SOC/750
Stärkung der Rolle und Unabhängigkeit der Gleichstellungsstellen
STELLUNGNAHME
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Standards für Gleichstellungsstellen im Bereich der Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen
[COM(2022) 688 final]
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Standards für Gleichstellungsstellen (aus Gründen und in Bereichen, die unter die Richtlinien 79/7/EWG, 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2004/113/EG fallen)
[COM(2022) 689 final]
Berichterstatterinnen: Sif HOLST und Nicoletta MERLO
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Befassung
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Europäisches Parlament, 15/12/2022
Rat der Europäischen Union, 21/12/2022
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Rechtsgrundlagen
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Artikel 19 Absatz 1 und Artikel 157 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
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Zuständige Fachgruppe
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Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft
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Annahme in der Fachgruppe
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08/03/2023
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Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
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68/01/03
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Verabschiedung im Plenum
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DD/MM/YYYY
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Plenartagung Nr.
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…
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Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
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…/…/…
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1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Initiative, Gleichstellungsstellen mit der Verteidigung der Rechte von Diskriminierungsopfern zu betrauen, sowie insbesondere, dass der Schwerpunkt ausdrücklich auf Förderung und Prävention sowie auf der Bereitstellung adäquater Ressourcen liegt, damit die Gleichstellungsstellen ihre Rolle unabhängig und wirksam wahrnehmen können.
1.2Der EWSA hält es für wichtig, dass in den vorgeschlagenen Richtlinien ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Festlegung von Standards für Gleichstellungsstellen und Subsidiarität angestrebt und dabei gleichzeitig sichergestellt wird, dass deren allgemeines Ziel, die Stärkung der Gleichstellungsstellen und die Verbesserung ihrer Wirksamkeit, weiterhin Vorrang hat.
1.3Der EWSA ist der Auffassung, dass die Chance, intersektionelle und Mehrfachdiskriminierung angemessen zu berücksichtigen, nicht ungenutzt bleiben darf, und fordert, dem Aspekt der Intersektionalität in den nationalen und EU-Maßnahmen Rechnung zu tragen, damit alle Opfer Schutzgarantien erhalten.
1.4Der EWSA begrüßt den Vorschlag, rechtsverbindlich sicherzustellen, dass die Gleichstellungsstellen keinen äußeren Einflüssen unterliegen und ausreichende sowie nachhaltige personelle, fachliche, technische und finanzielle Ressourcen erhalten.
1.5Der EWSA unterstützt die Verpflichtung öffentlicher Einrichtungen, Gleichstellungsstellen zeitnah zu konsultieren und deren Empfehlungen zu berücksichtigen, empfiehlt jedoch, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden sollten, über Maßnahmen, die sie im Rahmen ihres Austauschs mit Gleichstellungsstellen ergriffen haben, und über die Ergebnisse dieser Maßnahmen Bericht zu erstatten.
1.6Der EWSA ist der Auffassung, dass durch die Übertragung der Kontrolle an die Europäische Kommission ein hohes Maß an Aufmerksamkeit für die Überwachung gewährleistet wird. Im Hinblick auf die Wirksamkeit dieser Kontrolle fordert er jedoch, eine Verkürzung des in den Richtlinien vorgeschlagenen Berichtszeitraums von fünf Jahren auf drei Jahre in Erwägung zu ziehen.
1.7Der EWSA begrüßt die Klarstellung, dass beim barrierefreien Zugang für alle auch die Anforderungen an die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden müssen, und betont, dass Barrierefreiheit auch eine Frage des Zugangs zu Beratung sein kann.
1.8Der EWSA hält es für sehr wichtig, die Vielfalt der nationalen Rechtsrahmen und die nationale Rechtspraxis im Bereich Nichtdiskriminierung zu achten und dabei zu berücksichtigen, dass viele Mitgliedstaaten ihren Gleichstellungsstellen Befugnisse übertragen haben, die über die Mindestanforderungen der geltenden Gleichstellungsrichtlinien hinausgehen. In gleicher Weise gilt es den unterschiedlichen Formen der Einbeziehung von Organisationen der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft in den Prozess Rechnung zu tragen. Die Vorschläge sollten die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit wahren und zugleich sicherstellen, dass bestehende Schutzstandards für Diskriminierungsopfer nicht gesenkt werden. Der EWSA betont zudem nachdrücklich, dass den Sozialpartnern und den Organisationen der Zivilgesellschaft in den Vorschlägen eine führende Rolle bei der Umsetzung der nationalen Nichtdiskriminierungsrahmen eingeräumt und bestehende Verfahren zur Unterstützung der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft durch Gleichstellungsstellen gestärkt werden müssen.
