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Document 52012DC0222

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT ÜBER DIE FORTSCHRITTE MONTENEGROS BEI DER DURCHFÜHRUNG VON REFORMEN

/* COM/2012/0222 final */

52012DC0222

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT ÜBER DIE FORTSCHRITTE MONTENEGROS BEI DER DURCHFÜHRUNG VON REFORMEN /* COM/2012/0222 final */


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

ÜBER DIE FORTSCHRITTE MONTENEGROS BEI DER DURCHFÜHRUNG VON REFORMEN

1.           Einleitung

In ihrer Stellungnahme[1] zum Antrag Montenegros auf Beitritt zur Europäischen Union nannte die Europäische Kommission sieben zentrale Prioritäten[2], die umgesetzt werden müssen, damit die Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro empfehlen kann. In ihrem Strategiepapier 2011 zur Erweiterung[3], das sich auf die Analyse im Fortschrittsbericht 2011[4] stützt, kam die Kommission zu dem Schluss, dass Montenegro die Umsetzung der Prioritäten, die 2010 von der EU als Voraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen festgelegt hatte, erfolgreich in Angriff genommen hat. Der Europäische Rat begrüßte auf seiner Tagung vom Dezember 2011 die Bewertung der Kommission, wonach Montenegro gute Fortschritte und insgesamt zufriedenstellende Ergebnisse erzielt hat. Mit Blick auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro im Juni 2012 beauftragte der Europäische Rat den Rat, auf der Grundlage eines Berichts, den die Kommission in der ersten Jahreshälfte 2012 vorlegen sollte, die Fortschritte Montenegros bei der Durchführung von Reformen zu prüfen, wobei besonderes Augenmerk auf den Bereich Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte und insbesondere die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität zu legen sei.

Entsprechend den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2011 hat die Kommission das Screening der Kapitel „Justiz und Grundrechte“ sowie „Recht, Freiheit und Sicherheit“ eingeleitet. Mit Hilfe des neuen Ansatzes für die beiden Kapitel wird so ermöglicht, in einem frühen Stadium der Beitrittsverhandlungen auf die Fragen einzugehen, die sich in diesen Kapiteln stellen.

In diesem Bericht werden die weiteren Fortschritte bewertet, die Montenegro seit dem 1. September 2011 bei der Durchführung der Reformen im Zusammenhang mit den zentralen Prioritäten erzielt hat. Im Berichtszeitraum verzeichnete Montenegro weitere Fortschritte in Bezug auf die Arbeit des Parlaments, die Professionalität und die Entpolitisierung der öffentlichen Verwaltung, die Medienfreiheit und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. Die Überarbeitung der Verfassung, die auf solide Garantien für die Unabhängigkeit des Justizwesens abzielt, ist im Gange. Montenegro hat seine Erfolgsbilanz bei der Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität weiter verbessert. Mit der Anwendung der kürzlich verabschiedeten Antidiskriminierungs- und Antikorruptionsmaßnahmen wurde begonnen und bei der Behandlung von Vertriebenen, Roma, Ashkali und Balkan-Ägyptern wurden neue Fortschritte erzielt. Montenegro hat weiter eine konstruktive Rolle in der Region gespielt und die reibungslose Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens fortgesetzt. Das Land muss sich jedoch noch bemühen, die Erfolgsbilanz im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, vor allem beim Vorgehen gegen die Korruption auf hoher Ebene und die organisierte Kriminalität, zu verbessern, und ein sicheres Umfeld für den investigativen Journalismus zu schaffen.

Grundlage der Bewertung in diesem Bericht sind Informationen, die von der Kommission gesammelt und analysiert wurden, einschließlich Beiträgen Montenegros, der Feststellungen von Bewertungsmissionen sowie Informationen, die von den Mitgliedstaaten und von internationalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen im Rahmen ihrer regelmäßigen Kontakte mit der Kommission übermittelt wurden.

2.           Durchführung von Reformen

Parlament

Änderungen zum Gesetz über die Wahl von Stadträten und Parlamentsmitgliedern wurden im September 2011 verabschiedet, wodurch der Gesetzesrahmen für Wahlen an die Verfassung angepasst wurde und die wichtigsten Empfehlungen des BDIMR der OSZE und der Venedig-Kommission umgesetzt wurden. Mit der Anwendung der Wahlgesetze wurde begonnen. Die unbesetzten Abgeordnetenstellen im Parlament wurden entsprechend der Reihenfolge in den Wahllisten besetzt. Der Vorsitzende und neun Mitglieder der staatlichen Wahlkommission wurden im Dezember 2011 vom Parlament ernannt. Die neuen Rechtsvorschriften müssen vervollständigt werden, da eine Reihe von Empfehlungen des BDMIR und der Venedig-Kommission noch nicht umgesetzt wurden, vor allem hinsichtlich der Geschlechtergleichstellung, der Auflösung von Koalitionen und ihrer Finanzierungsverpflichtungen und der Ausweitung des Mandats der Zentralen Wahlkommission auf die Kommunalwahlen.

Das Parlament hat seine intensive Gesetzgebungstätigkeit fortgesetzt, darunter in einer Reihe von für die europäische Integration relevanten Bereichen wie Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie Rechnungsprüfung bei EU-Mitteln. Die Rolle und die Kapazitäten des Parlaments in den Bereichen Gesetzesfolgenabschätzung und Überwachung der Angleichung an das EU-Recht müssen weiter gestärkt werden.

Die Kontrollfunktion des Parlaments wurde weiter verbessert, vor allem durch einen stetigen Anstieg der Anzahl der parlamentarischen Anfragen, der Anhörungen hochrangiger Beamter zu Kontroll- und Beratungszwecken und der Diskussionen über Berichte, die von verschiedenen Einrichtungen vorgelegt werden. Was die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung anbelangt, so beschloss das Parlament im Februar 2012 erstmals, eine parlamentarische Untersuchung einzuleiten und einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der mit der Sammlung von Informationen und der Ausarbeitung eines Berichts über mutmaßliche Korruption bei der Privatisierung der Gesellschaft „Telekom Crne Gore“ beauftragt ist.

