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Amtsblatt der Europäischen Union, C 117, 30. April 2004


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ISSN 1725-2407

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 117

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

47. Jahrgang
30. April 2004


Informationsnummer

Inhalt

Seite

 

II   Vorbereitende Rechtsakte

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

408. Plenartagung vom 28. und 29. April 2004

2004/C 117/1

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (KOM(2003) 689 endg. — 2003/0272 (COD))

1

2004/C 117/2

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren (KOM(2003) 723 endg. — 2003/0282 (COD))

5

2004/C 117/3

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft (KOM(2003) 847 endg. — 2003/0333 (COD))

10

2004/C 117/4

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Süßwasser, das schutz- oder verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten (kodifizierte Fassung) (KOM(2004) 19 endg. — 2004/0002 (COD))

11

2004/C 117/5

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein einheitliches Rahmenkonzept zur Förderung der Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen (Europass) (KOM(2003) 796 endg.)

12

2004/C 117/6

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich des Ortes der Dienstleistung (KOM(2003) 822 endg. — 2003/0329 (CNS))

15

2004/C 117/7

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/49/EG über die Möglichkeit für bestimmte Mitgliedstaaten Übergangszeiten für eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten anzuwenden (KOM(2004) 243 endg. — 2004/0076 (CNS))

21

2004/C 117/8

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Bewertung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung — Sondierungsstellungnahme

22

2004/C 117/9

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Entwicklung einer thematischen Strategie für die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen (KOM(2003) 572 endg.)

38

2004/C 117/0

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss Ein Binnenmarkt ohne unternehmenssteuerliche Hindernisse — Ergebnisse, Initiativen, Herausforderungen (KOM(2003) 726 endg.)

41

2004/C 117/1

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (KOM(2003) 703 endg. — 2003/0277 (COD))

43

2004/C 117/2

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Mehrjahresprogramm der Gemeinschaft zur Erleichterung des Zugangs zu digitalen Inhalten, ihrer Nutzung und Verwertung in Europa (KOM(2004) 96 endg. — 2004/0025 (COD))

49

2004/C 117/3

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung der Bestimmungen des Århus-Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft (KOM(2003) 622 endg. — 2003/0242 (COD))

52

2004/C 117/4

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (KOM(2003) 624 endg. — 2003/0246 (COD))

55

2004/C 117/5

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Handelspolitische Aspekte des industriellen Wandels, insbesondere im Stahlsektor

58

DE

 


II Vorbereitende Rechtsakte

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

408. Plenartagung vom 28. und 29. April 2004

30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/1


408. PLENARTAGUNG VOM 28. UND 29. APRIL 2004

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen“

(KOM(2003) 689 endg. — 2003/0272 (COD))

(2004/C 117/01)

Der Rat beschloss am 28. November 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 53 und Artikel 54 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen“ (KOM(2003) 689 endg. — 2003/0272 (COD)).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 5. April 2004 an. Berichterstatterin war Frau Sharma.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 28. April 2004) mit 84 gegen 2 Stimmen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Mit der Richtlinie 89/109/EWG wurde die Grundlage für die Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus in Sachen menschlicher Gesundheit und Interessen der Verbraucher auf dem Gebiet von Materialien und Gegenständen geschaffen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Gleichzeitig soll diese Richtlinie ein wirksames Funktionieren des Binnenmarktes gewährleisten.

1.2

Mit dem technologischen Fortschritt wurden Materialien entwickelt, die den Zustand des Nahrungsmittels während der Lagerung konservieren oder sogar verbessern und die Haltbarkeit des verpackten Lebensmittels verlängern: die so genannten „aktiven“ Materialien. Weitere neue Verpackungssysteme, „intelligente“ Lebensmittelkontakt-Materialien und -Gegenstände genannt, geben Aufschluss über die Qualität verpackter Lebensmittel.

1.3

Gemäß Richtlinie 89/109/EWG ist derzeit unklar, ob es für „aktive“ und „intelligente“ Verpackungen gesetzliche Regelungen auf nationaler oder gemeinschaftlicher Ebene gibt. In dem neuen Verordnungsvorschlag wird unmissverständlich klargestellt, dass jede Art von Materialien und Gegenständen mit Lebensmittelkontakt unter die Verordnung fallen sollen; ferner werden darin grundlegende Vorschriften für die Verwendung solcher Materialien festgelegt. Außerdem ist darin vorgesehen, dass für die Umsetzung der Regelung spezifische Durchführungsmaßnahmen erlassen werden können.

1.4

Die Sicherheitsbewertung von Stoffen wird derzeit vom Wissenschaftlichen Ausschuss „Lebensmittel“ vorgenommen. Aus Gründen der Transparenz ist es jedoch geboten, ausführlichere Verfahren für die Sicherheitsbewertung und die Zulassung von Stoffen festzulegen, die zur Herstellung von Materialien mit Lebensmittelkontakt verwendet werden.

1.5

Bei Materialien und Gegenständen mit Lebensmittelkontakt muss eine durchgängige Rückverfolgbarkeit auf allen Herstellungs-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen gegeben sein. Dies erklärt die Notwendigkeit, allgemeine Bestimmungen zur Rückverfolgbarkeit von Materialien mit Lebensmittelkontakt festzulegen, die im Einklang mit vergleichbaren Rückverfolgbarkeitsbestimmungen für Lebens- und Futtermittel stehen, wie sie in Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verankert sind.

1.6

Vorgeschlagen werden des Weiteren verschiedene Bestimmungen zur besseren Unterrichtung der Verbraucher und der Benutzer von Materialien mit Lebensmittelkontakt.

2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

2.1

In dem Kommissionsdokument wird vorgeschlagen, die geltende Rahmenrichtlinie über Verpackungen zu ersetzen und zusätzlich die Rückverfolgbarkeit von aktiven und intelligenten Materialien zu regeln.

2.2

Aktive und intelligente Materialien können vereinfacht in zwei Hauptkategorien zusammengefasst werden: Absorber, die Überschüsse entziehen (beispielsweise sauerstoffabsorbierende Materialien) und Emitter, die in einem langsamen Freisetzungsprozess Konservierungsmittel und Aromastoffe an die Lebensmittel abgeben. In allen Fällen muss jedoch betont werden, dass Verpackungen, die Absorbierungs- oder Emitterbestandteile enthalten, sowohl den Gemeinschaftsvorschriften in Bezug auf Lebensmittel als auch deren Kennzeichnung entsprechen und somit sicher sein müssen. Daher muss dieser Vorschlag im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Einrichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit stehen.

2.3

Zweck des Verordnungsvorschlages ist, die Richtlinie 89/109/EWG dahingehend zu ändern, dass den vorgenannten Aspekten Rechnung getragen wird. Im Übrigen ist der Einfachheit halber in dem Vorschlag das Symbol übernommen worden, das Lebensmittelkontakt-Materialien und -Gegenständen laut der Richtlinie 80/590/EWG beizugeben ist. Die nunmehr vorgeschlagene Verordnung wird also an die Stelle der Richtlinien 89/109/EWG und 80/590/EWG treten und diese aufheben.

2.4

Die Richtlinie 89/109/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (Rahmenrichtlinie), legt die allgemeinen Grundsätze fest, die für jede Art von Materialien mit Lebensmittelkontakt gelten, u.a. die Grundsätze der „Inertheit“ der Materialien und der „Lebensmittelreinheit“ sowie die Liste der Stoffe, deren Verwendung unter Ausschluss aller anderen gestattet ist (Positivliste) und die Gruppen von Materialien und Gegenständen, für die eine Regelung im Wege von Durchführungsmaßnahmen (Einzelrichtlinien) erfolgt, einschl. der Sicherheitsbewertung der Stoffe durch den Wissenschaftlichen Ausschuss „Lebensmittel“ und der Stellungnahme des Ständigen Lebensmittelausschusses.

2.5

Ingesamt bezweckt die Maßnahme, bezogen auf die davon erhofften Folgewirkungen, Folgendes:

Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus in Sachen menschlicher Gesundheit und Verbraucherinteressen;

Sicherstellung des freien Warenverkehrs mit Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen;

Berücksichtigung wichtiger technologischer Entwicklungen auf dem Gebiet der Lebensmittelverpackung;

Sicherstellung einer besseren Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen;

Verbesserung der Transparenz des Zulassungsverfahrens durch genaue Festlegung der einzelnen Verfahrensschritte;

Schaffung der Voraussetzungen, damit die Kommission in Sachen Durchführungsmaßnahmen nicht nur Richtlinien erlassen kann, sondern auch Entscheidungen und Verordnungen, da Letztere sich eher für entsprechende Bestimmungen wie etwa Positivlisten eignen;

Gewährleistung einer besseren Durchsetzbarkeit der Vorschriften im Wege zu errichtender gemeinschaftlicher und nationaler Referenzlabors.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Die Bestimmungen über aktive und intelligente Lebensmittelkontakt-Materialien und –Gegenstände haben allgemeinen Charakter und legen ein rechtliches Regelungssystem für Verpackungen der betreffenden Art auf Gemeinschaftsebene fest. Nutznießer der Regelung sind sowohl die in Frage kommenden Unternehmen als auch die Verbraucher und die Mitgliedstaaten.

3.2

Mit den zusätzlichen Kennzeichnungsanforderungen soll sichergestellt werden, dass Anbieter und Endverbraucher von Materialien und Gegenständen mit Lebensmittelkontakt in größerer Sachkenntnis von solchen Produkten Gebrauch machen.

3.3

Eine bessere Rückverfolgbarkeit bei Materialien mit Lebensmittelkontakt kommt in Problemfällen den Verbrauchern zugute und schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Unternehmen weniger mit Mängeln behaftete Produkte vom Markt nehmen müssen.

3.4

Der grundlegende Ansatz zur Erreichung der aufgeführten Ziele besteht darin, die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft für Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, durch Einführung der vorgeschlagenen Regelung zu verbessern und zu harmonisieren.

3.5

Unter dem Aspekt der Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit betrachtet ist seinerzeit die Rahmenrichtlinie 89/109/EWG vor dem Hintergrund der Tatsache erlassen worden, dass die Unterschiede in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten den freien Verkehr mit den betreffenden Materialien und Gegenständen behinderten. Mit der Richtlinie 89/109/EWG wurden diese Rechtsvorschriften einander angeglichen, um so den freien Verkehr von Materialien und Gegenständen zu ermöglichen und gleichzeitig einen Beitrag zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher und ihrer Interessen zu leisten. Außerdem wurde mit dieser Richtlinie ein Verzeichnis von Materialien und Gegenständen festgelegt, für die eine Regelung im Wege von Einzelrichtlinien erfolgt. Diese Vorgehensweise hat sich als erfolgreich erwiesen und sollte deshalb beibehalten werden.

3.6

Dass eine Verordnung erlassen werden soll statt einer Richtlinie, ist durch den technischen Charakter des Rechtsakts bedingt. Eine Verordnung beinhaltet nämlich, dass die vorgeschlagene Regelung unmittelbar gemeinschaftsweit Anwendung finden muss. Wichtig ist dies mit Blick auf die erweiterte Gemeinschaft von demnächst 25 Mitgliedstaaten, die im Übrigen zweifellos Nutzen aus einer homogenen und unmittelbaren Anwendung der Vorschriften in der gesamten Gemeinschaft ziehen wird.

3.7

Die gemeinschaftliche Zulassung von Stoffen, die in der Herstellung von Materialien mit Lebensmittelkontakt verwendet werden, ist bereits in der Richtlinie 89/109/EWG vorgesehen, so dass den Unternehmen aus den Vorschriften über das Zulassungsverfahren keinerlei neue Verpflichtungen erwachsen.

3.8

In dem Kommissionsvorschlag sind folgende allgemeine Verpflichtungen für Antragsteller festgelegt:

3.8.1

Zunächst Einreichung des Antrags auf Zulassung eines Stoffes bei der zuständigen nationalen Behörde eines Mitgliedstaates.

3.8.2

Unterrichtung der Behörde über neue Erkenntnisse, die die Evaluierung der Sicherheit bei der Verwendung eines zugelassenen Stoffes beeinflussen kann.

3.9

Allgemeine Verpflichtungen für Unternehmer, die für die Herstellung, Verarbeitung, die Einfuhr oder den Vertrieb von Materialien mit Lebensmittelkontakt verantwortlich sind:

3.9.1

Kennzeichnung sämtlicher Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und zwar einschließlich solcher Lebensmittelkontakt-Materialien und -Gegenstände, deren diesbezüglicher Verwendungszweck aufgrund ihrer Beschaffenheit offensichtlich ist und für die bislang laut Richtlinie 89/109/EWG eine solche Verpflichtung nicht bestand.

3.9.2

Unterrichtung über zulässige Verwendungszwecke aktiver und intelligenter Materialien und Gegenstände, um auf diese Weise deren Benutzer in die Lage zu versetzen, die einschlägigen lebensmittelrechtlichen Auflagen zu erfüllen.

3.10

Folgende Verpflichtungen gelten für Unternehmer:

3.10.1

Einhaltung der Verwendungsvorschriften und einschränkenden Bestimmungen, die mit der Zulassung von Stoffen für die Herstellung von Materialien mit Lebensmittelkontakt verbunden sind.

3.10.2

Bereitstellung eines Systems zur Identifizierung der Zulieferer von Materialien und Gegenständen sowie ggf. der Stoffe und Erzeugnisse, die zur Herstellung dieser Materialien und Gegenstände verwendet werden. Auf Anforderung müssten die Unternehmer die diesbezüglichen Angaben den zuständigen Behörden zugänglich machen.

3.10.3

Identifizierung der Abnehmer entsprechender Produkte sowie, auf Anforderung, Bereitstellung der entsprechenden Informationen für die zuständigen Behörden.

3.10.4

Angemessene Kennzeichnung bzw. Identifizierung der in der Gemeinschaft in Verkehr gebrachten Materialien und Gegenstände, um deren Rückverfolgbarkeit zu ermöglichen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der EWSA befürwortet die Kommissionsvorlage KOM(2003) 689 endg. und stellt zu seiner Genugtuung fest, dass die Kommission bis zur Abfassung ihrer endgültigen Vorlage immer wieder mit Handelsverbänden und Verbraucherschutzorganisationen Rücksprache gehalten hat. Ferner begrüßt der Ausschuss die Einführung einer Positivliste.

4.2

Der EWSA stellt fest, dass die Kommission problematische Aspekte ausgemacht hat (auf die in diesem Dokument verwiesen wird), und nimmt zur Kenntnis, dass eine weiterführende Bewertung des Kommissionsvorschlags nicht vorgesehen ist. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission nach Ansicht des Ausschusses jedoch bedenken, dass der Kommissionsvorschlag in seiner jetzigen Form in seinen ersten Abschnitten bezüglich dreier wesentlicher Fragen nicht klar genug gehalten ist:

i.

In der Kommissionsvorlage wird vorgeschlagen, die bestehende Rahmenrichtlinie über die Vorschriften für die Verpackung von Lebensmitteln durch ein anderes Regelwerk zu ersetzen und ferner eine Regelung über die Rückverfolgbarkeit von aktiven und intelligenten Verpackungsmaterialien ins Auge zu fassen. Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die weitere Prüfung von Kunststoffverpackungen demnächst überprüft werden soll.

ii.

Eine klare Definition, was aktive und intelligente Verpackungen sind und wie sie funktionieren. Auch wenn es Konsultierungsgespräche mit Verbrauchergruppen gegeben hat, wären einfache und klare Definitionen und Verbraucheraufklärungsbroschüren sehr hilfreich, um der Unwissenheit und Befürchtungen abzuhelfen.

iii.

Es muss klargestellt werden, dass in jedem Fall die Verpackungsmaterialien und entweder die Stoffe entziehenden oder freisetzenden Bestandteile den EU-Rechtsvorschriften über Lebensmittelsicherheit und -kennzeichnung entsprechen müssen. Sämtliche Stoffe, die vom Verpackungsmaterial aufgenommen bzw. abgegeben werden, müssen in der Zutatenliste auf der Etikettierung angegeben werden und für die menschliche Ernährung unbedenklich (lebensmitteltauglich) sein.

4.3

Zusätzliche Regelungen und Verfahren für mittelständische Unternehmen (KMU) der Lebensmittel- und Verpackungsindustrie werden für die Lebensmittelhersteller zusätzliche Kontrollverfahren und für die Hersteller von Verpackungsmaterial entsprechende Kosten mit sich bringen, die aber für die kleineren Unternehmen schwer zu verkraften sind.

4.4

Die Auswirkungen neuer Zulassungsverfahren für Materialien und technische Lösungen in einem Wirtschaftszweig, der traditionell mit solchen Regelungen nicht konfrontiert war, wie etwa Zeitvorgaben, technische Sicherheit, und die restriktiven Verfahren werden möglicherweise zu einer geringeren Innovationstätigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in diesem Sektor führen. Importierzeugnisse müssen streng kontrolliert werden, um den Fortbestand einer produktiven und wettbewerbsfähigen weltweiten Industrie zu sichern.

4.5

Der EWSA versteht die Kommissionsvorlage so, dass es der Kommission darum geht, aufwendige Kontrollverfahren abzubauen und lediglich zu verlangen, dass in der vorgeschalteten und in der nachgeschalteten Stufe der Versorgungskette eine „Konformitätsbescheinigung“ ausgestellt wird. Allerdings kann die Formulierung „dabei muss mindestens... erkennbar sein“ im Kommissionsdokument zu Fehlauslegungen führen. Die Kommission sollte Leitlinien für die Lebensmittelindustrie festlegen, die Anleitungen darüber enthalten, wie die erforderlichen Kontrollen durchzuführen sind, und klare Informationen für die Industrie, die Durchführungsbeamten und die Mitgliedstaaten speziell über die Bestimmungen über die Rückverfolgbarkeit zusammenstellen, um einem Wildwuchs an Auflagen oder Sorgfaltspflichtanforderungen im Zusammenhang mit der Überprüfung der Angaben der Hersteller von Verpackungsmaterial während der gesamten Versorgungskette vorzubeugen. Hier sollte ein assistierender Ansatz gewählt werden und nicht etwa ein ohnehin schon sehr stark regulierter Sektor mit noch mehr Regulierung befrachtet werden.

4.6

Die Kommission sollte die Bereitstellung zusätzlicher Mittel zur Unterstützung einer Informationskampagne für die Industrie und die breite Öffentlichkeit erwägen. Bei den bewusstseinsbildenden Maßnahmen für die breite Öffentlichkeit geht es darum, die Verbraucher und die Benutzer von Materialen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, über die zusätzlichen Etikettierungsbestimmungen und die umweltgerechte Entsorgung von Verpackungsmaterialen aufzuklären. Eine Bewusstseinsbildungskampagne für die Lebensmittelindustrie und die Verbraucher sollte auch von den Mitgliedstaaten und den regionalen Entwicklungsbehörden unterstützt werden. Die korrekte Etikettierung aktiver und intelligenter Materialien und Gegenstände ist dem EWSA ein Anliegen; diesbezüglich müsste durch geeignete Bestimmungen ausgeschlossen werden, dass solche Systeme den Verbraucher in Bezug auf Qualität und Beschaffenheit der betreffenden Lebensmittel in die Irre führen. Der Verderb der verpackten Lebensmittel darf keinesfalls durch die Verwendung aktiver Verpackungsmaterialien verschleiert werden. Außerdem sollte die Kommission Vergleichstests zum Nährwert von Lebensmitteln in aktiven Verpackungen und denselben Lebensmitteln in unverpackter Form durchführen, so dass der Verbraucher eine Wahl in Kenntnis der Sachlage treffen kann. Bislang wissen die Verbraucher nicht darüber Bescheid, ob aktive Verpackungen den Nährwert eines Lebensmittels erhalten oder beeinträchtigen. Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass derzeit an einer Regelung über die umfassende Etikettierung von aktiven und intelligenten Verpackungen gearbeitet wird, und ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass im Kontext der neuen Rechtsvorschriften eine Warenprüfung auf nährwerterhaltende bzw. -beeinträchtigende Wirkung vorgenommen werden sollte.

4.7

Der EWSA sieht ein, dass Lebensmittelverpackungen den geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften unterliegen; diese Bestimmungen müssen aber lesbar, klar und nachvollziehbar sein. Im Etikettierungsbereich muss dringlichst für klarere Bestimmungen gesorgt werden. Hier darf es keinen Spielraum für Fehlinterpretationen und falsche Behauptungen geben. Auch wenn dies nicht unbedingt direkt mit dieser Kommissionsvorlage im Zusammenhang steht, so möchte der EWSA doch darauf hinweisen, dass die Etikettierung von Kunststoffverpackungen verbessert werden muss, um fehlerhafte Verwendungen zu vermeiden, vor allem durch Angaben über das Materialverhalten unter Wärmeeinfluss sowie Lebensmittel- und Fettkontakt. Dies könnte im Rahmen zusätzlichen Etikettierungsvorschriften oder im Rahmen der Überarbeitung der Bestimmungen über Kunststoffverpackungen und Etkettierung ins Auge gefasst werden.

4.8

Besonderes Augenmerk sollte importierten Lebensmittelerzeugnissen gewidmet werden, bei denen darauf geachtet werden muss, dass das „Symbol“ zur Kennzeichnung der Materialien und Gegenstände, die mit dem betreffenden Lebensmittel in Kontakt kommen, wirklich auf zugelassenen Erzeugnissen aufgebracht wurde. Die diesbezügliche Verantwortung wurde dem Importeur zugewiesen, allerdings ist die Rückverfolgbarkeit bis zur Drittlandsquelle möglicherweise schwieriger feststellbar. Wenn dann auch noch die Etikettierung in einer fremden Sprache gehalten ist, gelangen möglicherweise minderwertigere Erzeugnisse auf den EU-Markt, die die EU-Hersteller von Lebensmitteln und Verpackungsmaterialen treffen und möglicherweise Gesundheitsrisiken für die Verbraucher mit sich bringen.

4.9

Der EWSA stellt fest, dass eine lange Vorlaufzeit für die Lebensmittel- und die Verpackungsindustrie vorgesehen wird, damit diese ihre bestehenden Vorräte an Verpackungsmaterial noch aufbrauchen können. Dies ist sehr wichtig, um Umweltfolgen und Kosten der Industrie für die Entfernung und Beseitigung von nicht recyclingfähigem Verpackungsmaterial zu vermeiden.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/5


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren“

(KOM(2003) 723 endg. — 2003/0282 (COD))

(2004/C 117/02)

Der Rat beschloss am 11. Dezember 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 und 175 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren“ (KOM(2003) 723 endg. — 2003/0282 (COD)).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 5. April 2004 an. Berichterstatter war Herr Pezzini.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April (Sitzung vom 28. April) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die Problematik der Batterien und Akkumulatoren ist aufgrund der Bedeutung des Bereichs bereits seit Jahren Gegenstand von Debatten: jedes Jahr werden in der Gemeinschaft etwa 800.000 t Autobatterien, 190.000 t Industriebatterien und 160.000 t Gerätebatterien in Verkehr gebracht.

1.2

Der Sektor weist außerdem aufgrund der Entwicklung neuer Geräte für Gebrauchselektronik ein starkes Wachstum auf. Der Weltmarkt verzeichnet ein wertmäßiges Wachstum von ca. 9 % pro Jahr, mengenmäßig beträgt das jährliche Wachstum etwa 1,1 % bei Batterien und 1,5 % bei Industriebatterien und -akkumulatoren.

1.3

Es muss ferner darauf hingewiesen werden, dass aufgrund des abzusehenden und wünschenswerten Anstiegs der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie der Bedarf an hochentwickelten Technologien zur Speicherung des so erzeugten Stroms erheblich zunehmen wird. Dies ist ein weiterer maßgeblicher Grund dafür, dass es einen Wachstumsmarkt für leistungsfähige und sichere Batterien und Akkumulatoren gibt.

1.4

Die derzeitigen Gemeinschaftsvorschriften — insbesondere bezüglich der Gerätebatterien — haben weder eine wirkungsvolle Bewältigung der sich eventuell im Entsorgungsbereich ergebenden Risiken noch die Schaffung eines einheitlichen Rahmens für die Sammel- und Recyclingsysteme ermöglicht. Im Jahr 2002 wurde weniger als die Hälfte aller verkaufter Gerätebatterien gesammelt und wiederverwendet, während der Großteil in die Umwelt entsorgt wurde. Autobatterien sowie Industriebatterien und -akkumulatoren hingegen werden bereits aufgrund des Materialwerts des wiedergewonnenen Bleis und geeigneter Sammelsysteme für Industrieakkumulatoren, die Nickel/Cadmium enthalten, gesammelt.

1.5

Der Legislativvorschlag entspricht den Zielen des Sechsten Umweltaktionsprogramms der Gemeinschaft (1), den strategischen Hinweisen zur Abfallverhütung und -weiterverwendung — zu denen sich der Ausschuss positiv äußerte (2) — und schließlich der Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge (3) sowie der Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronikaltgeräte (4). Der Ausschuss nahm auch zu den letzteren mehrmals Stellung (5) und befürwortete die Einführung anspruchsvoller Ziele in puncto Verwertung, Wiederverwendung und Recycling (CESE 1407/2000, Ziffer 3.4.1).

1.6

Schließlich ist zu erwähnen, dass die Kommission unlängst einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Produkte (6) annahm, zu dem der Ausschuss eine Stellungnahme verabschiedet hat (7). Die Kommission möchte alle Umweltaspekte energiebetriebener Produkte bereits ab ihrer Konzeption zusammenfassen. In diesem Rahmen sollen gemäß Artikel 95 Absatz 3 EG-Vertrag vollkommen kohärente Durchführungsmaßnahmen für einzelne Produkte vorbereitet werden.

1.7

Bevor die Kommission diesen Vorschlag vorlegte, führte sie eine ausführliche Folgenabschätzung durch. Dabei wurden mittels einer öffentlichen Anhörung die langfristig sinnvollsten politischen Lösungen bewertet. Teilgenommen hatten etwa 150 interessierte Akteure wie nationale, regionale und lokale Behörden, Unternehmen und Branchenverbände der Hersteller und Händler, verschiedene Nichtregierungsorganisationen sowie Verbraucherverbände und Einzelhandelsorganisationen.

2.   Zusammenfassung der wesentlichen Elemente des Richtlinienvorschlags

2.1

Der Vorschlag für eine Richtlinie, der alle Arten von Batterien und Akkumulatoren betrifft, verfolgt im Wesentlichen folgende Ziele:

Verbot der Deponierung und Verbrennung von Altbatterien und -akkumulatoren;

Förderung wirkungsvoller Sammelsysteme (Sammelrate bei Gerätebatterien von mindestens 160 Gramm pro Einwohner pro Jahr) ohne zusätzliche Kosten für die Verbraucher;

Bestimmung der Ziele bezüglich der Recyclingrate, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts gewährleisten zu können;

Senkung der Kosten für Sammlung und Recycling durch höhere Sammelquoten.

2.2

Die wichtigsten Maßnahmen des Kommissionsvorschlags lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

a)

Außerkraftsetzung der bestehenden Richtlinien (8) zu Batterien und Akkumulatoren und ihre Ersetzung durch ein einheitliches neues Rechtsinstrument;

b)

Einführung einer Sammel- und Recyclingpflicht für Altbatterien und -akkumulatoren, um die verschiedenen Bestandteile (Metalle) verwerten zu können und ihre Verbrennung oder endgültige Beseitigung zu verhindern;

c)

Aufbau auf der Ebene der Europäischen Union — und unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips — eines Rahmens zur Regelung der einzelstaatlichen Systeme der Sammlung, des Recyclings und der Schaffung von Anreizen. Nach den neuen Bestimmungen sind Hersteller, Groß- und Einzelhändler sowie Im- und Exporteure verpflichtet, für die Rücknahme von Industriebatterien und -akkumulatoren Sorge zu tragen, wobei die Verbraucher Gerätebatterien kostenlos zurückgeben können. Für Autobatterien und -akkumulatoren gelten weiterhin die Bestimmungen der Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge;

d)

Verbot der endgültigen Beseitigung von Industrie- und Autobatterien und -akkumulatoren in Abfalldeponien oder durch Verbrennung;

e)

Festlegung eines für die ganze EU einheitlichen Minimalzieles für die Sammlung von Altbatterien und Altakkumulatoren aus Geräten, das 160 Gramm pro Einwohner beträgt, als Grundlage nationaler Sammelsysteme. Ferner ist ein weiteres spezifisches Ziel für die überwachte Sammlung von mindestens 80 % aller NiCd-Gerätebatterien und -akkumulatoren aufgrund deren Gefährlichkeit vorgesehen;

f)

Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Hersteller oder in ihrem Auftrag handelnde Dritte Systeme für die Behandlung einrichten, wobei die gesammelten Batterien und Akkumulatoren zur weiteren Behandlung ausgeführt werden können;

g)

Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, die Entwicklung neuer Recyclingtechnologien und die Beteiligung am Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS) zu fördern;

h)

Anforderungen für das Recycling, die bei Blei- und NiCd-Batterien höher anzusetzen sind. In Abhängigkeit des technischen Fortschritts müssen diese Anforderungen regelmäßig überprüft werden;

i)

Verpflichtung für Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Hersteller die Kosten für die Bewirtschaftung von Altbatterien und Altakkumulatoren tragen und durch die Eintragung in ein entsprechendes Register angemessene Sicherheiten leisten. Ferner sollen die Mitgliedstaaten den Herstellern und Nutzern von Industrie- und Autobatterien den Abschluss von Finanzierungsvereinbarungen ermöglichen;

j)

Angabe der den Verbrauchern zur Verfügung zu stellenden Informationen und Verpflichtung für die Hersteller, ihre Produkte mit einem besonderen Zeichen zu kennzeichnen. Produkte, die Quecksilber, Blei oder Cadmium enthalten, müssen mit dem entsprechenden chemischen Zeichen gekennzeichnet sein;

k)

Vorgesehen ist eine Überprüfungsklausel auf der Grundlage der Überwachungsergebnisse, die im Amtsblatt veröffentlicht werden müssen;

l)

Möglichkeit, die Richtlinie in einigen Bereichen durch Umweltvereinbarungen mit den Wirtschaftsbeteiligten umzusetzen;

m)

Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, Sanktionen festzulegen, die wirksam, angemessen und abschreckend sein müssen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss begrüßt, dass kohärente Gemeinschaftsbestimmungen in puncto Batterien und Akkumulatoren sowie die Rationalisierung, Vereinfachung und Zusammenfassung in einem einheitlichen Rechtsrahmen der vielschichtigen Problematik angestrebt wird. Die Harmonisierung der Gemeinschaftsvorschriften könnte ferner erhöhten Umweltschutz in einem wettbewerbsfähigen Binnenmarkt und einen bewussteren Umgang mit Umweltressourcen und Rohstoffen gewährleisten.

3.2

Andererseits ist der Ausschuss der Ansicht, dass der Anwendungsbereich der jetzigen Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte im Rahmen des Möglichen erweitert werden sollte, damit alle Arten von Batterien und Akkumulatoren erfasst und eventuelle Doppelarbeit sowie das Ausufern von Bestimmungen und Verfahren verhindert werden. Die Richtlinie 2002/96/EG (WEEE) muss ab 2004 und in einigen Bereichen ab 2006 in den Mitgliedstaaten angewandt werden, was entsprechende Systeme für Sammlung, Recycling und Überwachung, die Einrichtung einzelstaatlicher WEEE-Register sowie die Zuweisung der Verantwortlichkeit und der Mittel erfordert.

3.3

Bezüglich des vorliegenden Richtlinienvorschlags verweist der Ausschuss auf die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage, die folgende Anforderungen erfüllt:

harmonisierte, leicht überprüf- und sanktionierbare Normen für alle Hersteller mit Sitz in der Gemeinschaft und in Drittstaaten, die den Binnenmarkt mit Batterien und Akkumulatoren beliefern;

erhöhtes Umwelt- und Gesundheitsschutzniveau;

gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure, auch unterschiedlicher Länder, und Gleichberechtigung mit Blick auf Optionen und Anreize, Produktions- und Kennzeichnungsauflagen, Registrierung und Überwachung sowie Sammlung und Recycling;

Förderung von Innovation sowie technischem und technologischem Fortschritt, auch im Hinblick auf eine wachsende Verwendung von Batterien und Akkumulatoren bei der Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen;

Nachhaltigkeit und Wirksamkeit von Kosten und Verfahren, die eine nachhaltige Entwicklung der auf Wissen basierten europäischen Wirtschaft gewährleisten und die binnen 2010 zur weltweit wettbewerbsfähigsten Wirtschaft der Welt werden soll;

Zuverlässigkeit und Nachprüfbarkeit der festgelegen zulässigen Werte für das Recycling;

Einheitlichkeit und gegenseitige Anerkennung einzelstaatlicher Maßnahmen zur Registrierung und Garantie für das in Verkehr bringen, um eine Belastung durch mehrfache Registrierung zu verhindern.

3.4

Diesbezüglich sieht der Ausschuss vier Möglichkeiten:

Aufteilung des gegenwärtigen Vorschlags in zwei Richtlinienvorschläge, die jeweils über eine eigene Rechtsgrundlage verfügen: Artikel 95 EGV für die Richtlinie über technische Angaben und Artikel 175 EGV für die Bereiche, die gemäß Subsidiaritätsprinzip der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten unterliegen;

Artikel 95, insbesondere Absatz 3 zur Gewährleistung eines kohärenten und harmonisierten Ansatzes und eines auf dem gesamten Hoheitsgebiet der Union gleichermaßen bindenden Rechtsrahmens sowie der vollständigen Nachvollziehbarkeit in puncto Produktion, Verkauf und Inverkehrbringung auf allen Märkten der EU in Übereinstimmung mit der Globalität des Weltmarkts für Batterien und Akkumulatoren;

Artikel 175, der unterschiedliche Regelungen zur Verbesserung des Umweltschutzes in unterschiedlichen nationalen Kontexten ermöglicht, aber keine harmonisierten und bindenden Normen für die Gesamtheit des europäischen Binnenmarktes garantieren kann;

die gegenwärtige doppelte Rechtsgrundlage — Artikel 95 und Artikel 175 — des vorliegenden Richtlinienvorschlags: Artikel 95 für die Kapitel II, III, VIII und Anhang II; Artikel 175 für die Kapitel IV, V, VI und VII.

3.5

Diesbezüglich weist der Ausschuss darauf hin, dass sich nicht wenige Richtlinien von bedeutender Umweltschutzrelevanz auf Artikel 95 EGV stützen, wie z.B. die Richtlinie zur Behandlung von Abfällen, die Verpackungsrichtlinie sowie die Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (RoHS) (9) sowie Richtlinie 91/157/EWG über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren (10), die durch den vorliegenden Kommissionsvorschlag aufgehoben und ersetzt werden soll. Der Ausschuss verdeutlicht ferner, dass diejenigen Mitgliedstaaten, die in Sachen Umweltschutz weitergehende Maßnahmen ergreifen möchten und dies stichhaltig begründen, dazu gemäß Artikel 95 Absatz 5 und 6 befugt sind.

3.6

Angesichts der in Ziffer 3.3 genannten, an die Rechtsgrundlage zu stellenden Anforderungen und der Bemerkungen in Ziffer 3.5 oben sowie im Hinblick auf die Notwendigkeit, einen einheitlichen, kohärenten und vereinfachten gemeinschaftlichen Rahmen für die künftigen Bestimmungen zu gewährleisten, hält der Ausschuss jedenfalls die Annahme einer einzigen Richtlinie für angebracht.

3.7

Was die zu wählende Rechtsgrundlage betrifft, hält es der Ausschuss für sinnvoll, soweit möglich eine einheitliche Rechtsgrundlage zu wählen, die weitestgehend auf Artikel 95 zurückgehen sollte, wenngleich er es auch für machbar und vereinbar hält, auf eine doppelte Rechtsgrundlage zurückzugreifen, die auf Artikel 95 (Vereinheitlichung des Binnenmarkts) sowie auf Artikel 175 (Verbesserung des Umweltschutzes) beruht. Die einheitliche Rechtsgrundlage soll Einheitlichkeit in puncto Behandlung und Kosten der auf dem Binnenmarkt in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gewährleisten und hohen Umweltschutzstandards entsprechen, ohne dass dies zu Wettbewerbsverzerrungen, Ungleichbehandlungen oder Belastungen durch mehrfache Kosten und bürokratische Auflagen führt.

3.8

Sollte neben Artikel 95 auch Artikel 175 als Rechtsgrundlage herangezogen werden, empfiehlt der Ausschuss, letzteren Artikel auf die Bestimmungen bezüglich der nationalen Sammelsysteme (Kapitel IV), Behandlung und Recycling (Kapitel V) sowie Verbraucherinformation (Kapitel VII) anzuwenden. Die übrigen Bestimmungen — insbesondere in Bezug auf die Registrierungssysteme — sollten hingegen unter die Angleichung der Rechtsvorschriften nach Artikel 95 zur Gewährleistung eines einheitlichen Binnenmarkts fallen.

3.9

Das Anwendungsgebiet des Richtlinienvorschlags betrifft Batterien und Akkumulatoren aller Arten, jeder Größe und Kategorie. Ausgeschlossen sind Produkte, die im Bereich der nationalen Sicherheit, der Raumfahrtforschung sowie der militärischen Forschungsprogramme verwendet werden. Obwohl sich der Ausschuss der Gründe für die genannten Ausnahmen bewusst ist, würde er es doch begrüßen, dass den Mitgliedstaaten — aufgrund der Bedeutung des Sektors der Batterien und Akkumulatoren für den Bereich der Verteidigung und der Sicherheit — die Verantwortung zugewiesen würde, aufgrund eigener Methoden und Verfahren eine angemessene Behandlung in puncto Verwendung, Sammlung und Recycling zu gewährleisten, um auch in diesem Bereich ein hohes Maß an Gesundheits- und Umweltschutz zu gewährleisten.

3.10

Der Ausschuss hält es im Interesse der Einheitlichkeit der EU-Rechtsetzung für wichtig, dass in allen Richtlinien die gleichen Definitionen verwendet werden. Deshalb sollte die Definition des „Herstellers“ in dem Vorschlag der Definition der WEEE-Richtlinie entsprechen. Dieser Begriffsbestimmung zufolge ist ein Hersteller derjenige, der Elektro- oder Elektronikgeräte unter seinem Markennamen herstellt und verkauft bzw. gewerblich in einen Mitgliedstaat einführt oder ausführt. Außerdem wird auf die Bedeutung des Prinzips der Individualhaftung eines jeden „Herstellers“ für die Inverkehrbringung sowie auf die Garantien hingewiesen, die die „Hersteller“ für die nationalen Register für die Sammlung, die Behandlung und das Recycling von Altbatterien sowie Industrie-, Auto- und Gerätebatterien erbringen müssen. Darüber hinaus soll jedoch jeder Akteur der Entsorgungskette — Kommunen, Einzelhändler, Verbraucher, Hersteller und Importeure sowie staatliche Behörden — für seine Beteiligung am Vorgang verantwortlich sein.

3.11

Der Ausschuss unterstreicht, dass die Sammelsysteme möglichst mit den im Zuge anderer Richtlinien — insbesondere der WEEE-Richtlinie — geschaffenen Systemen übereinstimmen oder weitgehend ähnlich sein sollten. Der Ausschuss hält die vorgeschlagenen Sammelquoten (Gramm pro Jahr/pro Kopf) für annehmbar, die für alle Altbatterien und -akkumulatoren und Altgerätebatterien fünfeinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie erreicht werden müssen. Sammlung und Recycling von Autobatterien und Industrieakkumulatoren erfolgen mittels der bereits bestehenden, wirkungsvollen Systeme — Rückgabeverträge und Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge. Bezüglich der Sammelquote für NiCd-Batterien — insbesondere des Typus Gerätebatterien — scheint das angestrebte Ziel von 80 % in fünf Jahren vielleicht zu optimistisch und nicht ohne Weiteres nachprüfbar zu sein.

3.12

Der Ausschuss hält allerdings eine Verlängerung dieser Frist für Bergregionen, ländliche sowie dünn besiedelte Gebiete und für Inselregionen um weitere drei Jahre für angezeigt. Ebenso hält er die Anwendung besonderer Maßnahmen für die neuen Mitgliedstaaten für empfehlenswert.

3.13

Bezüglich der vorgeschlagenen Recycling-Anforderungen teilt der Ausschuss die Ansicht, dass grundsätzlich alle Batterien wiederverwendet werden sollen — außer jenen, die dafür nicht geeignet und die als gefährliche Abfälle einzustufen sind. Alle gesammelten und für das Recycling geeigneten Batterien sollten nach den besten verfügbaren Technologien, die keine unzumutbaren Kosten verursachen (BATNEEC (11)), aufgearbeitet werden. Das angegebene Ziel einer Recyclingeffizienz von 55 % (65 % für Blei und 75 % für Cadmium) in Bezug auf das durchschnittliche Gewicht der enthaltenen Materialien scheint geeignet zu sein, einen ausreichenden Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen, dem technologischen Fortschritt angepassten Arten von Recycling zu gewährleisten.

3.14

Was die Finanzierungssysteme betrifft, so müssen nach Auffassung des Ausschusses alle Akteure des Marktes die Möglichkeit haben, den Kunden und Endverbrauchern die von ihnen übernommenen Kosten anzuzeigen, genauso wie die öffentlichen Akteure die ihnen entstandenen Kosten den Bürgern durch die Abfallgebühren anzeigen. Die „Hersteller“ von Gerätebatterien sind für die Finanzierung des Transports von den zentralen Sammelstellen zu den Lagerstätten und für das Recycling verantwortlich. Was die Finanzierung von Sammlung, Behandlung und Recycling von Auto- und Industriebatterien und -akkumulatoren betrifft, müssen Hersteller und Kunden in der Lage sein, Kostenverteilungsverträge abzuschließen. Im Falle der Ausfuhr in andere Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten gemäß Artikel 16 wäre es nach Ansicht des Ausschusses sinnvoll, eventuelle transportbedingte externe Effekte zu berücksichtigen.

3.15

Für den Ausschuss ist es mit Blick auf das Erreichen der Binnenmarktziele sowie den vorgeschlagenen Umwelt- und Gesundheitsschutz von grundlegender Bedeutung, dass angemessene Maßnahmen in den Bereichen Information, Bildung und Beteiligung der Verbraucher und Bürger bereits im Schul- und Vorschulalter ergriffen werden.

3.15.1

Wie das Beispiel verschiedener nordeuropäischer Länder zeigt, scheint sich ein Anstieg des Verkaufspreises in keiner Weise auszuwirken. Würde man indes alle Kosten für Sammlung und Recycling von Altgerätebatterien auf die Verbraucher umlegen, so wurde berechnet, dass der „zusätzliche jährliche Kostenaufwand pro Familie zwischen ein und zwei Euro“ betragen würde.