1.9Der EWSA weist darauf hin, dass bei der Ausübung von Untersuchungsbefugnissen im Zusammenhang mit Verfahren im Namen von Diskriminierungsopfern oder zu ihrer Unterstützung die diesbezüglichen Befugnisse und die Unabhängigkeit der Gerichte und anderen öffentlichen Aufsichtsstellen wie Arbeitsaufsichtsbehörden unberührt bleiben müssen.
1.10Der EWSA fordert einen geeigneten Schutz der Beschwerdeführer, die Gewährleistung einer angemessenen Entschädigung für die Opfer und die Bestrafung der Täter, wobei ein auf den Einzelnen ausgerichteter Ansatz in Bezug auf Opfer von Gewalt oder Diskriminierung im Mittelpunkt stehen muss. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und auf nationaler Ebene im Einklang mit den nationalen Rechtsrahmen und Gepflogenheiten festgelegt werden.
1.11Der EWSA schlägt vor, dass Informationskampagnen zu EU-Rechten und zur Achtung der Vielfalt von der Europäischen Kommission entwickelt und finanziert, auf lokaler Ebene von nationalen Gleichstellungsstellen gemeinsam mit den Organisationen der Zivilgesellschaft und den Sozialpartnern durchgeführt und an die Bedürfnisse vor Ort angepasst werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte den schutzbedürftigsten Gruppen gelten, und es sollten spezielle Kampagnen geplant werden, die sich an Kinder und Jugendliche in der Schule richten und bereits im frühen Alter ansetzen.
1.12Der EWSA fordert die regelmäßige Erhebung und Analyse aufgeschlüsselter Daten zur Überwachung von Ungleichheiten und Diskriminierung, einschließlich Mehrfachdiskriminierung. Zudem betont er, dass systematische Untersuchungen zu Ungleichheiten und Diskriminierungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz, auch in Zusammenarbeit mit der organisierten Zivilgesellschaft und den Sozialpartnern, durchgeführt werden müssen.
2.Hintergrund der Stellungnahme
2.1Gleichstellungsstellen sind nationale öffentliche Einrichtungen, die in ganz Europa geschaffen wurden, um die Gleichstellung aller zu fördern und Diskriminierung zu bekämpfen. Es handelt sich dabei um unabhängige Organisationen, die Diskriminierungsopfer schützen und unterstützen sowie Diskriminierungsfragen beobachten und darüber berichten. Sie sind eine tragende Säule der Antidiskriminierungsarchitektur der EU.
2.2Gleichstellungsstellen wurden erstmals durch die Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (2000/43/EG) eingerichtet. Mit den drei nachfolgenden Gleichstellungsrichtlinien wurden die Gleichstellungsstellen mit denselben Aufgaben in ihren jeweiligen Bereichen betraut: die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (2004/113/EG), die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (2006/54/EG) und die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben (2010/41/EU).
2.3Diese Richtlinien enthalten keine Verweise auf die Struktur und die Arbeitsweise der Gleichstellungsstellen, sondern sehen lediglich einige Mindestzuständigkeiten vor; somit ist nicht ausgeschlossen, dass zwischen den Mitgliedstaaten auch wesentliche Unterschiede bestehen können. Die Europäische Kommission hat 2018 eine Empfehlung zu Standards für Gleichstellungsstellen angenommen, um damit die Herausforderungen anzugehen, die sich aus den weit gefassten und unvollständigen Bestimmungen über Gleichstellungsstellen in den EU‑Richtlinien ergeben. Mit dieser Empfehlung konnte diese Lücke jedoch ebenfalls nicht geschlossen werden.
2.4Am 7. Dezember 2022 nahm die Europäische Kommission zwei Vorschläge an, mit denen die Gleichstellungsstellen und insbesondere ihre Unabhängigkeit, Ressourcen und Befugnisse gestärkt werden sollen, damit sie im Rahmen der bereits geltenden EU-Richtlinien im Bereich der Gleichbehandlung Diskriminierungen wirksamer bekämpfen können.