Die Verwaltungskapazitäten des Parlaments wurden weiter ausgebaut, indem die Anzahl der Beschäftigten von 100 im Oktober 2011 auf 129 im März 2012 erhöht wurde. Die Bemühungen um die Stärkung der administrativen und fachlichen Kapazitäten des Parlaments müssen jedoch fortgesetzt werden.

Bei der Transparenz der Arbeit des Parlaments wurden weitere Fortschritte erzielt. Im Dezember 2011 begann das Parlament mit der Veröffentlichung des Abstimmungsverhaltens einzelner Abgeordneter auf seiner Website. Es wurden weitere Maßnahmen ergriffen, um die Interaktion mit der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit zu verbessern. Das im November 2011 angenommene Lobbygesetz regelt unter anderem die Beziehungen zwischen Parlament und Lobbyisten.

Insgesamt wurden in diesem Bereich Fortschritte erzielt. Mit der Anwendung der kürzlich angenommenen Wahlgesetze wurde begonnen. Die Gesetzgebungs- und die Kontrollfunktion des Parlaments wurden weiter gestärkt, auch in Fragen der Rechtsstaatlichkeit. Die Transparenz der Arbeit des Parlaments und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft wurden verbessert. Die administrativen und fachlichen Kapazitäten des Parlaments wurden durch Personal und Ausbildungsmaßnahmen ausgebaut. Diese Anstrengungen müssen fortgesetzt werden, um die Gesetzgebungsfunktion des Parlaments zu stärken, vor allem mit Blick auf die sorgfältige Überprüfung neuer Rechtsvorschriften auf Vereinbarkeit mit dem EU-Besitzstand. Die Fähigkeit des Parlaments zur Überwachung und Kontrolle der Exekutive muss weiter verbessert werden.

Öffentliche Verwaltung

Auf Initiative der Regierung wurde mit Hilfe der EU und anderer internationaler Organisationen eine umfassende Reform des öffentlichen Sektors eingeleitet, um die öffentliche Verwaltung umzustrukturieren und zu straffen. Ein Plan für die Neuorganisation der öffentlichen Verwaltung wurde im April 2012 von der Regierung gebilligt.

Im Zuge dieser Reform wurden weitere Durchführungsvorschriften angenommen, die auf die Straffung der Strukturen der öffentlichen Verwaltung, die Steigerung ihrer Effizienz, die Vertiefung der Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen und die Einführung öffentlicher Anhörungen bei der Ausarbeitung von Gesetzen abzielen. Seit Januar 2012 müssen für neue Gesetze Folgenabschätzungen durchgeführt und der Regierung zusammen mit der Stellungnahme des Finanzministeriums zu den budgetären Auswirkungen der Anwendung der neuen Vorschriften vorgelegt werden. Bisher wurden 90 Stellungnahmen zu neuen Vorschriften vorgelegt.

Durch die Annahme von Änderungen zum Gesetz über die Finanzierung politischer Parteien wurden die Zuständigkeiten des Rechnungshofs um die Prüfung der Parteienfinanzierung erweitert. Hierzu müssen die Kapazitäten und die Unabhängigkeit des Hofs erheblich gestärkt werden. Eine Strategie für den Ausbau dieser Institution wurde im April 2012 von der Regierung angenommen.

Insgesamt hat Montenegro einige weitere Fortschritte in den Bemühungen um die Reform der öffentlichen Verwaltung erzielt. Allerdings muss der umfassende Plan für die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung fertig gestellt werden Der Rechtsrahmen muss weiter verbessert werden, vor allem in Bezug auf die Einstellungsverfahren für Beamte, die Stärkung der Einrichtungen, die für die allgemeine Verwaltung des öffentlichen Diensts zuständig sind, und die Verwaltungsverfahren. Die Anwendung der neuen Rechtsvorschriften muss verbessert werden. Die Reform der öffentlichen Verwaltung muss fortgesetzt werden, wobei das Erfordernis, die für die europäische Integration relevanten Bereiche zu stärken, gebührend zu berücksichtigen ist und die finanzielle Nachhaltigkeit der Reform selbst gewährleistet werden muss. Es müssen Mechanismen für die Umsetzung und Überwachung der Reformstrategie für die öffentliche Verwaltung eingeführt werden.

Justizsystem

Was die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Justizwesens anbelangt, so sind Verfahren zur Annahme von Verfassungsänderungen im Gange, die die Unabhängigkeit weiter stärken sollen, vor allem durch die entpolitisierte und leistungsorientierte Ernennung der Mitglieder des Richter- und des Staatsanwaltschaftsrats und der Staatsanwälte. Das Parlament nahm am 28. September 2011 mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit Entwürfe für Verfassungsänderungen an. Nach Beratungen der Regierung mit den Oppositionsparteien verabschiedete der Parlamentsausschuss für Rechts- und Verfassungsangelegenheiten im März 2012 eine Reihe von Verfassungsänderungen, die dem Plenum zur Abstimmung vorzulegen sind. Die im Gange befindliche Verwaltungsreform dürfte das Justizsystem mit den europäischen Standards in Einklang bringen. Dies gilt insbesondere für die Vorkehrungen gegen die politische Einflussnahme auf Ernennungen und einer Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit, die unter anderem durch die Ersetzung von Parlamentsabgeordneten im Richterrat durch renommierte Rechtsanwälte und ein neues Verfahren für die Ernennung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs durch den Richterrat erfolgen sollte. Es sollten auch Verfassungsänderungen angenommen werden, mit denen die Kapazitäten und die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts gestärkt und klare Kriterien für die Entlassung von Richtern und Staatsanwälten festgelegt werden.

