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Document 51999IR0051

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zu der «Umsetzung des EU-Rechts seitens der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften»

ABl. C 374 vom 23.12.1999, p. 25–29 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

51999IR0051

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zu der «Umsetzung des EU-Rechts seitens der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften»

Amtsblatt Nr. C 374 vom 23/12/1999 S. 0025 - 0029


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zu der "Umsetzung des EU-Rechts seitens der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften"

(1999/C 374/06)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN,

gestützt auf den Beschluß seines Präsidiums vom 15. Juli 1998, gemäß Artikel 198 c Absatz 4 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eine Stellungnahme zu diesem Thema abzugeben und die Kommission Institutionelle Fragen mit der Erarbeitung dieser Stellungnahme zu beauftragen,

gestützt auf den von der Kommission Institutionelle Fragen am 6. Juli 1999 angenommenen Stellungnahmeentwurf (CdR 51/99 rev. 2) (Berichterstatter: Herr Lars Nordström);

verabschiedete auf seiner 30. Plenartagung am 15. und 16. September 1999 (Sitzung vom 15. September) einstimmig folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Die Mitgliedstaaten sind gegenüber der EU für die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften allein verantwortlich. Dies gilt sowohl für die Übertragung der EG-Richtlinien in einzel-staatliches Recht als auch für deren Durchführung. Innerhalb der Einzelstaaten können diese Aufgaben allerdings zwischen der Zentralregierung und den regionalen und lokalen Behörden aufgeteilt werden. Oft entfällt ein beträchtlicher Teil der Lasten, die sich aus dieser Verpflichtung zur Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften ergeben, auf die Regionen und die lokalen Behörden.

1.2. Die Mitwirkung der Regionen und der lokalen Gebietskörperschaften an der Um-setzung der EU-Rechtsvorschriften auf einzelstaatlicher Ebene zeigt, welche Bedeutung das EU-Recht in der Praxis für sie hat. Mehr und mehr berührt das EU-Recht auch Bereiche, für die eine regionale oder lokale Zuständigkeit gegeben ist. Daß die Regionen und die lokalen Behörden an der Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in einzelstaatliches Recht und auch an deren administrativen Vollzug beteiligt sind, bietet ihnen somit eine bedeutende Gelegenheit,

- ihre einschlägige Fachkompetenz beizusteuern,

- darauf hinzuwirken, daß ihre jeweiligen Besonderheiten Berücksichtigung finden,

- die Wahrung ihrer Unterschiede und Besonderheiten sicherzustellen,

- für einen effizienten Vollzug dieser Vorschriften auf einer bürgernahen Ebene Sorge zu tragen.

1.3. Die Mitwirkung an der Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften stellt daher für die Regionen und die lokalen Gebietskörperschaften eine notwendige Ergänzung zu ihrer Beteiligung am Rechtsetzungsprozeß in der EU dar, wie sie gegenwärtig im Rahmen des Ausschusses der Regionen sowie im Falle einiger Mitgliedstaaten zusätzlich im Wege eines besonderen Verfahrens für die Beteiligung der Regionen und der lokalen Gebietskörperschaften an der Europapolitik der Zentralregierung erfolgt.

