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Document 62004TO0316

Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 10. November 2004.
Wam SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Staatliche Beihilfen - Zinsverbilligte Darlehen, durch die es einem Unternehmen ermöglicht werden soll, in bestimmten Drittländern Fuß zu fassen - Rückforderungspflicht - Einstweilige Anordnung - Aussetzung des Vollzugs - Keine Dringlichkeit.
Rechtssache T-316/04 R.

Sammlung der Rechtsprechung 2004 II-03917

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2004:333

Ordonnance du Tribunal

Rechtssache T‑316/04 R

Wam SpA

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Staatliche Beihilfen – Zinsverbilligte Darlehen, durch die es einem Unternehmen ermöglicht werden soll, in bestimmten Drittländern Fuß zu fassen – Rückforderungspflicht – Vorläufiger Rechtsschutz – Aussetzung des Vollzugs – Keine Dringlichkeit“

Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 10. November 2004  

Leitsätze des Beschlusses

Vorläufiger Rechtsschutz – Aussetzung des Vollzugs – Voraussetzungen – Dringlichkeit – Schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden – Beweislast – Schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden des Antragstellers – Finanzieller Schaden – Situation, die die Existenz der antragstellenden Gesellschaft gefährden oder ihre Marktposition irreversibel ändern könnte – Entscheidung der Kommission, mit der die Rückforderung einer staatlichen Beihilfe angeordnet wird

(Artikel 242 EG, Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 104 § 2)

Die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung bemisst sich nach der Notwendigkeit, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, damit der Antragsteller keinen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleidet. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er den Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden. Das unmittelbare Bevorstehen des Schadens braucht nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen zu werden, sondern es genügt, insbesondere wenn die Entstehung des Schadens vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt, dass sie mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist. Dem Antragsteller obliegt es jedoch, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und irreparablen Schadens begründen sollen.

Außerdem muss der Antragsteller zum Nachweis der Dringlichkeit dartun, dass die Aussetzung des Vollzugs oder die sonstigen beantragten einstweiligen Anordnungen zum Schutz seiner Interessen erforderlich sind. Dagegen kann der Antragsteller zum Nachweis der Dringlichkeit nicht die Beeinträchtigung eines Interesses geltend machen, das nicht sein eigenes Interesse ist, wie z. B. die Beeinträchtigung eines allgemeinen Interesses oder von Rechten Dritter, ob es sich bei diesen nun um Einzelpersonen oder aber um einen Staat handelt. Derartige Interessen können gegebenenfalls nur bei der Abwägung der betroffenen Belange berücksichtigt werden.

Ein finanzieller Schaden kann zwar nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann. Eine einstweilige Anordnung ist jedoch dann gerechtfertigt, wenn sich der Antragsteller ohne diese Maßnahme in einer Situation befände, die vor dem Erlass des das Hauptverfahren beendenden Urteils seine Existenz gefährden oder seine Position auf dem Markt irreversibel verändern könnte.

Eine Beeinträchtigung der Interessen der Personen, denen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen gewährt worden sind, ist zwangsläufig mit jeder Entscheidung der Kommission, mit der die Rückforderung solcher Beihilfen verlangt wird, verbunden und kann als solche, unabhängig von einer konkreten Würdigung der Schwere und der Irreparabilität der im Einzelfall behaupteten spezifischen Beeinträchtigung, keinen schweren und irreparablen Schaden darstellen.

(vgl. Randnrn. 26-29, 33)




BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS
10. November 2004(1)

„Staatliche Beihilfen – Zinsverbilligte Darlehen, durch die es einem Unternehmen ermöglicht werden soll, in bestimmten Drittländern Fuß zu fassen – Rückforderungspflicht – Einstweilige Anordnung – Aussetzung des Vollzugs – Keine Dringlichkeit“

In der Rechtssache T-316/04 R

Wam SpA mit Sitz in Cavezzo di Modena (Italien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt E. Giliani,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Di Bucci und E. Righini als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung C (2004) 1812 endg. der Kommission vom 19. Mai 2004 über die staatliche Beihilfe C 4/2003 (ex NN 102/2002)

erlässt



DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN



folgenden



Beschluss




Sachverhalt und Verfahren

1
Am 19. Mai 2004 erließ die Kommission die Entscheidung C (2004) 1812 endg. über die staatliche Beihilfe C 4/2003 (ex NN 102/2002), die die Italienische Republik der Antragstellerin gewährt hatte (im Folgenden: streitige Entscheidung).

