EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document C:2013:179E:FULL

Amtsblatt der Europäischen Union, CE 179, 25. Juni 2013


Display all documents published in this Official Journal
 

ISSN 1977-088X

doi:10.3000/1977088X.CE2013.179.deu

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 179E

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

56. Jahrgang
25. Juni 2013


Informationsnummer

Inhalt

Seite

 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

RAT

2013/C 179E/01

Standpunkt (EU) Nr. 6/2013 des Rates in erster Lesung im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Antrag-stellern auf internationalen Schutz (Neufassung)
Vom Rat am 6. Juni 2013 angenommen

1

2013/C 179E/02

Standpunkt (EU) Nr. 7/2013 des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung)
Vom Rat am 6. Juni 2013 festgelegt

27

DE

 


III Vorbereitende Rechtsakte

RAT

25.6.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 179/1


STANDPUNKT (EU) Nr. 6/2013 DES RATES IN ERSTER LESUNG

im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Antrag-stellern auf internationalen Schutz (Neufassung)

Vom Rat am 6. Juni 2013 angenommen

2013/C 179 E/01

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe f,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (4) ist in wesentlichen Punkten zu ändern. Aus Gründen der Klarheit empfiehlt es sich, eine Neufassung dieser Richtlinie vorzunehmen.

(2)

Eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz nachsuchen. Für diese Politik sollte der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, auch in finanzieller Hinsicht, gelten.

(3)

Der Europäische Rat kam auf seiner Sondertagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere überein, auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem hinzuwirken, das sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 1967 stützt, (im Folgenden „Genfer Abkommen“) damit der Grundsatz der Nichtzurückweisung gewahrt bleibt. Die erste Phase des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wurde mit Erlass der in den Verträgen vorgesehenen einschlägigen Rechtsinstrumente wie der Richtlinie 2003/9/EG abgeschlossen.

(4)

Der Europäische Rat hatte auf seiner Tagung vom 4. November 2004 das Haager Programm angenommen, das die Ziele für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vorgab, die im Zeitraum 2005-2010 erreicht werden sollten. Im Haager Programm wurde die Europäische Kommission aufgefordert, die Bewertung der Rechtsakte aus der ersten Phase abzuschließen und dem Europäischen Parlament und dem Rat die Rechtsakte und Maßnahmen der zweiten Phase vorzulegen.

(5)

Auf seiner Tagung vom 10./11. Dezember 2009 nahm der Europäische Rat das Stockholmer Programm an, in dem erneut die Verpflichtung zu dem Ziel bekräftigt wird, auf der Grundlage hoher Schutzstandards sowie fairer und wirksamer Verfahren bis 2012 einen gemeinsamen Raum des Schutzes und der Solidarität zu schaffen, der auf einem gemeinsamen Asylverfahren und einem einheitlichen Status für Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird, beruht. Dem Stockholmer Programm zufolge ist es außerdem entscheidend, dass Personen unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie ihren Antrag auf internationalen Schutz stellen, eine gleichwertige Behandlung hinsichtlich der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile erfahren.

(6)

Die Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der für die zweite Phase des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vorgegebenen Schutzstandards, insbesondere die Bemühungen der Mitgliedstaaten, deren Asylsystem vor allem aufgrund ihrer geografischen oder demografischen Lage einem besonderen und unverhältnismäßigen Druck ausgesetzt ist, sollten mit Mitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds und des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen in geeigneter Weise unterstützt werden.

(7)

Angesichts der Bewertungsergebnisse in Bezug auf die Umsetzung der Instrumente der ersten Phase empfiehlt es sich in dieser Phase, die der Richtlinie 2003/9/EG zugrunde liegenden Prinzipien im Hinblick auf die Gewährleistung verbesserter im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährter Vorteile für die Antragsteller auf internationalen Schutz (im Folgenden „Antragsteller“) zu bestätigen.

(8)

Um eine unionsweite Gleichbehandlung von Antragstellern sicherzustellen, sollte diese Richtlinie in allen Phasen und auf alle Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen, in allen Räumlichkeiten und Einrichtungen für die Unterbringung von Antragstellern und so lange wie sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates bleiben dürfen Anwendung finden.

(9)

Die Mitgliedstaaten sollten bei der Anwendung dieser Richtlinie bestrebt sein, im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten die uneingeschränkte Achtung der Grundsätze des Kindeswohls und der Einheit der Familie zu gewährleisten.

(10)

In Bezug auf die Behandlung von Personen, die unter diese Richtlinie fallen, sind die Mitgliedstaaten gehalten, ihren Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Instrumenten nachzukommen, denen sie beigetreten sind.

(11)

Es sollten Normen für die Aufnahme von Antragstellern festgelegt werden, die diesen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedstaaten gewährleisten.

(12)

Einheitliche Bedingungen für die Aufnahme von Antragstellern sollten dazu beitragen, die auf unterschiedliche Aufnahmevorschriften zurückzuführende Sekundärmigration von Antragstellern einzudämmen.

(13)

Im Interesse der Gleichbehandlung aller Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, und um die Übereinstimmung mit dem geltenden Asylrecht der EU, insbesondere mit der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (5), zu wahren, empfiehlt es sich, den Anwendungsbereich dieser Richtlinie auf Personen auszudehnen, die subsidiären Schutz beantragt haben.

(14)

Die Umstände für die Aufnahme von Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme sollten ein vorrangiges Anliegen für einzelstaatliche Behörden sein, damit gewährleistet ist, dass bei dieser Aufnahme ihren speziellen Aufnahmebedürfnissen Rechnung getragen wird.

(15)

Die Inhaftnahme von Antragstellern sollte im Einklang mit dem Grundsatz erfolgen, wonach eine Person nicht allein deshalb in Haft genommen werden darf, weil sie um internationalen Schutz nachsucht, insbesondere sollte die Inhaftnahme im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und unter Beachtung von Artikel 31 des Genfer Abkommens erfolgen. Antragsteller dürfen nur in den in der Richtlinie eindeutig definierten Ausnahmefällen und im Einklang mit den Grundsätzen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Art und Weise und den Zweck der Inhaftnahme in Haft genommen werden. Befindet sich ein Antragsteller in Haft, sollte er effektiven Zugang zu den erforderlichen Verfahrensgarantien haben und beispielsweise zur Einlegung eines Rechtsbehelfs bei einer nationalen Justizbehörde berechtigt sein.

(16)

Was die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit den Gründen für die Haft betrifft, so setzt der Begriff „gebotene Sorgfalt“ zumindest voraus, dass die Mitgliedstaaten konkrete und sinnvolle Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die zur Überprüfung der Gründe für die Inhaftierung erforderliche Zeit so kurz wie möglich ist und dass tatsächlich die Aussicht besteht, dass diese Überprüfung in kürzestmöglicher Zeit erfolgreich durchgeführt wird. Die Dauer der Haft darf den Zeitraum, der vernünftigerweise erforderlich ist, um die einschlägigen Verfahren abzuschließen, nicht überschreiten.

(17)

Die in dieser Richtlinie aufgeführten Gründe für die Haft lassen andere Haftgründe — einschließlich der Haftgründe im Rahmen eines Strafverfahrens — unberührt, die nach dem einzelstaatlichen Recht unabhängig vom Antrag eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen auf internationalen Schutz anwendbar sind.

(18)

Antragsteller, die sich in Haft befinden, sollten unter uneingeschränkter Wahrung der Menschenwürde behandelt werden und die Bedingungen für ihre Aufnahme sollten ihren Bedürfnissen in dieser Situation angepasst werden. Die Mitgliedstaaten sollten insbesondere sicherstellen, dass Artikel 37 des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes angewandt wird.

(19)

In der Praxis ist es unter Umständen — beispielsweise aufgrund der geografischen Lage oder der speziellen Struktur der Hafteinrichtung — nicht immer möglich, unverzüglich bestimmte Aufnahmegarantien in der Haft zu gewährleisten. Allerdings sollte von diesen Garantien allenfalls vorübergehend und nur unter den in dieser Richtlinie dargelegten Umständen abgewichen werden. Abweichungen sind nur in Ausnahmefällen zulässig und sollten hinreichend begründet werden, wobei die Umstände des Einzelfalls, darunter auch die Schwere der Abweichung, ihre Dauer und ihre Auswirkungen für den betroffenen Antragsteller, zu berücksichtigen sind.

(20)

Die Inhaftnahme eines Antragstellers sollte lediglich als letztes Mittel eingesetzt werden und darf erst zur Anwendung kommen, nachdem alle Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen sorgfältig darauf geprüft worden sind, ob sie besser geeignet sind, die körperliche und geistige Unversehrtheit des Antragstellers sicherzustellen. Alle Alternativen zur Haft müssen mit den grundlegenden Menschenrechten der Antragsteller in Einklang stehen.

(21)

Damit die Verfahrensgarantien, d. h. Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit Organisationen oder Personengruppen, die Rechtsberatung leisten, sichergestellt sind, sollten Informationen über derartige Organisationen und Personengruppen bereitgestellt werden.

(22)

Bei der Entscheidung über die Unterbringungsmodalitäten sollten die Mitgliedstaaten dem Wohl des Kindes sowie den besonderen Umständen jedes Antragstellers Rechnung tragen, der von Familienangehörigen oder anderen nahen Verwandten, wie z. B. unverheirateten minderjährigen Geschwistern, die sich bereits in dem Mitgliedstaat aufhalten, abhängig ist.

(23)

Um die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Antragstellern zu fördern und erhebliche Diskrepanzen zwischen den Mitgliedstaaten zu begrenzen, muss der Zugang der Antragsteller zum Arbeitsmarkt klar geregelt werden.

(24)

Um sicherzustellen, dass die Antragstellern gewährte materielle Unterstützung den in dieser Richtlinie festgeschriebenen Grundsätzen entspricht, müssen die Mitgliedstaaten anhand relevanter Bezugsgrößen den Umfang dieser Unterstützung bestimmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der gewährte Betrag dem für eigene Staatsangehörige entsprechen sollte. Die Mitgliedstaaten können für Antragsteller eine weniger günstige Behandlung als für eigene Staatsangehörige vorsehen, so wie es in dieser Richtlinie präzisiert ist.

(25)

Die Möglichkeiten für einen Missbrauch des Aufnahmesystems sollten dadurch beschränkt werden, dass die Umstände festgelegt werden, unter denen die den Antragstellern im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen eingeschränkt oder entzogen werden dürfen, wobei gleichzeitig ein menschenwürdiger Lebensstandard für alle Antragsteller zu gewährleisten ist.

(26)

Es sollte sichergestellt werden, dass die einzelstaatlichen Aufnahmesysteme effizient sind und die Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Antragstellern zusammenarbeiten.

(27)

Es sollte auf ein gutes Verhältnis zwischen den Kommunen und Unterbringungszentren hingewirkt werden, damit eine hinreichende Koordinierung zwischen den zuständigen Behörden bei der Aufnahme von Antragstellern gewährleistet ist.

(28)

Die Mitgliedstaaten sollten günstigere Regelungen für Drittstaatsangehörige und Staatenlose, die internationalen Schutz seitens eines Mitgliedstaats beantragen, einführen oder beibehalten können.

(29)

Dementsprechend werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Bestimmungen dieser Richtlinie auch im Zusammenhang mit Verfahren anzuwenden, bei denen es um die Gewährung anderer Formen des Schutzes als in der Richtlinie 2011/95/EU geht.

(30)

Die Anwendung dieser Richtlinie sollte regelmäßig bewertet werden.

(31)

Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Festlegung von Normen für die Aufnahme von Antragstellern in den Mitgliedstaaten, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann, sondern wegen des Umfangs und der Wirkungen dieser Richtlinie besser auf Unionsebene zu erreichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(32)

Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu Erläuternden Dokumenten (6) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen innerstaatlicher Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.

(33)

Nach den Artikeln 1, 2 und Artikel 4a Absatz 1 des dem EUV und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland nicht an der Annahme dieser Richtlinie und sind weder durch diese gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(34)

Nach den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks, beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie, die daher für Dänemark weder bindend noch Dänemark gegenüber anwendbar ist.

(35)

Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Sie zielt vor allem darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde zu gewährleisten und die Anwendung der Artikel 1, 4, 6, 7, 18, 21, 24 und 47 der Charta zu fördern, und muss entsprechend umgesetzt werden.

(36)

Die Verpflichtung zur Umsetzung dieser Richtlinie in einzelstaatliches Recht betrifft nur jene Bestimmungen, die im Vergleich zu der Richtlinie 2003/9/EG inhaltlich geändert wurden. Die Verpflichtung zur Umsetzung der inhaltlich unveränderten Bestimmungen ergibt sich aus jener Richtlinie.

(37)

Diese Richtlinie sollte die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang II Teil B genannten Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2003/9/EG in einzelstaatliches Recht unberührt lassen —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I

ZWECK, BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND ANWENDUNGSBEREICH

Artikel 1

Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist die Festlegung von Normen für die Aufnahme von Antragstellern auf internationalen Schutz (im Folgenden „Antragsteller“) in den Mitgliedstaaten.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

a)

„Antrag auf internationalen Schutz“ einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Artikel 2 Buchstabe h der Richtlinie 2011/95/EU;

b)

„Antragsteller“, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde;

c)

„Familienangehörige“ die folgenden Mitglieder der Familie des Antragstellers, die sich im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat aufhalten, sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat:

der Ehegatte des Antragstellers oder dessen nicht verheirateter Partner, der mit dem Antragsteller eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem einzelstaatlichen Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare nach dem einzelstaatlichen Ausländerrecht betreffend Drittstaatsangehörige vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare;

die minderjährigen Kinder des unter dem ersten Gedankenstrich genannten Paares oder des Antragstellers, sofern sie ledig sind, gleichgültig, ob es sich nach dem einzelstaatlichen Recht um eheliche oder außerehelich geborene oder adoptierte Kinder handelt;

der Vater, die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der nach dem Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats für den Antragsteller verantwortlich ist, wenn dieser minderjährig und unverheiratet ist;

d)

„Minderjähriger“ einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen unter 18 Jahren;

e)

„unbegleiteter Minderjähriger“ einen Minderjährigen, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem einzelstaatlichen Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schließt Minderjährige ein, die nach der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wurden;

f)

„im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährte Vorteile“ sämtliche Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Richtlinie zugunsten von Antragstellern treffen;

g)

„im Rahmen der Aufnahme gewährte materielle Leistungen“ Unterkunft, Verpflegung und Kleidung in Form von Sach- oder Geldleistungen oder Gutscheinen oder einer Kombination davon sowie Geldleistungen zur Deckung des täglichen Bedarfs;

h)

„Haft“ die räumliche Beschränkung eines Antragstellers durch einen Mitgliedstaat auf einen bestimmten Ort, an dem der Antragsteller keine Bewegungsfreiheit hat;

i)

„Unterbringungszentrum“ jede Einrichtung, die als Sammelunterkunft für Antragsteller dient;

j)

„Vertreter“ eine Person oder Organisation, die von den zuständigen Behörden zur Unterstützung und Vertretung eines unbegleiteten Minderjährigen in Verfahren nach Maßgabe dieser Richtlinie bestellt wurde, um das Kindeswohl zu wahren und für den Minderjährigen, soweit erforderlich, Rechtshandlungen vorzunehmen. Wird eine Organisation zum Vertreter bestellt, so bezeichnet diese eine Person, die gegenüber dem unbegleiteten Minderjährigen die Pflichten der Vertretung im Einklang mit dieser Richtlinie wahrnimmt;

k)

„Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme“ eine schutzbedürftige Person gemäß Artikel 21, die besondere Garantien benötigt, um die Rechte aus dieser Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen zu können.

Artikel 3

Anwendungsbereich

(1)   Diese Richtlinie gilt für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen, sowie für ihre Familienangehörigen, wenn sie nach einzelstaatlichem Recht von diesem Antrag auf internationalen Schutz erfasst sind.

(2)   Diese Richtlinie findet keine Anwendung, wenn in Vertretungen der Mitgliedstaaten um diplomatisches oder territoriales Asyl nachgesucht wird.

(3)   Diese Richtlinie findet keine Anwendung, wenn die Bestimmungen der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (7) angewendet werden.

(4)   Die Mitgliedstaaten können beschließen, diese Richtlinie auf Verfahren zur Bearbeitung von Ersuchen um Formen des Schutzes anzuwenden, die sich nicht aus der Richtlinie 2011/95/EU ergeben.

Artikel 4

Günstigere Bestimmungen

Die Mitgliedstaaten können günstigere Bestimmungen für die im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile für Antragsteller und andere enge Familienangehörige des Antragstellers, die sich in demselben Mitgliedstaat aufhalten, wenn sie von ihm abhängig sind oder humanitäre Gründe vorliegen, erlassen oder beibehalten, sofern diese Bestimmungen mit dieser Richtlinie vereinbar sind.

KAPITEL II

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN ÜBER DIE IM RAHMEN DER AUFNAHMEBEDINGUNGEN GEWÄHRTEN VORTEILE

Artikel 5

Information

(1)   Die Mitgliedstaaten unterrichten die Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist von höchstens fünfzehn Tagen nach dem gestellten Antrag auf internationalen Schutz zumindest über die vorgesehenen Leistungen und die Verpflichtungen, die mit den im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile verbunden sind.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Antragsteller Informationen darüber erhalten, welche Organisationen oder Personengruppen einschlägige Rechtsberatung leisten und welche Organisationen ihnen im Zusammenhang mit den im Rahmen der Aufnahme gewährten Vorteilen, einschließlich medizinischer Versorgung, behilflich sein oder sie informieren können.

(2)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die in Absatz 1 genannten Informationen schriftlich und in einer Sprache erteilt werden, die der Antragsteller versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass er sie versteht. Gegebenenfalls können diese Informationen auch mündlich erteilt werden.

Artikel 6

Dokumente

(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass den Antragstellern innerhalb von drei Tagen nach dem gestellten Antrag auf internationalen Schutz eine Bescheinigung ausgehändigt wird, die auf ihren Namen ausgestellt ist und ihren Rechtsstatus als Antragsteller bestätigt oder bescheinigt, dass sich die betreffende Person im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufhalten darf, solange ihr Antrag zur Entscheidung anhängig ist oder geprüft wird.

Ist es dem Inhaber nicht gestattet, sich innerhalb des gesamten Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats oder eines Teils davon frei zu bewegen, so ist dies in der Bescheinigung ebenfalls zu vermerken.

(2)   Im Fall einer Inhaftnahme des Antragstellers und während der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz, der an der Grenze oder im Rahmen eines Verfahrens gestellt wurde, in dem darüber entschieden wird, ob der Antragsteller das Recht hat, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen, können die Mitgliedstaaten von der Anwendung dieses Artikels absehen. In Sonderfällen können die Mitgliedstaaten Antragstellern während der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz andere Nachweise ausstellen, die dem in Absatz 1 genannten Dokument gleichwertig sind.

(3)   Mit dem in Absatz 1 genannten Dokument wird nicht notwendigerweise die Identität des Antragstellers bescheinigt.

(4)   Die Mitgliedstaaten treffen die Maßnahmen, die erforderlich sind, um den Antragstellern das in Absatz 1 genannte Dokument auszustellen, das so lange gültig sein muss, wie ihnen der Aufenthalt im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats gestattet ist.

(5)   Die Mitgliedstaaten können einem Antragsteller ein Reisedokument ausstellen, wenn schwerwiegende humanitäre Gründe seine Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern.

(6)   Die Mitgliedstaaten unterwerfen Antragsteller vor Zuerkennung der Rechte, auf die sie nach Maßgabe dieser Richtlinie Anspruch haben, nicht allein deshalb unnötigen oder unverhältnismäßigen Auflagen in Bezug auf Dokumente oder sonstige verwaltungstechnische Aspekte, weil sie internationalen Schutz beantragt haben.

Artikel 7

Aufenthaltsort und Bewegungsfreiheit

(1)   Antragsteller dürfen sich im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats oder in einem ihnen von diesem Mitgliedstaat zugewiesenen Gebiet frei bewegen. Das zugewiesene Gebiet darf die unveräußerliche Privatsphäre nicht beeinträchtigen und muss hinreichenden Raum dafür bieten, dass Gewähr für eine Inanspruchnahme aller Vorteile aus dieser Richtlinie gegeben ist.

(2)   Die Mitgliedstaaten können — aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder wenn es für eine zügige Bearbeitung und wirksame Überwachung des betreffenden Antrags auf internationalen Schutz erforderlich ist — einen Beschluss über den Aufenthaltsort des Antragstellers fassen.

(3)   Die Mitgliedstaaten dürfen die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen an die Bedingung knüpfen, dass sich Antragsteller tatsächlich an dem Ort aufhalten, der von den Mitgliedstaaten festgelegt wird. Ein derartiger Beschluss, der von allgemeiner Natur sein kann, wird jeweils für den Einzelfall und auf der Grundlage des einzelstaatlichen Rechts getroffen.

(4)   Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass Antragstellern eine befristete Genehmigung zum Verlassen des in den Absätzen 2 und 3 genannten Aufenthaltsorts und/oder des in Absatz 1 genannten zugewiesenen Gebiets erteilt werden kann. Die Entscheidung ist von Fall zu Fall, objektiv und unparteiisch zu treffen und im Falle einer Ablehnung zu begründen.

Der Antragsteller muss keine Genehmigung einholen, wenn er bei Behörden und Gerichten erscheinen muss.

(5)   Die Mitgliedstaaten schreiben Antragstellern vor, den zuständigen Behörden ihre aktuelle Adresse und schnellstmöglich etwaige Adressenänderungen mitzuteilen.

Artikel 8

Haft

(1)   Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie im Einklang mit der Richtlinie …/…/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom … zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (8)  (9) eine Antragstellerin ist.

(2)   In Fällen, in denen es erforderlich ist, dürfen die Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung den Antragsteller in Haft nehmen, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3)   Ein Antragsteller darf nur in Haft genommen werden,

a)

um seine Identität oder Staatsangehörigkeit festzustellen oder zu überprüfen;

b)

um Beweise zu sichern, auf die sich sein Antrag auf internationalen Schutz stützt und die ohne Haft unter Umständen nicht zu erhalten wären, insbesondere wenn Fluchtgefahr des Antragstellers besteht;

c)

um im Rahmen eines Verfahrens über das Recht des Antragstellers auf Einreise in das Hoheitsgebiet zu entscheiden;

d)

wenn er sich aufgrund eines Rückkehrverfahrens gemäß der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (10) zur Vorbereitung seiner Rückführung und/oder Fortsetzung des Abschiebungsverfahrens in Haft befindet und der betreffende Mitgliedstaat auf der Grundlage objektiver Kriterien, einschließlich der Tatsache, dass der Antragsteller bereits Gelegenheit zum Zugang zum Asylverfahren hatte, belegen kann, dass berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass er den Antrag auf internationalen Schutz nur beantragt, um die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zu verzögern oder zu vereiteln;

e)

wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich ist,

f)

wenn dies mit Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates vom … zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist (11)  (12), in Einklang steht.

Haftgründe werden im einzelstaatlichen Recht geregelt.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften Bestimmungen für Alternativen zur Inhaftnahme enthalten wie zum Beispiel Meldeauflagen, die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit oder die Pflicht, sich an einem zugewiesenen Ort aufzuhalten.

Artikel 9

Garantien für in Haft befindliche Antragsteller

(1)   Ein Antragsteller wird für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie die in Artikel 8 Absatz 3 genannten Gründe gegeben sind.

Die Verwaltungsverfahren in Bezug auf die in Artikel 8 Absatz 3 genannten Gründe für die Inhaftnahme werden mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt. Verzögerungen in den Verwaltungsverfahren, die nicht dem Antragsteller zuzurechnen sind, rechtfertigen keine Fortdauer der Haft.

(2)   Die Haft der Antragsteller wird von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde schriftlich angeordnet. In der Anordnung werden die sachlichen und rechtlichen Gründe für die Haft angegeben.

(3)   Wird die Haft von einer Verwaltungsbehörde angeordnet, so sorgen die Mitgliedstaaten von Amts wegen und/oder auf Antrag des Antragstellers für eine zügige gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme. Findet eine derartige Überprüfung von Amts wegen statt, so wird so schnell wie möglich nach Beginn der Haft entschieden. Findet die Überprüfung auf Antrag des Antragstellers statt, so wird über sie so schnell wie möglich nach Einleitung des diesbezüglichen Verfahrens entschieden. Zu diesem Zweck legen die Mitgliedstaaten in ihrem einzelstaatlichen Recht die Frist fest, in der die gerichtliche Überprüfung von Amts wegen und/oder die gerichtliche Überprüfung auf Antrag des Antragstellers durchzuführen ist.

Falls sich die Haft infolge der gerichtlichen Überprüfung als unrechtmäßig herausstellt, wird der betreffende Antragsteller unverzüglich freigelassen.

(4)   In Haft befindliche Antragsteller werden unverzüglich schriftlich und in einer Sprache, die sie verstehen, oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, über die Gründe für die Haft und die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren für die Anfechtung der Haftanordnung sowie über die Möglichkeit informiert, unentgeltlich Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch zu nehmen.

(5)   Die Haft wird in angemessenen Zeitabständen von Amts wegen und/oder auf Antrag des betroffenen Antragstellers von einer Justizbehörde überprüft, insbesondere wenn sie von längerer Dauer ist oder sich maßgebliche Umstände ergeben oder neue Informationen vorliegen, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Haft auswirken könnten.

(6)   Im Falle einer gerichtlichen Überprüfung der Haftanordnung nach Absatz 3 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass der Antragsteller unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch nehmen kann. Die Rechtsberatung und -vertretung umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden.

Die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung erfolgt durch nach einzelstaatlichem Recht zugelassene oder befugte Personen, die über eine angemessene Qualifikation verfügen und deren Interessen denen der Antragsteller nicht zuwiderlaufen oder nicht zuwiderlaufen könnten.

(7)   Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus vorsehen, dass unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung nur gewährt wird

a)

für diejenigen, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen; und/oder

b)

durch Rechtsbeistand oder sonstige Berater, die nach nationalem Recht zur Unterstützung und Vertretung von Antragstellern bestimmt wurden.

(8)   Ferner können die Mitgliedstaaten

a)

für die Gewährung von unentgeltlicher Rechtsberatung und -vertretung eine finanzielle und/oder zeitliche Begrenzung vorsehen, soweit dadurch der Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt wird;

b)

vorsehen, dass Antragstellern hinsichtlich der Gebühren und anderen Kosten keine günstigere Behandlung zuteilwird, als sie den eigenen Staatsangehörigen in Fragen der Rechtsberatung im Allgemeinen gewährt wird.

(9)   Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass der Antragsteller ihnen die entstandenen Kosten ganz oder teilweise zurückerstattet, wenn sich seine finanzielle Lage beträchtlich verbessert hat oder wenn die Entscheidung zur Übernahme solcher Kosten aufgrund falscher Angaben des Antragstellers getroffen wurde.

(10)   Die Verfahren für die Inanspruchnahme von Rechtsberatung und -vertretung werden im einzelstaatlichen Recht geregelt.

Artikel 10

Haftbedingungen

(1)   Die Haft der Antragsteller erfolgt grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen. Sind in einem Mitgliedstaat solche speziellen Hafteinrichtungen nicht vorhanden und muss die Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten erfolgen, so wird der in Haft genommene Antragsteller gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht und es kommen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Haftbedingungen zur Anwendung.

In Haft genommene Antragsteller werden, so weit möglich getrennt von anderen Drittstaatsangehörigen, die keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, untergebracht.

Können in Haft genommene Antragsteller nicht getrennt von anderen Drittstaatsangehörigen untergebracht werden, so sorgt der betreffende Mitgliedstaat dafür, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Haftbedingungen angewandt werden.

(2)   In Haft genommene Antragsteller müssen die Möglichkeit haben, sich an der frischen Luft aufzuhalten.

(3)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, die den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) vertreten, unter Bedingungen, die den Schutz der Privatsphäre garantieren, mit Antragstellern Verbindung aufnehmen und sie besuchen können. Diese Möglichkeit gilt auch für Organisationen, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats im Auftrag des UNHCR auf der Grundlage einer Vereinbarung mit dem Mitgliedstaat tätig sind.

(4)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Familienangehörige, Rechtsbeistand oder Berater und Personen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte einschlägig tätige Nichtregierungsorganisationen vertreten, unter Bedingungen, die den Schutz der Privatsphäre garantieren, mit Antragstellern Verbindung aufnehmen und sie besuchen können. Der Zugang zu der Hafteinrichtung darf nur dann eingeschränkt werden, wenn dies nach Maßgabe des einzelstaatlichen Rechts objektiv für die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Verwaltung der Hafteinrichtung erforderlich ist und der Zugang dadurch nicht wesentlich behindert oder unmöglich gemacht wird.

(5)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass in Haft befindlichen Antragsteller systematisch Informationen zu den in der Einrichtung geltenden Regeln bereitgestellt und ihnen ihre Rechte und Pflichten in einer Sprache erläutert werden, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen. In begründeten Ausnahmefällen können die Mitgliedstaaten für einen angemessenen Zeitraum, der so kurz wie möglich sein sollte, von dieser Verpflichtung abweichen, falls der Antragsteller an einer Grenzstelle oder in einer Transitzone in Haft genommen wird. Diese Ausnahmeregelung gilt nicht für Fälle nach Artikel 43 der Richtlinie …./…/EU (13).

Artikel 11

Inhaftnahme von schutzbedürftigen Personen und von Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme

(1)   Die Gesundheit, auch die psychische Gesundheit, der in Haft genommenen schutzbedürftigen Antragsteller ist ein vorrangiges Anliegen der nationalen Behörden.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass bei in Haft befindlichen schutzbedürftigen Personen regelmäßige Überprüfungen stattfinden und diese Personen in angemessener Weise unterstützt werden, wobei der besonderen Situation der Personen, einschließlich ihrer Gesundheit, Rechnung getragen wird.

(2)   Minderjährige dürfen nur im äußersten Falle in Haft genommen werden, und nachdem festgestellt worden ist, dass weniger einschneidende alternative Maßnahmen nicht wirksam angewandt werden können. Eine derartige Haft wird für den kürzestmöglichen Zeitraum angeordnet, und es werden alle Anstrengungen unternommen, um die in Haft befindlichen Minderjährigen aus dieser Haft zu entlassen und in für sie geeigneten Unterkünften unterzubringen.