3.Allgemeine Bemerkungen
3.1Die Gleichstellung gehört zu den Grundwerten der EU und ist auch eine der Prioritäten des EWSA. In seinen früheren Stellungnahmen erkannte der EWSA die Bemühungen der EU in den Bereichen Gleichstellung von Frauen und Männern, Schutz gegen Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Herkunft, der Rasse, des Alters, der Religion, der Anschauung oder des Glaubens Schutz der Rechte von LGBTQIA+-Personen und Menschen mit Behinderungen sowie Integration von Roma und Schutz der Rechte von Migrantinnen und Migranten an. Der EWSA betonte ferner die Notwendigkeit wirkungsvoller politischer Maßnahmen, konkreter Mittel, einer dauerhaften Mobilisierung und einer stärkeren Unterstützung der nationalen Gleichstellungs- und Menschenrechtsgremien, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung ihrer Unabhängigkeit und Wirksamkeit sowie die Aufstockung ihrer personellen und finanziellen Ressourcen.
3.2Der EWSA begrüßt die vorliegende Initiative zur Stärkung von Gleichstellungsstellen als Verteidiger der Rechte von Diskriminierungsopfern und hält sie für einen unverzichtbaren Beitrag zu den umfassenderen Bemühungen der Europäischen Kommission im Hinblick auf eine Union der Gleichheit, in deren Mittelpunkt die Förderung der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung als allgemeiner Grundsatz des EU-Rechts steht.
3.3Der EWSA begrüßt insbesondere, dass die beiden Vorschläge ausdrücklich auf Förderung und Prävention ausgerichtet sind und damit rechtzeitig anerkannt wird, dass Strategien, Maßnahmen und Mindeststandards zur Bekämpfung struktureller Diskriminierungen und Stereotypen, die in unserer Gesellschaft weiterhin häufig vorkommen, vorgesehen werden müssen, um unter Berücksichtigung auf nationaler Ebene bestehender funktionierender Strukturen und Ansätze eine größere Einheitlichkeit zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern.
3.4Der EWSA hält es für wichtig, dass in den vorgeschlagenen Richtlinien ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Festlegung von Standards für Gleichstellungsstellen und Subsidiarität angestrebt und dabei gleichzeitig sichergestellt wird, dass deren allgemeines Ziel, die Stärkung der Gleichstellungsstellen und die Verbesserung ihrer Wirksamkeit, weiterhin Vorrang hat.
3.5Der EWSA teilt die Ansicht der Europäischen Kommission, dass, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Menschen ungeachtet ihrer Unterschiede unbehelligt leben, sich entfalten und Führungspositionen übernehmen können, die bestehenden Gleichstellungsstellen gestärkt werden müssen, damit sie ihr volles Potenzial ausschöpfen können und besser darauf vorbereitet sind, Diskriminierungen vorzubeugen und Opfer von Diskriminierung zu unterstützen.
3.6Der EWSA ist der Auffassung, dass die Förderung von Gleichstellungsstellen wichtig ist, um die Grundrechte aller EU-Bürger zu gewährleisten. Durch die aktive Förderung von Gleichstellungsstellen sorgt die EU für die Unterstützung aller Bürgerinnen und Bürger der EU, die diskriminiert werden, und stellt ihr Recht auf Unterstützung und Vertretung sicher.
3.7Der EWSA verweist auf Ziffer 2.10 seiner Stellungnahme „Förderung der Gleichstellung in der EU“, in der es heißt: „Der EWSA ist der Auffassung, dass die Förderung der Gleichstellung und der Schutz der Grundrechte in ein umfassenderes soziales Konzept eingebettet werden müssen, das zahlreichere und stärkere Instrumente zur Unterstützung von Einzelpersonen sowie öffentlichen und privaten Akteuren durch die Mitgliedstaaten und die EU-Organe vorsieht.“
3.8In diesem Bereich sind Maßnahmen auf EU-Ebene notwendig, die mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen und mit der Politik der Union in anderen Bereichen übereinstimmen. Die Europäische Kommission erklärt, dass mit der vorliegenden Initiative bereits bestehende Rechtsvorschriften überarbeitet werden, um deren Wirksamkeit zu erhöhen. Dabei werden Mindeststandards festgelegt und die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft einbezogen.