2
Die Kommission stellte in der streitigen Entscheidung fest, dass der Antragstellerin in den Jahren 1995 und 2000 zwei zinsverbilligte Darlehen nach dem italienischen Gesetz Nr. 394/81 vom 29. Juni 1981 gewährt worden seien, mit denen italienischen Unternehmen der Zugang zu Märkten außerhalb der Europäischen Union habe erleichtert werden sollen (im Folgenden: streitige Beihilfen).

3
In Artikel 1 der streitigen Entscheidung wird festgestellt, dass die streitigen Beihilfen unter Artikel 87 Absatz 1 EG fielen, dass sie der Kommission nicht gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG mitgeteilt worden seien und dass sie rechtswidrige Beihilfen darstellten.

4
In Artikel 2 der streitigen Entscheidung wird demzufolge die Rückzahlung von 48 054,41 Euro zuzüglich Zinsen ab 24. April 1996 und von 104 930,65 Euro zuzüglich Zinsen ab Erlass der Entscheidung verfügt.

5
Mit Klageschrift, die am 2. August 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 230 EG Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben.

6
Mit besonderem Schriftsatz, der am 30. September 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin nach Artikel 242 EG und den Artikeln 104 ff. der Verfahrensordnung des Gerichts den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, um die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung zu erwirken. Außerdem hat sie beantragt, der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

7
Die Kommission hat zu dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung am 14. Oktober 2004 innerhalb der ihr gemäß Artikel 105 § 1 der Verfahrensordnung gesetzten Frist schriftlich Stellung genommen. Sie beantragt, den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs zurückzuweisen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


Rechtliche Würdigung

8
Das Gericht kann gemäß den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 225 Absatz 1 EG, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Maßnahme aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

9
Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf einstweilige Anordnung den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen haben kumulativen Charakter, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen nicht erfüllt ist (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C‑268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30). Der Richter der einstweiligen Anordnung nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 29. Juni 1999 in der Rechtssache C‑107/99 R, Italien/Kommission, Slg. 1999, I‑4011, Randnr. 59).

10
Die beantragten Anordnungen müssen außerdem vorläufig in dem Sinne sein, dass sie den Rechts- oder Tatsachenfragen des Rechtsstreits nicht vorgreifen und die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisieren (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C‑149/95 P[R], Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22).

11
Ferner verfügt der Richter der einstweiligen Anordnung im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen, und er kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., Randnr. 23).

12
Die Akten enthalten nach Ansicht des Richters der einstweiligen Anordnung alle für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung erforderlichen Informationen, so dass es keiner vorherigen mündlichen Anhörung der Parteien bedarf.

Vorbringen der Parteien

13
Die Antragstellerin macht geltend, dass im vorliegenden Fall alle Voraussetzungen für den beantragten Erlass der einstweiligen Anordnung erfüllt seien.

14
Um darzutun, dass die Voraussetzung des Fumus boni iuris erfüllt ist, verweist die Antragstellerin auf die elf mit ihrer Klage geltend gemachten Klagegründe, die sie auch in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung vorbringt. Diese Klagegründe sind: Verstoß gegen mehrere allgemeine gemeinschaftsrechtliche Grundsätze und gegen die Artikel 87 EG, 88 EG und 253 EG sowie gegen Artikel 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 69/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis"-Beihilfen“ (ABl. L 10, S. 30). Die Antragstellerin hat ihrem Antrag mehrere Dokumente und Angebote auf Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung beigefügt, die sich auf den Fumus boni iuris und insbesondere auf die Frage beziehen, ob die von der Kommission festgestellten staatlichen Beihilfen geeignet sind, den Wettbewerb zu beeinträchtigen.