Das Wohl des Minderjährigen nach Maßgabe von Artikel 23 Absatz 2 zu berücksichtigen, ist ein vorrangiges Anliegen der Mitgliedstaaten

In Haft befindliche Minderjährige müssen Gelegenheit zu Freizeitbeschäftigungen einschließlich altersgerechter Spiel- und Erholungsmöglichkeiten erhalten.

(3)   Unbegleitete Minderjährige dürfen nur in Ausnahmefällen in Haft genommen werden. Es werden alle Anstrengungen unternommen, um unbegleitete Minderjährige so schnell wie möglich aus der Haft zu entlassen.

Unbegleitete Minderjährige werden in keinem Falle in gewöhnlichen Haftanstalten untergebracht.

Unbegleitete Minderjährige werden so weit wie möglich in Einrichtungen untergebracht, die über Personal und Räumlichkeiten verfügen, die ihren altersgemäßen Bedürfnissen Rechnung tragen.

Befinden sich unbegleitete Minderjährige in Haft, stellen die Mitliedstaaten sicher, dass sie von Erwachsenen getrennt untergebracht werden.

(4)   In Haft befindliche Familien müssen eine gesonderte Unterbringung erhalten, die ein angemessenes Maß an Privatsphäre gewährleistet.

(5)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass in Haft befindliche weibliche Antragsteller getrennt von männlichen Antragstellern untergebracht werden, es sei denn, letztere sind Familienangehörige und alle Betroffenen haben ihre Zustimmung erteilt.

Ausnahmen von Unterabsatz 1 können auch hinsichtlich der Nutzung gemeinsamer Räumlichkeiten gelten, die zur Erholung und für soziale Aktivitäten, einschließlich der Einnahme von Mahlzeiten, bestimmt sind.

(6)   In begründeten Fällen können die Mitgliedstaaten für einen angemessenen Zeitraum, der so kurz wie möglich sein sollte, von Absatz 2 Unterabsatz 3, Absatz 4 und Absatz 5 Unterabsatz 1 abweichen, wenn ein Antragsteller an einer Grenzstelle oder in einer Transitzone in Haft genommen wird; davon ausgenommen sind die Fälle nach Artikel 43 der Richtlinie …./…/EU (14).

Artikel 12

Familien

Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um die Einheit einer sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhaltenden Familie so weit wie möglich zu wahren, wenn den Antragstellern von dem betreffenden Mitgliedstaat Unterkunft gewährt wird. Diese Maßnahmen gelangen mit der Zustimmung der Antragsteller zur Anwendung.

Artikel 13

Medizinische Untersuchungen

Die Mitgliedstaaten können die medizinische Untersuchung von Antragstellern aus Gründen der öffentlichen Gesundheit anordnen.

Artikel 14

Grundschulerziehung und weiterführende Bildung Minderjähriger

(1)   Die Mitgliedstaaten gestatten minderjährigen Kindern von Antragstellern und minderjährigen Antragstellern in ähnlicher Weise wie den eigenen Staatsangehörigen den Zugang zum Bildungssystem, solange keine Ausweisungsmaßnahme gegen sie selbst oder ihre Eltern vollstreckt wird. Der Unterricht kann in Unterbringungszentren erfolgen.

Die betreffenden Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Zugang auf das öffentliche Bildungssystem beschränkt bleiben muss.

Die Mitgliedstaaten dürfen eine weiterführende Bildung nicht mit der alleinigen Begründung verweigern, dass die Volljährigkeit erreicht wurde.

(2)   Der Zugang zum Bildungssystem darf nicht um mehr als drei Monate, nachdem ein Antrag auf internationalen Schutz von einem Minderjährigen oder in seinem Namen gestellt wurde, verzögert werden.

Bei Bedarf werden Minderjährigen Vorbereitungskurse, einschließlich Sprachkursen, angeboten, um ihnen, wie in Absatz 1 vorgesehen, den Zugang zum und die Teilnahme am Bildungssystem zu erleichtern.

(3)   Ist der Zugang zum Bildungssystem nach Absatz 1 aufgrund der spezifischen Situation des Minderjährigen nicht möglich, so bietet der betroffene Mitgliedstaat im Einklang mit seinen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten andere Unterrichtsformen an.

Artikel 15

Beschäftigung

(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann.

(2)   Die Mitgliedstaaten beschließen nach Maßgabe ihres einzelstaatlichen Rechts, unter welchen Voraussetzungen dem Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird, wobei sie gleichzeitig für einen effektiven Arbeitsmarktzugang für Antragsteller sorgen.

Aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik können die Mitgliedstaaten Bürgern der Union, Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen Vorrang einräumen.

(3)   Das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt darf während eines Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung in einem Standardverfahren aufschiebende Wirkung haben, bis zum Zeitpunkt, zu dem die ablehnende Entscheidung zugestellt wird, nicht entzogen werden.

Artikel 16

Berufliche Bildung

Die Mitgliedstaaten können Antragstellern ungeachtet der Möglichkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt den Zugang zur beruflichen Bildung gestatten.

Der Zugang zur beruflichen Bildung im Zusammenhang mit einem Arbeitsvertrag wird davon abhängig gemacht, inwieweit der betreffende Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt gemäß Artikel 15 hat.

Artikel 17

Allgemeine Bestimmungen zu materiellen Leistungen im Rahmen der Aufnahme und zur medizinischen Versorgung

(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Antragsteller ab Stellung des Antrags auf internationalen Schutz im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Anspruch nehmen können.

(2)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern gewährleistet.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass dieser Lebensstandard gewährleistet ist, wenn es sich um schutzbedürftige Personen im Sinne von Artikel 21 und um in Haft befindliche Personen handelt.

(3)   Die Mitgliedstaaten können die Gewährung aller oder bestimmter materieller Leistungen sowie die medizinische Versorgung davon abhängig machen, dass die Antragsteller nicht über ausreichende Mittel für einen Lebensstandard verfügen, der ihre Gesundheit und ihren Lebensunterhalt gewährleistet.

(4)   Die Mitgliedstaaten können von den Antragstellern verlangen, dass sie für die Kosten der in dieser Richtlinie im Rahmen der Aufnahme vorgesehenen materiellen Leistungen sowie der medizinischen Versorgung gemäß Absatz 3 ganz oder teilweise aufkommen, sofern sie über ausreichende Mittel verfügen, beispielsweise wenn sie über einen angemessenen Zeitraum gearbeitet haben.

Stellt sich heraus, dass ein Antragsteller zum Zeitpunkt der Gewährung der materiellen Leistungen sowie der medizinischen Versorgung über ausreichende Mittel verfügt hat, um diese Grundbedürfnisse zu decken, können die Mitgliedstaaten eine Erstattung von dem Antragsteller verlangen.

(5)   Wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen gewähren, bemisst sich deren Umfang auf Grundlage des Leistungsniveaus, das der betreffende Mitgliedstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach den Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten können Antragstellern in dieser Hinsicht eine weniger günstige Behandlung im Vergleich mit eigenen Staatsangehörigen zuteilwerden lassen, insbesondere wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird oder wenn das, auf eigene Staatsangehörige anzuwendende, Leistungsniveau darauf abzielt, einen Lebensstandard zu gewährleisten, der über dem nach dieser Richtlinie für Antragsteller vorgeschriebenen Lebensstandard liegt.

Artikel 18

Modalitäten der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen

(1)   Sofern die Unterbringung als Sachleistung erfolgt, sollte eine der folgenden Unterbringungsmöglichkeiten oder eine Kombination davon gewählt werden:

a)

Räumlichkeiten zur Unterbringung von Antragstellern für die Dauer der Prüfung eines an der Grenze oder in Transitzonen gestellten Antrags auf internationalen Schutz;

b)

Unterbringungszentren, die einen angemessenen Lebensstandard gewährleisten;

c)

Privathäuser, Wohnungen, Hotels oder andere für die Unterbringung von Antragstellern geeignete Räumlichkeiten.

(2)   Unbeschadet besonderer Haftbedingungen nach den Artikeln 10 und 11 in Bezug auf die Unterbringung nach Absatz 1 Buchstaben a, b und c dieses Artikels tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass

a)

Antragstellern der Schutz ihres Familienlebens gewährleistet wird;

b)

Antragsteller die Möglichkeit haben, mit Verwandten, Rechtsbeistand oder Beratern, Personen, die den UNHCR vertreten, und anderen einschlägig tätigen nationalen und internationalen Organisationen sowie Nichtregierungsorganisationen in Verbindung zu treten;

c)

Familienangehörige, Rechtsbeistand oder Berater, Personen, die den UNHCR vertreten, und einschlägig tätige von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte Nichtregierungsorganisationen Zugang erhalten, um den Antragstellern zu helfen. Der Zugang darf nur aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Räumlichkeiten oder der Antragsteller eingeschränkt werden.

(3)   Bei der Unterbringung der Antragsteller in den in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Räumlichkeiten und Unterbringungszentren berücksichtigen die Mitgliedstaaten geschlechts- und altersspezifische Aspekte sowie die Situation von schutzbedürftigen Personen.

(4)   Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, damit Übergriffe und geschlechtsbezogene Gewalt einschließlich sexueller Übergriffe und Belästigung in den in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Räumlichkeiten und Unterbringungszentren verhindert werden.

(5)   Die Mitgliedstaaten tragen so weit wie möglich dafür Sorge, dass abhängige erwachsene Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme gemeinsam mit nahen volljährigen Verwandten untergebracht werden, die sich bereits in demselben Mitgliedstaat aufhalten und die für sie entweder nach dem einzelstaatlichen Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlich sind.

(6)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Antragsteller nur dann in eine andere Einrichtung verlegt werden, wenn dies notwendig ist. Die Mitgliedstaaten ermöglichen den Antragstellern, ihren Rechtsbeistand oder Berater über die Verlegung und die neue Adresse zu informieren.

(7)   Das in den Unterbringungszentren eingesetzte Personal muss angemessen geschult sein und unterliegt in Bezug auf die Informationen, die es durch seine Arbeit erhält, der Schweigepflicht, wie sie im einzelstaatlichen Recht vorgesehen ist.

(8)   Die Mitgliedstaaten können die Antragsteller über einen Beirat oder eine Abordnung der untergebrachten Personen an der Verwaltung der materiellen und der nicht materiellen Aspekte des Lebens in dem Zentrum beteiligen.

(9)   In begründeten Ausnahmefällen können die Mitgliedstaaten für einen angemessenen Zeitraum, der so kurz wie möglich sein sollte, andere Modalitäten der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen festlegen als in diesem Artikel vorgesehen, wenn

a)

eine Beurteilung der spezifischen Bedürfnisse des Antragstellers gemäß Artikel 22 erforderlich ist;

b)

die üblicherweise verfügbaren Unterbringungskapazitäten vorübergehend erschöpft sind.

Bei derartig anderen Aufnahmemodalitäten werden unter allen Umständen die Grundbedürfnisse gedeckt.

Artikel 19

Medizinische Versorgung

(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Antragsteller die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst.

(2)   Die Mitgliedstaaten gewähren Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe, einschließlich erforderlichenfalls einer geeigneten psychologischen Betreuung.

KAPITEL III

EINSCHRÄNKUNG ODER ENTZUG DER IM RAHMEN DER AUFNAHME GEWÄHRTEN MATERIELLEN LEISTUNGEN

Artikel 20

Einschränkung oder Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen

(1)   Die Mitgliedstaaten können die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen in begründeten Ausnahmefällen einschränken oder entziehen, wenn ein Antragsteller

a)

den von der zuständigen Behörde bestimmten Aufenthaltsort verlässt, ohne diese davon zu unterrichten oder erforderlichenfalls eine Genehmigung erhalten zu haben; oder

b)

seinen Melde- und Auskunftspflichten oder Aufforderungen zu persönlichen Anhörungen im Rahmen des Asylverfahrens während einer im einzelstaatlichen Recht festgesetzten angemessenen Frist nicht nachkommt; oder

c)

einen Folgeantrag nach Artikel 2 Buchstabe q der Richtlinie …./…/EU (15) gestellt hat.

Wird in den unter den Buchstaben a und b genannten Fällen ein Antragsteller aufgespürt oder meldet er sich freiwillig bei der zuständigen Behörde, so ergeht unter Berücksichtigung der Motive des Untertauchens eine ordnungsgemäß begründete Entscheidung über die erneute Gewährung einiger oder aller im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen, die entzogen oder eingeschränkt worden sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten können die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einschränken, wenn sie nachweisen können, dass der Antragsteller ohne berechtigten Grund nicht so bald wie vernünftigerweise möglich nach der Ankunft in dem betreffenden Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

(3)   Die Mitgliedstaaten können die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einschränken oder entziehen, wenn ein Antragsteller verschwiegen hat, dass er über Finanzmittel verfügt, und dadurch bei der Aufnahme zu Unrecht in den Genuss von materiellen Leistungen gekommen ist.

(4)   Die Mitgliedstaaten können Sanktionen für grobe Verstöße gegen die Vorschriften der Unterbringungszentren und grob gewalttätiges Verhalten festlegen.

(5)   Entscheidungen über die Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen oder über Sanktionen nach den Absätzen 1, 2, 3 und 4 dieses Artikels werden jeweils für den Einzelfall, objektiv und unparteiisch getroffen und begründet. Die Entscheidungen sind aufgrund der besonderen Situation der betreffenden Personen, insbesondere im Hinblick auf die in Artikel 21 genannten Personen, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu treffen. Die Mitgliedstaaten gewährleisten im Einklang mit Artikel 19 in jedem Fall Zugang zur medizinischen Versorgung und gewährleisten einen würdigen Lebensstandard für alle Antragsteller.

(6)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass im Rahmen der Aufnahme gewährte materielle Leistungen nicht entzogen oder eingeschränkt werden, bevor eine Entscheidung nach Maßgabe von Absatz 5 ergeht.

KAPITEL IV

BESTIMMUNGEN FÜR SCHUTZBEDÜRFTIGE PERSONEN

Artikel 21

Allgemeiner Grundsatz

Die Mitgliedstaaten berücksichtigen in dem einzelstaatlichen Recht zur Umsetzung dieser Richtlinie die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen wie Minderjährigen, unbegleiteten Minderjährigen, Behinderten, älteren Menschen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, Opfern des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien.

Artikel 22

Beurteilung der besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen bei der Aufnahme

(1)   Um Artikel 21 wirksam umzusetzen, beurteilen die Mitgliedstaaten, ob der Antragsteller ein Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme ist. Die Mitgliedstaaten ermitteln ferner, welcher Art diese Bedürfnisse sind.

Diese Beurteilung wird innerhalb einer angemessenen Frist nach Eingang eines Antrags auf internationalen Schutz in die Wege geleitet und kann in die bestehenden einzelstaatlichen Verfahren einbezogen werden. Die Mitgliedstaaten sorgen nach Maßgabe dieser Richtlinie dafür, dass derartigen besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme auch dann Rechnung getragen wird, wenn sie erst in einer späteren Phase des Asylverfahrens zutage treten.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Unterstützung, die Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme nach dieser Richtlinie gewährt wird, ihren Bedürfnissen während der gesamten Dauer des Asylverfahrens Rechnung trägt und ihre Situation in geeigneter Weise verfolgt wird.

(2)   Die in Absatz 1 vorgesehene Beurteilung muss nicht in Form eines Verwaltungsverfahrens erfolgen.

(3)   Nur schutzbedürftige Personen nach Maßgabe von Artikel 21 können als Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme betrachtet werden und erhalten dann die in dieser Richtlinie vorgesehene spezifische Unterstützung.

(4)   Die in Absatz 1 vorgesehene Beurteilung lässt die Bewertung des Bedarfs an internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU unberührt.

Artikel 23

Minderjährige

(1)   Bei der Anwendung der Minderjährige berührenden Bestimmungen der Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten vorrangig das Wohl des Kindes. Die Mitgliedstaaten gewährleisten einen der körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung des Kindes angemessenen Lebensstandard.

(2)   Bei der Würdigung des Kindeswohls tragen die Mitgliedstaaten insbesondere folgenden Faktoren Rechnung:

a)

der Möglichkeit der Familienzusammenführung;

b)

dem Wohlergehen und der sozialen Entwicklung des Minderjährigen unter besonderer Berücksichtigung seines Hintergrunds;

c)

Erwägungen der Sicherheit und der Gefahrenabwehr, vor allem wenn es sich bei dem Minderjährigen um ein Opfer des Menschenhandels handeln könnte;

d)

den Ansichten des Minderjährigen entsprechend seinem Alter und seiner Reife.

(3)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Minderjährige Gelegenheit zu Freizeitbeschäftigungen einschließlich altersgerechter Spiel- und Erholungsmöglichkeiten in den Räumlichkeiten und Unterbringungszentren gemäß Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben a und b sowie zu Aktivitäten im Freien erhalten.

(4)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Minderjährige, die Opfer irgendeiner Form von Missbrauch, Vernachlässigung, Ausbeutung, Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gewesen sind oder unter bewaffneten Konflikten gelitten haben, Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch nehmen können und dass im Bedarfsfall eine geeignete psychologische Betreuung und eine qualifizierte Beratung angeboten wird.

(5)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass minderjährige Kinder von Antragstellern oder minderjährige Antragsteller zusammen mit ihren Eltern, ihren unverheirateten minderjährigen Geschwistern oder dem Erwachsenen, der nach dem einzelstaatlichen Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlich ist, untergebracht werden, sofern es dem Wohl der betreffenden Minderjährigen dient.

Artikel 24

Unbegleitete Minderjährige

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen so bald wie möglich dafür, dass ein Vertreter bestellt wird, der den unbegleiteten Minderjährigen vertritt und unterstützt, damit dieser die Rechte aus dieser Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen kann. Der unbegleitete Minderjährige wird unverzüglich über die Bestellung des Vertreters informiert. Der Vertreter muss seine Aufgaben im Einklang mit dem Grundsatz des Kindeswohls gemäß Artikel 23 Absatz 2 wahrnehmen und entsprechend versiert sein. Um das Wohlergehen und die soziale Entwicklung des Minderjährigen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe b zu gewährleisten, wechselt die als Vertreter handelnde Person nur im Notfall. Organisationen oder Einzelpersonen, deren Interessen denen des unbegleiteten Minderjährigen zuwiderlaufen oder zuwiderlaufen könnten, kommen als Vertreter nicht in Betracht.

Die zuständigen Behörden nehmen regelmäßig Bewertungen vor, auch was die Verfügbarkeit der Mittel betrifft, die für die Vertretung des unbegleiteten Minderjährigen erforderlich sind.

(2)   Unbegleitete Minderjährige, die internationalen Schutz beantragt haben, werden ab dem Zeitpunkt der Zulassung in das Hoheitsgebiet bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist oder geprüft wird, verlassen müssen, untergebracht:

a)

bei erwachsenen Verwandten;

b)

in einer Pflegefamilie;

c)

in Aufnahmezentren mit speziellen Einrichtungen für Minderjährige;

d)

in anderen für Minderjährige geeigneten Unterkünften.

Die Mitgliedstaaten können unbegleitete Minderjährige ab 16 Jahren in Aufnahmezentren für erwachsene Antragsteller unterbringen, wenn dies gemäß Artikel 23 Absatz 2 ihrem Wohl dient.

Geschwister sollen möglichst zusammen bleiben, wobei das Wohl des betreffenden Minderjährigen, insbesondere sein Alter und sein Reifegrad, zu berücksichtigen ist. Wechsel des Aufenthaltsorts sind bei unbegleiteten Minderjährigen auf ein Mindestmaß zu beschränken.

(3)   Die Mitgliedstaaten beginnen — erforderlichenfalls mit Unterstützung internationaler oder anderer einschlägig tätiger Organisationen — baldmöglichst nach Eingang eines Antrags auf internationalen Schutz mit der Suche nach Familienangehörigen des unbegleiteten Minderjährigen und tragen gleichzeitig für sein Wohl Sorge. In Fällen, in denen das Leben oder die Unversehrtheit des Minderjährigen oder seiner nahen Verwandten bedroht sein könnte, insbesondere wenn diese im Herkunftsland geblieben sind, ist darauf zu achten, dass die Erfassung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen über diese Personen vertraulich erfolgt, um ihre Sicherheit nicht zu gefährden.

(4)   Das Betreuungspersonal für unbegleitete Minderjährige muss im Hinblick auf die Bedürfnisse von Minderjährigen adäquat ausgebildet sein und sich angemessen fortbilden; es unterliegt in Bezug auf die Informationen, die es durch seine Arbeit erhält, der Schweigepflicht, wie sie im einzelstaatlichen Recht definiert ist.

Artikel 25

Opfer von Folter und Gewalt

(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, die Folter, Vergewaltigung oder andere schwere Gewalttaten erlitten haben, die Behandlung — insbesondere Zugang zu einer adäquaten medizinischen und psychologischen Behandlung oder Betreuung — erhalten, die für den Schaden, welcher ihnen durch derartige Handlungen zugefügt wurde, erforderlich ist.

(2)   Das Betreuungspersonal für Opfer von Folter, Vergewaltigung und anderen schweren Gewalttaten muss im Hinblick auf die Bedürfnisse der Opfer adäquat ausgebildet sein und sich angemessen fortbilden; es unterliegt in Bezug auf die Informationen, die es durch seine Arbeit erhält, der Schweigepflicht, wie sie im einzelstaatlichen Recht definiert ist.

KAPITEL V

RECHTSBEHELFE

Artikel 26

Rechtsbehelfe

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gewährung, dem Entzug oder der Einschränkung von Vorteilen gemäß dieser Richtlinie oder gegen Entscheidungen gemäß Artikel 7, die Antragsteller individuell betreffen, ein Rechtsbehelf nach den im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren eingelegt werden kann. Zumindest in der letzten Instanz ist die Möglichkeit einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch eine Justizbehörde vorzusehen.

(2)   Im Falle eines Rechtsbehelfs oder einer Überprüfung durch eine Justizbehörde nach Absatz 1, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass unentgeltlich Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch genommen werden kann, soweit diese zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes erforderlich ist. Dies umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Vertretung vor den Justizbehörden im Namen des Antragstellers.

Die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung erfolgt durch nach einzelstaatlichem Recht zugelassene oder befugte Personen, deren Interessen nicht mit denen der Antragsteller in Konflikt stehen oder stehen könnten.

(3)   Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus vorsehen, dass die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung nur gewährt wird

a)

für diejenigen, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen; und/oder

b)

durch Rechtsbeistand oder sonstige Berater, die nach nationalem Recht zur Unterstützung und Vertretung von Antragstellern bestimmt wurden.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn eine zuständige Stelle der Auffassung ist, dass der Rechtsbehelf oder die Überprüfung keine konkrete Aussicht auf Erfolg haben. In einem solchen Fall sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die Rechtsberatung und -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt wird und der Antragsteller auch weiterhin einen wirksamen Rechtsschutz genießt.

(4)   Ferner können die Mitgliedstaaten

a)

für die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung eine finanzielle und/oder zeitliche Begrenzung vorsehen, soweit dadurch der Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt wird;

b)

vorsehen, dass Antragstellern hinsichtlich der Gebühren und anderen Kosten keine günstigere Behandlung zuteilwird, als sie den eigenen Staatsangehörigen in Fragen der Rechtsberatung im Allgemeinen gewährt wird.

(5)   Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass der Antragsteller ihnen die entstandenen Kosten ganz oder teilweise zurückerstattet, wenn sich seine finanzielle Lage beträchtlich verbessert hat oder wenn die Entscheidung zur Übernahme solcher Kosten aufgrund falscher Angaben des Antragstellers getroffen wurde.

(6)   Die Verfahren für die Inanspruchnahme von Rechtsberatung und -vertretung werden im einzelstaatlichen Recht geregelt.

KAPITEL VI

MASSNAHMEN ZUR VERBESSERUNG DER EFFIZIENZ DES AUFNAHMESYSTEMS

Artikel 27

Zuständige Behörden

Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission mit, welche Behörden für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Richtlinie zuständig sind. Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission über jegliche Änderungen, die diese Behörden betreffen, in Kenntnis.

Artikel 28

System zur Lenkung, Überwachung und Steuerung

(1)   Die Mitgliedstaaten führen im Einklang mit ihrer verfassungsrechtlichen Struktur Mechanismen ein, um eine geeignete Lenkung, Überwachung und Steuerung des Niveaus der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile sicherzustellen.

(2)   Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission unter Verwendung des Vordrucks in Anhang I spätestens am …… (16) die entsprechenden Informationen.

Artikel 29

Personal und Ressourcen

(1)   Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Behörden und Organisationen, die diese Richtlinie anwenden, die nötige Grundausbildung erhalten haben, um den Bedürfnissen männlicher und weiblicher Antragsteller gerecht werden zu können.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen die Ressourcen bereit, die im Zusammenhang mit dem nationalen Recht zur Anwendung dieser Richtlinie erforderlich sind.

KAPITEL VII

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 30

Berichterstattung

Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens am … (17) Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie und schlägt gegebenenfalls Änderungen vor.

Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission bis zum … (16) alle für die Erstellung dieses Berichts sachdienlichen Informationen.

Nach Vorlage des ersten Berichts erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat mindestens alle fünf Jahre Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie.

Artikel 31

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um den Artikeln 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 30 und Anhang I bis spätestens … (18) nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. In diese Vorschriften fügen sie die Erklärung ein, dass Bezugnahmen in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch diese Richtlinie aufgehobene Richtlinie als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten einzelstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 32

Aufhebung

Die Richtlinie 2003/9/EG wird im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, unbeschadet der Verpflichtungen dieser Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang II Teil B genannten Frist für die Umsetzung der Richtlinie in einzelstaatliches Recht mit Wirkung vom … (19) aufgehoben.

Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang III zu lesen.

Artikel 33

Inkrafttreten und Geltung

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Artikel 13 und 29 gelten ab dem … (20).

Artikel 34

Adressaten

Diese Richtlinie ist gemäß den Verträgen an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu … am …

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

Im Namen des Rates

Der Präsident


(1)  ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 110, und ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 80.

(2)  ABl. C 79 vom 27.3.2010, S. 58.

(3)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 7. Mai 2009 (ABl. C 212 E vom 5.8.2010, S. 348) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 6. Juni 2013. Standpunkt des Europäischen Parlaments vom … (noch nicht im Amtblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom …

(4)  ABl. L 31 vom 6.2.2003, S. 18.

(5)  ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9.

(6)  ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

(7)  ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12.

(8)  Dok. 8260/13 [Asylverfahrensrichtlinie].

(9)  ABl. L ….

(10)  ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

(11)  Dok 15605/2/12 REV 2 [Dublin Verordnung].

(12)  ABl. L ….

(13)  Richtlinie aus Artikel 8 [Asylverfahrensrichtlinie].

(14)  Richtlinie aus Artikel 8 [Asylverfahrensrichtlinie].

(15)  Richtlinie aus Artikel 8 [Asylverfahrensrichtlinie].

(16)  36 Monate nach dem Datum des Inkrafttretens dieser Richtlinie.

(17)  48 Monate dem Datum des Inkrafttretens dieser Richtlinie.

(18)  24 Monate nach Datum des Inkrafttretens dieser Richtlinie.

(19)  24 Monate nach der dem Datum des Inkrafttretens dieser Richtlinie.

(20)  24 Monate nach der dem Datum des Inkrafttretens dieser Richtlinie.


ANHANG I

Vordruck für die Mitteilung der von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 28 Absatz 2 zu übermittelnden Informationen

Nach dem in Artikel 28 Absatz 2 genannten Zeitpunkt übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission erneut diese Informationen, wenn sich die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wesentlich geändert haben, so dass die mitgeteilten Informationen überholt sind.

1.

Bitte erläutern Sie auf der Grundlage von Artikel 2 Buchstabe k und Artikel 22 die verschiedenen Schritte zur Ermittlung von Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme; bitte geben Sie dabei auch an, zu welchem Zeitpunkt hiermit begonnen wird und inwieweit solchen Bedürfnissen Rechnung getragen wird, insbesondere im Falle von unbegleiteten Minderjährigen, Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, und Opfern des Menschenhandels.

2.

Bitte machen Sie umfassende Angaben zu Art, Bezeichnung und Form der Dokumente, auf die in Artikel 6 verwiesen wird.

3.

Bitte geben Sie unter Bezugnahme auf Artikel 15 an, inwieweit an den Arbeitsmarktzugang für Antragsteller bestimmte Bedingungen geknüpft sind, und erläutern Sie solche Beschränkungen im Einzelnen.

4.

Bitte machen Sie unter Bezugnahme auf Artikel 2 Buchstabe g Angaben zu der Form, in der im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen gewährt werden (d. h. in Form von Sachleistungen, Geldleistungen oder Gutscheinen oder einer Kombination derartiger Leistungen), und geben Sie die Höhe des Geldbetrags an, den Antragsteller zur Deckung des täglichen Bedarfs erhalten.

5.

Bitte erläutern Sie — soweit zutreffend — unter Bezugnahme auf Artikel 17 Absatz 5 die Höhe des/der nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder der Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats zugrunde gelegte(n) Betrags/Beträge zur Ermittlung des Umfangs der Antragstellern zu gewährenden finanziellen Unterstützung. Sofern Antragsteller im Vergleich zu Staatsangehörigen weniger günstig behandelt werden, sind die Gründe hierfür zu erläutern.