2. Umsetzung der EG-Richtlinien in einzelstaatliches Recht

2.1. Es gibt in den EU-Mitgliedstaaten verschiedene Formen, wie die Regionen und lokalen Behörden an der Umsetzung der EG-Richtlinien in einzelstaatliches Recht beteiligt werden. In einigen Ländern werden die EG-Richtlinien teilweise von den regionalen gesetzgebenden Organen in einzelstaatliches Recht umgesetzt. Dies trifft auf Regionen zu, die im Rahmen ihrer ausschließlichen Zuständigkeiten gemäß dem nationalen Recht über eigene Gesetzgebungskompetenzen verfügen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß die gesetzgebenden Organe der Zentralregierung in Zusammenarbeit mit einem nationalen Vertretungsorgan der Regionen für diese Umsetzung sorgen. Daneben gibt es verschieden andere Formen, wie die Regionen und lokalen Behörden an dieser Umsetzung mitwirken. Hierzu können auch informelle Formen der Zusammenarbeit zählen. In diesem Zusammenhang kann die Umsetzung europäischer Richtlinien Konsequenzen für die Ausübung der durch die Gebietskörperschaften auf lokaler Ebene wahrgenommenen Befugnisse haben. Die Anwendung der europäischen Rechtsvorschriften kann in einigen Fällen die Ausübung der Befugnisse seitens der Gebietskörperschaften bestimmen, wenn nicht sogar einschränken und finanzielle Auswirkungen auf ihr Budget haben.

2.2. Die aktive Mitwirkung der Regionen und lokalen Gebietskörperschaften an dieser Umsetzungsaufgabe ermöglicht eine maximale Flexibilität und eine weitgehende Berücksichtigung regionaler Besonderheiten. Überdies wird so ein besonders hoher Grad an Fachkompetenz für den Rechtsetzungsprozeß nutzbar gemacht.

2.3. Durch Anpassung an die lokalen Erfordernisse wird die Effizienz der Verwaltung verbessert und die demokratische Legitimation ausgebaut. Ferner trägt dies auch dazu bei, daß die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften bei den Bürgern auf größere Akzeptanz stoßen.

2.4. Wenn die Regionen und lokalen Gebietskörperschaften jeweils in unterschiedlicher Form an der Umsetzung der EG-Richtlinien in einzelstaatliches Recht mitwirken, so liegt dies an den verschiedenen Verfassungssystemen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Diese Unterschiede müssen in vollem Umfang respektiert werden.

3. Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften durch die Verwaltungen

3.1. Es lassen sich drei Formen feststellen, wie die Verwaltungen in den einzelnen Mitgliedstaaten die EU-Rechtsvorschriften zur Anwendung bringen: Die Zuständigkeit für deren Vollzug liegt

- hauptsächlich bei den regionalen/lokalen Verwaltungen;

- je nach ihrem Inhalt teilweise bei den nationalen und teilweise bei den regionalen/lokalen Verwaltungsorganen;

- ausschließlich bei den zentralen Behörden der Mitgliedstaaten.

3.2. Wie sich die Zuständigkeiten zwischen den nationalen, den regionalen und den lokalen Behörden verteilen, ist von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich. Eine Harmonisierung ist hier nicht wünschenswert. Es wäre jedoch innerhalb des Verfassungsrahmens der einzelnen Mitgliedstaaten darauf zu achten, daß die administrative Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften nach folgenden Leitprinzipien erfolgt:

- möglichst große Bürgernähe,

- Nutzung der auf lokaler und regionaler Ebene verfügbaren Fachkompetenz,

- effiziente Verwaltung durch Berücksichtigung der jeweiligen besonderen Gegebenheiten,

- verbesserte Kontrolle und verstärkte Vorbeugung gegen Mißbrauch, indem lokalen und regionalen Politikern Verantwortung übertragen wird,

- bestmögliche Voraussetzungen für die Akzeptanz seitens der Bevölkerung,

- Zuweisung der administrativen Verantwortung so bürgernah wie möglich.

3.3. Bürgernähe ist per se ein Plus für die Verwaltung. Sie ist ein Ansporn für eine demokratische Gesellschaft. Sie stellt auch die kosteneffizienteste Form der Verwaltung dar. Ferner wird so dafür gesorgt, daß die lokalen und regionalen Politiker unmittelbar rechenschaftspflichtig sind und kontrolliert werden, wodurch einer mißbräuchlichen Verwendung der EU-Mittel vorgebeugt wird.