3.15.2

Vor allem stellt sich das Problem umfassender Information und stärkerer Verbrauchersensibilisierung. Der Ausschuss empfiehlt diesbezüglich, dass außer Informationskampagnen auf nationaler und lokaler Ebene spezifische Initiativen auf Ausbildungsebene vorzusehen sind, die ab dem Schulalter auf spielerische Art und Weise für ein stärkeres Engagement bei der Sammlung von Batterien und Altgerätebatterien werben und den Aspekt der Kenntnisse von Markenkennzeichnung von Produkten vertiefen. Die wirtschaftlichen Akteure der Produktions- und Verteilungskette müssten klare und einfache Hinweise über die Lebensdauer und die Fristen für die Entsorgung in entsprechenden Sammelstellen geben.

3.15.3

Möglichkeiten der aktiven Einbeziehung der Verbraucher könnten auch durch Anreizmechanismen erprobt werden, wie z.B. Preiswettbewerbe mittels Sammelpunkten, die durch die Rückgabe von Altbatterien erhältlich sind, oder sonstige wirtschaftliche Anreize.

3.16

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass der Dreijahresbericht über die Durchführung der Richtlinie und ihre Auswirkungen auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sowie auf den Umwelt- und Gesundheitsschutz nicht nur durch die Zusammenfassungen der nationalen Berichte, sondern auch durch die Angaben der auf Gemeinschaftsebene organisierten Hersteller- und Verbraucherverbände sowie durch ein Kapitel zum technischen und technologischen Fortschritt in diesem Bereich ergänzt werden sollte. Diese Berichte sollten dem Ausschuss vorgelegt werden.

4.   Schlussfolgerungen

4.1

Der Ausschuss unterstreicht die Bedeutung eines kohärenten Rechtsrahmens mit harmonisierten Normen zur Gewährleistung eines höheren Umweltschutzniveaus in einem wettbewerbsfähigen Binnenmarkt für Batterien und Akkumulatoren.

4.2

Der Ausschuss betont ferner, wie wichtig es ist, Nachhaltigkeit und Innovationsfähigkeit eines Wachstumsmarkts zu erhalten, ohne den technischen und technologischen Fortschritt durch Überregulierung zu behindern. Dies ist sowohl unter dem Aspekt der Verlängerung des Lebenszyklus der Produkte — und folglich der Verringerung von Altprodukten —, als auch unter dem Aspekt der Verbessung von Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Sicherheit zu sehen, die u.a. aufgrund des wachsenden Bedarfs an Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie erforderlich ist.

4.3

Der Ausschuss betont, dass das Ausufern von Bestimmungen und Verfahren und der daraus resultierenden Risiken bürokratischer Auflagen und der Beeinträchtigung der Entwicklung innovativer Produkte verhindert werden müssen.

4.4

Der Ausschuss hält es auch für machbar und vereinbar, eine Rechtsgrundlage zu wählen, die sich für genau gekennzeichnete Abschnitte der Richtlinie sowohl auf Artikel 95 beziehungsweise Artikel 175 stützt. Nichtsdestotrotz würde er es aus Gründen eines hohen Umweltschutzniveaus in einem für alle offenen Binnenmarkt vorziehen, sich weitgehend auf Artikel 95 zu stützen. Dabei sind die in folgenden Absätzen zugesicherten Möglichkeiten entsprechend zu berücksichtigen: Absatz 3 (hohes Schutzniveau); Absatz 5 und 6 (Einführung oder Aufrechterhaltung eines hohen Schutzniveaus).

4.5

Der Ausschuss betont, dass die Sammel-, Recycling- und Registrierungssysteme an die WEEE-Richtlinie angepasst werden sollten, um einen übermäßigen bürokratischen Aufwand oder Überschneidungen zu vermeiden.

4.6

Der Ausschuss verweist auf die Bedeutung des Grundsatzes der Individualhaftung eines jeden „Herstellers“ für die Inverkehrbringung sowie auf die Garantien, die die „Hersteller“ für die nationalen Register — gemäß einheitlichen Registrierungssystemen — erbringen müssen. Ferner soll jeder Akteur der Entsorgungskette — Kommunen, Einzelhändler, Verbraucher, Hersteller und Importeure sowie staatliche Behörden — für seine Beteiligung am Vorgang verantwortlich sein.

4.7

Der Ausschuss teilt die Ansicht, dass grundsätzlich alle Batterien wiederverwendet werden sollen — außer jenen, die dafür nicht geeignet und die als gefährliche Abfälle einzustufen sind. Alle gesammelten und für das Recycling geeigneten Batterien sollten nach den besten verfügbaren Technologien, die keine unzumutbaren Kosten verursachen (BATNEEC (12)), aufgearbeitet werden.

4.8

Was die Finanzierungssysteme betrifft, so müssen nach Auffassung des Ausschusses alle Akteure des Marktes die Möglichkeit haben, den Kunden und Endverbrauchern die von ihnen übernommenen Kosten anzuzeigen.

4.9

Für den Ausschuss ist es mit Blick auf das Erreichen der Binnenmarktziele sowie den vorgeschlagenen Umwelt- und Gesundheitsschutz von grundlegender Bedeutung, dass angemessene Maßnahmen in den Bereichen Information, Bildung und Beteiligung der Verbraucher und Bürger bereits im Schul- und Vorschulalter ergriffen werden.

4.10

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass der Dreijahresbericht über die Durchführung der Richtlinie und ihre Auswirkungen auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sowie auf den Umwelt- und Gesundheitsschutz auch dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss aufgrund dessen geeigneten Verbindungen zur organisierten Zivilgesellschaft vorgelegt werden sollte.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  ABl. L 242 vom 10.9.2002.

(2)  Stellungnahme CESE 1601/2003 vom 10./11. Dezember 2003.

(3)  ABl. L 269 vom 21.10.2000.

(4)  ABl. L 37 vom 13.2.2003.

(5)  Stellungnahmen CESE 289/1998 vom 26.2.1998, CESE 1407/2000 und CESE 937/2003 vom 17. Juli 2003.

(6)  KOM(2003) 453 endg. vom 1.8.2003.

(7)  CESE 505/2004.

(8)  Richtlinie 91/157/EWG des Rates in ABl. L 78 vom 26.3.1991, geändert durch Richtlinie 98/101/EG der Kommission in ABl. L 1 vom 5.1.1999, mit Bezug auf:

Richtlinie 93/86/EWG der Kommission in ABl. L 264 vom 23.10.1993.

Entscheidung 2000/532/EG der Kommission in ABl. L 226 vom 6.9.2000.

Mitteilung der Kommission KOM(2003) 301.

Mitteilung der Kommission KOM(2003) 302.

(9)  Richtlinie 2002/95/EG vom 27. Januar 2003 in ABl. L 37 vom 13.2.2003 — Stellungnahme des EWSA in ABl. C 116 vom 19.12.2001.

(10)  ABl. L 78 vom 26.3.1991.

(11)  BATNEEC = best available technology not entailing excessive cost.

(12)  BATNEEC = best available technology not entailing excessive cost.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/10


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft“

(KOM(2003) 847 endg. — 2003/0333 (COD))

(2004/C 117/03)

Der Rat beschloss am 22. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft“ (KOM(2003) 847 endg. — 2003/0333 (COD)).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 5. April 2004 an. Berichterstatterin war Frau SÁNCHEZ MIGUEL.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 28. April) mit 97 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Richtlinie 76/464/EWG des Rates vom 4. Mai 1976 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft kodifiziert werden (1). Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind (2). Der Vorschlag behält den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hält es für sinnvoll, sämtliche einschlägigen Rechtsakte in einer Richtlinie zusammenzufassen. Im Zusammenhang mit dem „Europa der Bürger“ ist es ein wichtiges Anliegen des Ausschusses und der Kommission, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und klarer zu gestalten, damit es für die Bürger besser verständlich und zugänglicher wird, ihnen neue Möglichkeiten eröffnet und sie die spezifischen Rechte, die es ihnen zuerkennt, besser in Anspruch nehmen können.

2.2

Es ist gewährleistet, dass diese kodifizierte Fassung keine materiellen Änderungen aufweist und lediglich dazu dient, das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu machen. Der Ausschuss befürwortet diese Zielsetzung voll und ganz und unterstützt angesichts der genannten Gewährleistung den Vorschlag.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  Durchgeführt im Einklang mit der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Kodifizierung des Acquis communautaire“ (KOM(2001) 645 endg.).

(2)  Siehe Anhang II, Teil A dieses Vorschlags.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/11


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Süßwasser, das schutz- oder verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten“ (kodifizierte Fassung)

(KOM(2004) 19 endg. — 2004/0002 (COD))

(2004/C 117/04)

Der Rat beschloss am 29. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 und Artikel 251 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Süßwasser, das schutz- oder verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten“ (KOM(2004) 19 endg. — 2004/0002 (COD)).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 5. April 2004 an. Berichterstatterin war Frau SANTIAGO.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 28. April) mit 102 Stimmen bei einer Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Richtlinie 78/659/EWG des Rates vom 18. Juli 1978 über die Qualität von Süßwasser, das schutz- oder verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten, kodifiziert werden (1). Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind (2). Der Vorschlag behält den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind.

2.   Allgemeine Bemerkungen

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hält es für sehr sinnvoll, sämtliche einschlägigen Rechtsakte in einer Richtlinie zusammenzufassen. Im Zusammenhang mit dem „Europa der Bürger“ ist es dem Ausschuss ebenso wie der Kommission ein wichtiges Anliegen, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und klarer zu gestalten, damit es für die Bürger besser verständlich und zugänglicher wird, ihnen neue Möglichkeiten eröffnet und sie die spezifischen Rechte, die es ihnen zuerkennt, besser in Anspruch nehmen können.

3.

Es ist gewährleistet, dass diese kodifizierte Fassung keine materiellen Änderungen aufweist und lediglich dazu dient, das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu machen. Der Ausschuss befürwortet diese Zielsetzung voll und ganz und unterstützt angesichts der genannten Gewährleistung den Vorschlag.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  Im Einklang mit der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Kodifizierung des Acquis communautaire, KOM(2001) 645 endg.

(2)  Anhang III Teil A dieses Vorschlags.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/12


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein einheitliches Rahmenkonzept zur Förderung der Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen (Europass)“

(KOM(2003) 796 endg.)

(2004/C 117/05)

Der Rat beschloss am 14. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 149 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein einheitliches Rahmenkonzept zur Förderung der Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen (Europass)“ (KOM(2003) 796 endg.).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 6. April 2004 an. Berichterstatter war Herr DANTIN.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 28. April) mit 93 Ja-Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Bereits 1997 verwies die Kommission in ihrem „Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Förderung von alternierenden Europäischen Berufsbildungsabschnitten einschließlich der Lehrlingsausbildung“ (KOM(97) 572 endg.) (1) darauf, dass die Mobilität der Personen im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Binnenmarkts, insbesondere der Schaffung eines Raums ohne Grenzen, eine immer wichtiger werdende Komponente der Unionsbürgerschaft sowie ein Instrument für die interkulturelle und soziale Integration wird.

1.2

Die mangelnde Transparenz der Qualifikationen und Kompetenzen wurde jedoch häufig als Hindernis für die bildungs- oder berufsrelevante Mobilität erachtet und kann gleichzeitig als Hemmnis gesehen werden, das einer Flexibilisierung der Arbeitsmärkte in Europa entgegensteht.

1.3

Um diese Sachlage zu ändern, wurde diesen Fragen in den letzten Jahren zunehmende Bedeutung beigemessen.

1.3.1

Auf dem Europäischen Gipfel von Lissabon vom März 2000 wurde in den Schlussfolgerungen des Vorsitzes eine größere Transparenz bei den Befähigungsnachweisen als eine der drei Hauptkomponenten eines Konzepts identifiziert, durch das ein besseres Gleichgewicht zwischen den Bildungs- und Ausbildungssystemen und dem neu entstehenden Bedarf der Wissensgesellschaft an mehr und qualifizierterer Beschäftigung wie auch an lebenslangem Lernen erreicht werden soll.

1.3.2

Zwei Jahre später legte der Europäische Rat von Barcelona insbesondere fest, dass die europäischen Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung bis 2010 zu einer weltweiten Qualitätsreferenz werden sollen. Hierfür forderte er weitere Maßnahmen zur Gewährleistung der Transparenz der Diplome und Befähigungsnachweise durch Einführung geeigneter Instrumente.

1.3.3

Zu diesem Zweck rief die Mitteilung der Kommission über einen Aktionsplan für Qualifikation und Mobilität (KOM(2002) 72 endg.) dazu auf, Instrumente zur Förderung der Transparenz und Übertragbarkeit der Qualifikationen zu entwickeln und auszubauen, um die Mobilität innerhalb der und zwischen den Wirtschaftszweigen zu erleichtern; auch sollte als Teil eines umfassenderen europäischen Netzes eine Website zur Mobilität als einheitliche europäische Anlaufstelle für einschlägige Informationen eingerichtet werden, um den Bürgern vollständige und leicht zugängliche Informationen über Schlüsselaspekte von Beschäftigung, Mobilität, Lernmöglichkeiten und Transparenz der Qualifikationen in Europa zur Verfügung zu stellen. Ferner forderte die Entschließung des Rates über Qualifikation und Mobilität vom 3. Juni 2002 zu einer stärkeren Zusammenarbeit auf, damit unter anderem ein Rahmen für die Transparenz und Anerkennung von Qualifikationen auf der Grundlage der vorhandenen Instrumente entwickelt werden kann.

1.3.4

Diese verstärkte Zusammenarbeit wurde in der beruflichen Bildung eingeleitet. Nach dem Vorbild des „Bologna-Prozesses“ in der Hochschulbildung stützt sich dieser Prozess auf zwei Strategiepapiere, die Erklärung von Kopenhagen vom 30. November 2002 und die Entschließung des Rates vom 19. Dezember 2002 zur Förderung einer verstärkten Zusammenarbeit bei der beruflichen Bildung.

1.3.4.1

Die Erklärung von Kopenhagen verlangte ausdrücklich Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz in der beruflichen Bildung durch die Einführung und Rationalisierung von Informationsinstrumenten und -netzen, einschließlich der Einbindung von bestehenden Instrumenten — wie des europäischen Musters für Lebensläufe, Zusätzen zu Diplomen und Qualifikationsnachweisen, des gemeinsamen europäischen Bezugsrahmens für den sprachlichen Bereich sowie des EUROPASS — in einen einheitlichen Rahmen.

1.4

Der jetzige Vorschlag für eine Entscheidung stellt das in der Entschließung des Rates vom 19. Dezember 2002 geforderte einheitliche Rahmenkonzept für die Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen auf und sieht angemessene Umsetzungs- und Unterstützungsmaßnahmen vor.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt insgesamt den Inhalt des jetzigen Vorschlags für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates.

2.1.1

Er teilt die Auffassung, dass eine verbesserte Transparenz bei Qualifikationen und Kompetenzen die Mobilität in Europa zu Zwecken des lebenslangen Lernens erleichtern und gleichzeitig zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden allgemeinen und beruflichen Bildung beitragen wird. Auch wird sie die Mobilität zu beruflichen Zwecken zwischen den Ländern und den Wirtschaftsbereichen fördern und dadurch die persönliche Entfaltung der Bürger unterstützen.

2.1.1.1

Somit wird dieses Instrument durch Erleichterung der Übertragbarkeit der Qualifikationen zu einem Bestandteil der Beschäftigungspolitik und der Beschäftigungsentwicklung. Indem es den europäischen Bildungsraum um eine zusätzliche Dimension erweitert, stellt es ein die Unionsbürgerschaft stärkendes Element dar, das gleichzeitig zur Vertiefung des Binnenmarktes beiträgt.

2.2

Der Ausschuss billigt grundsätzlich die praktische und konkrete Umsetzung dieser Orientierung, die in der Schaffung eines Dokuments bestehen würde, das eine Beschreibung und Zertifizierung der Fähigkeiten und Qualifikationen enthält, die der Zeugnisinhaber entweder über eine Aus- oder Weiterbildung oder durch Berufserfahrung erworben hat.

2.2.1

Dieses Portfolio, ein einheitliches Rahmenkonzept, wird Folgendes umfassen:

den vom CEDEFOP erarbeiteten „europäischen Lebenslauf“;

das „Sprachenportfolio“, das die Präsentation der sprachlichen Kompetenzen harmonisiert;

den „Diplomzusatz“, der den Ausbildungsgang beschreibt, um Entsprechungen und somit die Mobilität zu erleichtern;

die „Zeugniserläuterung“, die im Bereich der beruflichen Qualifikationen dasselbe Ziel wie der „Diplomzusatz“ verfolgt;

und schließlich den „Europass Berufsbildung“, der als Namensgeber für den jetzigen Vorschlag diente und der beschreibt, welche Kompetenzen bei einer in einem anderen Mitgliedstaat absolvierten alternierenden Berufsbildung erworben wurden. Dieses Dokument wird damit in „MobiliPass“ umbenannt.

Zu diesen Europass-Dokumenten können noch alle weiteren Dokumente hinzukommen, die von der Kommission nach Rücksprache mit den nationalen Europass-Agenturen gebilligt wurden.

2.3

Der Ausschuss billigt des Weiteren die Forderung, dass jeder Mitgliedstaat eine nationale Europass-Agentur (Europass National Agency – ENA) benennt, die auf nationaler Ebene für die Koordinierung aller in dieser Entscheidung vorgesehenen Tätigkeiten zuständig ist und erforderlichenfalls vorhandene Stellen ersetzt, die derzeit ähnliche Aufgaben wahrnehmen, beispielsweise die „Anlaufstellen“.

2.3.1

Diese Agenturen können als regelrechte „einzige Anlaufstellen“ für den genannten Bereich betrachtet werden, da sie gleichzeitig folgende Aufgaben haben:

Sie koordinieren in Zusammenarbeit mit den relevanten nationalen Stellen die Tätigkeiten in Verbindung mit der Bereitstellung oder Ausgabe der Europass-Dokumente;

sie fördern die Benutzung der Europass-Dokumente, auch über internetbasierte Dienste;

sie stellen sicher, dass die einzelnen Bürger angemessen über den Europass und seine Dokumente informiert und beraten werden;

sie informieren und beraten die Bürger über Lernangebote in ganz Europa, über die Struktur der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung und über sonstige Fragen in Verbindung mit lernrelevanter Mobilität;

sie verwalten auf nationaler Ebene die finanzielle Unterstützung der Gemeinschaft für alle von Europass betroffenen Tätigkeiten.

2.3.2

Der Ausschuss begrüßt ferner die Einsetzung eines europäischen Netzes nationaler Europass-Agenturen, die von der Kommission koordiniert werden. Ein solches Netz wird die Weiterleitung von Informationen und bewährten Praktiken von einem Mitgliedstaat in einen anderen erleichtern, was zu besserer Qualität und Wirksamkeit der Arbeit der einzelnen Agenturen führen kann.

2.4

Durch die Integration der vorhandenen Instrumente in einem koordinierten Rahmen, der in jedem Land durch eine einzige Stelle, die auf europäischer Ebene vernetzt ist, gefördert und begleitet und auf nationaler und europäischer Ebene durch geeignete Informationssysteme unterstützt wird, werden diese Dokumente insgesamt leichter zugänglich, kohärenter und besser bekannt. Ein abgestimmtes Portfolio von Dokumenten hat eine stärkere Kommunikationswirkung als eine Sammlung separater Dokumente. Es handelt sich dabei um einen Pass, mit dessen Hilfe sich die Qualifikationen der Bürger besser lesen und vermitteln lassen.

2.5

Der Ausschuss stellt mit Interesse fest, dass der Inhalt dieser Entscheidung in Richtung des im Februar 2002 von den Sozialpartnern vereinbarten Aktionsrahmens für die lebenslange Entwicklung von Kompetenzen und Qualifikationen geht. Denn für den genannten Bereich forderten die Sozialpartner — über die vorrangigen Aktionen in Verbindung mit der Anerkennung und Validierung der Kompetenzen und Qualifikationen hinaus — mit Nachdruck eine Verbesserung von Transparenz und Übertragbarkeit als Mittel zur Erleichterung der geografischen und beruflichen Mobilität und zur Erhöhung der Effizienz der Arbeitsmärkte.

2.5.1

Wie aus dem Dokument der Kommission hervorgeht, müssen die Sozialpartner bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle spielen und sollten in ihre Durchführung einbezogen werden. Der Beratende Ausschuss für die Berufsausbildung, dem Vertreter der Sozialpartner und der Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten angehören, ist regelmäßig über die Durchführung der Entscheidung zu unterrichten.

2.5.2

Dieser Punkt muss in den Evaluierungsbericht über die Durchführung dieser Entscheidung aufgenommen werden, den die Kommission alle vier Jahre dem Europäischen Parlament und dem Rat unterbreitet.

2.5.3

Dieser Bericht ist zugleich integraler Bestandteil und logische Folge dieser Entscheidung und ihrer Durchführung. Folglich wünscht der Ausschuss, zu gegebener Zeit um Stellungnahme zu diesem Bericht ersucht zu werden.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Der Vorschlag für eine Entscheidung sieht vor, zusätzlich zu den europäischen Instrumenten auch transparenzbezogene Instrumente in das Portfolio aufzunehmen, die anderenfalls auf nationaler und Branchenebene ausgearbeitet und von der Kommission nach Rücksprache mit den nationalen Europass-Agenturen gebilligt würden (siehe 2.2).

3.1.1

Bezüglich dieses Punktes ist der Ausschuss der Auffassung, dass dieser Prozess, die ihn leitenden Kriterien, seine Funktionsweise sowie insgesamt alle zu dieser Integration beitragenden Elemente undurchsichtig, da nicht genau festgelegt sind. Es erscheint erforderlich, den erläuternden Aspekt dieses Ansatzes besser auszuarbeiten und „transparenter“ zu gestalten.

3.2

Der Ausschuss unterstreicht die Bedeutung, die den auf europäischer, nationaler und sektoraler Ebene durchzuführenden Informations- und Kommunikationskampagnen zukommen muss.

3.2.1

Das untersuchte Instrument ist nicht nur für die jungen Erstlings-Stellenbewerber von Interesse, sondern richtet sich an den gesamten Arbeitsmarkt. Die Förderung des Instruments muss daher über die Hochschulkreise hinausgehen, damit auch die mit der Arbeitsplatzsuche und Stellenvermittlung beauftragten Stellen tiefgreifend sensibilisiert werden.

3.2.2

Über die erforderlichen Spezifikationen hinaus muss diese Werbekampagne, um wirksam zu sein, die breite Öffentlichkeit erreichen. Unter diesem Blickwinkel ist die Online-Bereitstellung sämtlicher Elemente dieses Instruments und die Schaffung eines Logos für eine qualifizierende, rasche Visualisierung von vorrangiger Bedeutung.

3.2.3

Der Ausschuss nimmt erfreut zur Kenntnis, dass diese Online-Bereitstellung die Wirksamkeit der Vernetzung der nationalen Europass-Agenturen fördern und gleichzeitig allen Arbeitnehmern, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, potenziellen Zugang ermöglichen wird.

3.2.4

Auch wenn die elektronische Bereitstellung von Europass II von entscheidender Bedeutung ist, um größtmögliche Wirksamkeit zu erreichen, darf sie nicht auf Kosten der Papierträger erfolgen, da ansonsten Arbeitnehmer, die das Internet nicht nutzen können, vom Zugang zu diesem Instrument ausgeschlossen wären.

3.3

Der Ausschuss steht der Erweiterung der Kompetenzen von „Europass Berufsbildung“ positiv gegenüber. Die Umwandlung des „Europass Berufsbildung“ in den „MobiliPass“ führt nämlich zu einer inhaltlichen Änderung, da sie über die alternierende Berufsbildung hinausgreift. So können andere Ausbildungsarten aufgenommen werden, wie etwa das Programm ERASMUS oder allgemeiner sämtliche Gemeinschaftsprogramme im Bereich der Bildung und Ausbildung. Dadurch wird er ein vollständigeres Bild der im Rahmen der innereuropäischen Mobilität erworbenen Kenntnisse vermitteln.

3.4

In Bezug auf die Finanzierung entspricht das vorgesehene Budget in etwa den Haushaltsmitteln, die in den vergangenen Jahren für den „Europass Berufsbildung“ bereitgestellt wurden, und zwar trotz der erhöhten Kosten dieses Instruments und der Erweiterung der Europäischen Union auf 25 Mitgliedstaaten. Dieses Budget wird nur für die Jahre 2005 und 2006 festgestellt, da in den darauffolgenden Jahren „keine nennenswerte Erhöhung“ zu erwarten ist.

3.4.1

Der Ausschuss schlägt vor, nicht erst 2010 — das Jahr der Vorlage des Bewertungsberichts vor dem Parlament und dem Rat — abzuwarten, sondern schon von 2007 an eine finanzielle Bewertung über zwei Betriebsjahre vorzunehmen, um vor dem Hintergrund dieser Bewertung die Haushaltsmittel für die Jahre 2007 und danach festlegen zu können.

4.   Schlussfolgerungen

4.1

Der Ausschuss nimmt den jetzigen Vorschlag insgesamt erfreut zur Kenntnis.

4.2

Das vorgestellte Instrument fügt sich, sowohl was die Grundsätze als auch ihre Durchführung betrifft, kohärent als logische Folge in eine Reihe von Orientierungen und Beschlüssen ein, die im Rahmen des Europäischen Rates von Lissabon und Barcelona als auch in der Erklärung von Kopenhagen von November 2002 festgelegt wurden.

4.3

Eine verbesserte Transparenz der Qualifikationen und Kompetenzen wird die Mobilität sowohl zu beruflichen als auch zu Bildungs- und Ausbildungszwecken in ganz Europa erleichtern.

4.4

Dieses Instrument wird zu einem Bestandteil der Beschäftigungspolitik und der Beschäftigungsentwicklung. Indem es den europäischen Raum für Lernen, Bildung und Ausbildung um eine zusätzliche Dimension erweitert, wird es außerdem zur Stärkung der Unionsbürgerschaft sowie zur Vertiefung des Binnenmarktes beitragen.

4.5

Der Ausschuss steht der Einrichtung einer nationalen Europass-Agentur in jedem Mitgliedstaat, die als regelrechte „einzige Anlaufstellen“ für den genannten Bereich betrachtet werden können, positiv gegenüber.

4.6

Die Sozialpartner müssen an der Umsetzung dieses Instruments beteiligt werden.

4.7

Der jetzige Vorschlag würde an Präzision gewinnen, wenn darin klar dargelegt würde, welches die Funktionsweise und die Kriterien sind, um zu bestimmen, welche auf nationaler und sektoraler Ebene erarbeiteten Instrumente in das Portfolio Europass III aufgenommen werden könnten.

4.8

Der Ausschuss hebt hervor, wie wichtig Informations- und Kommunikationskampagnen sowie die Online-Bereitstellung aller Elemente dieses Instruments sind, damit der genannte Prozess erfolgreich sein wird.

4.9

Der Ausschluss schlägt vor, nach Ablauf von zwei Betriebsjahren eine finanzielle Bewertung vorzunehmen.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 635/98 vom 29. April 1998 — Berichterstatter: Herr DANTIN — (ABl. C 214 vom 10.7.1998).


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/15


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich des Ortes der Dienstleistung“

(KOM(2003) 822 endg. — 2003/0329 (CNS))

(2004/C 117/06)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 13. Januar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich des Ortes der Dienstleistung“ (KOM(2003) 822 endg. — 2003/0329 (CNS)).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten des Ausschusses beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 14. April 2004 an. Berichterstatter war Herr BURANI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 28. April) mit 99 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Am 23. Dezember 2003 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates (1) zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG, der so genannten Sechsten Richtlinie, bezüglich des Ortes der Dienstleistung vor.

1.2

Dieser Richtlinienvorschlag, mit dem der Ort der Besteuerung von Dienstleistungen, die Steuerpflichtige einander erbringen, geändert werden soll, ist Teil des Arbeitsprogramms der Kommission für ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes.

1.3

Am 7. Juli 2000 verabschiedete die Europäische Kommission eine Mitteilung, in der ihre „Strategie zur Verbesserung der Funktionsweise des MwSt-Systems im Binnenmarkt“ (2) erläutert wurde. Diese Strategie zielte auf die Erarbeitung eines Aktionsprogramms zur Verwirklichung vier wesentlicher Ziele ab:

Vereinfachung der bestehenden Regeln,

Modernisierung der bestehenden Regeln,

einheitlichere Anwendung der bestehenden Regeln,

Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit.

Der dem EWSA zur Erörterung unterbreitete Vorschlag lässt sich dem zweiten Ziel zuordnen.

1.4

Die Verwirklichung dieser Ziele konnte durch mehrere andere Initiativen der Kommission vorangetrieben werden. So hat, was die Vereinfachung anbelangt, der Rat die Richtlinie 2000/65/EG vom 17.10.2000 verabschiedet, mit der ab dem 1.1.2003 die zuvor den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit abgeschafft wurde, den innergemeinschaftlich tätigen Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat Umsätze tätigen, in dem sie nicht ansässig sind, die Benennung eines Steuervertreters vorzuschreiben.

1.5

Im gleichen Zusammenhang sei lediglich zur Erinnerung die Möglichkeit aller Steuerpflichtigen erwähnt, ihren Verpflichtungen auf elektronischem Wege nachzukommen sowie die Harmonisierung des Inhaltes der Rechnungen, die Zulässigkeit einer elektronischen Rechnung und die Richtlinie über den elektronischen Handel.

2.   Inhalt des Richtlinienvorschlags

2.1   Gegenwärtige Situation

2.1.1

In Artikel 9 der Sechsten Richtlinie wird der Ort der Veranlagung der für die Dienstleistungen erhobenen Mehrwertsteuer definiert. Die Besonderheit dieses Artikels besteht darin, dass in ihm eine allgemeine Grundregel aufgestellt wird, die immer seltener angewendet wird (Artikel 9 Absatz 1), und dass er Ausnahmeregelungen vorsieht, unter die derzeit immer mehr Umsätze fallen (Artikel 9 Absatz 2 und 3):

In Artikel 9 Absatz 1 wird der Ort der Besteuerung der Dienstleistungen als der Ort definiert, an dem der Dienstleistungserbringer ansässig ist. Gemäß der allgemeinen Grundregel werden demnach die Dienstleistungen in dem Land besteuert, in dem der Dienstleistungserbringer seinen Sitz hat.

In Artikel 9 Absatz 2 werden zahlreiche Ausnahmen von dieser Grundregel definiert:

Unter Buchstabe a) wird festgelegt, dass Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück in dem Land besteuert werden, in dem das Grundstück gelegen ist.

Gemäß Buchstabe b) werden Beförderungsleistungen an dem Ort besteuert, an dem die Beförderung nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke jeweils stattfindet.

Unter Buchstabe c) wird festgelegt, dass Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung usw. in dem Land besteuert werden, in dem diese Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden. Dasselbe gilt für Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und Begutachtungen beweglicher körperlicher Gegenstände.

Buchstabe e) enthält eine Aufstellung der Dienstleistungen, bei denen das Land als Besteuerungsland gilt, in dem der Empfänger seinen Sitz hat, sofern der Empfänger ein in einem EU-Mitgliedstaat, jedoch nicht in dem Land des Dienstleistungserbringers ansässiger Steuerpflichtiger oder außerhalb der EU ansässig ist. Diese Dienstleistungen werden in einer vollständigen Liste im Anhang aufgeführt. In der Regel werden sie als „immaterielle Dienstleistungen“ bezeichnet.

Unter Buchstabe f) heißt es, dass bei den unter Buchstabe e) letzter Gedankenstrich genannten Dienstleistungen, d.h. für nicht steuerpflichtige Personen mit Sitz in der EU auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen, als Besteuerungsort der EU-Mitgliedstaat gilt, in dem diese Personen ansässig sind. Hier wurde Artikel 1 der Richtlinie 2002/38/EG vom 7. Mai 2002 Rechnung getragen.

2.2   Die Gründe für die gegenwärtige Situation

2.2.1

Die gegenwärtige Situation der Regelung über den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen, die von einem wenig geläufigen Anwendungsgrundsatz (Besteuerung in dem Land, in dem der Dienstleistungserbringer ansässig ist) und verschiedenen Ausnahmeregelungen (Besteuerung in dem Land, in dem die Dienstleistung erbracht wird, oder Besteuerung in dem Land, in dem der Empfänger ansässig ist) geprägt ist, ist auf die Entscheidungen zurückzuführen, die bei der Verabschiedung der Sechsten Richtlinie gefällt wurden.

2.2.2

Während der vorbereitenden Arbeiten zur Erstellung dieses Textes erklärte die Kommission, dass sie sich der Schwierigkeit gegenüber gesehen habe, die verschiedenen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten harmonisieren zu müssen, die den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen auf unterschiedliche Weise behandelten, wobei einige Mitgliedstaaten den Ort der Niederlassung des Dienstleistungserbringers bevorzugten und andere denjenigen des Dienstleistungsempfängers.

2.2.3

Nach der Verabschiedung der Sechsten Richtlinie, die einen wichtigen Schritt in Richtung Verwirklichung des Binnenmarkts darstellte, musste die Kommission natürlich den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen vereinheitlichen, um das Risiko der Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung bestimmter Umsätze zu begrenzen oder möglichst ganz zu beseitigen. Die von der Kommission im Jahr 1978 getroffene und von allen Mitgliedstaaten befürwortete Wahl erfolgte entsprechend den damals geltenden verschiedenen Rechtsvorschriften und der Art der zu diesem Zeitpunkt am häufigsten vorkommenden Dienstleistungen.

2.3   Die Folgen der gegenwärtigen Situation

2.3.1

Nach Ansicht des Ausschusses — der sich einer weit verbreiteten Meinung anschließt — ergeben sich aus der gegenwärtigen Situation zweierlei Arten von Folgen, die der Entwicklung des Binnenmarkts abträglich sind:

2.3.1.1

Die geltenden Bestimmungen sind sehr komplex und behindern die unbedingt notwendige Vereinfachung der Rechtsvorschriften im Bereich der Mehrwertsteuer. Sie bremsen die Tätigkeit der Unternehmen innerhalb der Union, insbesondere der KMU, und stehen im offensichtlichen Gegensatz zum erklärten Willen der Kommission, die Belastungen der Wirtschaftssubjekte und der Bürger im Allgemeinen zu vereinfachen.

2.3.1.2

Aus den geltenden Vorschriften ergeben sich ungerechte Situationen der Nichtbesteuerung oder der Doppelbesteuerung, die eine Begünstigung der außerhalb der Union ansässigen Unternehmen und eine Benachteiligung der in der Union ansässigen Unternehmen bewirken können. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Anwendung von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e) strikt auf eine erschöpfende Aufzählung von Ausnahmen beschränkt bleibt und eine Ergänzung dieser Liste eine Änderung der Richtlinie voraussetzt, was einen langen und schwer zu vollziehenden Prozess erfordert.

2.3.2

Die Anwendung von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e) lässt es aber zu, Dienstleistungen im Land des Empfängers zu besteuern, sogar dann, wenn der Dienstleistungserbringer außerhalb der EU ansässig ist und umgekehrt von in der Union ansässigen Dienstleistungserbringern erbrachte Dienstleistungen von der Steuer zu befreien, wenn diese für Empfänger erbracht werden, die nicht in der EU ansässig sind. Mit Hilfe dieses Mechanismus kann die Neutralität der Steuer gewahrt werden und können die in der Union ansässigen Unternehmen, die diese Dienstleistungen erbringen, mit den außerhalb der Union niedergelassenen Unternehmen gleichgestellt werden.

2.3.3

Diese Regelung ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben: wenn ein Mitgliedstaat beschließt, sie nicht anzuwenden, insbesondere wenn die betreffende Dienstleistung nicht in der oben genannten Liste aufgeführt wird, so wird bei den von den europäischen Unternehmen „exportierten“ Dienstleistungen die Mehrwertsteuer veranlagt (Ort des Dienstleistungserbringers) und bei den „importierten“ Dienstleistungen nicht, wodurch die Neutralität der Steuer aufgehoben wird und die in der Europäischen Union ansässigen Unternehmen ungebührend benachteiligt werden.

2.4   Die Vorschläge der Kommission

2.4.1

Um dieser Situation abzuhelfen, hat die Kommission den zur Prüfung vorliegenden Richtlinienvorschlag unterbreitet. Darin wird

vorgeschlagen, den Ort der Besteuerung für die unter Steuerpflichtigen erbrachten Dienstleistungen zu ändern (Artikel 9); damit wird nun die Besteuerung der Dienstleistungen im Land des Dienstleistungsempfängers zur allgemeinen Grundregel und

bei dieser Gelegenheit klargestellt (Artikel 1 Absatz 1), dass Dienstleistungen, die innerhalb derselben Körperschaft erbracht werden — d. h. zwischen festen Niederlassungen desselben Unternehmens, auch wenn sie in verschiedenen Ländern niedergelassen sind —, nicht als Dienstleistungen gelten.

2.4.1.1

Nach Auffassung der Kommission könnten mit Hilfe dieser Grundregel die vorgenannten Nachteile beseitigt werden, indem Dienstleistungen, die Steuerpflichtige einander erbringen, grundsätzlich am Ort des tatsächlichen Verbrauchs besteuert werden, der im Allgemeinen mit dem Ort der Niederlassung des Empfängers identisch ist.

2.4.1.2

Was für Nichtsteuerpflichtige erbrachte Dienstleistungen anbelangt, so bleibt der Ort der Besteuerung das Land, in dem der Dienstleistungserbringer ansässig ist.

2.4.2

Was schließlich Steuerpflichtige betrifft, die gleichzeitig der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeiten und nicht steuerpflichtige Tätigkeiten ausüben, so schlägt die Kommission vor, sie als voll steuerpflichtig zu betrachten, sofern sie Empfänger einer Dienstleistung sind, es sei denn, die von ihnen erworbenen Dienstleistungen sind für den Endverbrauch bestimmt.

2.4.2.1

Durch den neuen Wortlaut von Artikel 9 der Sechsten Richtlinie kann nach Ansicht der Kommission den oben genannten Nachteilen weitgehend begegnet werden.

2.4.3

Ferner sieht der Richtlinienvorschlag eine gewisse Anzahl von Ausnahmen vor:

als Ort der Besteuerung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Immobilien würde das Land beibehalten, in dem die Immobilie liegt,

Hoteldienstleistungen sowie die Autobahnmaut werden ebenfalls in dem Land besteuert, in dem die Immobilien oder Autobahnen liegen,

bei Personenbeförderungsleistungen würden die Steuern nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke in dem Land veranlagt, in dem die jeweilige Dienstleistung erbracht wird,

bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Unterhaltung oder ähnlichen Tätigkeiten gilt als Ort der Besteuerung der Ort, an dem diese Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden. Diese Ausnahme von der Grundregel entspricht der allgemeinen Wirtschaftlichkeit der Steuern und verhindert, dass sich Dienstleistungsunternehmen in den Ländern mit niedrigem Steuersatz niederlassen.

2.4.4

Jedoch werden durch den neuen Wortlaut des Artikels Tätigkeiten auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Bildung aus der Ausnahmeregelung ausgeschlossen, wodurch sie wieder unter die allgemeine Grundregel fallen. Ziel ist es nach Darstellung der Kommission, die Verpflichtungen der Unternehmen zu erleichtern, die in dem für die Wirtschaftsentwicklung grundlegenden Forschungs- und Bildungsbereich tätig sind und bei denen die Gefahr der Abwanderung innerhalb der EU allein aufgrund unterschiedlicher MwSt-Sätze minimal ist.

3.   Bemerkungen und Vorschläge

3.1

Der Ausschuss ist mit dem Ziel des Richtlinienvorschlags und im Allgemeinen dem Wortlaut der neuen Regelung einverstanden, die jedoch noch recht kompliziert erscheint und daher Anlass für die in den folgenden Kapiteln angesprochenen Vorbehalte und Ersuche um Erklärungen geben. Andererseits erkennt er an, dass es sich um ein komplexes Thema handelt, und Vorschriften allgemeiner Natur nicht immer eine Lösung für die verschiedenen Situationen bieten können, denen sich die Unternehmen gegenübersehen.

3.2   Personenbeförderung (Art. 9 b)

3.2.1

Die Kommission schlägt vor, dass als Ort der Erbringung einer Dienstleistung „der Ort [gilt], an dem die Beförderung nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke jeweils stattfindet“. Diese Vorschrift lässt sich nur schwer auslegen: einerseits ist nicht klar, was unter dem „Ort, an dem die Beförderung stattfindet“ zu verstehen ist (Abgangsort? Bestimmungsort?), insbesondere im Falle des Luftverkehrs, und andererseits wird der Zweifel aufgeworfen, ob so viele Mehrwertsteuerteilbeträge zu berechnen sind wie Teilstrecken in den verschiedenen Staaten zurückgelegt werden („nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke“). Wenn es schon schwierig ist, Kriterien für die Beförderung über Land festzulegen, so gestalten sich bei der Beförderung in der Luft oder auf dem Seeweg die Auslegung und Anwendung umso schwieriger. Nach Ansicht des EWSA sollte die Vorschrift umformuliert und klarer gestaltet werden, aber vor allem so überarbeitet werden, dass die Beförderung von Personen genauso wie die Beförderung von Gütern behandelt wird (s. u.a. Artikel 9 e).

3.2.2

Die Kommission erklärt, in diesem Bereich sei gegenüber der derzeitigen Lage nichts verändert worden; der EWSA macht jedoch darauf aufmerksam, dass die anzuwendenden Vorschriften wie oben erwähnt äußerst kompliziert sind. Darüber hinaus werden sie in der Praxis von Fall zu Fall unterschiedlich interpretiert, was zu Auslegungszweifeln und Mehrarbeit für die Steuerpflichtigen und die Behörden führt. In diesem Bereich ist größere Klarheit und Einfachheit erforderlich. Der EWSA regt an, die Form und erforderlichenfalls den Inhalt der Vorschrift von Grund auf zu überarbeiten.

3.3   Spezifische Dienstleistungen für Steuerpflichtige (Art. 9 d)

3.3.1

Die Kommission schlägt vor, diese Dienstleistungen im Land des Dienstleistungserbringers zu besteuern, sofern folgende drei Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

die Dienstleistung wird in dem Mitgliedstaat erbracht, in dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat,

die Dienstleistung erfordert die physische Anwesenheit des Dienstleistungserbringers sowie die des Empfängers,

die Dienstleistung wird unmittelbar für eine natürliche Person zum sofortigen Verbrauch erbracht.