ANHANG II

Teil A

Aufgehobene Richtlinie

(gemäß Artikel 32)

Richtlinie 2003/9/EG des Rates

(ABl. L 31 vom 6.2.2003, S. 18)

Teil B

Frist für die Umsetzung in einzelstaatliches Recht

(gemäß Artikel 32)

Richtlinie

Umsetzungsfrist

2003/9/EG

6. Februar 2005


ANHANG III

Entsprechungstabelle

Richtlinie 2003/9/EG

Diese Richtlinie

Artikel 1

Artikel 1

Artikel 2 einleitender Satzteil

Artikel 2 einleitender Satzteil

Artikel 2 Buchstabe a

Artikel 2 Buchstabe b

Artikel 2 Buchstabe a

Artikel 2 Buchstabe c

Artikel 2 Buchstabe b

Artikel 2 Buchstabe d einleitender Satzteil

Artikel 2 Buchstabe c einleitender Satzteil

Artikel 2 Buchstabe d Ziffer i

Artikel 2 Buchstabe c erster Gedankenstrich

Artikel 2 Buchstabe d Ziffer ii

Artikel 2 Buchstabe c zweiter Gedankenstrich

Artikel 2 Buchstabe c dritter Gedankenstrich

Artikel 2 Buchstaben e, f und g

Artikel 2 Buchstabe d

Artikel 2 Buchstabe h

Artikel 2 Buchstabe e

Artikel 2 Buchstabe i

Artikel 2 Buchstabe f

Artikel 2 Buchstabe j

Artikel 2 Buchstabe g

Artikel 2 Buchstabe k

Artikel 2 Buchstabe h

Artikel 2 Buchstabe l

Artikel 2 Buchstabe i

Artikel 2 Buchstabe j

Artikel 2 Buchstabe k

Artikel 3

Artikel 3

Artikel 4

Artikel 4

Artikel 5

Artikel 5

Artikel 6 Absätze 1 bis 5

Artikel 6 Absätze 1 bis 5

Artikel 6 Absatz 6

Artikel 7 Absätze 1 und 2

Artikel 7 Absätze 1 und 2

Artikel 7 Absatz 3

Artikel 7 Absätze 4 bis 6

Artikel 7 Absätze 3 bis 5

Artikel 8

Artikel 9

Artikel 10

Artikel 11

Artikel 8

Artikel 12

Artikel 9

Artikel 13

Artikel 10 Absatz 1

Artikel 14 Absatz 1

Artikel 10 Absatz 2

Artikel 14 Absatz 2 Unterabsatz 1

Artikel 14 Absatz 2 Unterabsatz 2

Artikel 10 Absatz 3

Artikel 14 Absatz 3

Artikel 11 Absatz 1

Artikel 15 Absatz 1

Artikel 11 Absatz 2

Artikel 15 Absatz 2

Artikel 11 Absatz 3

Artikel 15 Absatz 3

Artikel 11 Absatz 4

Artikel 12

Artikel 16

Artikel 13 Absätze 1 bis 4

Artikel 17 Absätze 1 bis 4

Artikel 13 Absatz 5

Artikel 17 Absatz 5

Artikel 14 Absatz 1

Artikel 18 Absatz 1

Artikel 14 Absatz 2 Unterabsatz 1 einleitender Satzteil Buchstaben a und b

Artikel 18 Absatz 2 einleitender Satzteil Buchstaben a und b

Artikel 14 Absatz 7

Artikel 18 Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 18 Absatz 3

Artikel 14 Absatz 2 Unterabsatz 2

Artikel 18 Absatz 4

Artikel 14 Absatz 3

Artikel 18 Absatz 5

Artikel 14 Absatz 4

Artikel 18 Absatz 6

Artikel 14 Absatz 5

Artikel 18 Absatz 7

Artikel 14 Absatz 6

Artikel 18 Absatz 8

Artikel 14 Absatz 8 Unterabsatz 1 einleitender Satzteil erster Gedankenstrich

Artikel 18 Absatz 9 Unterabsatz 1 einleitender Satzteil Buchstabe a

Artikel 14 Absatz 8 Unterabsatz 1 zweiter Gedankenstrich

Artikel 14 Absatz 8 Unterabsatz 1 dritter Gedankenstrich

Artikel 18 Absatz 9 Unterabsatz 1 Buchstabe b

Artikel 14 Absatz 8 Unterabsatz 1 vierter Gedankenstrich

Artikel 14 Absatz 8 Unterabsatz 2

Artikel 18 Absatz 9 Unterabsatz 2

Artikel 15

Artikel 19

Artikel 16 Absatz 1 einleitender Satzteil

Artikel 20 Absatz 1 einleitender Satzteil

Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz 1 erster, zweiter und dritter Gedankenstrich

Artikel 20 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstaben a, b und c

Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz 2

Artikel 20 Absatz 1 Unterabsatz 2

Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 16 Absatz 2

Artikel 20 Absätze 2 und 3

Artikel 16 Absätze 3 bis 5

Artikel 20 Absätze 4 bis 6

Artikel 17 Absatz 1

Artikel 21

Artikel 17 Absatz 2

Artikel 22

Artikel 18 Absatz 1

Artikel 23 Absatz 1

Artikel 23 Absätze 2 und 3

Artikel 18 Absatz 2

Artikel 23 Absatz 4

Artikel 23 Absatz 5

Artikel 19

Artikel 24

Artikel 20

Artikel 25 Absatz 1

Artikel 25 Absatz 2

Artikel 21 Absatz 1

Artikel 26 Absatz 1

Artikel 26 Absätze 2 bis 5

Artikel 21 Absatz 2

Artikel 26 Absatz 6

Artikel 22

Artikel 27

Artikel 23

Artikel 28 Absatz 1

Artikel 28 Absatz 2

Artikel 24

Artikel 29

Artikel 25

Artikel 30

Artikel 26

Artikel 31

Artikel 32

Artikel 27

Artikel 33 Absatz 1

Artikel 33 Absatz 2

Artikel 28

Artikel 34

Anhang I

Anhang II

Anhang III


BEGRÜNDUNG DES RATES

I.   EINLEITUNG

Am 7. Juni 2011 hat der Rat von der Kommission den geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern (Neufassung) (Dok. 11214/11) erhalten. Die Kommission hatte ihren ursprünglichen Vorschlag vom 9. Dezember 2008 für eine Neufassung der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen (Dok. 16913/1/08 REV 1) unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Europäischen Parlaments in erster Lesung vom 7. Mai 2009 (Dok. 9333/09) und der im Rat vertretenen Standpunkte geändert.

Um Verzögerungen zu vermeiden, hat das Europäische Parlament seine Verhandlungsposition zu dem geänderten Kommissionsvorschlag durch eine Prüfung des geänderten Vorschlags anhand seiner Stellungnahme in erster Lesung zu dem ursprünglichen Vorschlag festgelegt.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat am 16. Juli 2009 eine Stellungnahme zu dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission angenommen (Dok. SOC/332 - CESE 1209/2009). Der Ausschuss hat am 26./27. Oktober 2011 beschlossen, zu dem geänderten Vorschlag keine neue Stellungnahme abzugeben. Der Ausschuss der Regionen hat auf seiner Plenartagung vom 6./7. Oktober 2009 eine Stellungnahme zu dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission angenommen (Dok. CdR 90/2009 fin) und am 18. Oktober 2011 beschlossen, keine Stellungnahme zu dem geänderten Vorschlag abzugeben, aber den Rat in einem Schreiben an dessen Generalsekretär über seinen Standpunkt zu unterrichten (Dok. 18840/11).

Der Rat hat auf seiner Tagung am 25./26. Oktober 2012 eine politische Einigung über den geänderten Vorschlag bestätigt (Dok. 14112/1/12 REV 1).

Nach dem dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokoll Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland nicht an der Annahme der Neufassung der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen. Dänemark beteiligt sich nicht an ihrer Annahme und ist gemäß dem Protokoll über die Position Dänemarks weder durch diese Richtlinie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

II.   ZWECK DES VORSCHLAGS

Die Richtlinie über die Aufnahmebedingungen legt Mindestnormen für die Aufnahme von Personen fest, die internationalen Schutz beantragen. Die Neufassung der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen gehört zu einer Reihe von Legislativvorschlägen im Asylbereich, die die Kommission entsprechend der Zusage des Europäischen Rates vorgelegt hat, bis 2012 ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem zu schaffen.

Mit der Neufassung der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen wird das Ziel verfolgt, angemessene und vergleichbare Aufnahmebedingungen in den Mitgliedstaaten, für die die Richtlinie bindend ist, zu gewährleisten, die Grundrechte im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einzuhalten und die Kohärenz mit den übrigen Rechtsinstrumenten im Asylbereich sicherzustellen.

III.   ANALYSE DES STANDPUNKTS DES RATES IN ERSTER LESUNG

A.    Allgemeine Bemerkungen

Auf der Grundlage des geänderten Kommissionsvorschlags haben das Europäische Parlament und der Rat Verhandlungen geführt, um im Rahmen des Standpunkts des Rates in erster Lesung zu einer Einigung zu gelangen. Der Wortlaut des Standpunkts des Rates spiegelt den zwischen den beiden Gesetzgebern erzielten Kompromiss voll und ganz wider. Durch diesen Kompromiss werden höhere und harmonisiertere Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen – insbesondere für schutzbedürftige Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme – sichergestellt. Zugleich trägt der Kompromiss dem Umstand Rechnung, dass aufgrund der unterschiedlichen einzelstaatlichen Rechtssysteme und Regeln zur Bekämpfung des Missbrauchs des Asylverfahrens Vorschriften erforderlich sind, die eine effektive Durchführung ermöglichen. Der Kompromiss zielt ferner darauf ab, unnötigen Verwaltungsaufwand und unnötige Kosten für die Mitgliedstaaten zu vermeiden.

B.    Schlüsselelemente

Durch den Kompromisstext, den der Standpunkt des Rates in erster Lesung widerspiegelt, wird die geltende Richtlinie (1) in folgenden Schlüsselelementen angepasst:

1.   Definition der Familienangehörigen und gemeinsame Unterkunft

Durch die Angleichung der Definition der Familienangehörigen an die entsprechende Definition in der Neufassung der Anerkennungsrichtlinie (2) gewährleistet der Kompromisstext, der im Standpunkt in erster Lesung widergespiegelt wird, die Kohärenz zwischen den einzelnen Asylrechtsinstrumenten. Gegenüber der Definition in der geltenden Richtlinie über die Aufnahmebedingungen, die den Ehepartner oder unverheirateten Partner und die unverheirateten Kinder umfasst, wird die Definition auf den Vater, die Mutter oder einen anderen für einen minderjährigen und unverheirateten Antragsteller verantwortlichen Erwachsenen erweitert.

Außerdem enthält der Standpunkt des Rates in erster Lesung neue Bestimmungen betreffend die gemeinsame Unterkunft. Erstens tragen die Mitgliedstaaten im Rahmen des Möglichen dafür Sorge, dass abhängige volljährige Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme zusammen mit nahen volljährigen Verwandten untergebracht werden, die sich bereits in demselben Mitgliedstaat aufhalten und die für sie entweder nach dem einzelstaatlichen Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlich sind. Zweitens müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass minderjährige Kinder von Antragstellern oder minderjährige Antragsteller, sofern dies ihrem Wohl dient, zusammen mit ihren Eltern oder mit dem für sie verantwortlichen Erwachsenen oder mit ihren unverheirateten Geschwistern untergebracht werden.

2.   Gewahrsam

Der Kompromisstext, der im Standpunkt in erster Lesung widergespiegelt wird, enthält einen umfassenden Rechtsrahmen für den Gewahrsam von Personen, die internationalen Schutz beantragen. Dieser Rahmen umfasst Vorschriften für die Gründe für den Gewahrsam, Garantien für in Gewahrsam befindliche Antragsteller, die Bedingungen des Gewahrsams und die Ingewahrsamnahme schutzbedürftiger Personen und Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme.

2.1.   Gründe für den Gewahrsam

Die Liste der Gründe für die Ingewahrsamnahme wurde unter Berücksichtigung des Völkerrechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgearbeitet, wobei dem Umstand Rechnung getragen wurde, dass die Mitgliedstaaten missbräuchlich gestellten Anträgen wirksam entgegentreten können müssen. Die Liste besteht aus den in der Empfehlung des Europarates enthaltenen Gründen für die Ingewahrsamnahme, die durch einen Verweis auf die Ingewahrsamnahme nach der Dublin-Verordnung ergänzt werden. Außerdem enthält der Standpunkt des Rates einen Grund für die Ingewahrsamnahme von Personen, die wegen eines Rückkehrverfahrens gemäß der Rückführungsrichtlinie (3) in Haft gehalten werden, um die Rückführung vorzubereiten und/oder das Abschiebungsverfahren fortzusetzen. In diesen Fällen müssen die Mitgliedstaaten aufgrund objektiver Kriterien, einschließlich der Tatsache, dass der in Haft befindliche Antragsteller bereits Gelegenheit zum Zugang zum Asylverfahren hatte, belegen, dass berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass er den Antrag nur stellt, um die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zu verzögern oder zu vereiteln.

2.2.   Garantien für in Gewahrsam befindliche Asylbewerber

In Anbetracht der unterschiedlichen einzelstaatlichen Rechtssysteme enthält der im Standpunkt in erster Lesung wiedergegebene Kompromisstext eine Bestimmung, der zufolge die Mitgliedstaaten eine zügige gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des von den Verwaltungsbehörden angeordneten Gewahrsams sorgen müssen, die von Amts wegen und/oder auf Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz erfolgen kann. Über diese Überprüfung wird, findet sie von Amts wegen statt, so schnell wie möglich nach Beginn des Gewahrsams entschieden. Findet die Überprüfung auf Antrag des Antragstellers statt, so hat die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams Gegenstand einer Überprüfung zu sein, über die so schnell wie möglich nach Einleitung des diesbezüglichen Verfahrens entschieden wird. Die Mitgliedstaaten müssen in ihrem einzelstaatlichen Recht eine Frist festlegen, in der die Überprüfungen durchzuführen sind.

Zum Schutz des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf müssen in Gewahrsam befindliche Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, unverzüglich schriftlich über die Gründe für den Gewahrsam und die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren für die Anfechtung der Gewahrsamsanordnung sowie über die Möglichkeit informiert werden, unentgeltlich Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch zu nehmen. Dies muss in einer Sprache geschehen, die sie verstehen oder von der angenommen werden darf, dass sie sie verstehen.

Was schließlich den Zugang zu unentgeltlicher Rechtsberatung und -vertretung anbelangt, so wird durch den Standpunkt in erster Lesung der Text der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen an den Wortlaut der geltenden Richtlinie über Asylverfahren (4) angeglichen, jedoch ohne Prüfung der Begründetheit, mit der beurteilt wird, ob in Anbetracht der Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der Überprüfung eine unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt werden muss. Ferner wird klargestellt, dass die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung durch nach einzelstaatlichem Recht zugelassene oder befugte Personen erfolgen muss, die über eine angemessene Qualifikation verfügen und deren Interessen denen der Person, die internationalen Schutz beantragt hat, nicht zuwiderlaufen.

2.3.   Gewahrsamsbedingungen

In den Bestimmungen über die Gewahrsamsbedingungen sind die Rechte der Personen niedergelegt, die internationalen Schutz beantragt haben und unter Berücksichtigung der Asylpraxis in Gewahrsam genommen wurden. Demgemäß werden die Antragsteller in der Regel in speziellen Aufnahmeeinrichtungen in Gewahrsam gehalten. Soweit möglich, müssen die Antragsteller außerdem von anderen Drittstaatsangehörigen getrennt untergebracht werden. Werden Antragsteller in Haftanstalten in Gewahrsam gehalten, sind sie stets getrennt von Straftätern unterzubringen. Unabhängig von den Gewahrsamsbedingungen haben Antragsteller weiterhin die in der Richtlinie vorgesehenen Rechte, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre bei Kontakten mit Vertretern oder Familienangehörigen.

2.4.   Ingewahrsamnahme von schutzbedürftigen Personen und Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme

Der im Standpunkt in erster Lesung wiedergegebene Kompromiss beinhaltet spezielle Bestimmungen über die Ingewahrsamnahme von schutzbedürftigen Personen und Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme. Die Gesundheit, auch die psychische Gesundheit, der in Gewahrsam genommenen schutzbedürftigen Antragsteller muss ein vorrangiges Anliegen der nationalen Behörden sein. Des Weiteren müssen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass bei in Gewahrsam befindlichen schutzbedürftigen Personen regelmäßige Überprüfungen stattfinden und diese Personen in angemessener Weise unterstützt werden, wobei ihrer besonderen Situation, einschließlich ihrer Gesundheit, Rechnung getragen wird.

Im Einklang mit dem VN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes wird festgehalten, dass Minderjährige nur im äußersten Falle in Gewahrsam genommen und unbegleitete Minderjährige nur in Ausnahmefällen in Gewahrsam genommen und niemals in Haftanstalten untergebracht werden dürfen.

3.   Zugang zum Arbeitsmarkt

Durch den im Standpunkt in erster Lesung wiedergegebenen Kompromisstext wird für Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, die Frist für den Zugang zum Arbeitsmarkt von zwölf auf neun Monate verkürzt. Ihnen den Zugang drei Monate eher zu ermöglichen, beruht auf zwei gegensätzlichen Erwägungen: zum einen, dass die Antragsteller durch einen früheren Zugang schneller wirtschaftlich unabhängig werden – wodurch die Gefahr der Ausbeutung auf dem Schwarzmarkt sinkt und sie vom Staat in geringerem Maße unterstützt werden müssen – und sich besser in die Gesellschaft des Aufnahmelandes integrieren können, zum anderen aber, dass ein früherer Zugang es für Wirtschaftsflüchtlinge, die die Kriterien für internationalen Schutz nicht erfüllen, eventuell attraktiv macht zu versuchen, das Asylsystem zu missbrauchen.

4.   Im Rahmen der Aufnahme gewährte materielle Leistungen

Wenn die Mitgliedstaaten Personen, die internationalen Schutz beantragen, im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen gewähren, bemisst sich gemäß dem im Standpunkt in erster Lesung widergespiegelten Kompromiss deren Umfang nach dem Leistungsniveau, das der betreffende Mitgliedstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Ferner können die Mitgliedstaaten Antragstellern eine weniger günstige Behandlung als eigenen Staatsangehörigen zuteil werden lassen, insbesondere wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird oder wenn das obengenannte, auf eigene Staatsangehörige anzuwendende Leistungsniveau darauf abzielt, einen Lebensstandard zu gewährleisten, der über dem für Antragsteller auf internationalen Schutz vorgeschriebenen Lebensstandard liegt.

Außerdem ist im Standpunkt in erster Lesung eine angepasste Regelung für die Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen vorgesehen. Die Mitgliedstaaten müssen Personen, die internationalen Schutz beantragen, ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Sie können aber die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen in außergewöhnlichen und ordnungsgemäß begründeten Fällen einschränken oder entziehen, wenn der Antragsteller seinen Aufenthaltsort verlässt, sich nicht ordnungsgemäß meldet oder einen Folgeantrag gestellt hat. Außerdem können die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen eingeschränkt werden, wenn der Betreffende seinen Antrag nicht so bald wie möglich gestellt hat. Schließlich haben die Mitgliedstaaten wie in der geltenden Richtlinie die Möglichkeit, Leistungen einzuschränken oder zu entziehen, wenn ein Antragsteller verschwiegen hat, dass er über Finanzmittel verfügt.

5.   Schutzbedürftige Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme

Dem im Standpunkt in erster Lesung widergespiegelten Kompromiss zufolge sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen bei der Aufnahme zu beurteilen. Frauen und Mädchen, die Opfer von Geschlechtsverstümmelung sind, werden zu der nicht abschließenden Liste der Gruppen schutzbedürftiger Personen hinzugefügt. Um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, wird klargestellt, dass diese Beurteilung nicht in Form eines Verwaltungsverfahrens erfolgen muss und der Mitgliedstaat die Beurteilung im Rahmen seiner bestehenden innerstaatlichen Verfahren durchführen kann.

6.   Unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung

Personen, die internationalen Schutz beantragen, haben Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, wenn sie Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gewährung, dem Entzug oder der Einschränkung von Vorteilen und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsort und der Bewegungsfreiheit anfechten. In diesen Fällen gelten für die Gewährung unentgeltlicher Rechtsberatung und -vertretung dieselben Bedingungen wie bei der Überprüfung einer Gewahrsamsanordnung mit der Ausnahme, dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn eine zuständige Behörde der Auffassung ist, dass der Rechtsbehelf keine konkrete Aussicht auf Erfolg hat.

7.   Sonstige wichtige Punkte

Sonstige wichtige Punkte im Standpunkt des Rates in erster Lesung, über die der Rat und das Europäische Parlament einen Kompromiss erzielt haben:

Die Qualifikationen des „Vertreters“ werden spezifiziert, damit unbegleitete Minderjährige ihre Rechte aufgrund der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen möglichst uneingeschränkt nutzen und den darin vorgeschriebenen Pflichten nachkommen können.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Gewährung von Leistungen bei der Aufnahme nicht von der Vorlage von Unterlagen, die unnötig sind oder deren Umfang unverhältnismäßig ist, oder von anderen Verwaltungsauflagen abhängig machen.

Die Mitgliedstaaten müssen den Personen, die internationalen Schutz beantragen, die erforderliche medizinische Versorgung bieten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst. Ferner wird klargestellt, dass die Mitgliedstaaten Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewähren müssen, erforderlichenfalls einschließlich einer geeigneten psychologischen Betreuung.

Die Mitgliedstaaten müssen – erforderlichenfalls mit Unterstützung internationaler oder anderer einschlägig tätiger Organisationen – baldmöglichst nach Eingang eines Antrags auf internationalen Schutz mit der Suche nach Familienangehörigen eines unbegleiteten Minderjährigen beginnen und tragen gleichzeitig für sein Wohl Sorge.

Die Mitgliedstaaten müssen dafür Sorge tragen, dass Personen, die Folter, Vergewaltigung oder andere schwere Gewalttaten erlitten haben, die erforderliche Behandlung – insbesondere Zugang zu einer adäquaten medizinischen und psychologischen Behandlung oder Betreuung – erhalten. Außerdem muss das Betreuungspersonal für diese Personen adäquat ausgebildet sein und sich regelmäßig fortbilden und der Schweigepflicht unterliegen.

Die Mitgliedstaaten müssen Informationen über die Umsetzung der Richtlinie vorlegen, damit die Kommission deren Umsetzung verfolgen kann.

IV.   FAZIT

Der Standpunkt des Rates in erster Lesung entspricht dem in den Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament erzielten Kompromiss, der mit Hilfe der Kommission zustande gekommen ist. Dieser Kompromiss wird mit Schreiben des Vorsitzenden des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) an den Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter (Dok. 13885/12) bestätigt. In diesem Schreiben teilt der Vorsitzende des LIBE-Ausschusses mit, er werde den Mitgliedern des LIBE-Ausschusses und anschließend dem Plenum empfehlen, den Standpunkt des Rates in erster Lesung vorbehaltlich der Überprüfung durch die Rechts- und Sprachsachverständigen der beiden Organe anzunehmen, ohne dass das Europäische Parlament in zweiter Lesung Abänderungen daran vornimmt. Durch die Änderung der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen schafft die Europäische Union eine weitere wesentliche Grundlage für das Gemeinsame Europäische Asylsystem.


(1)  Richtlinie 2003/9/EG des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31 vom 6.2.2003, S. 18).

(2)  Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

(3)  Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98).

(4)  Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 vom 13.12.2005, S. 13).


25.6.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 179/27


STANDPUNKT (EU) Nr. 7/2013 DES RATES IN ERSTER LESUNG

im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung)

Vom Rat am 6. Juni 2013 festgelegt

2013/C 179 E/02

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe d,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (4) ist in wesentlichen Punkten zu ändern. Aus Gründen der Klarheit empfiehlt es sich, eine Neufassung dieser Richtlinie vorzunehmen.

(2)

Eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz nachsuchen. Für eine solche Politik sollte der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, einschließlich in finanzieller Hinsicht, gelten.

(3)

Der Europäische Rat ist auf seiner Sondertagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere übereingekommen, auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem hinzuwirken, das sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 in der Fassung des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 1967 (im Folgenden „Genfer Flüchtlingskonvention“) stützt, damit der Grundsatz der Nichtzurückweisung gewahrt bleibt und niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist.

(4)

Nach den Schlussfolgerungen von Tampere sollte ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem auf kurze Sicht gemeinsame Standards für ein gerechtes und wirksames Asylverfahren in den Mitgliedstaaten umfassen; auf längere Sicht sollten die Regeln der Union zu einem gemeinsamen Asylverfahren in der Union führen.

(5)

Die erste Phase des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wurde mit Erlass der in den Europäischen Verträgen vorgesehenen einschlägigen Rechtsinstrumente wie der Richtlinie 2005/85/EG abgeschlossen, die eine erste Maßnahme im Bereich der Asylverfahren darstellte.

(6)

Der Europäische Rat hatte auf seiner Tagung vom 4. November 2004 das Haager Programm angenommen, das die Ziele für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vorgab, die im Zeitraum von 2005 bis 2010 erreicht werden sollten. Im Haager Programm wurde die Europäische Kommission in dieser Hinsicht aufgefordert, die Bewertung der Rechtsakte aus der ersten Phase abzuschließen und dem Europäischen Parlament und dem Rat die Rechtsakte und Maßnahmen der zweiten Phase vorzulegen. Dem Haager Programm zufolge soll im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ein gemeinsames Asylverfahren und ein unionsweit geltender einheitlicher Schutzstatus geschaffen werden.

(7)

Im Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl, der am 16. Oktober 2008 angenommen wurde, stellte der Europäische Rat fest, dass zwischen den Mitgliedstaaten weiterhin beträchtliche Unterschiede bei der Gewährung von Schutz bestehen, und regte neue Initiativen an, darunter einen Vorschlag zur Einführung eines einheitlichen Asylverfahrens mit gemeinsamen Garantien, um die Einführung des im Haager Programm vorgesehenen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu vollenden.

(8)

Auf seiner Tagung vom 10. und 11. Dezember 2009 nahm der Europäische Rat das Stockholmer Programm an, in dem wiederholt die Verpflichtung auf das Ziel betont wird, bis spätestens 2012 auf der Grundlage eines gemeinsamen Asylverfahrens und eines einheitlichen Status für Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird, einen gemeinsamen Raum des Schutzes und der Solidarität zu schaffen, der auf hohen Schutzstandards und fairen, wirksamen Verfahren beruht. Das Stockholmer Programm bekräftigte, dass Menschen, die internationalen Schutz benötigen, der Zugang zu rechtlich gesicherten und effizienten Asylverfahren zu gewährleisten ist. In Übereinstimmung mit dem Stockholmer Programm sollten Einzelpersonen unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie ihren Antrag auf internationalen Schutz stellen, eine gleichwertige Behandlung hinsichtlich des Verfahrens und der Bestimmung des Schutzstatus erfahren. Das Ziel ist, dass ähnliche Fälle in gleicher Weise behandelt werden und zu dem gleichen Ergebnis führen.

(9)

Die Bemühungen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der für die zweite Phase des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vorgegebenen Schutzstandards, insbesondere die Bemühungen der Mitgliedstaaten, deren Asylsystem vor allem aufgrund ihrer geografischen oder demografischen Lage einem besonderen und unverhältnismäßigen Druck ausgesetzt ist, sollten mit Mitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds und des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO)in geeigneter Weise unterstützt werden.

(10)

Die Mitgliedstaaten sollten bei der Umsetzung dieser Richtlinie den entsprechenden Leitlinien des EASO Rechnung tragen.

(11)

Um eine umfassende und effiziente Bewertung des Bedürfnisses der Antragsteller nach internationalem Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (5) zu gewährleisten, sollte der Unionsrahmen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes auf dem Konzept eines einheitlichen Asylverfahrens beruhen.

(12)

Hauptziel dieser Richtlinie ist die Weiterentwicklung der Normen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes im Hinblick auf die Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens in der Union.

(13)

Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes soll dazu beitragen, die Sekundärmigration von Antragstellern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie auf rechtliche Unterschiede zurückzuführen ist, einzudämmen, und gleiche Bedingungen für die Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU in den Mitgliedstaaten zu schaffen.

(14)

Die Mitgliedstaaten sollten die Befugnis haben, günstigere Regelungen für Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die um internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat ersuchen, einzuführen oder beizubehalten, wenn davon ausgegangen werden kann, dass ein solcher Antrag von einer Person gestellt wird, die internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU benötigt.

(15)

In Bezug auf die Behandlung von Personen, die unter diese Richtlinie fallen, sind die Mitgliedstaaten an ihre Verpflichtungen aus den völkerrechtlichen Instrumenten gebunden, denen sie beigetreten sind.

(16)

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sämtliche Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz auf der Grundlage von Tatsachen ergehen und erstinstanzlich von Behörden getroffen werden, deren Bedienstete über angemessene Kenntnisse in Fragen des internationalen Schutzes verfügen oder die hierzu erforderliche Schulung erhalten haben.

(17)

Um sicherzustellen, dass die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz und die Entscheidungen darüber objektiv und unparteiisch erfolgen, ist es notwendig, dass Fachkräfte, die im Rahmen der Verfahren nach dieser Richtlinie tätig sind, ihre Tätigkeit unter gebührender Achtung der geltenden berufsethischen Grundsätze ausüben.

(18)

Es liegt im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Personen, die internationalen Schutz beantragen, dass über die Anträge auf internationalen Schutz so rasch wie möglich, unbeschadet der Durchführung einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge, entschieden wird.

(19)

Damit die Gesamtdauer des Verfahrens in bestimmten Fällen verkürzt wird, sollten die Mitgliedstaaten entsprechend ihren nationalen Bedürfnissen die Flexibilität haben, der Prüfung eines Antrags Vorrang vor der Prüfung anderer, früher gestellter Anträge einzuräumen, ohne dabei von den üblicherweise geltenden Fristen, Grundsätzen und Garantien abzuweichen.

(20)

Ist ein Antrag voraussichtlich unbegründet oder bestehen schwerwiegende Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung, sollte es den Mitgliedstaaten unter genau bestimmten Umständen möglich sein, das Prüfungsverfahren unbeschadet der Durchführung einer angemessenen und vollständigen Prüfung und der effektiven Inanspruchnahme der in dieser Richtlinie vorgesehenen wesentlichen Grundsätze und Garantien durch den Antragsteller zu beschleunigen, insbesondere indem kürzere, jedoch angemessene Fristen für bestimmte Verfahrensschritte eingeführt werden.

(21)

Solange ein Antragsteller seinen Antrag rechtfertigen kann, sollte das Fehlen von Dokumenten bei der Einreise oder die Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente nicht für sich schon automatisch die Inanspruchnahme eines Grenzverfahrens oder beschleunigten Verfahrens zur Folge haben.