Die Anwendung der Rechtsvorschriften über Gerichte, den Richterrat und die Staatsanwaltschaft, die im vergangenen Juli geändert wurden, um die Rechenschaftspflicht und die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten zu verstärken, wurde fortgesetzt. Im Januar setzte der Oberste Gerichtshof eine Kommission für die Ernennung der Mitglieder des Richterrates ein. Anhand der von dieser Kommission erstellten Liste von Kandidaten wählte die Richterkonferenz im März die neuen Mitglieder des Richterrates aus den Reihen der Richter. Der Richterrat und der Staatsanwaltsrat nahmen ihre jeweilige Geschäftsordnung an, in der Organisationsstruktur, Funktionsweise und Entscheidungsverfahren festgelegt sind. Im September 2011 setzte der Richterrat eine Kommission für die Durchführung schriftlicher Prüfungen für die Ersternennung zum Richter und eine Kommission für die Kontrolle der Gerichte ein. Die ersten schriftlichen Prüfungen für Richter fanden im Februar 2012 statt und bisher wurden vier neue Richter anhand der neuen Kriterien ernannt. Allerdings werden weiter freie Stellen an bestimmten Gerichten veröffentlicht, und ein landesweites System für die Einstellung von Richtern und Staatsanwälten auf der Grundlage transparenter und objektiver Kriterien muss noch eingeführt werden. Die Arbeit des Richter- und des Staatsanwaltsrats wird durch einen Mangel an Verwaltungskapazitäten und Haushaltsmitteln behindert.

Die Zuteilung der Fälle an den Gerichten nach dem Zufallsprinzip wird nach wie vor mit Hilfe eines IT-Systems sichergestellt; ausgenommen sind kleinere Gerichte mit begrenztem Personal.

Was die Rechenschaftspflicht im Justizwesen betrifft, so sind nun alle Entscheidungen des Verwaltungs- und des Berufungsgerichts öffentlich zugänglich. Im Oktober 2011 wurden Kommissionen eingesetzt, die die Einhaltung des Verhaltenskodexes für Richter bzw. Staatsanwälte überwachen sollen. Die für den Verhaltenskodex für Richter zuständige Kommission befasste sich im Berichtszeitraum mit zwei Beschwerden, die beide abgewiesen wurden. Es wurden Mitglieder der Disziplinarkommission nebst zwei Mitarbeitern ernannt, die die Überprüfung von Beschwerden wegen angeblicher Korruptionsfälle im Justizwesen unterstützen sollen. Im Januar 2012 wurde ein Disziplinarverfahren gegen einen Richter eingeleitet. Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte gab es bisher nicht. Die doppelte Kompetenz der Disziplinarkommission für die Untersuchung und Entscheidung in Disziplinarverfahren muss überdacht werden. Die Verfahren zur Aufhebung der Amtsimmunität müssen verbessert werden, um eine uneingeschränkte Rechenschaftspflicht von Richtern und Staatsanwälten im Strafrecht sicherzustellen. Ein zuverlässiges System für die berufliche Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten muss noch eingeführt werden.

In Bezug auf die Effizienz der Justiz hat Montenegro weitere Maßnahmen getroffen, um den Verfahrensrückstau bei den Gerichten abzubauen. Ende 2011 waren bei allen montenegrinischen Gerichten zusammen noch rund 11 500 Verfahren aus früheren Jahren anhängig, etwa 4 % weniger als 2010. Im Januar 2012 wurden vier weitere Notare ernannt, nachdem im Juli des Vorjahres bereits 34 ihre Tätigkeit aufgenommen hatten. Nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Durchsetzung und Sicherung von Ansprüchen, mit dem die Vollstreckung zivilrechtlicher Urteile den Gerichtsvollziehern übertragen wurde, erließ das Parlament im Dezember 2011 das Gesetz über Gerichtsvollzieher. Die Vollstreckung zivilrechtlicher Gerichtsentscheidungen ist jedoch immer noch unzureichend, die Gerichtsvollzieher müssen noch eingestellt werden und das Funktionieren des neuen Gerichtsvollziehersystems muss noch beurteilt werden.

Mit Blick auf die Steigerung der Effizienz des gesamten Justizsystems leitete der Richterrat die Einsetzung von Spezialeinheiten von Richtern ein, die sich mit dem Jugendstrafrecht an den Obergerichten von Podgorica und Bijelo Polje befassen. Ein Jugendgesetzbuch wurde im Dezember 2011 von Parlament verabschiedet. Der Aktionsplan für die Umsetzung der Reformstrategie für das Justizwesen für den Zeitraum 2007-2012 wurde im Dezember 2011 überarbeitet. Es wurden erste Schritte unternommen, um das Gerichtssystem zu straffen. Was den Zugang zur Justiz angeht, so wurden nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Prozesskostenhilfe im Januar 2012 drei Durchführungsverordnungen verabschiedet und in allen Erstgerichten Büros für Prozesskostenhilfe eingerichtet. Allerdings wird die Anwendung des Gesetzes durch die unzureichenden Haushaltsmittel dieser Büros behindert. Die Unabhängigkeit sowie die administrative und finanzielle Selbständigkeit des Justizausbildungszentrums müssen gestärkt und erste Ausbildungsprogramme mit festen Lehrplänen für alle Angehörigen des Justizwesens eingeführt werden. Die Qualität der Justizstatistiken muss im Einklang mit den europäischen Standards und mit Hilfe verlässlicher Indikatoren wie der Produktivität und der Quote abgeschlossener Verfahren verbessert werden. Ein System zur Überwachung der Dauer der Gerichtsverfahren muss noch eingeführt werden. Die bei Verletzungen des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren verfügbaren Rechtsmittel greifen nur begrenzt und müssen im Einklang mit dem in Artikel 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Recht auf eine wirksame Beschwerde überprüft werden.

Insgesamt wurden im Bereich der Justizreform weitere Fortschritte erzielt. Mit der Anwendung der unlängst verabschiedeten Gesetze wurde begonnen und die Verfassungsreform kam voran. Fortschritte wurden bei der Veröffentlichung von Gerichtsurteilen verzeichnet. Der Verfahrensrückstau wurde weiter abgebaut und ein neues Vollstreckungssystem zur Verbesserung der Effizienz wurde eingeführt. Allerdings bleibt die Vollstreckung zivilrechtlicher Gerichtsentscheidungen unzulänglich und das Gerichtssystem muss noch gestrafft werden. Ein landesweit einheitliches System für die Ersteinstellung von Richtern muss noch eingeführt werden. Die Zuverlässigkeit der Justizstatistiken muss verbessert werden und es muss ein System zur Überwachung der Dauer der Gerichtsverfahren geschaffen werden. Die Ausbildung im Justizbereich muss gestrafft und verbessert werden.