15
Zur Voraussetzung der Dringlichkeit trägt die Antragstellerin vor, dass die Durchführung der streitigen Entscheidung zu einer irreversible Lage mit einem nicht wieder gutzumachenden Schaden führen würde. Sie macht hierzu vier Dringlichkeitsgründe geltend.

16
Erstens hätte die Durchführung der streitigen Entscheidung die Nichtanwendung des Gesetzes Nr. 394/81 und demzufolge die Aussetzung der Finanzierungen zur Folge, mit denen gefördert werden solle, dass italienische Unternehmen in Drittländern Fuß fassten. Dadurch würden die italienischen Investitionen auf diesen Märkten zurückgehen, und die relative Position der italienischen Unternehmen, darunter die der Antragstellerin, würde geschwächt.

17
Zweitens würde die Durchführung der streitigen Entscheidung die Italienische Republik zwingen, vor Gericht Klage zu erheben, um die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 394/81, d. h. seit 1981, gewährten Beihilfen wieder einzuziehen. Dies hätte einen Schaden aller begünstigten Unternehmen und für die Unternehmen in Italien eine irreversible Veränderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts sowie ein Klima der Unsicherheit und des Misstrauens zur Folge.

18
Drittens macht die Antragstellerin geltend, dass die Durchführung der streitigen Entscheidung dazu führen würde, dass die sie betreffenden Finanzierungsverträge nichtig wären und sie verpflichtet wäre, 1 480 000 Euro unverzüglich zurückzuzahlen, wodurch ihre Existenz in Frage gestellt würde. Das Gleiche gelte für die von den anderen Unternehmen geschlossenen Verträge. Sowohl diesen Unternehmen als auch der nationalen Wirtschaft würde ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen.

19
Viertens könnte der italienische Gesetzgeber die in der derzeit geltenden Regelung vorgesehenen zinsverbilligten Darlehen im Wege neuer Regelungen beseitigen, so dass die Antragstellerin die streitigen Beihilfen nicht mehr zurückerhalten könnte, wenn das Gericht die streitige Entscheidung für nichtig erklären sollte.

20
Bei einer Abwägung der vorliegenden Interessen sei die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung die ausgewogenste Lösung, denn der sofortige Vollzug dieser Entscheidung hätte nicht nur für sie, sondern auch für die italienische und die europäische Wirtschaft schwere und nicht wieder gutzumachende Schäden zur Folge, während die Aussetzung des Vollzugs bei einer Abweisung der Klage die Wirkung der streitigen Entscheidung keineswegs beeinträchtigen würde.

21
Die Kommission macht zu dem Vorbringen der Antragstellerin über die Voraussetzung des Fumus boni iuris keinerlei Bemerkungen, da der Antrag in Bezug auf die Dringlichkeit und die Interessenabwägung ihrer Ansicht nach auf jeden Fall offensichtlich unbegründet ist.

22
In diesem Zusammenhang sei festzustellen, dass die Antragstellerin nichts vorgetragen habe, was die Dringlichkeit der beantragten Maßnahmen nachweisen könne. Das gesamte Vorbringen zu dem angeblichen Schaden, der der italienischen Wirtschaft und den italienischen Unternehmen im Allgemeinen entstünde, sei für den nach ständiger Rechtsprechung erforderlichen Nachweis der Dringlichkeit im Hinblick auf die eigenen Interessen der Antragstellerin nicht stichhaltig. Die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen, dass der angebliche Schaden ihre Existenz auf dem Markt in Frage stellen könnte. Auf jeden Fall sei der behauptete Schaden rein hypothetisch und nicht durch den geringsten Beweis untermauert.

23
Die Interessenabwägung falle eindeutig zu ihren Gunsten aus, da der angebliche Schaden rein hypothetisch sei, während das gemeinschaftliche Interesse an der Durchführung der Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung gegenüber dem Interesse des Beihilfeempfängers Vorrang habe.