(22)

Es liegt ferner im Interesse der Mitgliedstaaten wie der Antragsteller, dass das Bedürfnis nach internationalem Schutz bereits in der ersten Instanz ordnungsgemäß festgestellt wird. Hierzu sollten die Antragsteller in der ersten Instanz unter Berücksichtigung der besonderen Umstände ihres Falls unentgeltlich über die Rechtslage und das Verfahren informiert werden. Diese Informationen sollten den Antragstellern unter anderem dazu verhelfen, das Verfahren besser zu verstehen, und sie somit dabei unterstützen, den ihnen obliegenden Pflichten nachzukommen. Es wäre unverhältnismäßig, von den Mitgliedstaaten zu verlangen, diese Informationen nur durch fachkundigen Rechtsanwälte bereitzustellen. Die Mitgliedstaaten sollten deshalb die Möglichkeit haben, die geeignetsten Mittel und Wege zu nutzen, um solche Informationen bereitzustellen, zum Beispiel über Nichtregierungsorganisationen oder Fachkräfte von Behörden oder spezialisierte staatliche Stellen.

(23)

Antragsteller sollten in Rechtsbehelfsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen unentgeltlich Rechtsberatung und –vertretung durch Personen erhalten, die nach nationalem Recht dazu befähigt sind. Darüber hinaus sollten Antragsteller in allen Phasen des Verfahrens auf eigene Kosten einen Rechtsanwalt oder sonstigen nach nationalem Recht zugelassenen oder zulässigen Rechtsberater konsultieren dürfen.

(24)

Der Begriff „öffentliche Ordnung“ kann unter anderem die Verurteilung wegen der Begehung einer schweren Straftat umfassen.

(25)

Im Interesse einer ordnungsgemäßen Feststellung der Personen, die Schutz als Flüchtlinge im Sinne des Artikels 1 der Genfer Flüchtlingskonvention oder als Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz benötigen, sollte jeder Antragsteller effektiven Zugang zu den Verfahren und die Gelegenheit erhalten, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren und effektiv mit ihnen zu kommunizieren, um ihnen den ihn betreffenden Sachverhalt darlegen zu können; ferner sollten ausreichende Verfahrensgarantien bestehen, damit er sein Verfahren über sämtliche Instanzen betreiben kann. Außerdem sollte das Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz dem Antragsteller in der Regel zumindest das Recht auf Verbleib bis zur Entscheidung der Asylbehörde einräumen sowie das Recht auf Beiziehung eines Dolmetschers zur Darlegung des Falls bei Anhörung durch die Behörden, die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit einem Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und mit Organisationen, die Antragstellern Rechtsberatung oder sonstige Beratungsleistungen anbieten, das Recht auf eine in geeigneter Weise mitgeteilte sowie sachlich und rechtlich begründete Entscheidung, die Möglichkeit zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder sonstigen Rechtsberaters, das Recht, in entscheidenden Verfahrensabschnitten in einer Sprache, die der Antragsteller versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden kann, dass er sie versteht, über seine Rechtsstellung informiert zu werden, sowie im Fall einer ablehnenden Entscheidung das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht.

(26)

Um sicherzustellen, dass das Prüfungsverfahren effektiv in Anspruch genommen werden kann, sollten Bedienstete, die als erste mit Personen in Kontakt kommen, die um internationalen Schutz nachsucheninsbesondere Bedienstete, die Land- oder Seegrenzen überwachen oder Grenzkontrollen durchführen, einschlägige Informationen und die notwendigen Schulungen erhalten, wie sie Anträge auf internationalen Schutz erkennen können und wie mit solchen Anträgen umzugehen ist, wobei unter anderem den entsprechenden Leitlinien des EASO Rechnung zu tragen ist. Sie sollten in der Lage sein, Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, die sich im Hoheitsgebiet einschließlich an der Grenze, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen der Mitgliedstaaten befinden und die internationalen Schutz beantragen, relevante Informationen zukommen zu lassen, wo und wie sie förmlich Anträge auf internationalen Schutz stellen können. Befinden sich diese Personen in den Hoheitsgewässern eines Mitgliedstaats, sollten sie an Land gebracht und ihre Anträge nach Maßgabe dieser Richtlinie geprüft werden.

(27)

Da Drittstaatsangehörige und Staatenlose, die ihren Wunsch bekundet haben, internationalen Schutz zu beantragen, Antragsteller darstellen, sollten sie die Pflichten erfüllen und die Rechte genießen, die in dieser Richtlinie und in der Richtlinie …/…/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom … zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (6)  (7) festgelegt sind. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten diese Personen so rasch wie möglich als Antragsteller registrieren.

(28)

Um die Inanspruchnahme des Prüfungsverfahrens an den Grenzübergangsstellen und in den Gewahrsamseinrichtungen zu erleichtern, sollten Informationen über die Möglichkeit, internationalen Schutz zu beantragen, bereitgestellt werden. Sprachmittlungsvorkehrungen sollten getroffen werden, um ein Mindestmaß an Kommunikation zu gewährleisten, damit die zuständigen Behörden verstehen können, ob Personen ihnen gegenüber erklären, dass sie internationalen Schutz beantragen wollen.

(29)

Bestimmte Antragsteller benötigen unter Umständen besondere Verfahrensgarantien, unter anderem aufgrund ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Ausrichtung, ihrer Geschlechtsidentität, einer Behinderung, einer schweren Erkrankung, einer psychischen Störung oder infolge von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schweren Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt. Die Mitgliedstaaten sollten bestrebt sein, Antragsteller, die besondere Verfahrensgarantien benötigen, als solche zu erkennen, bevor eine erstinstanzliche Entscheidung ergeht. Diese Antragsteller sollten eine angemessene Unterstützung erhalten, einschließlich ausreichend Zeit, um die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie das Verfahren effektiv in Anspruch nehmen und die zur Begründung ihres Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Angaben machen können.

(30)

Kann einem Antragsteller, der besondere Verfahrensgarantien benötigt, im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens oder eines Grenzverfahrens nicht ausreichend Unterstützung gewährt werden, so sollte dieser Antragsteller von diesen Verfahren ausgenommen werden. Die Notwendigkeit besonderer Verfahrensgarantien, die der Anwendung des beschleunigten Verfahrens oder des Grenzverfahrens entgegenstehen könnten, sollte ferner bedeuten, dass der Antragsteller zusätzliche Garantien erhält, wenn sein Rechtsbehelf nicht automatisch aufschiebende Wirkung hat, damit der Rechtsbehelf unter den besonderen Umständen seines Falleseffektiv ist.

(31)

Einzelstaatliche Maßnahmen, die sich auf die Erkennung und Dokumentation von Symptomen und Anzeichen von Folter oder sonstigen schweren Formen physischer oder psychischer Gewalt einschließlich sexueller Gewalt in Verfahren nach Maßgabe dieser Richtlinie beziehen, können sich unter anderem auf das Handbuch für die wirksame Untersuchung und Dokumentation von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Istanbul-Protokoll) stützen.

(32)

Die Prüfungsverfahren sollten geschlechtsspezifischen Anforderungen Rechnung tragen, um eine tatsächliche Gleichbehandlung weiblicher und männlicher Antragsteller zu gewährleisten. Insbesondere sollten persönliche Anhörungen in einer Weise abgehalten werden, die es weiblichen und männlichen Antragstellern gleichermaßen ermöglicht, über ihre Erfahrungen in Fällen geschlechtsspezifischer Verfolgung zu sprechen. In Verfahren, in denen auf das Konzept des sicheren Drittstaats, das Konzept des sicheren Herkunftsstaats oder den Begriff des Folgeantrags abgestellt wird, sollte der Komplexität geschlechtsspezifisch begründeter Ansprüche angemessen Rechnung getragen werden.

(33)

Bei der Anwendung dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten gemäß der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigen. Bei der Beurteilung des Wohls des Kindes sollten die Mitgliedstaaten insbesondere das Wohlbefinden und die soziale Entwicklung einschließlich des Hintergrunds des Minderjährigen berücksichtigen.

(34)

Die Verfahren zur Prüfung des Bedürfnisses nach internationalem Schutz sollten so gestaltet sein, dass die zuständigen Behörden in die Lage versetzt werden, Anträge auf internationalen Schutz gründlich zu prüfen.

(35)

Wird ein Antragsteller im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags durchsucht, so sollte diese Durchsuchung durch eine Person gleichen Geschlechts durchgeführt werden. Eine Durchsuchung aus Sicherheitsgründen auf der Grundlage nationalen Rechts sollte davon unberührt bleiben.

(36)

Stellt der Antragsteller einen Folgeantrag, ohne neue Beweise oder Argumente vorzubringen, so wäre es unverhältnismäßig, die Mitgliedstaaten zur erneuten Durchführung des gesamten Prüfungsverfahrens zu verpflichten. In diesen Fällen sollten die Mitgliedstaaten einen Antrag gemäß dem Grundsatz der rechtskräftig entschiedenen Sache (res iudicata) als unzulässig abweisen können.

(37)

In Bezug auf die Einbeziehung der Bediensteten einer anderen Behörde als der Asylbehörde in die Durchführung von fristgerechten Anhörungen zum Inhalt des Antrags sollte der Begriff „fristgerecht“ anhand der in Artikel 31 festgelegten Fristen bewertet werden.

(38)

Viele Anträge auf internationalen Schutz werden an der Grenze oder in Transitzonen eines Mitgliedstaates gestellt, bevor eine Entscheidung über die Einreise des Antragstellers vorliegt. Die Mitgliedstaaten sollten Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit und/oder Begründetheit von Anträgen vorsehen können, die es ermöglichen, unter genau festgelegten Umständen an Ort und Stelle über solche Anträge zu entscheiden.

(39)

Bei der Beurteilung, ob im Herkunftsstaat eines Antragstellers eine Situation der Unsicherheit herrscht, sollten die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass sie genaue und aktuelle Angaben von einschlägigen Quellen wie dem EASO, dem UNHCR, dem Europarat und anderen einschlägigen internationalen Organisationen einholen. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass eine Verzögerung beim Abschluss des Verfahrens umfassend mit ihren Verpflichtungen nach der Richtlinie 2011/95/EU und Artikel 41 der Charta im Einklang steht, unbeschadet der Effizienz und Fairness der Verfahren nach der vorliegenden Richtlinie.

(40)

Ein entscheidendes Kriterium für die Begründetheit eines Antrags auf internationalen Schutz ist die Sicherheit des Antragstellers in seinem Herkunftsstaat. Kann ein Drittstaat als sicherer Herkunftsstaat betrachtet werden, so sollten die Mitgliedstaaten diesen als sicher bestimmen und von der Vermutung ausgehen können, dass dieser Staat für einen bestimmten Antragsteller sicher ist, sofern Letzterer keine Gegenargumente vorbringt.

(41)

In Anbetracht des Harmonisierungsniveaus, das bei der Feststellung der Eigenschaft von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz erreicht worden ist, sollten gemeinsame Kriterien für die Bestimmung von Drittstaaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden.

(42)

Die Bestimmung eines Drittstaates als sicherer Herkunftsstaat im Sinne dieser Richtlinie kann keine absolute Garantie für die Sicherheit von Staatsangehörigen dieses Landes bieten. Bei der dieser Bestimmung zugrunde liegenden Prüfung können naturgemäß nur die allgemeinen staatsbürgerlichen, rechtlichen und politischen Gegebenheiten in dem betreffenden Land sowie der Umstand berücksichtigt werden, ob Personen, die in diesem Land der Verfolgung, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung für schuldig befunden werden, auch tatsächlich bestraft werden. Daher ist es wichtig, dass ein als sicher eingestuftes Land für einen Antragsteller nicht länger als solches gelten kann, wenn dieseraufzeigt, dass es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass das betreffende Land für ihn in seiner besonderen Situation nicht sicher ist.

(43)

Die Mitgliedstaaten sollten alle Anträge in der Sache prüfen, d. h. beurteilen, ob der betreffende Antragsteller gemäß der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anerkannt werden kann, sofern die vorliegende Richtlinie nichts anderes vorsieht, insbesondere dann, wenn vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass ein anderer Staat den Antrag prüfen oder für einen ausreichenden Schutz sorgen würde. Die Mitgliedstaaten sollten insbesondere nicht verpflichtet sein, einen Antrag auf internationalen Schutz in der Sache zu prüfen, wenn der erste Asylstaat dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat oder ihm anderweitig ausreichenden Schutz gewährt und die Rückübernahme des Antragstellers in diesen Staat gewährleistet ist.

(44)

Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein, einen Antrag auf internationalen Schutz in der Sache zu prüfen, wenn vom Antragsteller aufgrund einer ausreichenden Verbindung zu einem Drittstaat im Sinne einzelstaatlicher Rechtsvorschriften erwartet werden kann, dass er in diesem Drittstaat Schutz suchen wird, und wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Übernahme oder Rückübernahme des Antragstellers in diesen Staat gewährleistet ist. Die Mitgliedstaaten sollten nur dann nach diesem Grundsatz verfahren, wenn dieser Antragsteller in dem betreffenden Drittstaat tatsächlich sicher wäre. Zur Vermeidung der Sekundärmigration der Antragsteller sollten gemeinsame Grundsätze festgelegt werden, nach denen Mitgliedstaaten Drittstaaten als sicher betrachten oder als sicher bestimmen.

(45)

Darüber hinaus sollte den Mitgliedstaaten im Hinblick auf bestimmte europäische Drittstaaten mit besonders hohen Standards im Bereich der Menschenrechte und des Flüchtlingsschutzes gestattet werden, Anträge auf internationalen Schutz der aus diesen europäischen Drittstaaten in ihr Hoheitsgebiet eingereisten Antragsteller nicht oder nicht vollständig zu prüfen.

(46)

Wenn die Mitgliedstaaten einzelfallbezogen Konzepte des sicheren Herkunftsstaats anwenden oder Staaten durch die Annahme entsprechender Listen als sicher einstufen, sollten sie unter anderem die Leitlinien und Handbücher sowie die Informationen über Herkunftsländer und die Maßnahmen, einschließlich der Methode für Berichte mit Informationen über Herkunftsländer des EASO, gemäß der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (8), sowie einschlägige UNHCR-Leitlinien berücksichtigen

(47)

Um den regelmäßigen Austausch von Informationen darüber, wie die Konzepte „sicherer Herkunftsstaat“, „sicherer Drittstaat“ und „sicherer europäischer Drittstaat“ in den Mitgliedstaaten angewandt werden, und eine regelmäßige Überprüfung durch die Kommission der Nutzung dieser Konzepte durch die Mitgliedstaaten zu erleichtern und um eine mögliche weitere Harmonisierung in der Zukunft vorzubereiten, sollten die Mitgliedstaaten der Kommission mitteilen oder ihr regelmäßig berichten, auf welche Drittstaaten diese Konzepte angewandt werden. Die Kommission sollte das Europäische Parlament regelmäßig über die Ergebnisse ihrer Überprüfung unterrichten.

(48)

Damit die richtige Anwendung der Konzepte des sicheren Staats ausgehend von aktuellen Informationen sichergestellt wird, sollten die Mitgliedstaaten regelmäßig die Lage in diesen Staaten auf der Grundlage einer Reihe von Informationsquellen überprüfen, einschließlich vor allem der Informationen anderer Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarats und anderer einschlägiger internationaler Organisationen. Erhalten die Mitgliedstaaten Kenntnis von einer wesentlichen Änderung der Menschenrechtslage in einem von ihnen als sicher eingestuften Staat, so sollten sie sicherstellen, dass die Lage so schnell wie möglich überprüft wird, und sollten erforderlichenfalls die Einstufung des Staats als sicherer Staat überprüfen.

(49)

Bezüglich der Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus sollten die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Personen mit internationalem Schutzstatus ordnungsgemäß über eine eventuelle Überprüfung ihres Status informiert werden und die Möglichkeit haben, den Behörden ihren Standpunkt darzulegen, bevor diese eine begründete Entscheidung über die Aberkennung ihres Status treffen können.

(50)

Einem Grundprinzip des Unionsrechts zufolge muss gegen die Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz, gegen die Ablehnung der Wiederaufnahme der Prüfung eines Antrags nach ihrer Einstellung und gegen die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus ein wirksamer Rechtsbehelf vor einem Gericht gegeben sein.

(51)

Nach Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) berührt diese Richtlinie nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit.

(52)

Die Verarbeitung personenbezogener Daten in den Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie erfolgt nach Maßgabe der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (9).

(53)

Diese Richtlinie betrifft nicht die Verfahren zwischen Mitgliedstaaten im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. …/…des Europäischen Parlaments und des Rates vom … zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat förmlich gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (10)  (11).

(54)

Diese Richtlinie sollte für Antragsteller, für die die Verordnung Nr. …/… (12) gilt, zusätzlich zu den Bestimmungen jener Verordnung und unbeschadet ihrer Bestimmungen gelten.

(55)

Die Anwendung dieser Richtlinie sollte in regelmäßigen Abständen bewertet werden.

(56)

Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Einführung gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann, sondern wegen des Umfangs und der Wirkungen dieser Richtlinie besser auf Unionsebene zu erreichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(57)

Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu erläuternden Dokumenten (13) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen innerstaatlicher Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.

(58)

Nach den Artikeln 1, 2 und 4a Absatz 1 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligen sich diese Mitgliedstaaten nicht an der Annahme dieser Richtlinie und sind weder durch diese Richtlinie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(59)

Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie und ist weder durch diese Richtlinie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(60)

Diese Richtlinie steht in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta anerkannt wurden. Diese Richtlinie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde zu gewährleisten und die Anwendung der Artikel 1, 4, 18, 19, 21, 23, 24 und 47 der Charta zu fördern; sie muss entsprechend umgesetzt werden.

(61)

Die Verpflichtung zur Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht sollte nur jene Bestimmungen betreffen, die im Vergleich zu der Richtlinie 2005/85/EG inhaltlich geändert wurden. Die Verpflichtung zur Umsetzung der inhaltlich unveränderten Bestimmungen ergibt sich aus jener Richtlinie.

(62)

Die vorliegende Richtlinie sollte die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang II Teil B genannten Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2005/85/EG in nationales Recht unberührt lassen —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Zweck

Mit dieser Richtlinie werden gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes gemäß der Richtlinie 2011/95/EU eingeführt.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)

„Genfer Flüchtlingskonvention“ das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der durch das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 geänderten Fassung;

b)

„Antrag auf internationalen Schutz“ oder „Antrag“ das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, und der nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2011/95/EU ersucht;

c)

„Antragsteller“ einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch keine bestandskräftige Entscheidung ergangen ist;

d)

„Antragsteller, der besondere Verfahrensgarantien benötigt,“ einen Antragsteller, dessen Fähigkeit, die Rechte aus dieser Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen zu können, aufgrund individueller Umstände eingeschränkt ist;

e)

„bestandskräftige Entscheidung“ eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der Richtlinie 2011/95/EU die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, und gegen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der vorliegenden Richtlinie mehr eingelegt werden kann, unabhängig davon, ob ein solcher Rechtsbehelf zur Folge hat, dass Antragsteller sich bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten dürfen;

f)

„Asylbehörde“ jede gerichtsähnliche Behörde beziehungsweise jede Verwaltungsstelle eines Mitgliedstaats, die für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz zuständig und befugt ist, erstinstanzliche Entscheidungen über diese Anträge zu erlassen;

g)

„Flüchtling“ einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der die Voraussetzungen des Artikels 2 Buchstabe d der Richtlinie 2011/95/EU erfüllt;

h)

„Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der die Voraussetzungen des Artikels 2 Buchstabe f der Richtlinie 2011/95/EU erfüllt;

i)

„internationaler Schutz“ die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus im Sinne der Buchstaben j und k;

j)

„Flüchtlingseigenschaft“ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat;

k)

„subsidiärer Schutzstatus“ die Anerkennung, durch einen Mitgliedstaat, eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz;

l)

„Minderjähriger“ einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen unter 18 Jahren;

m)

„unbegleiteter Minderjähriger“ einen unbegleiteten Minderjährigen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe l der Richtlinie 2011/95/EU;

n)

„Vertreter“ eine Person oder Organisation, die von den zuständigen Stellen zur Unterstützung und Vertretung eines unbegleiteten Minderjährigen in Verfahren nach Maßgabe dieser Richtlinie bestellt wurde, um die Interessen des Minderjährigen zu wahren und für ihn, soweit erforderlich, Rechtshandlungen vorzunehmen. Wird eine Organisation zum Vertreter bestellt, so bezeichnet diese eine Person, die bezüglich des unbegleiteten Minderjährigen die Pflichten der Vertretung im Einklang mit dieser Richtlinie wahrnimmt;

o)

„Aberkennung des internationalen Schutzes“ die Entscheidung einer zuständigen Behörde, einer Person die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus gemäß der Richtlinie 2011/95/EU abzuerkennen, diese zu beenden oder nicht mehr zu verlängern;

p)

„Verbleib im Mitgliedstaat“ den Verbleib im Hoheitsgebiet – einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen – des Mitgliedstaats, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde oder geprüft wird;

q)

„Folgeantrag“ einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt wird, auch in Fällen, in denen der Antragsteller seinen Antrag ausdrücklich zurückgenommen hat oder die Asylbehörde den Antrag nach der stillschweigenden Rücknahme durch den Antragsteller gemäß Artikel 28 Absatz 1 abgelehnt hat.

Artikel 3

Anwendungsbereich

(1)   Diese Richtlinie gilt für alle Anträge auf internationalen Schutz, die im Hoheitsgebiet – einschließlich an der Grenze, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen – der Mitgliedstaaten gestellt werden, sowie für die Aberkennung des internationalen Schutzes.

(2)   Diese Richtlinie gilt nicht für Ersuchen um diplomatisches oder territoriales Asyl in Vertretungen der Mitgliedstaaten.

(3)   Die Mitgliedstaaten können beschließen, diese Richtlinie in Verfahren anzuwenden, in denen außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2011/95/EU über Anträge auf Schutz jedweder Form entschieden wird.

Artikel 4

Zuständige Behörden

(1)   Die Mitgliedstaaten benennen für alle Verfahren eine Asylbehörde, die für eine angemessene Prüfung der Anträge gemäß dieser Richtlinie zuständig ist. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Maßgabe dieser Richtlinie angemessen ausgestattet ist und über kompetentes Personal in ausreichender Zahl verfügt.

(2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine andere Behörde als die in Absatz 1 genannte für folgende Tätigkeiten zuständig ist:

a)

die Bearbeitung von Anträgen nach der Verordnung (EU) Nr …/… (14) und

b)

die Gewährung oder die Verweigerung der Einreise im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 43 unter den dort genannten Voraussetzungen und auf der Grundlage der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Asylbehörde.;

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Personal der in Absatz 1 genannten Asylbehörde hinreichend geschult ist. Hierzu stellen die Mitgliedstaaten einschlägige Lehrgänge mit den in Artikel 6 Absatz 4 Buchstaben a bis e der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 genannten Bausteinen bereit. Die Mitgliedstaaten berücksichtigen dabei auch das einschlägige Schulungsangebot, dasvom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) aufgestellt und entwickelt wurde. Personen, von denen die Antragsteller nach Maßgabe dieser Richtlinie befragt werden, müssen außerdem allgemeine Kenntnisse über die Probleme erworben haben, die die Fähigkeit des Antragstellers, angehört zu werden, beeinträchtigen könnten, beispielsweise Anzeichen dafür, dass der Antragsteller in der Vergangenheit möglicherweise gefoltert worden ist..

(4)   Wird eine Behörde gemäß Absatz 2 benannt, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Bediensteten dieser Behörde über angemessene Kenntnisse verfügen oder eine geeignete Schulung erhalten, um ihren Verpflichtungen bei der Anwendung dieser Richtlinie nachkommen zu können.

(5)   Anträge auf internationalen Schutz, die in einem Mitgliedstaat bei den Behörden eines anderen Mitgliedstaats gestellt werden, die in ersterem Mitgliedstaat Grenz- oder Einreisekontrollen durchführen, werden von dem Mitgliedstaat bearbeitet, in dessen Hoheitsgebiet sie gestellt werden.

Artikel 5

Günstigere Bestimmungen

Die Mitgliedstaaten können bei den Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes günstigere Bestimmungen einführen oder beibehalten, soweit diese Bestimmungen mit dieser Richtlinie vereinbar sind.

KAPITEL II

GRUNDSÄTZE UND GARANTIEN

Artikel 6

Zugang zum Verfahren

(1)   Stellt eine Person einen Antrag auf internationalen Schutz bei einer Behörde, die nach nationalem Recht für die Registrierung solcher Anträge zuständig ist, so erfolgt die Registrierung spätestens drei Arbeitstage nach Antragstellung.

Wird der Antrag auf internationalen Schutz bei anderen Behörden gestellt, bei denen derartige Anträge wahrscheinlich gestellt werden, die aber nach nationalem Recht nicht für die Registrierung zuständig sind, so gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Registrierung spätestens sechs Arbeitstage nach Antragstellung erfolgt.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese anderen Behörden, bei denen wahrscheinlich Anträge auf internationalen Schutz gestellt werden, wie Polizei, Grenzschutz, Einwanderungsbehörden und Personal von Gewahrsamseinrichtungen, über die einschlägigen Informationen verfügen und ihr Personal das erforderliche, seinen Aufgaben und Zuständigkeiten entsprechende Schulungsniveau und Anweisungen erhält, um die Antragsteller darüber zu informieren, wo und wie Anträge auf internationalen Schutz gestellt werden können.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, tatsächlich die Möglichkeit hat, diesen so bald wie möglich förmlich zu stellen. Stellt der Antragsteller keinen förmlichen Antrag, so können die Mitgliedstaaten Artikel 28 entsprechend anwenden.

(3)   Unbeschadet des Absatzes 2 können die Mitgliedstaaten verlangen, dass Anträge auf internationalen Schutz persönlich und/oder an einem bestimmten Ort gestellt werden.

(4)   Ungeachtet des Absatzes 3 gilt ein Antrag auf internationalen Schutz als förmlich gestellt, sobald den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller vorgelegtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll, sofern nach nationalem Recht vorgesehen, zugegangen ist.

(5)   Beantragt eine große Zahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig internationalen Schutz, so dass es in der Praxis sehr schwierig ist, die Frist nach Absatz 1 einzuhalten, so können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass diese Frist auf 10 Arbeitstage verlängert wird.

Artikel 7

Anträge im Namen von abhängigen Personen oder Minderjährigen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jeder geschäftsfähige Erwachsene das Recht hat, im eigenen Namen einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

(2)   Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass ein Antragsteller auch für die Personen, die von ihm abhängig sind, einen Antrag stellen kann. In solchen Fällen stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass abhängige Volljährige der förmlichen Antragstellung in ihrem Namen zustimmen; wird diese Zustimmung nicht erteilt, so gewährleisten die Mitgliedstaaten ihnen die Möglichkeit einer Antragstellung im eigenen Namen.

Diese Zustimmung wird bei der förmlichen Antragstellung oder spätestens bei der persönlichen Anhörung des abhängigen Volljährigen verlangt. Bevor die Zustimmung verlangt wird, wird jeder abhängige Volljährige unter vier Augen über die verfahrensrechtlichen Folgen der förmlichen Antragstellung in seinem Namen belehrt sowie über sein Recht, einen gesonderten Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Minderjähriger das Recht hat, entweder im eigenen Namen -wenn er nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats verfahrensfähig ist -oder über seine Eltern, über einen anderen volljährigen Familienangehörigen, über einen gesetzlich oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats für ihn verantwortlichen Erwachsenen oder über einen Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass geeignete Stellen im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (15) das Recht haben, im Namen eines unbegleiteten Minderjährigen förmlich einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, wenn diese Stellen auf der Grundlage einer Würdigung der persönlichen Umstände des Minderjährigen der Auffassung sind, dass der Minderjährige möglicherweise Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU benötigt.

(5)   Die Mitgliedstaaten können im nationalenRecht die Fälle festlegen,

a)

in denen ein Minderjähriger einen Antrag im eigenen Namen stellen kann;

b)

in denen der Antrag eines unbegleiteten Minderjährigen von einem Vertreter gemäß Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe a förmlich zu stellen ist;

c)

in denen die förmliche Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz auch als die förmliche Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz für alle unverheirateten Minderjährigen zu werten ist.

Artikel 8

Informations- und Beratungsleistungen in Gewahrsamseinrichtungen und an Grenzübergangsstellen

(1)   Gibt es Anzeichen dafür, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die sich in Gewahrsamseinrichtungen oder an Grenzübergangsstellen an den Außengrenzen, einschließlich Transitzonen, befinden, möglicherweise einen Antrag auf internationalen Schutz stellen möchten, so stellen ihnen die Mitgliedstaaten Informationen über die Möglichkeit hierzu zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten treffen an diesen Gewahrsamseinrichtungen und Grenzübergangsstellen Sprachmittlungsvorkehrungen, soweit dies notwendig ist, um die Inanspruchnahme des Asylverfahrens zu erleichtern.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Organisationen und Personen, die Beratungsleistungen für Antragsteller erbringen, effektiven Zugang zu Antragstellern an Grenzübergangsstellen an den Außengrenzen, einschließlich Transitzonen, erhalten. Die Mitgliedstaaten können Vorschriften erlassen, die die Anwesenheit dieser Organisationen und Personen an diesen Grenzübergangsstellen regeln, und insbesondere den Zugang von einer Vereinbarung mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten abhängig machen. Beschränkungen eines solchen Zugangs dürfen nur verhängt werden, wenn sie nach Maßgabe des nationalen Rechts für die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Verwaltung der betreffenden Grenzübergangsstellen objektiv erforderlich sind, sofern der Zugang dadurch nicht erheblich behindert oder unmöglich gemacht wird.

Artikel 9

Berechtigung zum Verbleib im Mitgliedstaat während der Prüfung des Antrags

(1)   Antragsteller dürfen ausschließlich zum Zwecke des Verfahrens so lange im Mitgliedstaat verbleiben, bis die Asylbehörde auf der Grundlage der in Kapitel III genannten erstinstanzlichen Verfahren über den Antrag entschieden hat. Aus dieser Berechtigung zum Verbleib ergibt sich kein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel.