Korruptionsbekämpfung

Die Umsetzung der Regierungsstrategie zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität und des überarbeiteten Aktionsplans 2011-2012 schritt weiter voran. Die für die Überwachung der Durchführung des Aktionsplans zuständige nationale Kommission nahm im April 2012 ihren dritten Bericht an, dem zufolge mit der Durchführung der meisten im zweiten Halbjahr 2011 fälligen Maßnahmen begonnen wurde. Die institutionellen Strukturen für die Überwachung der Durchführung des Aktionsplans funktionieren gut.

Montenegro unternahm zusätzliche Anstrengungen, um seinen Rechtsrahmen für die Korruptionsbekämpfung zu verbessern und so eine Angleichung an den einschlägigen EU-Besitzstand und die internationalen Standards zu gewährleisten. Die vom Parlament im November 2011 verabschiedeten Änderungen des Arbeitsgesetzes ergänzen den Rechtsrahmen für Hinweisgeber durch Bestimmungen, die den Schutz dieser Personen im Privatsektor sicherstellen. Im April 2012 nahm die Regierung Änderungen zum Gesetz über den freien Zugang zu Informationen an. Die im Dezember 2011 angenommenen Änderungen des Gesetzes über die Parteienfinanzierung regeln den Aufsichtsrahmen, die Beiträge in Form von Sachleistungen und die Höchstgrenze für Mitgliedsgebühren, die auf 10 % des Jahreseinkommens des jeweiligen Mitglieds festgesetzt wurde. Der Rechnungshof ist nun für die Prüfung der Jahresbilanzen der Parteien und Berichte über die Kosten von Wahlkampagnen zuständig, während die staatliche Wahlkommission mit der Überwachung der Anwendung anderer Bestimmungen des Gesetzes beauftragt ist. Allerdings müssen die administrativen und fachlichen Kapazitäten der Wahlkommission weiter ausgebaut werden, um für eine uneingeschränkt wirksame unabhängige Aufsicht zu sorgen. Die Mechanismen für die Kontrolle der Finanzierung von Parteien und Wahlkämpfen sowie die Durchsetzung der Sanktionen müssen verschärft und in den Rechtsvorschriften genauer präzisiert werden. Das Sanktionssystem ist nicht abschreckend genug und zu undifferenziert und die Berichterstattungs- und Rechenschaftspflichten der politischen Parteien müssen weiter verschärft werden.

Mit der Anwendung der unlängst verabschiedeten Rechtsvorschriften in den Bereichen Interessenkonflikte und öffentliches Auftragswesen wurde begonnen. Nach Inkrafttreten des geänderten Gesetzes über die Vermeidung von Interessenkonflikten legten alle 36 Parlamentsabgeordneten, die auch Vorstandsmitglieder von staatseigenen Unternehmen waren, dieses Amt nieder, und alle 16 Abgeordneten, die gleichzeitig führende Stellungen innehatten (darunter 2 Bürgermeister) traten von einer ihrer Funktionen zurück. Die Mitglieder der Kommission für öffentliches Auftragswesen wurden im Februar 2012 ernannt und der Kommission wurde ein Haushalt zugewiesen. Die Regierung verabschiedete im Dezember 2011 eine Strategie und einen Aktionsplan zur Entwicklung des öffentlichen Auftragswesens sowie einen Beschluss über die Einsetzung eines Koordinierungsgremiums zur Überwachung der Umsetzung. Allerdings hat die Kommission für öffentliches Auftragswesen der Staatsanwaltschaft bisher keine Notifizierungen gesandt und das Kontrollsystem muss verbessert werden.

Es wurden weitere Schritte mit Blick auf die Korruptionsprävention unternommen. Im Dezember 2011 wurde die Direktion für Korruptionsbekämpfung dem Justizministerium unterstellt, um eine bessere Koordinierung der Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen zu gewährleisten. Im Berichtszeitraum erhielt die Direktion 70 Beschwerden über mutmaßliche Korruptionsfälle in den Bereichen kommunale Selbstverwaltung, öffentliche Verwaltung, Justizwesen, Gesundheitswesen und Bildungswesen, von denen sie 27 an die Polizei weiterverwies. Dieser Anstieg der Beschwerden ist unter anderem auf eine Reihe von Sensibilisierungskampagnen der Direktion zur Meldung von Korruptionsfällen und zum Schutz von Hinweisgebern zurückzuführen. Auf der Grundlage der im letzten Juli von der Regierung angenommenen Risikobewertung der korruptionsanfälligen Bereiche übermittelten die betreffenden Behörden Berichte über die Umsetzung der in der Bewertung enthaltenen Empfehlungen. Es wurden Maßnahmen für die Korruptionsprävention im Justizwesen getroffen. Der Richterrat beschloss, Richtern, die mit Fällen von organisierter Kriminalität, Korruption, Terrorismus und Kriegsverbrechen befasst sind, eine Sonderzulage zu gewähren. Richter und Staatsanwälte erhielten Fortbildungen auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung, um insbesondere die Anwendung der neuen Strafprozessordnung (StPO) zu erleichtern. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen tragen weiter aktiv zur Verbesserung des strategischen Rahmens und zur Vorlage wichtiger Beweise bei, die für die Einleitung von Korruptionsverfahren benötigt werden. Allerdings werden Vermögenserklärungen von Richtern und Staatsanwälten noch nicht mit anderen Daten abgeglichen und die Korruptionspräventionsmaßnahmen im Justizwesen müssen weiter verschärft werden. Die Kompetenzen der Direktion für Korruptionsbekämpfung müssen erweitert und ihre Kapazitäten ausgebaut werden, damit sie die Korruptionsprävention koordinieren und die Umsetzung des Aktionsplans der Regierung zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität überwachen kann.