3.4. Rechenschaftspflicht und Kontrolle lassen sich am besten in Räumen von begrenzter Größenordnung durchsetzen, und auf diese Weise werden wiederum die Effizienz und die Akzeptanz des politischen Systems gefördert. Daher hängt eine gute administrative Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften - bei aller gebührenden Rücksicht auf die unterschiedliche verfassungsrechtliche Lage in den einzelnen Mitgliedstaaten - in den meisten Fällen von den regionalen und lokalen Organen ab.

4. Probleme beim Vollzug der EU-Rechtsvorschriften

4.1. Allgemeine Bemerkungen

4.1.1. Grundlegend für einen ordnungsgemäßen Vollzug der EU-Rechtsvorschriften ist ein Gleichgewicht zwischen der EU, den Mitgliedstaaten und der dezentralen Ebene der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften.

4.1.2. Grundlegend ist u. a. auch eine allgemein gute Qualität der Rechtsvorschriften. Ferner müssen die finanziellen und verwaltungsmäßigen Auswirkungen der Umsetzung der Rechts-vorschriften für die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften berücksichtigt werden.

4.1.3. Der Amsterdamer Vertrag und das ihm beigefügte Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sind ein begrüßenswerter, klarer Ausdruck für die Bedeutung, die die EU dem Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Ebenen (EU, Mitgliedstaaten, regionale und lokale Gebietskörperschaften) beimißt.

4.1.4. In diesem Zusammenhang sei auf die Ziffern 5, 7 und 9 des Protokolls sowie auf Artikel 203 des Vertrags verwiesen. Besonders hervorgehoben sei die durch das Protokoll erfolgte Festschreibung der Forderung, die finanziellen und verwaltungsmäßigen Auswirkungen der Kommissionsvorschläge zu prüfen.

4.1.5. Der Amsterdamer Vertrag bietet damit eine gute Basis für die Schaffung eines ausgewogenen Gleichgewichts und die Begründung einer Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ebenen, die den unterschiedlichen Voraussetzungen in den Regionen und Kommunen Rechnung trägt.

4.1.6. Durch den Amsterdamer Vertrag wird auch deutlich gemacht, daß die EU die Möglichkeiten der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften berücksichtigt, durch neue Rechtsvorschriften hinzukommende Aufgaben zu finanzieren sowie den Verwaltungsaufwand zu bewältigen, den diese Rechtsvorschriften mit sich bringen.

4.1.7. In diesem Zusammenhang müssen auch die Bemühungen der Kommission und die Erfolge anerkannt werden, die beispielsweise bei der Verbesserung der Qualität der Rechtsvorschriften erzielt wurden.

4.1.8. Trotz dieser positiven Entwicklungen ist auf einige Bereiche hinzuweisen, in denen auf der regionalen und lokalen Ebene Probleme entstehen können.

4.1.9. Die Einschätzung der nachstehend aufgeführter Probleme kann dabei natürlich aufgrund von Faktoren wie Traditionen, der verfassungsrechtlichen Lage und des Ausmaßes der regionalen und lokalen Selbstverwaltung unterschiedlich ausfallen.

4.2. Die Qualität der Rechtsvorschriften

4.2.1. Das Subsidiaritätsprinzip ist für die Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften äußerst wichtig(1).

4.2.2. Es muß bedacht werden, daß die Vorstellungen hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips und damit verwandter Themen in mehrfacher Hinsicht voneinander abweichen können. Auf der einen Seite stehen die Befürworter einer dynamischen Anwendung des Subsidiaritätsprinzips. Dem wird auf der anderen Seite entgegengehalten, daß der Hauptzweck des Subsidiaritätsprinzips darin liege, die Mitgliedstaaten und die Regionen sowie die lokalen Gebietskörperschaften vor einem übermäßigen Tätigwerden der Gemeinschaft zu schützen und damit den Umfang der Tätigkeiten der EU und ihrer Institutionen in einigen Bereichen zu beschränken.