(2)   Die Mitgliedstaaten dürfen nur eine Ausnahme machen, wenn eine Person einen Folgeantrag im Sinne von Artikel 41 stellt oder wenn sie eine Person aufgrund von Verpflichtungen aus einem Europäischen Haftbefehl (16) oder aus anderen Gründen entweder an einen anderen Mitgliedstaat oder aber an einen Drittstaat oder an internationale Strafgerichte überstellen beziehungsweise ausliefern.

(3)   Ein Mitgliedstaat darf einen Antragsteller nur dann gemäß Absatz 2 an einen Drittstaat ausliefern, wenn sich die zuständigen Behörden davon überzeugt haben, dass eine Auslieferungsentscheidung keine unmittelbare oder mittelbare Zurückweisung zur Folge hat, die einen Verstoß gegen die völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Pflichten dieses Mitgliedstaats darstellt.

Artikel 10

Anforderungen an die Prüfung von Anträgen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Anträge auf internationalen Schutz nicht allein deshalb abgelehnt oder von der Prüfung ausgeschlossen werden, weil die Antragstellung nicht so rasch wie möglich erfolgt ist.

(2)   Bei der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz stellt die Asylbehörde zuerst fest, ob der Antragsteller die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling erfüllt; ist dies nicht der Fall, wird festgestellt, ob der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Asylbehörde ihre Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz nach angemessener Prüfung trifft. Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass

a)

die Anträge einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden werden;

b)

genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen, wie etwa EASO und UNHCR sowie einschlägigen internationalen Menschenrechtsorganisationen, eingeholt werden, die Aufschluss geben über die allgemeine Lage in den Herkunftsstaaten der Antragsteller und gegebenenfalls in den Staaten, durch die sie gereist sind, und diese Informationen den für die Prüfung und Entscheidung der Anträge zuständigen Bediensteten zur Verfügung stehen;

c)

die für die Prüfung und Entscheidung der Anträge zuständigen Bediensteten die anzuwendenden Standards im Bereich Asyl- und Flüchtlingsrecht kennen;

d)

die für die Prüfung und Entscheidung der Anträge zuständigen Bediensteten die Möglichkeit erhalten, in bestimmten, unter anderem medizinischen, kulturellen, religiösen, kinder- oder geschlechtsspezifischen Fragen, den Rat von Sachverständigen einzuholen, wann immer dies erforderlich ist,

(4)   Die in Kapitel V genannten staatlichen Stellen haben über die Asylbehörde oder den Antragsteller oder in sonstiger Weise Zugang zu den in Absatz 3 Buchstabe b genannten allgemeinen Informationen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigen.

(5)   Die Mitgliedstaaten legen Vorschriften für die Übersetzung der für die Prüfung der Anträge sachdienlichen Unterlagen fest.

Artikel 11

Anforderungen an die Entscheidung der Asylbehörde

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz schriftlich ergehen.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen ferner sicher, dass bei der Ablehnung eines Antrags auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und/oder des subsidiären Schutzstatus die sachlichen und rechtlichen Gründe für die Ablehnung in der Entscheidung dargelegt werden und eine schriftliche Belehrung beigefügt wird, wie eine ablehnende Entscheidung angefochten werden kann.

Die Mitgliedstaaten brauchen der ablehnenden Entscheidung keine schriftliche Belehrung darüber beizufügen, wie eine solche Entscheidung angefochten werden kann, wenn diese Information dem Antragsteller zuvor entweder schriftlich oder auf ihm zugänglichem elektronischem Wege mitgeteilt worden ist.

(3)   Für die Zwecke des Artikels 7 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten immer dann, wenn dieselben Gründe für den Antrag genannt werden, eine einzige Entscheidung treffen, die alle vom Antragsteller abhängigen Personen erfasst, es sei denn, dies hätte die Offenlegung bestimmter Umstände eines Antragstellers zur Folge, durch die dessen Interessen gefährdet werden könnten, insbesondere in Fällen, in denen es um Verfolgung wegen der Geschlechtszugehörigkeit, der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität und/oder des Alters geht. In derartigen Fällen ergeht für die betroffene Person eine gesonderte Entscheidung.

Artikel 12

Garantien für Antragsteller

(1)   Bezüglich der Verfahren des Kapitels III stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle Antragsteller über folgende Garantien verfügen:

a)

Sie werden in einer Sprache, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, über den Verlauf des Verfahrens und über ihre Rechte und Pflichten während des Verfahrens sowie darüber informiert, welche Folgen es haben kann, wenn sie ihren Pflichten nicht nachkommen und nicht mit den Behörden zusammenarbeiten. Sie werden über die Frist und die Möglichkeiten unterrichtet, die ihnen zur Einhaltung der Verpflichtung, die Angaben nach Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU vorzulegen, zur Verfügung stehen sowie über die Folgen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Rücknahme des Antrags. Diese Informationen werden so rechtzeitig gegeben, dass die Antragsteller die in der vorliegenden Richtlinie garantierten Rechte in Anspruch nehmen und ihren in Artikel 13 genannten Verpflichtungen nachkommen können.

b)

Erforderlichenfalls wird ein Dolmetscher beigezogen, damit sie den zuständigen Behörden ihren Fall darlegen können. Die Mitgliedstaaten haben zumindest dann von der Erforderlichkeit einer solchen Beiziehung auszugehen, wenn der Antragsteller nach den Artikeln 14, 15, 16, 17 und 34 anzuhören ist und ohne die Beiziehung eines Dolmetschers eine angemessene Verständigung nicht gewährleistet werden kann. In diesem Fall und in anderen Fällen, in denen die zuständigen Behörden den Antragsteller vorladen, trägt die öffentliche Hand die Kosten für den Dolmetscher.

c)

Ihnen darf nicht die Möglichkeit verwehrt werden, mit dem UNHCR oder einer anderen Organisation, die für Antragsteller nach Maßgabe des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats Rechtsberatung oder sonstige Beratungsleistungen erbringt, Verbindung aufzunehmen.

d)

Ihnen und gegebenenfalls ihren Rechtsanwälten oder sonstigen Rechtsberatern gemäß Artikel 23 Absatz 1 wird Zugang zu den in Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe b genannten Informationen oder den von Sachverständigen gemäß Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe d bereitgestellten Informationen gegeben, sofern diese Informationen von der Asylbehörde zum Zweck der Entscheidung über den Antrag berücksichtigt wurden.

e)

Sie werden innerhalb einer angemessenen Frist von der Entscheidung der Asylbehörde über ihren Antrag in Kenntnis gesetzt. Wird der Antragsteller durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsberater vertreten, so können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass dieser statt des Antragstellers von der Entscheidung in Kenntnis gesetzt wird.

f)

Sie werden von der Asylbehörde über das Ergebnis der Entscheidung in einer Sprache unterrichtet, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, sofern sie nicht von einem Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsberater unterstützt oder vertreten werden. Die Mitteilung muss auch Informationen darüber enthalten, wie eine ablehnende Entscheidung gemäß Artikel 11 Absatz 2 angefochten werden kann.

(2)   Bezüglich der Verfahren nach Kapitel V sichern die Mitgliedstaaten allen Antragstellern Garantien zu, die den in Absatz 1 Buchstaben b, c, d und e aufgeführten gleichwertig sind.

Artikel 13

Verpflichtungen der Antragsteller

(1)   Die Mitgliedstaaten verpflichten die Antragsteller, mit den zuständigen Behörden zur Feststellung ihrer Identität und anderer in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2011/95/EU genannter Angaben zusammenzuarbeiten. Die Mitgliedstaaten können den Antragstellern weitere Verpflichtungen zur Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden auferlegen, sofern diese Verpflichtungen für die Bearbeitung des Antrags erforderlich sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten können insbesondere festlegen, dass

a)

die Antragsteller verpflichtet sind, sich entweder unverzüglich oder zu einem bestimmten Zeitpunkt bei den zuständigen Behörden zu melden oder dort persönlich vorstellig zu werden;

b)

die Antragsteller die in ihrem Besitz befindlichen Dokumente, die für die Prüfung des Antrags sachdienlich sind, wie zum Beispiel ihren Reisepass, vorlegen müssen;

c)

die Antragsteller verpflichtet sind, so rasch wie möglich die zuständigen Behörden über ihren jeweiligen Aufenthaltsort oder ihre Anschrift sowie sämtliche diesbezüglichen Änderungen zu unterrichten. Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass der Antragsteller an dem von ihm mitgeteilten letzten Aufenthaltsort erfolgte – bzw. an die mitgeteilte letzte Anschrift gerichtete – Mitteilungen gegen sich gelten lassen muss;

d)

die zuständigen Behörden den Antragsteller sowie die von ihm mitgeführten Sachen durchsuchen dürfen. Unbeschadet einer Durchsuchung aus Sicherheitsgründen wird eine Durchsuchung des Antragstellers gemäß dieser Richtlinie von einer Person gleichen Geschlechts unter uneingeschränkter Achtung der Grundsätze der Menschenwürde und der körperlichen und geistigen Unversehrtheit durchgeführt;

e)

die zuständigen Behörden ein Lichtbild des Antragstellers anfertigen dürfen und

f)

die zuständigen Behörden die mündlichen Aussagen des Antragstellers aufzeichnen dürfen, sofern er darüber im Voraus unterrichtet wurde.

Artikel 14

Persönliche Anhörung

(1)   Bevor die Asylbehörde eine Entscheidung trifft, wird dem Antragsteller Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz durch einen nach nationalem Recht für die Durchführung einer solchen Anhörung zuständigen Bediensteten gegeben. Persönliche Anhörungen zum Inhalt eines Antrags werden von einem Bediensteten der Asylbehörde durchgeführt. Dieser Unterabsatz lässt Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe b unberührt.

Ist es der Asylbehörde wegen einer großen Zahl von gleichzeitig eingehenden Anträgen auf internationalen Schutz von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in der Praxis unmöglich, fristgerecht Anhörungen zum Inhalt jedes einzelnen Antrags durchzuführen, so können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass diese Anhörungen vorübergehend von Bediensteten einer anderen Behörde durchgeführt werden. In diesen Fällen erhalten die Bediensteten dieser anderen Behörde zuvor eine entsprechende Schulung, die sich auch auf die Gegenstände in Artikel 6 Absatz 4 Buchstaben a bis e der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 erstreckt. Personen, die die persönliche Anhörung von Antragstellern nach Maßgabe dieser Richtlinie durchführen, müssen außerdem allgemeine Kenntnisse über die Probleme erworben haben, die die Fähigkeit des Antragstellers, angehört zu werden, beeinträchtigen könnten, beispielsweise Anzeichen dafür, dass der Antragsteller in der Vergangenheit möglicherweise gefoltert worden sein könnte.

Hat eine Person internationalen Schutz für von ihr abhängige Personen förmlich beantragt, so muss jedem abhängigen Volljährigen Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung gegeben werden.

Die Mitgliedstaaten können in den nationalen Rechtsvorschriften festlegen, in welchen Fällen einem Minderjährigen Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung gegeben wird.

(2)   Auf die persönliche Anhörung zum Inhalt des Antrags kann verzichtet werden, wenn

a)

die Asylbehörde anhand der verfügbaren Beweismittel eine positive Entscheidung im Hinblick auf die Flüchtlingseigenschaft treffen kann oder

b)

die Asylbehörde der Auffassung ist, dass der Antragsteller aufgrund dauerhafter Umstände, die sich seinem Einfluss entziehen, nicht zu einer Anhörung in der Lage ist. Im Zweifelsfall konsultiert die Asylbehörde medizinisches Fachpersonal, um festzustellen, ob es sich bei dem Umstand, der dazu führt, dass der Antragsteller nicht zu einer Anhörung in der Lage ist, um einen vorübergehenden oder dauerhaften Zustand handelt.

Findet eine persönliche Anhörung des Antragstellers – oder gegebenenfalls der vom Antragsteller abhängigen Person – gemäß Buchstabe b nicht statt, so müssen angemessene Bemühungen unternommen werden, damit der Antragsteller oder die von ihm abhängige Person weitere Informationen unterbreiten können.

(3)   Die Tatsache, dass keine persönliche Anhörung gemäß diesem Artikel stattgefunden hat, hindert die Asylbehörde nicht daran, über den Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden.

(4)   Die Tatsache, dass nach Absatz 2 Buchstabe b keine persönliche Anhörung stattgefunden hat, darf die Entscheidung der Asylbehörde nicht negativ beeinflussen.

(5)   Ungeachtet des Artikels 28 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten bei ihrer Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die Tatsache berücksichtigen, dass der Antragsteller einer Aufforderung zur persönlichen Anhörung nicht nachgekommen ist, es sei denn, er hat berechtigte Gründe für sein Fernbleiben vorgebracht.

Artikel 15

Anforderungen an die persönliche Anhörung

(1)   Die persönliche Anhörung findet in der Regel ohne die Anwesenheit von Familienangehörigen statt, soweit nicht die Asylbehörde die Anwesenheit solcher Angehörigen zwecks einer angemessenen Prüfung für erforderlich hält.

(2)   Eine persönliche Anhörung erfolgt unter Bedingungen, die eine angemessene Vertraulichkeit gewährleisten.

(3)   Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen um sicherzustellen, dass persönliche Anhörungen unter Bedingungen durchgeführt werden, die Antragstellern eine umfassende Darlegung der Gründe ihrer Anträge gestatten. Zu diesem Zweck

a)

gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die anhörende Person befähigt ist, die persönlichen und allgemeinen Umstände des Antrags einschließlich der kulturellen Herkunft, der Geschlechtszugehörigkeit, der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität oder der Schutzbedürftigkeit des Antragstellers zu berücksichtigen;

b)

sehen die Mitgliedstaaten, soweit möglich, vor, dass die Anhörung des Antragstellers von einer Person gleichen Geschlechts durchgeführt wird, wenn der Antragsteller darum ersucht, es sei denn, die Asylbehörde hat Grund zu der Annahme, dass das Ersuchen auf Gründen beruht, die nicht mit den Schwierigkeiten des Antragstellers in Verbindung stehen, die Gründe für seinen Antrag umfassend darzulegen.

c)

wählen die Mitgliedstaaten einen Dolmetscher, der eine angemessene Verständigung zwischen dem Antragsteller und der anhörenden Person zu gewährleisten vermag. Die Verständigung erfolgt in der vom Antragsteller bevorzugten Sprache, es sei denn, es gibt eine andere Sprache, die er versteht und in der er sich klar ausdrücken kann. Die Mitgliedstaaten stellen, soweit möglich, einen Dolmetscher gleichen Geschlechts bereit, wenn der Antragsteller darum ersucht, es sei denn, die Asylbehörde hat Grund zu der Annahme, dass das Ersuchen auf Gründen beruht, die nicht mit den Schwierigkeiten des Antragstellers in Verbindung stehen, die Gründe für seinen Antrag umfassend darzulegen;

d)

stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Person, die die Anhörung zum Inhalt des Antrags auf internationalen Schutz durchführt, keine Militär- oder Polizeiuniform trägt;

e)

stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Anhörungen von Minderjährigen kindgerecht durchgeführt werden.

(4)   Die Mitgliedstaaten können Vorschriften über die Anwesenheit Dritter bei der persönlichen Anhörung erlassen.

Artikel 16

Inhalt der persönlichen Anhörung

Wird eine persönliche Anhörung zum Inhalt eines Antrags auf internationalen Schutz durchgeführt, so stellt die Asylbehörde sicher, dass dem Antragsteller hinreichend Gelegenheit gegeben wird, die zur Begründung seines Antrags notwendigen Angaben gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU möglichst vollständig vorzubringen. Dies schließt die Gelegenheit ein, sich zu fehlenden Angaben und/oder zu Abweichungen oder Widersprüchen in den Aussagen des Antragstellers zu äußern.

Artikel 17

Niederschrift und Aufzeichnung der persönlichen Anhörung

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass von jeder persönlichen Anhörung entweder eine ausführliche und objektive Niederschrift mit allen wesentlichen Angaben oder ein Wortprotokoll erstellt wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten können eine Audio- oder audiovisuelle Aufzeichnung der persönlichen Anhörung vorsehen. Wird eine Audio- oder audiovisuelle Aufzeichnung der Anhörung vorgenommen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Aufzeichnung oder ein Wortprotokoll davon zusammen mit der Akte des Antragstellers zur Verfügung steht.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Antragsteller nach Abschluss der persönlichen Anhörung oder innerhalb einer bestimmten Frist, bevor die Asylbehörde ihre Entscheidung trifft, Gelegenheit erhält, sich mündlich und/oder schriftlich zu Übersetzungsfehlern oder missverständlichen Formulierungen in der Niederschrift oder dem Wortprotokoll zu äußern und/oder diese zu klären. Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Antragsteller, wenn notwendig mit Hilfe eines Dolmetschers, in vollem Umfang vom Inhalt der Niederschrift oder von den wesentlichen Angaben des Wortprotokolls Kenntnis nimmt. Die Mitgliedstaaten fordern den Antragsteller anschließend auf, zu bestätigen, dass der Inhalt der Niederschrift oder des Protokolls die Anhörung korrekt wiedergibt.

Ist die persönliche Anhörung gemäß Absatz 2 aufgezeichnet worden und ist die Aufzeichnung als Beweismittel in den Rechtsbehelfsverfahren nach Kapitel V zugelassen, so brauchen die Mitgliedstaaten den Antragsteller nicht aufzufordern, zu bestätigen, dass der Inhalt der Niederschrift oder des Wortprotokolls die Anhörung korrekt wiedergibt. Sehen die Mitgliedstaaten sowohl ein Wortlautprotokoll als auch eine Aufzeichnung der persönlichen Anhörung vor, so müssen die Mitgliedstaaten unbeschadet des Artikels 16 dem Antragsteller nicht gestatten, sich zum Wortprotokoll zu äußern und/oder Klärungen hierzu abzugeben.

(4)   Weigert sich der Antragsteller, zu bestätigen, dass der Inhalt der Niederschrift oder des Wortprotokolls die persönliche Anhörung korrekt wiedergibt, so werden die dafür geltend gemachten Gründe in seiner Akte vermerkt.

Eine solche Weigerung hindert die Asylbehörde nicht daran, über den Antrag zu entscheiden.

(5)   Bevor die Asylbehörde entscheidet, muss den Antragstellern und ihren Rechtsanwälten oder sonstigen Rechtsberatern nach Artikel 23 Einsicht in die Niederschrift oder das Wortprotokoll oder gegebenenfalls in die Aufzeichnung gewährt werden.

Sehen die Mitgliedstaaten sowohl ein Wortprotokoll als auch eine Aufzeichnung der persönlichen Anhörung vor, so müssen sie in erstinstanzlichen Verfahren gemäß Kapitel III keine Einsicht in die Aufzeichnung gewähren. In diesen Fällen gewähren sie jedoch in Rechtsbehelfsverfahren gemäß Kapitel V Einsicht in die Aufzeichnung.

Wird der Antrag gemäß Artikel 31 Absatz 8 geprüft, so können die Mitgliedstaaten unbeschadet des Absatzes 3 des vorliegenden Artikels vorsehen, dass Einsicht in die Niederschrift oder das Wortprotokoll und gegebenenfalls die Aufzeichnung zu dem Zeitpunkt gewährt wird, zu dem die Entscheidung ergeht.

Artikel 18

Medizinische Untersuchung

(1)   Hält die Asylbehörde dies für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU für erforderlich, so veranlassen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Zustimmung des Antragstellers eine medizinische Untersuchung des Antragstellers im Hinblick auf Anzeichen auf eine in der Vergangenheit erlittene Verfolgung oder einen in der Vergangenheit erlittenen ernsthaften Schaden. Die Mitgliedstaaten können stattdessen vorsehen, dass der Antragsteller eine solche medizinische Untersuchung veranlasst.

Die medizinischen Untersuchungen nach Unterabsatz 1 werden von qualifizierten medizinischen Fachkräften durchgeführt und das Ergebnis der Untersuchungen wird der Asylbehörde so schnell wie möglich mitgeteilt. Die Mitgliedstaaten können die medizinischen Fachkräfte benennen, die diese medizinischen Untersuchungen durchführen können. Die Weigerung eines Antragstellers, sich medizinisch untersuchen zu lassen, hindert die Asylbehörde nicht daran, über den Antrag zu entscheiden.

Die Kosten für medizinische Untersuchungen, die nach diesem Absatz durchgeführt werden, trägt die öffentliche Hand.

(2)   Wird keine medizinische Untersuchung gemäß Absatz 1 durchgeführt, so teilen die Mitgliedstaaten dem Antragsteller mit, dass er von sich aus und auf seine eigenen Kosten eine medizinische Untersuchung im Hinblick auf Anzeichen auf eine in der Vergangenheit erlittene Verfolgung oder einen in der Vergangenheit erlittenen ernsthaften Schaden veranlassen kann.

(3)   Die Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen nach den Absätzen 1 und 2 werden von der Asylbehörde zusammen mit den anderen Angaben im Antrag gewürdigt.

Artikel 19

Unentgeltliche Erteilung von Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften in erstinstanzlichen Verfahren

(1)   In den erstinstanzlichen Verfahren nach Kapitel III gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass den Antragstellern auf Antrag unentgeltlich rechts und verfahrenstechnische Auskünfte erteilt werden; dazu gehören mindestens Auskünften zum Verfahren unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Antragstellers. Im Fall einer ablehnenden Entscheidung zu einem Antrag im erstinstanzlichen Verfahren erteilen die Mitgliedstaaten dem Antragsteller auf Antrag zusätzlich zu den Auskünften nach Artikel 11 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe f Auskünfte über die Gründe einer solchen Entscheidung und erläutern, wie die Entscheidung angefochten werden kann.

(2)   Die unentgeltliche Erteilung von Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften erfolgt nach Maßgabe des Artikels 21.

Artikel 20

Unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Rechtsbehelfsverfahren

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Rechtsbehelfsverfahren nach Kapitel V auf Antrag unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt wird. Diese umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers.

(2)   Die Mitgliedstaaten können auch in den erstinstanzlichen Verfahren nach Kapitel III unentgeltliche Rechtsberatung und/oder -vertretung gewähren. In diesem Fall findet Artikel 19 keine Anwendung.

(3)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung nicht gewährt wird, wenn der Rechtsbehelf des Antragstellers nach Einschätzung des Gerichts oder einer anderen zuständigen Behörde keine konkrete Aussicht auf Erfolg hat.

Wird die Entscheidung, dass keine unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt wird, nicht von einem Gericht getroffen, so gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass der Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung vor einem Gericht hat.

In Anwendung dieses Absatzes stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Rechtsberatung und -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt und der Antragsteller nicht an der effektiven Wahrnehmung seiner Rechte gehindert wird.

(4)   Die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung erfolgt nach Maßgabe des Artikels 21.

Artikel 21

Voraussetzungen für die unentgeltliche Erteilung von Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften sowie für die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung

(1)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass Nichtregierungsorganisationen, Fachkräfte von Behörden oder spezialisierte staatliche Stellen die unentgeltlichen Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünfte gemäß Artikel 19 erteilen.

Die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung nach Artikel 20 erfolgt durch nach nationalem Recht zugelassene oder zulässige Personen.

(2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünfte gemäß Artikel 19 und die Rechtsberatung und -vertretung gemäß Artikel 20 unentgeltlich nur erfolgt:

a)

für Personen, die nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen und/oder

b)

im Falle von Dienstleistungen von Rechtsanwälten oder sonstigen Rechtsberatern, die nach nationalem Recht eigens zur Unterstützung und Vertretung von Antragstellern bestimmt wurden,

Die Mitgliedstaaten können bestimmen, dass unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung nach Artikel 20 nur gewährt wird für Rechtsbehelfsverfahren gemäß Kapitel V vor einem erstinstanzlichem Gericht und nicht für weitere im nationalen Recht vorgesehene Rechtsbehelfe oder Überprüfungen, einschließlich erneuter Anhörungen oder Rechtsbehelfsüberprüfungen.

Die Mitgliedstaaten können ferner vorsehen, dass die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gemäß Artikel 20 nicht für Antragsteller gewährt wird, die sich in Anwendung des Artikels 41 Absatz 2 Buchstabe c nicht mehr in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten.

(3)   Die Mitgliedstaaten können die Einzelheiten für die Stellung und Bearbeitung von Anträgen auf unentgeltliche rechts- und verfahrenstechnische Auskünfte gemäß Artikel 19 und auf unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gemäß Artikel 20 festlegen.

(4)   Ferner können die Mitgliedstaaten

a)

für die unentgeltliche Erteilung von rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften gemäß Artikel 19 und die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gemäß Artikel 20 eine finanzielle und/oder zeitliche Begrenzung vorsehen, soweit dadurch der Zugang zu unentgeltlichen Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften und zu unentgeltlicher Rechtsberatung und -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt wird;

b)

vorsehen, dass Antragstellern hinsichtlich der Gebühren und anderen Kosten keine günstigere Behandlung zuteil wird, als sie ihren Staatsangehörigen in Fragen der Rechtsberatung im Allgemeinen gewährt wird.

(5)   Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass der Antragsteller ihnen die entstandenen Kosten ganz oder teilweise zurückerstattet, wenn sich seine finanzielle Lage beträchtlich verbessert hat oder wenn die Entscheidung zur Übernahme solcher Kosten aufgrund falscher Angaben des Antragstellers getroffen wurde.

Artikel 22

Anspruch auf Rechtsberatung und –vertretung in allen Phasen des Verfahrens

(1)   Antragsteller erhalten in allen Phasen des Verfahrens, auch nach einer ablehnenden Entscheidung, effektiv Gelegenheit, auf eigene Kosten einen Rechtsanwalt oder sonstigen nach nationalem Recht zugelassenen oder zulässigen Rechtsberater in Fragen ihres Antrags auf internationalen Schutz zu konsultieren.

(2)   Die Mitgliedstaaten können Nichtregierungsorganisationen erlauben, Antragstellern in den Verfahren nach den Kapiteln III und V Rechtsberatung und/oder -vertretung im Einklang mit nationalem Recht zu gewähren.

Artikel 23

Umfang der Rechtsberatung und -vertretung

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Rechtsanwalt oder ein sonstiger nach nationalem Recht zugelassener oder zulässiger Rechtsberater, der einen Antragsteller gemäß den nationalen Rechtsvorschriften unterstützt oder vertritt, Zugang zu den Informationen in der Akte des Antragstellers erhält, auf deren Grundlage über den Antrag entschieden wurde oder entschieden wird.

Die Mitgliedstaaten können hiervon abweichen, wenn die Offenlegung von Informationen oder Quellen die nationale Sicherheit, die Sicherheit der Organisationen oder Personen, von denen diese Informationen stammen, oder die Sicherheit der Personen, die die Informationen betreffen, gefährden oder wenn die Ermittlungsinteressen im Rahmen der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten oder die internationalen Beziehungen der Mitgliedstaaten beeinträchtigt würden. In diesen Fällen

a)

gewähren die Mitgliedstaaten den staatlichen Stellen gemäß Kapitel V Zugang zu den betreffenden Informationen oder Quellen und

b)

legen die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht Verfahren fest, mit denen gewährleistet wird, dass die Verteidigungsrechte des Antragstellers geachtet werden.

Hinsichtlich der Regelung in Buchstabe b können die Mitgliedstaaten insbesondere einem Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsberater, der einer Sicherheitsprüfung unterzogen wurde, Zugang zu diesen Informationen oder Quellen gewähren, soweit diese Informationen für die Prüfung des Antrags oder für die Entscheidung zur Aberkennung des internationalen Schutzes relevant sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Rechtsanwalt oder sonstige Rechtsberater, der einen Antragsteller unterstützt oder vertritt, gemäß Artikel 10 Absatz 4 und Artikel 18 Absatz 2 Buchstaben b und c der Richtlinie …/…/EU (17) zum Zweck der Beratung des Antragstellers Zugang zu abgeschlossenen Bereichen, wie Gewahrsamseinrichtungen oder Transitzonen, erhält.

(3)   Die Mitgliedstaaten gestatten einem Antragsteller, sich bei der persönlichen Anhörung von einem Rechtsanwalt oder sonstigen nach nationalem Recht zugelassenen oder zulässigen Rechtsberater begleiten zu lassen.

Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass der Rechtsanwalt oder sonstige Rechtsberater erst am Schluss der persönlichen Anhörung eingreifen darf.

(4)   Unbeschadet des vorliegenden Artikels oder des Artikels 25 Absatz 1 Buchstabe b können die Mitgliedstaaten Vorschriften für die Anwesenheit eines Rechtsanwalts oder sonstigen Rechtsberaters bei allen Anhörungen im Rahmen des Verfahrens festlegen.

Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass der Antragsteller auch dann bei der persönlichen Anhörung anwesend ist, wenn er sich nach Maßgabe der nationalen Rechtsvorschriften von einem Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsberater vertreten lässt; ferner können sie verlangen, dass der Antragsteller die Fragen persönlich beantwortet.

Unbeschadet des Artikels 25 Absatz 1 Buchstabe b kann die zuständige Behörde eine persönliche Anhörung des Antragstellers auch dann durchführen, wenn der Rechtsanwalt oder Rechtsberater nicht daran teilnimmt.

Artikel 24

Antragsteller, die besondere Verfahrensgarantien benötigen

(1)   Die Mitgliedstaaten prüfen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz, ob ein Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigt.

(2)   Die Prüfung nach Absatz 1 kann in vorhandene nationale Verfahren und/oder in die Prüfung nach Artikel 22 der Richtlinie …/EU (18) einbezogen werden und muss nicht in Form eines Verwaltungsverfahrens vorgenommen werden.

(3)   Wird festgestellt, dass Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Antragsteller angemessene Unterstützung erhalten, damit sie während der Dauer des Asylverfahrens die Rechte aus dieser Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen können.

Kann eine solche angemessene Unterstützung nicht im Rahmen der Verfahren nach Artikel 31 Absatz 8 und Artikel 43 geleistet werden, insbesondere wenn die Mitgliedstaaten der Auffassung sind, dass der Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigt, da er Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten hat, so wenden die Mitgliedstaaten Artikel 31 Absatz 8 und Artikel 43 nicht oder nicht mehr an. Wenden die Mitgliedstaaten Artikel 46 Absatz 6 auf Antragsteller an, auf die Artikel 31 Absatz 8 und Artikel 43 nach dem vorliegenden Unterabsatz nicht angewandt werden können, so gewähren sie zumindest die Garantien gemäß Artikel 46 Absatz 7.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Notwendigkeit besonderer Verfahrensgarantien gemäß dieser Richtlinie auch Rechnung getragen wird, wenn sie erst in einer späteren Phase des Verfahrens zutage treten, ohne dass das Verfahren deshalb notwendigerweise von Anfang an neu durchgeführt werden muss.

