersetzung vorliegen, damit die betreffende Person von ihrem Recht Gebrauch machen und das Urteil überprüfen lassen kann (Artikel 2 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK). Bei sehr umfangreichen Unterlagen kann sich die Übersetzung auf die einschlägigen Textteile beschränken.

    25. Bei Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls muss dieser übersetzt werden.

    26. Ein Verzicht auf das Recht auf Übersetzung ist möglich, sofern die betreffende Person zuvor Rechtsberatung erhalten hat.

    Artikel 4 – Kosten der Dolmetsch- und Übersetzungsdienste

    27. Dieser Artikel bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsdienste zu tragen haben. Dass das Recht auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers auch im Falle einer Verurteilung besteht, wurde im Fall Luedicke, Belkacem und Koç gegen Deutschland klargestellt[19].

    Artikel 5 – Qualität der Dolmetsch- und Übersetzungsdienste

    28. Hier werden die Grundanforderungen an die Qualität der Dolmetsch- und Übersetzungsdienste erläutert. Empfehlungen hierzu enthält der Bericht des „Reflection Forum on Multilingualism and Interpreter Training“[20].

    Artikel 6 - Regressionsverbot

    29. Durch diesen Artikel soll sichergestellt werden, dass bestimmte Mitgliedstaaten durch die Festlegung gemeinsamer Mindestanforderungen im Einklang mit dieser Richtlinie nicht zur Absenkung ihrer Standards gezwungen und die Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Charta der Grundrechte und anderer einschlägiger internationaler Rechtsbestimmungen beibehalten werden. Es steht den Mitgliedstaaten weiterhin völlig frei, höhere Anforderungen als die der Richtlinie festzusetzen.

    Artikel 7 – Umsetzung

    30. Dieser Artikel verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Richtlinie bis zum xx.xx.20xx umzusetzen. Bis dahin müssen sie dem Rat und der Kommission auch den Wortlaut der Bestimmungen übermitteln, mit denen sie die Richtlinie in innerstaatliches Recht umsetzen.

    Artikel 8 - Berichterstattung

    31. Zwölf Monate nach der Umsetzung übermittelt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht, in dem sie bewertet, inwieweit die Mitgliedstaaten die nötigen Maßnahmen ergriffen haben, um dieser Richtlinie nachzukommen; gegebenenfalls fügt sie ihrem Bericht Legislativvorschläge bei.

    Artikel 9 - Inkrafttreten

    32. Dieser Artikel sieht vor, dass die Richtlinie am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft tritt.

    5. SUBSIDIARITÄTSPRINZIP

    33. Das Ziel des Vorschlags lässt sich von den Mitgliedstaaten allein nicht hinreichend verwirklichen, da sein Zweck darin besteht, das Vertrauen untereinander zu fördern. Es ist daher wichtig, sich auf gemeinsame Mindestnormen zu einigen, die in der gesamten Europäischen Union gelten. Mit dem Vorschlag sollen die wichtigsten verfahrensrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren angeglichen werden, um untereinander Vertrauen aufzubauen. Der Vorschlag steht daher mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang.

    6. GRUNDSATZ DER VERHÄLTNISMÄßIGKEIT

    34. Der Vorschlag entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da er nicht über das Maß hinausgeht, das erforderlich ist, um das erklärte Ziel auf europäischer Ebene zu erreichen.

    2010/0050 (COD)

    Vorschlag für eine

    RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

    über das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren

    DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION-

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 82 Absatz 2,

    auf Vorschlag der Europäischen Kommission[21],

    nach Zuleitung des Vorschlags an die nationalen Parlamente,

    nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses[22],

    nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen[23],

    gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1) In Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist das Recht auf ein faires Verfahren, rechtliche Beratung und Vertretung verankert. Artikel 48 der Charta gewährleistet die Unschuldsvermutung und die Verteidigungsrechte.

    (2) Die Europäische Union hat sich den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt. In seinen Schlussfolgerungen – insbesondere Randnummer 33 – erhob der Europäische Rat von Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999 den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zum Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen innerhalb der Union.

    (3) Am 29. November 2000 verabschiedete der Rat im Einklang mit den Schlussfolgerungen von Tampere ein Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen[24]. In der Einleitung des Maßnahmenprogramms wird erklärt, die gegenseitige Anerkennung „soll es ermöglichen, nicht nur die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch den Schutz der Persönlichkeitsrechte zu verstärken".