3.3.2

In Bezug auf die dritte Voraussetzung erschiene die Vorschrift dann sinnvoll, wenn unter „natürliche Person“ eine natürliche Person zu verstehen wäre, die einer der Mehrwertsteuer unterliegenden Organisation angehört; in diesem Fall hielte es der EWSA allerdings für nützlich, die achte Richtlinie abzuschaffen und einen grenzüberschreitenden Vorsteuerabzug einzuführen, um den Unternehmen ihre Pflichterfüllung zu erleichtern.

3.3.3

Langfristige (mehr als 30 Tage) Miet- und Leasinggeschäfte fallen nicht in diese Ausnahmekategorie. Diese Geschäfte würden demnach im Gegensatz zur jetzigen Regelung im Land des Empfängers besteuert. Infolge dieser Änderung wäre es bestimmten Empfängern untersagt, die Vorschriften des Vorsteuerabzugs des Landes des Dienstleistungserbringers zu nutzen, wenn diese günstiger als in ihrem eigenen Land sind.

3.3.3.1

Der EWSA stellt jedoch fest, dass in diese Kategorie Geschäfte von großer wirtschaftlicher Bedeutung wie das Leasing von Flugzeugen und die Vermietung von Schiffen fallen: es kann zu einer bedeutenden Einkommensverlagerung zwischen den Staaten kommen, und eine Bilanz ihrer veränderten wirtschaftlichen Vorteile könnte die Unternehmen zu einem Standortwechsel veranlassen.

3.4   Güterbeförderung für Nichtsteuerpflichtige (Art. 9 e)

3.4.1

Gemäß Artikel 9 e gilt als Ort der Erbringung einer solchen Dienstleistung der Abgangsort der Beförderung. Nach Ansicht des Ausschusses muss geklärt werden, welche Kohärenz besteht zwischen der Behandlung der Personenbeförderung — bei der nicht unterschieden wird, ob es sich bei den beförderten Personen um Steuerpflichtige handelt oder nicht, und der „Ort, an dem die Beförderung nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke jeweils stattfindet“ als Besteuerungsort vorgesehen ist — und diesem Artikel, in dem es eindeutig um für Privatpersonen durchgeführte Beförderungen geht.

3.4.2

In Absatz 2 dieses Artikels heißt es, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, keine Steuer auf den Teil der Beförderung zu erheben, der in Gewässern außerhalb des EU-Gebiets durchgeführt wird. Diese Ausnahme mag logisch sein, doch spricht sich der EWSA entschieden dagegen aus, den Mitgliedstaaten die (auch in anderen Artikeln eingeräumte) „Möglichkeit“ zu geben, frei über die Gewährung von Ausnahmen zu entscheiden. In einem Bereich wie dem der Steuern, in dem bei weitem noch keine Harmonisierung erreicht werden konnte, besteht die Gefahr, dass durch diese Entscheidungsfreiheit die bereits vorhandenen Unterschiede in der Behandlung der Steuerzahler noch verstärkt werden.

3.4.3

Für die Anwendung der Vorschrift gelten die obigen kritischen Bemerkungen und Anregungen (Ziffer 3.2.2).

3.5   Elektronisch erbrachte Dienstleistungen für Nichtsteuerpflichtige (Art. 9 g)

3.5.1.

Dieser Artikel sieht vor, dass als Ort von Dienstleistungen, die von einem Dienstleistungserbringer mit Wohnsitz außerhalb der Gemeinschaft erbracht werden, der Ort gilt, an dem der Nichtsteuerpflichtige ansässig ist. Die Kommission hat klargestellt, dass sich außerhalb der EU ansässige Dienstleistungserbringer im Land des Dienstleistungsempfängers zu Mehrwertsteuerzwecken registrieren lassen, die zu zahlende Mehrwertsteuer erheben und an das Land des Dienstleistungsempfängers abführen müssen. Diese Vorschrift würde bis Ende Juli 2006 gelten. Abgesehen von der auf der Hand liegenden Überlegung, dass der Zeitraum bis zu diesem Termin äußerst kurz sein wird und keine Aussage über die zu einem späteren Zeitpunkt zu fällenden Entscheidungen gemacht wird, stellt der EWSA fest, dass eine derartige Vorschrift vielleicht von den „großen“ Erbringern elektronischer Dienstleistungen befolgt werden kann, sie aber von den „kleinen“ oder gelegentlichen Erbringern von Dienstleistungen für Privatpersonen weitgehend umgangen werden dürfte.

3.6   Sonstige Bestimmungen

3.6.1

Die anderen Ausnahmen betreffen die Nichtsteuerpflichtigen, die in dem Text berücksichtigt werden müssen, da der gesamte Artikel 9 geändert wird. Die aktuellen Vorschriften bleiben bestehen und geben keinen Anlass zu Bemerkungen. Der EWSA betont, dass es zwar wünschenswert scheint, in einem späteren Stadium die für Steuerpflichtige und Nichtsteuerpflichtige geltenden Besteuerungsgrundsätze zu harmonisieren, eine solche Änderung jedoch nicht zu schwerfälligeren Formalitäten für die Dienstleistungserbringer oder Verbraucher führen sollte. Diese Entwicklung dürfte es gestatten, auf eine allgemeine Verbreitung der zentralen Anlaufstelle hinzuarbeiten, wie sie bereits bei den auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen existiert.

4.   Schlussfolgerungen

4.1

Als Bemerkung allgemeiner Art stellt der EWSA fest, dass der Richtlinienvorschlag in Bezug auf die Steuerpflichtigen eine weitgehende Annäherung der für den Ort der Besteuerung von Gegenständen geltenden Grundsätze und der auf Dienstleistungen anwendbaren Grundsätze ermöglicht. Dank dieser Entwicklung können die Pflichten der Unternehmen erleichtert und in bestimmten Situationen die in der Gemeinschaft niedergelassenen Unternehmen mit den außerhalb der Union ansässigen Unternehmen gleichgestellt werden, wie dies heute bei der Warenein- und -ausfuhrregelung bereits der Fall ist. Ein solcher Ansatz kann nur befürwortet werden.

4.1.1

Bei dieser Gelegenheit bringt der EWSA den Wunsch zum Ausdruck, dass die Unterschiedlichkeit der Dienstleistungen richtig bewertet und dabei zwischen Dienstleistungen im Interesse der Allgemeinheit und privaten Dienstleistungen unterschieden wird.

4.2

Der Richtlinienvorschlag muss allerdings in manchen Teilen deutlicher formuliert werden; außerdem sollte die Anzahl der „Ausnahmen von den Ausnahmen“ auf ein Minimum reduziert werden, da anderenfalls die Gefahr besteht, einen Bereich, der an und für sich schon komplex genug ist, noch komplizierter zu gestalten. Jedenfalls sind die neuen Vorschriften weit davon entfernt, das von der Kommission allgemein angestrebte Ziel der Vereinfachung zu erreichen. Darüber hinaus sollte der Text überarbeitet werden, um den Auslegungsspielraum der Mitgliedstaaten bei den Bestimmungen und den Spielraum der Selbstentscheidung der Steuerbehörden soweit wie möglich einzuengen.

4.3

Mit den neuen Vorschriften werden die Fälle auf ein Minimum reduziert, in denen der Dienstleistungserbringer verpflichtet ist, sich im Empfängerland zu Mehrwertsteuerzwecken registrieren zu lassen, wodurch das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gefördert wird: Zahlung durch den Steuerpflichtigen und daraus folgendes Recht auf Vorsteuerabzug bei steuerpflichtigen Tätigkeiten.

4.3.1

Bei dem Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft wird das Problem der Kontrollen in den Vordergrund gestellt; um diese Kontrollen zu gewährleisten, schlägt die Kommission vor, das bereits seit 1993 existierende und für Waren geltende MwSt-Informationsaustauschsystem MIAS auch auf Dienstleistungen auszuweiten. Allerdings funktioniert dieses System nur unzureichend, obwohl es bereits seit mehr als zehn Jahren besteht — was die Kommission auch zugibt. Die Kommission ist außerdem der Auffassung, dass die Einbeziehung der Daten über Dienstleistungen in das System der bereits für die Waren vorgesehenen Daten „keine nennenswerte zusätzliche Belastung wäre“. Der EWSA teilt diese Ansicht nicht: nicht nur wäre die zusätzliche Belastung erheblich, sondern es muss angesichts der bereits heute auftretenden Schwierigkeiten dieses Systems auch in Frage gestellt werden, ob der vorgesehene Termin für diese Einbeziehung (2008) eingehalten werden kann.

4.4

Der EWSA legt Wert auf zwei abschließende Überlegungen: Erstens ist die Mehrwertsteuer die Steuer in Europa, bei der die höchste Steuerhinterziehungsrate zu verzeichnen ist, und die Steuerhinterziehung begünstigt einerseits Betrug in großem Maßstab, von dem unter anderem die organisierte Kriminalität profitiert, und verlangt andererseits den Mitgliedstaaten beachtliche Mittel zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ab. Die mit der Einziehung dieser Steuer verbundenen Kosten sind zwar nicht bekannt, aber sicher sehr hoch. Es sollte der Schluss gezogen werden, dass diese Situation nicht den Vorschriften, sondern dem System selbst zuzuschreiben ist; es wäre für die Fachleute an der Zeit, über alternative Systeme nachzudenken, die ein Steueraufkommen gewährleisten, das dem heutigen zumindest gleichkommt, aber weniger kostspielig für die Allgemeinheit sind und eine effizientere Steuereinziehung ermöglichen. Der EWSA hält den Zeitpunkt für gekommen, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten eine „Denkfabrik“ aus Sachverständigen, Wirtschaftlern, Steuerfachleuten und Technikern schaffen, um eine innovative und mutige Lösung zu finden.

4.4.1

Die zweite Überlegung ist sozioökonomischer Natur: Die Anwendung der MwSt mit all ihren angesprochenen Mängeln schafft im Binnenmarkt eine Ungleichbehandlung zwischen Bürgern/Verbrauchern, die das genaue Gegenteil jener Kohäsionspolitik ist, über die gesprochen wird, die jedoch noch zahlreiche Ausnahmen von der Regel zulässt. Eine Überarbeitung der MwSt-Regelungen ist auch in dieser Hinsicht erforderlich.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  KOM(2003) 822 endg. — 2003/0329 (CNS).

(2)  EWSA-Stellungnahme: ABl. C 193 vom 10.7.2001, S. 45.


ANHANG

Verzeichnis der in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c) vorgesehenen Dienstleistungen

c)

als Ort der folgenden Dienstleistungen der Ort, an dem diese Dienstleistungen tatsächlich bewirkt werden:

Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten, einschließlich derjenigen der Veranstalter solcher Tätigkeiten sowie gegebenenfalls der damit zusammenhängenden Tätigkeiten,

Nebentätigkeiten des Transportgewerbes, wie Beladen, Entladen, Umschlagen und ähnliche Tätigkeiten,

Begutachtungen beweglicher körperlicher Gegenstände,

Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen.

Verzeichnis der in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e) vorgesehenen Dienstleistungen

e)

als Ort der folgenden Dienstleistungen, die außerhalb der Gemeinschaft ansässigen Empfängern oder innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistungserbringers ansässigen Steuerpflichtigen erbracht werden, gilt der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort:

Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichen sowie ähnlichen Rechten,

Dienstleistungen auf dem Gebiet der Werbung,

Dienstleistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstige ähnliche Dienstleistungen sowie die Datenverarbeitung und die Überlassung von Informationen,

Verpflichtungen, eine berufliche Tätigkeit ganz oder teilweise nicht auszuüben oder ein unter diesem Buchstaben e) genanntes Recht nicht wahrzunehmen,

Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern,

Gestellung von Personal,

Dienstleistungen von Vermittlern, die im Namen und für Rechnung Dritter handeln, wenn sie bei der Erbringung von unter diesem Buchstaben e) genannten Dienstleistungen tätig werden,

Vermietung von beweglichen körperlichen Gegenständen, ausgenommen Beförderungsmittel,

Telekommunikation. Als Telekommunikationsdienstleistung gelten Dienstleistungen im Zusammenhang mit Übertragung, Ausstrahlung oder Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton sowie von Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder andere elektromagnetische Systeme, einschließlich der damit verbundenen Abtretung oder Einräumung von Nutzungsrechten an Übertragungs-, Ausstrahlungs- oder Empfangseinrichtungen,

der Begriff „Telekommunikationsdienstleistung“ im Sinne der vorliegenden Bestimmung deckt auch die Bereitstellung des Zugangs zu globalen Informationsnetzen ab,

Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen,

elektronisch erbrachte Dienstleistungen, insbesondere die in Anhang L genannten Dienstleistungen.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/21


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/49/EG über die Möglichkeit für bestimmte Mitgliedstaaten Übergangszeiten für eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten anzuwenden“

(KOM(2004) 243 endg. — 2004/0076 (CNS))

(2004/C 117/07)

Der Rat beschloss am 14. April 2004 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/49/EG über die Möglichkeit für bestimmte Mitgliedstaaten Übergangszeiten für eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten anzuwenden“ (KOM(2004) 243 endg. — 2004/0076 (CNS)).

Der Ausschuss beschloss, die Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt mit der Vorbereitung der diesbezüglichen Arbeiten zu beauftragen.

Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 28. April), Herrn BURANI zum Hauptberichterstatter zu bestellen und verabschiedete einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Vorschlag der Kommission

1.1

Der Zweck dieses Vorschlags besteht darin, die Richtlinie 2003/49/EG zu ändern, um Übergangszeiten bezüglich der Anwendung der Richtlinie nach Anträgen von der Tschechischen Republik, Lettland, Litauen, Polen und der Slowakei aufzunehmen.

1.2

Da die Richtlinie am 3. Juni 2003 nach der Unterzeichnung der Beitrittsakte am 16. April 2003 verabschiedet wurde, wurde sie nicht in Kapitel 9 des Anhangs II der Beitrittsakte aufgenommen. Dennoch stellt die Richtlinie einen Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes dar und ist deshalb ab dem Beitrittsdatum anwendbar, d.h. ab dem 1. Mai 2004.

1.3

Im Mai und Juli 2003 wurden die Beitrittsländer förmlich aufgefordert, ihre Anträge für Übergangszeiten zu stellen. Die Tschechische Republik und die Republiken Lettland, Litauen und Polen haben jeweils einen förmlichen Antrag für eine Übergangszeit gestellt.

1.4

Die Bewertung der Anträge auf Ausnahmeregelungen durch die Kommission berücksichtigte:

die derzeitig anwendbaren Quellensteuern in den beantragenden Ländern gemäß ihrer inländischen Steuergesetzgebung;

den in den Doppelbesteuerungsabkommen der beantragenden Ländern vorgesehenen Quellensteuernsatz auf Zinsen- und Lizenzgebühren;

die Auswirkungen einer Abschaffung der Quellensteuern auf den Haushalt, und

die den derzeitigen Mitgliedstaaten gewährten Übergangsregelungen (Griechenland, Portugal und Spanien).

1.5

Unter Berücksichtigung der derzeitigen wirtschaftlichen Lage, ihrer Situation als Kapitalimporteure, des fortlaufenden wirtschaftlichen Übergangs und ihres relativ niedrigen Niveaus von Budgetaufkommen, könnten die Beitrittsländer Haushaltsschwierigkeiten begegnen, sollten sie zur Abschaffung der Quellensteuern auf Zinsen und Lizenzgebühren verpflichtet sein.

1.6

Die Kommission hat die Anträge der Beitrittsländer vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedürfnisse geprüft. Nach diesen Prinzipien sollen alle Übergangsregelungen von kurzer Dauer sein und dem Problem entsprechen, das durch sie gelöst werden soll.

1.7

Auf dieser Grundlage schlägt die Kommission vor, mit Ausnahme der Slowakei, die nur zwei Jahre beantragte, allen antragstellenden Ländern eine Übergangszeit von sechs Jahren für die Anwendung der Richtlinie im Hinblick auf die Besteuerung von Lizenzgebühren zu gewähren, und Lettland und Litauen eine Übergangszeit von sechs Jahren hinsichtlich der Besteuerung von Zinsen zu bewilligen — es wird davon ausgegangen, dass sechs Jahre ausreichend sein sollten, um die entsprechenden Anpassungen zu ermöglichen. Die von Lettland und Litauen erhobene Quellensteuer auf Zinsen darf während eines Zeitraums von vier Jahren 10 % und für die restlichen zwei Jahre 5 % nicht übersteigen.

2.   Standpunkt des Wirtschafts- und Sozialausschusses

2.1

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt, dass die Kommission die Anträge der Beitrittsländer sorgfältig und konsequent bewertet hat.

2.2

Die Richtlinie stellt einen Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes dar und ist deshalb ab dem Beitrittsdatum anwendbar, d.h. ab dem 1. Mai 2004. Ohne Gewährung der Übergangsfrist könnten diese Länder Haushaltsschwierigkeiten begegnen.

2.3

Da einigen der jetzigen EU-Mitgliedstaaten vorübergehende Ausnahmeregelungen gewährt wurden, ist es sowohl grundsätzlich als auch im Hinblick auf diesen Präzedenzfall nur recht und billig, auch den beitretenden Staaten in begründeten Fällen vorübergehende Ausnahmeregelungen zu gewähren.

2.4

Abschließend empfiehlt der EWSA die Annahme dieser Richtlinie, durch die den neuen Mitgliedstaaten ein wichtiges politisches Zeichen für das Engagement für ihre Entwicklung gegeben wird. Um die Beitrittsländer nicht dem Risiko von Haushaltsschwierigkeiten auszusetzen, fordert der EWSA den Rat auf, die Richtlinie so bald wie möglich zu verabschieden.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/22


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Bewertung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung — Sondierungsstellungnahme“

(2004/C 117/08)

Die Kommission ersuchte den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss am 12. November 2003 in einem Schreiben von Frau LOYOLA DE PALACIO gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um eine Sondierungsstellungnahme zum Thema: „Bewertung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Umwelt nahm ihre Stellungnahme am 5. April 2004 an. Berichterstatter war Herr RIBBE, Mitberichterstatter Herr EHNMARK.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28. und 29. April 2004 (Sitzung vom 28. April) mit 77 gegen 23 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

0.   Zusammenfassung

0.1

Seit vielen Jahren gibt es Bestrebungen, die nachhaltige Entwicklung innerhalb der EU zu fördern und nicht-nachhaltige Trends einzudämmen. Auf dem EU-Gipfel von Göteborg wurde eine Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung beschlossen, um diese Bemühungen zu bündeln und zu intensivieren. Die jüngsten Untersuchungen der Europäischen Kommission zeigen jedoch, dass diese Bestrebungen bislang noch nicht ausreichen und dass Europa in diesem Punkt weiterhin vor großen Herausforderungen steht.

0.2

In der vorliegenden Sondierungsstellungnahme, um deren Erstellung der EWSA von der Kommission gebeten wurde, werden die verschiedenen Probleme der EU auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung analysiert und es wird untersucht, wie die EU ihre Strategie der nachhaltigen Entwicklung verstärken müsste. Die Gründe dafür sind vielfältig: unter anderem bestehen innerhalb von Politik und Gesellschaft höchst unterschiedliche Auffassungen darüber, was nachhaltige Entwicklung überhaupt ist und inwieweit unsere derzeitigen Produktions- und Konsumgewohnheiten mit Nachhaltigkeitsgedanken bereits kompatibel bzw. inwieweit sie zu verändern sind, d.h. was also konkret von wem zu tun ist (vgl. Ziffer 2.2).

0.3

Der EWSA sieht eine besondere Aufgabe der überarbeiteten Nachhaltigkeitsstrategie darin, deutlich zu machen, dass die nachhaltige Entwicklung überwiegend positive Änderungen mit sich bringt, wenn die richtigen Maßnahmen und Mittel gewählt werden, die Gesellschaft also insgesamt davon profitiert. Darüber besteht nämlich noch längst kein Konsens: vielmehr werden Zweifel geäußert, ob die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Europas mit einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang gebracht werden kann.

0.4

Der EWSA hat niemals Zweifel daran gelassen, dass eine gesunde Wirtschaft mit prosperierenden Unternehmen die entscheidende Voraussetzung für Arbeit und Umwelt und für gesellschaftliche Fortentwicklung ist, umgekehrt aber auch eine gesunde Wirtschaft mit prosperierenden Unternehmen im Ergebnis immer unmittelbarer von der Qualität und dem Niveau von Arbeit, Umwelt und sozialer Entwicklung abhängt. Es ist bislang nicht gelungen zu vermitteln, dass die nachhaltige Entwicklung in diesem Sinne enorme neue Möglichkeiten schafft. Das liegt u.a. daran, dass viele Fragen, die sich aus diversen Forderungen oder Veröffentlichungen ergeben, noch nicht ausreichend beantwortet sind (vgl. Ziffer 2.2.) Man ist sich über die Konsequenzen unklar, und deshalb macht sich Skepsis breit. Der Kommission wird daher vom EWSA dringend empfohlen, in einem breiten gesellschaftlichen Diskurs mit der organisierten Zivilgesellschaft alle diese grundlegenden Verständnisfragen (vgl. Ziffer 2.3) ausführlich zu diskutieren und zu klären — und zwar unter Einschluss derjenigen Fragen, die bislang mit Tabu belegt sind.

0.5

Nachhaltige Entwicklung bedeutet die Weiterentwicklung der Marktwirtschaft, bedeutet eine noch engere Verknüpfung von Umwelt, Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit mit Fragen der Verteilungs- und Generationengerechtigkeit (vgl. Ziffer 2.1.10). Die Nachhaltigkeitsstrategie muss also weit längere Zeiträume in Betracht ziehen und noch weit mehr Aspekte berücksichtigen, als es die Lissabon-Strategie tut. Bei dieser geht es primär darum, Europa bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum zu entwickeln. Der EWSA beschreibt daher in Ziffer 2.4, wie diese beiden Strategien miteinander in Verbindung stehen und wie sie sich optimal ergänzen können. Er weist aber durchaus auch auf offene Frage hin.

0.6

Die so genannten „freien Marktkräfte“ sind schon heute u.a. durch Umwelt- und Sozialauflagen reguliert und diese Regulierung wird durch die Umsetzung einer konsequenten Nachhaltigkeitspolitik fortgesetzt. Dadurch werden in einigen Bereichen neue Wachstumsschübe ausgelöst, während es bei nicht nachhaltigen Nutzungen zu wirtschaftlichen Einbrüchen kommen wird. D.h. im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung wird es auch darum gehen, nicht nachhaltige Tendenzen entgegenzuwirken. Dabei ist eine Diskussion über Besteuerung, Subventionen, Lizenzen und Regelwerke erforderlich, um die Verwirklichung dieses Nachhaltigkeitsmodells zu gewährleisten.

0.7

Für den EWSA ist es eindeutig, dass die jetzige EU-Nachhaltigkeitsstrategie, die auf dem Gipfel in Göteborg beschlossen wurde, einer Überprüfung unterzogen werden muss, die auf ein größeres Gleichgewicht zwischen den drei Dimensionen „Umwelt“, „Wirtschaft“ und „Soziales“ abzielt (vgl. Ziffer 3.2 ff). Deutlich werden muss in dieser Strategie auch, wie die einzelnen Politiken der EU kohärenter gestaltet werden können (vgl. Ziffer 3.8 ff) und wie entsprechende Nachhaltigkeitsstrategien, die auf nationaler, regionaler und gar lokaler Ebene initiiert werden müssen, miteinander vernetzt werden können (vgl. Ziffer 5).

0.8

Die nachhaltige Entwicklung erfordert nicht nur Änderungen der Produktions- und Verbrauchsweisen innerhalb der EU. Die nachhaltige Entwicklung muss natürlich eine Konsequenz für den internationalen Handel und somit für die WTO haben. Denn eine Politik, die aus Nachhaltigkeitsgründen beispielsweise die Internalisierung aller externen Kosten betreibt und daneben auch noch andere Faktoren berücksichtigt, kann zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen Volkswirtschaften führen, die sich den Nachhaltigkeitsprinzipien nicht oder nur teilweise anschließen. In diesem Fall muss es möglich sein, die sektoralen Nachteile im Handel zu kompensieren. Deshalb fordert der Ausschuss in Ziffer 6 die Kommission auf, die externen Aspekte zu berücksichtigen, was u.a. heißt, entsprechend auf eine Änderung der WTO-Regeln zu drängen.

0.9

Der Erfolg der zukünftigen Nachhaltigkeitsstrategie wird umso wahrscheinlicher sein, je mehr sie möglichst quantifizierbare Ziele und Maßnahmen benennt und wenn sie nachvollziehbare Indikatoren für die Überprüfung der Fortschritte und für die Evaluierung der Wirksamkeit der Politiken festlegt (vgl. Ziffer 7). Das ist bei der Nachhaltigkeitsdebatte schwierig, denn einen Punkt, an dem man sagen kann, dass das Ziel erreicht sei, gibt es nicht. So gesehen ist nachhaltige Entwicklung weniger ein Ziel, als ein Prozess, was die Politik keinesfalls leichter macht. Trotzdem sollte die Politik versuchen, möglichst klare Zielvorgaben zu formulieren und durchaus auch einen Zeitrahmen zu formulieren. Häufig wird dabei deutlich werden, dass es vieler Zwischenschritte bedarf. Der EWSA macht dies am Beispiel der Ziele von Kyoto deutlich.

0.10

Die Politik der nachhaltigen Entwicklung bedarf natürlich auch einer Überprüfung. Vor allem aber braucht sie Transparenz. Denn die nachhaltige Entwicklung ist auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens und breite Unterstützung angewiesen. Dies setzt vielfältiges Wissen voraus. Wissen darüber, was nachhaltige Entwicklung ist und welche Konsequenzen sie haben wird, bzw. welche Konsequenzen zu erwarten wären, wenn wir keine Nachhaltigkeitspolitik betrieben. Schon die Erstellung der neuen Nachhaltigkeitsstrategie, später aber auch die Umsetzung, sollte deshalb in einem breiten politischen Diskurs erfolgen (vgl. Ziffer 8). Der entsprechende partizipative Prozess muss aber gänzlich anders gestaltet werden als dies im Vorfeld von Göteborg der Fall war. Damals waren die Fristen viel zu kurz und ein wirklicher gesellschaftlicher Diskussionsprozess, wie er nun partiell bei der Erstellung dieser EWSA-Sondierungsstellungnahme stattgefunden hat, war damals nicht gegeben.

1.   Vorwort

1.1

Mit Schreiben vom 12.11.2003 bat die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Frau de Palacio, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um die Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zu der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung als Beitrag zu den wichtigsten politischen Orientierungen für eine Überprüfung der Strategie. Der Ausschuss sollte nach Vorstellung der Kommission:

die Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung der wichtigsten Ziele der Strategie für nachhaltige Entwicklung bewerten;

den Bedarf an einer Ausweitung der Strategie einschätzen;

die Folgen der Erweiterung untersuchen;

die Möglichkeit erörtern, eine stärkere Verbindung zu den nationalen Strategien herzustellen;

die Notwendigkeit erörtern, die externen Aspekte und die Folgemaßnahmen zum Johannesburg-Gipfel in die allgemeine Strategie zu integrieren;

die Notwendigkeit der Festsetzung von klareren strategischen Zielen und Indikatoren erörtern;

Überlegungen dazu anstellen, wie das Umsetzungsverfahren verbessert werden kann;

Ideen liefern, wie eine Kommunikationsstrategie für nachhaltige Entwicklung angelegt sein sollte.

1.2

Darüber hinaus soll diese Sondierungsstellungnahme aber auch die laufende interne Debatte innerhalb des EWSA weiter voran bringen, da die organisierte Zivilgesellschaft — auf allen politischen und administrativen Ebenen — entscheidende Impulse liefern und Beiträge leisten muss, um eine dauerhafte Entwicklung zum Wohle der derzeit lebenden und der zukünftigen Generationen Wirklichkeit werden zu lassen.

2.   Bewertung der Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung der wichtigsten Ziele

2.1   Der aktuelle Stand auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung

2.1.1

Für den EWSA besteht kein Zweifel daran, dass das Thema „nachhaltige Entwicklung“ in den letzten Jahren in der politischen Diskussion einen immer wichtigeren Stellenwert gefunden hat. Die grundlegende Bedeutung des Themas ist zweifellos von den Dienststellen der Kommission anerkannt, und auch formal ist die nachhaltige Entwicklung in den Europäischen Verträgen (1) verankert. Der EWSA erwartet eine Stärkung der nachhaltigen Entwicklung als übergeordnetes Ziel durch die zu verabschiedende Verfassung.

2.1.2

Die Kommission kann bei ihren Arbeiten zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung mittlerweile auf eine breite Palette von Initiativen verweisen. Der Versuch der notwendigen Vernetzung von wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Fragestellungen hat in den letzten Jahren eindeutig an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen. Ein Beispiel hierfür ist der Auftrag des Europäischen Rates von Cardiff im Juni 1998 an alle betroffenen Fachräte, umfassende Strategien zur Integrierung der Belange der Umwelt und der nachhaltigen Entwicklung in ihren Politikbereich zu entwickeln (2). Dieser Prozess, um den es aber sehr ruhig geworden ist, kann leider keinesfalls als endgültig erfolgreich abgeschlossen angesehen werden. Die inzwischen initiierte Lissabon-Strategie erwies sich bislang hinsichtlich der nachhaltigen Entwicklung als unzureichend, weshalb — durch den Beschluss des Europäischen Rates von Göteborg — ein Umweltkapitel hinzugefügt werden musste.

2.1.3

Der Europäische Rat hat in Göteborg auf der Grundlage einer Mitteilung der Kommission vier von sechs vorgeschlagenen Themen als vorrangig für die Nachhaltigkeitsdebatte ausgewählt. Diese sind:

Klimaveränderungen

Verkehr

Öffentliche Gesundheit

Natürliche Ressourcen.

Nicht aufgegriffen wurden die Themen „Armutsbekämpfung“ und „Überalterung“, was dazu führt, dass die Nachhaltigkeitsstrategie scheinbar einen Schwerpunkt auf die Umweltdimension legt und sozialen Aspekten weniger Beachtung schenkt. Der EWSA hält dies für ein inadäquates Signal. Seiner Ansicht nach sind diese strukturellen Aspekte von grundlegender Bedeutung für eine langfristige Perspektive, für die Berücksichtigung der globalen Dimension der Strategie und schlussendlich für das Engagement der Bürger hinsichtlich ihrer Verbesserung.

2.1.4

Die Kommission hat damit begonnen, ihre eigene Politik bzw. zumindest Teilpolitiken zu überprüfen, um zu klären, ob man sich bereits auf dem richtigen Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung befindet. Die wohl aktuellste (Teil-)Überprüfung erfolgte mit der Vorlage der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Überprüfung der Umweltpolitik 2003“ (3). Darin wird die Umweltdimension der Nachhaltigkeit beleuchtet, die Kommission kommt zu sehr ernüchternden Ergebnissen (4).

2.1.4.1

In Bezug auf die Klimaschutzpolitik wurde auf dem Gipfel in Göteborg noch angekündigt, bereits „bis 2005 nachweisliche Fortschritte bei der Erreichung“ der Kyoto-Ziele zu erzielen (5). Die Überprüfung der Umweltpolitik kommt aber zum Ergebnis, dass die EU bei Beibehaltung der jetzigen Politik kaum in der Lage sein wird, die Kyoto-Ziele zu erreichen.

2.1.4.2

Auch beim Verkehr gibt es keine Hinweise darauf, dass sich die EU auf dem richtigen Weg zu einer nachhaltigeren Politik befindet. So wird beispielsweise festgestellt, dass die klimaschädigenden Emissionen im Verkehrssektor weiter steigen, und dass besonders in den Beitrittsländern die Trends „nicht ermutigend (seien): Im Schienen- und Busverkehr kam es zu einem starken Rückgang, und im Luft- und PKW-Verkehr waren höhere Wachstumsraten als in der EU zu verzeichnen“ (6).

2.1.4.3

Im Gesundheitsbereich weist die Kommission darauf hin, dass jährlich rund 60.000 Todesfälle in großen Städten der EU wegen überhöhter Luftverschmutzung zu beklagen sind. Jedes 7. Kind leidet an Asthma, die Zahl hat sich in den letzten Jahren drastisch erhöht (7).

2.1.4.4

Bei den natürlichen Ressourcen sind die Aussichten ebenfalls eher noch schlecht. Besonders bei der biologischen Vielfalt sieht die Kommission noch große Probleme innerhalb der EU (8).

2.1.5

Die Kommission kommt im Dezember 2003 letztlich zu dem Ergebnis, dass in den letzten Jahren zwar schon viele Umweltschutzmaßnahmen ergriffen, dennoch aber „die Eindämmung der derzeitigen nicht-nachhaltigen Umwelttrends“ noch nicht ausreichend erfolgte (9). Dies ist sicherlich kein schönes, aber auch kein absolut überraschendes Ergebnis. Denn auch schon 1999 wurde in der Mitteilung der Kommission „Die Umwelt Europas — für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung“ (10) darauf hingewiesen, dass „im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung (...) nur begrenzt Fortschritte erzielt (wurden)“ und dass die „in dieser Mitteilung aufgezeigten Tendenzen dokumentieren (...), dass Europa nicht im Begriff ist, eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten“.

2.1.6

Der EWSA interpretiert dies alles dahingehend, dass wir uns erst am Anfang eines sicherlich nicht einfachen Weges hin zur nachhaltigen Entwicklung befinden. Davon zeugt auch die Tatsache, dass zu einigen der vorrangigen umweltpolitischen Themenbereiche die Kommission erst damit angefangen hat, Papiere zu erarbeiten, die in entsprechenden Fachstrategien münden sollen. Entsprechende Papiere zum Stand der Nachhaltigkeitsdebatte aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht sind dem EWSA bislang nicht bekannt geworden.

2.1.7

Für den EWSA ergibt sich somit derzeit das Bild, dass

die sich in Europa in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung ergebenden Probleme von der Kommission durchaus erkannt werden,

durchaus auch schon in der Theorie wie in der Praxis Instrumente und Maßnahmen entwickelt, diskutiert und z.T. sogar implementiert wurden (u.a. Streichung abträglicher Subventionen, verstärkte Förderung nachhaltiger Verfahren, Internalisierung externer Kosten...),

diese aber nicht konsequent genug angewendet werden.

2.1.8

Der EWSA kann sich deshalb nur der Kommissionsfeststellung anschließen, dass „viele der derzeitigen nicht-nachhaltigen Trends (...) ein Ergebnis der Nicht-Beachtung der Verflechtungen zwischen den einzelnen Sektoren (sind), was dazu führt, dass Politiken in verschiedenen Bereichen gegeneinander arbeiten, statt sich gegenseitig zu unterstützen. Dieser Mangel an Politikkohärenz macht Politiken kostenaufwendiger, weniger effizient und hemmt somit den Fortschritt auf dem Weg zu nachhaltiger Entwicklung“ (11).

2.1.9

Die Erkenntnis der Kommission, dass einige ihrer eigenen Politiken eine nachhaltige Entwicklung eher behindern als fördern, wiegt umso schwerer, als die Kommission selbst sich im Klaren darüber ist, wie unabdingbar in diesem Feld politische Führungsqualitäten sind: „Um die für die nachhaltige Entwicklung erforderlichen Veränderungen zu verwirklichen, bedarf es eines hohen politischen Engagements. Zweifelsohne wird die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft als Ganzes zu Gute kommen, dennoch muss zwischen unterschiedlichen Interessen abgewogen werden. Wir müssen diesem Prozess offen und ehrlich begegnen. Veränderungen in der Politik müssen fair und ausgewogen erfolgen, und engstirnige Interessen einzelner Bereiche dürfen nicht dem Wohlergehen der Gesellschaft als Ganzes vorangestellt werden“ (12).

2.1.10

Dem EWSA fällt auf, dass in den bisherigen Überlegungen der EU zur Nachhaltigkeit zentrale Fragestellungen wie Generationengerechtigkeit (leben wir auf Kosten zukünftiger Generationen?), Verteilungsgerechtigkeit (leben wir auf Kosten anderer Gesellschaften, z.B. der dritten Welt?) oder globale Armutsbekämpfung nicht erkennbar behandelt, zumindest nicht auseichend kommuniziert werden. Diesem Umstand könnte man sicherlich besser begegnen, wenn nicht nur die Umweltdimension, sondern auch die wirtschaftliche und die soziale Dimension seitens der Kommission einer ständigen Überprüfung in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung unterzogen würden. Bereits der Europäische Rat von Stockholm hatte 2001 gefordert, dass „in den nächsten Grundzügen der Wirtschaftspolitik (...) auch die Förderung der nachhaltigen Entwicklung behandelt werden (sollte)“ (13). Eine derartige Behandlung ist allerdings bislang ausgeblieben. Dabei müssten die angesprochenen Fragen genauso intensiv erörtert werden wie die Frage, welche ökologische Konsequenzen es langfristig hätte, wenn unser derzeit praktiziertes Produktions- und Konsumsystem von allen Menschen auf diesem Planeten unverändert übernommen würde (14).

2.1.11

Die Finanzielle Vorausschau 2007-2013 für die EU (15) wäre eine günstige Gelegenheit gewesen, einer nachhaltigen Entwicklung entscheidende Impulse zu geben. Der Ausschuss stellt jedoch fest, dass es nicht ausreicht, bisherige Politiken, die sich durchaus als problematisch für die nachhaltige Entwicklung erwiesen haben, unverändert fortzusetzen und sie zukünftig unter dem Haushaltstitel „Nachhaltiges Wachstum“ zu führen. Er weist darauf hin, dass „Nachhaltige Entwicklung“ und „Nachhaltiges Wachstum“ zunächst zwei unterschiedliche Dinge sind, die sich ergänzen sollten, die aber durchaus auch in Konflikt stehen können (vgl. Ziffer 2.3), weshalb eine eindeutige Differenzierung auch in der finanziellen Vorschau von Nöten ist.

2.2   Wieso sind wir noch nicht entscheidend weiter? Wo liegen die Probleme auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung?

2.2.1

Nach Auffassung des EWSA kommt die nachhaltige Entwicklung aus folgenden Gründen nur unzureichend voran:

es gibt noch keinen Konsens über die Bewertung der derzeitigen Situation, geschweige denn über die zu treffenden Maßnahmen, und zwar weder weltweit, noch in der EU, auch nicht auf nationaler oder auf regionaler bzw. lokaler Ebene;

es herrscht ein hohes Maß an Unklarheit darüber, was nachhaltige Entwicklung überhaupt konkret ist und wie sich die zukünftige Entwicklung von der heutigen Lebenssituation unterscheiden wird, woraus sich Ängste und Widerstand potenziell betroffener Sektoren ergeben;

unklar ist bislang geblieben, wie die Politik zur nachhaltigen Entwicklung im politischen Alltagsgeschäft eingeordnet und organisiert wird und wie die Einbeziehung einer Nachhaltigkeitsperspektive in alle relevanten Politikbereiche konkret aussehen soll;

und ferner, wie der potentielle Konflikt zwischen einer konsequenten Politik zur Förderung der Nachhaltigkeit mit den Bestimmungen beispielsweise des Welthandels (WTO) gelöst werden kann (16).

2.2.2

Der EWSA versteht die Nachhaltigkeitsstrategie als die übergeordnete politische Zielsetzung für die kommenden Jahrzehnte. Alle aktuellen Politiken und Programme müssen sich daran orientieren, sie müssen den langfristigen Nachhaltigkeitszielen entsprechen und diese unterstützen. Dies gilt für die Lissabon-Strategie (s. Ziffer 2.4) ebenso wie für alle anderen, derzeit in Arbeit befindlichen Politikstrategien und Aktionen.

2.2.3

Politisch kann die Kommission dabei auf eine breite Unterstützung der Bevölkerung bauen. Umfragen haben ergeben, dass der Grundsatz der Generationengerechtigkeit und das Ziel, nicht mehr Ressourcen zu verbrauchen, als nachwachsen, von einer sehr breiten Mehrheit in der Bevölkerung geteilt werden, während nur eine Minderheit den Begriff „nachhaltige Entwicklung“ überhaupt schon einmal vernommen hat. D.h. mit der generellen Zielsetzung der Politik, die hinter der nachhaltigen Entwicklung steht, können sich die Menschen identifizieren, mit dem Begriff selbst kann jedoch nur eine kleine Minderheit etwas anfangen. Dies deutet auf ein erhebliches Vermittlungsproblem hin, das gelöst werden muss.

2.2.4

Auf relativ unkonkrete verbale Formeln wie: „Wir müssen zu einer Entwicklung gelangen, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (17) hat man sich schnell geeinigt. Niemand mag sich einer solchen Aussage verweigern.

2.2.5

Auch Formulierungen wie „Man solle die Fehler nicht wiederholen, die wir gemacht haben“ — im Rahmen der Erweiterung der EU häufig verwendet — sind schnell ausgesprochen. Sie bleiben aber folgenlos, wenn man entweder die Fehler nicht beim Namen benennt oder wenn man zwar auf Gegenstrategien verweist, selbige aber nicht anwendet. Die Verkehrspolitik ist ein gutes Beispiel hierfür.

2.2.6

Ein Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie muss es deshalb sein, auf der einen Seite die negativen Trends deutlicher als bisher zu benennen und Gegenmaßnahmen dazu zu entwickeln. Daneben sollten die positiven Beispiele und Entwicklungstrends stärker befördert werden.

2.2.7

Eine Strategie ist definiert als genauer Plan des eigenen Vorgehens, um ein Ziel zu erreichen, wobei diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einkalkuliert werden. Die zukünftige Nachhaltigkeitsstrategie der EU müsste folglich

klare Ziele vorgeben,

die einzelnen Instrumente zur Erreichung des oder der Ziele beschreiben, wozu auch gehört, die jeweiligen Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten genau zu beschreiben,

langfristige Ziele ggf. in Zwischenziele unterteilen, deren Einhaltung bzw. Erreichung anhand verständlicher Indikatoren regelmäßig zu überprüfen ist,

sich den Faktoren widmen, die auf diesem Weg Probleme bereiten könnten und

sicherstellen, dass alle Politikbereiche stets anhand von Nachhaltigkeitskriterien analysiert und bewertet werden.