Artikel 25

Garantien für unbegleitete Minderjährige

(1)   Bei allen Verfahren nach Maßgabe dieser Richtlinie und unbeschadet der Bestimmungen der Artikel 14, 15, 16 und 17

a)

ergreifen die Mitgliedstaaten so bald wie möglich Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass ein Vertreter den unbegleiteten Minderjährigen vertritt und unterstützt, damit dieser die Rechte aus dieser Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen kann. Der unbegleitete Minderjährige wird unverzüglich über die Bestellung des Vertreters unterrichtet. Der Vertreter nimmt seine Aufgaben im Interesse des Kindeswohls wahr und verfügt hierfür über die erforderliche Fachkenntnis. Die als Vertreter bestellte Person wird nur ausgewechselt, wenn dies notwendig ist. Organisationen oder Personen, deren Interessen mit den Interessen des unbegleiteten Minderjährigen in Konflikt stehen oder stehen könnten, kommen als Vertreter nicht in Frage. Bei dem Vertreter kann es sich auch um einen Vertreter im Sinne der Richtlinie …/…/EU (18) handeln;

b)

stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Vertreter Gelegenheit erhält, den unbegleiteten Minderjährigen über die Bedeutung und die möglichen Konsequenzen seiner persönlichen Anhörung sowie gegebenenfalls darüber aufzuklären, wie er sich auf seine persönliche Anhörung vorbereiten kann. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Vertreter und/oder ein Rechtsanwalt oder ein sonstiger nach nationalem Recht zugelassener oder zulässiger Rechtsberater bei dieser Anhörung anwesend ist und innerhalb des von der anhörenden Person festgelegten Rahmens Gelegenheit erhält, Fragen zu stellen und Bemerkungen vorzubringen.

Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass der unbegleitete Minderjährige auch dann bei der persönlichen Anhörung anwesend ist, wenn der Vertreter zugegen ist.

(2)   Die Mitgliedstaaten können davon absehen, einen Vertreter zu bestellen, wenn der unbegleitete Minderjährige aller Wahrscheinlichkeit nach vor der erstinstanzlichen Entscheidung das 18. Lebensjahr vollenden wird.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass

a)

die persönliche Anhörung eines unbegleiteten Minderjährigen zu seinem Antrag auf internationalen Schutz nach den Artikeln 14, 15, 16, 17 und 34 von einer Person durchgeführt wird, die mit den besonderen Bedürfnissen Minderjähriger vertraut ist;

b)

die Entscheidung der Asylbehörde über einen Antrag eines unbegleiteten Minderjährigen von einem Bediensteten vorbereitet wird, der mit den besonderen Bedürfnissen Minderjähriger vertraut ist.

(4)   Unbegleitete Minderjährige und deren Vertreter erhalten auch für Verfahren zur Aberkennung des internationalen Schutzes nach Kapitel IV unentgeltliche Rechts- und verfahrenstechnische Auskünfte gemäß Artikel 19.

(5)   Die Mitgliedstaaten können im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz ärztliche Untersuchungen zur Bestimmung des Alters unbegleiteter Minderjähriger durchführen lassen, wenn aufgrund allgemeiner Aussagen oder anderer einschlägiger Hinweise Zweifel bezüglich des Alters des Antragstellers bestehen.Bestehen diese Zweifel bezüglich des Alters des Antragstellers danach fort, so gehen die Mitgliedstaaten davon aus, dass der Antragsteller minderjährig ist.

Die ärztliche Untersuchung wird unter uneingeschränkter Achtung der Würde der Person und mit den schonendsten Methoden von qualifizierten medizinischen Fachkräften, die so weit wie möglich ein zuverlässiges Ergebnis gewährleisten, durchgeführt.

Bei ärztlichen Untersuchungen stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass

a)

unbegleitete Minderjährige vor der Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz in einer Sprache, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, über die Möglichkeit der Altersbestimmung im Wege einer ärztlichen Untersuchung informiert werden. Diese Information umfasst eine Aufklärung über die Untersuchungsmethode, über die möglichen Folgen des Untersuchungsergebnisses für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz sowie über die Folgen der Weigerung des unbegleiteten Minderjährigen, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen;

b)

unbegleitete Minderjährige und/oder deren Vertreter in die Durchführung einer ärztlichen Untersuchung zur Altersbestimmung der betroffenen Minderjährigen einwilligen und

c)

die Entscheidung, den Antrag auf internationalen Schutz eines unbegleiteten Minderjährigen abzulehnen, der eine ärztliche Untersuchung verweigert hat, nicht ausschließlich in dieser Weigerung begründet ist.

Die Tatsache, dass ein unbegleiteter Minderjähriger eine ärztliche Untersuchung verweigert hat, hindert die Asylbehörde nicht daran, über den Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden.

(6)   Bei der Umsetzung dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten vorrangig das Kindeswohl.

Stellen die Mitgliedstaaten im Laufe des Asylverfahrens fest, dass eine Person ein unbegleiteter Minderjähriger ist, so können sie

a)

Artikel 31 Absatz 8 nur anwenden oder weiter anwenden, wenn

i)

der Antragsteller aus einem Staat kommt, der die Kriterien für die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat im Sinne dieser Richtlinie erfüllt oder

ii)

der Antragsteller einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der gemäß Artikel 40 Absatz 5 nicht unzulässig ist, oder

iii)

es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass der Antragsteller eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellt oder er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung nach nationalem Recht zwangsausgewiesen wurde;

b)

Artikel 43 gemäß den Artikeln 8 bis 11 der Richtlinie …/2013/EU (19) nur anwenden oder weiter anwenden, wenn

i)

der Antragsteller aus einem Staat kommt, der die Kriterien für die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat im Sinne dieser Richtlinie erfüllt,

ii)

der Antragsteller einen Folgeantrag gestellt hat,

iii)

es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass der Antragsteller eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellt oder er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung nach nationalem Recht zwangsausgewiesen wurde,

iv)

berechtigte Gründe zu der Annahme vorliegen, dass ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, für den Antragsteller ein sicherer Drittstaat gemäß Artikel 38 ist,

v)

der Antragsteller die Behörden irregeführt hat, indem er gefälschte oder verfälschte Dokumente vorgelegt hat, oder

vi)

der Antragsteller ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Ziffern v und vi nur in Einzelfällen anwenden, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme vorliegen, dass der Antragsteller versucht, wesentliche Umstände, die voraussichtlich zu einer ablehnenden Entscheidung führen würden, zu verheimlichen und wenn der Antragsteller unter Berücksichtung der besonderen Verfahrensbedürfnisse unbegleiteter Minderjähriger umfassend Gelegenheit hatte, die Handlungen gemäß den Ziffern v und vi zu rechtfertigen und sich dafür auch mit seinem Vertreter zu beraten;

c)

den Antrag gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe c als unzulässig betrachten, wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, für den Antragsteller als sicherer Drittstaat gemäß Artikel 38 gilt, sofern dies dem Kindeswohl dient;

d)

das Verfahren gemäß Artikel 20 Absatz 3 anwenden, wenn der Vertreter des Minderjährigen nach nationalem Recht über eine juristische Qualifikation verfügt.

Die Mitgliedstaaten gewähren unbeschadet des Artikels 41 bei der Anwendung des Artikels 46 Absatz 6 auf unbegleitete Minderjährige in allen Fällen zumindest die Garantien, die in Artikel 46 Absatz 7 festgelegt sind.

Artikel 26

Gewahrsam

(1)   Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam, weil sie einen Antrag gestellt hat. Die Gründe für den Gewahrsam und die Gewahrsamsbedingungen und die Garantien für in Gewahrsam befindliche Antragsteller bestimmen sich nach der Richtlinie …/…/EU (20).

(2)   Wird ein Antragsteller in Gewahrsam genommen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass eine rasche gerichtliche Überprüfung des Gewahrsams gemäß der Richtlinie …/…/EU (20) möglich ist.

Artikel 27

Verfahren bei Rücknahme des Antrags

(1)   Soweit die Mitgliedstaaten nach nationalem Recht die Möglichkeit einer ausdrücklichen Rücknahme des Antrags vorsehen, stellen sie im Falle der ausdrücklichen Rücknahme des Antrags auf internationalen Schutz durch den Antragsteller sicher, dass die Asylbehörde die Entscheidung trifft, entweder die Antragsprüfung einzustellen oder den Antrag abzulehnen.

(2)   Die Mitgliedstaaten können auch beschließen, dass die Asylbehörde die Antragsprüfung einstellen kann, ohne dass eine Entscheidung ergeht. In diesem Fall stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Asylbehörde eine entsprechende Notiz in die Akte des Antragstellers aufnimmt.

Artikel 28

Verfahren bei stillschweigender Rücknahme des Antrags oder Nichtbetreiben des Verfahrens

(1)   Besteht Grund zu der Annahme, dass ein Antragsteller seinen Antrag stillschweigend zurückgenommen hat oder das Verfahren nicht weiter betreibt, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Asylbehörde entweder entscheidet, die Antragsprüfung einzustellen oder, sofern die Asylbehörde den Antrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU als unbegründet ansieht, den Antrag abzulehnen.

Die Mitgliedstaaten können insbesondere dann davon ausgehen, dass der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz stillschweigend zurückgezogen hat oder das Verfahren nicht weiter betreibt, wenn er nachweislich

a)

den Aufforderungen zur Vorlage von für den Antrag wesentlichen Informationen gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU oder einer Aufforderung zur persönlichen Anhörung gemäß den Artikeln 14, 15, 16 und 17 dieser Richtlinie nicht nachgekommen ist, es sei denn, er weist innerhalb einer angemessenen Frist nach, dass sein Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte;

b)

untergetaucht ist oder seinen Aufenthaltsort oder Ort seiner Ingewahrsamnahme ohne Genehmigung verlassen und nicht innerhalb einer angemessenen Frist die zuständige Behörde kontaktiert hat, oder seinen Melde- und anderen Mitteilungspflichten nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachgekommen ist, es sei denn, der Antragsteller weist nach, dass dies auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte.

Die Mitgliedstaaten können Fristen oder Leitlinien für die Anwendung dieser Bestimmungen festsetzen.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Antragsteller, der sich nach Einstellung der Antragsprüfung gemäß Absatz 1 wieder bei der zuständigen Behörde meldet, berechtigt ist, um Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Artikel 40 und 41 geprüft wird.

Die Mitgliedstaaten können eine Frist von mindestens neun Monaten vorschreiben, nach deren Ablauf das Verfahren nicht wieder eröffnet werden darf beziehungsweise der neue Antrag als Folgeantrag behandelt und nach Maßgabe der Artikel 40 und 41 geprüft werden kann. Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, dass das Verfahren des Antragstellers nur ein Mal wieder eröffnet werden darf.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die betreffende Person nicht entgegen dem Grundsatz der Nicht-Zurückweisung abgeschoben wird.

Die Mitgliedstaaten können der Asylbehörde die Wiederaufnahme der Prüfung in dem Verfahrensabschnitt gestatten, in dem sie eingestellt wurde.

(3)   Dieser Artikel gilt unbeschadet der Verordnung (EU) Nr. …/… (21).

Artikel 29

Rolle des UNHCR

(1)   Die Mitgliedstaaten gewähren dem UNHCR:

a)

Zugang zu Antragstellern, auch zu denen, die sich in Gewahrsam, an der Grenze oder in Transitzonen befinden;

b)

Zugang zu Informationen über einzelne Anträge auf internationalen Schutz, über den Verlauf des Verfahrens und die erlassenen Entscheidungen, sofern der Antragsteller dem zustimmt;

c)

die Möglichkeit zur Stellungnahme zu einzelnen Anträgen auf internationalen Schutz in jedem Verfahrensabschnitt bei jeder zuständigen Behörde in Ausübung der Überwachungsbefugnisse nach Artikel 35 der Genfer Flüchtlingskonvention.

(2)   Absatz 1 findet auch auf eine Organisation Anwendung, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats im Auftrag des UNHCR auf der Grundlage einer Vereinbarung mit diesem Mitgliedstaat tätig ist.

Artikel 30

Weitergabe oder Einholung von Informationen zu einzelnen Anträgen

Im Rahmen der Prüfung eines Antrags

a)

geben die Mitgliedstaaten keine Informationen über einzelne Anträge auf internationalen Schutz oder über die Tatsache, dass ein solcher Antrag gestellt wurde, an die Stelle(n) weiter, die den Antragsteller seinen Angaben zufolge verfolgt oder ihm einen ernsthaften Schaden zugefügt hat/haben;

b)

werden von den Mitgliedstaaten bei der oder den Stellen, die den Antragsteller seinen Angaben zufolge verfolgt oder ihm einen ernsthaften Schaden zugefügt haben, keine Informationen in einer Weise eingeholt, die diesen Stellen unmittelbar die Tatsache zur Kenntnis bringen würde, dass der betreffende Antragsteller einen Antrag gestellt hat, und die die körperliche Unversehrtheit des Antragstellers oder der von ihm abhängigen Personen oder die Freiheit und Sicherheit seiner noch im Herkunftsstaat lebenden Familienangehörigen in Gefahr bringen würde.

KAPITEL III

ERSTINSTANZLICHE VERFAHREN

ABSCHNITT I

Artikel 31

Prüfungsverfahren

(1)   Die Mitgliedstaaten bearbeiten Anträge auf internationalen Schutz im Rahmen eines Prüfungsverfahrens unter Beachtung der Grundsätze und Garantien in Kapitel II.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Prüfungsverfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht wird.

Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. …/… (22) zu behandeln, so beginnt die Sechsmonatsfrist, sobald der für die Prüfung zuständige Mitgliedstaat gemäß jener Verordnung bestimmt ist, sich der Antragsteller im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet und er von der zuständigen Behörde betreut wird.

Die Mitgliedstaaten können die in dem vorliegenden Absatz festgelegte Sechsmonatsfrist um höchstens neun weitere Monate verlängern, wenn

a)

sich in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben;

b)

eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig internationalen Schutz beantragt, so dass es in der Praxis sehr schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist von sechs Monaten abzuschließen;

c)

die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Antragsteller seinen Pflichten nach Artikel 13 nicht nachgekommen ist.

Ausnahmsweise können die Mitgliedstaaten die Fristen gemäß diesem Absatz in ausreichend begründeten Fällen um höchstens drei Monate überschreiten, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zu gewährleisten.

(4)   Die Mitgliedstaaten können unbeschadet der Artikel 13 und 18 der Richtlinie 2011/95/EU den Abschluss des Prüfungsverfahrens aufschieben, wenn von der Asylbehörde aufgrund einer aller Voraussicht nach vorübergehenden ungewissen Lage im Herkunftsstaat vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, innerhalb der in Absatz 3 festgelegten Fristen zu entscheiden.In einem solchen Fall gehen die Mitgliedstaaten wie folgt vor:

a)

Sie überprüfen mindestens alle sechs Monate die Lage in diesem Herkunftsstaat;

b)

sie unterrichten die betroffenen Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist über die Gründe der Verschiebung;

c)

sie unterrichten die Kommission innerhalb einer angemessenen Frist über die Verschiebung der Verfahren für diesen Herkunftsstaat.

(5)   Die Mitgliedstaaten schließen das Prüfungsverfahren in jeden Fall innerhalb einer maximalen Frist von 21 Monaten nach der förmlichen Antragstellung ab.

(6)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der betreffende Antragsteller für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann,

a)

über die Verzögerung informiert wird und

b)

auf sein Ersuchen hin über die Gründe für die Verzögerung und über den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung über seinen Antrag zu rechnen ist, unterrichtet wird.

(7)   Die Mitgliedstaaten können die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II vorziehen, insbesondere,

a)

wenn der Antrag begründet erscheint,

b)

wenn der Antragsteller schutzbedürftig im Sinne von Artikel 22 der Richtlinie …/…/EU (23) ist oder besondere Verfahrensgarantien benötigt; dies gilt insbesondere für unbegleitete Minderjährige

(8)   Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Artikel 43 durchgeführt wird, wenn

a)

der Antragsteller bei der Einreichung seines Antrags und der Darlegung der Tatsachen nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung der Frage, ob er als Flüchtling oder Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU anzuerkennen ist, nicht von Belang sind, oder

b)

der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne dieser Richtlinie kommt, oder

c)

der Antragsteller die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität und/oder Staatsangehörigkeit, die sich negativ auf die Entscheidung hätten auswirken können, getäuscht hat, oder

d)

angenommen werden kann, dass der Antragsteller ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat, oder

e)

der Antragsteller eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen, so dass die Begründung für seine Behauptung, dass er Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU anzusehen ist, offensichtlich nicht überzeugend ist;

f)

der Antragsteller einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der gemäß Artikel 40 Absatz 5 nicht unzulässig ist, oder

g)

der Antragsteller den Antrag nur zur Verzögerung oder Behinderung der Vollstreckung einer bereits getroffenen oder unmittelbar bevorstehenden Entscheidung stellt, die zu seiner Abschiebung führen würde, oder

h)

der Antragsteller unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist ist oder seinen Aufenthalt unrechtmäßig verlängert hat und es ohne stichhaltigen Grund versäumt hat, zum angesichts der Umstände seiner Einreise frühestmöglichen Zeitpunkt bei den Behörden vorstellig zu werden oder einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, oder

i)

der Antragsteller sich weigert, der Verpflichtung zur Abnahme seiner Fingerabdrücke gemäß der Verordnung (EU) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über die Einrichtung von „Eurodac“ für den Abgleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. …/… (zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist) und für der Strafverfolgung dienende Anträge der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Daten in Eurodac (24)  (25) nachzukommen, oder

j)

es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass der Antragsteller eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung des Mitgliedstaats darstellt oder er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung nach nationalem Recht zwangsausgewiesen wurde.

(9)   Die Mitgliedstaaten legen für den Erlass von Entscheidungen in einem erstinstanzlichen Verfahren gemäß Absatz 8 Fristen fest. Diese Fristen müssen angemessen sein.

Die Mitgliedstaaten können diese Fristen unbeschadet der Absätze 3, 4 und 5 überschreiten, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zu gewährleisten.

Artikel 32

Unbegründete Anträge

(1)   Unbeschadet des Artikels 27 können die Mitgliedstaaten einen Antrag nur dann als unbegründet betrachten, wenn die Asylbehörde festgestellt hat, dass der Antragsteller nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU erfüllt.

(2)   Im Falle von unbegründeten Anträgen, bei denen einer der in Artikel 31 Absatz 8 aufgeführten Umstände gegeben ist, können die Mitgliedstaaten einen Antrag ferner als offensichtlich unbegründet betrachten, wenn dies so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.

ABSCHNITT II

Artikel 33

Unzulässige Anträge

(1)   Zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. …/… (26) ein Antrag nicht geprüft wird, müssen die Mitgliedstaaten nicht prüfen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf internationalen Schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn

a)

ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat;

b)

ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, als erster Asylstaat des Antragstellers gemäß Artikel 35 betrachtet wird;

c)

ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, als für den Antragsteller sicherer Drittstaat gemäß Artikel 38 betrachtet wird;

d)

es sich um einen Folgeantrag handelt, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, oder

e)

eine vom Antragsteller abhängige Person förmlich einen Antrag stellt, nachdem sie gemäß Artikel 7 Absatz 2 eingewilligt hat, dass ihr Fall Teil eines in ihrem Namen förmlich gestellten Antrags ist, und keine Tatsachen betreffend die Situation dieser Person vorliegen, die einen gesonderten Antrag rechtfertigen.

Artikel 34

Besondere Vorschriften für die Anhörung im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung

(1)   Die Mitgliedstaaten geben den Antragstellern Gelegenheit, sich zu der Anwendung der Gründe nach Artikel 33 in ihrem besonderen Fall zu äußern, bevor die Asylbehörde über die Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz entscheidet. Hierzu führen die Mitgliedstaaten im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung eine persönliche Anhörung durch. Die Mitgliedstaaten dürfen nur dann eine Ausnahme nach Maßgabe von Artikel 42 machen, wenn es sich um einen Folgeantrag handelt.

Dieser Absatz gilt unbeschadet des Artikels 4 Absatz 2 Buchstabe a der vorliegenden Verordnung und des Artikels 5 der. Verordnung (EU) Nr. …/… (26).

(2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Bediensteten anderer Behörden als der Asylbehörde die persönliche Anhörung zu der Zulässigkeit des Antrags auf internationalen Schutz durchführen. In diesen Fällen stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Bediensteten zuvor die erforderliche Grundschulung insbesondere in Bezug auf das internationale Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte, den Besitzstand der Union im Asylbereich und Gesprächsführungstechniken erhalten.

ABSCHNITT III

Artikel 35

Begriff des ersten Asylstaats

Ein Staat kann als erster Asylstaat für einenAntragsteller angesehen werden, wenn

a)

der Antragsteller in dem betreffenden Staat als Flüchtling anerkannt wurde und er diesen Schutz weiterhin in Anspruch nehmen darf oder

b)

ihm in dem betreffenden Staat anderweitig ausreichender Schutz, einschließlich der Anwendung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung, gewährt wird,

vorausgesetzt, dass er von diesem Staat wieder aufgenommen wird.

Bei der Anwendung des Konzepts des ersten Asylstaats auf die besonderen Umstände des Antragstellers können die Mitgliedstaaten Artikel 38 Absatz 1 berücksichtigen. Der Antragsteller hat die Möglichkeit, die Anwendung des Konzepts des ersten Asylstaats unter Berufung auf seine besonderen Umstände anzufechten.

Artikel 36

Das Konzept des sicheren Herkunftsstaats

(1)   Ein Drittstaat, der nach dieser Richtlinie als sicherer Herkunftsstaat bestimmt wurde, kann nach individueller Prüfung des Antrags nur dann als für einen bestimmten Antragsteller sicherer Herkunftsstaat betrachtet werden, wenn

a)

der Antragsteller die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates besitzt oder

b)

der Antragsteller staatenlos ist und zuvor seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Staat hatte

und er keine schwerwiegenden Gründe dafür vorgebracht hat, dass der Staat in seinem speziellen Fall im Hinblick auf die Anerkennung als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU nicht als sicherer Herkunftsstaat zu betrachten ist.

(2)   Die Mitgliedstaaten legen in den nationalen Rechtsvorschriften weitere Regeln und Modalitäten für die Anwendung des Konzepts des sicheren Herkunftsstaats fest.

Artikel 37

Nationale Bestimmung von Drittstaaten als sichere Herkunftsstaaten

(1)   Zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz können die Mitgliedstaaten Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beibehalten oder erlassen, aufgrund deren sie im Einklang mit Anhang I sichere Herkunftsstaaten bestimmen können.

(2)   Die Mitgliedstaaten überprüfen regelmäßig die Lage in Drittstaaten, die gemäß diesem Artikel als sichere Herkunftstaaten bestimmt wurden.

(3)   Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat gemäß diesem Artikel bestimmt werden kann, werden verschiedene Informationsquellen, insbesondere Informationen anderer Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarates und anderer einschlägiger internationaler Organisationen herangezogen.

(4)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Staaten mit, die sie gemäß diesem Artikel als sichere Herkunftsstaaten bestimmt haben.

Artikel 38

Das Konzept des sicheren Drittstaats

(1)   Die Mitgliedstaaten können das Konzept des sicheren Drittstaats nur dann anwenden, wenn die zuständigen Behörden sich davon überzeugt haben, dass eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in dem betreffenden Drittstaat nach folgenden Grundsätzen behandelt wird:

a)

keine Gefährdung von Leben und Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung;

b)

keine Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zu erleiden;

c)

Wahrung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention;

d)

Einhaltung des Verbots der Abschiebung, wenn diese einen Verstoß gegen das im Völkerrecht festgelegte Verbot der Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung darstellt, und

e)

Möglichkeit, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu stellen und im Falle der Anerkennung als Flüchtling Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention zu erhalten.

(2)   Die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats unterliegt den Regeln, die im nationalen Recht festgelegt sind; dazu gehören

a)

Regeln, die eine Verbindung zwischen dem Antragsteller und dem betreffenden Drittstaat verlangen, so dass es aufgrund dieser Verbindung vernünftig erscheint, dass diese Person sich in diesen Staat begibt;

b)

Regeln betreffend die Methodik, mit der sich die zuständigen Behörden davon überzeugen, dass das Konzept des sicheren Drittstaats auf einen bestimmten Staat oder einen bestimmten Antragsteller angewandt werden kann. Diese Methodik umfasst die Prüfung der Sicherheit des Staates im Einzelfall für einen bestimmten Antragsteller und/oder die nationale Bestimmung von Staaten, die als im Allgemeinen sicher angesehen werden;

c)

mit dem Völkerrecht vereinbare Regeln, die es ermöglichen, in Form einer Einzelprüfung festzustellen, ob der betreffende Drittstaat für einen bestimmten Antragsteller sicher ist, und die dem Antragsteller zumindest die Möglichkeit bieten, die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats mit der Begründung anzufechten, dass der betreffende Drittstaat für ihn in seiner besonderen Situation nicht sicher ist. Darüber hinaus ist dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, das Bestehen einer Verbindung gemäß Buchstabe a zwischen ihm und dem betreffenden Drittstaat anzufechten.

(3)   Wenn die Mitgliedstaaten eine Entscheidung durchführen, die ausschließlich auf diesem Artikel beruht,

a)

unterrichten sie den Antragsteller entsprechend und

b)

händigen ihm ein Dokument aus, in dem die Behörden des Drittstaats in der Sprache dieses Staats davon unterrichtet werden, dass der Antrag nicht in der Sache geprüft wurde.

(4)   Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II Zugang zu einem Verfahren gewährt wird.

(5)   Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission regelmäßig darüber, auf welche Staaten dieses Konzept gemäß den Bestimmungen dieses Artikels angewandt wird.

Artikel 39

Das Konzept des sicheren europäischen Drittstaats

(1)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass keine oder keine umfassende Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz und der Sicherheit des Antragstellers in seiner spezifischen Situation nach Kapitel II erfolgt, wenn eine zuständige Behörde anhand von Tatsachen festgestellt hat, dass der Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat nach Absatz 2 unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats einzureisen versucht oder eingereist ist.

(2)   Ein Drittstaat kann nur dann als sicherer Drittstaat für die Zwecke des Absatzes 1 betrachtet werden, wenn er

a)

die Genfer Flüchtlingskonvention ohne geografischen Vorbehalt ratifiziert hat und deren Bestimmungen einhält,

b)

über ein gesetzlich festgelegtes Asylverfahren verfügt und

c)

die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert hat und die darin enthaltenen Bestimmungen, einschließlich der Normen über wirksame Rechtsbehelfe, einhält.

(3)   Dem Antragsteller wird die Möglichkeit eingeräumt, die Anwendung des Konzepts des sicheren europäischen Drittstaats mit der Begründung anzufechten, dass der betreffende Drittstaat für ihn in seiner besonderen Situation nicht sicher ist.

(4)   Die betreffenden Mitgliedstaaten legen im nationalen Recht die Einzelheiten zu der Anwendung des Absatzes 1 und die Folgen von Entscheidungen gemäß diesen Bestimmungen im Einklang mit dem Grundsatz der Nicht-Zurückweisung fest; sie sehen unter anderem Ausnahmen von der Anwendung dieses Artikels aus humanitären oder politischen Gründen oder aufgrund des Völkerrechts vor.

(5)   Bei der Durchführung einer ausschließlich auf diesen Artikel gestützten Entscheidung

a)

unterrichten die betreffenden Mitgliedstaaten den Antragsteller entsprechend und

b)

händigen ihm ein Dokument aus, in dem die Behörden des Drittstaats in der Sprache dieses Staats davon unterrichtet werden, dass der Antrag nicht in der Sache geprüft wurde.

(6)   Ist der sichere Drittstaat nicht bereit, den betreffenden Antragsteller wieder aufzunehmen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass gemäß den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II Zugang zu einem Verfahren gewährt wird.

(7)   Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission regelmäßig darüber, auf welche Staaten dieses Konzept nach diesem Artikel angewandt wird.

ABSCHNITT IV

Artikel 40

Folgeanträge

(1)   Wenn eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat gestellt hat, in demselben Mitgliedstaat weitere Angaben vorbringt oder einen Folgeantrag stellt, prüft dieser Mitgliedstaat diese weiteren Angaben oder die Elemente des Folgeantrags im Rahmen der Prüfung des früheren Antrags oder der Prüfung der Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, insoweit die zuständigen Behörden in diesem Rahmen alle Elemente, die den weiteren Angaben oder dem Folgeantrag zugrunde liegen, berücksichtigen können.

(2)   Für die Zwecke der gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe d zu treffenden Entscheidung über die Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz wird ein Folgeantrag auf internationalen Schutz zunächst daraufhin geprüft, ob neue Elemente oder Erkenntnisse betreffend die Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind.

(3)   Wenn die erste Prüfung nach Absatz 2 ergibt, dass neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, wird der Antrag gemäß Kapitel II weiter geprüft. Die Mitgliedstaaten können auch andere Gründe festlegen, aus denen der Folgeantrag weiter zu prüfen ist.

(4)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Antrag nur dann weiter geprüft wird, wenn der Antragsteller ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage war, die in den Absätzen 2 und 3 dargelegten Sachverhalte im früheren Verfahren insbesondere durch Wahrnehmung seines Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 vorzubringen.

(5)   Wird ein Folgeantrag nach diesem Artikel nicht weiter geprüft, so wird er gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe d als unzulässig betrachtet.

(6)   Das Verfahren nach diesem Artikel kann auch angewandt werden, wenn

a)

eine vom Antragsteller abhängige Person förmlich einen Antrag stellt, nachdem sie gemäß Artikel 7 Absatz 2 eingewilligt hat, dass ihr Fall Teil eines in ihrem Namen förmlich gestellten Antrags ist, und/oder

b)

ein unverheirateter Minderjähriger förmlich einen Antrag stellt, nachdem gemäß Artikel 7 Absatz 5 Buchstabe c förmlich ein Antrag in seinem Namen gestellt worden ist.