Bei der Eindämmung der Korruption wurden weitere Fortschritte erzielt. Dank des vollständigen Inkrafttretens der neuen StPO im September 2001 wurden die Strafermittlungsverfahren erheblich beschleunigt und das Risiko des Durchsickerns von Informationen reduziert. Die institutionellen und operativen Kapazitäten von Staatsanwälten, Richtern und Polizei zur Bekämpfung der Korruption wurden durch umfassende Ausbildungsmaßnahmen und zusätzliche Ausrüstung verbessert. Dank des Ausbaus der administrativen und technischen Fähigkeiten der Sonderermittlungsstelle werden besondere Ermittlungstechniken nun systematischer eingesetzt. Neun Vertreter der Polizeiverwaltung, des Amtes für die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie der Steuer- und der Zollverwaltung wurden in die Sonderermittlungsgruppe berufen, die ihre Tätigkeit im Oktober 2011 aufnahm. Die Gruppe erhielt zusätzliche finanzielle Ressourcen, doch ihre Kapazitäten müssen weiter ausgebaut werden, vor allem durch einen Zugang zu den einschlägigen Datenbanken.

Montenegro hat seine Erfolgsbilanz bei der Ermittlung, Strafverfolgung und Verurteilung in Korruptionsfällen weiter verbessert. Dennoch werfen Fälle von Korruption auf hoher Ebene weiter Besorgnis auf. Im Berichtszeitraum wurden vier Angestellte der Behörde für die Verwaltung öffentlicher Vermögensgegenstände in Ulcinj in zweiter Instanz zu Haftstrafen wegen Amtsmissbrauchs und ein Zollbeamter wegen Bestechlichkeit verurteilt. Im Dezember 2011 sowie im Januar und März 2012 wurden Urteile in erster Instanz gegen 16 Personen erlassen, darunter zwei Kommunalbeamte – die zu Haftstrafen verurteilt wurden –, Führungskräfte eines staatseigenen Unternehmens und ein Richter. Es laufen Gerichtsverfahren im Korruptionsfall „Zavala“, an dem der ehemalige Bürgermeister von Budva, sein Stellvertreter und ein Parlamentarier beteiligt waren, sowie in zwei weiteren Fällen, in denen 23 Personen wegen Amtsmissbrauchs bzw. Bestechlichkeit angeklagt sind. Im Berichtszeitraum wurden zwei Polizeibeamte wegen Bestechlichkeit verurteilt. Darüber hinaus laufen Ermittlungen gegen den früheren Bürgermeister von Ulcinj, den Präsidenten und einen Richter des Erstgerichts, die derzeitigen Direktoren eines staatseigenen Unternehmens in Budva und drei Bedienstete des Innenministeriums.

Die Erfolgsbilanz bei der Korruptionsbekämpfung muss jedoch systematisch verbessert werden, vor allem hinsichtlich der Ermittlungen und Verurteilungen in Fällen von Korruption auf hoher Ebene. Die Tatsache, dass Verfahren wegen Korruption auf hoher Ebene erst nach Vorlage von Beweisen durch Dritte eingeleitet wurden, ist besorgniserregend. Die Anzahl der Korruptionsfälle, in denen die Beschlagnahme von Vermögenswerten angeordnet wurde, ist nach wie vor äußerst gering. Die Bestimmungen der StPO und des Strafgesetzbuchs über die Einziehung und die längerfristige Einziehung von Erträgen aus Straftaten wurden noch nicht angewandt. Die Verfahren für die Beschlagnahme, Einziehung und Verwaltung von Erträgen aus Straftaten müssen noch festgelegt werden. Die behördenübergreifende Zusammenarbeit hat sich in gewissem Maß verbessert, muss aber weiter ausgebaut werden, um vor allem eine führende Rolle von Staatsanwälten in Ermittlungen zu gewährleisten. Der mangelnde Zugang von Staatsanwälten zu einschlägigen Datenbanken und unzureichende Kapazitäten behindern die wirksame Anwendung der StPO. Die Verwaltungskapazitäten der Sonderstaatsanwaltschaft für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Korruption, Terrorismusfinanzierung und Kriegsverbrechen müssen ausgebaut werden. Obwohl die Verwaltungskapazitäten der Kommission für die Vermeidung von Interessenkonflikten gestärkt wurden, reichen sie immer noch nicht aus, um die Richtigkeit der Vermögens- und Interessenserklärungen von Beamten zu prüfen und dadurch illegale Bereicherungen aufzudecken, da die Kommission weder über Ermittlungsbefugnisse, noch über einen Zugang zu einschlägigen Datenbanken verfügt. Die Unabhängigkeit des Justizwesens weist nach wie vor Schwachstellen auf, wodurch die Entschlossenheit zur Bekämpfung der Korruption untergraben wird. Die Korruption bietet nach wie vor Anlass zu ernstlicher Besorgnis.

Insgesamt wurden im Bereich der Korruptionsbekämpfung Fortschritte erzielt. Mit der Anwendung der kürzlich verabschiedeten Gesetze in den Schlüsselbereichen Vermeidung von Interessenkonflikten und öffentliches Auftragswesen wurde begonnen. Die Bestimmungen über Kontrollmechanismen müssen allerdings weiter verschärft werden. Weitere Schritte wurden zur Verbesserung der Erfolgsbilanz bei der Korruptionsbekämpfung unternommen, wie vor allem die Aufnahme einer Reihe von Ermittlungen in Fällen von Korruption auf hoher Ebene zeigt. Allerdings ist die Anzahl der Verurteilungen und der Korruptionsfälle, in denen die Beschlagnahme oder Einziehung von Vermögenswerten angeordnet wurde, nach wie vor gering. Die behördenübergreifende Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Polizei und Staatsanwälten, muss weiter intensiviert und die führende Rolle der Staatsanwaltschaft im Einklang mit der neuen StPO gestärkt werden.