2.2.8

Nun ist die nachhaltige Entwicklung mehr ein qualitativer Prozess, der nur z.T. klar quantifizierbare, an konkreten Zahlen ablesbare Zielpunkte aufweist. Es wird bei der nachhaltigen Entwicklung — anders als bei vielen anderen Politikbereichen, wo definierbare Zielsetzungen existieren (x % Wachstum, y % Arbeitslosigkeit oder Erreichung des Grenzwerts z) — nie den Punkt geben, zu dem man sagen können wird, nun müsse noch diese oder jene Aktion umgesetzt oder jenes Gesetz beschlossen werden, dann ist das Ziel erreicht. Wenn aber ein politisches Ziel für viele Menschen eher diffus bleibt, ist es umso wichtiger, an ganz konkreten Beispielen aus der erfahrbaren Lebensumwelt zu beschreiben, was man sich unter einer nachhaltigen Entwicklung vorzustellen hat und welche konkreten Konsequenzen die Umsetzung einer Strategie haben wird.

2.2.9

Der EWSA hat in seiner Initiativstellungnahme vom 31.5.2001 (18) den damaligen Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie der EU begrüßt und ausgeführt, dass er sich „dessen bewusst (ist), dass Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung teilweise — und dies ist durch die Art der Maßnahmen selbst bedingt — ein radikales Herangehen an die künftige Entwicklung der Gesellschaft erforderlich machen. Auf diesem Weg werden einige schmerzhafte Entscheidungen zu treffen sein“. Die Nachhaltigkeitsstrategie der EU ist in diesem Punkt aber extrem unkonkret und viel zu abstrakt, sie macht nicht wirklich deutlich, welche Veränderungen auf welcher Ebene konkret anstehen und welche Konsequenzen diese Langfristpolitik auf das heutige Wirtschaften und Handeln haben muss.

2.2.10

Kommissionspräsident Prodi schreibt zwar im Vorwort zur Nachhaltigkeitsbroschüre der EU, „dass nachhaltige Entwicklung kein akademischer Begriff ohne praktische Bedeutung ist“, sondern dass „es (...) um konkrete Dinge und Entscheidungen (geht), die tiefgreifenden Einfluss auf unser tägliches Leben haben“ (19). Doch die Strategie zeigt mit ihrem hohen Abstraktionswert die tiefgreifenden Einflüsse nicht konkret genug auf. Dies ist einer der entscheidenden Mängel, der zukünftig abgestellt werden muss.

2.2.11

Der EWSA steht zu seinem Bekenntnis zur Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung. Er ist sich einig darüber, dass die nachhaltige Entwicklung weder ein Luxus ist, den sich „reiche“ Gesellschaften leisten können, noch dass es eine von mehreren wählbaren Optionen darstellt. Eine Abkehr von Produktions- und Konsummustern, die sich als nicht nachhaltig erwiesen haben, ist nötig. Schließlich geht es um die Erhaltung der menschlichen Lebensgrundlagen, die gleichzeitig Grundlage für die Wirtschaft sind. Insofern ist die nachhaltige Entwicklung eine zwingende Notwendigkeit, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.

2.2.12

Es sollte kontinuierlich betont werden, dass nachhaltige Entwicklung grundlegende gesellschaftliche Veränderungen voraussetzt. Die Bürger müssen in die Lage versetzt werden, auf der Grundlage ihres Wissens und ihrer Bildung, nachhaltige Entwicklung in die Tat umzusetzen und die damit verbundenen Herausforderungen für die Zukunft anzunehmen.

2.2.13

Der EWSA steht zu dieser Aussage auch in dem Wissen, dass es sicherlich zu erheblichen Veränderungen kommen wird. Er zweifelt daran, dass es dabei nur sog. win-win-Situationen gegen wird. Will man aber wirklich voran kommen, ist es zwingend notwendig, den abstrakten Themen bzw. Zielsetzungen einen eindeutigen Bezug zur konkreten Lebenswelt zu geben. Scheinbar Fernliegendes muss im eigenen Nahbereich sichtbar gemacht werden. Dass heißt, die Strategie muss Antworten auf eine Vielzahl offener Fragen geben, u.a.:

Wie könnte das von der Kommission in der Mitteilung „Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung“ erwähnte „Faktor-10-Konzept“ (20), das besagt, dass längerfristig die absolute Ressourcennutzung in den Industriestaaten auf ein Zehntel reduziert und eine gerechtere weltweite Verteilung der Ressourcen erreicht werden soll, konkret aussehen? Soll dieses Konzept im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie überhaupt verbindlich werden? Wie kann eine (wachsende) Wirtschaft, wie kann der Verkehr funktionieren, wenn nur 1/10 der Rohstoffe verfügbar sind? Wo liegen die realistischen Grenzen der Ressourceneffizienz? Mit welchen Instrumenten könnte bzw. sollte dieser Ansatz umgesetzt werden?

Wie kann eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aussehen (die zudem qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schafft), wenn die klimaschädigenden Emissionen global um 70 % herunter gefahren werden müssen (21)? Wie würde sich die Wettbewerbsfähigkeit verändern, wenn das Faktor-10-Konzept auch auf den Energiebereich übertragen wird, der Anteil regenerativer Energien also weit stärker wachsen muss als bislang geplant?

Welche Wirtschaftssektoren werden Probleme bekommen, wenn ihnen die erheblichen externen Kosten einer nicht-nachhaltigen Produktionsweise angelastet werden, welche werden neu wachsen, wie soll dieser Strukturwandel konkret aussehen und wie soll er politisch gestaltet und begleitet werden?

Wie sehen also beispielsweise die politischen Maßnahmen zur Entkopplung von Verkehrs- und Wirtschaftswachstum konkret aus, was bedeuten sie für die Arbeitsteiligkeit der Wirtschaft?

Wie will man die Abschaffung von Subventionen, die der nachhaltigen Entwicklung widersprechen, konkret angehen? Welche sind dies genau?

Wie will man (und bis wann) die Internalisierung der externen Kosten gewährleisten? Welche Auswirkungen wird dies z.B. auf den Verkehrsbereich haben, wo die Kommission selbst feststellt, dass „weniger als die Hälfte der externen Umweltkosten... in die Marktpreise einfließen“, was bedeutet, dass ein „nicht nachhaltiges Nachfrageverhalten gefördert wird“ (22)? Was würde es für den Energiebereich bedeuten, wenn die bei der Elektrizitätsproduktion entstehenden externen Kosten von durchschnittlich rund 4-5 Cent pro Kilowattstunde bei Kohle oder von 3-6 Cent pro Kilowattstunden bei Öl (23) dem Endverbraucher in Rechnung gestellt würden?

2.2.14

Werden auf solche Fragen im Rahmen der Strategie keine nachvollziehbaren Antworten gegeben, besteht die Gefahr, dass sich in bestimmten Kreisen Ängste und Befürchtungen aufbauen, die letztlich in Widerstände gegen eine entsprechende Politik münden. Diese Gefahr ist dann besonders groß, wenn der Eindruck entsteht, dass die nachhaltige Entwicklung eher eine Erschwernis und Bedrohung für die Wirtschaft bedeutet, sie also nicht als Zukunftschance begriffen wird. Der EWSA befürchtet, dass wir in Europa genau an diesem Punkt angekommen sind. Deshalb hakt die nachhaltige Entwicklung und deshalb können noch keine positiveren Meldungen verbucht werden.

2.2.15

An dieser Situation ändert zunächst auch eine wichtige und unterstützenswerte Aussage des Europäischen Rates von Göteborg nichts. Dort wurde deutlich gemacht, dass „klare und stabile Ziele für die nachhaltige Entwicklung beträchtliche wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen. Hierin liegt das Potenzial für das Auslösen einer neuen Welle technologischer Innovation und Investition, durch die Wachstum und Beschäftigung entstehen“ (24). Diese wichtige Botschaft, die der EWSA teilt, ist in weiten Teilen der Gesellschaft und der Wirtschaft bislang nicht glaubwürdig vermittelt worden, bzw. dort nicht angekommen. Nachhaltige Entwicklung wird noch nicht als ein tatsächlicher Wachstums- und Wirtschaftsmotor anerkannt.

2.2.16

Für den Ausschuss liegt es klar auf der Hand, dass die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung umfangreiche Investitionen z.B. in den Bereichen Gebäudesanierung, umweltfreundliche Verkehrssysteme, nachhaltige Energieerzeugung und Förderung von Umwelttechnologien erfordert. Diese Investitionen, die viele Arbeitsplätze schaffen und neue Wachstumsschübe auslösen werden, sind eine unabdingbare Voraussetzung zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung.

2.2.17

Gebührende Aufmerksamkeit muss der Frage der Verteilung der Finanzmittel gewidmet werden, wenn die Strategie für nachhaltige Entwicklung realisiert werden soll. Ausgehend von einer Konsultation und Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft muss die Politik die Rahmenbedingungen für ein positives Klima für entsprechende Investitionen schaffen. In diesem Sinne müssen dann die öffentlichen Haushalte entsprechende Investitionsschwerpunkte setzen. Aber auch im privaten Sektor werden hohe Investitionen benötigt, damit wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch positive Effekte erreicht werden können.

2.2.18

Wenn es aber nicht gelingt, deutlich zu machen, dass mit der nachhaltigen Entwicklung sich für die Wirtschaft enorme neue Möglichkeiten ergeben, wird es keine konstruktive politische Auseinandersetzung über die nachhaltige Entwicklung und über die Wege hin zur Nachhaltigkeit geben.

2.2.19

Neben der Tatsache, dass sowohl die Ziele als auch die politischen Instrumente zu vage und abstrakt sind, ist es sicherlich ein weiterer Mangel der bisherigen Nachhaltigkeitsstrategie, dass selbst interessierte Beobachter den Überblick verlieren, wo nun konkret alle Formulierungen zu finden sind. Der EWSA beobachtet, dass es mittlerweile eine Unmenge an Papier gibt, die sich dem Thema mit extrem unterschiedlicher Intensität und Tiefe widmen (25). Dem interessierten Leser ist unklar, welche Aussagen und Forderungen nun verbindlichen Charakter haben, und auch die Internetpassagen der EU helfen hier nicht weiter.

2.2.20

Der EWSA erkennt an, dass es für die Kommission sehr schwierig ist, die Menschen für jene Teilbereiche der Nachhaltigkeitsdebatte zu gewinnen, bei denen diese keine eigene unmittelbare Betroffenheit verspüren. Dies beginnt bereits bei noch relativ nah im Lebensumfeld liegenden Problemen (siehe Naturschutz: manche Menschen fragen sich, was daran schlimm sei, wenn die Artenvielfalt abnimmt, wenn es keine Störche mehr gibt; noch schwieriger ist zu vermitteln, dass auch große Beutegreifer wie Luchs und Wolf zum schützenswerten europäischen Kultur- und Naturerbe gehören). Weitaus schwieriger wird es bei den bereits genannten Themen Verteilungs- und Generationengerechtigkeit. Zwar wird allgemein anerkannt, dass es zukünftigen Generationen auch gut gehen soll, doch allgemein ist eine Tendenz zu beobachten, dass innerhalb der Gesellschaft viele ökonomisch nicht messbare Dinge des Lebens zunehmend in den Hintergrund geraten, was die Nachhaltigkeitsdebatte nicht eben erleichtert.

2.3   Notwendige Klärung von grundlegenden Verständnisfragen

2.3.1

Für den EWSA bedeutet nachhaltige Entwicklung eine aktive Weiterentwicklung der Marktwirtschaft, die um ökologische Fragen und Aspekte wie Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit ergänzt wird.

2.3.2

Der EWSA sieht bei dieser sicherlich nicht einfachen Fortentwicklung eine zwingende Notwendigkeit: die neue Nachhaltigkeitsstrategie muss deutlich machen, dass bei ihrer Umsetzung die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingen so gesetzt werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsraumes unter der nachhaltigen Entwicklung möglichst wenig leidet, sondern dass vielmehr neue Wachstumsimpulse ausgelöst werden.

2.3.3

Der EWSA ist sich darüber im klaren, dass der Industrie bei der Entwicklung und Einführung besserer Technologien im Hinblick auf die Umkehrung nicht-nachhaltiger Entwicklungstendenzen und die Eindämmung von Ressourcenverschwendung eine zentrale Rolle zukommt. Dazu muss die Industrie wettbewerbsfähig sein, denn nur wettbewerbsfähige Unternehmen können Arbeitsplätze schaffen und zur Verwirklichung sozialer Ziele beitragen.

2.3.4

In der Nachhaltigkeitsdebatte wird gern mit Bildern gearbeitet. Eines dieser Bilder ist das der gleichberechtigten bzw. gleichwertigen drei Säulen, auf denen die nachhaltige Entwicklung fußt: einer ökonomischen, einer sozialen und einer ökologischen Säule.

2.3.5

Diese drei Säulen stünden in enger Beziehung, und bei der Politikgestaltung müsse sorgsam darauf geachtet werden, das derzeitige Stabilitätsverhältnis nicht zu gefährden. Besonders in wirtschaftlich problematischen Zeiten (in denen sich Europa derzeit befinde) dürfe keine Unruhe in die Wirtschaft gebracht werden, ein dauerhaftes Wachstum sei zwingend erforderlich, und notfalls müssten beim Umweltschutz oder der Sozialpolitik zumindest zeitweise Abstriche gemacht werden.

2.3.6

Diesem Säulenmodell wird das Bild einer „Fahrrinne mit Bojen in einem Gewässer“ entgegen gesetzt. Die Bojen kennzeichnen ökologische und soziale Grenzen, innerhalb der Fahrrinne kann sich das Schiff (sprich: die Wirtschaft) frei bewegen, es darf aber die Fahrrinne nicht verlassen.

2.3.7

Der EWSA empfiehlt der Kommission dringend, im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion über diese Bilder und die dahinter stehenden Philosophien durchaus kontrovers zu diskutieren. Für den Ausschuss gibt es keinen Zweifel daran, dass es ein ausgeglichenes Verhältnis von Ökonomie, Sozialem und Umwelt geben muss. Diese drei Dimensionen, Säulen oder Elemente sind untrennbar miteinander verbunden. Die natürliche Umwelt liefert die wesentlichen Grundlagen und Ressourcen für die Wirtschaftstätigkeit, die wiederum sozialen Wohlstand und eine gute Lebensqualität ermöglicht, und darum ist eine stabile und gesunde natürliche Umwelt eine Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung. Ebenso klar ist aber auch, dass nachhaltige Entwicklung weit mehr ist als „nur“ traditioneller Umweltschutz in einem neuen Gewand und mit neuen Methoden.

2.3.8

Die Staats- und Regierungschefs haben sich 1992 in Rio und 2002 in Johannesburg getroffen, weil das bisherige Wirtschaften erkennbar an diverse Grenzen stößt. Es wurde klar, dass aus bestimmten Wirtschaftsformen soziale und ökologische Probleme resultieren, bei deren Lösung der technische Umweltschutz an Grenzen stößt.

2.3.9

Der EWSA hält es deshalb für angebracht, im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie durchaus Fragen zu diskutieren, die bislang fast als Tabu angesehen wurden. Eine dieser Fragen ist die des permanenten Wirtschaftswachstums als übergeordnetes Ziel und Kernaspekt aller Politiken. Selbstverständlich hat der EWSA in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig Wachstum für die wirtschaftliche Entwicklung ist. Und auch im Rahmen der Lissabon-Strategie hat sich der EWSA für eine Wachstumsinitiative ausgesprochen.

2.3.9.1

Der Ausschuss hält es aber für angebracht, bei der Frage des Wachstums verstärkt zu differenzieren. Es sollten besonders jene Bereiche stärker identifiziert werden, in denen Wachstum auch aus Sicht der Nachhaltigkeit besonders erwünscht ist. Ein solcher Bereich ist — in Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Kommission — der Sektor der regenerativen Energien, die sich jedoch derzeit aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen häufig noch gegenüber weniger nachhaltigen Energieträgern als zu teuer und somit als problematisch für die Wirtschaft erweisen. Hier müssen die Rahmenbedingungen durch gezielte politische Maßnahmen verändert werden, und es ist Aufgabe der Nachhaltigkeitsstrategie, die Schritte zur entsprechenden Veränderung der Rahmenbedingungen genau zu beschreiben und verbindlich festzulegen.

2.3.9.2

Auf der anderen Seite sollten jene Bereiche klarer benannt werden, in denen weiteres Wachstum eher unerwünscht und kontraproduktiv ist. In Deutschland werden jährlich 40 Mrd. € an sogenannten Gesundheitskosten (26) ausgegeben, weil die Menschen sich falsch ernähren bzw. sich zu wenig bewegen. Damit „erbringt“ jeder Deutsche allein durch gesundheitliches Fehlverhalten einen höheren durchschnittlichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt als jeder Bewohner Indiens durch sein Wirtschaften insgesamt (rund 470 € pro Jahr). Wachstum in diesem Sektor ist — wenngleich arbeitsplatzschaffend — aus Sicht der Nachhaltigkeit nicht wünschenswert. So gesehen kann Nachhaltigkeit durchaus ein das Wirtschaftswachstum partiell begrenzender Faktor sein. Dieses Beispiel zeigt auch, dass das BIP allein zwar ein nützlicher Indikator für wirtschaftliche Aktivitäten ist, davon abgesehen aber weder einen angemessenen Indikator für das Wohlergehen einer Gesellschaft, noch einen Gradmesser für die Gesundheit der Bevölkerung oder der Umwelt darstellt (und im Übrigen auch nicht den Anspruch erhebt, diese Funktion zu erfüllen).

2.3.9.3

Die Frage des Wachstums ist aber nicht nur eine qualitative Frage, die Europa betrifft. Es gibt auch eine globale quantitative Komponente. Die Kommission beschreibt in ihrer Mitteilung „Die Umwelt Europas“ (27), dass mit der weiteren Globalisierung, der Zunahme von Handelsströmen und der Übernahme westlicher Verhaltensmuster das Pro-Kopf-BIP zwischen 1990 und 2010 um 40 %, bis zum Jahr 2050 um 140 % steigen wird. Trotz zu erwartender Übernahme an technischem Wissen und auch an Umweltentlastungstechnologien „könnte sich (dies) zudem auf die weltweiten CO2-Emissionen auswirken, die sich nach den vorliegenden Prognosen bis zum Jahr 2050 um das Dreifache erhöhen werden“. Die Klimakatastrophe wäre perfekt.

2.3.10

Auch über Art und Weise zukünftiger Produktivitätsentwicklung sollte die Kommission im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte eine intensivere Diskussion führen. Der EWSA bietet sich hierbei gern als Partner an. Es steht außer Zweifel, dass für die Fortentwicklung von Wirtschaftsunternehmen Produktivitätsverbesserungen ein zwingendes Muss sind. Die Produktivität galt immer als Motor für Beschäftigung und Wohlstand, denn eine hohe Produktivität ermöglicht es bislang, mehr Güter und Dienstleistungen zu niedrigeren Preisen anzubieten, wodurch neue Nachfrage stimuliert und neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten.

2.3.10.1

Hohe Produktivität im rein wirtschaftlichen Sinne ist kein Indikator für Nachhaltigkeit. Ein Beispiel: Die im betriebswirtschaftlichen Sinne produktivste Zuckerproduktion findet weltweit zweifellos in Brasilien statt. Davon profitieren wenige multinationale Konzerne, die heimische Bevölkerung und die Umwelt werden extrem ausgebeutet.

2.3.10.2

Produktivität muss jedoch auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtet werden. Produktivität darf nicht mehr nur auf das Verhältnis von Produktwert zu Produktionskosten beschränkt werden, sondern muss in einen weiteren Zusammenhang gestellt und durch Aspekte wie Lebensqualität und sparsamen Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen auf globaler Ebene ergänzt werden.

2.3.10.3

Zukünftige Produktivitätsentwicklungen sollten als Motor der nachhaltigen Entwicklung genutzt werden: Umwelt-, Rohstoff- oder Energieeffizienzsteigerungen sind Beispiele für Produktivitätsfortschritte, die die nachhaltige Entwicklung voran bringen. Die Mitgliedstaaten und die EU müssen durch entsprechende politische Weichenstellungen Anreize schaffen, die mit dieser Neuausrichtung im Einklang stehen.

2.3.11

In der Nachhaltigkeitsdebatte sollten also mehr als bislang bewusst kontrovers aufeinander prallenden Pole („Wir brauchen Wachstum um jeden Preis“ versus „Wachstum kann nicht nachhaltig sein“ sowie „Produktivitätsfortschritt ist die Triebfeder der Wirtschaft“ versus „Produktivität schafft zunehmend ökologische und soziale Probleme“) an einen Tisch gebracht werden. Denn weit mehr als in anderen Politikbereichen ist die nachhaltige Entwicklung von einem breiten gesellschaftlichen Konsens abhängig.

2.4   Das Verhältnis der Lissabon-Strategie zur Nachhaltigkeitsstrategie

2.4.1

Die Lissabon-Strategie unterscheidet sich in drei entscheidenden Punkten von der Nachhaltigkeitsstrategie. Sie hat

einen klaren Fokus auf Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsreformen mit dem Ziel, mehr und bessere Arbeitsplätze und soziale Kohäsion zu erreichen,

eine klare zeitliche Befristung (Zeithorizont 2010),

und einen nahezu reinen europäischen Fokus (sie will Europa zum wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum machen).

2.4.2

Die Tatsache, das die Lissabon-Strategie durch den Gipfel von Göteborg um ein Umweltkapitel ergänzt wurde und eine Strategie für nachhaltige Entwicklung beschlossen wurde, ist vom EWSA begrüßt worden, obwohl der Inhalt der Nachhaltigkeitsstrategie relativ begrenzt war (28). Dass der Rat erst kürzlich abermals eine verstärkte Integration umweltpolitischer Gedanken in die Lissabon Strategie gefordert hat zeigt, dass es hier noch Defizite gibt. Eine verstärkte Integration des Umweltschutzes kann die Kohärenz der Lissabon-Strategie mit der Nachhaltigkeitsstrategie positiv befördern, einen entsprechenden Automatismus — das zeigt sich deutlich — gibt es aber nicht.

2.4.3

Es ist zudem zu konstatieren, dass wichtige Themen, die in Rio und Johannesburg als essentiell für die nachhaltige Entwicklung definiert wurden, nicht direkt Gegenstand der Lissabon-Strategie sind und sich aus deren Umsetzung auch nicht zwingend ergeben (z.B.: Verteilungs- und Generationengerechtigkeit).

2.4.4

Die beiden Strategien müssen auf kohärente Weise dem übergeordneten Ziel einer langfristig nachhaltigen Entwicklung unterstellt werden. Dazu ist eine Durchdringung aller Politikbereiche der Lissabon-Strategie mit Zielen der nachhaltigen Entwicklung erforderlich. Auf diese Weise kann und sollte die Lissabon-Strategie ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung sein, kann aber eine langfristige Nachhaltigkeitsstrategie nicht ersetzen.

2.4.5

Bei dem von der Lissabon-Strategie ausgelösten Wirtschaftswachstum muss es sich um ein qualitatives, ein vom Ressourcenverbrauch stärker entkoppeltes Wachstum handeln, damit dies im Sinne der nachhaltigen Entwicklung ist. Das heißt aber auch: die Lissabon-Strategie kann einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeitsstrategie leisten, wenn sie zur Umorientierung der Wirtschaft hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaften beiträgt.

2.4.6

Die Investitionen im Rahmen der Wachstumsinitiative der EU müssen folglich —  ebenso wie die anderen EU-Ausgaben — den Nachhaltigkeitskriterien genügen. Der EWSA verweist hier darauf, dass innerhalb der organisierten Zivilgesellschaft bereits vielfältige Überlegungen dazu angestellt wurden (29). Der EWSA empfiehlt der Kommission, in einer gesonderten Mitteilung an Rat und Parlament sowie AdR und EWSA die Kohärenz zwischen den Investitionen der EU (inkl. der EIB u.a.) in die Verkehrs-, Energie und andere Infrastrukturprojekte und der Nachhaltigkeitspolitik darzustellen.

3.   Der Bedarf für eine Ausweitung der Strategie

3.1

Der EWSA hält eine gewisse Fokussierung für durchaus angebracht, muss aber auf die Gefahr hinweisen, dass damit wichtige Teilbereiche der nachhaltigen Entwicklung eventuell ins Hintertreffen geraten können. Inhaltlich müssen die globalen Fragen, die in Rio und Johannesburg ausgiebig diskutiert wurden, die sich aber in der bisherigen Nachhaltigkeitsstrategie der EU kaum wiederfinden (wie: Beeinflussung der globalen Armut, Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit durch unser Wirtschaften), vertiefend behandelt werden.

Die soziale Dimension intensiver diskutieren

3.2

Auf dem Erdgipfel von Rio im Jahr 1992 wurde im Durchführungsplan zusätzlich zu den letztlich in Göteborg aufgegriffenen vier Politikfeldern beispielsweise die Armutsbekämpfung genannt. Auch im Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie, der dem Europäischen Rat von Göteborg (30) vorgelegt wurde, wurde darauf hingewiesen, dass „jeder sechste Europäer in Armut (lebt)“. Allerdings wurde die beiden Kernelemente, die sich mit sozialen Fragen befassten (31), nicht vom Rat aufgegriffen. Eine nachhaltige Entwicklung innerhalb der EU hat sich aber nicht nur der Frage der Armut innerhalb der EU, sondern auch den Auswirkungen unseres Wirtschaftens auf die globale Armut oder den Chancen zukünftiger Generationen zu widmen. Der EWSA sieht nicht, dass zu den Themen „Verteilungs- und Generationengerechtigkeit“ bislang ausreichende Überlegungen angestellt worden wären. Die Tatsache, dass die Höhe der Entwicklungshilfemittel nicht einmal die Hälfte des versprochenen Volumens ausmachen, ist nur ein Indiz dafür, dass noch lange nicht von einer kohärenten Politik gesprochen werden kann. Dieser Mangel kann auch nicht durch Initiativen wie „Alles außer Waffen“ ausgeglichen werden.

3.3

Neben der Armutsbekämpfung hatte die Kommission im ersten Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie auch die Überalterung der Bevölkerung als vorrangiges Thema benannt. Während beide Themen zumindest verbal Eingang in die Lissabon-Strategie gefunden haben, finden sie sich in der langfristiger angelegten Nachhaltigkeitsstrategie nicht wieder, da sich diese schwerpunktmäßig mit Umweltthemen befasst. Dies muss abgestellt und die soziale Dimension intensiver diskutiert werden.

3.4

Die zukünftige Strategie muss sich neben den oben beschriebenen globalen Themen auch dem Thema „Arbeit und Umwelt“ widmen: wie kann es gelingen, neue, qualifizierte Arbeitsplätze durch Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung zu schaffen?

3.5

Angesichts der hohen Bedeutung der sozialen Dimension der nachhaltigen Entwicklung müssen die Zusammenhänge zwischen den sozialen und den wirtschaftlichen bzw. ökologischen Anliegen konkret diskutiert und ausformuliert werden.

3.6

Der EWSA betont daher, dass der sozialen Dimension bei der Überarbeitung der Strategie für nachhaltige Entwicklung ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt werden muss, wenn nicht am Ende die ganze Strategie und ihr Rückhalt Schaden nehmen soll.

3.7

Der EWSA schlägt vor, dass auf vier Bereiche der sozialen Dimension im Zuge der anstehenden Bewertung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung auch nach 2010 ein besonderes Gewicht gelegt werden sollte:

3.7.1

Zentraler Aspekt eines nachhaltigen Arbeitslebens ist die Arbeitsqualität in einer von Vollbeschäftigung geprägten Gesellschaft. Die Arbeitsqualität beinhaltet gute Arbeitsbedingungen für den Einzelnen während seiner gesamten beruflichen Laufbahn. Im Gegenzug zu den wachsenden Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen müssen umfassende Mittel für die Förderung des lebensbegleitenden Lernens und neuer, angepasster Formen des Sozialschutzes bereitgestellt werden. Arbeit und Familie müssen sich besser miteinander vereinbaren lassen. Zur Förderung der Zufriedenheit und des Selbstvertrauens der Arbeitnehmer muss der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit Vorrang eingeräumt werden. Gleichstellungsmaßnahmen sind ausschlaggebend für die Verbesserung der Arbeitsqualität.

3.7.2

Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Alterung der Bevölkerung müssen eingehend analysiert werden, damit gesellschaftliche Veränderungen rechtzeitig erkannt und die entsprechenden Politiken angepasst werden können. In allen Mitgliedstaaten sind Reformen im Hinblick auf langfristig nachhaltige Rentensysteme eingeleitet oder angedacht worden. Insbesondere die in vielen Ländern verzeichnete Tendenz zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben —  vor Erreichen des Alters von 60 Jahren — belastet die Rentensysteme. Die Solidarität zwischen den Generationen muss gefördert werden. Die Politiken müssen darauf ausgerichtet werden, Wohlstand für Kinder und ihre Familien zu schaffen, um dadurch die Grundlage für den Wohlstand der nachfolgenden Generationen zu sichern. Zu viele Kinder leben in Armut, gehen vorzeitig von der Schule ab und haben keine Zukunftsaussichten. Der EWSA wird eine Stellungnahme zu den Beziehungen zwischen den Generationen ausarbeiten, in der er u.a. die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft bei der Überbrückung der Kluft zwischen den Generationen erörtern wird.

3.7.3

Eine Gesellschaft muss alle Bürger einschließen, ihnen Rechte einräumen und ihnen die Möglichkeit geben, diese Rechte wahrzunehmen. Die Bekämpfung der Armut ist ein zentrales Ziel. Obdachlose, Drogenabhängige und Straftäter müssen wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Ethnische Minderheiten, Einwanderer und andere, von Ausgrenzung bedrohte Gruppen bedürfen vorrangig aktiver Maßnahmen für soziale Eingliederung. Von wesentlicher Bedeutung sind dauerhafte sozialraumorientierte Maßnahmen zur Förderung von schulischer und beruflicher Bildung. Maßnahmen zur Sicherstellung der Einschließung aller Bürger sind ausschlaggebend für die Verbesserung der Aussichten auf eine gute Lebensqualität.

3.7.4

Das Thema Gesundheitsschutz und neue Gesundheitsbedrohungen hat in den letzten Jahren an Dringlichkeit gewonnen. Die EU-Mitgliedstaaten haben in Reaktion auf alarmierende Erkenntnisse in den Bereichen Lebensmittel, Wasser, Chemikalien, Tabak usw. verschiedene Initiativen ergriffen. Die EU hat ihrerseits ein Rahmenprogramm für öffentliche Gesundheit lanciert und insbesondere Programme für die Bekämpfung von durch Umweltfaktoren und falsche Verhaltensweisen ausgelöste Krankheiten aufgelegt. Jedoch lässt die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Programmen für Gesundheitsförderung und die Bekämpfung von Gesundheitsbedrohungen zu wünschen übrig. Der EWSA hat in zahlreichen Stellungnahmen darauf hingewiesen. Er vertritt den Standpunkt, dass Gesundheitssicherheit eine gesellschaftliche Verpflichtung und ein Grundrecht der Bürger ist. Der Ausschuss wird zu diesem Thema eine Stellungnahme erarbeiten, in der er Schlussfolgerungen aus Notfällen ziehen und innovative zukunftsorientierte Analysen anstellen will, die als Grundlage für künftige Debatten dienen sollen. In diesem Zusammenhang wird der Ausschuss auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Investitionen in den Gesundheitsschutz eingehen.

3.7.5

Als Instrument, von dem eine starke stimulierende Wirkung ausgeht, könnte eine Charta über nachhaltige soziale Entwicklung dienen, die die o.g. Bereiche abdeckt und die entsprechenden Grundrechte der Bürger beinhaltet. Damit einhergehen müsste ein EU-Aktionsprogramm zur Koordinierung der verschiedenen Maßnahmen und zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Festlegung prioritärer Bereiche. Der Ausschuss betont, dass dieser Ansatz im Hinblick auf die derzeitige und künftige Erweiterung der Europäischen Union einen gezielten Mehrwert erbringen würde.

Die Kohärenz der EU-Politik

3.8

Die neue Strategie sollte auch Hinweise darauf geben, wie zukünftig im Rahmen der neuen EU-Finanzperiode (ab 2007) die Ausgaben aus den Strukturfonds in Übereinstimmung mit der Nachhaltigkeitsdebatte gebracht werden können. Die „nachhaltige Entwicklung als umfassendes und übergreifendes Kohäsionsziel zu etablieren“ (32) ist dabei ein Gedanke der Kommission, der weiter verfolgt werden sollte. Die Kommission muss bei den Strukturfonds den Empfängern eindeutige qualitative Vorgaben machen, um eine bessere Kohärenz zu garantieren. Der EWSA erwartet mit Spannung die Debatte über die nächste finanzielle Vorausschau und die Einbeziehung von Instrumenten und Kontrollmechanismen zur Förderung der Nachhaltigkeit. Es kann nicht weiterhin akzeptiert werden, dass beispielsweise die Kommission die Ausrichtung der Verkehrspolitik auf der einen Seite kritisiert (vgl. Ziffer 2.1.4.2), diese aber konkret z.B. über die Strukturfonds mitunter mitfinanziert. Diese Widersprüche müssen abgestellt werden. Die EU muss die Gewährung von Beihilfen an bestimmte Bedingungen in Bezug auf die Nachhaltigkeit knüpfen und darauf achten, dass diese Bedingungen eingehalten werden.

3.9

Aber auch die generelle Regionalentwicklung der Mitgliedstaaten, die über die Strukturfonds mitfinanziert wird, bedarf einer intensiven Bewertung. Die größte von der EU in den letzten Jahren im Rahmen der Strukturfonds finanziell unterstützte Maßnahme im Agrarbereich war ein Investitionszuschuss in Höhe von 40 Mio. € für den Ausbau einer Großmolkerei in Sachsen (Deutschland). Diese Großmolkerei ist aufgrund des EU-Förderbeitrags und durch Verarbeitung billiger tschechischer Milch eine der wirtschaftlichsten und produktivsten in Europa. Die Kommission sollte sich im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie mit der Frage befassen, ob die Förderung weiterer Zentralisierung von Verarbeitungsstrukturen stets mit den Zielen nachhaltiger Entwicklung vereinbar ist. Die europäischen Steuerzahler haben sicherlich ein Recht zu erfahren, ob die von der EU kofinanzierten Investitionsprojekte mit Nachhaltigkeitsgedanken in Übereinstimmung stehen. Es muss folglich eine Art „Nachhaltigkeitsverträglichkeitsprüfung“ erfolgen.

3.10

Zur Politikkohärenz gehört auch eine Überprüfung, ob die Forschungs- und Entwicklungspolitik mit der Nachhaltigkeitsdebatte in voller Übereinstimmung steht.

3.11

Gleiches gilt für die Finanz- und Steuerpolitik, wobei dem EWSA durchaus bewusst ist, dass hier die Mitgliedstaaten mehr als die EU gefordert sind. Wie steht der Stabilitätspakt in Verbindung mit der Nachhaltigkeit? Können neue steuerpolitische Initiativen die Nachhaltigkeit fördern (33)? Der EWSA fordert die Kommission auf, bei jeder Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts ökologische und soziale Kriterien unmittelbar mit einzubeziehen und diese ebenso verbindlich festzulegen wie die wirtschaftlichen und finanziellen Kriterien. Was die Entwicklung des Einsatzes wirtschaftlicher Instrumente anbelangt, so wurden in den letzten Jahren zunehmend Umweltsteuern und -abgaben erhoben, und langsam, aber sicher zeichnet sich eine Tendenz zu Umweltsteuerreformen ab — einige Länder verändern ihre Besteuerungsgrundlagen, indem sie den Faktor Arbeit entlasten und die Steuern und Abgaben auf Umweltverschmutzung, Ressourcen und Dienste erhöhen (34).

3.11.1

Die Konzeption und Durchführung im Sinne der nachhaltigen Entwicklung gestalteter öffentlicher Beschaffungsprogramme würde sich deutlich bemerkbar machen, da das öffentliche Beschaffungswesen 16 % des BIP der EU ausmacht, und hätte durchaus auch eine Signalfunktion, z.B. für die Wirtschaft oder die privaten Haushalte.

3.12

Für den EWSA steht ferner außer Zweifel, dass der Industrie auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung eine ausschlaggebende Rolle zukommt. Auf der Grundlage eines Dialogs und einer Partnerschaft zwischen der Europäischen Industrie und den öffentlichen Behörden gemäß den Schlussfolgerungen des Weltgipfels von Johannesburg sollte die EU eine nachhaltige Produktions- und Verbrauchspolitik entwerfen und sich darauf verpflichten. Dadurch könnten Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz von Erzeugnissen und Produktionsprozessen und nachhaltige Verbrauchsmuster im Hinblick auf die Optimierung der Ressourcennutzung und die Reduzierung von Abfällen auf ein Mindestmaß gefördert werden. Unternehmensorganisationen auf europäischer Ebene sollten ermutigt werden, nachhaltige Produktions- und Verbrauchsmuster zu fördern, die den Bedürfnissen der Gesellschaft unter Berücksichtigung ökologischer Erfordernisse entsprechen (35).

4.   Die Folgen der Erweiterung

4.1

Bei den Beitrittsverhandlungen ging es nicht um eine nachhaltige Entwicklung, sondern um die Übernahme des Acquis. Es steht außer Zweifel, dass die Probleme, die durch eine nachhaltige Entwicklung gelöst werden müssen, nicht durch Missachtung der bestehenden Gesetze, sondern im Rahmen derselben entstanden.

4.2

Fast alle neuen Mitgliedstaaten haben als Mitglieder der Vereinten Nationen mittlerweile eine nationale Strategie für nachhaltige Entwicklung erarbeitet. Wie für die jetzigen EU-Mitgliedstaaten auch, bestehen erhebliche Widersprüche zwischen den Nachhaltigkeitsstrategien und der tatsächlich geführten Politik (siehe Ziffer 5).

4.3

Der EWSA hat sich in vielen Stellungnahmen mit den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Problemen der zukünftigen Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer befasst. Er teilt die Auffassung der Kommission, dass sich einerseits die Umweltsituation durch technische Verbesserungen, u.a. durch den Einbau von Filtern bzw. dem Bau von Kläranlagen, teilweise schon radikal verbessert hat bzw. sich in aber Zukunft verbessern wird. Andererseits sind eindeutig nicht nachhaltige Trends zu beobachten (36).

4.4

Am Beispiel der teilweise katastrophalen Energieeffizienz, z.B. im Gebäudebereich, kann dargestellt werden, dass Ressourcenschonung, Umweltschutz und die Schaffung von Arbeitsplätzen, besonders im Bereich von kleinen und mittleren Unternehmen, durchaus Hand in Hand gehen könnten. Entsprechende strategische Ausrichtungen der Politiken der Beitrittsländer sind aber nicht erkennbar.

4.5

Generell zeichnet sich vielmehr die Tendenz einer relativ schnellen Übernahme der in der EU geläufigen Produktions- und Konsummuster in den zukünftigen Mitgliedstaaten und den Beitrittsländern und damit eine Übernahme der Nachhaltigkeitsprobleme ab, mit denen man sich derzeit in den EU-Mitgliedstaaten befasst.

4.6

Es wird von besonderer Wichtigkeit sein, den Menschen in den neuen Mitgliedstaaten und den Beitrittsstaaten zu vermitteln, dass nachhaltige Entwicklung auch für sie etwas Positives und keinen Verzicht auf die gerade gewonnene neue „Lebensqualität“ bedeutet. Gelingt dies nicht, dürfte sich die Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie allein dadurch schwieriger gestalten, dass im Rat entsprechende Kommissionsinitiativen vermehrt auf Widerstand der Vertreter der neuen Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer stoßen können.

4.7

Auf EU-Ebene müssen Bedingungen zur Auflage gemacht und außerdem dafür gesorgt werden, dass die Vergabe von Fördergeldern im Sinne der Nachhaltigkeit erfolgt. In den neuen Mitgliedstaaten ist auf politischer Ebene und in den öffentlichen Verwaltungen Aufklärungsarbeit zu leisten, um den zuständigen Stellen praktische Hilfe bei der Entscheidungsfindung zu geben (37).

5.   Die Verbindung der EU-Strategie mit nationalen und lokalen Strategien

5.1

Nachhaltige Entwicklung ist keine alleinige EU-Angelegenheit. Die EU spielt zweifelsfrei eine wichtige Rolle, jedoch tragen auch die Mitgliedstaaten, die Regionen, die Städte, die Unternehmen und die einzelnen Bürger einen Teil der Verantwortung. Es muss zukünftig eine engere Vernetzung aller Aktivitäten stattfinden, die jeweiligen spezifischen Verantwortlichkeiten, Einflussmöglichkeiten und Kompetenzen der einzelnen politischen und administrativen Stellen müssen im Rahmen untereinander abgestimmter Strategien deutlich beschrieben und miteinander vernetzt werden. Nachdem nun weitgehend alle Mitgliedstaaten — inkl. vier der neuen Mitgliedstaaten — ihre eigenen Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt haben, wäre es eine lohnende Aufgabe, diese nationalen Strategien auszuwerten, eine Bewertung ihrer Effektivität vorzunehmen, zu prüfen, in wie weit die nationalen Strategien untereinander kohärent sind und wie sie in Bezug auf die Nachhaltigkeitsstrategie der EU stehen.

5.2

Ohne einer ausführlichen Analyse vorzugreifen, lässt sich feststellen, dass die nationalen Strategien das Thema Nachhaltigkeit sehr unterschiedlich angehen. Einige Strategien befassen sich hauptsächlich mit der Umweltdimension, während andere sich mit den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit befassen und Gesamtstrategien für die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung vorlegen. Die meisten nationalen Strategien sind mit Sicherheit nicht als Instrumente der Umsetzung der EU-Strategie konzipiert worden, sondern sind im nationalen Rahmen gewachsene Strategien zur Erfüllung der Verpflichtung von Rio, nationale Strategien nachhaltiger Entwicklung auszuarbeiten. Dessen ungeachtet, finden sich die Schwerpunkte der EU-Strategie auch in den meisten nationalen Strategien wieder. Da die Strategien unterschiedliche Schwerpunkte setzen, sich in verschiedenen Stadien der Umsetzung befinden und sich auch in Bezug auf ihre Beteiligungs- und Revisionsmechanismen unterscheiden, erwartet der EWSA, dass eine tiefgehende Analyse reichhaltiges Vergleichsmaterial und eine gute Grundlage für gegenseitiges Lernen und die Übernahme bester Praktiken bringen wird. Der Ausschuss ist bereit, mit nationalen Nachhaltigkeitsräten und ihrer Dachorganisation EEAC (Netzwerk der Europäischen Umwelträte) zusammenzuarbeiten, um diese Art von Austausch anzuregen oder eine Schnittstelle für den Austausch von Informationen und bewährten Verfahrensweisen zu bieten.