In diesen Fällen wird bei der ersten Prüfung nach Absatz 2 geprüft, ob Tatsachen betreffend die Situation der abhängigen Person bzw. des unverheirateten Minderjährigen vorliegen, die einen gesonderten Antrag rechtfertigen.

(7)   Wenn eine Person, gegen die ein Überstellungsbeschluss gemäß der Verordnung (EU) Nr. …/… (27) zu vollstrecken ist, in dem überstellenden Mitgliedstaat weitere Angaben vorbringt oder einen Folgeantrag stellt, prüft der gemäß der genannten Verordnung zuständige Mitgliedstaat diese weiteren Angaben oder Folgeanträge im Einklang mit dieser Richtlinie.

Artikel 41

Ausnahmen vom Recht auf Verbleib bei Folgeanträgen

(1)   Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet machen, wenn eine Person

a)

nur zur Verzögerung oder Behinderung der Durchsetzung einer Entscheidung, die zu ihrer unverzüglichen Abschiebung aus dem betreffenden Mitgliedstaat führen würde, förmlich einen ersten Folgeantrag gestellt hat, der gemäß Artikel 40 Absatz 5 nicht weiter geprüft wird, oder

b)

nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Artikel 40 Absatz 5 als unzulässig zu betrachten, oder nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt.

Die Mitgliedstaaten können eine solche Ausnahme nur dann machen, wenn die Asylbehörde die Auffassung vertritt, dass eine Rückkehrentscheidung keine direkte oder indirekte Zurückweisung zur Folge hat, die einen Verstoß gegen die völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Pflichten dieses Mitgliedstaats darstellt.

(2)   In den in Absatz 1 aufgeführten Fällen können die Mitgliedstaaten ferner

a)

im Einklang mit nationalem Recht von den für beschleunigte Verfahren üblicherweise geltenden Fristen abweichen, sofern das Prüfungsverfahren gemäß Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe g beschleunigt durchgeführt wird,

b)

im Einklang mit nationalem Recht von den Fristen abweichen, die üblicherweise für Zulässigkeitsprüfungen gemäß den Artikeln 33 und 34 gelten und/oder

c)

von Artikel 46 Absatz 8 abweichen.

Artikel 42

Verfahrensvorschriften

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller, deren Antrag einer ersten Prüfung gemäß Artikel 40 unterliegt, über die Garantien nach Artikel 12 Absatz 1 verfügen.

(2)   Die Mitgliedstaaten können im nationalen Recht Vorschriften für die erste Prüfung gemäß Artikel 40 festlegen. Diese Vorschriften können unter anderem

a)

den betreffenden Antragsteller verpflichten, Tatsachen anzugeben und wesentliche Beweise vorzulegen, die ein neues Verfahren rechtfertigen;

b)

die erste Prüfung allein auf der Grundlage schriftlicher Angaben ohne persönliche Anhörung gestatten, ausgenommen die Fälle nach Artikel 40 Absatz 6.

Diese Bestimmungen dürfen weder den Zugang eines Antragstellers zu einem neuen Verfahren unmöglich machen noch zu einer effektiven Aufhebung oder erheblichen Beschränkung dieses Zugangs führen.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Antragsteller in geeigneter Weise über das Ergebnis der ersten Prüfung und, falls sein Antrag nicht weiter geprüft wird, über die Gründe dafür und die Möglichkeiten in Bezug auf Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung informiert wird.

ABSCHNITT V

Artikel 43

Verfahren an der Grenze

(1)   Die Mitgliedstaaten können nach Maßgabe der Grundsätze und Garantien nach Kapitel II Verfahren festlegen, um an der Grenze oder in Transitzonen des Mitgliedstaats über Folgendes zu entscheiden:

a)

die Zulässigkeit eines an derartigen Orten gestellten Antrags gemäß Artikel 33 und/oder

b)

die Begründetheit eines Antrags in einem Verfahren nach Artikel 31 Absatz 8.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Entscheidung im Rahmen der Verfahren nach Absatz 1 innerhalb einer angemessenen Frist ergeht. Ist innerhalb von vier Wochen keine Entscheidung ergangen, so wird dem Antragsteller die Einreise in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gestattet, damit sein Antrag nach Maßgabe der anderen Bestimmungen dieser Richtlinie bearbeitet werden kann.

(3)   Wenn es aufgrund der Ankunft einer erheblichen Anzahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen an der Grenze oder in Transitzonen, die förmlich Anträge auf internationalen Schutz stellen, in der Praxis nicht möglich ist, die Bestimmungen des Absatzes 1 anzuwenden, können die genannten Verfahren auch in diesen Fällen und für die Zeit angewandt werden, in der die Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen normalerweise in der Nähe der Grenze oder Transitzone untergebracht werden.

KAPITEL IV

VERFAHREN ZUR ABERKENNUNG DES INTERNATIONALEN SCHUTZES

Artikel 44

Aberkennung des internationalen Schutzes

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Prüfung zur Aberkennung des internationalen Schutzes einer bestimmten Person eingeleitet werden kann, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage treten, die darauf hindeuten, dass Gründe für eine Überprüfung der Berechtigung ihres internationalen Schutzes bestehen.

Artikel 45

Verfahrensvorschriften

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen die zuständige Behörde in Erwägung zieht, den internationalen Schutz eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen nach Maßgabe der Artikel 14 oder 19 der Richtlinie 2011/95/EU abzuerkennen, die betreffende Person über folgende Garantien verfügt:

a)

Sie ist schriftlich davon in Kenntnis zu setzen, dass die zuständige Behörde den Anspruch auf internationalen Schutz überprüft und aus welchen Gründen eine solche Überprüfung stattfindet, und

b)

ihr ist in einer persönlichen Anhörung gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b und gemäß den Artikeln 14, 15, 16 und 17 oder in einer schriftlichen Erklärung Gelegenheit zu geben, Gründe vorzubringen, die dagegen sprechen, ihr den internationalen Schutz abzuerkennen.

(2)   Darüber hinaus stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass im Rahmen des Verfahrens nach Absatz 1

a)

die zuständige Behörde in der Lage ist, aus verschiedenen Quellen, wie gegebenenfalls vom EASO und dem UNHCR, genaue und aktuelle Informationen über die allgemeine Lage in den Herkunftsstaaten der betroffenen Personen einzuholen, und

b)

wenn die Informationen für die Zwecke der Überprüfung des internationalen Schutzes im Einzelfall eingeholt werden, diese nicht von den Urhebern der Verfolgung oder des ernsthaften Schadens in einer Weise beschafft werden, dass Letztere unmittelbar darüber unterrichtet werden, dass es sich bei der betreffenden Person um eine Person mit Anspruch auf internationalen Schutz handelt, deren Status überprüft wird, oder dass die körperliche Unversehrtheit der Person oder der von ihr abhängigen Personen oder die Freiheit und Sicherheit ihrer noch im Herkunftsstaat lebenden Familienangehörigen gefährdet werden.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Entscheidung der zuständigen Behörde, den internationalen Schutz abzuerkennen, schriftlich ergeht. Die Entscheidung enthält eine sachliche und rechtliche Begründung sowie eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung.

(4)   Sobald die zuständige Behörde die Entscheidung erlassen hat, den internationalen Schutz abzuerkennen, sind Artikel 20, Artikel 22, Artikel 23 Absatz 1 und Artikel 29 gleichermaßen anwendbar.

(5)   Abweichend von den Absätzen 1, 2, 3 und 4 können die Mitgliedstaaten beschließen, dass der internationale Schutz im Falle eines eindeutigen Verzichts der Person mit Anspruch auf internationalen Schutz auf ihre Anerkennung als solche von Rechts wegen erlischt. Ein Mitgliedstaat kann auch vorsehen, dass der internationale Schutz von Rechts wegen erlischt, wenn die Person mit Anspruch auf internationalen Schutz die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats erworben hat.

KAPITEL V

RECHTSBEHELFE

Artikel 46

Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben gegen

a)

eine Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz, einschließlich einer Entscheidung,

i)

einen Antrag als unbegründet in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft und/oder den subsidiären Schutzstatus zu betrachten;

ii)

einen Antrag nach Artikel 33 Absatz 2 als unzulässig zu betrachten;

iii)

die an der Grenze oder in den Transitzonen eines Mitgliedstaats nach Artikel 43 Absatz 1 ergangen ist;

iv)

keine Prüfung nach Artikel 39 vorzunehmen;

b)

eine Ablehnung der Wiederaufnahme der Prüfung eines Antrags nach ihrer Einstellung gemäß den Artikeln 27 und 28;

c)

eine Entscheidung zur Aberkennung des internationalen Schutzes nach Artikel 45.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass von der Asylbehörde als Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz anerkannte Personen ihr Recht nach Absatz 1 wahrnehmen können, gegen eine Entscheidung, einen Antrag als unbegründet in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft zu betrachten, einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Unbeschadet des Absatzes 1 Buchstabe c kann – sofern der von einem Mitgliedstaat gewährte subsidiäre Schutzstatus die gleichen Rechte und Vorteile einräumt wie der Flüchtlingsstatus nach dem Unionsrecht und dem nationalen Recht – dieser Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung, einen Antrag als unbegründet in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft zu betrachten, aufgrund mangelnden Interesses des Antragstellers an der Fortsetzung des Verfahrens als unzulässig betrachten.

(3)   Zur Einhaltung des Absatzes 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc- Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird.

(4)   Die Mitgliedstaaten legen angemessene Fristen und sonstige Vorschriften fest, die erforderlich sind, damit der Antragsteller sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Absatz 1 wahrnehmen kann. Die Fristen dürfen die Wahrnehmung dieses Rechts weder unmöglich machen noch übermäßig erschweren.

Die Mitgliedstaaten können auch eine Überprüfung der im Einklang mit Artikel 43 ergangenen Entscheidungen von Amts wegen vorsehen.

(5)   Unbeschadet des Absatzes 6 gestatten die Mitgliedstaaten den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf.

(6)   Im Fall einer Entscheidung,

a)

einen Antrag im Einklang mit Artikel 32 Absatz 2 als offensichtlich unbegründet oder nach Prüfung gemäß Artikel 31 Absatz 8 als unbegründet zu betrachten, es sei denn, diese Entscheidungen sind auf die in Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe h aufgeführten Umstände gestützt,

b)

einen Antrag gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstaben a, b oder d als unzulässig zu betrachten,

c)

die Wiedereröffnung des nach Artikel 28 eingestellten Verfahrens des Antragstellers abzulehnen oder

d)

gemäß Artikel 39 den Antrag nicht oder nicht umfassend zu prüfen,

ist das Gericht befugt, entweder auf Antrag des Antragstellers oder von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, wenn die Entscheidung zur Folge hat, das Recht des Antragstellers auf Verbleib in dem Mitgliedstaat zu beenden und wenn in diesen Fällen das Recht auf Verbleib in dem betreffenden Mitgliedstaat bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im nationalen Recht nicht vorgesehen ist.

(7)   Für die Verfahren nach Artikel 43 gilt Absatz 6 nur dann, wenn

a)

dem Antragsteller die erforderliche Verdolmetschung, rechtlicher Beistand und eine Frist von mindestens einer Woche für die Ausarbeitung des Antrags und zur Vorlage – vor Gericht – der Argumente für eine Gewährung des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ergebnis des Rechtsbehelfs zur Verfügung steht und

b)

im Rahmen der Prüfung des in Absatz 6 genannten Antrags das Gericht die abschlägige Entscheidung der Asylbehörde in faktischer und rechtlicher Hinsicht prüft.

Sind die Voraussetzungen nach den Buchstaben a und b nicht gegeben, so kommt Absatz 5 zur Anwendung.

(8)   Die Mitgliedstaaten gestatten dem Antragsteller, bis zur Entscheidung in dem Verfahren nach den Absätzen 6 und 7 darüber, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, im Hoheitsgebiet zu verbleiben.

(9)   Die Absätze 5, 6 und 7 gelten unbeschadet des Artikels 26 der Verordnung (EU) Nr. …/… (28).

(10)   Die Mitgliedstaaten können für das Gericht nach Absatz 1 Fristen für die Prüfung der Entscheidung der Asylbehörde vorsehen.

(11)   Die Mitgliedstaaten können ferner in ihren nationalen Rechtsvorschriften die Bedingungen für die Vermutung der stillschweigenden Rücknahme oder des Nichtbetreibens eines Rechtsbehelfs nach Absatz 1 durch den Antragsteller sowie das anzuwendende Verfahren festlegen.

KAPITEL VI

ALLGEMEINE UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 47

Anfechtung durch die Behörden

Die Möglichkeit der Behörden, die behördlichen und/oder gerichtlichen Entscheidungen nach Maßgabe des nationalen Rechts anzufechten, bleibt von dieser Richtlinie unberührt.

Artikel 48

Vertraulichkeit

Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die mit der Anwendung dieser Richtlinie betrauten Behörden hinsichtlich aller Informationen, von denen sie bei ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangen, an den Grundsatz der Vertraulichkeit gebunden sind, so wie sich dieser aus dem nationalen Recht ergibt.

Artikel 49

Zusammenarbeit

Jeder Mitgliedstaat benennt eine nationale Kontaktstelle und teilt deren Anschrift der Kommission mit. Die Kommission leitet diese Angaben an die übrigen Mitgliedstaaten weiter.

Die Mitgliedstaaten treffen in Abstimmung mit der Kommission alle zweckdienlichen Vorkehrungen für eine direkte Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden.

Wenn die Mitgliedstaaten von den Maßnahmen nach Artikel 6 Absatz 5, Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 2 und Artikel 31 Absatz 3 Buchstabe b Gebrauch machen, unterrichten sie die Kommission hierüber, sobald die Gründe für die Anwendung dieser außergewöhnlichen Maßnahmen nicht mehr bestehen, mindestens aber jährlich. Diese Informationen enthalten möglichst Angaben zum Prozentanteil der Anträge, auf die Ausnahmen angewendet wurden, an der Gesamtzahl der in dem betreffenden Zeitraum bearbeiteten Anträge.

Artikel 50

Bericht

Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat bis … (29) Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie in den Mitgliedstaaten und schlägt gegebenenfalls die notwendigen Änderungen vor. Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission alle für die Erstellung ihres Berichts erforderlichen Informationen. Nach Vorlage dieses Berichts erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat mindestens alle fünf Jahre Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie in den Mitgliedstaaten.

Im Rahmen des ersten Berichts berichtet die Kommission ferner insbesondere über die Anwendung des Artikels 17 und die verschiedenen Instrumente, die im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die persönliche Anhörung verwendet werden.

Artikel 51

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um den Artikeln 1 bis 30, Artikel 31 Absätze 1, 2, 6, 7, 8 und 9, den Artikeln 32 bis 46, den Artikeln 49 und 50 sowie dem Anhang I bis spätestens … (30) nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

(2)   Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um Artikel 31 Absätze 3, 4 und 5 bis … (31) nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

(3)   Bei Erlass der Vorschriften nach den Absätzen 1 und 2 nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. In diese Vorschriften fügen sie ferner die Erklärung ein, dass Bezugnahmen in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch die vorliegende Richtlinie aufgehobene Richtlinie als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung.

(4)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 52

Übergangsbestimmungen

Die Mitgliedstaaten wenden die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Artikel 51 Absatz 1 auf förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz sowie auf eingeleitete Verfahren zur Aberkennung des internationalen Schutzes nach dem … (30) oder früher an. Für vor diesem Datum förmlich gestellte Anträge und vor diesem Datum eingeleitete Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG.

Die Mitgliedstaaten wenden die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Artikel 51 Absatz 2 auf nach dem … (31) oder früher förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz an. Für vor diesem Datum förmlich gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG.

Artikel 53

Aufhebung

Die Richtlinie 2005/85/EG wird im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, unbeschadet der Verpflichtungen dieser Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang II Teil B genannten Frist für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht mit Wirkung vom … (32) aufgehoben.

Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang III zu lesen.

Artikel 54

Inkrafttreten und Geltung

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Artikel 47 und 48 gelten ab dem … (32)

Artikel 55

Adressaten

Diese Richtlinie ist gemäß den Verträgen an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu … am …

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

Im Namen des Rates

Der Präsident


(1)  ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 79.

(2)  ABl. C …

(3)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 6. April 2011 (ABl. C 296 E vom 2.10.2012, S. 184) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 6. Juni 2013. Standpunkt des Europäischen Parlaments vom … (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom …

(4)  ABl. L 326 vom 13.12.2005, S. 13.

(5)  ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9.

(6)  Dokument 14654/1/12 REV 1 [Richtlinie über die Aufnahmebedingungen].

(7)  ABl. L. …

(8)  ABl. L 132 vom 29.5.2010, S. 11.

(9)  ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

(10)  Dokument 15605/1/12 REV 1 [Dublin-Verordnung].

(11)  ABl. L …

(12)  Verordnung in Erwägungsgrund 53 [Dublin-Verordnung].

(13)  ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

(14)  Verordnung in Erwägungsgrund 53 [Dublin-Verordnung].

(15)  ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

(16)  Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1).

(17)  Richtlinie in Erwägungsgrund 27 [Aufnahmerichtlinie].

(18)  Richtlinie in Erwägungsgrund 27 [Aufnahmerichtlinie].

(19)  Richtlinie in Erwägungsgrund 27 [Aufnahmerichtlinie].

(20)  Richtlinie in Erwägungsgrund 27 [Aufnahmerichtlinie].

(21)  Richtlinie in Erwägungsgrund 53 [Dublin-Verordnung].

(22)  Richtlinie in Erwägungsgrund 53 [Dublin-Verordnung].

(23)  Richtlinie in Erwägungsgrund 27 [Aufnahmerichtlinie].

(24)  Dokument PE-CONS 17/13 [Eurodac-Verordnung].

(25)  ABl. L …

(26)  Richtlinie in Erwägungsgrund 53 [Dublin-Verordnung].

(27)  Verordnung in Erwägungsgrund 53 [Dublin-Verordnung].

(28)  Verordnung in Erwägungsgrund 53 [Dublin-Verordnung].

(29)  Vier Jahre nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie.

(30)  Zwei Jahre nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie.

(31)  Fünf Jahre nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie.

(32)  2 Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie.


ANHANG I

Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten im Sinne des Artikels 37 Absatz 1

Ein Staat gilt als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.

Bei der entsprechenden Beurteilung wird unter anderem berücksichtigt, inwieweit Schutz vor Verfolgung und Misshandlung geboten wird durch

a)

die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Staates und die Art und Weise ihrer Anwendung;

b)

die Wahrung der Rechte und Freiheiten nach der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und/oder dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und/oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention keine Abweichung zulässig ist;

c)

die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention;

d)

das Bestehen einer Regelung, die einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzung dieser Rechte und Freiheiten gewährleistet.


ANHANG II

Teil A

Aufgehobene Richtlinie

(gemäß Artikel 53)

Richtlinie 2005/85/EG des Rates

(ABl. L 326 vom 13.12.2005, S. 13)

Teil B

Frist für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht

(gemäß Artikel 51)

Richtlinie

Umsetzungsfristen

2005/85/EG

Erste Frist: 1. Dezember 2007

Zweite Frist: 1. Dezember 2008


ANHANG III

Entsprechungstabelle

Richtlinie 2005/85/EG

Diese Richtlinie

Artikel 1

Artikel 1

Artikel 2 Buchstaben a bis c

Artikel 2 Buchstaben a bis c

Artikel 2 Buchstabe d

Artikel 2 Buchstaben d bis f

Artikel 2 Buchstaben e bis g

Artikel 2 Buchstaben h und i

Artikel 2 Buchstabe g

Artikel 2 Buchstabe j

Artikel 2 Buchstaben k und l

Artikel 2 Buchstaben h bis k

Artikel 2 Buchstaben m bis p

Artikel 2 Buchstaben q

Artikel 3 Absätze 1 und 2

Artikel 3 Absätze 1 und 2

Artikel 3 Absatz 3

Artikel 3 Absatz 4

Artikel 3 Absatz 3

Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 4 Absatz 2 Buchstaben b bis d

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe e

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe f

Artikel 4 Absatz 3

Artikel 4 Absatz 3

Artikel 4 Absatz 4

Artikel 4 Absatz 5

Artikel 5

Artikel 5

Artikel 6 Absatz 1

Artikel 6 Absatz 1

Artikel 6 Absätze 2 bis 4

Artikel 6 Absätze 2 und 3

Artikel 7 Absätze 1 und 2

Artikel 7 Absatz 3

Artikel 7 Absatz 4

Artikel 6 Absatz 4

Artikel 7 Absatz 5

Artikel 6 Absatz 5

Artikel 8

Artikel 7 Absätze 1 und 2

Artikel 9 Absätze 1 und 2

Artikel 9 Absatz 3

Artikel 8 Absatz 1

Artikel 10 Absatz 1

Artikel 10 Absatz 2

Artikel 8 Absatz 2 Buchstaben a bis c

Artikel 10 Absatz 3 Buchstaben a bis c

Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe d

Artikel 8 Absätze 3 und 4

Artikel 10 Absätze 4 und 5

Artikel 9 Absatz 1

Artikel 11 Absatz 1

Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 1

Artikel 11 Absatz 2 Unterabsatz 1

Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 2

Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 3

Artikel 11 Absatz 2 Unterabsatz 2

Artikel 9 Absatz 3

Artikel 11 Absatz 3

Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben a bis c

Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c

Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d

Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben d und e

Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben e und f

Artikel 10 Absatz 2

Artikel 12 Absatz 2

Artikel 11

Artikel 13

Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 12 Absatz 2 Unterabsatz 2

Artikel 14 Absatz 1 Unterabsätze 2 und 3

Artikel 12 Absatz 2 Unterabsatz 3

Artikel 14 Absatz 1 Unterabsatz 4

Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 12 Absatz 3 Unterabsatz 1

Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 12 Absatz 3 Unterabsatz 2

Artikel 14 Absatz 2 Unterabsatz 2

Artikel 12 Absätze 4 bis 6

Artikel 14 Absätze 3 bis 5

Artikel 13 Absätze 1 und 2

Artikel 15 Absätze 1 und 2

Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe a

Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe a

Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe b

Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe b

Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe c

Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe d

Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe e

Artikel 13 Absatz 4

Artikel 15 Absatz 4

Artikel 13 Absatz 5

Artikel 16

Artikel 14

Artikel 17

Artikel 18

Artikel 19

Artikel 15 Absatz 1

Artikel 22 Absatz 1

Artikel 15 Absatz 2

Artikel 20 Absatz 1

Artikel 20 Absätze 2 bis 4

Artikel 21 Absatz 1

Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe a

Artikel 15 Absatz 3 Buchstaben b und c

Artikel 21 Absatz 2 Buchstaben a und b

Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe d

Artikel 15 Absatz 3 Unterabsatz 2

Artikel 15 Absätze 4 bis 6

Artikel 21 Absätze 3 bis 5

Artikel 22 Absatz 2

Artikel 16 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 23 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 16 Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 1

Artikel 23 Absatz 1 Unterabsatz 2 einleitender Satzteil

Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe a

Artikel 16 Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 2

Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 16 Absatz 2 Satz 1

Artikel 23 Absatz 2

Artikel 16 Absatz 2 Satz 2

Artikel 23 Absatz 3

Artikel 16 Absatz 3

Artikel 23 Absatz 4 Unterabsatz 1

Artikel 16 Absatz 4 Unterabsatz 1

Artikel 16 Absatz 4 Unterabsätze 2 und 3

Artikel 23 Absatz 4 Unterabsätze 2 und 3

Artikel 24

Artikel 17 Absatz 1

Artikel 25 Absatz 1

Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 25 Absatz 2

Artikel 17 Absatz 2 Buchstaben b und c

Artikel 17 Absatz 3

Artikel 17 Absatz 4

Artikel 25 Absatz 3

Artikel 25 Absatz 4

Artikel 17 Absatz 5

Artikel 25 Absatz 5

Artikel 25 Absatz 6

Artikel 17 Absatz 6

Artikel 25 Absatz 7

Artikel 18

Artikel 26

Artikel 19

Artikel 27

Artikel 20 Absätze 1 und 2

Artikel 28 Absätze 1 und 2

Artikel 28 Absatz 3

Artikel 21

Artikel 29

Artikel 22

Artikel 30

Artikel 23 Absatz 1

Artikel 31 Absatz 1

Artikel 23 Absatz 2 Unterabsatz 1

Artikel 31 Absatz 2

Artikel 31 Absatz 3

Artikel 31 Absätze 4 und 5

Artikel 23 Absatz 2 Unterabsatz 2

Artikel 31 Absatz 6

Artikel 23 Absatz 3

Artikel 31 Absatz 7

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe a

Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe a

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe b

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe c Ziffer i

Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe b

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe c Ziffer ii

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe d

Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe c

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe e

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe f

Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe d

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe g

Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe e

Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe f

Artikel 23 Absatz 4 Buchstaben h und i

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe j

Artikel 31 Absatz 6 Buchstabe g

Artikel 31 Absatz 8 Buchstaben h und i

Artikel 23 Absatz 4 Buchstaben k und l

Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe m

Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe j

Artikel 23 Absatz 4 Buchstaben n und o

Artikel 31 Absätze 9

Artikel 24

Artikel 25

Artikel 33

Artikel 25 Absatz 1

Artikel 33 Absatz 1

Artikel 25 Absatz 2 Buchstaben a bis c

Artikel 33 Absatz 2 Buchstaben a bis c

Artikel 25 Absatz 2 Buchstaben d und e

Artikel 25 Absatz 2 Buchstaben f und g

Artikel 33 Absatz 2 Buchstaben d und e

Artikel 34

Artikel 26

Artikel 35

Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe a

Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe a

Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 27 Absatz 1 Buchstaben b bis d

Artikel 38 Absatz 1 Buchstaben c bis e

Artikel 27 Absätze 2 bis 5

Artikel 38 Absätze 2 bis 5

Artikel 28

Artikel 32

Artikel 29

Artikel 30 Absatz 1

Artikel 37 Absatz 1

Artikel 30 Absätze 2 bis 4

Artikel 37 Absatz 2

Artikel 30 Absätze 5 und 6

Artikel 37 Absätze 3 und 4

Artikel 31 Absatz 1

Artikel 36 Absatz 1

Artikel 31 Absatz 2

Artikel 31 Absatz 3

Artikel 36 Absatz 2

Artikel 32 Absatz 1

Artikel 40 Absatz 1

Artikel 32 Absatz 2

Artikel 32 Absatz 3

Artikel 40 Absatz 2

Artikel 32 Absatz 4

Artikel 40 Absatz 3 Satz 1

Artikel 32 Absatz 5

Artikel 40 Absatz 3 Satz 2

Artikel 32 Absatz 6

Artikel 40 Absatz 4

Artikel 40 Absatz 5

Artikel 32 Absatz 7 Unterabsatz 1

Artikel 40 Absatz 6 Buchstabe a

Artikel 40 Absatz 6 Buchstabe b

Artikel 32 Absatz 7 Unterabsatz 2

Artikel 40 Absatz 6 Unterabsatz 2

Artikel 40 Absatz 7

Artikel 41

Artikel 33

Artikel 34 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 42 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 34 Absatz 3 Buchstabe a

Artikel 42 Absatz 3

Artikel 34 Absatz 3 Buchstabe b

Artikel 35 Absatz 1

Artikel 43 Absatz 1 Buchstabe a

Artikel 43 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 35 Absatz 2 Buchstaben a bis f

Artikel 35 Absatz 4

Artikel 43 Absatz 2

Artikel 35 Absatz 5

Artikel 43 Absatz 3

Artikel 36 Absatz 1 bis Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 39 Absatz 1 bis Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 36 Absatz 2 Buchstabe d

Artikel 36 Absatz 3

Artikel 39 Absatz 3

Artikel 36 Absätze 4 bis 6

Artikel 39 Absätze 4 bis 6

Artikel 39 Absatz 7

Artikel 36 Absatz 7

Artikel 37

Artikel 44

Artikel 38

Artikel 45

Artikel 46 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i

Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe a Ziffern i und ii

Artikel 46 Absatz 1 Buchstabe a Ziffern ii und iii

Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iii

Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 46 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 39 Absatz 1 Buchstaben c und d

Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe e

Artikel 46 Absatz 1 Buchstabe c

Artikel 46 Absätze 2 und 3

Artikel 39 Absatz 2

Artikel 46 Absatz 4 Unterabsatz 1

Artikel 46 Absatz 4 Unterabsätze 2 und 3

Artikel 39 Absatz 3

Artikel 46 Absätze 5 bis 9

Artikel 39 Absatz 4

Artikel 46 Absatz 10

Artikel 39 Absatz 5

Artikel 39 Absatz 6

Artikel 41 Absatz 11

Artikel 40

Artikel 47

Artikel 41

Artikel 48

Artikel 49

Artikel 42

Artikel 50

Artikel 43 Unterabsatz 1

Artikel 51 Absatz 1

Artikel 51 Absatz 2

Artikel 43 Unterabsätze 2 und 3

Artikel 51 Absätze 3 und 4

Artikel 44

Artikel 52 Unterabsatz 1

Artikel 52 Unterabsatz 2

Artikel 53

Artikel 45

Artikel 54

Artikel 46

Artikel 55

Anhang I

Anhang II

Anhang I

Anhang III

Anhang II

Anhang III


BEGRÜNDUNG DES RATES

I.   EINLEITUNG

Die Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie gehört zu einer Reihe von Legislativvorschlägen für den Asylbereich, mit denen der Aufbau des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in die zweite Phase geht.

Am 7. Juni 2011 hat der Rat von der Kommission einen geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzstatus (Neufassung) (Dok. 11207/11) erhalten. Die Kommission hatte ihren ursprünglichen Vorschlag vom 23. Oktober 2009 (Dok. 12959/09) unter Berücksichtigung des Standpunkts des Europäischen Parlaments in erster Lesung vom 6. April 2011 (Dok. 8526/11) und der im Rat geäußerten Ansichten geändert.