Polizeiliche Zusammenarbeit und Bekämpfung der organisierten Kriminalität

Die regionale und internationale Zusammenarbeit der Polizei bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität hat sich verbessert. Bei einer Reihe von Polizeieinsätzen wurde mit den Behörden verschiedener EU-Mitgliedstaaten, Ländern der Region, Interpol und Europol zusammengearbeitet, wodurch die Anzahl der Anklagen und Festnahmen stieg. Das Auslieferungsabkommen zwischen Montenegro und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien wurde im Oktober 2011 unterzeichnet. Die Polizeibehörden von Montenegro und von Bosnien und Herzegowina unterzeichneten eine Kooperationsvereinbarung über die Bekämpfung von Korruption, organisierter Kriminalität, Drogenhandel und Terrorismus. Mit Kroatien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien wurden ebenfalls Vereinbarungen über polizeiliche Zusammenarbeit geschlossen. Das Abkommen mit Kroatien über die gegenseitige Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen in Strafsachen wurde im Dezember 2011 ratifiziert.

Seit September 2011 wird die neue StPO von allen einschlägigen staatlichen Stellen angewandt. Durch im November 2011 verabschiedete Änderungen am Leitfaden über die interne Organisation und an der Aufgabenbeschreibung der Polizeiverwaltung wurden stärker spezialisierte Einheiten innerhalb der Polizei eingeführt. Im Januar 2012 wurde ein Aktionsplan für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität angenommen, mit dem operative Maßnahmen und Indikatoren im Einklang mit den Prioritäten eingeführt wurden, die 2011 in der Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der organisierten Kriminalität (OCTA) genannt wurden. Die Sonderermittlungsgruppe hat seit Aufnahme ihrer Tätigkeit im Oktober 2011 Finanzermittlungen in drei wesentlichen Fällen von organisierter Kriminalität aufgenommen und zusätzliche Finanzmittel erhalten. Seit Dezember 2011 überwacht ein Koordinierungsgremium die Ergebnisse der Umsetzung der Strategie betreffend die Entwicklung und Funktionsweise der Polizei. Die Zusammenarbeit zwischen der Staatsanwaltschaft und der Polizei im Rahmen der neuen StPO sollte klarer definiert und verbessert werden, insbesondere in Bezug auf die Durchführung von Finanzermittlungen. Für die Bearbeitung komplexer Fälle werden zusätzliche Ausrüstungen und speziell geschultes Personal benötigt. Die Vorschriften über den Einsatz besonderer Ermittlungstechniken sollten geändert werden, um die zeitliche Begrenzung zu lockern. Das Projekt für erkenntnisgestützte Polizeiarbeit sollte auf das ganze Land ausgeweitet werden; parallel dazu sollten die Polizisten geschult werden. In einigen Abteilungen der Polizei müssen zusätzliche Finanzmittel für den Ausbau der Ermittlungskapazitäten und für bestimmte Ressourcen – darunter im IT-Bereich – bereitgestellt werden.

Montenegro hat seine Erfolgsbilanz bei der Bearbeitung von Fällen der organisierten Kriminalität weiter verbessert. In zwei Fällen von Drogenhandel bzw. Menschenhandel wurden Urteile in zweiter Instanz erlassen. Erstinstanzliche Urteile ergingen im September 2011 und im Januar 2012 in zwei Fällen, die die Herstellung bzw. das Schmuggeln von Drogen betrafen, sowie im Januar 2012 in einem Geldwäschefall. Im Fall Saric wurden zwei Mitglieder einer kriminellen Vereinigung wegen Drogenhandels und Geldwäsche im Umfang von 12 Mio. EUR zu sechs bzw. acht Jahren Haft verurteilt. Im Dezember 2011 wurde im Fall Kalic gegen drei Personen Anklage wegen Geldwäsche erhoben. In diesem Zusammenhang wurde Vermögen im Wert von über 28 Mio. EUR beschlagnahmt. In sechs neuen Fällen wurden gerichtliche Verfahren aufgenommen. Ende 2011 und in den ersten drei Monaten des Jahres 2012 wurden in drei Fällen von Drogenschmuggel und einem Fall von Passfälschung Ermittlungen gegen insgesamt 65 Personen eingeleitet.

Der Wert der im Land vorübergehend beschlagnahmten Erträge aus Straftaten stieg nach Schätzungen der mit der Verwaltung beauftragten Behörde für öffentliches Eigentum auf über 40 Mio. EUR. Änderungen zum Gesetz über die Verwaltung von vorübergehend und dauerhaft eingezogenen Vermögenswerten wurden im April 2012 verabschiedet. Die zuständige Behörde muss allerdings weiter gestärkt werden, vor allem durch die Verbesserung ihrer Fähigkeit, den Wert der vorübergehend eingezogenen und beschlagnahmten Vermögenswerte zu bestimmen und diese effizient zu verwalten. Es müssen Durchführungsvorschriften ausgearbeitet werden, um die Durchführung gerichtlicher Entscheidungen und Verfahren zur Verwaltung der eingezogenen und beschlagnahmten Vermögenswerte sicherzustellen. Die Gesamtzahl der Finanzermittlungen und der beschlagnahmten Vermögenswerte blieb aufgrund der sehr begrenzten Verwaltungskapazitäten auf diesem Gebiet gering.

Das Gesetz über die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wurde im Februar 2012 geändert, um es an den EU-Besitzstand anzugleichen. Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen dem Finanzministerium, der Behörde für die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (BVGT), der Zentralbank, der Wertpapierkommission und der Versicherungsaufsicht wurde ab Dezember 2011 intensiviert. Die BVGT leitete insgesamt 107 Verfahren ein und beteiligte sich an einer Finanzermittlung, die von der Sonderstaatsanwaltschaft für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Korruption, Terrorismusfinanzierung und Kriegsverbrechen geleitet wurde. Das polizeiliche Fachwissen in diesem Bereich muss allerdings noch verbessert werden, ebenso die Bilanz der proaktiven Finanzermittlungen. Die Kapazitäten der BVGT für die Beaufsichtigung des Bankensystems sollten ausgebaut werden.