    (4) Die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen in Strafsachen setzt voraus, dass die Mitgliedstaaten Vertrauen in die jeweils anderen Strafrechtssysteme haben. Das Maß der gegenseitigen Anerkennung hängt von einer ganzen Reihe von Parametern ab; dazu gehören „Mechanismen für den Schutz der Rechte von […] verdächtigten Personen“[25] sowie gemeinsame Mindestnormen zur Erleichterung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung.

    (5) Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung kann nur in einem Klima des Vertrauens zum Tragen kommen, in dem nicht nur die Justizbehörden, sondern alle an Strafverfahren beteiligten Akteure Entscheidungen der Justizbehörden anderer Mitgliedstaaten als gleichwertig ansehen; hierzu bedarf es „gegenseitigen Vertrauens nicht nur in die Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats, sondern auch in die Tatsache, dass diese ordnungsgemäß angewandt werden“[26].

    (6) Zwar haben alle Mitgliedstaaten die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten unterzeichnet, doch hat die Erfahrung gezeigt, dass dadurch allein nicht immer ein hinreichendes Maß an Vertrauen in die Strafjustiz anderer Mitgliedstaaten hergestellt wird.

    (7) Nach Artikel 82 Absatz 2 AEUV können in den Mitgliedstaaten zur Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen mit grenzüberschreitender Dimension Mindestvorschriften festgelegt werden. Gemeinsame Mindestnormen sollen das Vertrauen in die Strafjustiz aller Mitgliedstaaten stärken und dies wiederum soll zu einer wirksameren Zusammenarbeit der Strafjustizbehörden in einem Klima gegenseitigen Vertrauens führen.

    (8) Am 30. November 2009 nahm der Rat den Fahrplan für Verfahrensrechte an, in dem er die Kommission ersuchte, die Problematik schrittweise anzugehen und Vorschläge zum Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen, auf Belehrung über die Rechte, auf Rechtsbeistand vor und während dem Verfahren, zum Recht einer in Haft befindlichen Person auf Kommunikation mit Angehörigen, Arbeitgebern und Konsularbehörden und zum Schutz schutzbedürftiger Verdächtiger vorzulegen.

    (9) Als erste Maßnahme des Fahrplans soll diese Richtlinie gemeinsame Normen im Bereich von Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren setzen, um das Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander zu stärken.

    (10) Das Recht von Personen, die die Verfahrenssprache nicht verstehen, auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen ergibt sich aus Artikel 6 EMRK in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Mit der Richtlinie soll die praktische Anwendung dieser Rechte mit dem Ziel der Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren erleichtert werden.

    (11) Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte sollen auch auf Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls ausgedehnt werden. Vollstreckende Mitgliedstaaten sollten für jede gesuchte Person, die die Verfahrenssprache nicht versteht oder spricht, Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen zur Verfügung stellen und die Kosten dafür tragen.

    (12) Die verdächtige oder beschuldigte Person sollte unter anderem imstande sein, ihrem Rechtsbeistand ihre eigene Version des Sachverhalts zu schildern, auf Aussagen hinzuweisen, denen sie nicht zustimmt, und ihn über Fakten in Kenntnis zu setzen, die zu ihrer Verteidigung vorgebracht werden sollten.

    (13) Die Entscheidung, dass Dolmetsch- oder Übersetzungsleistungen nicht erforderlich sind, sollte überprüft werden können. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die verdächtige oder beschuldigte Person das Recht hat, gegen eine Entscheidung, nach der Dolmetsch- oder Übersetzungsleistungen nicht erforderlich sind, auch in Fällen Einspruch einzulegen, in denen die Dolmetsch- oder Übersetzungsleistung so unzureichend ist, dass eine Sprachmittlung nicht gewährleistet ist.

    (14) Die Fürsorgepflicht für verdächtige oder beschuldigte Personen, die sich insbesondere wegen körperlicher Gebrechen, die ihre Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigen, in einer potenziell schwachen Position befinden, ist Grundlage einer fairen Justiz. Deshalb sollten die zuständigen Behörden sicherstellen, dass diese Personen die Rechte aus dieser Richtlinie wirksam ausüben können, indem sie auf eine etwaige Benachteiligung achten, die ihre Fähigkeit beeinträchtigt, dem Verfahren zu folgen und sich verständlich zu machen, und geeignete Schritte unternehmen, um diese Rechte zu gewährleisten.

    (15) Für ein faires Verfahren ist es erforderlich, dass wesentliche Dokumente für die verdächtige oder beschuldigte Person übersetzt werden. Zu den maßgeblichen Dokumenten, die übersetzt werden müssen, zählen die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme, die Anklageschrift, wichtiges Beweismaterial sowie das Urteil.

    (16) Ein Verzicht auf das Recht auf schriftliche Übersetzung von Dokumenten sollte unmissverständlich sein und nur nach rechtlicher Beratung gelten.