Um Verzögerungen zu vermeiden, hat das Europäische Parlament seine Verhandlungsposition festgelegt, indem es den geänderten Vorschlag anhand seines Standpunkts in erster Lesung zu dem ursprünglichen Vorschlag geprüft hat.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat auf seiner Plenartagung am 26. und 27. Oktober 2011 unter Hinweis auf seine Stellungnahme vom 28. April 2010 (1) beschlossen, sich nicht noch einmal zum geänderten Vorschlag zu äußern, sondern auf seine Stellungnahme zum ursprünglichen Vorschlag zu verweisen. Der Ausschuss der Regionen hat am 16. November 2011 schriftlich mitgeteilt, dass er auf eine Stellungnahme zum geänderten Vorschlag verzichtet (Dok. 18836/11).

Der Rat hat auf seiner Tagung am 13./14. Mai 2013 eine politische Einigung über den geänderten Vorschlag bestätigt (Dok. 7695/13 + COR 1).

Nach dem dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokoll Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland nicht an der Annahme der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie. Dänemark beteiligt sich nicht an der Annahme der Richtlinie und ist gemäß dem Protokoll über die Position Dänemarks weder durch sie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

II.   ZIELE DES VORSCHLAGS

Die Richtlinie 2005/85 schreibt für die Verfahren, die die Mitgliedstaaten bei der Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzstatus anwenden, Mindestnormen vor, damit Asylanträge unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie bearbeitet werden, gleich behandelt werden.

Mit der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie sollen auf Ebene der Europäischen Union gemeinsame Normen für die nationalen Asylsysteme eingeführt werden. Diese Normen sollen Personen, die internationalen Schutz beantragen, umfassende Garantien bieten. Sie sollen zudem dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten besser in der Lage sind, Asylverfahren durchzuführen, die wirtschaftlich sind und potenziellen Missbrauch verhindern, aber gleichzeitig den Unterschieden zwischen den nationalen Rechtssystemen Rechnung tragen. Besonderer Nachdruck wird auf schnelle, faire und effiziente Dienste und Beratung sowie Fachwissen gelegt, um sicherzustellen, dass die Anträge effizient und gut geprüft und auf diese Weise bereits in erster Instanz fundierte Entscheidungen getroffen werden. Ferner werden in der Neufassung die Grundrechte im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte uneingeschränkt geachtet und wird auch die Kohärenz mit den übrigen Rechtsinstrumenten im Asylbereich gewährleistet.

III.   ANALYSE DES STANDPUNKTS DES RATES IN ERSTER LESUNG

A.    Allgemeine Anmerkungen

Auf der Grundlage des geänderten Kommissionsvorschlags haben das Europäische Parlament und der Rat Verhandlungen geführt, um im Rahmen des Standpunkts des Rates in erster Lesung zu einer Einigung zu gelangen. Der Wortlaut des Standpunkts des Rates spiegelt den zwischen den beiden Gesetzgebern erzielten Kompromiss voll und ganz wider.

B.    Zentrale Aspekte

Mit dem Kompromisstext, der im Standpunkt des Rates in erster Lesung wiedergegeben ist, wird die Richtlinie 2005/85/EG (2) in Bezug auf die folgenden zentrale Aspekte angepasst:

Schulung

Um die Qualität der Asylverfahren zu verbessern, enthält der Standpunkt des Rates Anforderungen an die Schulung des Personals der Asylbehörden, die in den Mitgliedstaaten für eine angemessene Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständig sind, sowie des Personals anderer zuständiger Behörden, die mit Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen, in Kontakt kommen können.

Das Personal der Asylbehörden muss ausreichend geschult sein. Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedstaaten für eine Schulung sorgen, die sich auf dieselben Themen erstreckt, die in der Verordnung zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen genannt werden; hiervon ausgenommen sind Themen, die die Aufnahmebedingungen betreffen. Überdies müssen Personen, die Antragsteller befragen, allgemeine Kenntnisse über die Probleme erworben haben, die die Fähigkeit der Antragsteller, gehört zu werden, beeinträchtigen könnten, und beispielsweise Anzeichen für etwaige früher erlittene Folter erkennen können.

Für das Personal einer anderen Behörde, die beauftragt wird, Anhörungen durchzuführen, wenn eine große Zahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig um internationalen Schutz nachsucht, gelten dieselben Schulungsanforderungen wie für das Personal der Asylbehörde.

In Fällen, in denen das Personal anderer Behörden als der Asylbehörde Anhörungen im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung durchführt, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, das dieses Personal zuvor die nötige Grundausbildung in Bezug auf die internationalen Menschenrechtsbestimmungen, den Besitzstand der Union im Asylbereich und die Gesprächsführungstechniken erhält.

Schließlich muss das Personal der Behörden, bei denen möglicherweise Anträge auf internationalen Schutz gestellt werden, wie Grenzschutzbeamte und Mitarbeiter von Einwanderungsbehörden und Gewahrsamseinrichtungen, das seinen Aufgaben und Zuständigkeiten entsprechende erforderliche Schulungsniveau erhalten.

Zugang zum Verfahren

Der Standpunkt des Rates schreibt Normen vor, die einen einfachen und raschen Zugang zum Asylverfahren sicherstellen sollen, wobei den Besonderheiten der nationalen Systeme Rechnung getragen wird. Er legt unmissverständlich fest, dass eine Person, die den Wunsch bekundet hat, internationalen Schutz zu beantragen, als Antragsteller im Sinne der Richtlinie zu gelten hat. Um zu gewährleisten, dass die Antragsteller auch wirklich ihren Pflichten nachkommen und in den Genuss der einschlägigen Rechte kommen, sollten ihre Anträge so bald wie möglich registriert werden; hierfür gelten die folgenden Fristen: bei Anträgen, die bei der Asylbehörde eingereicht werden, drei Arbeitstage nach Antragstellung und bei Anträgen, die bei anderen zuständigen Behörden, beispielsweise beim Grenzschutz, eingereicht werden, sechs Arbeitstage. Wenn eine große Anzahl von Anträgen gleichzeitig eingereicht wird, ist eine längere Frist von zehn Arbeitstagen zulässig.

Wichtig für einen effektiven Zugang zum Verfahren ist auch, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Drittstaatsangehörige oder Staatenlose in Gewahrsamseinrichtungen oder an Grenzübergangsstellen darüber zu informieren, dass sie einen Antrag auf internationalen Schutz stellen können, wenn es Anzeichen dafür gibt, das die betreffenden Personen dies wünschen könnten. Die Mitgliedstaaten treffen Vorkehrungen für die Bereitstellung einen Dolmetschers in den Gewahrsamseinrichtungen oder an den Grenzen, soweit dies notwendig ist, um die Inanspruchnahme des Verfahrens für Anträge auf internationalen Schutz zu erleichtern.

Prüfungsverfahren

Nach dem Standpunkt des Rates muss ein Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz innerhalb von sechs Monaten nach der Antragstellung abgeschlossen sein. Bei komplexen Fällen, einer großen Zahl von Antragstellern oder Verzögerungen aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft des Antragstellers können die Mitgliedstaaten diese Frist um höchstens neun Monate verlängern. Schließlich ist eine zusätzliche Verlängerung um höchstens drei Monate in hinreichend begründeten Fällen ausnahmsweise erlaubt, wenn sie für eine angemessene und umfassende Prüfung erforderlich ist.

Ist wegen der – aller Voraussicht nach vorübergehenden – ungewissen Lage im Herkunftsstaat nicht anzunehmen, dass die Asylbehörde innerhalb dieser Fristen entscheiden kann, so können die Mitgliedstaaten den Abschluss des Verfahrens aufschieben. In einem solchen Fall müssen sie die Lage in diesem Land alle sechs Monate überprüfen und innerhalb einer angemessenen Frist den betroffenen Antragstellern die Gründe der Verschiebung mitteilen und die Kommission über die Verschiebung der Verfahren für diesen Herkunftsstaat informieren. In jedem Fall müssen die Mitgliedstaaten das Verfahren spätestens 21 Monate nach der Antragstellung abschließen.

Im Standpunkt des Rates wird zudem zwischen vorrangigen und beschleunigten Verfahren unterschieden. Für beschleunigte Verfahren gelten kürzere Fristen als für das Standardverfahren, während vorrangige Verfahren lediglich implizieren, dass die betreffenden Anträge vor anderen Anträgen geprüft werden. Die Mitgliedstaaten legen angemessene Fristen für beschleunigte Verfahren fest, wobei sie diese Fristen allerdings überschreiten dürfen, um eine hinreichende und umfassende Prüfung sicherzustellen.

Da das Ziel darin besteht, die Asylverfahren stärker zu harmonisieren, können die beschleunigten Verfahren und die Verfahren an den Grenzen nur unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt werden, damit sie nur solche Anträge umfassen, die voraussichtlich unbegründet sind oder bei denen schwerwiegende Bedenken im Hinblick auf die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung bestehen.

Unterrichtung der Kommission bei Abweichungen

Weicht ein Mitgliedstaat von den Fristen für die Antragsregistrierung und für den Abschluss der Antragsprüfung ab, weil eine große Zahl von Personen gleichzeitig einen Antrag gestellt hat, oder lässt er andere Behörden als die Asylbehörde Anhörungen durchführen, so muss er die Kommission hiervon unterrichten. Dies hat zu geschehen, sobald die Gründe für die Anwendung dieser außergewöhnlichen Maßnahmen nicht mehr bestehen, mindestens aber jährlich.

Niederschrift und Aufzeichnung der Anhörung

Der Standpunkt des Rates enthält ausführliche Bestimmungen über die Niederschrift und Aufzeichnung der Asylanhörungen. In ihrem Bericht über die Anwendung der neugefassten Richtlinie in den Mitgliedstaaten wird die Kommission insbesondere über die Anwendung dieser Bestimmungen und die verschiedenen Instrumente, die im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die persönliche Anhörung verwendet werden, berichten.

Nach dem Standpunkt des Rates müssen die Mitgliedstaaten eine ausführliche und objektive Niederschrift mit allen wesentlichen Angaben oder eine Transkription erstellen. Zusätzlich können sie eine Audio- oder Videoaufzeichnung vorsehen. Sie müssen ferner sicherstellen, dass der Antragsteller über den Inhalt der Niederschrift oder die wesentlichen Elemente der Transkription umfassend informiert wird.

Überdies ist im Standpunkt des Rates festgelegt, unter welchen Bedingungen sich der Antragsteller zu der Niederschrift oder Transkription äußern und/oder diese richtigstellen bzw. bestätigen kann, dass der Inhalt der Niederschrift oder Transkription die Anhörung korrekt widerspiegelt.

Schließlich regelt der Standpunkt des Rates, wann dem Antragsteller und seinem Rechtsanwalt oder Rechtsberater Einsicht in die Niederschrift, die Transkription oder die Aufzeichnung zu gewähren ist.

Rechtsauskünfte und Rechtsberatung und -vertretung

Der Standpunkt des Rates sieht vor, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass den Antragstellern in erstinstanzlichen Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag unentgeltlich Auskünfte über rechtliche und verfahrenstechnische Aspekte erteilt werden. Dies schließt zumindest die Erteilung von Auskünften zum Verfahren unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Antragstellers ein. Ferner müssen die Mitgliedstaaten im Falle einer ablehnenden Entscheidung in erster Instanz dem Antragsteller auf Antrag Auskünfte über die Gründe dieser Entscheidung erteilen und erläutern, wie sie angefochten werden kann. Überdies können sie vorsehen, dass die Auskünfte über rechtliche und verfahrenstechnische Aspekte von Nichtregierungsorganisationen oder Fachkräften von Behörden oder spezialisierten staatlichen Stellen erteilt werden.

Darüber hinaus müssen sie sicherstellen, dass unter bestimmten Bedingungen und in vollständiger Abstimmung mit den anderen Asylrechtsinstrumenten auf Antrag unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Rechtsbehelfsverfahren gewährt wird. Die Rechtsberatung und -vertretung muss zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor einem erstinstanzlichen Gericht umfassen. Ungeachtet dieser verbindlichen Vorschriften für Rechtsbehelfsverfahren können sich die Mitgliedstaaten dafür entscheiden, auch in erstinstanzlichen Verfahren unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung zu gewähren.

Antragsteller, die besondere Verfahrensgarantien benötigen

Nach dem Standpunkt des Rates ist dafür zu sorgen, dass Antragsteller, die besondere Verfahrensgarantien benötigen, während der Dauer des Asylverfahrens ihre Rechte aufgrund der Richtlinie in Anspruch nehmen und den Pflichten, die sich aus ihr ergeben, nachkommen können. Hierzu müssen die Mitgliedstaaten innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Antragstellung prüfen, ob der Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigt. Um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, wird präzisiert, dass diese Prüfung in bestehende einzelstaatliche Verfahren und/oder in die Prüfung der besonderen Bedürfnisse bei der Aufnahme einbezogen werden kann und nicht in Form eines Verwaltungsverfahrens vorgenommen werden muss.

Wird festgestellt, dass Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigen, so müssen sie angemessene Unterstützung erhalten. Kann zudem eine solche angemessene Unterstützung nicht im Rahmen des beschleunigten Verfahrens oder des Verfahrens an der Grenze geleistet werden, insbesondere wenn die Mitgliedstaaten der Auffassung sind, dass der Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigt, da er Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten hat, so dürfen die Mitgliedstaaten diese Verfahren nicht oder nicht mehr anwenden.

Stellen die Mitgliedstaaten fest, dass ein Antragsteller besondere Verfahrensgarantieren benötigt, die der Anwendung des beschleunigten Verfahrens und des Verfahrens an der Grenze entgegenstehen könnten, so muss der Antragsteller auch zusätzliche Garantien erhalten, wenn sein Rechtsbehelf nicht automatisch aufschiebende Wirkung hat. Diese Garantien decken sich mit den Garantien für Personen, die dem Verfahren an der Grenze unterliegen.

Minderjährige

Der Standpunkt des Rates sieht besondere Garantien für Minderjährige und unbegleitete Minderjährige vor, wobei Missbrauch jedoch verhindert werden soll. Er legt fest, unter welchen Bedingungen Minderjährige im eigenen Namen einen Antrag stellen können. Ferner schreibt er vor, dass Anhörungen Minderjähriger kindgerecht durchgeführt werden müssen.

Was unbegleitete Minderjährige anbelangt, so enthält der Standpunkt des Rates eine Reihe von Garantien für ihre Vertreter. Ferner müssen die Mitgliedstaaten unbegleiteten Minderjährige auch in Verfahren zur Aberkennung des internationalen Schutzes unentgeltlich Auskunft über die rechtlichen und verfahrenstechnischen Aspekte erteilen. Auf diese Weise erhalten unbegleitete Minderjährige und ihre Vertreter in sämtlichen Verfahren, die die Richtlinie abdeckt (erstinstanzliche Verfahren, Rechtsbehelfsverfahren und Aberkennungsverfahren), einen Rechtsbeistand.

Stellen die Mitgliedstaaten im Laufe des Asylverfahrens fest, dass es sich bei einer Person um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, so können sie bestimmte Verfahren für die Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz nur unter bestimmten Bedingungen anwenden:

Sie dürfen das beschleunigte Verfahren nur anwenden oder weiter anwenden, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, wenn er einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der nicht unzulässig ist, oder wenn schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung vorliegen.

Sie dürfen das Verfahren an der Grenze unter den drei Bedingungen anwenden oder weiter anwenden, die auch für die Anwendung des beschleunigten Verfahrens gelten. Darüber hinaus dürfen sie das Verfahren an der Grenze unter drei weiteren Bedingungen anwenden, nämlich wenn

es berechtigte Gründe für die Annahme gibt, dass der unbegleitete minderjährige Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat kommt;

der unbegleitete minderjährige Antragsteller die Behörden irregeführt hat, indem er gefälschte oder verfälschte Dokumente vorgelegt hat;

der unbegleitete minderjährige Antragsteller ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat.

Die Mitgliedstaaten dürfen die beiden letztgenannten Bedingungen nur in bestimmten Fällen geltend machen, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme vorliegen, dass der Antragsteller versucht, wesentliche Elemente, die voraussichtlich zu einer ablehnenden Entscheidung führen würden, zu verheimlichen und wenn der Antragsteller unter Berücksichtung der besonderen Verfahrensbedürfnisse unbegleiteter Minderjähriger umfassend Gelegenheit hatte, seine Handlungen zu rechtfertigen und sich dafür auch mit seinem Vertreter zu beraten.

Da Verfahren an der Grenze immer mit einer Form der Ingewahrsamnahme verbunden sind, können sie in keinem der genannten sechs Fälle systematisch angewandt werden. Nach Maßgabe der Aufnahmerichtlinie dürfen unbegleitete Minderjährige nur in Ausnahmefällen, die unter gebührender Berücksichtigung des Kindeswohls zu prüfen sind, in Gewahrsam genommen werden.

Die Mitgliedstaaten können den Antrag eines unbegleiteten Minderjährigen für unzulässig erklären, wenn dieser Minderjährige aus einem sicheren Staat, der kein Mitgliedstaat ist, kommt, sofern dies dem Interesse des Kindeswohls dient. Sie können den Antrag eines unbegleiteten Minderjährigen unter Berufung auf die anderen Gründe, die sie aufgrund der üblichen Vorschriften geltend machen können, für unzulässig erklären.

Die Mitgliedstaaten können beschließen, dass einem unbegleiteten minderjährigen Antragsteller keine unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt wird, wenn der Rechtsbehelf nach Einschätzung des Gerichts oder einer anderen zuständigen Behörde keine konkrete Aussicht auf Erfolg hat, allerdings nur, wenn der Vertreter des Minderjährigen über eine juristische Qualifikation verfügt.

Schließlich müssen die Mitgliedstaaten unbegleiteten Minderjährigen zumindest dieselben zusätzlichen Garantien gewähren wie Personen, die dem Verfahren an der Grenze unterliegen, sofern ihr Rechtsbehelf gegen eine ablehnende Entscheidung nicht automatisch aufschiebende Wirkung hat.

Geschlechtsspezifische Asylverfahren

Der Standpunkt des Rates berücksichtigt, dass für Asylverfahren geschlechtsspezifische Anforderungen gelten müssen. Deshalb müssen die Mitgliedstaaten soweit wie möglich sicherstellen, dass die Person, die die Anhörung durchführt, und der Dolmetscher das gleiche Geschlecht haben wie der Antragsteller, sofern dieser darum ersucht. Allerdings brauchen sie dies nicht zu tun, wenn die Asylbehörde Grund zu der Annahme hat, dass das Ersuchen auf Gründen beruht, die nicht mit den Schwierigkeiten des Antragstellers in Verbindung stehen, die Gründe für seinen Antrag ausführlich darzulegen.

Überdies muss eine Durchsuchung des Antragstellers in Anwendung der Richtlinie – unbeschadet einer Durchsuchung aus Sicherheitsgründen – von einer Person gleichen Geschlechts unter uneingeschränkter Achtung der Grundsätze der Menschenwürde und der körperlichen und geistigen Integrität durchgeführt werden.

Folgeanträge

Der Standpunkt des Rates präzisiert die Verfahrensregeln für Folgeanträge. Im Gegensatz zu den unterschiedlichen Verfahrensregeln, die nach der Richtlinie 2005/85/EG für diese Anträge zulässig sind, sieht er vor, dass ein Folgeantrag dann als unzulässig betrachtet wird, wenn bei einer ersten Prüfung keine neuen Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die es sehr viel wahrscheinlicher machen, dass er internationalen Schutz benötigt.

Antragsteller, die nur deshalb einen Folgeantrag stellen, um ihre Abschiebung aus dem Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu verzögern, belasten die nationalen Asylsysteme unnötig. Daher bedarf es wirksamer Regeln für Folgeanträge. Diese Regeln müssen den Mitgliedstaaten gestatten, einerseits zwischen Personen, die einen Folgeantrag stellen, weil sich nach ihrem früheren Antrag an Ort und Stelle ein Schutzbedarf ergeben hat oder andere legitime Gründe vorliegen, und andererseits Personen, die nur deshalb einen Folgeantrag stellen, um ihre Abschiebung zu verzögern, zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten stets an den Grundsatz der Nichtzurückweisung gebunden sind, was bedeutet, dass eine Person nicht in ein Land zurückgeschickt werden darf, in dem ihr Gefahr droht.

Vor diesem Hintergrund dürfen die Mitgliedstaaten in zwei Fällen von dem normalerweise geltenden Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet abweichen. Erstens, wenn eine Person nur zur Verzögerung oder Behinderung einer Entscheidung, die zu ihrer unverzüglichen Abschiebung aus dem betreffenden Mitgliedstaat führen würde, einen ersten Folgeantrag gestellt hat, der als unzulässig betrachtet wird. Und zweitens, wenn eine Person nach einer rechtskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag als unzulässig zu betrachten, oder nach einer rechtskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellt.

Stillschweigende Rücknahme eines Antrags/Nichtbetreiben eines Verfahren

Im Standpunkt des Rates ist festgelegt, dass die Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen davon ausgehen können, dass ein Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz stillschweigend zurückgenommen hat oder das Verfahren nicht weiter betreibt. Sie können insbesondere in den beiden folgenden Fällen von dieser Annahme ausgehen. Erstens, wenn der Antragsteller nachweislich den Aufforderungen zur Vorlage von für seinen Antrag wesentlichen Informationen oder einer Aufforderung zur persönlichen Anhörung nicht nachgekommen ist, es sei denn, er weist innerhalb einer angemessenen Frist nach, dass sein Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Und zweitens, wenn der Antragsteller untergetaucht ist oder seinen Aufenthaltsort ohne Genehmigung verlassen und nicht innerhalb einer angemessenen Frist die zuständige Behörde kontaktiert hat oder seinen Melde- und Mitteilungspflichten nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachgekommen ist, es sei denn, er weist nach, dass dies auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte.

Vor diesem Hintergrund hat der Rat in seinen Standpunkt eine Reihe von Regeln für die Wiedereröffnung eines Verfahrens, in dessen Rahmen ein Antrag stillschweigend zurückgenommen wurde, oder eines nicht weiter betriebenen Antragsverfahrens aufgenommen. Sofern sich die Person innerhalb von mindestens neun Monaten wieder bei den Behörden meldet, dürfen die Mitgliedstaaten ein wiedereröffnetes Antragsverfahren oder den neuen Antrag nicht als Folgeantrag behandeln. Meldet sich die Person allerdings erst nach neun Monaten wieder, so dürfen sie das Verfahren für Folgeanträge anwenden. Das heißt, der Antrag könnte als unzulässig betrachtet werden, wenn seit der Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens keine relevanten neuen Elemente zutage getreten oder vorgebracht worden sind. Außerdem können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein eingestelltes Verfahren nur ein einziges Mal wiedereröffnet werden darf.

Wirksamer Rechtsbehelf

Der Standpunkt des Rates sieht eine Reihe von Vorschriften über die Berechtigung zum Verbleib im Hoheitsgebiet bis zur Entscheidung über einen Rechtsbehelf vor; damit soll das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf uneingeschränkt garantiert werden, und gleichzeitig wird die Notwendigkeit wirksamer und effizienter Asylsysteme anerkannt, die in der Lage sind, Missbrauch zu verhindern. Vor diesem Hintergrund müssen die Mitgliedstaaten den Antragstellern in der Regel den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung ihres Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf oder, wenn dieses Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gestatten.

Die Mitgliedstaaten können jedoch in einer begrenzten Zahl von Fällen vorsehen, dass diese automatische aufschiebende Wirkung nicht zur Anwendung kommt. In diesen Fällen müssen die Mitgliedstaaten einem Gericht die Befugnis zuweisen, entweder auf Antrag des Antragstellers oder von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet verbleiben darf oder nicht. Diese Fälle betreffen die Entscheidungen,

einen Antrag für offensichtlich unbegründet oder nach einer Prüfung im beschleunigten Verfahren für unbegründet zu befinden, es sei denn, diese Entscheidungen beruhen auf der Tatsache, dass der Antragsteller unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist ist oder seinen Aufenthalt unrechtmäßig verlängert hat und – ohne ersichtlichen Grund – nicht bei den Behörden vorstellig geworden ist und/oder einen Antrag auf Asyl angesichts der Umstände seiner Einreise nicht so bald wie möglich gestellt hat;

einen Antrag für unzulässig zu befinden, weil ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat, ein Land, das kein Mitgliedstaat ist, als erster Asylstaat für den Antragsteller gilt oder es sich bei dem Antrag um einen Folgeantrag handelt, wenn keine neuen Elemente oder Erkenntnisse in Bezug auf die Prüfung der Frage, ob der Antragsteller internationalen Schutz benötigt oder nicht, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgelegt worden sind;

die Wiedereröffnung des eingestellten Verfahrens des Antragstellers abzulehnen;

den Antrag nicht oder nicht vollständig zu prüfen, da das Konzept des sicheren europäischen Drittstaats Anwendung findet.

Bei Verfahren an der Grenze kann eine nicht automatische aufschiebende Wirkung nur zum Tragen kommen, wenn erstens der Antragsteller über die erforderliche Dolmetschung und Rechtsberatung sowie über mindestens eine Woche verfügt, um den Antrag vorzubereiten und die Argumente für die Gewährung des Rechts zum Verbleib im Hoheitsgebiet bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf dem Gericht vorzulegen, und zweitens das Gericht im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Verbleib im Hoheitsgebiet die ablehnende Entscheidung der Asylbehörde in sachlicher und rechtlicher Hinsicht prüft.

Kommt eine nicht automatische aufschiebende Wirkung zum Tragen, so darf der Antragsteller bis zur Entscheidung in dem Verfahren darüber, ob er im Hoheitsgebiet verbleiben darf oder nicht, im Hoheitsgebiet verbleiben. Darüber hinaus gilt in allen Fällen der Grundsatz der Nichtzurückweisung.

Sichere Drittstaaten

Gemäß dem Standpunkt des Rates können die Mitgliedstaaten das Konzept des sicheren Herkunftsstaats, des sicheren Drittstaats und des sicheren europäischen Drittstaats anwenden, wobei allerdings anerkannt wird, dass in diesem Zusammenhang künftig weiterer Harmonisierungsbedarf bestehen könnte. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten unter anderem die vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen erstellten Leitlinien und Handbücher zu Rate ziehen und regelmäßige Überprüfungen der Lage in diesen Drittländern durchführen. Ferner wird darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, Informationen aus relevanten Quellen auszutauschen und die Anwendung des Konzepts der sicheren Drittstaaten durch die Mitgliedstaaten regelmäßig mit den Mitgliedstaaten und unter Einbindung des Europäischen Parlaments zu überprüfen.

Der Rat präzisiert in seinem Standpunkt die Bedingungen für die Anwendung dieses Konzepts, indem er vorsieht, dass die Mitgliedstaaten den Antragstellern die Möglichkeit einräumen müssen, die Anwendung des Konzepts des sicheren europäischen Drittstaats mit der Begründung anzufechten, dass das Land nach Maßgabe ihrer besonderen Umstände nicht sicher ist.

Sonstige wichtige Punkte

Sonstige wichtige Punkte im Standpunkt des Rates in erster Lesung, über die der Rat und das Europäische Parlament einen Kompromiss erzielt haben:

Auslieferung

Ein Mitgliedstaat kann eine Ausnahme von dem Recht einer Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung über ihren Antrag im Hoheitsgebiet zu verbleiben, machen, wenn er die Person aufgrund von Verpflichtungen aus einem Europäischen Haftbefehl oder aus anderen Gründen entweder an einen anderen Mitgliedstaat oder aber an einen Drittstaat oder an internationale Strafgerichte überstellt bzw. ausliefert. Ein Mitgliedstaat darf einen Antragsteller nur dann an einen Drittstaat ausliefern, wenn sich die zuständigen Behörden davon überzeugt haben, dass eine Auslieferungsentscheidung keine unmittelbare oder mittelbare Zurückweisung zur Folge hat, die im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen des Mitgliedstaats steht.

Asylbehörde und andere zuständige Behörden

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine andere Behörde als die Asylbehörde für die Bearbeitung von Fällen gemäß der Dublin-Verordnung oder für die Gewährung oder Verweigerung der Einreise im Rahmen eines Verfahrens an der Grenze zuständig ist, und zwar unter den dort genannten Voraussetzungen und auf der Basis der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Asylbehörde.

Ärztliche Untersuchung

Der Standpunkt des Rates enthält Vorschriften über die ärztlichen Untersuchungen, mit denen gewährleistet werden soll, dass Anzeichen, die auf eine frühere Verfolgung oder einen in der Vergangenheit erlittenen ernsthaften Schaden hindeuten könnten, in der Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz Berücksichtigung finden. In diesen Vorschriften werden unter anderem die Voraussetzungen genannt, die dafür maßgebend sind, ob die ärztliche Untersuchung aus öffentlichen Mitteln zu zahlen ist oder ob sie zu Lasten des Antragstellers geht.

Erwägungen betreffend die nationale Sicherheit

Kommen in einem Rechtsbehelfsverfahren Erwägungen betreffend die nationale Sicherheit ins Spiel, so müssen die Mitgliedstaaten, um den Grundsatz der Waffengleichheit zu gewährleisten, den mit dem Rechtsbehelfsverfahren befassten Gerichten Zugang zu Informationen oder Quellen, die aus Gründen der nationalen Sicherheit vertraulich sind, gewähren; zudem müssen sie in den nationalen Rechtsvorschriften Verfahren festlegen, mit denen die Wahrung des Verteidigungsrechts des Antragstellers garantiert wird.

IV.

FAZIT

Der Standpunkt des Rates in erster Lesung entspricht dem in den Verhandlungen zwischen Rat und Europäischem Parlament erzielten Kompromiss, der mit Hilfe der Kommission zustande gekommen ist. Dieser Kompromiss wird in einem Schreiben des Vorsitzenden des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments an den Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter (Dok. 8223/13) bestätigt. In diesem Schreiben teilt der Vorsitzende des LIBE-Ausschusses mit, dass er den Mitgliedern dieses Ausschusses und anschließend dem Plenum empfehlen wird, den Standpunkt des Rates in erster Lesung vorbehaltlich der Überprüfung durch die Rechts- und Sprachsachverständigen beider Organe in der zweiten Lesung des Europäischen Parlaments ohne Abänderungen anzunehmen. Mit der Änderung der Asylverfahrensrichtlinie schafft die Europäische Union eine wesentliche Grundlage für die Errichtung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.


(1)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzstatus (Neufassung)“, ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 85.

(2)  Richtlinie 2005/85/EG des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 vom 1.12.2005, S. 13).


Top