4.2.3. Verschiedene Ansätze gibt es ebenfalls bei der Frage einer deutlichen Trennung der Zuständigkeiten zwischen den jeweiligen Ebenen (EU, Mitgliedstaaten und regionale/lokale Gebietskörperschaften). Einige (darunter die Kommission) argumentieren, daß sich eine genauere Festlegung der Befugnisse der EU nachteilig auf die Flexibilität des gemeinschaftlichen Handelns auswirken und damit die Weiterentwicklung des Gemeinschaftsrechts behindern würde. Andere fordern eine klarere Festlegung der Gemeinschaftsbefugnisse zusätzlich zu einer strikten Anwendung des Subsidiaritätsprinzips.

4.2.4. Daneben bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Auslegungen des Begriffs "ausschließliche Zuständigkeiten der Gemeinschaft". Die Kommission vertritt beispielsweise die Ansicht, daß alle den Binnenmarkt betreffenden Rechtsvorschriften in den Bereich der ausschließlichen Zuständigkeiten der Gemeinschaft fallen und das Subsidiaritätsprinzip somit keine Anwendung findet. Andere treten dafür ein, den Bereich der ausschließlichen Zuständigkeiten der Gemeinschaft stärker zu begrenzen, damit das Subsidiaritätsprinzip häufiger angewendet werden kann.

4.2.5. Diese unterschiedlichen Auffassungen zu wichtigen Aspekten der Qualität der EU-Rechtsvorschriften können als Ausdruck der kulturellen, historischen und verfassungsrechtlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen der EU angesehen werden. Infolgedessen müssen diese Divergenzen als ein wichtiger Teil des europäischen Dialogs ernstgenommen werden.

4.3. Die zunehmende Tätigkeit der EU in Bereichen, für die üblicherweise die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zuständig sind, schränkt deren Aktionsbereich ein.

4.3.1. In einigen Bereichen der (ausschließlichen) Zuständigkeit der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften - z. B. lokale und regionale Raumplanung - besteht ein deutlicher Wunsch nach einem stärkeren Informationsaustausch, gegenseitiger Konsultation und Koordination auf europäischer Ebene (nach dem Bottom-up-Ansatz von unten nach oben).

4.3.2. Hat die jeweilige Frage eine europäische Dimension, so kann eine transnationale Abstimmung nur begrüßt werden. Derartige Initiativen können jedoch in rechtlich bindende EU-Rechtsvorschriften oder EU-Programmen und -Vereinbarungen münden, wodurch beispielsweise die alleinigen Planungsbefugnisse der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften eingeschränkt werden.

4.3.3. Schon die freiwillige Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen allen betroffenen Parteien auf europäischer Ebene kann jedoch viele Probleme lösen. Für die Erreichung bestimmter Ziele sind zentralisierte EU-Rechtsvorschriften also nicht unbedingt notwendig.

4.3.4. In bestimmten Fällen sollte ferner geprüft werden, ob der Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft im Vertrag genauer festgelegt werden sollte. Der AdR hat sich dafür bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausgesprochen und diese Forderung hinsichtlich der regionalen und lokalen Raumordnungsstrategie(2) auch zum Ausdruck gebracht.

4.4. Verwaltungsaufwand

4.4.1. Gemeinschaftliche Rechtsvorschriften und Programme - z. B. im Bereich der Erfassung statistischer Daten - bedeuten für die regionalen und lokalen Behörden oft einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand, der teilweise in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Ferner ist der Sinn mancher verwaltungstechnischer Auflagen nicht immer klar, oder sie sind zum Selbstzweck geworden.

4.4.2. Ein zunehmender Verwaltungsaufwand ohne deutlichen Sinn und Nutzen kann verständlicherweise leicht dazu führen, daß sich allgemein ein Gefühl des Verdrusses breitmacht und die Unterstützung für den europäischen Integrationsprozeß nachläßt.