    (17) Die Effizienz von Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen sollte durch verschiedene Mittel sichergestellt werden, wie einem Schulungsangebot für Richter, Anwälte, Staatsanwälte, Polizeikräfte und andere Justizbedienstete, um sie für die Situation der Personen zu sensibilisieren, die solche Leistungen benötigen oder erbringen.

    (18) Mit dieser Richtlinie sollen Mindestvorschriften erlassen werden. Die Mitgliedstaaten sollten die in dieser Richtlinie verankerten Rechte ausweiten können, um auch in Situationen, die in dieser Richtlinie nicht ausdrücklich erfasst sind, ein höheres Schutzniveau zu bieten. Das Schutzniveau sollte nie unter den Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention im Sinne der Auslegung durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof liegen.

    (19) Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Mit dieser Richtlinie sollen insbesondere das Recht auf Freiheit, das Recht auf ein faires Verfahren und die Verteidigungsrechte gefördert werden; sie ist unter Einhaltung dieser Grundsätze umzusetzen.

    (20) Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie, die den durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantierten Rechten entsprechen, in Übereinstimmung mit diesen sowie der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs angewandt werden.

    (21) Da das Ziel der Festlegung gemeinsamer Mindestnormen durch einseitige Maßnahmen der Mitgliedstaaten weder auf zentraler, noch auf regionaler oder lokaler Ebene, sondern nur auf Unionsebene zu verwirklichen ist, kann der Rat im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Gemäß dem in demselben Artikel verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

    (22) Gemäß den Artikeln 1, 2, 3 und 4 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Anhang zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Richtlinie beteiligen wollen] / [Unbeschadet des Artikels 4 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland nicht an der Annahme dieser Richtlinie, die für sie nicht bindend oder anwendbar ist][27] Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie und ist durch die Richtlinie weder gebunden, noch zu ihrer Anwendung verpflichtet-

    HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

    Artikel 1 Gegenstand und Anwendungsbereich

    1. Diese Richtlinie regelt das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls.

    2. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass dieses in Absatz 1 genannte Recht für jede Person ab dem Zeitpunkt, zu dem ihr von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats mitgeteilt wird, dass sie der Begehung einer Straftat verdächtigt wird, und bis zum Abschluss des Verfahrens gilt.

    Artikel 2 Recht auf Dolmetschleistungen

    1. Um ein faires Strafverfahren zu gewährleisten, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass für eine verdächtige oder beschuldigte Person, die die Sprache des Strafverfahrens weder versteht noch spricht, unverzüglich qualitativ ausreichende Dolmetschleistungen bereitgestellt werden. Die Pflicht zur Beiziehung eines Dolmetschers besteht während des Ermittlungs- und des Gerichtsverfahrens, einschließlich polizeilicher Vernehmungen, aller erforderlichen Treffen zwischen der verdächtigen Person und ihrem Rechtsanwalt, sämtlicher Gerichtsverhandlungen sowie aller zwischenzeitlich nötigen Anhörungen.

    2. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass einer verdächtigen Person zur Verständigung mit dem Rechtsbeistand gegebenenfalls während des gesamten Strafverfahrens ein Dolmetscher zur Seite gestellt wird.

    3. Die Mitgliedstaaten sehen ein Verfahren vor, mit dessen Hilfe festgestellt werden kann, ob die verdächtige oder beschuldigte Person die Sprache des Strafverfahrens versteht und spricht.

    4. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die verdächtige oder beschuldigte Person eine Entscheidung anfechten kann, nach der keine Dolmetschleistung erforderlich ist.

    5. Das Recht auf Dolmetschleistungen gilt auch für hör- und sprachgeschädigte Personen.

    6. Wurde gegen eine Person ein Europäischer Haftbefehl erlassen, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass ihr, wenn sie die Verfahrenssprache weder versteht noch spricht, während des Verfahrens ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt wird.

    Artikel 3 Recht auf schriftliche Übersetzung maßgeblicher Unterlagen

    1. Um ein faires Verfahren zu gewährleisten, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass eine verdächtige oder beschuldigte Person, die die Sprache des Strafverfahrens nicht versteht, eine qualitativ ausreichende, schriftliche Übersetzung aller maßgeblichen Unterlagen erhält.

    2. Zu den maßgeblichen Unterlagen, die übersetzt werden müssen, gehören die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme, die Anklageschrift, wichtiges Beweismaterial sowie das Urteil.