5.3

Nicht nur an der Verkehrs- oder Energiepolitik, sondern auch an wichtigen Reformen der EU im Jahr 2003 lässt sich gut festmachen, wie notwendig eine harmonische Zusammenarbeit zwischen EU und Mitgliedstaaten ist. Im Rahmen der Agrarreform hatte Agrarkommissar Fischler eine Umwidmung von 20 % der Mittel aus der 1. Säule für Maßnahmen der ländlichen Entwicklung und für Agrarumweltmaßnahmen vorgeschlagen; eine Politik, die einer nachhaltigen Entwicklung sicherlich entgegen gekommen wäre. Die Mitgliedstaaten entschieden sich jedoch für eine wesentlich geringere Modulation. Im Rahmen der Agrarreform hat die EU den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit eingeräumt, 10 % der bisherigen Direktzahlungen in der Landwirtschaft für Maßnahmen umzuwidmen, die aus Nachhaltigkeitssicht von Bedeutung sind. Anscheinend wird im Rahmen der Umsetzung der Luxemburger Beschlüsse kein Mitgliedstaat von dieser Option Gebrauch machen. Und auch in der Fischereipolitik, wo die bisherige nicht nachhaltige Politik mittlerweile nicht nur die Fischbestände, sondern auch die Existenzen der Fischer bedroht, hat es sehr lange gedauert, bis man sich auf erste Schutzmaßnahmen einigen konnte. Dies zeigt die Notwendigkeit engster Kooperation bei Erarbeitung und Umsetzung einer Nachhaltigkeitspolitik.

5.4

Während mit der europäischen und den nationalen Strategien die Rahmenbedingungen für die nachhaltige Entwicklung gesetzt werden müssen, wird ein Großteil konkreter Umsetzungen auf regionaler und lokale Ebene erfolgen. Entsprechende Zielsetzungen und Aktionen sind im Rahmen der sog. „lokalen Agenden 21“ in enger Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Politikern, aber auch der organisierten Zivilgesellschaft zu entwickeln. Nachhaltige Entwicklung ist ohne einen solchen „bottom-up“ Ansatz nicht zu erreichen.

5.5

Der EWSA versteht die nachhaltige Entwicklung somit auch als ein konkretes soziales und wirtschaftliches Betätigungsfeld auf allen Ebenen. Die nachhaltige Entwicklung schafft einen weit gefächerten Handlungsrahmen, der allerdings ganz spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzt; es ist ein höchst wissens- und bewusstseinsorientierter Handlungsrahmen. Die europäischen Bildungssysteme und auch die informelle Bildung haben bisher nicht ausreichend zur Vermittlung beigetragen.

5.6

Deswegen muss die nachhaltige Entwicklung — als Handlungsrahmen, aber auch als Selbstzweck — vor allem zum Bildungs- und Erziehungsgegenstand und mithin zu einer Angelegenheit erhoben werden, die im Grunde im unmittelbaren (geographischen und sozialen) Umfeld eines jeden einzelnen Bürgers angestrebt und ausgestaltet werden muss.

5.7

In diesem Zusammenhang sind die Politiken der Union zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung innerhalb der EU besonders wichtig, weil sie diesbezüglichen Tendenzen und Aktionen, die auf lokaler Ebene entwickelt werden, sehr starke Impulse geben können.

5.8

Nach Meinung des EWSA wäre ein mit höchster Priorität zu behandelnder Aspekt die Neuausrichtung der besagten Politiken der EU, dass sie der Konzipierung und Förderung umfassender Programme zur nachhaltigen Entwicklung auf lokaler Ebene Anschub verleihen. Der EWSA schlägt deshalb vor, insbesondere solche Programme zu unterstützen, die auf der Zusammenarbeit der organisierten Zivilgesellschaft mit den lokalen Gebietskörperschaften basieren und unter Einsatz von authentischem Wissen, Bildung und lebenslangem Lernen im Einzelfall auf konkrete und messbare (quantitativen und qualitativen) Ziele hinauslaufen.

6.   Die externen Aspekte

6.1

Eine entscheidende Frage, die sich stellt, ist natürlich die der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften. Eine stringente Verfolgung einer Politik hin zur nachhaltigen Entwicklung, die sich beispielsweise in höchst modernen Umwelttechnologien, der Internalisierung externer Kosten etc. auswirkt, kann bzw. muss dann zu Wettbewerbsnachteilen führen, wenn einerseits andere Volkswirtschaften sich den Nachhaltigkeitsprinzipien nicht oder nur partiell anschließen und wenn andererseits die Nachteile im Handel keinen Ausgleich finden.

6.2

Die EU steht genau vor der im vorangegangenen Absatz beschriebenen Situation: die Weigerung der USA und von Russland, dem Kyoto-Protokoll beizutreten, aber auch die Ankündigung der Bush-Administration, z.B. die Umweltgesetzgebung partiell auszusetzen, um der Wirtschaft neue Impulse zu geben, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass eine der weltweit wichtigsten Wirtschaftsmächte eine scheinbar andere, eine nicht nachhaltige Entwicklung bevorzugt.

6.3

Umso wichtiger wird es sein, in den globalen Verhandlungen den Druck auf jene Länder zu erhöhen, die den Nachhaltigkeitsprinzipien mehr oder weniger eine Absage erteilen. Sie sollten — soweit wie dies möglich ist — dazu bewogen werden, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und ebenfalls Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung einzuleiten.

6.4

Das reicht aber nicht aus. Bereits in seiner Stellungnahme „Zukunft der GAP“ ist der EWSA auf diese grundlegende Problematik eingegangen (38). Die Kommission muss sich deshalb — mit einer wesentlich höheren Intensität als bisher — dafür einsetzen, dass beispielsweise in den WTO-Verhandlungen zwingend Nachhaltigkeitskriterien wie klare Umwelt-, Tierschutz- und Sozialstandards integriert werden. Nachhaltigkeit hat also nicht nur etwas mit Produktion und Verbrauch, sondern auch sehr viel mit internationalem Handel zu tun. Nachhaltigkeitsaspekte haben aber bislang viel zu wenig Eingang in die WTO gefunden.

6.5

So wie das Argument der Entwicklungsländer akzeptiert werden muss, nicht länger beispielsweise unter Agrarexportsubventionen leiden zu wollen, müssen gleichzeitig andere Staaten akzeptieren, dass die EU es sich nicht länger gefallen lassen kann, dass heimische Produktionen deshalb aufgegeben werden müssen, weil sie mit Konkurrenzprodukten, die mit wettbewerbsverzerrenden und — aus Sicht der Nachhaltigkeit — unakzeptablen Methoden hergestellt werden, nicht konkurrenzfähig sind; der EWSA verweist hier auf das bereits erwähnte Zuckerbeispiel (vgl. Ziffer 2.3.10.1).

6.6

Die überarbeitete Nachhaltigkeitsstrategie der EU sollte sich diesem politischen Thema intensiv widmen und eine entsprechende Strategie darlegen (39).

6.7

Zu einer solchen Strategie zählt auch, Koalitionen mit denjenigen Ländern zu bilden, die bereit sind, gemeinsam Schritte hin zu einer nachhaltigen Entwicklung zu tun. Dazu könnten insbesondere die AKP-Länder zählen, zu denen die EU privilegierte Beziehungen unterhält.

6.8

Die Nachhaltigkeitsdebatte auf EU-Ebene hat ihren Ursprung in den vorausgegangenen Bemühungen der Vereinten Nationen, die wiederum auch die nationalen Strategien inspiriert haben. Diese Stränge können auf Dauer nicht getrennt verlaufen, sondern müssen miteinander vernetzt werden. Es sollte Aufgabe der neuen Nachhaltigkeitsstrategie der EU sein darzustellen, wie die Vernetzung der jeweiligen Ebenen (international, EU, nationale, aber auch regionale und lokale Ebene) zu einer kohärenten Politik zusammengeführt werden können.

6.8.1

Die EU hat sich in Johannesburg dazu verpflichtet, die vorhandenen internationalen Entwicklungsziele, insbesondere die Entwicklungsziele der Millenniums-Erklärung, sowie verschiedene neue und quantifizierbare Einzelziele und den Durchführungsplan des Johannesburger Weltgipfels umzusetzen. Dies muss in der EU-Nachhaltigkeitsstrategie seinen Niederschlag finden

7.   Die Notwendigkeit der Festsetzung von klareren strategischen Zielen und Indikatoren erörtern

7.1

Der EWSA schließt sich der Auffassung der Kommission an, dass „der Erfolg von Strategien (...) umso wahrscheinlicher (ist), je mehr sie

so weit wie möglich quantifizierbare Ziele und Maßnahmen

europäische, nationale, regionale und lokale Komponenten

Indikatoren für die Überprüfung der Fortschritte und für die Evaluierung der Wirksamkeit der Politiken“ (40) beinhalten.

7.2

Eine vertiefende Nachhaltigkeitsstrategie sollte unbedingt deutlich machen, dass es strukturelle Veränderungen geben wird (und wie diese vermutlich aussehen können), dass aber langfristig mit den Veränderungen der Rahmenbedingungen ein Mehr an Arbeitsplätzen, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz entstehen wird. Es sollte aus den unterschiedlichen Bereichen (Wirtschaft, Umwelt, Soziales) jeweils eine ausreichende Anzahl, leicht nachvollziehbare und eindeutige Indikatoren festgelegt werden, an denen gemessen werden kann, ob die Entwicklungstrends in die richtige Richtung gehen. Die derzeitigen Arbeiten von EUROSTAT scheinen dem Ausschuss in die richtige Richtung zu gehen. Den Überlegungen, die im Rahmen der Lissabon-Strategie angestellt werden, beispielsweise die Zahl der Überprüfungsindikatoren zu reduzieren (im Bereich Umweltschutz sogar auf nur einen einzigen, nämlich den CO2-Ausstoß zu beschränken), steht der Ausschuss ablehnend gegenüber. Der umweltspezifische Kernindikatorensatz der Europäischen Umweltagentur kann zur Ergänzung der Strukturindikatoren herangezogen werden.

7.3

Über die Bestimmung der Entwicklungstrends mit Hilfe von Indikatoren hinaus sollten Szenarien entwickelt werden, auf deren Grundlage Zwischenziele („milestones“) festgelegt werden können. Da nachhaltige Entwicklung kein Endziel hat, muss allen Beteiligten deutlich vor Augen geführt werden, wo die Reise hingeht und welche Auswirkungen unterschiedliche Entwicklungstrends letztlich auf die Situation z.B. eines Wirtschaftssektors oder das tägliche Leben der Bürger haben.

7.4

Der EWSA empfiehlt, ein intensives Benchmarking vorzunehmen und eine Liste guter und schlechter Beispiele der nachhaltigen Entwicklung zu erstellen.

8.   Wie kann das Umsetzungsverfahren verbessert werden?

8.1

Der EWSA unterstreicht in dieser Stellungnahme, dass die Ursachen unzureichenden Fortschritts u.a. im mangelnden Verständnis darüber, was nachhaltige Entwicklung überhaupt ist, daraus resultierenden Ängsten und Widerständen möglicherweise betroffener Sektoren, im Fehlen eindeutiger kurz-, mittel- und langfristiger Ziele und in der daraus resultierenden unzureichenden Einbeziehung einer Nachhaltigkeitsperspektive in alle relevanten Politikbereiche liegen. Die Beschäftigung mit diesen Mängeln dürfte auch die Umsetzung erleichtern.

8.2

Wie der Europäische Rat von Brüssel 2003 feststellte, kommt es zur „vollständigen Umsetzung der in Göteborg vorgeschlagenen Reformen (...) entscheidend darauf an, dass die EU-Organe und die Mitgliedstaaten (...) die Effizienz und Kohärenz der bestehenden Prozesse, Strategien und Instrumente (...) verbessern“ (41). Der Europäische Rat nannte in diesem Zusammenhang insbesondere den Cardiff-Prozess, Abkoppelungsziele, Strukturindikatoren, Überwachung des Fortschritts und Ermittlung bewährter Verfahren (42).

8.3

Bereits die Göteborger Beschlüsse enthielten den Auftrag an die Kommission, die Kohärenz ihrer Vorschläge durch eine Bewertung der Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit zu fördern. Die Kommission führte im vergangenen Jahr das Instrument der ausführlichen Folgenabschätzung ein, dass in ähnlicher Form als Nachhaltigkeitsprüfung bereits in der Handelspolitik genutzt wurde. Die ausführliche Folgenabschätzung wird von den Kommissionsdienststellen erarbeitet und dient als Grundlage und Begründung der Kommissionsvorschläge. Die bislang vorgelegten Beispiele stellen noch nicht in ausreichendem Maße eine integrierte Sichtweise der behandelten Probleme dar, sondern rücken die Kosten-Nutzen-Analyse zu sehr in den Vordergrund. Die Nachhaltigkeitsprüfung ihrerseits wird gemeinsam mit den Beteiligten in einem partizipativen Prozess erarbeitet.

8.4

Der EWSA stellt fest, dass der „Fahrplan für die Umsetzung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (Göteborg)“ nicht aktualisiert wurde und obwohl dieser auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates 2004 zur Überprüfung ansteht (43), ist dem EWSA nichts zu Vorarbeiten hierzu bekannt. Es verwundert jedoch keineswegs, dass ohne klare Ziele die Ausarbeitung eines Fahrplans unmöglich ist.

8.5

Für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates 2004 ist außerdem eine Bestandsaufnahme des Cardiff-Prozesses vorgesehen (44). Der EWSA geht davon aus, dass in dieser bedauerlicherweise nicht rechtzeitig vorliegenden Bestandsaufnahme festgestellt wird, dass die sektoralen Strategien der verschiedenen Ratsformationen bislang vorwiegend auf dem Papier existieren.

8.6

Ein größeres politisches Engagement im Hinblick auf das langfristige Ziel der nachhaltigen Entwicklung tut eindeutig Not. Auf EU-Ebene bedarf es innerhalb der Europäischen Kommission eines verständlicheren und besser koordinierten Ansatzes für Politikgestaltung auf dem Gebiet der nachhaltigen Entwicklung. Die Kommission sollte Jahresberichte zur nachhaltigen Entwicklung vorlegen. Auch sollte die wirksame Umsetzung des Cardiff-Prozesses engagierter vorangetrieben werden, und die Fachräte des Europäischen Rates (Energie, Wettbewerb, Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft usw.) sollten im Rahmen von Jahresberichten die Fortschritte in ihren jeweiligen Politikbereichen hin zu einer nachhaltigeren Entwicklung darlegen. Das Europäische Parlament sollte sich über ein entsprechendes Verfahren einen koordinierten Ansatz für Nachhaltigkeitsfragen geben. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss sollte angehalten werden, die Erörterung von Nachhaltigkeitsfragen anzuregen und mit nationalen Nachhaltigkeitsräten zusammenzuarbeiten, um die öffentliche Debatte über und das Engagement für nachhaltige Entwicklung anzukurbeln.

9.   Empfehlungen zur Konsultations- und Kommunikationsstrategie für die nachhaltige Entwicklung

9.1

Die Kommission erkennt in allen Dokumenten an, wie wichtig Kommunikation ist. In der Schlussfolgerung von Göteborg betont der Europäische Rat die Notwendigkeit, „alle Betroffenen umfassend zu konsultieren“ (Ziffer 23).

9.2

Die Kommission schreibt in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie (45) u.a.: „Es besteht die Befürchtung, dass die politischen Entscheidungen eher von engstirnigen Interessen bestimmter Bereiche beeinflusst wurden, als von den Interessen der Gesellschaft insgesamt. Dieser Eindruck ist Teil eines tieferen Unbehagens. Weite Teile der Bevölkerung sind der Ansicht, dass die Politik zu technokratisch und distanziert geworden ist und zu stark von persönlichen Interessen beeinflusst wird. Um dieser wachsenden Politikverdrossenheit zu begegnen, muss sich die Politik stärker öffnen. Ein offener politischer Prozess ermöglicht es darüber hinaus, die erforderlichen Kompromisse zwischen konkurrierenden Interessen klar zu definieren und auf transparente Art Entscheidungen zu treffen. Ein systematischer Dialog zu einem früheren Zeitpunkt — insbesondere mit Vertretern der Verbraucher, deren Interessen zu häufig übergangen werden — kann zwar die Vorbereitungszeit eines politischen Vorschlags verlängern, sollte jedoch die Qualität der Vorschriften verbessern und ihre Umsetzung beschleunigen“.

9.3

Kommunikation und Konsultation sind zwei unterschiedliche Dinge. Der EWSA hält es zunächst für absolut unerlässlich, die zukünftige neue Nachhaltigkeitsstrategie in engster Zusammenarbeit mit den betroffenen Kreisen, d.h. sowohl mit den Mitgliedstaaten (zur besseren Vernetzung der Strategien) als auch mit der Zivilgesellschaft, zu erarbeiten. Es reicht nicht aus, eine intern erarbeitete Strategie nach außen zu verkaufen; die Strategie muss Ergebnis eines offenen Konsultations- und Abstimmungsprozesses sein, soll sie —  mit ihrem neuen, hohen Konkretisierungsgrad — auf die notwendige breite Akzeptanz und Unterstützung stoßen.

9.4

Der EWSA hält es für dringend geboten, die Nachhaltigkeitsstrategie künftig in einem wesentlich partizipativeren Prozess fortzuentwickeln. Er erinnert daran, dass zwischen der Veröffentlichung des Konsultationspapiers und der Veröffentlichung des Entwurfs der Nachhaltigkeitsstrategie, der Grundlage der Erörterungen in Göteborg war, gerade einmal zwei Monate Zeit lagen. Die Diskussionen, die zwingend geführt werden müssen, um einen breiten gesellschaftlichen Konsens zu erreichen (s. Ziffern 2.2 und 2.3) brauchen weit mehr Zeit als bislang eingeräumt.

9.4.1

Diese Sondierungsstellungnahme kann durchaus als ein erster Schritt für einen solchen partizipativen Prozess verstanden werden. Der EWSA geht davon aus, dass die Zusage eingehalten wird, einen solchen Entwurf im Mai/Juni 2004 zu veröffentlichen. Anschließend sollte der Zivilgesellschaft ausreichend Zeit gegeben werden, um den Entwurf zu erörtern, wobei der EWSA mindestens drei Monate für angemessen hält.

9.4.2

Der weitere Prozess der Erarbeitung der neuen Strategie sollte durch ein Stakeholder Forum — ähnlich wie es bei der Entwicklung der „Strategie zur nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen“ eingesetzt wurde begleitet werden.

9.4.3

Schließlich sollte mit den Beteiligten das Ergebnis des Konsultationsprozesses diskutiert werden. Erst danach sollte die neue Kommission die neue Nachhaltigkeitsstrategie beschließen. Ihr politisches Programm sollte sie dann auf Basis der neuen Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln.

9.4.4

Der EWSA steht in diesem Prozess gern begleitend und unterstützend zur Verfügung und nimmt das Angebot der für Umweltschutz zuständigen Kommissarin, Margot Wallström (46), an, den Konsultationsprozess gemeinsam mit der Kommission zu organisieren.

9.5

Unter Ziffer 2 ist beschrieben worden, dass in den kommenden Monaten der Versuch gemacht werden sollte, die Nachhaltigkeitsstrategie zu konkretisieren und zu vertiefen. Diese Konkretisierung ist notwendig, denn Menschen können sich kaum an Visionen, wohl aber an klaren Vorgaben orientieren.

9.6

Die Strategie sollte zukünftig auch wesentlich besser kommuniziert werden, wozu gehört, dass letztlich alle Maßnahmen in einem einzigen Dokument zusammengefasst werden.

9.7

Der Ausschuss wünscht sich in Zukunft auch eine bessere Verknüpfung zwischen der Nachhaltigkeitsdebatte und der Bildungs- wie auch der Forschungspolitik. Eine vernünftige Verknüpfung von Bildung und Nachhaltigkeitsdebatte bedeutet indirekt auch, allen die Möglichkeit zur Teilnahme am Prozess zu ermöglichen.

9.7.1

Es wird in der Bildungspolitik, die durchaus als Teil der Kommunikationsstrategie verstanden werden kann, besonders darum gehen, langfristiges und vernetztes Denken im sozialen Kontext zu entwickeln.

9.7.2

Die Analyse von nicht-nachhaltigen Entwicklungstendenzen in unserer Gesellschaft erstreckt sich häufig auf einen zeitlichen Rahmen von fünf bis zehn Jahren und geht selten darüber hinaus. In Anbetracht der damit verbundenen Schwierigkeiten ist dies verständlich. Jedoch muss bei Maßnahmen zur Förderung von mehr Nachhaltigkeit häufig ein Zeithorizont von 15 bis 20 Jahren oder mehr (generationsbezogen) angesetzt werden. Dies veranschaulicht eines der ursächlichen Probleme bei der Bekämpfung nicht-nachhaltiger Tendenzen und der Entwicklung der notwendigen Gegenmaßnahmen: Es mangelt an zuverlässigen wissenschaftlichen Verfahren für die Entwicklung alternativer Szenarien. Dabei sollte die Errichtung einer EU-Denkfabrik für die langfristige Politikgestaltung im Bereich der nachhaltigen Entwicklung und zur Förderung einer nachhaltigen Lebensweise in Erwägung gezogen werden. Die nachhaltige Entwicklung ist auf alternative Szenarien, die sich auf verschiedene Themen und Tendenzen erstrecken, und auf kritisches Denken zwingend angewiesen. Der EWSA schlägt vor, in der überarbeiteten Strategie für nachhaltige Entwicklung eine besondere Forschungsanstrengung im Hinblick auf die Entwicklung von umfassenden Simulationsmodellen betreffend die nachhaltige Entwicklung vorzusehen. Dabei ist nicht nur zu beschreiben, welche sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen eine konsequente Nachhaltigkeitspolitik haben wird, sondern auch, welche sozialen und ökologischen Konsequenzen zu erwarten sind, wenn man darauf verzichtet, nicht nachhaltige Trends abzustellen.

9.7.3

Die Modernisierung der Arbeitsplätze und die Einführung umweltfreundlicher Technologien wird sich auf die schulischen und beruflichen Qualifikationsanforderungen der Arbeitnehmer auswirken. Mit der Weiterentwicklung der Produktionsverfahren und der Auflösung der hierarchischen Strukturen steigt der Bedarf an innerbetrieblicher Fortbildung und lebensbegleitendem Lernen für alle Arbeitnehmer. Eine Gesellschaft, die von Nachhaltigkeit geprägtes Denken und Handeln anstrebt, muss ein hohes schulisches und berufliches Bildungsniveau vorweisen können.

9.7.4

Eine wissensintensive Gesellschaft ist einerseits langfristig zweifellos notwendig für die nachhaltige Entwicklung, andererseits aber auch ihre Folge. Durch die Bildungssysteme muss daher u.a. mehr Wissen über nicht nachhaltige Entwicklungstendenzen vermittelt werden. Ein Verständnis der Herausforderungen fördert das Verständnis für die notwendigen Maßnahmen.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  Siehe Art. 2 des EG-Vertrags.

(2)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Cardiff), 15. und 16. Juni 1998, Ziffer 34.

(3)  KOM(2003) 745 endg. vom 3.12.2003, siehe auch Anlage zu diesem Dokument.

(4)  Die übrigens in völliger Übereinstimmung mit den Untersuchungen der Europäischen Umweltagentur stehen. Siehe http://reports.eea.eu.int/environmental_assessment_report_2003_10/en

(5)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Göteborg), 15. und 16. Juni 2001, Ziffer 28.

(6)  KOM(2003) 745 endg.

(7)  KOM(2003) 745 endg.

(8)  KOM(2003) 745 endg.

(9)  KOM(2003) 745 endg., S. 23.

(10)  KOM(1999) 543 endg., S. 24.

(11)  KOM(2003) 745 endg., S. 27.

(12)  KOM(2001) 264 endg.

(13)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Stockholm), 23. und 24. März 2001, Ziffer 48.

(14)  Der EWSA erinnert daran, dass derzeit 20 % der Menschen rund 80 % aller Ressourcen verbraucht. 5 % der lebenden Bevölkerung (USA) produzieren aufgrund des exorbitanten Energieverbrauchs 25 % aller CO2-Emissionen.

(15)  Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Unsere gemeinsame Zukunft aufbauen — Politische Herausforderungen und Haushaltsmittel der erweiterten Union — 2007-2013“ (KOM(2004) 101 endg.).

(16)  Siehe auch Ziffer 6.

(17)  „Unsere gemeinsame Zukunft“, Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, 1987.

(18)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Erarbeitung einer Strategie der Europäischen Union für nachhaltige Entwicklung“, ABl. C 221 vom 7.8.2001, S. 169-177.

(19)  http://europa.eu.int/comm/sustainable/docs/strategy_en.pdf.

(20)  Vgl. KOM(1999) 543 vom 24.11.1999, S. 16 Ziffer 4.4: Effiziente Nutzung und Bewirtschaftung von Ressourcen, sowie Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission „Die Umwelt Europas: Orientierungen für die Zukunft — Gesamtbewertung des Programms der Europäischen Gemeinschaft für Umweltpolitik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung — Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung“, ABl. C 204 vom 18.7.2000, S. 59-67.

(21)  Was Europa aufgrund der zu erwartenden globalen Steigerungsraten eine noch höhere Reduktion abverlangen könnte.

(22)  SEK(1999) 1942 vom 24.11.99, S. 14.

(23)  Zahlen aus: „External Costs — Research results on socio-environmental damages due to electricity and transport“; EU Commission —  Community Research, 2003.

(24)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Göteborg), 15. und 16. Juni 2001, Ziffer 21.

(25)  Allein die Broschüre „Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“ enthält Passagen der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Göteborg, die Mitteilung der Kommission „Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“, das Konsultationspapier zur Ausarbeitung einer Strategie für die nachhaltige Entwicklung sowie ein Protokoll einer gemeinsam von Kommission und EWSA organisierten Anhörung zum Thema. Daneben gibt es das 6. Umweltaktionsprogramm, die Lissabon-Strategie, demnächst weitere Strategien u.a. für die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, (... Anm.: die weiteren angeben).

(26)  In Wahrheit sind es Krankheitsfinanzierungskosten.

(27)  KOM(1999) 543 endg. vom 24.11.1999, S. 23.

(28)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Göteborg), 15. und 16. Juni 2001, Auszug aus den Ziffern 20 und 21: „Der Europäische Rat vereinbart eine Strategie für nachhaltige Entwicklung, mit der das politische Engagement der Union für wirtschaftliche und soziale Erneuerung ergänzt, der Lissabonner Strategie eine dritte, die Umweltdimension hinzugefügt und ein neues Konzept für die Politikgestaltung eingeführt wird“. (...) „Klare und stabile Ziele für die nachhaltige Entwicklung werden beträchtliche wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen. Hierin liegt das Potenzial für das Auslösen einer neuen Welle technologischer Innovationen und Investitionen, durch die Wachstum und Beschäftigung entstehen“.

(29)  Siehe u.a.: Plattform „Investing for a sustainable future“, in der das Europäische Umweltbüro (EEB), der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und die „Platform of European Social NGOs (Social Platform)“ entsprechende Vorschläge unterbreiten.

(30)  Mitteilung der Kommission „Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“, KOM(2001) 264 endg. vom 15.5.2001.

(31)  Armutsbekämpfung und Überalterung.

(32)  KOM(2003) 745 endg., S. 34.

(33)  So ist auffällig, dass die menschliche Arbeitskraft — obwohl im Überfluss vorhanden — überall in Europa hoch besteuert wird, während das immer knapper werdende Gut „Umwelt“ fast ohne steuerliche Belastung auskommt.

(34)  S. bspw. die jüngste Veröffentlichung von Eurostat: „Umweltsteuern in der EU 1980-2001: Erste Effekte ökologischer Steuerreformen sichtbar“ — Eurostat 2003.

(35)  Z.B. nach dem Vorbild des World Business Council for Sustainable Development auf internationaler Ebene.

(36)  U.a. im Bereich Verkehr, aber auch im Bereich der Landwirtschaft: so investiert derzeit der größte Schweineproduzent der USA (Smithfield) in riesigen Mastanlagen in Polen, was nichts mit nachhaltiger (oder multifunktionaler) Landwirtschaft zu tun hat.

(37)  Der EWSA gibt in seiner in Erarbeitung befindlichen Stellungnahme zu angepassten Umwelttechnologien in den neuen Mitgliedstaaten konkrete Hinweise zu diesem Thema.

(38)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Zukunft der GAP“, ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 87-99. Dort schreibt er: „Prinzipiell erwartet der EWSA deshalb von der Welthandelspolitik, dass sich Gesellschaften/Wirtschaftsräume, ihre Produzenten und ihre Verbraucher vor Produkten schützen können müssen, die nicht nach den eigenen anerkannten und praktizierten Regeln nachhaltiger Produktion hergestellt wurden bzw. auferlegten Normen nicht gerecht werden“.

(39)  Vgl. Ziffer 2.2.5, wo darauf hingewiesen wurde, dass eine Strategie durchaus die absehbaren Schwierigkeiten von vornherein einzubeziehen hat.

(40)  KOM(1999) 543 endg., S. 25.

(41)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Brüssel), 21. und 22. März 2003, Ziffer 57.

(42)  Ebenda.

(43)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Brüssel), 21. und 22. März 2003, Ziffer 58.

(44)  Ebenda.

(45)  KOM(2001) 264 endg., S. 9 (unter: Verbesserte Kommunikation und Mobilisierung der Bürger und der Unternehmen).

(46)  Siehe Rede im EWSA am 17.3.2004.


ANHANG 1

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die folgenden Änderungsanträge, die mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen erhalten haben, wurden im Verlauf der Beratungen abgelehnt (Artikel 39 Absatz 2 der Geschäftsordnung).

Ziffer 2.1.3:

Wie folgt ergänzen:

„... und wirtschaftlichen und sozialen Aspekten weniger Beachtung schenkt.“

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 37, Nein-Stimmen: 51, Stimmenthaltungen: 8.

Ziffer 2.3.10.1:

Streichen

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 33, Nein-Stimmen: 65, Stimmenthaltungen: 2.

Ziffer 2.3.10.2:

Streichen

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 33, Nein-Stimmen: 62, Stimmenthaltungen: 3.

Ziffer 3.6:

Streichen

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 32, Nein-Stimmen: 53, Stimmenthaltungen: 6.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/38


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Entwicklung einer thematischen Strategie für die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“

(KOM(2003) 572 endg.)

(2004/C 117/09)

Die Kommission beschloss am 1. Oktober 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Entwicklung einer thematischen Strategie für die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ (KOM(2003) 572 endg.).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz erarbeitete ihre Stellungnahme am 5. April 2004 (Berichterstatter: Herr RIBBE).

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 28. April 2004) mit 54 Ja-Stimmen gegen 1 Nein-Stimme bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Vorbemerkung

1.1

Die vorgelegte Mitteilung ist als erster, vorbereitender Schritt der Kommission hin zu einer im Jahr 2004 vorzulegenden „Strategie für die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ zu verstehen, die dann im Jahr 2005 verabschiedet werden soll. Mit der Mitteilung soll eine Diskussion mit allen Betroffenen, also auch Teilen der Zivilgesellschaft, in Gang gesetzt werden, an deren Ende ein weitgehend abgestimmtes und akzeptiertes Strategiepapier stehen soll.

1.2

Um diesen Abstimmungsprozess zu fördern, haben die Kommissionsdienststellen beispielsweise ein Stakeholder Forum etabliert, das mittlerweile intensive Beratungen aufgenommen hat (1).

1.3

Ziel der zu entwickelnden Strategie soll es sein, Ideen zur weiteren notwendigen Verringerung der Umweltauswirkungen der Ressourcennutzung zu entwickeln und festzulegen. Im Kern geht es darum, das zukünftige Wirtschaftswachstum noch wesentlich stärker von der Ressourcennutzung zu entkoppeln.

1.4

Die zu entwickelnde Strategie soll somit als eine Art „Unterstrategie“ zur Konkretisierung der derzeit in Überarbeitung befindlichen Nachhaltigkeitsstrategie der EU verstanden werden.

1.5

Die zu entwickelnde Strategie soll auf drei strategischen Komponenten aufbauen:

der weiteren Sammlung von Wissen über die vielfach vernetzten Auswirkungen beim „Lebenszyklus“ der genutzten Ressourcen (also von Gewinnung über Nutzung bis hin zur Abfallphase);

einer Politikbewertung, deren Ziel es u.a. ist darzustellen, dass es „gegenwärtig keinen Mechanismus (gibt), mit dessen Hilfe beurteilt werden kann, ob politische Entscheidungen (…) (mit) dem Gesamtziel der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Auswirkungen der Ressourcennutzung vereinbar sind“; die Ressourcenstrategie soll dies zukünftig gewährleisten;

der Integration in andere Politikbereiche, wobei darauf abgezielt wird, ressourcenbezogene Umweltfragen stärker in andere Politikbereiche zu integrieren.

1.6

Das Dokument ist fachlich in engem Zusammenhang mit zwei weiteren Initiativen zu sehen, die ebenso wie diese Strategie im Rahmen der Umsetzung des 6. Umweltaktionsprogramms von der Kommission in Gang gesetzt wurden; nämlich der Vorbereitung einer „Strategie für Abfallvermeidung und -recycling“ sowie der „integrierten Produktpolitik“. Zu beiden hat der EWSA bereits auf seiner Plenartagung im Dezember 2003 Stellung bezogen (2).

1.7

Der Zeithorizont der zu entwickelnden Strategie wird mit 25 Jahren angegeben.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Im Dokument gibt die Kommission zunächst eine Definition des Begriffs „natürliche Ressourcen“ ab. Darunter werden sowohl die für die menschlichen Tätigkeiten nötigen Rohstoffe (sowohl regenerative als auch nicht regenerative) als auch die verschiedenen Umweltmedien (wie Wasser, Boden und Luft, aber auch Landschaft) verstanden.

2.2

Das Kommissionsdokument bezieht sich ausdrücklich auf den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, auf dem die Teilnehmer überein gekommen sind, dass „der Schutz und die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcenbasis der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung übergreifende Zielsetzungen der nachhaltigen Entwicklung und zugleich grundlegende Anforderung an die nachhaltige Entwicklung sind“ (3).

2.3

Mit anderen Worten: ohne sinnvollen Schutz und verträgliche Nutzung der Ressourcen gibt es keine nachhaltige Entwicklung. Die Kommission versteht deshalb auch die geplante Strategie ausdrücklich als einen (von mehreren) Beiträgen des Umweltschutzes zur nachhaltigen Entwicklung.

2.4

In der Analyse der Situation kommt die Kommission zu einer Bewertung, die viele am Umweltschutz Interessierte überraschen mag und die im Rahmen der Entwicklung der Strategie für viel kontroversen Gesprächsstoff sorgen dürfte: während nämlich bei den erneuerbaren Ressourcen (z.B. Fischbestände, Süßwasser) zum Teil größte Probleme gesehen werden, wird bei den nicht erneuerbaren Ressourcen die Situation viel entspannter eingeschätzt. Sätze wie: „Ferner lässt die Begrenztheit einer bestimmten Ressource nicht automatisch darauf schließen, dass diese eines Tages knapp werden wird“ sind vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in den 70er und 80er Jahren viele Basiswerke der damals aufkommenden Umweltbewegung gerade die drohende Verknappung nicht erneuerbarer Ressourcen zum Gegenstand hatten (4), sicherlich nicht nur intensiv erklärungsbedürftig. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass hier ein falsches politisches Signal gesetzt und eine solche Aussage als eine Art Entwarnung missverstanden wird.

2.5

Dabei ist klar, dass solche Aussagen langfristig natürlich jeglicher Grundlage entbehren. Auch wenn in den letzten Jahren immer wieder neue Lagerstätten nicht erneuerbarer Ressourcen entdeckt wurden und sich frühere Prognosen zur erwarteten Ressourcenverknappung (5) als zeitlich nicht genau zutreffend erwiesen haben, ist eindeutig, dass z.B. Öl, Kohle und andere nicht regenerative Rohstoffe endlich sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die in den letzten Jahren bereits erzielten Entkopplungserfolge zwischen Ressourcenverbrauch und Wachstum noch nicht ausreichten, um das Problem insgesamt zu lösen. Sie wurden u.a. durch globale Wachstumsquoten mehr als kompensiert.

2.6

Die Aussagen der Kommission können deshalb nur in Zusammenhang mit dem Zeithorizont der Strategie gesehen werden: in der Tat mag es in den kommenden 25 Jahren noch zu keinen entscheidenden Verknappungen bei nicht erneuerbaren Ressourcen kommen. Doch ein Zeithorizont von 25 Jahren ist im Rahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie und zur möglichen Umsetzung des von der Kommission andiskutierten „Faktor-10-Konzeptes“ (6) nach Auffassung des EWSA viel zu kurz.

2.7

Deshalb sind in der Strategie auch klare Aussagen zu den nicht erneuerbaren Ressourcen notwendig, die über den eigentlichen Zeithorizont dieser Strategie hinaus gehen. Denn die Weichen für eine entsprechende nachhaltige Politik müssen auch in diesem Sektor bereits heute gestellt werden.

2.8

Zweifellos hat die Kommission recht mit der Aussage, dass das zentrale ökologische Problem von nicht erneuerbaren Ressourcen nicht darin liegt, ob diese beispielsweise noch in der Erde vorhanden sind oder nicht. Die Beispiele von Kohle, Öl oder Gas zeigen, dass das eigentliche ökologische Problem in der Nutzung dieser Rohstoffe (Gewinnung und in diesem Fall Verbrennung mit der Folge der Kohlendioxidemission) und nicht in dessen Existenz oder Nichtexistenz liegt.

2.9

Aus Sicht einer nachhaltigen Entwicklung — und die hat die Kommission ja zweifelsfrei im Auge — hat die Frage der Verfügbarkeit durchaus eine Relevanz. Denn selbst wenn es gelingen sollte, die ökologischen Folgen der Nutzung von Ressourcen zu begrenzen oder gar gegen Null zu führen, so zwingt uns unsere Verantwortung den zukünftigen Generationen gegenüber, die Ausbeutung/Nutzung von Ressourcen nicht innerhalb einer kurzen Spanne der Menschheitsgeschichte geschehen zu lassen.

2.10

Die EU bereitet derzeit eine Fülle von (durchaus notwendigen) neuen Strategien vor bzw. überarbeitet vorhandene Strategien. Zu nennen sind u.a. die übergeordnete Nachhaltigkeitsstrategie, die Strategien zur Abfallvermeidung und -recycling, zur integrierten Produktpolitik, zum Schutz der Meeresumwelt, zu Aquakulturen, zu „Gesundheit und Umwelt“ etc. Der EWSA steht hinter allen diesen Initiativen, gibt aber der Kommission zu bedenken, dass die Gefahr besteht, dass nicht direkt Beteiligte den Überblick verlieren und Schwierigkeiten haben zu erkennen, wo welche Strategie ansetzt und wie sie in die „Hierarchie“ der diversen Strategien einzuordnen ist

2.11

Der EWSA hält es deshalb für angebracht,

die Einordnung der jeweiligen Strategie in den Politikkontext sehr genau zu beschreiben,

die Querverbindungen zu den anderen Strategien und zu den aktuellen Politikfeldern auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten kenntlich zu machen und

darzustellen, wo und wie letztlich die diversen Strategien zusammenlaufen. Dabei steht für den EWSA außer Frage, dass die Nachhaltigkeitsstrategie die übergeordnete Strategie ist, von der die Ressourcenstrategie, ebenso wie andere Strategien, abzuleiten sind.

2.12

Der EWSA hält es zudem für zentral, die konkreten Auswirkungen der geplanten Strategien für die potenziell Betroffenen jeweils möglichst umfassend zu beschreiben. Dazu gehört auch, die Verantwortlichkeiten darzustellen und deutlich zu machen, wer was auf welcher politischen Ebene mit welcher Verbindlichkeit regeln kann und was geregelt werden muss. So erwartet der EWSA von der vorzulegenden Strategie nicht nur, dass die Möglichkeiten, die die EU im Bereich der Nutzung natürlicher Ressourcen hat, detailliert dargestellt werden, sondern dass gleichzeitig auch die auf Ebene der Mitgliedstaaten (bzw. auf regionaler und lokaler Ebene) liegende Verantwortung beschrieben wird.

2.13

In der Vermittlung des entsprechenden Wissens an breite Bevölkerungsschichten sieht der EWSA eine wichtige Aufgabe.

2.14

Die möglichen Konsequenzen für die Wirtschaft, das Arbeitsleben und die Arbeitsmärkte müssen in der Strategie einen breiten Raum einnehmen. Die Kommission hat an vielen Stellen und in vielen Dokumenten immer wieder betont, dass Arbeitsplatzschaffung und Umweltschutz keinen Gegensatz darstellen, sondern sich gegenseitig positiv ergänzen können. Das muss in und mit dieser Strategie bewiesen werden. Die Wirtschaftsunternehmen wünschen sich zu Recht eine möglichst langfristige Planungs- und Rechtssicherheit. Die Strategie muss Hinweise darauf geben, worauf sich die Unternehmen in den nächsten Jahren einzustellen haben.

Dazu müsste sicherlich auch aufgezeigt werden, durch welche Änderungen der Rahmenbedingungen diese Synergien erreicht werden sollen. Es sollte geklärt werden, ob durch neue steuer- und abgabenpolitische Initiativen die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen gefördert werden kann. Was die Entwicklung des Einsatzes wirtschaftlicher Instrumente anbelangt, so wurden in den letzten Jahren zunehmend Umweltsteuern und — abgaben erhoben, und langsam, aber sicher zeichnet sich eine Tendenz zu Umweltsteuerreformen ab — einige Länder verändern ihre Besteuerungsgrundlagen, indem sie den Faktor Arbeit entlasten und die Steuern und Abgaben auf Umweltverschmutzung, Ressourcen und Dienste erhöhen (7).

3.   Besondere Bemerkungen des EWSA

3.1

Der EWSA begrüßt die Vorlage des Papiers außerordentlich. Eine Ressourcenstrategie ist zwingend notwendig, um zu einer noch stärkeren Entkopplung von Ressourcenverbrauch (mit Umweltbelastungen) und Wirtschaftswachstum zu gelangen.

3.2

Der EWSA hält den Zeithorizont der Strategie mit 25 Jahren eindeutig für zu kurz. Er unterstützt die Kommission dahingehend, die kurz- und mittelfristig anstehenden und lösbaren Probleme durchaus in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu stellen. Dies darf aber keinesfalls dazu führen, dass die bereits erkannten langfristigen Probleme quasi unbearbeitet bleiben.