24
Schließlich seien die Beweisangebote der Antragstellerin für eine Zeugenvernehmung unerheblich, denn sie beträfen keineswegs die Voraussetzung der Dringlichkeit oder die Interessenabwägung.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

25
Nach Ansicht des Richters der einstweiligen Anordnung ist im vorliegenden Fall zunächst die Voraussetzung der Dringlichkeit zu prüfen.

26
Dazu ist zu bemerken, dass nach ständiger Rechtsprechung die Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung danach zu beurteilen ist, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Hauptverfahren nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 3. Dezember 2002 in der Rechtssache T‑181/02 R, Neue Erba Lautex/Kommission, Slg. 2002, II‑5081, Randnr. 82, und die dort zitierte Rechtsprechung).

27
Das unmittelbare Bevorstehen des Schadens braucht nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen zu werden, sondern es genügt, insbesondere wenn die Entstehung des Schadens vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt, dass sie mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist. Dem Antragsteller obliegt es jedoch, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und irreparablen Schadens begründen sollen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C‑278/00 R, Griechenland/Kommission, Slg. 2000, I‑8787, Randnr. 15, Beschluss Neue Erba Lautex/Kommission, Randnr. 83, und die dort zitierte Rechtsprechung)

28
Außerdem muss der Antragsteller nach ständiger Rechtsprechung zum Nachweis dafür, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist, dartun, dass die Aussetzung des Vollzugs oder die sonstigen beantragten einstweiligen Anordnungen zum Schutz seiner Interessen erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 4. Mai 1964 in der Rechtssache 12/64 R, Ley/Kommission der EWG, Slg. 1965, 182). Dagegen kann der Antragsteller zum Nachweis der Dringlichkeit nicht die Beeinträchtigung eines Interesses geltend machen, das nicht sein eigenes Interesse ist, wie z. B. die Beeinträchtigung eines allgemeinen Interesses oder von Rechten Dritter, ob es sich bei diesen nun um Einzelpersonen oder aber um einen Staat handelt (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. Mai 1988 in der Rechtssache 112/88 R, Enosi Kitroparagogon Kritis/Kommission, Slg. 1988, 2597, Randnr. 20, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 30. Juni 1999 in der Rechtssache T‑13/99 R, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, II‑1961, Randnr. 136). Derartige Interessen können gegebenenfalls nur bei der Abwägung der betroffenen Belange berücksichtigt werden (Beschluss Pfizer Animal Health/Rat, Randnr. 136).

29
Ein finanzieller Schaden kann zwar nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann. Eine einstweilige Anordnung ist jedoch dann gerechtfertigt, wenn sich der Antragsteller ohne diese Maßnahme in einer Situation befände, die vor dem Erlass des das Hauptverfahren beendenden Urteils seine Existenz gefährden oder seine Position auf dem Markt irreversibel verändern könnte (Beschluss Neue Erba Lautex/Kommission, Randnr. 84, Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 20. Juli 2000 in der Rechtssache T‑169/00 R, Esedra/Kommission, Slg. 2000, II‑2951, Randnr. 45, und vom 27. Juli 2004 in der Rechtssache T‑148/04 R, TQ3 Travel Solutions Belgium/Kommission, Slg. 2004, II‑0000, Randnr. 46).

30
Es ist daher zu prüfen, ob die Antragstellerin rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die Durchführung der streitigen Entscheidung ihre Interessen derart beeinträchtigen könnte, dass vor dem Erlass des Urteils im Hauptverfahren ihr Überleben gefährdet oder ihre Position auf dem Markt irreversibel verändert würde.

31
Dazu ist festzustellen, dass die Antragstellerin keinerlei Beweis erbracht hat, der den Richter der einstweiligen Anordnung zu einer solchen Schlussfolgerung veranlassen könnte. Das Vorbringen der Antragstellerin zur Dringlichkeit in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist vielmehr von allgemeiner und hypothetischer Art und wird nicht durch die erforderlichen Beweise gestützt.