4.Besondere Bemerkungen
4.1Stärkung der Zuständigkeiten der Gleichstellungsstellen
4.1.1Der EWSA ist der Auffassung, dass angesichts des anhaltenden Stillstands bei der Annahme der so genannten horizontalen Richtlinie und ausgehend von einem opferzentrierten Ansatz, bei dem aufgeschobene Gerechtigkeit verweigerte Gerechtigkeit bedeutet, die Chance, intersektionelle und Mehrfachdiskriminierung angemessen zu berücksichtigen, nicht ungenutzt bleiben darf. Einige Formen von Diskriminierung können nicht durch die getrennte Behandlung einzelner Diskriminierungsgründe bekämpft werden und erfordern einen intersektionellen Ansatz.
4.1.2Die Mitgliedstaaten sind aufgrund bestehender Richtlinien verpflichtet, nationale Gleichstellungsstellen einzurichten. Die geltenden EU-Vorschriften lassen bei deren Einrichtung und Arbeitsweise jedoch einen großen Ermessensspielraum. Zudem bestehen zwischen den Gleichstellungsstellen erhebliche Unterschiede im Hinblick auf Befugnisse, Unabhängigkeit, Mittel, Zugänglichkeit und Wirksamkeit. Die neue Initiative zur Einführung von Mindeststandards für Gleichstellungsstellen soll die Europäische Kommission in ihren Bemühungen unterstützen, die „Union der Gleichheit“ voranzubringen, und die Wirksamkeit des EU-Antidiskriminierungsrechts stärken.
4.1.3Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Ausweitung des Mandats der Gleichstellungsstellen auf die Richtlinie 79/7/EWG, aufgrund der Gleichstellungsstellen Schutz vor geschlechtsspezifischer Diskriminierung in staatlichen Systemen der sozialen Sicherheit bieten können, muss die Rolle und die Befugnisse der Sozialpartner unberührt lassen und sollte dazu dienen, deren Arbeit zu stärken und zu unterstützen.
4.1.4Der EWSA begrüßt den Vorschlag, rechtsverbindlich sicherzustellen, dass die Gleichstellungsstellen keinen äußeren Einflüssen unterliegen und über ausreichende und nachhaltige personelle, fachliche, technische und finanzielle Ressourcen verfügen, und erkennt die zentrale Bedeutung dieses Vorschlags an.
4.1.5Er begrüßt ebenfalls die vorgeschlagenen strengen Garantien für die Unabhängigkeit der Gleichstellungsstellen. Dies ist äußerst wichtig, damit sie die Bürgerinnen und Bürger ausreichend unterstützen können.
4.1.6Der EWSA unterstreicht die besondere Bedeutung von Garantien für die Verfügbarkeit und Angemessenheit der den Gleichstellungsstellen bereitgestellten personellen, technischen und finanziellen Ressourcen. Ressourcen sind eine Voraussetzung sowohl für die Unabhängigkeit der Gleichstellungsstellen als auch für ihre Fähigkeit, Opfer wirksam zu schützen und Diskriminierung zu verhindern.
4.1.7Im Vorschlag der Europäischen Kommission ist zudem vorgesehen, dass öffentliche Institutionen die Gleichstellungsstellen rechtzeitig konsultieren und ihre Empfehlungen berücksichtigen müssen. Der EWSA empfiehlt, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, darüber Bericht zu erstatten, welche Maßnahmen sie im Hinblick auf die Empfehlungen der Gleichstellungsstellen ergriffen haben und welche Ergebnisse mit diesen Maßnahmen erzielt wurden.
4.1.8Der Vorschlag sieht ferner vor, dass die Europäische Kommission gemeinsame Indikatoren zur Messung der auf nationaler Ebene erhobenen Daten und zur Gewährleistung ihrer Vergleichbarkeit festlegt und alle fünf Jahre einen Bericht über Gleichstellungsstellen in der gesamten EU veröffentlicht. Der EWSA würde einen kürzeren Zeitrahmen für diese Maßnahme begrüßen und schlägt der Europäischen Kommission daher vor, den Berichtszeitraum auf drei Jahre zu verkürzen.