3.3

Es sollte deshalb dringend ein Kapitel mit langfristigen Problemen, die hauptsächlich die nicht regenerativen Ressourcen betreffen dürften, angefügt werden, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass die gesamte Strategie missverstanden werden kann. Dabei sollte nicht nur die Umweltproblematik, sondern auch die Frage der globalen physischen bzw. politischen Verfügbarkeit betrachtet werden. Der EWSA begrüßt in diesem Zusammenhang jene Passagen in der Mitteilung, in denen die regionale europäische Verfügbarkeit angesprochen wird. Beispielsweise gibt es beim Öl nicht ausschließlich ein Mengenproblem: die Verfügbarkeit (und folglich die Abhängigkeit) ist vielmehr ein sehr ernst zu nehmendes politisches Problem, wie die Ölkrise der 70er Jahre und manche weiteren Ereignisse der jüngeren Vergangenheit eindrücklich gezeigt haben. Die großen Wirtschaftsblöcke dieser Welt scheinen durchaus unterschiedliche Strategien für den Umgang mit dieser Problematik zu haben.

3.4

Die Strategie ist nach Auffassung des EWSA zu stark auf die materielle Nutzung der Ressourcen ausgerichtet, der Schutzgedanke, also die immaterielle Seite, die mit Ressourcen verbunden ist, kommt zu kurz. Der EWSA empfiehlt, nicht nur den Titel der Strategie um den „Schutzbegriff“ zu erweitern, sondern den Schutzgedanken insgesamt höher zu bewerten. Damit könnte auch an die Diskussionen, die in Johannesburg geführt wurden (vgl. auch Ziff. 2.2), angeknüpft werden.

3.5

Es ist eindeutig, dass beispielsweise auch Landschaften wichtige Ressourcen darstellen: beispielsweise die Alpen, die sowohl ein sensibles Ökosystem als auch einen touristischen Anziehungspunkt darstellen (8). Auch die Übernutzung der Ressource Landschaft (z.B. durch den ausufernden Verkehr) muss in die Strategie eingebaut werden. An solchen konkreten Beispielen ließen sich die Querverbindungen zu anderen Politikbereichen, z.B. zur Agrarpolitik, und die erwähnten Verantwortlichkeiten gut festmachen. Die Vielfalt der europäischen Landschaften, die u.a. durch sehr unterschiedliche landwirtschaftliche Nutzungsweisen entstanden ist, macht einen wichtigen Teil der europäischen Kultur und Identität aus, die erhalten werden muss.

3.6

Die Kommission weist zu Recht auf teilweise bedrohliche Übernutzungen regenerativer Ressourcen hin. Bezüglich der Ressource Holz stellt die Kommission beispielsweise dar, dass nur ein Teil des jährlichen Zuwachses tatsächlich genutzt wird, woraus sich erhebliche Potenziale zur weiteren (umweltverträglichen) Nutzung des Rohstoffs Holz ergeben. Dies ist auf der einen Seite zweifelsfrei richtig, dennoch müssen zwei Aspekte berücksichtigt werden: der Wald — wie alle Ökosysteme — hat nicht nur eine materielle Funktion, sondern auch eine extrem wichtige immaterielle Bedeutung, z.B. als Ökosystem oder Erholungsraum. Diese, aber auch seine Schutzfunktion (z.B. Hochwasser- und Lawinenschutz) können durchaus im Widerspruch zu einer maximalen holzwirtschaftlichen Nutzung stehen. Zum Anderen sind die Waldressourcen höchst ungleich verteilt; die extremen Waldschäden in Teilen der Beitrittsstaaten (als Beispiel: Erz-, Riesen- und Isergebirge) haben nicht nur zur Zerstörung einer potenziell lokal nutzbaren Ressource geführt, sondern auch Teile der extremen Hochwässer der Oder (in 1997) und der Elbe (im Jahr 2002) mit verursacht.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  Und an dem auch der EWSA beteiligt ist.

(2)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission „Eine thematische Strategie für Abfallvermeidung und -recycling“ (KOM(2003) 301 endg.) und Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Integrierte Produktpolitik: Auf den ökologischen Lebenszyklus-Ansatz aufbauen“ (KOM(2003) 302 endg.), ABl. C 80, 30.3.2004, S. 39-44.

(3)  Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development, Introduction, paragraph 2.

(4)  Vgl. „Die Grenzen des Wachstums — Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“, 1972.

(5)  Beispielsweise des Club of Rome (s. Fußnote 4) oder des US-amerikanischen Rats für Umweltqualität „Global 2000 — Der Bericht an den Präsidenten“, 1980.

(6)  Das besagt, zukünftig die gleiche Wirtschaftsleistung mit nur einem Zehntel des bisherigen Ressourceneinsatzes zu erzielen.

(7)  S. bspw. die jüngste Veröffentlichung von Eurostat: „Umweltsteuern in der EU 1980-2001: Erste Effekte ökologischer Steuerreformen sichtbar“ — Eurostat 2003.

(8)  Vgl. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Zukunft der Berggebiete in der Europäischen Union“, ABl. C 061 vom 14.3.2003, S. 113-122.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/41


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss „Ein Binnenmarkt ohne unternehmenssteuerliche Hindernisse — Ergebnisse, Initiativen, Herausforderungen“

(KOM(2003) 726 endg.)

(2004/C 117/10)

Die Kommission beschloss am 24. November 2003 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss „Ein Binnenmarkt ohne unternehmenssteuerliche Hindernisse — Ergebnisse, Initiativen, Herausforderungen“ (KOM(2003) 726 endg.).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 14. April 2004 an. Berichterstatter war Herr Cassidy.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung (Sitzung vom 28. April 2004) mit 56 gegen 14 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die Mitteilung ist ein Überblick über die Bemühungen der Europäischen Kommission, die steuerlichen Hindernisse für Unternehmen, die im Binnenmarkt grenzüberschreitend tätig sind, zu beseitigen. Es handelt sich nicht um einen Vorschlag zur Steuerharmonisierung. Vielmehr wird damit lediglich angestrebt, die das ordentliche Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigenden steuerlichen Hindernisse für grenzüberschreitend tätige Unternehmen zu beseitigen und die Ineffizienz im Steuerwesen zu beheben, die sich aus 15 verschiedenen Bemessungsgrundlagen ergibt.

1.2

Der EWSA wurde bereits mit anderen Mitteilungen der Kommission zu Steuerfragen befasst, wie z.B. 2001 mit der Kommissionsmitteilung „Steuerpolitik in der Europäischen Union — Prioritäten für die nächsten Jahre“ (KOM(2001) 260 endg.). Berichterstatter für die Stellungnahme des EWSA war Herr Morgan. Darin wurden die allgemeinen steuerpolitischen Ziele der Kommission unterstützt, insbesondere die Koordinierung der Unternehmenssteuern zur Behebung der sich vor allem für KMU aus den Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten ergebenden Schwierigkeiten.

1.3

2002 gab der EWSA eine weitere Stellungnahme — zu den Kommissionsvorschlägen zum Thema Der Steuerwettbewerb und seine Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen – ab, für die erneut Herr Morgan Berichterstatter war. In der Stellungnahme des EWSA wurde besonders die Notwendigkeit hervorgehoben, der MwSt, Privatrenten und Konzernverrechnungspreisen (1) Priorität einzuräumen. Unterschiedliche einzelstaatliche Regelungen verhindern die unternehmenssteuerliche Gleichbehandlung zwischen Unternehmen mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten.

1.4

In einer ebenfalls 2002 abgegebenen Initiativstellungnahme (Berichterstatter: Herr Malosse, Mitberichterstatterin: Frau Sánchez Miguel) wurde die Beschleunigung der Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und insbesondere die Einsetzung eines gemeinsamen EU-Forums zum Thema Konzernverrechnungspreise gefordert. Außerdem wurde darin das Ziel bekräftigt, einen von Steuerschranken freien Binnenmarkt zu schaffen, und die Bedeutung der Einführung gemeinsamer Grundsätze zur Förderung des Binnenmarktes zu betonen. Das Ziel einer harmonisierten Besteuerungsgrundlage für alle EU-Unternehmen ist vereinbar mit der Steuerhoheit der EU-Mitgliedstaaten und -Regionen, da ihre Zuständigkeit für die Festsetzung der Steuerhöhe gewahrt bleibt.

1.5

2003 verabschiedete der EWSA eine Stellungnahme zum „Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/435/EWG über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten“ (KOM(2003) 462 endg.). Hauptberichterstatterin war Frau Polverini. In dieser EWSA-Stellungnahme wurden die Kommissionsvorschläge befürwortet, die auf die Abschaffung oder zumindest Einschränkung der Doppel- oder Mehrfachbesteuerung von Gewinnen abzielen, die von einer Tochtergesellschaft im Land der Muttergesellschaft oder der ständigen Niederlassung ausgeschüttet werden.

1.6

Des Weiteren verabschiedete der Ausschuss 2003 eine Initiativstellungnahme zum Thema „Steuerpolitik in der EU: gemeinsame Grundsätze, Konvergenz des Steuerrechts und Möglichkeit der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit“ in Steuerfragen. Berichterstatter war Herr Nyberg. Die Schlussfolgerung war, dass folgende drei Aspekte angegangen werden müssen:

Anwendung der Methode der offenen Koordinierung zur Ermittlung der wirksamsten Steuersysteme;

Einführung einer gemeinsamen Unternehmensbesteuerungsgrundlage;

Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit zur Festlegung von Mindestsätzen für die Unternehmensbesteuerung.

2.   Die neue Mitteilung der Kommission

2.1

In der Mitteilung werden die Steuerhindernisse für Unternehmen, vor allem KMU, die im Binnenmarkt grenzüberschreitend tätig sind, beschrieben. Trotz der Mitteilung der Kommission von 2001 bestehen die damals festgestellten Steuerhindernisse weitgehend fort. In der neuen Mitteilung wird daran erinnert, dass die Kommission eine Reihe spezifischer Vorschläge und Initiativen zur Beseitigung spezifischer Steuerhindernisse unterbreitet hat.

2.2

Die Kommission arbeitet weiter an einer umfassenderen langfristigen Lösung, die es den Unternehmen ermöglichen soll, für all ihre EU-weiten Aktivitäten eine einheitliche Unternehmensbesteuerungsgrundlage zu verwenden (zu versteuernde Gewinne). Nach Überzeugung der Kommission können Steuerprobleme im Binnenmarkt nur auf diese Weise systematisch gelöst werden.

2.3

Der EWSA anerkennt die von der Kommission u.a. zur Überarbeitung der Fusionsrichtlinie 90/434/EG und der Richtlinie über Mutter- und Tochtergesellschaften 90/435/EG unternommenen Schritte.

3.   Anregungen

3.1

Der EWSA unterstützt die Kommission bei ihren Anstrengungen zur Beseitigung von Verzerrungen des Binnenmarktes durch unterschiedliche Regeln und Vorschriften über die Unternehmensbesteuerung in den einzelnen Mitgliedstaaten. Dieses Problem wird durch die EU-Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten am 1. Mai 2004 noch verschärft.

3.2

Daher ist neuer Elan erforderlich, um die Unternehmenssteuervorschriften zu konsolidieren und ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten über zulässige und unzulässige einzelstaatliche Steuern zu schließen. Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Besteuerungsgrundlage ist vorrangig.

3.3

Der EWSA hofft, dass die Mitgliedstaaten die Schwierigkeiten von Unternehmen, vor allem der KMU, anerkennen. Den Unternehmen stehen nicht die Mittel zur Verfügung, sich auf 15 (demnächst 25) verschiedene einzelstaatliche Vorschriften einzustellen. Der Ausschuss ist überzeugt, dass eine mögliche „Besteuerung im Heimatland“ (2) für KMU, ggf. mit einer Umsatzschwelle, Vorzüge hätte.

3.3.1

Das Pilotprojekt der Kommission zur „Besteuerung im Heimatland“ bietet eine Lösung für grenzüberschreitend tätige KMU und erleichtert ihre Steuerverwaltungsbelastung. Die „Besteuerung im Heimatland“ könnte bilateral getestet und bei positiver Bewertung später auf die gesamte EU ausgeweitet werden.

3.4

Eine gemeinsame europäische Besteuerungsgrundlage ist ein wichtiger erster Schritt. Nach Überzeugung des EWSA stellen die IFRS (International Financial Reporting Standards — Rechnungslegungsnormen) eine zu große Belastung dar und sollten den KMU nicht vorgeschrieben werden, da sie vor allem für börsennotierte Unternehmen gedacht sind (sie können jedoch als Ausgangspunkt für eine Besteuerungsgrundlage dienen). Der Kommissionsvorschlag muss angepasst werden, damit er für KMU anwendbar wird. Die IAS/IFRS sollten an die besonderen Bedürfnisse von KMU hinsichtlich Verwaltungslasten und Besteuerung angepasst werden. Eine harmonisierte Besteuerungsgrundlage und neue Rechnungsführungsnormen könnten zu einer höheren Besteuerung führen. Die betreffenden Staaten müssen die Möglichkeit haben, eine derartige Umstellung durch Änderung ihrer Steuersätze aufzufangen. Auch dürfen die Erfordernisse der künftigen „Europäischen Gesellschaft“ (SE) nicht übersehen werden.

3.5

Eine weitere Feststellung ist, dass die Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen einzelner Mitgliedstaaten untereinander und mit Drittstaaten wie den USA verwirrend und unzusammenhängend ist — es besteht keine Einheitlichkeit. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, eine Untersuchung der Doppelbesteuerungsabkommen in allen Bereichen vorzunehmen, um einen Leitfaden „bewährter Praktiken“ zu erstellen und eine für alle Parteien akzeptable Lösung zu finden.

3.6

Eine interessante Feststellung der Kommissionsmitteilung ist, dass eines Tages eine „Meistbegünstigungsklausel“ zwischen Mitgliedstaaten erforderlich werden könnte und erste Gespräche mit den Mitgliedstaaten über dieses Thema demnächst stattfinden.

3.7

Der EWSA appelliert erneut an die Mitgliedstaaten, ein Übereinkommen zu schließen, das es den KMU ermöglicht und sie dabei unterstützt, im Ausland zu expandieren und dabei Arbeitsplätze zu schaffen, denn KMU schaffen die meisten Arbeitsplätze. Der EWSA unterstützt den Wunsch der Kommission, ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten über die Unternehmensbesteuerung zu schließen.

3.8

Das Ausbleiben wirklicher Fortschritte im EU-Beschlussfassungsprozess über Fragen der Unternehmensbesteuerung hat eine Verlagerung von im Rat und im EP zu treffenden politischen Entscheidungen hin zum EuGH zur Folge. Außerdem muss die durch das Fehlen politischer Beschlüsse entstehende Lücke durch Gerichtsentscheidungen betreffend die einzelnen Besteuerungssysteme gefüllt werden. Die EuGH-Rechtsprechung (3) beginnt weit reichende Auswirkungen auf die Steuersysteme zu zeigen, insbesondere auf die Besteuerung von Dividenden durch die Mitgliedstaaten. In Ermangelung von Fortschritten in Steuerfragen im Rat hofft der EWSA daher, dass die Kommission rasch ihren Leitfaden zur Auslegung der EuGH-Steuerentscheidungen vorlegt.

3.9

Der EWSA könnte einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen einzelnen Mitgliedstaaten zustimmen, die Fortschritte in Steuerfragen erzielen möchten, welche wegen der geltenden Einstimmigkeitsregel auf EU-Ebene nicht möglich sind.

3.10

Schließlich anerkennt der EWSA die Schwierigkeiten der Mitgliedstaaten, ihre jetzigen Systeme zu ändern. Sie müssen in der Lage sein, ihr jetziges Steueraufkommen mit ihrem voraussichtlichen Anteil in einem etwaigen neuen System zu vergleichen. Dies wird eine offene Koordinierung, Vertrauen und Zuversicht zwischen allen Mitgliedstaaten erfordern.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  „D.h. Preise, zu denen Güter- und Leistungstransaktionen zwischen den einzelnen Unternehmen einer Wirtschaftseinheit, z.B. eines multinationalen Unternehmens, verrechnet werden“.

(2)  Für sämtliche Steuerzahlungen eines Unternehmens gelten die Steuerregeln seines Heimatlandes, jedoch unter Zugrundelegung der Steuersätze jeweils der Länder, in denen es seine Geschäftstätigkeiten ausübt.

(3)  Beispiel aus jüngster Zeit: Rechtssache 446/03 Marks & Spencer gegen David Halsey (britischer Steuerinspektor) — grenzüberschreitender Verlustausgleich.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/43


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten“

(KOM(2003) 703 endg. — 2003/0277 (COD))

(2004/C 117/11)

Der Rat beschloss am 3. Dezember 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten“ (KOM(2003) 703 endg. — 2003/0277 (COD)).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. März 2004 an. Berichterstatterin war Frau SÁNCHEZ MIGUEL.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 28. April) mit 56 gegen 11 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der von der Kommission vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten steckte lange Zeit in einer Sackgasse. Dies geschah vor dem breiteren Hintergrund einer Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens bei den Vorschlägen der so genannten Gesellschaftsrechtsrichtlinien. Nicht nur dieser Vorschlag für eine Zehnte Gesellschaftsrechtsrichtlinie wurde zurückgestellt, auch die Verfahren in Bezug auf die Vorschläge für die Fünfte Richtlinie über die Verwaltungsorgane und die Vertretung der Aktiengesellschaften sowie für die Vierzehnte Richtlinie über die Verlegung des Gesellschaftssitzes, die bis heute nicht verabschiedet werden konnten, kamen zum Stillstand. Für diesen Stillstand auf rechtlicher Ebene gibt es vielfältige Gründe, allerdings spielte in allen Fällen die Schwierigkeit eine Rolle, einen Konsens über die Anerkennung des Rechts der Arbeitnehmer auf Information und Partizipation bei diesen wirtschaftlichen Prozessen zu finden, die die entsprechenden rechtlichen Änderungen erforderlich machte.

1.2

Die Verabschiedung des Statuts der Europäischen Gesellschaft (SE) und der es ergänzenden Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer (1) sowie anderer Richtlinien über die Rechte der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung sowie über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, die sich auch auf aus grenzübergreifenden Verschmelzungen entstehende Gesellschaften beziehen (2), hat weitgehend zur Wiederbelebung des Prozesses zur Vorlage der anhängigen Vorschriften zur Harmonisierung des europäischen Gesellschaftsrechts beigetragen. Hierfür ist der vorliegende Vorschlag für eine Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen ein gutes Beispiel. In diesem Sinne erachtet der EWSA diese erneute Bemühung um eine EU-weite Harmonisierung des Gesellschaftsrechts mit Blick auf ein sich erweiterndes Europa, zu dem Staaten beitreten werden, die von den jetzigen Mitgliedstaaten abweichende und darüber hinaus sich voneinander unterscheidende Modelle der Unternehmensorganisation besitzen, als wichtig.

1.3

Der im Jahr 2003 vorgelegte Vorschlag unterscheidet sich wesentlich von dem Vorschlag von 1985 (3).

1.3.1

Erstens bezieht sich der Vorschlag von 1985 ausschließlich auf die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften, der Vorschlag von 2003 generell auf die von Kapitalgesellschaften. Dies bedeutet, dass die sich den Unternehmen aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten bietenden Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und Reorganisation auf andere Gesellschaftsarten ausgedehnt werden, die besser auf das unternehmerische Umfeld in Europa, d.h. die KMU, abgestimmt sind.

1.3.2

Zweitens unterscheiden sich die beiden Vorschläge auch hinsichtlich der darin angewandten Verweisregeln. Während in dem Vorschlag von 1985 stets auf die Dritte Richtlinie in Bezug auf nationale Verschmelzungen (4) verwiesen wird, enthält der vorliegende Vorschlag von 2003 — abgesehen von den speziell grenzüberschreitenden Aspekten der darin geregelten Verschmelzungen — im Allgemeinen Verweise auf die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über Verschmelzungen. Ein solcher Verweis ist weitgehend deshalb möglich, weil die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bereits entsprechend den Bestimmungen der Dritten Richtlinie harmonisiert worden sind. Er hat außerdem eine positive Wirkung, weil dadurch die Verschmelzungsformen und -verfahren vereinfacht werden. Die an der Verschmelzung beteiligten sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Akteure können sich rascher damit vertraut machen, wodurch die Unsicherheit und die damit verbundenen hohen wirtschaftlichen Kosten reduziert werden.

1.3.3

Drittens liegt der größte Unterschied des Richtlinienvorschlags von 2003 gegenüber dem von 1985 darin, dass in Artikel 14 die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei den Verfahren der grenzüberschreitenden Verschmelzung vorgesehen ist. In den Erwägungsgründen des Vorschlags von 1985 wurden die Arbeitnehmer ausdrücklich ausgeschlossen. Warum die Arbeitnehmermitbestimmung im Rahmen der grenzüberschreitenden Verschmelzung berücksichtigt werden muss, liegt auf der Hand: Verschmelzungen wirken sich in den meisten Fällen auf die Beschäftigten in den beteiligten Unternehmen aus. Die Rechte der Arbeitnehmer in Bezug auf die Corporate Governance sind nicht nur in den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, sondern auch in zahlreichen freiwilligen Vereinbarungen anerkannt worden. In diesem Sinne erleichtert der Verweis auf das Statut der Europäischen Gesellschaft und die es ergänzende Richtlinie im Hinblick auf die Einbeziehung der Arbeitnehmer in den Fällen, in denen das für die aus der Verschmelzung hervorgegangene Gesellschaft maßgebende innerstaatliche Recht keine zwingende Arbeitnehmermitbestimmung vorsieht, nach Ansicht des EWSA die Verabschiedung des vorliegenden Vorschlags, da damit eine Wiederaufnahme der Diskussion in den Gemeinschaftsinstitutionen vermieden wird.

1.4

Es muss berücksichtigt werden, dass dieser Richtlinienvorschlag Teil des Programms zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union ist (5), das einen Aktionsplan umfasst, der — kurz-, mittel- und langfristig — eine tiefgreifende Änderung der Rechtsvorschriften vorsieht. Diese geht über die Fertigstellung der anhängigen Vorschläge für Richtlinien über das Gesellschaftsrecht hinaus und schließt Gesetzesinitiativen (Richtlinien) und nicht gesetzgeberische Initiativen (Empfehlungen usw.) in Bezug auf die Pflicht der Offenlegung der Corporate Governance, die Stärkung der Rolle der nicht geschäftsführenden Direktoren, die vollständige Aktionärsdemokratie (ein Anteil/eine Stimme) usw. ein. Konkret gehörte die Vorlage dieses Vorschlags für eine Zehnte Richtlinie über die grenzüberschreitende Verschmelzung zu der Liste der kurzfristigen Maßnahmen (2003-2005) im Bereich Unternehmensumstrukturierung und -mobilität.

1.5

Auch sollte nicht vergessen werden, dass diese Richtlinie einen Schritt auf dem Weg zur eventuellen Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft (EPG) als eine für die gesamte EU geltende Rechtsform darstellt, die insbesondere konzipiert wurde, um den Bedürfnissen der KMU gerecht zu werden, und im EWSA auf breite Unterstützung gestoßen ist. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass in der Mitteilung der Kommission vom 21.5.2003 der Empfehlung der hochrangigen Gruppe Folge geleistet wurde, zuerst die Zehnte Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen zu verabschieden und dann — nach einer vorangegangenen Durchführbarkeitsstudie — den Vorschlag für das Statut der EPG vorzulegen.

1.6

Eine zwar im vorliegenden Richtlinienvorschlag nicht erwähnte, aber dennoch Beachtung verdienende Frage ist die in den so genannten Gesellschaftssteuerrichtlinien vorgesehene Reform (6). Es wurde ausdrücklich klargestellt, (7) dass sich der Verzug bei der Gründung der Europäischen Gesellschaft auf das noch nicht gelöste Problem der auf den geltenden einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften beruhenden steuerlichen Komplexität zurückführen lässt, insbesondere die Doppelbesteuerung infolge von Fusionen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die in diesem Vorschlag geregelten grenzüberschreitenden Verschmelzungen genauso betroffen sind, und da sich diese Vorschriften in erster Linie an die KMU richten, müssten die Kosten reduziert werden, um einen größeren Anreiz für Verschmelzungen zu schaffen.

1.7

Schließlich sollte darauf hingewiesen werden, dass diese Zehnte Richtlinie deshalb erforderlich ist, weil die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften derzeit gemäß den einzelstaatlichen Vorschriften in einigen Mitgliedstaaten zulässig ist (und in der Tat haben in der Praxis solche Verschmelzungen stattgefunden, z.B. zwischen spanischen und italienischen Gesellschaften), in anderen aber nicht (8).

2.   Wesentlicher Inhalt des Richtlinienvorschlags

2.1

Der Richtlinienvorschlag regelt die grenzüberschreitende Verschmelzung, worunter die Verschmelzung zwischen Kapitalgesellschaften mit Sitz in mindestens zwei Mitgliedstaaten, die dem einzelstaatlichen Recht von mindestens zwei verschiedenen Mitgliedstaaten unterliegen, zu verstehen ist (Artikel 1).

2.2

Die Verschmelzung kann die vom Statut der Europäischen Gesellschaft anerkannten Formen annehmen, d.h. Aufnahme, Gründung einer neuen Gesellschaft und Übertragung des gesamten Vermögens einer Gesellschaft auf ihre Holdinggesellschaft (Artikel 1).

2.3

Die Verschmelzungsverfahren unterliegen dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten, in denen die an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften ihren Hauptsitz haben. Doch muss das Verfahren zur Durchführung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung unabhängig von der gewählten Form besondere Mindestanforderungen erfüllen, die in dem Richtlinienvorschlag festgelegt sind (Artikel 2). Hierbei handelt es sich um Folgendes:

2.3.1

Zunächst müssen die einzelnen Gesellschaften einen gemeinsamen Verschmelzungsplan aufstellen, der die in Artikel 3 des Vorschlags genannten Angaben enthält, d.h. die Identität der beteiligten Gesellschaften, das Umtauschverhältnis der Gesellschaftsanteile jeder Gesellschaft sowie die übertragenen Rechte und Sonderrechte. Außerdem müssen in diesem Plan Angaben zu dem in der aus der Verschmelzung hervorgegangenen Gesellschaft angewandten System der Arbeitnehmermitbestimmung gemacht werden, was eine der notwendigen Voraussetzungen für die Fortführung des Verschmelzungsverfahrens darstellt.

2.3.2

Dann wird in dem Vorschlag die vorherige Offenlegung der Verschmelzung angesprochen, die erfolgen muss, sobald der Plan aufgestellt worden ist. Es handelt sich hierbei um eine besonders wichtige Frage, da dies spätestens einen Monat vor der Hauptversammlung geschehen muss und die Gläubiger und Minderheitsgesellschafter während dieser Frist ihre Rechte ausüben können. In diesem Sinne wird in Artikel 4 des Vorschlags auf Artikel 3 der Ersten Gesellschaftsrichtlinie (68/151/EWG (9)) Bezug genommen, in dem das rechtliche Verfahren für die Offenlegung festgelegt wird. Hierdurch soll für alle von der grenzüberschreitenden Verschmelzung betroffenen Akteure die Rechtssicherheit gewährleistet werden.

2.3.3

Anschließend geht es in dem Vorschlag um die Tätigkeit der Sachverständigen, die einen Sachverständigenbericht für die sich verschmelzenden Gesellschaften erstellen müssen (Artikel 5), bevor die Hauptversammlung der jeweiligen Gesellschaft dem gemeinsamen Verschmelzungsplan zustimmt (Artikel 6). Aufgrund der praktischen Bedeutung im Hinblick auf die Reduzierung der Kosten einer Verschmelzung (ein besonders für die KMU wichtiger Aspekt), muss die Möglichkeit hervorgehoben werden, auf Antrag bei der zuständigen Behörde nur einen Sachverständigen oder unabhängige Sachverständige für alle Gesellschaften zu bestellen. Dies steht im Einklang mit der im Statut der Europäischen Gesellschaft für die Gründung einer Europäischen Gesellschaft durch Verschmelzung vorgesehenen Lösung.

2.3.4

Nachdem die jeweilige Hauptversammlung ihre Zustimmung zu den Verschmelzungsplänen erteilt hat, kontrolliert die zuständige Behörde die Rechtmäßigkeit (Artikel 7 und 8). Das Ergebnis dieser Kontrolle wird bei dem entsprechenden öffentlichen Register offengelegt (Artikel 10), um den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die grenzüberschreitende Verschmelzung wirksam wird (Artikel 9) und zu dem sie folglich die von den einzelnen Verschmelzungsformen vorgesehenen Wirkungen haben wird: Aufnahme (Artikel 11 Absatz 1), Neugründung einer Gesellschaft (Artikel 11 Absatz 2) oder Übertragung des Vermögens auf die Holdinggesellschaft (Artikel 13). Die Rechtssicherheit der Verschmelzung wird dadurch gewährleistet, dass eine wirksam gewordene Verschmelzung nicht für nichtig erklärt werden kann (Artikel 12).

2.4

Hinsichtlich des Systems zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der aus der Verschmelzung hervorgegangenen Gesellschaft wird das für sie gemäß dem nationalen Recht geltende System angewandt. Unterliegt diese Gesellschaft gemäß dem nationalen Recht des Landes, in dem sie ihren Sitz hat, keinem Mitbestimmungssystem und besitzt eine der beteiligten Gesellschaften ein Arbeitnehmermitbestimmungssystem, so finden sowohl die Bestimmungen des Statuts der Europäischen Gesellschaft als auch der Richtlinie über die Arbeitnehmerbeteiligung —, in der für den Fall, dass es keine Vereinbarung zwischen den Arbeitnehmervertretern und der Betriebsleitung gibt, ein Rechtsmodell vorgeschrieben wird — Anwendung (Artikel 14).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss nimmt den Vorschlag für eine Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen sehr positiv auf, und zwar sowohl aus Sicht der damit verfolgten Rechtspolitik als auch unter dem Gesichtspunkt der angewandten Rechtstechnik.

3.2

Was die Rechtspolitik betrifft, so bietet der Richtlinienvorschlag den Gesellschaften in der EU, insbesondere den KMU, mehr Möglichkeiten zur Bildung von Zusammenschlüssen.

3.2.1

So sei daran erinnert, dass das Statut der Europäischen Gesellschaft ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 8. Oktober 2004 (Artikel 70) die Verschmelzung von Aktiengesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten zu einer EPG ermöglichen wird (Artikel 2 und 17 ff). Dieses erste Instrument zur Bildung von Zusammenschlüssen wird nach dem Inkrafttreten der künftigen Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen durch ein weiteres ergänzt, das die Zusammenlegung des Vermögens von in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässigen Kapitalgesellschaften — seien es Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder andere Gesellschaftsformen, wie Genossenschaften, die die Anforderungen der Ersten Gesellschaftsrichtlinie (10) erfüllen — im Wege einer grenzüberschreitenden Verschmelzung ermöglicht, wobei die aus der Verschmelzung hervorgegangene Gesellschaft dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegt.

3.2.2

Die Ausdehnung dieser neuen Art von Zusammenschlüssen, d.h. der grenzüberschreitenden Verschmelzung, auf andere Gesellschaftsarten wird besonders für die KMU von Bedeutung sein, da es sich bei diesen Unternehmen in der Regel um Gesellschaften mit beschränkter Haftung handelt. Darüber hinaus ist es eine nachgewiesene Tatsache, dass die Realwirtschaft der EU auf einem System beruht, in dem große Unternehmen und KMU koexistieren und Letztere einen wichtigen Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung darstellen und insbesondere die meisten Arbeitsplätze in Europa schaffen, da sie über ein hohes Anpassungsvermögen im Hinblick auf Konjunkturentwicklung, zyklische Krisen und Innovation verfügen. Daraus lässt sich schließen, dass eines der Ziele der gemeinschaftlichen Rechtspolitik die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der KMU sein sollte. Eines der am besten zur Erreichung dieses Ziels geeigneten Instrumente ist die Bildung von Zusammenschlüssen mit neuen Rechtsformen, die grenzüberschreitende Tätigkeit der KMU sicherstellen, während gleichzeitig die Beschaffung von Produktionsressourcen und finanziellen Mitteln bei Banken und auf dem Kapitalmarkt erleichtert wird.

3.3

Wie zuvor erwähnt erachtet der EWSA den Vorschlag im Hinblick auf die angewandte Rechtstechnik als positiv, da sie für eine Vereinfachung des verwendeten Rechtsmodells bezüglich der beiden wichtigsten Aspekte des neuen Vorschlags sorgt: den Gesellschaftsaspekt und den Aspekt der Arbeitnehmermitbestimmung.

3.3.1

Was den Gesellschaftsaspekt anbelangt, so befasst sich der Vorschlag ausschließlich mit den grenzüberschreitenden Gesichtspunkten der Verschmelzung, für die in der Regel auch die im jeweiligen innerstaatlichen Recht verankerten Rechtsvorschriften über Verschmelzungen gelten. Das einzelstaatliche Recht wurde wiederum infolge der Umsetzung der Dritten Verschmelzungsrichtlinie harmonisiert, wenngleich es einige wesentliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt, denen nach der Verabschiedung des vorliegenden Vorschlags Rechnung getragen werden muss. Dieses System schafft zusätzliche Rechtssicherheit für alle beteiligten Parteien, da sich dieses Rechtsmodell in den Mitgliedstaaten in der Praxis bereits bewährt hat. In diesem Sinne müsste in Betracht gezogen werden, in dem gemeinsamen Plan für die grenzüberschreitende Verschmelzung Informationen über die voraussichtlichen Auswirkungen der Verschmelzung auf die Beschäftigung bzw. eine Folgenabschätzung vorzusehen.

3.3.2

Hinsichtlich der Arbeitnehmermitbestimmung in den sich verschmelzenden Gesellschaften wird durch das System des Verweises auf das Statut der Europäischen Gesellschaft und die Richtlinie über die Arbeitnehmermitbestimmung vermieden, dass eine Debatte wiederaufgenommen wird, die die Anpassung dieser Vorschriften so stark verzögert hat und bei der schließlich ein breiter Konsens aller interessierten Kreise erlangt werden konnte. Artikel 14 des Richtlinienentwurfes sollte in diesem Sinn hinsichtlich der Mitbestimmung zumindest jenen Bestandschutz gewähren, wie er auch bei der Gründung einer Europäischen Gesellschaft durch Verschmelzung in der Richtlinie 2001/86/EG geregelt ist. Der EWSA spricht sich für eine entsprechende Änderung des Wortlauts von Artikel 14 aus, um das in der vorliegenden Fassung bestehende Risiko einer Verringerung der Mitbestimmungsqualität in beteiligten Betrieben und Unternehmen einzuschränken. Nach Auffassung des Ausschusses ist eine Voraussetzung für die Anwendung der nationalen Systeme, dass alle Arbeitnehmer in der neuen Gesellschaft — also auch die Arbeitnehmer, die nicht in dem Land arbeiten, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat — unter Berücksichtigung der für alle Gesellschaftstypen geltenden Mitbestimmungssysteme über die gleichen Rechte verfügen.

3.4

Zwar bewertet der EWSA den Richtlinienvorschlag als positiv, doch möchte er die Kommission auf einige wichtige Aspekte hinweisen.

3.4.1

Die angewandte gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlage (Artikel 44 EG-Vertrag) sollte um Artikel 308 EG-Vertrag erweitert werden, da es nicht nur um das gesellschaftsrechtliche Fortbestehen der sich verschmelzenden Unternehmen, sondern auch um die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer geht. Artikel 308 EGV wird auch als Rechtsgrundlage für die Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer gewählt, auf die der vorliegende Richtlinienvorschlag in Artikel 14 verweist.

3.4.2

Ein Aspekt, der Verwirrung bei der Umsetzung der künftigen Richtlinie stiften könnte, ist das in Artikel 7 und 8 vorgesehene System zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit, demgemäß jeder Mitgliedstaat die Behörden bestimmt, die die Rechtmäßigkeit der Verschmelzung in Bezug auf die Verfahrensabschnitte kontrollieren, die die einzelnen sich verschmelzenden Gesellschaften betreffen, sowie in Bezug auf die Durchführung der Verschmelzung. Auch in Artikel 10 des Richtlinienvorschlags von 1985 ist eine vorbeugende Kontrolle der Rechtmäßigkeit vorgesehen, wenn auch mit verschiedenen Ausnahmen, bei denen auf das in Artikel 16 der Dritten Gesellschaftsrichtlinie vorgesehene Verfahren verwiesen wird (11). Der Ausschuss ist der Auffassung, dass mit Hilfe einer Harmonisierung des europäischen Registersystems bekräftigt werden kann, dass die sich aus dem Inhalt des Registers ergebende Legitimität — d.h. die Annahme der Richtigkeit und Rechtsgültigkeit — zusammen mit dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit — aufgrund dessen der Registrator die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der im Register eingetragenen Akten und Dokumente übernimmt — das System zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der grenzüberschreitenden Verschmelzungen mittels Verweis vereinfachen könnte.

3.4.3

Ein weiterer Aspekt, dem die Kommission Rechnung tragen muss, ist der Schutz der Rechte Dritter, einschließlich der Lohn- und Gehaltsforderungen, da eine kombinierte Auslegung von Artikel 4 Buchstabe c) und Artikel 11 Absatz 3 in der Praxis diese Rechte untergraben könnte. Während nämlich Artikel 4 Buchstabe c) jede an der Verschmelzung beteiligte Gesellschaft zur Offenlegung der Modalitäten für die Ausübung der Rechte der Gläubiger und der Minderheitsgesellschafter (die — auch wenn es in dieser Vorschrift nicht behandelt wird — gegebenenfalls über ein Trennungsrecht verfügen, wenn das nationale Recht dies vorsieht) verpflichtet, wird in Artikel 11 Absatz 3 im Hinblick auf besondere Formalitäten für die Rechtswirksamkeit der Übertragung bestimmter von den sich verschmelzenden Gesellschaften eingebrachter Vermögensgegenstände, Rechte und Verbindlichkeiten gegenüber Dritten ausdrücklich auf die aus der Verschmelzung hervorgegangene Gesellschaft verwiesen. Um eine möglicherweise den Rechten Dritter schadende Auslegung zu vermeiden, sollte in den Bestimmungen auf das Recht Dritter hingewiesen werden, gegen die Verschmelzung Einspruch zu erheben, insofern ihre Rechte nicht gewährleistet werden. Dies scheint die Funktion von Artikel 11 Absatz 3 zu sein.

3.4.4

Ein dritter Aspekt, der einer Klärung bedarf, bilden die Begrenzung des Anwendungsbereichs und die Auswirkungen der Richtlinie in Bezug auf die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer.

3.4.4.1

Erstens muss bedacht und in dem Text erwähnt werden, dass die vorgesehenen Informationen mindestens die in Richtlinie 2001/23/EG über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen und in Richtlinie 2002/14/EG über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer geforderten Informationen umfassen müssen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Unterrichtung und Anhörung alleine nicht ausreichen, da sie nicht mit Blick auf den grenzüberschreitenden Aspekt gestaltet sind. Auch die Bestimmungen über die Europäischen Betriebsräte greifen nicht immer, da sie nur für Unternehmen mit einer Belegschaft von mindestens 1000 Beschäftigten gelten, von denen mindestens 150 in verschiedenen Ländern beschäftigt sind. Der Vorschlag sollte somit durch Bestimmungen ergänzt werden, die das Recht der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung auf der selben Ebene wie bei der Europäischen Gesellschaft enthalten.

3.4.4.2

Zweitens wirken sich die aus einer Nichterfüllung der rechtlichen Pflicht zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Praxis ergebenden Folgen nachteilig auf die Beschäftigung aus, ohne dass besondere Maßnahmen zu deren Schutz vorgesehen werden.

3.4.4.3

Drittens müsste der Inhalt von Artikel 14 klargestellt werden, um ein Übermaß an Verweisen auf transnationale Vorschriften, wie das Statut der Europäischen Gesellschaft, und nationale Vorschriften, wie die Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gesellschaft, zu vermeiden. Aus dieser Klarstellung muss hervorgehen, dass folgende Systeme Anwendung finden:

Das nationale System der Arbeitnehmermitbestimmung der sich verschmelzenden Gesellschaften.

Schreibt das nationale Recht keine Arbeitnehmermitbestimmung vor, so ist gemäß den Bestimmungen der Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer ein Modell auszuhandeln.

In Ermangelung einer Vereinbarung zwischen den betroffenen Parteien findet das obligatorische Modell gemäß Teil 3 des Anhangs der Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer Anwendung.

4.   Schlussfolgerungen

4.1

Der EWSA bekräftigt, dass er die vorgeschlagenen Rechtsvorschriften für positiv und praktisch hält.

4.2

Dennoch möchte er die Kommission auf zwei in dem Vorschlag nicht behandelte Fragen hinweisen.

4.2.1

Erstens fehlt eine Regelung in Bezug auf die Haftung der am Verschmelzungsprozess mitwirkenden Unternehmensleitung und Sachverständigen. Es muss daran erinnert werden, dass in Artikel 15 des Vorschlags von 1985 ein allgemeines Haftungssystem festgelegt wird, indem auf Artikel 20 und 21 der Dritten Gesellschaftsrichtlinie verwiesen wird. Die Hinzufügung eines Artikels über die Haftung der Unternehmensleitung und der Sachverständigen im Vorschlag von 2003 wäre nicht nur im Allgemeinen deswegen gerechtfertigt, weil die nationalen Rechtsvorschriften große Übereinstimmungen aufweisen, sondern auch weil er sich in eine Reihe von Verhaltenskodizes für Gesellschaften und unter der Schirmherrschaft der Kommission erstellten Berichten einfügt (12).

4.2.2

Zweitens müssten dieser Richtlinienvorschlag und die geltenden Richtlinien sowie die neuen Vorschläge für eine Steuerreform im Bereich Verschmelzungen und ähnliche Vorschriften (13) aufeinander abgestimmt werden, weil die praktische Durchführbarkeit der grenzüberschreitenden Verschmelzungen in der EU nicht nur von der von dem Vorschlag für eine Zehnte Richtlinie angestrebten Einfachheit und Rechtssicherheit einer wirksamen Regulierung in Bezug auf Gesellschaften abhängt, sondern auch von einem angemessenen Verhältnis zwischen den Kosten und dem steuerlichen Nutzen solcher Zusammenschlüsse. Daher halten wir eine Abstimmung zwischen der GD Binnenmarkt und der GD ECOFIN für erforderlich.

Brüssel, den 28. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 und Richtlinie 2001/86/EG, ABl. L 294 vom 10.11.2001.

(2)  Richtlinie 97/74/EG über die Europäischen Betriebsräte, Richtlinie 2001/23/EG über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Richtlinie 2002/14/EG über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer.