4.4.3. Regionale und lokale Gebietskörperschaften sehen sich einer wachsender Zahl von Aufgaben und einem steigenden Verwaltungsaufwand sowohl aufgrund europäischer als auch einzelstaatlicher Rechtsvorschriften gegenüber, die sie jedoch mit ihren normalen (oder in einigen Fällen gar reduzierten) Kapazitäten bewältigen müssen. Bevor neue Rechtsvorschriften erlassen werden, ist daher zu prüfen, ob die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in der Lage sind, die ihnen durch die europäischen (und einzelstaatlichen) Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben auch auszuführen.

4.4.4. Die EU-Institutionen müssen folglich die - bestehenden und neuen - europäischen Rechtsvorschriften einer genauen Prüfung unterziehen und alle nicht unbedingt nötigen Erfordernisse streichen. Die Notwendigkeit der Bestimmungen muß nicht nur absolut, sondern auch relativ nachgewiesen werden; dabei ist dem Kosten-Nutzen-Aspekt Rechnung zu tragen, und der Zweck aller Verwaltungserfordernisse muß klar sein.

4.5. Finanzielle Auswirkungen

4.5.1. Diesbezüglich sei auf die Bemerkungen in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 15. November 1995 zur Bewertung der finanziellen und verwaltungstechnischen Auswirkungen von EU-Rechtsakten auf die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften(3) verwiesen.

4.5.2. Besonders zu erwähnen wäre auch, daß bei zahlreichen kleineren Förderprogrammen häufig eine Diskrepanz zwischen den Verwaltungskosten und den Ergebnissen der Programme festzustellen ist; dies ist beispielsweise bei den Programmen zur Erhaltung von Bauwerken der Fall, soweit sie sich nicht auf Maßnahmen von besonderer überregionaler Bedeutung konzentrieren. Daher sollte bei kleineren Entwicklungsprogrammen die zu erwartenden Ergebnisse in einem angemessenen Verhältnis zu den Verwaltungskosten stehen. Ferner muß geprüft werden, ob es nicht besser wäre, die Mittel auf einzelne besonders wichtige Maßnahmen zu konzentrieren.

4.6. Umsetzung innerhalb der Mitgliedstaaten

4.6.1. Probleme, die beim Vollzug der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften auftreten können, sind in manchen Fällen auf die Rechtsvorschriften oder die Umsetzung innerhalb des einzelnen Mitgliedstaats zurückzuführen. Auch wenn dies voll und ganz anerkannt wird, muß generell gelten, daß ein Problem am besten auf der Ebene zu lösen ist, die davon betroffen ist.

4.6.2. Die regionalen und lokalen Behörden sind gehalten, die Bestimmungen der EG-Richtlinien vom Tag ihres Inkrafttretens an einzuhalten, auch wenn die nationalen Instanzen (noch) keine entsprechende Regelung erlassen haben (vertikale Wirkung der Richtlinien gemäß Rechtsprechung des EuGH). Ebenso haben die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften das Gemeinschaftsrecht zu verfolgen und anzuwenden, wenn EG-Richtlinien falsch oder ungenau in das einzelstaatliche Recht umgesetzt worden sind.

5. Schlußfolgerungen und Vorschläge

5.1. Eine gute Umsetzung beginnt damit, daß für eine gute Rechtsetzung gesorgt wird. Das bedeutet zum einen, daß der Subsidiaritäts- und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in vollem Umfang angewandt werden müssen. Der Grundsatz der Subsidiarität muß in allen Tätigkeitsbereichen der EU beständig Anwendung finden, wie dies der Ausschuß der Regionen in den Schlußfolgerungen seines Berichts "Für eine neue Subsidiaritätskultur!"(4) betont hat.

5.2. Das Subsidiaritätsprinzip als Leitregel für die Ausübung von Befugnissen sollte durch eine Leitregel für die Übertragung von Befugnissen ergänzt werden, mit der die jeweiligen Aufgaben klarer eingegrenzt werden.