4.1.9Die Bedeutung der Überwachung kann gar nicht stark genug betont werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Gleichstellungsstellen wirklich effektiv sind und Diskriminierungsopfern die erforderliche Unterstützung bieten können. Der EWSA ist der Auffassung, dass durch die Übertragung der Kontrolle an die Europäische Kommission ein hohes Maß an Aufmerksamkeit für die Überwachung gewährleistet wird.
4.1.10Er ist ferner der Ansicht, dass die Europäische Kommission den allgemeinen Zugang aller Opfer zu den Ressourcen und der Unterstützung der Gleichstellungsstellen aktiv fördern muss. Dies kann durch eine wirksame Kontrolle, eine angemessene Förderung der auf lokaler Ebene tätigen Gleichstellungsstellen und den Dialog mit den Mitgliedstaaten erreicht werden. Die Einbeziehung von Organisationen der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner in den Dialog kann einen erheblichen Mehrwert bringen und eine zusätzliche wirksame Kontrolle ermöglichen.
4.1.11Der EWSA fordert, wie er bereits in einer früheren Stellungnahme dargelegt hat, die Zusammenarbeit mit Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidigern, die sich unmittelbar für marginalisierte und schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen einsetzen, weiter zu verstärken und diese zu unterstützen.
4.1.12Der EWSA weist darauf hin, dass „[d]ie Überschneidung von Rasse, ethnischer oder sozialer Herkunft, Alter, sexueller Ausrichtung, Staatsangehörigkeit, Religion, Geschlecht, Behinderung, Flüchtlings- oder Migrantenstatus usw. [...] eine Multiplikatorwirkung [hat, die zu] [...] einer verstärkten Diskriminierung [führt]“. Er hält es daher für wichtig, auf allen Ebenen weiterhin Programme für den Wissensaustausch und die Förderung des Lernens durchzuführen, u. a. durch einen intersektionalen Ansatz für die Arbeit.
4.1.13Der EWSA begrüßt, dass die Richtlinien Bestimmungen für Stellen mit mehreren Mandaten enthalten, um die für das Gleichstellungsmandat erforderlichen Ressourcen und Sichtbarkeit zu gewährleisten. Die Bedeutung des Begriffs „autonome Ausübung des Gleichstellungsmandats“ muss jedoch genauer definiert und ausgelegt werden. Dabei ist auch sicherzustellen, dass die verschiedenen Mandate in Fällen, in denen sie zur gegenseitigen Stärkung und Ergänzung genutzt werden können, nicht hermetisch voneinander getrennt werden müssen. Die Einführung einer strukturellen „Firewall“ in Gleichstellungsstellen mit verschiedenen Fachabteilungen könnte bei der Schaffung starker Gleichstellungsstellen kontraproduktiv wirken.
4.2Wirksamer Zugang zur Justiz für Diskriminierungsopfer
4.2.1Mit dem Vorschlag soll auch sichergestellt werden, dass Gleichstellungsstellen für die Behandlung von Diskriminierungsfällen gestärkt werden und die Dienste der Gleichstellungsstellen für alle Opfer frei und gleichberechtigt zugänglich sind.
4.2.2Der EWSA ist der Auffassung, dass die Unterstützung durch Gleichstellungsstellen wichtig ist, damit Diskriminierungsopfer ihre Rechte nicht lediglich auf individueller Basis einklagen können. Diese Zuständigkeiten müssen jedoch die Befugnisse der Sozialpartner zur kollektiven Vertretung, auch in Gerichtsverfahren, unberührt lassen und sollten diese ergänzen. Der EWSA begrüßt auch die Klarstellung, dass beim barrierefreien Zugang für alle auch die Anforderungen an die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden müssen, und betont, dass Barrierefreiheit auch eine Frage des Zugangs zu Beratung sein kann, z. B. wenn Personen an einem abgelegenen Ort leben oder Schwierigkeiten beim Zugang zu Online-Ressourcen haben. Die Unterstützung von Gleichstellungsstellen ist eine Voraussetzung für die Bewältigung der strukturellen, intersektionalen und systemischen Dimension von Ungleichheiten.