    3. Die verdächtige oder beschuldigte Person oder ihr Rechtsbeistand können einen mit Gründen versehenen Antrag auf Übersetzung weiterer Unterlagen stellen, wozu auch der Verteidigung dienende Unterlagen des Rechtsbeistands der verdächtigen Person gehören können.

    4. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die verdächtige oder beschuldigte Person eine Entscheidung anfechten kann, der zufolge keine Übersetzung erforderlich ist.

    5. Wurde gegen eine Person ein Europäischer Haftbefehl erlassen, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass diese Person, wenn sie die Sprache nicht versteht, in der der Europäische Haftbefehl ausgestellt wurde, eine Übersetzung des entsprechenden Dokuments erhält.

    6. Eine Person, die nach diesem Artikel das Recht auf Übersetzung von Dokumenten hat, kann nach entsprechender Rechtsberatung auf dieses Recht verzichten.

    Artikel 4 Übernahme der Dolmetsch- und Übersetzungskosten durch die Mitgliedstaaten

    Die Mitgliedstaaten kommen unabhängig vom Ausgang des Verfahrens für die in Anwendung der Artikel 2 und 3 entstehenden Dolmetsch- und Übersetzungskosten auf.

    Artikel 5 Effizienz von Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen

    1. Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen müssen in einer Weise bereitgestellt werden, die es der verdächtigen oder beschuldigten Person ermöglicht, ihre Rechte in vollem Umfang auszuüben.

    2. Um gewährleisten zu können, dass die verdächtige oder beschuldigte Person dem Verfahren folgen kann, müssen Richter, Rechtsanwälte, Staatsanwälte und andere Justizbedienstete von den Mitgliedstaaten entsprechend geschult werden. Eine solche Schulung stellt auch eine Sensibilisierung in Bezug auf die Rolle von Dolmetschern und Übersetzern dar.

    Artikel 6 Regressionsverbot

    Keine Bestimmung dieser Richtlinie ist so auszulegen, dass dadurch die Verfahrensrechte und -garantien nach Maßgabe der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und der Grundfreiheiten, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, anderer einschlägiger internationaler Rechtsbestimmungen oder des Rechts einzelner Mitgliedstaaten, die ein höheres Schutzniveau vorsehen, eingeschränkt oder verändert würden.

    Artikel 7 Umsetzung

    1. Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie bis …* (* - vierundzwanzig Monate nach dem Tag des Inkrafttretens dieser Richtlinie) nachzukommen.

    2. Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

    3. Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus dieser Richtlinie, sowie eine Tabelle der Entsprechungen zwischen den Bestimmungen dieser Richtlinie und den von ihnen erlassenen innerstaatlichen Vorschriften.

    Artikel 8 Bericht

    Die Kommission berichtet dem Europäischen Parlament und dem Rat bis …[sechsunddreißig Monate nach Veröffentlichung dieser Richtlinie im Amtsblatt ], inwieweit die Mitgliedstaaten die zur Einhaltung dieser Richtlinie notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, und unterbreitet gegebenenfalls Legislativvorschläge. In dem Bericht wird auch auf die künftigen finanziellen Konsequenzen der Maßnahmen eingegangen, die die Mitgliedstaaten aufgrund dieser Richtlinie ergriffen haben.

    Artikel 9 Inkrafttreten

    Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

    Artikel 10

    Diese Richtlinie ist gemäß den EU-Verträgen an die Mitgliedstaaten gerichtet.

    Geschehen zu Brüssel am

    Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

    Der Präsident Der Präsident

    [1] KOM(2009) 338 vom 8.7.2009.

    [2] Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (Abl. C 303, 14.12.2007) im Anhang zur Charta, Erläuterung zu Artikel 48 lautet wie folgt: „Artikel 48 entspricht Artikel 6 Absätze 2 und 3 EMRK , der wie folgt lautet. [Es folgt das entsprechende Zitat.] Nach Artikel 52 Absatz 3 hat dieses Recht dieselbe Bedeutung und dieselbe Tragweite wie das durch die EMRK garantierte Recht.“ In Artikel 52 Absatz 3 der Charta heißt es ferner: „Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt“.

    [3] 15. und 16. Oktober 1999.

    [4] Schlussfolgerungen, Rdnr. 33.

    [5] KOM(2000) 495 endg. vom 29.7.2000.

    [6] ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 10.

    [7] KOM(2004) 328, 28.4.2004.

    [8] ABl. C 295, 4.12.2009, S.1.

    [9] Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 10./11. Dezember 2009.

    [10] Siehe Fußnote 2.