Insgesamt wurden bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität weitere Fortschritte erzielt. Die Erfolgsbilanz wurde weiter ausgebaut. Die internationale Zusammenarbeit wurde verbessert und verschiedene Polizeieinsätze führten zur Beschlagnahme von Drogen und Erträgen aus Straftaten. Der Drogenhandel gibt jedoch weiter Anlass zur Sorge, da das Land an der Schmuggelroute liegt, die in die bzw. aus der EU führt. Der Rechtsrahmen wurde weiter gestärkt, doch seine Anwendung erfordert fortgesetzte Aufmerksamkeit. Die Ermittlungskapazitäten der Strafverfolgungsbehörden einschließlich der Staatsanwaltschaft müssen weiter ausgebaut werden, vor allem im Bereich der Finanzermittlungen. Die behördenübergreifende Zusammenarbeit muss intensiviert werden.

Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Die Entkriminalisierung von Verleumdungen hat zu einem Rückgang der Gerichtsverfahren gegen die Medien beigetragen. Im Einklang mit den Leitlinien des Obersten Gerichtshofs zur Festlegung der Höhe der Abfindungen in Verleumdungsverfahren gegen die Medien bauen die Gerichte den Rückstau der Klagen wegen übler Nachrede oder Verleumdung schrittweise ab. Diese Leitlinien stützen sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das Justizausbildungszentrum hat Schulungen für Richter und Staatsanwälte durchgeführt, deren Schwerpunkt auf dem Recht auf freie Meinungsäußerung lag, das in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Hochrangige Regierungsbeamte haben die Schaffung besserer und sichererer Rahmenbedingungen für die Medien weiter gefördert, indem sie Übergriffe verurteilten und Ermittlungen in Fällen von Gewalt gegen Medien befürworteten.

In einigen älteren Verleumdungsfällen allerdings wurden nicht gezahlte Geldstrafen in Haftstrafen umgewandelt. Diese Fälle müssen mit der Praxis des Gerichtshofs für Menschenrechte in Einklang gebracht werden, um vor allem sicherzustellen, dass im Fall der Nichtzahlung von Geldstrafen keine Gefängnisstrafen verhängt werden. Weitere Fortschritte sind in einigen jüngeren Fällen von Gewalt gegenüber Medien erforderlich, in denen noch eingehende Ermittlungen und Gerichtsverfahren durchgeführt werden müssen. Dies betrifft auch die physische Aggression gegenüber einem Investigativjournalisten im März 2012.

Ein Selbstregulierungsgremium der Medien, an dem ein Teil der Massenmedien und lokalen Medienunternehmen beteiligt ist, wurde im März 2012 geschaffen, und ein weiteres, in dem einige wichtige nationale Medien vertreten sind, wurde vor Kurzem gegründet. Die Agentur für elektronische Medien erhielt zusätzliches Personal, um ihre Überwachungskapazitäten aufzustocken. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wird einer strukturellen Reform unterzogen, um sie zu einer modernen, selbsttragenden Einrichtung zu machen. Der Mangel an finanzieller Tragfähigkeit und an operativen Ressourcen könnte das Funktionieren der Medien sowie der Selbstregulierungsmechanismen im audiovisuellen Sektor untergraben. Jüngste Änderungen des Gesetzes über elektronische Medien gefährden die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde für die audiovisuellen Medien. Die Tatsache, dass ihr keine ausreichenden Mittel für die landesweite Überwachung der Medien zur Verfügung stehen, bietet Anlass zur Sorge. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hat noch keine uneingeschränkte Professionalität und Unabhängigkeit erreicht.

Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft muss vertieft werden. Im Februar 2012 wurden zwei Dekrete zur Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft erlassen, eines über die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und Nichtregierungsorganisationen (NRO) und eines über die Durchführung öffentlicher Debatten zu Gesetzentwürfen.

Der Rat für die Zusammenarbeit mit NRO ist inzwischen voll funktionsfähig und tritt regelmäßig zusammen. Er war an der Ausarbeitung einschlägiger Rechtsvorschriften beteiligt, darunter Änderungen zum Glücksspielgesetz, das eine finanzielle Unterstützung von NRO vorsieht. Derzeit beteiligen sich Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen an den Tätigkeiten einiger staatlicher Stellen; zu diesem Zweck sind sie in Arbeitsgruppen und anderen Gremien vertreten, die sich mit verschiedenen Politikbereichen befassen. Das öffentliche Verzeichnis der NRO wurde aktualisiert.

Insgesamt wurden einige Fortschritte bei der Stärkung der Medienfreiheit und gute Fortschritte bei der Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft erzielt. Allerdings müssen die Leitlinien des Obersten Gerichtshofs zur Festlegung der Höhe der Abfindungen in Verleumdungsverfahren gegen die Medien weiter strikt angewandt werden und bei Nichtzahlung von Geldstrafen in älteren Fällen von übler Nachrede sollten Alternativen zu Haftstrafen gefunden werden. Einige ungeklärte Fälle von Gewalt gegenüber den Medien werfen Besorgnis auf. Es bedarf weiterer erheblicher Anstrengungen, um eine nachhaltige und langfristige Zusammenarbeit zwischen Behörden und Zivilgesellschaft sicherzustellen.

Antidiskriminierungspolitik, Vertriebene, Roma, Ashkali und Balkan-Ägypter

Die Verwaltungs- und Haushaltskapazitäten des Bürgerbeauftragten wurden aufgestockt. Sein Büro hat Berichte ausgearbeitet, in denen der Zustand der für die Unterbringung festgenommener Personen genutzten Polizeiräumlichkeiten, der Schutz vor Diskriminierungen und die Lage bei der Kinderbettelei untersucht werden. Diese Berichte wurden zwischen Oktober und November 2011 vom Parlamentsausschuss für Menschenrechte und Grundfreiheiten gebilligt, der sich nun aktiver um die Förderung der Menschenrechte und der Bekämpfung von Diskriminierungen bemüht. Das Ressort des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Justizministers wurde im März 2012 um die Menschenrechte erweitert.