(3)  Vorschlag einer 10. Richtlinie über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften. KOM(1984) 727 endg., ABl. C 23, S. 11.

(4)  Richtlinie 78/855/EWG vom 8. Oktober 1978, die dritte Richtlinie über Gesellschaften.

(5)  Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament KOM(2003) 284 endg. vom 21.5.2003.

(6)  Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/435/EWG über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten; Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen. Stellungnahme CESE 312/2004 vom 25. Februar 2004.

(7)  Verweis auf die Schlussfolgerungen der Task Force EPG-Steuern.

(8)  In den einzelstaatlichen Gesetzen, mit denen die Richtlinie 78/855/EWG umgesetzt wird, lassen sich im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Genehmigung grenzüberschreitender Verschmelzungen zwei Modelle unterscheiden: eine erste Gruppe lässt solche Verschmelzungen zu (Italien, Luxemburg, Portugal, Spanien, VK) und eine zweite nicht (Niederlande, Schweden, Irland, Griechenland, Deutschland, Finnland, Dänemark, Österreich). Dazwischen lässt sich Belgien ansiedeln, wo nur Verschmelzungen durch Aufnahme zugelassen sind.

(9)  Geändert durch die Richtlinie 2003/58/EG, ABl. L 221 vom 4.9.2003.

(10)  Richtlinie 68/151/EWG.

(11)  Richtlinie 78/855/EWG.

(12)  Bericht der hohen Gruppe der Sachverständigen in Gesellschaftsrecht vom 4. November 2002.

(13)  Siehe Fußnote 6.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die folgenden Änderungsanträge, der mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen erhalten haben, wurden im Verlauf der Beratungen abgelehnt:

Ziffer 3.4.4.3 Neuer Punkt 3.4.3

„Aus dieser Klarstellung muss hervorgehen, dass folgende Systeme dann Anwendung finden, wenn es in mindestens einer der sich verschmelzenden Gesellschaften Arbeitnehmermitbestimmung gab:“

Begründung

Der Text der Stellungnahme ist ohne diese Einfügung ungenau. Auf die Arbeitnehmervertreter muss tatsächlich ein System der Mitbestimmung Anwendung gefunden haben, um dieses auch in die neue Gesellschaft „einbringen“ zu können.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 29, Nein-Stimmen: 41, Stimmenthaltungen: 4.

Neuer Punkt 3.4.4.4

„Der Ausschuss steht der Anwendung des obligatorischen Modells gemäß Teil 3 des Anhangs der Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer skeptisch gegenüber, da dies einen Export von Mitbestimmungssystemen in andere Mitgliedstaaten mit völlig anderer Rechtstradition bedeuten kann“

Begründung

Durch die Anwendung dieser obligatorischen Bestimmung könnte z.B. ein Unternehmen aus dem Land A (ohne Mitbestimmung), das mit einem Unternehmen aus dem Land B (mit Mitbestimmung) fusioniert und den Sitz des neuen Unternehmens in A wählt, gezwungen sein, das Recht von Land B anzuwenden, auch wenn dies überhaupt nicht zur Gesellschaftsform des Landes A passt (monistisches/duales System).

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: 25, Nein-Stimmen: 40, Stimmenthaltungen: 4.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/49


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Mehrjahresprogramm der Gemeinschaft zur Erleichterung des Zugangs zu digitalen Inhalten, ihrer Nutzung und Verwertung in Europa“

(KOM(2004) 96 endg. — 2004/0025 (COD))

(2004/C 117/12)

Der Rat beschloss am 25. Februar 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 157 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Mehrjahresprogramm der Gemeinschaft zur Erleichterung des Zugangs zu digitalen Inhalten, ihrer Nutzung und Verwertung in Europa“ (KOM(2004) 96 endg. — 2004/0025 (COD)).

Am 24. Februar 2004 beauftragte das Präsidium die Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft mit den entsprechenden Vorarbeiten.

Angesichts der Dringlichkeit beschloss der Ausschuss auf seiner 408. Plenartagung am 29. April 2004, Herrn PEGADO LIZ zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 56 gegen 1 Stimme bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Dieser Vorschlag zur Schaffung eines Mehrjahresprogramms der Gemeinschaft zur Erleichterung des Zugangs zu digitalen Inhalten, ihrer Nutzung und Verwertung in Europa, kurz als eContentplus (2005-2008) (1) bezeichnet, berücksichtigt das strategische Ziel der Mitteilung eEurope 2005 (2), die Ergebnisse des laufenden Programms eContent (2001-2004) (3), die Zwischenbilanz (4) dieses Programms und die zwischenzeitliche Entwicklung auf technologischer, ordnungspolitischer (5) und marktwirtschaftlicher Ebene, wie sie zu Recht in der Begründung des Kommissionsvorschlags beschrieben wird.

2.   Das Programm eContent (2001-2004)

2.1

Die vom EWSA (6) begrüßten Ziele des Programms eContent (2001-2004), wurden wie folgt definiert:

a.

Schaffung günstiger Voraussetzungen für die Entwicklung der europäischen Multimedieninhalte-Industrie;

b.

Förderung der Nachfrage nach und Nutzung von Multimedieninhalten;

c.

Beitrag zur beruflichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der Bürger;

d.

Förderung des Wissensaustauschs zwischen Nutzern und Anbietern.

2.2

Das Programm eContent läuft über vier Jahre von Januar 2001 bis Januar 2005 und umfasst drei Maßnahmenbereiche:

a.

Verbesserung des Informationszugangs des öffentlichen Sektors und stärkere Nutzung der Informationen;

b.

Entwicklung der Produktion von Inhalten in einem mehrsprachigen und multikulturellen Umfeld;

c.

Belebung des Marktes für digitale Inhalte.

3.   Die Zwischenbilanz des Programms eContent

3.1

In der Zwischenbilanz des Programms eContent (7) wurde dessen positive Wirkung anerkannt und empfohlen, digitale Inhalte weiterhin durch Gemeinschaftspolitiken und -programme zu fördern.

3.2

Der Bewertungsbericht enthält auch Empfehlungen für die Kommission und die Mitgliedstaaten über die Ausführung des laufenden Programms eContent, insbesondere im Sinne einer stärkeren kommerziellen Ausrichtung der Projekte. Darüber hinaus wird die Kommission darin aufgefordert, die Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den nationalen Kontaktstellen, die Informationen über das Programm verbreiten, zu fördern, um die Dienstleistungsqualität zu verbessern. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass ein Anschlussprogramm erforderlich ist, und fordert die Kommission auf, die Wirkung des Programms zu maximieren, indem die potenzielle Zielgruppe beschränkt wird.

3.3

Die Kommission hat eingeräumt, dass die Wirkung maximiert werden muss und eine gewisse Rationalisierung der Tätigkeiten erforderlich ist; sie schließt sich auch der Auffassung an, dass die mehrsprachigen und multikulturellen Elemente im Mittelpunkt aller finanzierten Projekte stehen müssen.

4.   Der Vorschlag zur Einrichtung des Programms eContentplus (2005-2008)

4.1

Durch das Programm zur finanziellen Unterstützung eContentplus sollen die digitalen Inhalte in Europa durch die Vereinfachung der Schaffung und Verbreitung von Informationen und Kenntnissen in Bereichen von öffentlichem Interesse in der Union leichter zugänglich, besser nutzbar und besser verwertbar werden. Somit kann das Programm zur Verwirklichung der Ziele von eEurope 2005 beitragen.

4.2

Der Schwerpunkt des Programms, für das eine Mittelausstattung von 163 Millionen EUR für einen Zeitraum von 4 Jahren (2005-2008) vorgeschlagen wird, liegt hauptsächlich auf der Qualität der Inhalte, die die Verbreitung von Informationen und Kenntnissen ermöglichen, und nicht nur auf der Herstellung einer größeren Menge von Inhalten. Es setzt auf die Schaffung paneuropäischer Rahmenbedingungen (Dienstleistungen, Informationsinfrastruktur usw.), die das Auffinden und die Nutzung qualitativ hochwertiger digitaler Inhalte erleichtern, die für die Schaffung neuer inhaltsbezogener Dienstleistungen weiterverwendbar und untereinander kompatibel sind. Zielbereiche sind Informationen des öffentlichen Sektors, räumliche Daten, didaktische und kulturelle Inhalte.

4.3

Kurz gesagt verfolgt das Programm drei operative Ziele:

a.

Erleichterung des Zugangs zu europäischen digitalen Inhalten;

b.

Verbesserung der Qualität durch Förderung empfehlenswerter Verfahren im Zusammenhang mit digitalen Inhalten;

c.

Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den am Bereich digitale Inhalte Beteiligen und ihre Sensibilisierung (vor allem Wissenschaftler, Studenten, Forscher, Fachleute, „Wiederverwender“, öffentliche Dienste usw.).

5.   Rechtsgrundlage

5.1

Der Ausschuss erklärt sich mit der von der Kommission für diese Initiative vorgeschlagenen Rechtsgrundlage (Artikel 157 Absatz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) einverstanden, die übrigens mit der für den Beschluss des Rates vom 22. Dezember zur Annahme des Gemeinschaftsprogramms eContent übereinstimmt.

5.2

Er billigt auch den Beschluss als Rechtsinstrument, den er für zweckmäßig hält.

6.   Allgemeine Bemerkungen

6.1

Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission, ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm mit dem Titel eContentplus (2005-2008) anzunehmen, durch das die digitalen Inhalte in Europa leichter zugänglich, besser nutzbar und besser verwertbar werden sollen, und so für eine Fortsetzung des Programms eContent zu sorgen.

6.2

In seinen voraufgehenden Stellungnahmen hatte der Ausschuss alle Initiativen zur Förderung der Informationsgesellschaft begrüßt und unterstützt, insbesondere das Programm eEurope, das Mehrjahresprogramm (2003-2005) MODINIS (8), die Politik für die Sicherheit der Netze und Informationen (9), die Bekämpfung der Computerkriminalität (10), die Entwicklung einer Wissensgesellschaft ohne Diskriminierungen (11), das Recht auf Zugang zum Internet unter Gewährleistung des Schutzes der personenbezogenen Daten bei Handelstransaktionen und IT-Dienstleistungen (12), die Förderung einer sichereren Nutzung des Internets durch die Bekämpfung illegaler und schädlicher Inhalte sowie die Weiterverwendung von Dokumenten des öffentlichen Sektors (13).

6.3

Der Ausschuss unterstützt uneingeschränkt das Ziel der Kommission, die kulturelle und sprachliche Vielfalt in Europa sicherzustellen, die einen Bestandteil der Entwicklung der Informationsgesellschaft darstellen muss (14), und hat vor Kurzem eine Sondierungsstellungnahme zum Thema „Kulturindustrie in Europa“ (15)verabschiedet, in der er ausdrücklich darauf hinweist, dass die Behörden der Europäischen Union, der Mitgliedstaaten und der Regionen zur Stärkung der Vielfalt beitragen müssen.

6.4

Der Ausschuss begrüßt daher rückhaltlos diesen Vorschlag für eine gemeinschaftliche Maßnahme mit dem Ziel, geeignete Voraussetzungen für die Überwindung der technischen und wirtschaftlichen Hindernisse aufgrund unterschiedlicher und zu kleiner nationaler Märkte zu schaffen. Die Ausrichtung des Programms ist begrüßenswert, insofern als der Schwerpunkt auf Methoden, Instrumente, Prozesse und mit der Konzeption verbundene Dienste, auf den Zugang zu und die Verbreitung von qualitativ anspruchsvollen digitalen Inhalten gelegt wird und die Produktion der eigentlichen Inhalte den Marktkräften und erforderlichenfalls spezifischen Gemeinschaftsmaßnahmen überlassen bleibt.

6.5

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass in einer der Schlussfolgerungen der Zwischenbewertung des Programms eContent die Notwendigkeit hervorhoben wird, klarere Programmschwerpunkte zu setzen, um eine zu starke Auffächerung in Bezug auf Benutzergruppen und Zielmärkte zu vermeiden. Sonst könnte nicht die kritische Masse, die für den Erfolg des Programms unabdingbar ist, erreicht werden.

6.5.1

Der Ausschuss versteht und akzeptiert folglich, dass das Leitprinzip des Programms eContentplus in der Maximierung der Wirkung auf die beteiligten Gruppen liegt, weshalb Benutzergruppen und Zielfelder stärker eingegrenzt werden müssen.

6.5.2

Gleichwohl fordert der Ausschuss die Kommission auf, den Aktionsbereich „Intensivierung der Zusammenarbeit und Sensibilisierung“ und diesbezügliche begleitende Maßnahmen auszuweiten.

7.   Besondere Bemerkungen

7.1

Der Ausschuss wäre dankbar für eine Erläuterung, weshalb die in dem Bogen Finanzielle Auswirkungen aufgeführten Mittel für die Maßnahme „Erleichterung des Zugangs zu digitalen Inhalten, ihrer Nutzung und Verwertung“ in 2006 gekürzt wurden (siehe Ziffer 6.1.1 Finanzielle Intervention (Verpflichtungsermächtigungen)), da es sich dabei um eine Ausnahme im Vergleich zum gesamten Programmzeitraum handelt.

7.2

Der Ausschuss ist mit Bezug auf die finanziellen Auswirkungen und die oben aufgeführten Bemerkungen ferner der Auffassung, dass der Anteil der Maßnahme „Intensivierung der Zusammenarbeit und Sensibilisierung“ am Programmbudget (zwischen 6 % und 10 %) und insbesondere das Budget für Maßnahmen zur Programmbewertung zu gering sind.

7.2.1

Der Ausschuss fordert daher die Kommission dazu auf, die betreffenden Mittelzuweisungen zu erhöhen und der Überprüfung und Zwischenbewertung des Programms mehr Bedeutung beizumessen.

7.3

Mit Blick auf die in der Mitteilung über die Zwischenbewertung ausgesprochenen Empfehlungen zu einem möglichen Profil für ein Nachfolgeprogramm von eContent (16) insbesondere die Empfehlung, dass die beiden allumspannenden Forderungen für alle Projekte die Vermarktung — durch Förderung von Projekten mit hohem Marktpotenzial, die nachweislich für zukünftige Benutzergruppen von Interesse sind — und die Europäisierung — d.h., die Projekte sollten für eine Vielzahl von europäischen Unternehmen und privaten Benutzern von Interesse sein und gleichzeitig die europäische kulturelle Vielfalt fördern — sein sollen, ist der Ausschuss ferner der Ansicht, dass die vorgesehenen Bewertungsmaßnahmen sowie der Bewertungsbericht nach Artikel 5 Absatz 3 des Vorschlags für einen Beschluss wenn möglich eine Abschätzung des Zufriedenheitsgrades der Nutzer der unterstützten Projekte beinhalten müssen.

7.4

Auch sollte die Erarbeitung von Bildungsinhalten sowie wissenschaftlichen und technischen Informationsdatenbanken, die frei und kostenlos zugänglich sind, unterstützt und gefördert werden; diese sollten durch Institutionen, Universitäten oder Verbände erstellt werden und würden einen wichtigen Beitrag zur Strategie von Lissabon und zum freien Wissensaustausch in Europa darstellen.

8.   Zusammenfassung und Schlussbemerkungen

8.1

Der Ausschuss erkennt an, dass digitale Inhalte eine wichtige Rolle bei der Verbesserung des Informationszugangs der Bürger und bei der Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der europäischen Unternehmen spielen können, und unterstützt die Einführung des Programms eContentplus als Instrument zur Förderung der Wiederverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors und zur Schaffung mehrsprachiger und multikultureller europäischer Inhalte.

8.2

Der Ausschuss schließt sich dem Ziel des Programms eContentplus an, die kulturelle und sprachliche Vielfalt Europas zu schützen, die integrierter Bestandteil der Entwicklung der Informationsgesellschaft sein muss, und hält daher die Ausrichtung des Programms auf die Konzeption, Entwicklung, den Zugang und die Verbreitung hochwertiger digitaler Inhalte einzuwirken, für richtig.

8.3

Der Ausschuss versteht und akzeptiert zwar, dass das Grundprinzip von eContentplus die Maximierung der Wirkung des Programms in einer beschränkteren Zielgruppe ist, macht jedoch darauf aufmerksam, dass die Frage des Anwendungsbereichs und der diesbezüglichen finanziellen Auswirkungen der Maßnahme zur „Stärkung der Zusammenarbeit und Sensibilisierung“ näher geklärt werden muss, um die etwaige Zunahme regionaler Ungleichgewichte zwischen den Nutzern dieser Gemeinschaftsinitiative abzumildern.

8.4

Unter Berücksichtigung auch der Empfehlungen des Zwischenberichts zum Programm eContent empfiehlt der Ausschuss, bei den geplanten Maßnahmen und Bewertungsberichten nach Möglichkeit auch den Grad der Zufriedenheit der Nutzer der durch das Programm geförderten Dienstleistungen zu berücksichtigen.

Brüssel, den 29. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Mehrjahresprogramm der Gemeinschaft zur Erleichterung des Zugangs zu digitalen Inhalten, ihrer Nutzung und Verwertung in Europa, KOM(2004) 96 endg. — 2004/0025 (COD).

(2)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „eEurope 2005: Eine Informationsgesellschaft für alle“, KOM(2002) 263 endg.

(3)  Entscheidung Nr. 2001/48/EG des Rates vom 22. Dezember 2000.

(4)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Zwischenbewertung des mehrjährigen Gemeinschaftsprogramms zur Förderung der Entwicklung und Nutzung europäischer digitaler Inhalte in globalen Netzen und zur Förderung der Sprachenvielfalt in der Informationsgesellschaft (eContent), KOM(2003) 591 endg.

(5)  Insbesondere die „Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors“, die „Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“, die „Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken“ sowie eine ganze Reihe von Richtlinien zur Förderung von Online-Handel und Online-Dienstleistungen im Binnenmarkt: die Richtlinie zum elektronischen Handel (22. Mai 2001), die Richtlinie zur elektronischen Rechnungsstellung (20. Dezember 2001) sowie die Richtlinie und Verordnung zur MwSt bei Digitalprodukten (7. Mai 2002).

(6)  Stellungnahme des EWSA zum „Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zur Unterstützung der Entwicklung und Nutzung europäischer digitaler Inhalte in globalen Netzen und zur Förderung der Sprachenvielfalt in der Informationsgesellschaft“, KOM(2000) 323 endg. — 2000/0128 (CNS).

(7)  Siehe obige Fußnote, KOM(2003) 591 endg.

(8)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Annahme eines Mehrjahresprogramms (2003-2005) zur Überwachung und Beobachtung von eEurope, zur Verbreitung empfehlenswerter Verfahren und Verbesserung der Netz- und Informationssicherheit (MODINIS)“, KOM(2002) 425 endg. — 2002/0187 (CNS) vom 25. Oktober 2002.

(9)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Sicherheit der Netze und Informationen: Vorschlag für einen europäischen Politikansatz“, KOM(2001) 298 endg. — ABl. C 48 vom 21.2.2002.

(10)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Schaffung einer sicheren Informationsgesellschaft durch Verbesserung der Sicherheit von Informationsinfrastrukturen und Bekämpfung der Computerkriminalität“ — ABl. C 311 vom 7.11.2001.

(11)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Informationen des öffentlichen Sektors: Eine Schlüsselressource für Europa — Grünbuch über die Informationen des öffentlichen Sektors in der Informationsgesellschaft“ — ABl. C 169 vom 16.6.1999.

(12)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation“ — ABl. C 123 vom 25.4.2001.

(13)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Weiterverwendung und kommerzielle Verwertung von Dokumenten des öffentlichen Sektors“, KOM(2002) 207 endg. — 2002/0123 (COD) vom 11. Dezember 2002.

(14)  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter“, (KOM(1999) 657 endg.) vom 19. Oktober 2000.

(15)  Sondierungsstellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Kulturindustrie in Europa“ vom 28. Januar 2004.

(16)  Ziffer 3.2.3 „Ein mögliches Profil für ‚eContent II‘“, KOM(2003) 591 endg.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/52


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung der Bestimmungen des Århus-Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft“

(KOM(2003) 622 endg. — 2003/0242 (COD))

(2004/C 117/13)

Der Rat beschloss am 7. November 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung der Bestimmungen des Århus-Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft“ (KOM(2003) 622 endg. — 2003/0242 (COD)).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2004 an. Berichterstatterin war Frau SÁNCHEZ MIGUEL.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 29. April) mit 68 gegen 6 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die Umweltpolitik der EU — insbesondere das in Artikel 6 des EG-Vertrags festgelegte Gemeinschaftsziel der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung — macht es unabdingbar, dass die Bürger über diese Politik informiert und an ihrer Umsetzung beteiligt sind. Aus diesem Grund hat die GD Umwelt mittels verschiedener Maßnahmen, Rechtsvorschriften, Mitteilungen, Konferenzen usw. den Grad der Information und der Beteiligung der von der Umweltpolitik betroffenen Personen verstärkt.

1.2

Die eingesetzten Instrumente bestehen bis heute vornehmlich in neuen Rechtsvorschriften über die Information und Beteiligung der Bürger sowie — in geringerem Maße — in neuen Bestimmungen über den Zugang zu den Gerichten in umweltpolitischen Angelegenheiten.

1.3

Gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags obliegt es der Kommission, Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele der Umweltpolitik zu ergreifen. In diese Richtung zielen auch die Bestimmungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Förderung und Verbesserung des Umweltschutzes. Es ist darauf hinzuweisen, dass entsprechende Informations- und Konsultationsinstrumente bereits in anderen Politikbereichen der Gemeinschaft eingesetzt werden, insbesondere bei der GAP und der Industriepolitik. Da sich diese Instrumente auf die nachhaltige Entwicklung auswirken, ist es unerlässlich, ihre Bekanntheit und das Verständnis ihres Anwendungsbereichs über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus durch die Information der gesamten Öffentlichkeit zu fördern.

1.4

Bisher wurden folgende Rechtsvorschriften über die Information und Beteilung der Öffentlichkeit im Umweltbereich erlassen:

Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (1),

Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (2),

Richtlinie 2003/35/EG über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme (3).

1.5

Die Unterzeichnung des Århus-Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten durch die Europäische Gemeinschaft im Jahr 1998 bekräftigt das Ziel, die Beteiligung der europäischen Öffentlichkeit an Umweltangelegenheiten auszuweiten, d.h. ihre Beteiligung an Umweltschutzmaßnahmen zu stärken und dadurch die nachhaltige Entwicklung in Europa voranzubringen.

1.6

Da das Århus-Übereinkommen noch nicht von allen Unterzeichnerstaaten ratifiziert worden ist (4), macht die derzeitige Rechtslage Maßnahmen erforderlich, die in zwei Richtungen zielen. Erstens ist ein Rechtsinstrument (Verordnung) zu schaffen, das die vollständige Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf die Einrichtungen und Organe der Gemeinschaft ermöglicht. Zweitens sind die für die Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen durch einen Vorschlag für eine Richtlinie zu ergänzen, in die nur die vorgenannten Bestimmungen über den Zugang zu Gerichten aufgenommen werden müssten.

2.   Wesentlicher Inhalt des Verordnungsvorschlags

2.1

Zweck der Verordnung ist die Anwendung der Bestimmungen des Århus-Übereinkommens auf die zuständigen Stellen der EU durch die Festlegung von Kriterien, die für den Zugang zur Information, zur Beteiligung und zum Recht bei Umweltangelegenheiten zu erfüllen sind. Es werden deshalb sämtliche Begriffe definiert, die für die Auslegung der Verordnung von Bedeutung sind, sowie die Einrichtungen und Organe festgelegt, die den im Text genannten Verpflichtungen nachkommen müssen. Unter den Begriffsbestimmungen ist die des Umweltrechts hervorzuheben.

2.2

Die Artikel 3 und 7 über den Zugang zu Umweltinformationen schließen den Inhalt der Verordnung 1049/2001 ein. Allerdings erstrecken sie sich nicht nur auf das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission, sondern auf alle Einrichtungen und Organe mit Umweltfunktionen. Diese sind dazu verpflichtet, Umweltinformationen bereitzustellen. Sie müssen deshalb die probatesten Mittel zur Information der Öffentlichkeit festlegen. Mit allen verfügbaren Kommunikationsmitteln (vorzugsweise den öffentlichen Telekommunikationsmedien) müssen sie dann die Bürger auf dem neuesten Stand halten. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass die Betroffenen über ausreichende und aktuelle Informationen verfügen. Folgende Punkte müssen dabei gewährleistet sein:

Qualität und Aktualität der Informationen,

Zugänglichkeit der Informationen für die Betroffenen (d.h. Informationsanfragen sind zügig zu bearbeiten),

Zusammenarbeit zwischen den für Umweltinformationen zuständigen Behörden im Falle von Umweltkatastrophen.

2.3

In Artikel 8 ist die Öffentlichkeitsbeteiligung geregelt. Es sind die Bedingungen aufgeführt, unter denen die Bürger Recht auf Beteiligung an der Ausarbeitung umweltbezogener Pläne und Programme haben, die auf der Basis einer entsprechenden Rechtsvorschrift von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft zu erarbeiten sind. Ferner ist die Möglichkeit vorgesehen, die betroffene Öffentlichkeit und Umweltorganisationen frühzeitig zu beteiligen, d.h. bevor die Pläne und Programme verabschiedet werden.

2.4

Zugang zu den Gerichten haben klagebefugte Rechtspersönlichkeiten. Das heißt, nur die gemäß Artikel 12 und 13 anerkannten Einrichtungen haben das Recht, ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anzustrengen. Gleichwohl besteht gemäß Artikel 9 über die Legitimierung klagebefugter Rechtspersönlichkeiten die Möglichkeit, die Überprüfung der Verwaltungsakte der Gemeinschaftseinrichtungen zu beantragen. Wurde dem Antrag stattgegeben, können alle Akte, die nicht im Einklang mit dem Umweltrecht stehen, vor der Klageerhebung aufgehoben werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat mehrfach festgestellt, dass das probateste Mittel, über das die EU in Bezug auf die Einhaltung der Umweltvorschriften verfügt, die Beteiligung der Bürger an der Politik der nachhaltigen Entwicklung ist. Diese Beteiligung erfolgt auf der Basis vollkommener Transparenz und Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften, wobei der Schutz vertraulicher Daten gewährleistet sein muss. Der Zugang zu Informationen, die Beteiligung an der Erarbeitung umweltbezogener Pläne und der spätere Zugang zu Gerichten sind geeignet, nicht nur die Rechtsvorschriften, sondern auch das Bewusstsein und die Kenntnisse der Bürger bezüglich der Erhaltung und Verwendung natürlicher Ressourcen zu verbessern.

3.2

Im Hinblick auf den bevorstehenden Beitritt zehn neuer Mitgliedstaaten, den Beginn einer neuen Ära, erscheint dieser Kommissionsvorschlag für harmonisierte Rechtsvorschriften durchaus angebracht. Dennoch sollte auf die Ratifizierung des Århus-Übereinkommens durch alle europäischen Unterzeichnerstaaten gedrängt werden. Auch die Europäische Gemeinschaft selbst sollte das Übereinkommen ratifizieren und so ihre Instrumente zum Schutz der Umwelt auf globaler Ebene, insbesondere in internationalen Vereinbarungen, verstärken.

3.3

Dieses neue auf die Gemeinschaftsinstitutionen ausgerichtete Rechtsinstrument ergänzt die Anwendung des Århus-Übereinkommens. Die grenzüberschreitende Wirkung zahlreicher Umweltvorschriften macht diesen Ansatz erforderlich, da die Gemeinschaftsinstitutionen in vielen Fällen über die Anwendung der Vorschriften entscheiden. Bei diesem doppelten Ansatz spielt die Europäische Umweltagentur eine entscheidende Rolle. Sie fungiert als Zentrale für Informationen und Kontrollen zwecks Einhaltung der Umweltvorschriften im gesamten Unionsgebiet.

3.4

Auch wenn er den Kommissionsvorschlag für positiv hält, ist der Ausschuss der Auffassung, dass einige Aspekte herausgestellt und geklärt werden sollten, die für die Erreichung des angestrebten Ziels von großer Bedeutung sind.

3.4.1

Die Begriffsbestimmungen in diesem Kommissionsvorschlag entstammen dem Århus-Übereinkommen, von dem sie aber in gewissen Punkten abweichen. Folgende Punkte sind hervorzuheben:

3.4.1.1

Der in diesem Kommissionsvorschlag verwandte Begriff der qualifizierten Einrichtung findet sich nicht im Århus-Übereinkommen wieder. Dort ist lediglich von der „betroffenen Öffentlichkeit“ die Rede. Als „betroffen“ gelten dabei alle Organisationen, die zugunsten des Umweltschutzes arbeiten (wobei der Umweltschutz nicht ihr alleiniges Ziel sein muss) und die im Rahmen des Verbandsrechts des jeweiligen Mitgliedstaats tätig sein müssen. Offenkundig leisten aber auch andere gemeinnützige Organisationen wie Gewerkschaften, sozialwirtschaftliche Verbände, Verbrauchervereine usw. wichtige Umweltarbeit auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene.

3.4.1.2

Die Verordnung bezieht sich auf Einrichtungen und Organe der Gemeinschaft, wobei sie sich auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 stützt; dies schließt folglich den EWSA ein.

3.4.1.3

Es ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Auflistung der vom Umweltrecht abgedeckten Bereiche sprachlich begründete Abweichungen gibt. Deswegen sollten einige wichtige Passagen unter dem sprachlichen Aspekt noch einmal überprüft werden, wie etwa Punkt (v) der Bereichsliste. Es wäre nämlich sehr wichtig, dafür zu sorgen, dass bei sämtlichen für die Harmonisierung der Umweltschutzvorschriften als Mindeststandards maßgeblichen Bestimmungen eine einheitliche Terminologie verwendet wird.

3.4.2

Verfahren in Umweltangelegenheiten: Es sollte berücksichtigt werden, dass Artikel 9 Absatz 5 des Århus-Übereinkommens die Betroffenen — in diesem Fall die Gemeinschaftseinrichtungen — eindeutig dazu verpflichtet, über die Möglichkeit eines Gerichtsverfahrens zu informieren und Unterstützungsmechanismen einzurichten, mit denen finanzielle oder andere Hürden verringert oder aufgehoben werden können, welche den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten erschweren.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Verordnung über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten

4.1.1

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass der Verordnungsvorschlag die umfangreichen Maßnahmen untermauert, die die Kommission zur Verwirklichung der Umweltziele eingeleitet hat. Seiner Ansicht nach ist der Vorschlag ein geeignetes Instrument, das die Information der europäischen Bürger, ihre Beteiligung und ihren Zugang zu den Gerichten über ihre sozialen und wirtschaftlichen Organisationen sowie ihre Umweltverbände gegenüber den EU-Organen und -Institutionen (einschließlich der durch den EG-Vertrag oder auf dessen Grundlage geschaffenen Agenturen und Behörden, außer wenn diese in Ausübung ihrer Rechtsprechungs- oder Gesetzgebungsbefugnis handeln) erleichtert und bewirkt, dass den Anliegen der Bürger nicht nur in der Kommission, sondern auch in sämtlichen Institutionen der Gemeinschaft im weitesten Sinne Rechnung getragen wird, so wie dies die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vorsieht.

4.1.2

Ein bemerkenswerter Aspekt ist die Einführung des Begriffs der „qualifizierten Einrichtung“ im Zusammenhang mit dem Zugang zu den Gerichten, da in Bezug auf Information und Beteiligung der Begriff „Öffentlichkeit“ im Sinne des Übereinkommens von Århus beibehalten wird. Der Ausschuss hält dieses Vorgehen grundsätzlich für sinnvoll: Es erleichtert den Zugang zu den Gerichten insofern, als die qualifizierten Einrichtungen nicht verpflichtet sind, ein ausreichendes Interesse oder einen Verstoß gegen ein Recht nachzuweisen. Allerdings besteht nach Auffassung des Ausschusses eine Schwierigkeit in der Begrenzung der Kriterien für die Klagebefugnis der Einrichtungen, deren Ziel nicht allein der Umweltschutz ist. Es wäre der tatsächlichen Situation in Europa angemessener, wenn auch Organisationen, die sich dem Umweltschutz neben anderen sozialen und wirtschaftlichen Zielen verschrieben haben, die Klagebefugnis erhalten könnten.

4.1.3

Der Ausschuss betont erneut, dass der Verweis auf die im Bereich des Umweltschutzes tätigen NRO in Artikel 8, der die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung von umweltbezogenen Plänen und Programmen regelt, eine Einschränkung bedeuten kann, die zwar nicht so stark ist wie die Definition der qualifizierten Einrichtungen, aber zu vergleichbaren Ergebnissen führen könnte (z.B. der Schwerfälligkeit der Verfahren). Der Ausschuss wiederholt auch seine Forderung, den Begriff auf Organisationen, zu deren Zielen auch der Umweltschutz zählt, auszuweiten. Der EWSA befürwortet den besseren Zugang zu Umweltinformationen und die stärkere Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Erarbeitung der Umweltpläne und -programme durch die Gemeinschaftsinstitutionen und -einrichtungen wie im Århus-Übereinkommen vorgesehen. Er hofft, dass sich diese Einrichtungen für eine wirkliche Einbeziehung der Öffentlichkeit einsetzen und die Ergebnisse dieser Einbeziehung angemessen berücksichtigt werden, und spricht sich dafür aus, die Kriterien für die Finanzierung der im Anhang zum Übereinkommen aufgeführten Maßnahmen sowie die Beschlüsse über GVO und Chemikalien transparent und vollständig bekannt zu machen, da die Bürger auf den damit verbundenen Umwelt- und Gesundheitsschutz besonderen Wert legen.

4.1.4

Titel IV, in dem der Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten im Sinne des Århus-Übereinkommens geregelt ist, verzerrt das angestrebte Ziel, da er sowohl die Möglichkeit, eine interne Prüfung eines Verwaltungsaktes zu verlangen, als auch das Klagerecht auf die qualifizierten Einrichtungen beschränkt. Dieser restriktive Ansatz ist zwar unter dem Aspekt einfacher Verfahren verständlich, aber nach Einschätzung des Ausschusses sollte bei Beantragung eines Gerichtsverfahrens oder einer Revision auf Gemeinschaftsebene der Nachweis des berechtigten Interesses und der Klagebefugnis genügen.

4.1.5

Der EWSA ist nicht der Auffassung, dass qualifizierte Organisationen ihren Tätigkeitsbereich in mehreren Ländern haben müssen.

4.1.6

In Artikel 12 Buchstabe (d) der Verordnung ist vorgesehen, dass eine qualifizierte Einrichtung über Jahresabschlüsse verfügen muss, die von einem zugelassenen Rechnungsprüfer zertifiziert wurden. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips sollte es den Mitgliedstaaten überlassen werden, die Einhaltung der diesen Organisationen entsprechenden Rechnungslegungsgrundsätze zu überwachen.

4.1.7

Der EWSA ist der Auffassung, dass zur Kostenreduzierung der Klage für die staatliche Rechtsgewährung die Kosten in Abhängigkeit vom Verfahrensgegenstand und von den Finanzhilfen gemäß dem Århus-Übereinkommen begrenzt werden sollten.

Brüssel, den 29. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  ABl. L 45 vom 31.5.2001, S. 43. Darüber hinaus wurde folgende Mitteilung angenommen: „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs — Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“ (KOM(2002) 704 endg. vom 11.12.2002).

(2)  ABl. L 41 vom 14.2.2003, S. 26.

(3)  ABl. L 156 vom 25.6.2003, S. 17.

(4)  Das Übereinkommen wurde bereits von folgenden Ländern ratifiziert: Portugal, Belgien, Frankreich, Dänemark und Italien.


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/55


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“

(KOM(2003) 624 endg. — 2003/0246 (COD))

(2004/C 117/14)

Der Rat beschloss am 7. November 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“ (KOM(2003) 624 endg. — 2003/0246 (COD)).

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2004 an. Berichterstatterin war Frau SÁNCHEZ MIGUEL.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 29. April) mit 76 gegen5 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die Umweltpolitik der EU — insbesondere das in Artikel 6 des EG-Vertrags festgelegte Gemeinschaftsziel der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung — macht es unabdingbar, dass die Bürger über diese Politik informiert und an ihrer Umsetzung beteiligt sind. Aus diesem Grund hat die GD Umwelt mittels verschiedener Maßnahmen, Rechtsvorschriften, Mitteilungen, Konferenzen usw. den Grad der Information und der Beteiligung der von der Umweltpolitik betroffenen Personen verstärkt.

1.2

Die eingesetzten Instrumente bestehen bis heute vornehmlich in neuen Rechtsvorschriften über die Information und Beteiligung der Bürger sowie — in geringerem Maße — in neuen Bestimmungen über den Zugang zu den Gerichten in umweltpolitischen Angelegenheiten.

1.3

Gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags obliegt es der Kommission, Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele der Umweltpolitik zu ergreifen. In diese Richtung zielen auch die Bestimmungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Förderung und Verbesserung des Umweltschutzes. Es ist darauf hinzuweisen, dass entsprechende Informations- und Konsultationsinstrumente bereits in anderen Politikbereichen der Gemeinschaft eingesetzt werden, insbesondere bei der GAP und der Industriepolitik. Da sich diese Instrumente auf die nachhaltige Entwicklung auswirken, ist es unerlässlich, ihre Bekanntheit und das Verständnis ihres Anwendungsbereichs über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus durch die Information der gesamten Öffentlichkeit zu fördern.

1.4

Bisher wurden folgende Rechtsvorschriften über die Information und Beteilung der Öffentlichkeit im Umweltbereich erlassen:

Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (1),

Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (2),

Richtlinie 2003/35/EG über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme (3).

1.5

Die Unterzeichnung des Århus-Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten durch die Europäische Gemeinschaft im Jahr 1998 bekräftigt das Ziel, die Beteiligung der europäischen Öffentlichkeit an Umweltangelegenheiten auszuweiten, d.h. ihre Beteiligung an Umweltschutzmaßnahmen zu stärken und dadurch die nachhaltige Entwicklung in Europa voranzubringen.

1.6

Da das Århus-Übereinkommen noch nicht von allen Unterzeichnerstaaten ratifiziert worden ist (4), macht die derzeitige Rechtslage Maßnahmen erforderlich, die in zwei Richtungen zielen. Erstens ist ein Rechtsinstrument (Verordnung) zu schaffen, das die vollständige Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf die Einrichtungen und Organe der Gemeinschaft ermöglicht. Zweitens sind die für die Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen durch einen Vorschlag für eine Richtlinie zu ergänzen, in die nur die vorgenannten Bestimmungen über den Zugang zu Gerichten aufgenommen werden müssten.

2.   Wesentlicher Inhalt des Richtlinienvorschlags

2.1

Die vorgeschlagene Richtlinie legt die Mindestbedingungen für den Zugang zu Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten fest, um eine bessere Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zu gewährleisten. Es handelt sich um Mindeststandards, die einerseits zur Einhaltung der Bestimmungen des Århus-Übereinkommens und andererseits zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften in allen EU-Mitgliedstaaten dienen, damit keine Ungleichheiten zwischen Wirtschaftsbeteiligten und Behörden entstehen können.

2.2

Die Gliederung des Richtlinienvorschlags beruht auf den Definitionen der Akteure, Verfahren, Verwaltungshandlungen und Unterlassungen, die einen Prozess zur Folge haben können.

2.3

Das herausragende Thema ist die Klagebefugnis oder Aktivlegitimation, ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren in Gang zu setzen. Dabei wird zwischen natürlichen Personen und qualifizierten Einrichtungen unterschieden. Erstere müssen ein ausreichendes Interesse oder die Verletzung eines Rechts bzw. einer Verfahrensvorschrift nachweisen; letztere sind aufgrund ihrer Qualifikation nicht verpflichtet, ein ausreichendes Interesse nachzuweisen.

2.4

Das Klagebefugnis beruht auf den in Artikel 8 und 9 festgelegten Kriterien. Die Einrichtungen, die diese Kriterien erfüllen, erhalten die Klagebefugnis ohne weitere Auflagen.

2.5

Besonders erwähnenswert ist Artikel 6, der es ermöglicht, eine interne Überprüfung eines Verwaltungsakts oder einer Unterlassung zu beantragen, wenn ein Verstoß gegen das Umweltrecht vorliegt. Ziel ist die Vereinheitlichung der Fristen und Bedingungen für diese Maßnahme in den Mitgliedstaaten.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat mehrfach festgestellt, dass das probateste Mittel, über das die EU in Bezug auf die Einhaltung der Umweltvorschriften verfügt, die Beteiligung der Bürger an der Politik der nachhaltigen Entwicklung ist. Diese Beteiligung erfolgt auf der Basis vollkommener Transparenz und Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften. Der Zugang zu Informationen, die Beteiligung an der Erarbeitung umweltbezogener Pläne und der spätere Zugang zu Gerichten sind geeignet, nicht nur die Rechtsvorschriften, sondern auch das Bewusstsein und die Kenntnisse der Bürger bezüglich der Erhaltung und Verwendung natürlicher Ressourcen zu verbessern.

3.2

Im Hinblick auf den bevorstehenden Beitritt zehn neuer Mitgliedstaaten, den Beginn einer neuen Ära, erscheint dieser Kommissionsvorschlag für harmonisierte Rechtsvorschriften durchaus angebracht. Dennoch sollte auf die Ratifizierung des Århus-Übereinkommens durch alle europäischen Unterzeichnerstaaten gedrängt werden. Auch die Europäische Gemeinschaft selbst sollte das Übereinkommen ratifizieren und so ihre Instrumente zum Schutz der Umwelt auf globaler Ebene, insbesondere in internationalen Vereinbarungen, verstärken.

3.3

Auch wenn er den Kommissionsvorschlag für positiv hält, ist der Ausschuss der Auffassung, dass einige Aspekte herausgestellt und geklärt werden sollten, die für die Erreichung des angestrebten Ziels von großer Bedeutung sind.

3.3.1

Die Begriffsbestimmungen in diesem Kommissionsvorschlag entstammen dem Århus-Übereinkommen, von dem sie aber in gewissen Punkten abweichen, z.B.:

3.3.1.1

Qualifizierte Einrichtung: Der im Vorschlag verwendete Begriff ist im Århus-Übereinkommen nicht vorzufinden. Dort ist lediglich von der „betroffenen Öffentlichkeit“ die Rede. Als „betroffen“ gelten dabei alle Organisationen, die zugunsten des Umweltschutzes arbeiten (wobei der Umweltschutz nicht ihr alleiniges Ziel sein muss) und die im Rahmen des Verbandsrechts des jeweiligen Mitgliedstaats tätig sein müssen. Offenkundig leisten aber auch andere gemeinnützige Organisationen wie Gewerkschaften, soziale und wirtschaftliche bzw. sozialwirtschaftliche Verbände, Verbrauchervereine usw. wichtige Umweltarbeit auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene.