    [11] 28. November 1978, Serie A Nr.°29. „46. Der Gerichtshof gelangt zu der Feststellung, dass dem üblichen Sinn der Termini „gratuitement“ und „free“ („unentgeltlich“) in Art. 6 Abs. 3 lit. e der Zusammenhang der Bestimmung nicht widerspricht und dass Ziel und Zweck des Art. 6 ihn bestätigen. Er kommt zum Ergebnis, dass das in Art. 6 Abs. 3 lit. e geschützte Recht für jedermann, der die Verhandlungssprache des Gerichts nicht spricht oder versteht, den Anspruch auf unentgeltlichen Beistand eines Dolmetschers einschließt, ohne dass im Nachhinein die Zahlung der dadurch verursachten Kosten von ihm verlangt werden darf“.

    [12] 19. Dezember 1989, Serie A Nr. 168.

    [13] 19. Dezember 1989, (10964/84) [1989] EGMR Nr. 23.

    [14] „41 […] Die italienischen Behörden hätten dafür sorgen müssen, dass die Vorschriften in Artikel 6 Absatz 3 lit. a beachtet werden, es sei denn, sie hätten nachweisen können, dass der Beschwerdeführer tatsächlich ausreichende Kenntnisse der italienischen Sprache besitzt, um den Inhalt des Eröffnungsbeschlusses verstehen zu können. Die Aktenlage und die am 23. April 1989 gehörten Zeugen lassen jedoch nicht darauf schließen, dass dieser Beweis erbracht worden ist. Diesbezüglich liegt somit ein Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 3 lit. a vor“.

    [15] 24. September 2002 – Nr. 3277/96.

    [16] http://ec.europa.eu/commission_barroso/orban/docs/FinalL_Reflection_Forum_Report_en.pdf.

    [17] 19. Dezember 1989, Serie A Nr. 168.

    [18] „74. Das Recht […] auf unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher gilt nicht nur für mündliche Aussagen während des Gerichtsverfahrens, sondern erstreckt sich auch auf Aktenmaterial und auf das Ermittlungsverfahren. Artikel 6 Absatz 3 lit. e bedeutet, dass eine Person, „die einer Straftat angeklagt ist“ und die die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht, Anspruch auf die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers hat, der den Inhalt aller Dokumente und Aussagen übermittelt, die sich auf das gegen sie angestrengte Verfahren beziehen und dessen Verständnis bzw. Wiedergabe in der Gerichtssprache für sie unerlässlich ist, um in den Genuss eines fairen Verfahrens zu kommen. […] Artikel 6 Absatz 3 lit. e geht jedoch nicht so weit, eine schriftliche Übersetzung aller schriftlichen Beweismittel oder amtlichen Verfahrensunterlagen zu fordern. Die Unterstützung durch einen Dolmetscher sollte dergestalt sein, dass die einer Straftat angeklagte Person weiß, welche Anschuldigungen gegen sie erhoben werden, und dass sie sich selbst verteidigen und vor allem vor Gericht ihre Version der Ereignisse schildern kann. Damit das in Artikel 6 Absatz 3 lit. e verbriefte Recht auch tatsächlich greift, sind die Behörden nicht nur verpflichtet, einen Dolmetscher zu bestellen, sondern es kann bei entsprechenden Hinweisen unter bestimmten Umständen von ihnen auch verlangt werden, dass sie hinterher bis zu einem gewissen Grad die Adäquanz der Verdolmetschung überprüfen (siehe Urteil im Fall Artico).“

    [19] „46. Der Gerichtshof gelangt zu der Feststellung, dass dem üblichen Sinn der Termini „gratuitement“ und „free“ („unentgeltlich) in Art. 6 Abs. 3 lit. e der Zusammenhang der Bestimmung nicht widerspricht und dass Ziel und Zweck des Art. 6 ihn bestätigen. Er kommt zum Ergebnis, dass das in Art. 6 Abs. 3 lit. e geschützte Recht für jedermann, der die Verhandlungssprache des Gerichts nicht spricht oder versteht, den Anspruch auf unentgeltlichen Beistand eines Dolmetschers einschließt, ohne dass im Nachhinein die Zahlung der dadurch verursachten Kosten von ihm verlangt werden darf.“

    [20] Siehe Fußnote 14.

    [21] ABl. C […] vom […], S. […].

    [22] ABl. C […] vom […], S. […].

    [23] ABl. C […] vom […], S. […].

    [24] ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 10.

    [25] ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 10.

    [26] KOM(2000) 495 vom 26.7.2000, S. 4.

    [27] Der endgültige Wortlaut dieses Erwägungsgrunds der Richtlinie hängt von der Position ab, die das Vereinigte Königreich und Irland im Einklang mit den Bestimmungen des Protokolls (Nr. 21) tatsächlich einnehmen.

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