4.2.3Der EWSA betont, dass Gleichstellungsstellen in der Lage sein müssen, sowohl Beschwerden von Opfern zu bearbeiten als auch allgemeinere Fragen aus eigener Initiative oder nach einem Austausch mit einschlägigen Organisationen der Zivilgesellschaft oder Sozialpartnern zu behandeln. Opfern fällt es aus Angst vor den Folgen, darunter dem Verlust der Existenzgrundlage, möglicherweise schwer, sich zu melden. Ein fehlendes Bewusstsein für die Rechte und ihre Durchsetzung könnte ebenfalls ein Hindernis darstellen.
4.2.4Es ist äußerst wichtig, der beträchtlichen Vielfalt von Gleichstellungsstellen in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Anzahl, Struktur und Arbeitsweise Rechnung zu tragen und gleichzeitig sicherzustellen, dass bestehende Standards für den Schutz vor Diskriminierung nicht etwa dadurch gesenkt werden, dass die derzeitigen Befugnisse der Gleichstellungsstellen durch unterschiedliche nationale Rechtsvorschriften geschwächt werden. Darüber hinaus gibt es auch Unterschiede in der Art und Weise, wie die Organisationen der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft in den Prozess einbezogen werden, und dies muss berücksichtigt werden.
4.2.5Nach Ansicht des EWSA ist das in einigen Mitgliedstaaten bereits anerkannte Recht von Gleichstellungsstellen auf Teilnahme an Gerichtsverfahren äußerst wichtig, um einen besseren Schutz der Grundsätze der Gleichbehandlung zu gewährleisten. Dies gilt dann, wenn Opfer aufgrund verfahrensrechtlicher oder finanzieller Hindernisse keinen Zugang zur Justiz haben und von den Sozialpartnern nicht erreicht werden. Der EWSA betont ferner, dass die Klagebefugnis der Gleichstellungsstellen im Einklang mit den geltenden Gleichstellungsrichtlinien und nach Maßgabe der im jeweiligen nationalen Recht verankerten Kriterien die einschlägigen Zuständigkeiten und die rechtliche Stellung der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft unberührt lassen und diese ergänzen sollte. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass die Gleichstellungsstellen auf nationaler Ebene mit den Gerichten im Allgemeinen und mit spezialisierten Verwaltungsgerichten wie Arbeitsgerichten im Besonderen sowie mit den Sozialpartnern zusammenarbeiten.
4.2.6Der EWSA erkennt an, dass es für die Erfüllung der Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Beweislast gemäß den geltenden Gleichbehandlungsrichtlinien erforderlich ist, dass alle Parteien, die ein berechtigtes Interesse an der Anstrengung von Verfahren im Namen oder zur Unterstützung von Diskriminierungsopfern haben, wie Sozialpartner, Gleichstellungsstellen und Organisationen der Zivilgesellschaft, Zugang zu den Beweismitteln haben. Bei der Ausübung von Untersuchungsbefugnissen im Zusammenhang mit Verfahren im Namen oder zur Unterstützung von Diskriminierungsopfern müssen die diesbezüglichen Befugnisse und die Unabhängigkeit der Gerichte und anderen öffentlichen Aufsichtsstellen wie Arbeitsaufsichtsbehörden unberührt bleiben.
4.2.7Der EWSA ist der Auffassung, dass bei beiden Vorschlägen ein auf den Einzelnen ausgerichteter Ansatz in Bezug auf Opfer von Gewalt oder Diskriminierung stärker im Mittelpunkt stehen sollte. In dieser Hinsicht sollte den Beschwerdeführern ein angemessener Schutz gewährt werden, um zu verhindern, dass sie aus Angst vor den Folgen schweigen. Die Opfer sollten eine ausreichende und angemessene Entschädigung erhalten und die Täter bestraft werden. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen im Einklang mit Artikel 17 der Richtlinie 2000/78/EG wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
4.3Sensibilisierung
4.3.1Der EWSA begrüßt, dass der Schwerpunkt auf der Sensibilisierung liegt, und betont, dass die Mitgliedstaaten und Gleichstellungsstellen ihre Sensibilisierungsmaßnahmen verstärken müssen, u. a. durch die Unterstützung der organisierten Zivilgesellschaft bei der Verhinderung von Diskriminierung und der Schaffung von Gleichheit. Der EWSA schlägt vor, dass Informationskampagnen zu EU-Rechten und zur Achtung der Vielfalt von der Europäischen Kommission entwickelt und finanziert, von nationalen Gleichstellungsstellen gemeinsam mit Organisationen der Zivilgesellschaft und den Sozialpartnern durchgeführt und an die Bedürfnisse vor Ort angepasst werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte den schutzbedürftigsten Gruppen gelten; es müssen spezielle Kampagnen geplant werden, die sich an Kinder und Jugendliche in der Schule richten und bereits im frühen Alter ansetzen.