32
Zum Vorbringen der Antragstellerin in Bezug auf die Folgen der Nichtanwendung des Gesetzes Nr. 394/81 – d. h. die Aussetzung der Finanzierungen, die Kündigung aller gemäß diesem Gesetz geschlossenen Finanzierungsverträge und die Maßnahmen zur Wiedereinziehung der in der Vergangenheit gewährten Beihilfen – für die Unternehmen in Italien, für die italienische und für die europäische Wirtschaft ist abgesehen davon, dass es die Antragstellerin nicht direkt betrifft und deshalb für die Prüfung der Voraussetzung der Dringlichkeit unerheblich ist, festzustellen, dass es rein hypothetisch ist und durch keinerlei Beweise gestützt wird. In Randnummer 125 der streitigen Entscheidung wird vielmehr, wie die Kommission zu Recht bemerkt, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung „die Vereinbarkeit des nationalen Rahmens in Form des Gesetzes Nr. 394/81 unberührt lässt“.

33
Des Weiteren ist entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin festzustellen, dass eine Beeinträchtigung der Interessen der Personen, denen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen gewährt worden sind, zwangsläufig mit jeder Entscheidung der Kommission, mit der die Rückforderung solcher Beihilfen verlangt wird, verbunden ist und als solche, unabhängig von einer konkreten Würdigung der Schwere und der Irreparabilität der im Einzelfall behaupteten spezifischen Beeinträchtigung, keinen schweren und irreparablen Schaden darstellen kann (Beschluss Griechenland/Kommission, Randnr. 21).

34
Zu den konkreten Auswirkungen der Durchführung der streitigen Entscheidung auf die Lage der Antragstellerin, ist festzustellen, dass diese lediglich allgemein eine irreversible Veränderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts und einen nicht wieder gutzumachenden Schaden für die Position der italienischen Unternehmen, darunter die ihre, auf dem Markt behauptet, ohne auch nur den Versuch eines Beweises ihrer Behauptungen zu unternehmen.

35
Zu dem Vorbringen der Antragstellerin, dass die Durchführung der streitigen Entscheidung zur Folge hätte, dass die Finanzierungsverträge nichtig wären und sie gezwungen wäre, 1 480 000 Euro zu zahlen – was die Kommission bestreitet, weil der zurückzuzahlende Betrag nicht dem entspreche, was in der Entscheidung vorgesehen sei, in der lediglich verlangt werde, 48 054,41 Euro und 104 930,65 Euro zuzüglich Zinsen zurückzufordern –, ist festzustellen, dass die Antragstellerin allgemeine Behauptungen vorträgt, ohne zu versuchen, diese und den Umstand zu beweisen, dass die Zahlung eines derartigen Betrages ihre Existenz gefährden würde.

36
Das vierte Argument der Antragstellerin schließlich, wonach die Italienische Republik die Beihilferegelung, die die Antragstellerin in Anspruch genommen hat, in Zukunft ändern könnte, so dass sie bei einer Nichtigerklärung der Entscheidung die streitigen Beihilfen nicht mehr zurückerhalten könnte, ist ebenfalls hypothetisch und wird durch keinerlei Beweise gestützt. Außerdem hätte die Antragstellerin, wie die Kommission bemerkt, selbst in diesem Fall die Möglichkeit, gegen die Italienische Republik oder gegen die Kommission weitere Klagen zu erheben, und trägt im Übrigen kein Argument dafür vor, dass es ihr verwehrt wäre, derartige Klagen zur Wahrung ihrer Interessen zu erheben.

37
Nach alledem ist also festzustellen, dass die Antragstellerin, da sie ihre Behauptungen keineswegs bewiesen hat, dass die Durchführung der streitigen Entscheidung einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zur Folge hätte, den Nachweis nicht erbracht hat, dass ihr ohne die Gewährung einer Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstünde.

38
Daraus folgt, dass das Vorliegen der Voraussetzung der Dringlichkeit des Antrags auf Aussetzung des Vollzugs rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen ist. Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist daher zurückzuweisen, ohne dass die anderen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung geprüft zu werden brauchen.

Aus diesen Gründen

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.
Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2.
Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 10. November 2004

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

B. Vesterdorf


1
Verfahrenssprache: Italienisch.

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