3.3.1.2

In der Richtlinie ist hingegen von „Behörden“ die Rede, d.h. also der öffentlichen Verwaltung in den verschiedenen Bereichen; ausgeschlossen sind jedoch Einrichtungen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln.

3.3.1.3

Es ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Auflistung der vom Umweltrecht abgedeckten Bereiche sprachlich begründete Abweichungen gibt. Deswegen sollte einige wichtige Passagen unter dem sprachlichen Aspekt noch einmal überprüft werden, wie etwa Artikel 2 Buchstabe g Punkt (v) der Bereichsliste. Es wäre nämlich sehr wichtig, dafür zu sorgen, dass bei sämtlichen für die Harmonisierung der Umweltschutzvorschriften als Mindeststandards maßgeblichen Bestimmungen eine einheitliche Terminologie verwendet wird.

3.3.2

Gerichtsverfahren: Im Falle von Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten ist die strafrechtliche Verfolgung ausdrücklich ausgeschlossen (5). Die Ahndung wird somit auf verwaltungs- und zivilrechtliche Handlungen innerhalb der EU beschränkt. Diese Situation führt zu einer Begrenzung der Verfahren in den meisten Mitgliedstaaten, die die Strafverfolgung bei Umweltvergehen vorsehen. Hingegen wird im Århus-Übereinkommen, dessen Artikel 9 Absatz 3 die Anzeige von Handlungen und Unterlassung von Privatpersonen und Behörden bei Verstößen gegen Umweltvorschriften regelt, nur auf die Grenzen in den Vorschriften hingewiesen, gegen die ein Verstoß vorliegt. Dadurch gleicht das Übereinkommen die Verfahren an den Verfahrensgegenstand an. Es versucht also ein Gleichgewicht zwischen Verstoß und Strafmaß herzustellen. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass der Richtlinienvorschlag in seiner derzeitigen Fassung im Verhältnis zum nationalen Recht eine einschränkende Wirkung auf die Umweltverfahren hat.

3.3.3

Verfahren in Umweltangelegenheiten: In den Kommissionsvorschlägen wird in allgemeiner Form festgestellt, dass die Mitgliedstaaten für die Festlegung von angemessenen und wirkungsvollen Verfahren zuständig sind, die gleichzeitig objektiv, gerecht, schnell und nicht zu kostenintensiv sein sollen. Obwohl die Regelung für Gerichtsverfahren gemäß dem Subsidiaritätsprinzip in den Bereich des nationalen Rechts fällt, sollte nach Auffassung des Ausschusses Artikel 9 Absatz 5 des Århus-Übereinkommens aufgegriffen werden, der die Betroffenen eindeutig dazu verpflichtet, über die Möglichkeit eines Gerichtsverfahrens zu informieren und Unterstützungsmechanismen einzurichten, mit denen finanzielle oder andere Hürden verringert oder aufgehoben werden können, welche den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten erschweren.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Mit diesem Richtlinienvorschlag wird die Anpassung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften an das Århus-Übereinkommen vollendet. Es wird ein gemeinsamer Rahmen für verfahrensrechtliche Bestimmungen geschaffen, die für alle Mitgliedstaaten gelten. Gleichzeitig wird eine einheitliche Anwendung des Umweltrechts sichergestellt, da aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters zahlreicher Umweltprobleme Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene erforderlich sind.

4.2

Der Inhalt des Vorschlags ist mit den in anderen Rechtsakten der Gemeinschaft vorgesehenen Zugangsbestimmungen vereinbar. Gleichwohl sollte in Artikel 1 festgestellt werden, dass die Richtlinie den Charakter einer Mindestnorm hat, um zu vermeiden, dass die Regelung zu Lasten derjenigen Mitgliedstaaten gehen könnte, deren Umweltrecht weiter reicht, d.h. ein Klagerecht der Öffentlichkeit und den Strafrechtstatbestand im Umweltangelegenheiten kennt.

4.3

In Artikel 2 betreffend die Begriffsbestimmungen sollten folgende Änderungen vorgenommen werden:

c) Es sollte festgelegt werden, dass der Umweltschutz eines der Ziele qualifizierter Einrichtungen ist.

f) Zu den Verfahren in Umweltangelegenheiten sollten auch Strafverfahren gehören.

g) Im Bereich des Umweltrechts sollten die Begriffe vereinheitlicht werden, damit sie mit den in der Verordnung verwandten Begriffen übereinstimmen (vgl. Absatz v).

2. Es sollte festgestellt werden, dass es sich um Mindestanforderungen handelt und diese bei der Umsetzung in einzelstaatliches Recht keinesfalls unterschritten werden dürfen.

4.4

Artikel 5 und 6, in der qualifizierte Einrichtungen als Rechtspersönlichkeiten, die Klage erheben und eine interne Prüfung beantragen können, festgelegt sind, werfen zwei wichtige Fragen auf, die zum einen die geografische Beschränkung der Klagebefugnis bei Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten und zum anderen die grenzüberschreitende Ausweitung der internen Prüfung eines Verwaltungsakts auf einen anderen Mitgliedstaat (unter der Voraussetzung, dass die Kriterien in Absatz 5 Absatz 1 erfüllt sind) betreffen. Dies erscheint widersprüchlich: Wenn diese Einschränkung bezüglich der Klagebefugnis in geografischer Hinsicht erfolgt, sollte sie auch für die internen Prüfungen gelten. In beiden Fällen wäre es nach Auffassung des Ausschusses im Lichte des Århus-Übereinkommens gerechter, keine Beschränkung des Zugangs zu den Gerichten (d.h. allen Instanzen) vorzusehen und die diesbezüglichen einzelstaatlichen Prozessvoraussetzungen beizubehalten.

4.4.1

Es wäre sinnvoll, dass die in Artikel 6 vorgesehenen Fristen ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung und nicht ab dem Zeitpunkt des Erlasses eines Verwaltungsakts berechnet werden, da ein Verwaltungsakt erst nach seiner Veröffentlichung nur bekannt sein kann.

4.5

In Bezug auf die Kriterien für die Anerkennung der qualifizierten Einrichtungen fordert der Ausschuss erneut, Artikel 8 Buchstabe a) auf juristische Personen auszuweiten, die unter anderem den Schutz der Umwelt zum Ziel haben.

4.6

Was schließlich Artikel 10 betreffend die Auflagen für Verfahren in Umweltangelegenheiten angeht, ist Artikel 9 Absatz 4 des Århus-Übereinkommens nach Ansicht des Ausschusses umfassender. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass ungeachtet der Auflage vertretbarer Verfahrenskosten der fehlende Hinweis auf die Gewährleistung eines angemessenen Rechtsschutzes Organisationen mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten de facto den Zugang zu den Gerichten erschweren kann.

4.7

In Artikel 12 Buchstabe (d) der Verordnung ist vorgesehen, dass eine qualifizierte Einrichtung über Jahresabschlüsse verfügen muss, die von einem zugelassenen Rechnungsprüfer zertifiziert wurden. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips sollte es den Mitgliedstaaten überlassen werden, die Einhaltung der diesen Organisationen entsprechenden Rechnungslegungsgrundsätze zu überwachen.

4.8

Der EWSA ist der Auffassung, dass zur Kostenreduzierung der Klage für die staatliche Rechtsgewährung die Kosten in Abhängigkeit vom Verfahrensgegenstand und von den Finanzhilfen gemäß dem Århus-Übereinkommen begrenzt werden sollten.

Brüssel, den 29. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  ABl. L 45 vom 31.5.2001, S. 43. Darüber hinaus wurde folgende Mitteilung angenommen: „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs — Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“ KOM(2002) 704 endg. vom 11.12.2002.

(2)  ABl. L 41 vom 14.2.2003, S. 26.

(3)  ABl. L 156 vom 25.6.2003, S. 17.

(4)  Das Übereinkommen wurde bereits von folgenden Ländern ratifiziert: Portugal, Belgien, Frankreich, Dänemark und Italien.

(5)  Richtlinienvorschlag: Artikel 2 Buchstabe f).


30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 117/58


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Handelspolitische Aspekte des industriellen Wandels, insbesondere im Stahlsektor“

(2004/C 117/15)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Juli 2003 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Handelspolitische Aspekte des industriellen Wandels, insbesondere im Stahlsektor“.

Die Beratende Kommission für den industriellen Wandel wurde mit der Vorbereitung der diesbezüglichen Arbeiten des Ausschusses beauftragt.

Der Ausschuss beschloss auf seiner 408. Plenartagung am 28./29. April 2004 (Sitzung vom 29. April), Herrn Lagerholm zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 46 gegen 16 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung, Ziel und Umfang der Stellungnahme; Begriffsbestimmungen

1.1

Der Stahlsektor, sein Prozess des beständigen Wandels und die Auswirkungen der Handelspolitik auf diesen Prozess stellen ein Fallbeispiel dar, das sich für andere Industriesektoren als äußerst wertvoll erweist.

1.2

Für die Zwecke dieser Initiativstellungnahme fallen unter den Begriff „Stahlsektor“ alle Industrietätigkeiten im Zusammenhang mit der Stahlherstellung und dem Stahlvertrieb, unter Berücksichtigung ihrer wichtigen Funktion für die europäischen Stahl verbrauchenden Branchen. Der Umfang dieser Stellungnahme und die darin enthaltenen Empfehlungen gehen somit weit über die Stahl erzeugende Industrie hinaus.

1.3

In diesem Dokument bedeutet „industrieller Wandel“ den normalen und fortwährenden Prozess eines Industriesektors, proaktiv auf die dynamischen Bewegungen innerhalb seines Wirtschaftsumfelds zu reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Wachstumschancen zu schaffen. Änderungen in der Struktur des Sektors sind weniger als ein Ziel dieses Prozesses denn als ein Ergebnis der Reaktion auf diese Bewegungen zu verstehen. „Umstrukturierung“ bezieht sich auf eine besondere Art des industriellen Wandels und ist in der Regel ein unvermittelt einsetzender Prozess einer (häufig erzwungenen) Anpassung an die Bedingungen des Wirtschaftsumfelds, mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen, was Unterbrechungen der Geschäftstätigkeit zur Folge hat. Vorrangiges Ziel der Umstrukturierung ist eine grundlegende Änderung der Strukturen dieses Sektors.

1.4

Es liegt auf der Hand, dass der industrielle Wandel großenteils von strukturellen Änderungen im Wirtschaftsumfeld insgesamt getrieben wird, insbesondere dem dynamischen Wandel der Markterfordernisse. Auch interne Politiken (auf nationaler und/oder EU-Ebene) in den unterschiedlichsten Bereichen — d.h. Recht, Währung, Umwelt, Energie und nicht zuletzt Soziales — haben erhebliche, bisweilen gar entscheidende Auswirkungen auf den industriellen Wandel. Dies lässt sich natürlich sehr deutlich am industriellen Wandel im Stahlsektor der EU in den letzten 20 Jahren beobachten. Diese Stellungnahme befasst sich jedoch lediglich mit der Handelspolitik der EU, die definitionsgemäß ein externes Element ist und den politischen Rahmen für Handelsströme zwischen der EU und anderen Ländern oder Wirtschaftsregionen der Welt absteckt.

1.5

Folglich muss berücksichtigt werden, dass mit dieser Stellungnahme nicht beabsichtigt wird, den industriellen Wandel im Stahlsektor der EU einschließlich aller vorstehend genannten (internen) Politiken, sondern lediglich die wechselseitige Abhängigkeit zwischen dem Stahlsektor und der (externen) Handelspolitik zu beschreiben.

1.6

In diesem Zusammenhang muss auch verstanden werden, dass der Erweiterungsprozess der EU längst kein handelspolitisches Thema für die EU mehr ist, was er in den frühen Phasen der Beitrittsverhandlungen mit den damaligen Beitrittskandidaten noch weit gehend war. Im Mai dieses Jahres wird ein erweiterter Binnenmarkt entstehen, und das bedeutet, dass alle künftigen EU-Politiken, die der Unterstützung des industriellen Wandels — insbesondere der Umstrukturierung des Stahlsektors in den Beitrittsländern, die immer noch notwendig ist — dienen sollen, Bestandteil der EU-internen Politik sein müssen.

2.   Bedeutung der Handelspolitik im Stahlsektor

2.1

Unternehmen konkurrieren in einer zunehmend global ausgerichteten Wirtschaft miteinander, und die Gegebenheiten, die sie auf den Weltmärkten vorfinden, sind entscheidende Determinanten ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihrer Wachstumschancen. Diese Gegebenheiten werden in hohem Maße durch die von den Politikgestaltern geschaffenen Rahmenbedingungen beeinflusst, d.h. von Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften, internationalen Handelsregelungen und spezifischen Regeln und Abkommen über Handelsprozeduren. Die Rahmenbedingungen sind das Ergebnis von Handelspolitiken sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Idealerweise sollten sie einen andauernden Prozess des industriellen Wandels, der die Dynamik der globalen Wirtschaft widerspiegelt, anregen und erleichtern. Auf keinen Fall aber sollten sie den industriellen Wandel negativ beeinflussen und den freien und fairen internationalen Wettbewerb behindern. So sollte das vorrangige Ziel der Handelspolitik vielmehr darin bestehen, die Offenheit des Welthandelssystems zu sichern und das „Fairplay“ bei gleichen Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen zu stärken.

2.2

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Handelspolitik einen äußerst wichtigen Aspekt des politischen Rahmens der Europäischen Union darstellt, da die EU eine exportorientierte Volkswirtschaft ist, die beträchtliche Handelsbilanzüberschüsse aufweist. Somit ist die Handelspolitik ein wichtiger Antriebsfaktor für das Wirtschaftswachstum. Das Vorhandensein eines Kommissionsmitglieds und der GD Handel innerhalb der Europäischen Kommission spiegelt die vitalen Interessen der Gemeinschaft im Zusammenhang mit der Verwaltung der Handelspolitik umfassend wider. Die Lissabon-Strategie zur Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft ist sicherlich zunächst auf die Verstärkung der internen Parameter bedacht; der Erfolg derartiger Bemühungen wird sich größtenteils jedoch nur in globalen Märkten zeigen, die natürlich ausschließlich durch eine einschlägige und ebenso erfolgreiche handelspolitische Entwicklung erreicht werden können.

2.3

Im Stahlsektor ist die Handelspolitik von sehr großer Bedeutung. Neben Öl ist Stahl das am häufigsten länderübergreifend gehandelte Industrieerzeugnis. Heute wird ungefähr ein Drittel der Gesamtstahlproduktion weltweit grenzübergreifend gehandelt: Das ist nahezu doppelt so viel wie vor 30 Jahren. Die für den internationalen Stahlhandel geltenden Bedingungen zählen deshalb zu den wichtigsten Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit dieses Sektors. Ähnliches kann in Bezug auf die nahezu unbegrenzte Vielfalt der Stahl verarbeitenden Branchen und ihre Erzeugnisse gesagt werden, d.h. die Automobil-, Schiffsbau- und Maschinenbauindustrie. Die Handelspolitik hat unmittelbaren Einfluss darauf, wie der Stahlsektor mit seinen unterschiedlichen Segmenten auf seinen Binnenmärkten auf Wettbewerb reagieren kann und wie er Zugang zu den Märkten von Drittländern erlangt. Die Handelspolitik ist von maßgeblicher Bedeutung für die Gestaltung des auf Regeln basierenden Systems, in dessen Rahmen der Weltstahlhandel tätig ist, und des Ausmaßes, in dem diese auf Strukturveränderungen seiner wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reagieren kann.

2.4

Die Bedeutung des internationalen Stahlhandels lässt sich an der Tatsache ablesen, dass über 40 % aller derzeitigen WTO-Konflikte stahlbezogen sind. Diese Zahl spiegelt die beständigen Herausforderungen des Sektors in Bezug auf ineffiziente Kapazitäten wider, die häufig durch staatliche Beihilfen gefördert werden und die Handelsströme verzerren, und zeigt an, dass die Anwendung der bestehenden Abkommen über Regeln für den internationalen Handel durch die Mitglieder der WTO grundsätzliche Mängel aufweist.

2.5

Schließlich darf nicht vergessen werden, dass der Stahlsektor der EU ein wesentliches Element der europäischen Wirtschaft darstellt und in erheblichem Maße zur wirtschaftlichen Entwicklung beiträgt. Stahl ist das grundlegende und nach wie vor wichtigste Industriegut mit einem geschätzten Gesamtmarktvolumen von über 350 Mrd. EUR — mehr als das Zehnfache des Marktvolumens jedes anderen Industrieguts — und für die Infrastrukturentwicklung sowie für die meisten der verarbeitenden Gewerbe von maßgeblicher Bedeutung. Dank einer hocheffizienten Stahlproduktion ist die EU in der Lage, allen Markterfordernissen, die die bedeutenden Stahl verarbeitenden Branchen entwickeln, gerecht zu werden; die Produktion wird großenteils durch ebenso effiziente Stahlvertriebssysteme unterstützt, die ungefähr zwei Drittel des Marktangebots regeln und eine ständig wachsende Palette an Dienstleistungen für die Stahlverarbeitung erbringen. Ohne ihre eigene, stark wettbewerbsorientierte Eigenstahlproduktion könnte sich die Gemeinschaft nicht auf ihre eigenen Ressourcen und ihr eigenes Know-how stützen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Stahl verarbeitenden Branchen der EU weiter an die Weltspitze zu entwickeln. Die Aufrechterhaltung eines florierenden Stahlsektors sollte für die EU daher ein wichtiges politisches Anliegen sein.

3.   Handelspolitische Aspekte des industriellen Wandels in der Stahlproduktion der EU

3.1

Die Stahlproduktion in der EU-15 hat seit Anfang der 1980er Jahre umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt: eine Verringerung der markteffizienten Stahlproduktionskapazität um 50 Mio. Tonnen, die Schließung von mehr als 50 % der Produktionsstätten und die Reduzierung der Zahl der Beschäftigen in der Stahl herstellenden Industrie von 900.000 auf 250.000. Die EU-15 ist nach China der zweitgrößte Stahlerzeuger der Welt mit einer Produktion von ungefähr 160 Mio. Tonnen Rohstahl pro Jahr, ca. 20 % der weltweiten Stahlproduktion. Ihr Umsatz liegt bei schätzungsweise 80 Mrd. Euro.

3.2

Heute zählt die europäische Stahlproduktion (EU-15), was Herstellungskompetenz, Ausrüstungsleistung, Produktqualität, Vertrieb und Dienstleistungstätigkeiten sowie Innovationskapazität betrifft, weltweit zu den Besten. Sie ist gekennzeichnet durch das Nebeneinanderbestehen einer Reihe sehr großer und wirklich globaler Akteure, einer Reihe kleinerer und stärker spezialisierter Erzeuger sowie zahlreicher hocheffizienter Vertriebs- und Dienstleistungszentren. Der schmerzhafte Umstrukturierungsprozess in den 1980er und der ersten Hälfte der 1990er Jahre, auf den ein Privatisierungs- und Konsolidierungsprozess folgte, hat den Stahlsektor zu einer modernen und wettbewerbsfähigen Branche gemacht, die sich mit Blick auf ihre Zukunft und ihre Befähigung zur erfolgreichen Bewältigung der Herausforderungen, die der beständige Wandel unter freien und fairen Handelsbedingungen mit sich bringt, durchaus zuversichtlich zeigen könnte.

3.3

In einem Markt, der auch wirklich den Regeln des freien und fairen Wettbewerbs unterliegt, wäre die Stahlproduktion der EU-15 sogar noch wettbewerbsfähiger als heute. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Stahlproduktion in der EU wird jedoch durch protektionistische Maßnahmen und marktverzerrende Praktiken in Drittländern bedroht, wie etwa die von der US-Regierung ergriffenen Schutzmaßnahmen gemäß Abschnitt 201 des US-Handelsgesetzes, die von WTO-Gremien als nicht mit den WTO-Regeln in Einklang stehend befunden wurden. Außerdem bringen unrentable Überkapazitäten weltweit das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage und somit die Stahlpreise weiterhin aus dem Lot, insbesondere in ungünstigen globalen Marksituationen.

3.4

Bei der weit reichenden Umstrukturierung der europäischen Stahlproduktion in den 1980er und 1990er Jahren spielte die Handelspolitik eine maßgebliche Rolle. Als Reaktion auf die Zunahme der Einfuhren aus Drittländern brachte die Kommission auf Grundlage des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) ihre Außenaspekte, die so genannten „volets externes“, auf den Weg: ein Maßnahmenbündel zum Außenschutz, das im Wesentlichen aus bilateralen Abkommen mit den wichtigsten Stahl exportierenden Ländern über die freiwillige Beschränkung ihrer Lieferungen in die Gemeinschaft bestand und die internen Maßnahmen zur Kontrolle der staatlichen Beihilfen, zur Unterstützung der Umstrukturierung und zeitweiligen Marktregulierung ergänzte. Diese Maßnahmen blieben während der gesamten Krisenzeit in Kraft und stabilisierten die Einfuhren bei ungefähr 10 % des sichtbaren Verbrauchs.

3.5

Die Stahlproduktion in den neuen Mitgliedstaaten, die der EU im Mai 2004 beitreten, durchläuft nach wie vor einen Prozess des Strukturwandels, der maßgeblich geprägt ist durch den drastischen Abbau unrentabler Überkapazitäten, die Anpassung der Stahlherstellungstechnologie an moderne Standards, die Stärkung der Wirtschafts- und Marktsynergien durch Konsolidierungsanstrengungen und die Bewältigung des Paradigmenwandels vom produktionsorientierten hin zum markt- und verbraucherorientierten Unternehmertum. Die EU-15 unterstützte diesen Prozess durch eine Reihe bilateraler Abkommen mit den Beitrittsländern in den Jahren vor dem Beitritt, indem sie die auf den EGKS-Instrumenten basierenden EU-Regeln anwandte. Diese Regelungen gingen so weit, der Europäischen Kommission das Recht auf Kontrolle und Genehmigung nationaler Umstrukturierungspläne zu übertragen.

3.6

Als Ergebnis wird sich die Stahlproduktion der EU in der erweiterten Union auf dem Weltmarkt in neuer Form präsentieren. Einerseits wird ihre Position durch den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten gestärkt, und die Union wird wieder zum Nettostahlexporteur. Andererseits werden die Strukturen der Stahlproduktion der EU schon allein durch die Tatsache geschwächt, dass die Stahlunternehmen in diesen Ländern noch immer einen Umstrukturierungsprozess durchlaufen. Die Handelspolitiken werden diese Umstände berücksichtigen müssen, wenn auch im Rahmen eines auf Regeln basierenden Systems.

4.   Künftige Herausforderungen für die Handelspolitik und den industriellen Wandel

Heute ist die europäische Stahlindustrie extrem anfällig gegenüber Politiken und Praktiken, die Handelsprozeduren zuwiderlaufen. Der europäische Stahlmarkt ist weltweit der offenste. Im Gefolge des Doppel-Null-Abkommens für Stahl in der Uruguay-Runde werden die Zollsätze für Stahleinfuhren in die EU 2004 abgeschafft. Die Stahleinfuhren nach Europa sind in den letzten Jahren enorm angestiegen, von 14,5 Mio. Tonnen im Jahr 1997 auf 24,6 Mio. Tonnen im Jahr 2002 — dies entspricht einer Zunahme von 70 % — und haben die EU, die jahrzehntelang Nettoexporteur war, 1998 zu einem Nettostahlimporteur gemacht. (2003 lagen die Exporte wiederum geringfügig über den Importen.)

Davon ausgehend, lassen sich mit Blick auf die Zukunft einige Herausforderungen ermitteln, die in den kommenden Jahren den Rahmen für die handelspolitischen Aspekte des beständigen Wandels im Stahlsektor bilden:

Die ehemaligen Sowjetrepubliken Russland, Ukraine und Kasachstan, die keine WTO-Mitglieder sind, stellen eine Region dar, in der die EU-Handelspolitik aufgrund der bilateralen Abkommen mit diesen Ländern zur Regulierung des Handels mit Stahlerzeugnissen noch immer speziell auf die Stahlindustrie abgestellt ist. Diese Abkommen stellen eine reife und pragmatische Antwort auf die Herausforderungen dieser im Übergang befindlichen Volkswirtschaften dar: Sie gestatten eine gesteuerte Entwicklung des Handels und vermeiden Handelsspitzen und eine Antidumpingreaktion in einer Zeit, in der die Industrien dieser Länder ihre Kapazitäten anpassen und ihren internationalen Verbrauch ausbauen. Der mögliche Beitritt Russlands zur WTO ist ein weiteres wichtiges Element für die Stahlindustrie in der EU.

Im Vergleich zu anderen Industriesektoren ist die Stahlindustrie auf weltweiter Ebene noch immer stark zersplittert, und der Konsolidierungsprozess hat nur in einigen wenigen Regionen, darunter der EU, stattgefunden. Es ist jedoch zu erwarten, dass Stahlunternehmen im Zuge des Globalisierungs- und Konsolidierungsprozesses auf ihren Industriemärkten in den kommenden Jahren zunehmend regionsübergreifende Zusammenschlüsse und Allianzen anstreben werden. Im Rahmen von multilateralen Handelsabkommen sollte dieser dynamischen Bewegung durch die Aufhebung von Hemmnissen für ausländische Investitionen und des unternehmensinternen Handels Rechnung getragen werden.

In einer globalen Wirtschaft existiert das Konzept des „Heimatmarktes“ nicht mehr. Eine Vielzahl von Stahl erzeugenden und vertreibenden Unternehmen verfügen bereits über Betriebe in anderen Regionen und umwerben die dortigen Kunden als „ansässige“ Lieferanten. Im Rahmen künftiger Handelspolitiken muss nicht nur diesem Trend in Richtung Internationalisierung, sondern auch anderen Entwicklungen dieser Branche Rechnung getragen werden, mit neuen Stahl erzeugenden Regionen, die sich im weltweiten Stahlmarkt positionieren wollen. Viele Stahlunternehmen in Entwicklungsländern sind schon jetzt modern und wettbewerbsfähig, und ihre Vorzugsbehandlung im Welthandelssystem ist daher nicht zu rechtfertigen.

5.   Bemerkungen des Ausschusses zu den Schlüsselthemen der Handelspolitik im Stahlsektor

Der Stahlsektor der EU möchte aufgrund seiner derzeitigen Position und angesichts seiner künftigen Herausforderungen in dem Bestreben, auf die dynamischen Bewegungen in seinem Wirtschaftsumfeld erfolgreich reagieren zu können, weltweit die gleiche Offenheit und Fairness auf den Stahlmärkten sehen, wie diese in der EU bei Einfuhren aus Drittländern vorhanden sind. Ungeachtet der negativen Ergebnisse der WTO-Konferenz im September 2003 in Cancún bietet die Doha-Runde nach wie vor Gelegenheit für beträchtliche Fortschritte auf dem Gebiet des uneingeschränkten Marktzugangs zwischen WTO-Mitgliedern. Sie ermöglicht außerdem Diskussionen über eine Verbesserung der bestehenden Regeln und eine Feinabstimmung und Verstärkung der bestehenden Prozeduren, insbesondere der Antidumpingmaßnahmen. In einer weiter gefassten Perspektive würde sich die tatsächliche Aufnahme von Verhandlungen über die so genannten Singapur-Fragen wie Handelserleichterung sowie Handel und Wettbewerb für die europäische, ja weltweite Stahlindustrie in der Tat als nutzbringend erweisen.

Ohne die Möglichkeit, den Marktzugang durch bilaterale oder regionale Vorgehensweisen mit jenen Regionen oder Ländern zu verbessern, an denen die EU vom Handelsstandpunkt aus das größte wirtschaftliche Interesse hat, völlig auszuschließen, ist den Interessen des Stahlsektors am besten im Rahmen eines multilateralen Handelssystems (WTO) gedient. Dieses sollte auf Regeln basieren, die konsequent von allen Ländern in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden und Instrumente bereitstellen, die objektiv und ohne politisches Eingreifen angewandt und von allen Ländern auf gleicher Grundlage umgesetzt werden. Angesichts der stahlbezogenen Handelspolitiken und -praktiken bestimmter Länder in den vergangenen Jahren sollte die EU ihre Anstrengungen gezielt auf folgende Punkte ausrichten:

Schwerpunkt auf verbessertem Marktzugang und der Beseitigung von Handelsschranken;

verschärfte Bestimmungen für fairen Handel: Bekämpfung von Dumping, Abbau von Subventionen, Schutzmaßnahmen;

gezielte und verantwortungsvolle Nutzung von WTO-Instrumenten: zügige, gemäßigte und angemessene Rechtsmittel zur Bekämpfung unlauterer Einfuhren;

vor allem jedoch: Unterbindung des Missbrauchs von Handelsinstrumenten für nationalistische und protektionistische Zwecke und Beurteilung von Handelssachen aufgrund ihrer wirtschaftlich-technischen anstatt ihrer politischen Merkmale;

stark unterschiedliche Standards im sozialen und Umweltbereich in verschiedenen Teilen der Welt beeinflussen die Handelsströme nicht nur im Stahlsektor, sondern auch in vielen anderen Branchen. Die Unterschiede zwischen Wirtschaftsregionen in Bezug auf die Gewährleistung grundlegender sozialer Rechte und des Umweltschutzes haben wirtschaftliche Verzerrungen im weltweiten Wettbewerb zur Folge und sollten nicht nur als Probleme der betroffenen Industriesektoren, sondern der Politikkonzeption insgesamt — einschließlich der Handelspolitik — erachtet werden.

Die wichtigsten Elemente dieser grundlegenden Aussagen können unter Berücksichtigung folgender Aspekte eingehender bewertet werden.

5.1   Marktzugang

5.1.1

Wie vorstehend bereits gesagt, ist der europäische Stahlmarkt weltweit der offenste, und die europäische Stahlindustrie ist extrem anfällig gegenüber Politiken und Praktiken, die Handelsprozeduren zuwiderlaufen. Folglich ist es für die europäische Stahlindustrie von Belang, ebendiese Offenheit weltweit auf allen Märkten vorzufinden. Deshalb müssen weiterhin sowohl europäische als auch multilaterale Instrumente der Handelspolitik eingesetzt werden, um Hindernisse des Markzugangs in Drittländern zu beseitigen und gleichzeitig wirkungsvolle Hilfsmittel gegen unlautere Handelspraktiken vonseiten der Drittländer, die Zugang zum Stahlmarkt der EU erhalten, bereitzustellen. Der wirksame Einsatz handelspolitischer Instrumente ist ein legitimes Interesse der Stahlindustrie.

5.1.2

Priorität der EU ist es, aus der Doha-Runde effektive Gewinne in puncto Marktzugang zu erzielen, und zwar durch die Senkung von Zöllen und die gleichzeitige Beseitigung nichttarifärer Hemmnisse. Die besondere und differenzierte Behandlung für Entwicklungsländer sollte nur fallweise je nach dem Grad der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder und Sektoren angewandt werden. Durch die besondere und differenzierte Behandlung als solche sollte die Abschaffung von Zöllen durch Entwicklungsländer mit einer stark wettbewerbsfähigen Stahlindustrie nicht verhindert werden.

5.1.3

Effektive Gewinne in puncto Marktzugang lassen sich nur erreichen, wenn Zollsenkungen mit der Beseitigung nichttarifärer Hemmnisse einhergehen. Darüber hinaus kann auch die Anwendung bestehender WTO-Regeln ein Hindernis für den Marktzugang darstellen. Die Doha-Runde bietet den Regierungen Gelegenheit, bestehende Regeln zu klären und ihre Anwendung auf der Grundlage bewährter Praktiken zu harmonisieren.

5.2   Antidumping

5.2.1

Antidumpingmaßnahmen sind immer noch notwendig, um die europäische Industrie vor unfairen Handelspraktiken zu schützen, doch der Einsatz von Antidumpinginstrumenten muss unparteiisch und nichtdiskriminierend erfolgen, und seine Regeln müssen unterschieds- und ausnahmslos auf alle angewandt werden, es sei denn, dies ist durch die WTO-Bestimmungen spezifisch geregelt. Zu diesem Zweck müssen Diskussionen geführt werden, um eine größere Harmonisierung der Umsetzung der bestehenden WTO-Dumpingabkommen zu erzielen, vorzugsweise in Richtung der Antidumpingstandards der EU.

5.2.2

Wichtige Ziele für eine harmonisierte Anwendung und Stärkung des Antidumpingabkommens sollten in erster Linie auf die Effizienz und Wirksamkeit des Instruments ausgerichtet sein: faire und zügige Zeitplanung, frühe vorläufige Feststellung von Verstößen, obligatorische Annahme der so genannten Regel des niedrigeren Zolls, um nur die wichtigsten zu nennen.

5.2.3

Wenn das wichtigste Ziel einer weltweiten Anpassung der EU-Standards in Bezug auf Antidumpingverfahren nicht erreicht werden kann, sollte die EU ihre eigene Anwendung der Antidumpingregeln optimieren und deren Wirksamkeit, Effizienz, Transparenz und Objektivität verbessern. Der europäische Stahlsektor muss in die Lage versetzt werden, sich wirksam gegen Dumping- oder subventionierte Einfuhren aus Drittländern zu wehren. Die EU-Gesetzgebung zu Antidumping- und Antisubventionsverfahren ist wesentlich liberaler aufgestellt, als dies von der WTO vorgeschrieben ist bzw. in anderen Ländern, insbesondere den USA, praktiziert wird. Dies gilt beispielsweise für die Klausel des Gemeinschaftsinteresses und die Regel des niedrigeren Zolls. Die praktische Umsetzung in der EU weist darüber hinaus im Vergleich zu anderen Ländern Schwächen auf, da sich die Europäische Kommission weigert, als Reaktion auf drohende Verstöße Verfahren einzuleiten und stattdessen einen Nachweis von bereits eingetretenen Verstößen fordert. Darüber hinaus nimmt die Kommission maximale Zeitfristen für Ermittlungen in Bezug auf EU-Regeln in Anspruch, was zu weiteren Verzögerungen führt. Schließlich benötigt die EU eine raschere und wirksamere Überwachung der Handelsströme. Diese und andere Mängel sollten behoben werden.

5.3   Subventionen

5.3.1

Subventionen werden im Rahmen der Doha-Runde sowie innerhalb der OECD diskutiert, wobei das Hauptziel Letzterer der Abschluss einer Vereinbarung über spezifische Stahlsubventionen ist. Die laufenden Diskussionen innerhalb der OECD zu Vereinbarungen über Stahlsubventionen sind von außerordentlicher Bedeutung. Eine internationale Vereinbarung über ein generelles Verbot von (direkten oder indirekten) staatlichen Beihilfen jeder Art für Stahlunternehmen, wobei lediglich einige wenige Ausnahmen zugelassen wären, hätte äußerst positive Auswirkungen auf die länderübergreifenden Handelsbeziehungen. So sollte das neue internationale Subventionsübereinkommen vor allem die Ursachen der Differenzen im Stahlhandel angehen: subventionierte Überschüsse und ineffiziente Produktionskapazitäten. Durch diese ineffizienten Kapazitäten werden die Handelsprobleme der Industrie verstärkt, indem mehr Material produziert wird, als von den internationalen Märkten, insbesondere den offensten wie etwa der EU, aufgenommen werden kann.

5.3.2

Eckpfeiler eines neuen internationalen Übereinkommens sollte das Verbot aller spezifischen Subventionen außer für eine begrenzte Zahl von Ausnahmen sein, wie sie im Europäischen Stahlbeihilfenkodex vorgesehen sind, wobei die wichtigsten Subventionen diejenigen für permanente Schließungen einschließlich staatlicher Beihilfen zur Bewältigung der sozialen Folgen sind. Alle allgemeinen Subventionen außer jenen, die zur Schaffung neuer Kapazitäten bzw. zum Weiterbetrieb unwirtschaftlicher Kapazitäten beitragen, sollten gestattet sein. Für Entwicklungsländer kann die besondere und differenzierte Behandlung ins Auge gefasst werden. Befristete Ausnahmebestimmungen für diese Länder sollten von der langfristigen Finanzierbarkeit der Mittelempfänger und von der Kapazitätsreduzierung entsprechend der erhaltenen Subventionen abhängig gemacht werden.

5.3.3

Die Verhandlungen sollten weiter darauf abzielen, wirksamere (Voran-)Melderegeln festzulegen, um den präventiven Ansatz zu stärken, und ein abschreckendes System von Sanktionen einzurichten, einschließlich der Aufnahme automatischer Sanktionen bei Verstößen gegen die Vormeldepflicht.

5.3.4

Unter Berücksichtigung der Zahl der Teilnehmer und ihrer bisher stark divergierenden Positionen bestehen jedoch große Bedenken, dass die laufenden OECD-Verhandlungen in einen Kompromiss münden, eine scheinwahrende Vereinbarung, die die bestehenden Prozeduren nicht wirklich verbessern würde. Ein solches Abkommen sollte von der EU nicht unterstützt werden.

5.4   Handelspolitik, industrieller Wandel und die soziale Dimension

5.4.1

Die Umstrukturierung des europäischen Stahlsektors in den achtziger und frühen neunziger Jahren hatte verheerende Auswirkungen auf die Beschäftigung. Die von der Europäischen Kommission während dieser Zeitspanne eingesetzten handelspolitischen Instrumente wurden verwendet, um den Umstrukturierungsprozess zu unterstützen. Damals wie heute müssen sozial- und beschäftigungspolitische Fragen aber eine Rolle spielen, damit gewährleistet werden kann, dass die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum im Kontext des Prozesses des industriellen Wandels Bestandteil der ausgewogenen Umsetzung der Handelspolitiken ist. Durch beständige Fortbildung der Arbeitnehmer und Verbesserung der Qualität der Arbeit tragen sie in großem Maße dazu bei, dass der industrielle Wandel reibungslos und erfolgreich vollzogen wird und den Interessen aller Beteiligten dient.

5.4.2

Die zunehmende Forderung nach sozialer Verantwortung von Unternehmen kann letztendlich einen positiven Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Stahlsektors im Sinne des europäischen Sozial- und Wirtschaftsmodells leisten.

5.4.3

Den Interessen der Arbeitnehmer ist am besten mit einer Industrie gedient, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht und sich nicht hinter ihrer nationalen Regierung zu verstecken braucht, um sich vor hartem, aber fairem Wettbewerb zu schützen. Eine stabile Beschäftigungslage, gute Arbeitsbedingungen und positive Zukunftsaussichten: Bei der Erreichung dieser Ziele kann der freie und faire Handel nur förderlich sein. Schließlich hat der Stahlsektor von heute verstanden, dass sein Prozess des industriellen Wandels so gestaltet werden sollte, dass Entwicklungen vorweggenommen und abrupte Verschlechterungen und strukturelle Schäden mit inakzeptablen sozialen Konsequenzen vermieden werden.

6.   Schlussfolgerungen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

In Anbetracht der Ergebnisse dieser Initiativstellungnahme zum Thema „Handelspolitische Aspekte des industriellen Wandels, insbesondere im Stahlsektor“ gelangt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss zu folgenden Schlussfolgerungen:

6.1

Der Stahlsektor der EU ist angesichts der ihm zugrunde liegenden wettbewerbsfähigen technologischen Wissensbasis und aufgrund seiner strategischen Bedeutung für die Infrastrukturentwicklung innerhalb der EU und für die meisten verarbeitenden Gewerbe von vitalem und strategischem Interesse für die Europäische Union.

6.2

Der industrielle Wandel im Stahlsektor der EU ist durch den konsequenten Einsatz der Instrumente der EGKS im Umstrukturierungsprozess auf wirksame Weise verstärkt worden — nicht zuletzt durch den sozialen Dialog, der integraler Bestandteil dieses Prozesses gewesen ist. Dies hat zwar nicht verhindern können, dass der Umstrukturierungsprozess mit tief greifenden Folgen für die Beschäftigung verbunden war, diese sind aber im Vergleich mit anderen Sektoren durch vielfältige soziale Maßnahmen wesentlich gemildert worden. Die Handelspolitik, welche Gegenstand dieser Stellungnahme ist, hat zusammen mit den handelspolitischen Maßnahmen, die zur Unterstützung anderer Instrumente ergriffen wurden, eine wichtige Rolle in diesem Umstrukturierungsprozess gespielt. Der Stahlsektor der EU kann deshalb, was die Folgen des industriellen Wandels und die Auswirkungen der Handelspolitik auf den potenziellen Erfolg des Änderungsmanagements angeht, durchaus als Fallbeispiel dienen, aus dem für andere Industriesektoren Lektionen gezogen werden können.

6.3

Die Handelspolitik ist ein wesentlicher Bestandteil der von den Politikgestaltern gesetzten Rahmenbedingungen des Marktes und muss ein “Fairplay„ bei gleichen Wettbewerbsbedingungen gewährleisten, von dem die Wettbewerbsfähigkeit und die künftigen Wachstumschancen des Sektors großenteils abhängen.

6.4

Im Stahlsektor der EU bestehen erhebliche wechselseitige Abhängigkeiten: zwischen dem industriellen Wandel einerseits, der darauf abzielt, bestehende Wettbewerbsfähigkeit beizubehalten, fehlende Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen oder verloren gegangene Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen, und den handelspolitischen Strategien andererseits, die darauf ausgelegt sind, den notwendigen Erfolg des Änderungsmanagements auf inländischen wie internationalen Märkten zu gewährleisten. Im Ergebnis macht der Ausschuss die folgenden handelspolitischen Empfehlungen, um den industriellen Wandel künftig unterstützen zu können:

Als exportorientierte Volkswirtschaft sollte die Europäische Union weiterhin eine allgemeine Politik des offenen Marktzugangs verfolgen, unter der Voraussetzung, dass gemeinsame Regeln des fairen Handels beachtet werden.

Die Europäische Union sollte die Entwicklung multilateraler Handelsregelungen wie das geplante Stahlsubventionsübereinkommen auf den Weg bringen und verbessern, ohne dabei die bereits bestehenden hohen EU-Standards zu gefährden.

Die Europäische Union sollte weiterhin bilaterale Abkommen mit wichtigen Handelspartnern abschließen, insofern multilaterale Regelungen die Gemeinschaftsinteressen (noch) nicht abdecken können.

In allen Fällen unlauterer Handelspraktiken sollte die Europäische Union die vorhandenen Handelsschutzinstrumente wirksam einsetzen und die Nutzung der WTO-Regeln zur Streitbeilegung unterstützen.

Brüssel, den 29. April 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


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