4.3.2Der EWSA fordert, dass die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft in die Vorbereitung, Durchführung und Verbreitung dieser Informationskampagnen einbezogen werden. Durch das Wissen der einschlägigen Organisationen wird die Reichweite und Wirksamkeit der Kampagnen verbessert und kann den schutzbedürftigsten Gruppen Gehör verschafft werden.
4.4Datenerhebung
4.4.1Gleichstellungsstellen spielen bei der Datenerhebung eine wichtige Rolle, die über die Erhebung von Daten zu ihrer eigenen Arbeit hinausgeht. In den Richtlinien wird dies anerkannt und den Gleichstellungsstellen u. a. die Befugnis übertragen, von öffentlichen und privaten Einrichtungen, einschließlich Behörden, Gewerkschaften, Unternehmen und Organisationen der Zivilgesellschaft, erhobene Statistiken einzusehen. Diese statistischen Informationen sollten keine personenbezogenen Daten enthalten, und der bei ihrer Erhebung entstehende zusätzliche administrative oder finanzielle Aufwand für die zuständigen Stellen muss möglichst gering gehalten werden. Außerdem müssen die Gleichstellungsstellen jährliche Tätigkeitsberichte und regelmäßige Berichte über den Stand von Gleichbehandlung und Diskriminierung in ihrem Land erstellen. Hierbei handelt es sich um wichtige und weitreichende Befugnisse, die sehr gut genutzt werden können, jedoch auch ressourcenintensiv sind. Daher betont der EWSA, dass den Gleichstellungsstellen angemessene zusätzliche Mittel für die Wahrnehmung dieser Befugnisse zur Verfügung gestellt werden müssen.
4.4.2Um sicherzustellen, dass bestehende Ungleichheiten und Diskriminierungen regelmäßig thematisiert werden, fordert der EWSA die regelmäßige Erhebung und Analyse aufgeschlüsselter Daten zur Überwachung von Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung.
4.4.3Der EWSA unterstreicht die Bedeutung regelmäßiger Untersuchungen zu Ungleichheit und Diskriminierung sowie die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten, Menschenrechtsgremien und Organisationen der Zivilgesellschaft sowie den Sozialpartnern bei arbeitsplatzbezogenen Fragen im Hinblick auf die Überwachung und Bewertung und die Entwicklung der politischen Agenda.
Brüssel, den 8. März 2023
Aurel Laurențiu Plosceanu
Vorsitzender der Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft
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N.B.: Appendix overleaf.
ANHANG zu der STELLUNGNAHME
der
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft
Folgender abgelehnter Änderungsantrag erhielt mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen (Artikel 60 Absatz 2 der Geschäftsordnung):
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ÄNDERUNGANTRAG 4
SOC/750
Stärkung der Rolle und Unabhängigkeit der Gleichstellungsstellen
Ziffer 1.4
Ändern:
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von:
BLIJLEVENS René
LE BRETON Marie-Pierre
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Entwurf einer Stellungnahme
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Änderung
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Der EWSA begrüßt den Vorschlag, rechtsverbindlich sicherzustellen, dass die Gleichstellungsstellen keinen äußeren Einflüssen unterliegen und ausreichende sowie nachhaltige personelle, fachliche, technische und finanzielle Ressourcen erhalten.
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Der EWSA begrüßt generell den Vorschlag, rechtsverbindlich sicherzustellen, dass die Gleichstellungsstellen keinen äußeren Einflüssen unterliegen und ausreichende sowie nachhaltige personelle, fachliche, technische und finanzielle Ressourcen erhalten.
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Abstimmungsergebnis
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Ja-Stimmen:
24
Nein-Stimmen:
40
Enthaltungen:
3
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