Der Rat für den Schutz vor Diskriminierungen ist nun funktionsfähig. Seine 15 Mitglieder wurden im Februar 2012 ernannt, darunter Vertreter der Roma und ein Vertreter der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich mit den Rechten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgenderpersonen (LGBT) befassen. Die Antidiskriminierungskampagnen und -schulungen für Beamte wurden fortgesetzt. Die Behörden haben die Verbesserung des Schutzes der Rechte der LGBT-Personen im Land weiter aktiv gefördert. Eine Schutzeinrichtung sowie ein Unterstützungs- und Beratungstelefon für LGBT-Personen sind in Betrieb.

Der Bürgerbeauftragte benötigt mehr finanzielle und personelle Kapazitäten. Die Anwendung der Antidiskriminierungsvorschriften verzögert sich und die institutionellen Kapazitäten für die Förderung, Überwachung und Durchsetzung der Menschenrechte sind begrenzt, vor allem was die Rechte behinderter und sozial oder anderweitig benachteiligter Personen anbelangt. Da LGBT-Personen nach wie vor diskriminiert werden, sollten diese Fälle von den Behörden aufmerksam weiterverfolgt werden.

Fortschritte wurden bei der Sicherung des rechtlichen Status der Vertriebenen, vor allem der Roma, Ashkali und Balkan-Ägypter, und der Gewährleistung der Achtung ihrer Rechte erzielt. Änderungen zum Ausländergesetz wurden im November 2011 angenommen, um die Frist für die Beantragung des Ausländerstatus bis Dezember 2012 zu verlängern. Die Anzahl der Anträge steigt langsam aber stetig: 48 % der Vertriebenen haben Anträge eingereicht und 29 % wurde der Ausländerstatus zuerkannt. Es wurden mehrere Maßnahmen eingeführt, um die Legalisierung des Status besonders schutzbedürftiger Vertriebener zu erleichtern. Im Februar 2012 wurden Änderungen des Stadtentwicklungsplans von Konik beschlossen, der die Grundlage für den Wohnungsbau für die dort lebende Bevölkerung bildet. Montenegro hat eine aktive Rolle im Sarajewo-Prozess übernommen. Das Übergangsdekret, das Vertriebenen alle wirtschaftlichen und sozialen Rechte zugesteht, wurde bis Juni 2013 verlängert. Die Eintragung von Roma, Ashkali und Balkan-Ägyptern, vor allem der Binnenvertriebenen unter ihnen, ins Melderegister wurde weiter erleichtert. Die Regierung verabschiedete für den Zeitraum 2012-2016 eine Strategie zur Verbesserung der Lage dieser Personen sowie einen entsprechenden Aktionsplan. Es wurden Berufsausbildungen für diese Bevölkerungsgruppen angeboten. Bei der Eintragung der Vertriebenen ins Melderegister sind Fortschritte erforderlich, vor allem mit Blick auf besonders schutzbedürftige Personen. Es bedarf weiterer Maßnahmen, damit Vertriebene, Roma, Ashkali und Balkan-Ägypter ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte besser wahrnehmen können. Roma-Frauen sind doppelter Diskriminierung ausgesetzt – als Angehörige einer Minderheit und als Frauen.

Das Gesetz über den sozialen Wohnungsbau sollte unverzüglich verabschiedet werden, da es die Voraussetzung für weitere Fortschritte in Bezug auf das Lager Konik darstellt.

Insgesamt wurden einige weitere Fortschritte bei der Antidiskriminierungspolitik, der Legalisierung des Status der Vertriebenen und der Gewährleistung der Rechte der Roma, Ashkali und Balkan-Ägypter erzielt. Die institutionellen Kapazitäten für die Überwachung, Förderung und Durchsetzung der Menschenrechte in der Praxis sowie für die Bekämpfung von Diskriminierungen sollten ausgebaut werden. Die Klärung des rechtlichen Status der Vertriebenen muss abgeschlossen und die Inklusionspolitik gegenüber den Roma, Ashkali und Balkan-Ägyptern verbessert werden.

3.           Schlussfolgerung

Montenegro hat weitere Fortschritte bei der Durchführung der Reformen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, einschließlich der Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität, erzielt.

Angesichts dieser erneuten Fortschritte vertritt die Kommission nach wie vor die Auffassung, dass Montenegro die Kriterien für die Mitgliedschaft, insbesondere die politischen Kriterien von Kopenhagen, in ausreichendem Maße erfüllt, um die Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Aufgrund dieser Erwägungen und unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember 2011 bekräftigt die Kommission ihre Empfehlung, Beitrittsverhandlungen mit Montenegro einzuleiten.

Während der Beitrittsverhandlungen wird die Kommission den Bereich Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, vor allem die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, weiter in den Mittelpunkt stellen, um zu gewährleisten, dass hier eine solide Erfolgsbilanz geschaffen wird. Die Kommission wird in allen Stadien des Beitrittsprozesses das gesamte ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium nutzen. In diesem Zusammenhang wird der neue von der Kommission vorgeschlagene und vom Europäischen Rat im Dezember 2011 gebilligte Ansatz für die Kapitel „Justiz und Grundrechte“ sowie „Recht, Freiheit und Sicherheit“ es ermöglichen, die Reformen auf diesem Gebiet fest zu verankern, und sicherstellen, dass ihre Durchführung aufmerksam verfolgt wird.

[1]               KOM(2010) 670 endg.

[2]               Die zentralen Prioritäten betreffen folgende Bereiche: Gesetzesrahmen für Wahlen und die Gesetzgebungs- und Kontrollfunktion des Parlaments, Reform der öffentlichen Verwaltung, Justizreform, Korruptionsbekämpfung, Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Medienfreiheit und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, Anwendung der Antidiskriminierungspolitik und Situation der Vertriebenen. Für den vollständigen Text siehe KOM(2010) 670.

[3]               KOM(2011) 666 endg.

[4]               SEK (2011) 1204 endgültig.

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