5.3. Außerdem müssen die finanziellen und verwaltungstechnischen Auswirkungen auf die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften gebührend berücksichtigt werden, um eine Überreglementierung und unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, wenn die Kommission im Rahmen der von ihr vorzulegenden Vorschläge die finanziellen Auswirkungen der in Arbeit befindlichen EU-Richtlinien für die lokalen Gebietskörperschaften beziffern könnte und die Mitgliedstaaten die Gebietskörperschaften in die Veranschlagung der finanziellen Kosten der noch auf dem Tisch liegenden Vorschriften einbezögen.

5.4. Zum anderen müssen die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in möglichst wirksamer Weise am Rechtsetzungsprozeß der EG beteiligt werden. Dadurch wird sich die Legitimation und die Wirksamkeit der EU-Rechtsvorschriften erhöhen. Dies wird zudem der Wahrung der Vielfalt Europas förderlich sein und erheblich dazu beitragen, daß die EU-Rechtsvorschriften bei den Bürgern auf Akzeptanz stoßen.

5.5. Je nach dem besonderen verfassungsrechtlichen und geschichtlichen Hintergrund der Mitgliedstaaten gibt es viele verschiedene Wege, wie die Regionen und lokalen Gebietskörperschaften auf den Rechtsetzungsprozeß der EG Einfluß nehmen können. Dazu kann auch gehören, daß sie an der Ausarbeitung des Standpunkts, den die jeweilige nationale Regierung im Rat einnehmen wird, offiziell mitwirken, indem das Vertretungsorgan der Regionen in einem Mitgliedstaat Entschließungen mit zumindest teilweise bindendem Charakter verabschiedet oder indem die Vertretungen bestimmter Regionen bzw. lokaler Gebietskörperschaften in Brüssel ihren Einfluß geltend machen. Die einzige Möglichkeit der Einflußnahme jedoch, über die alle Regionen und lokalen Gebietskörperschaften unabhängig von dem jeweiligen Verfassungshintergrund in den einzelnen Mitgliedstaaten verfügen, bietet der Ausschuß der Regionen.

5.6. Deshalb muß der Ausschuß der Regionen an dem Rechtsetzungsprozeß der EU in wirksamerer Weise beteiligt werden. Hierzu ist unter anderem folgendes erforderlich:

- Die Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über eine eigene Verwaltungsstruktur des AdR müssen ohne Einschränkung umgesetzt werden. Hierzu müssen dem AdR die Mittel zur Verfügung gestellt werden, die für eine solche eigene Verwaltungsstruktur erforderlich sind. Der AdR ersucht die zuständigen EU-Organe mit Nachdruck, für eine angemessene Mittelausstattung des AdR Sorge zu tragen, da dies eine unerläßliche Voraussetzung für seine volle Funktionsfähigkeit ist.

- Da kein anderes EU-Organ sich ein vollständiges Bild von den praktischen Auswirkungen der EU-Rechtsvorschriften auf die Regionen und lokalen Gebietskörperschaften machen kann, sollte vorgesehen werden, daß die Kommission den AdR bei den Vorarbeiten für gemeinschaftliche Rechtsvorschriften bereits im Vorfeld dazu zu hören hat, ob eine Zusammenarbeit in Betracht kommt. Diesbezüglich möchte der AdR auf seine Stellungnahme zur Bewertung der finanziellen und verwaltungstechnischen Auswirkungen von EU-Rechtsakten auf die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften verweisen.

5.7. Der AdR begrüßt es, daß die Kommission zur Vorbereitung von Gemeinschafts-rechtsvorschriften gewöhnlich Grün- und Weißbücher veröffentlicht, die eine öffentliche Diskussion ermöglichen sollen. Diese Praxis tut aber nicht der Notwendigkeit Abbruch, daß der AdR bei konkreten Rechtsetzungsvorhaben bereits im Vorfeld beteiligt wird, damit er die Kenntnisse und Erfahrungen, über die er verfügt, einbringen kann.

5.8. In welcher Art und in welchem Ausmaß die Regionen und lokalen Gebietskörperschaften an der Umsetzung im Rahmen des einzelstaatlichen Rechts beteiligt werden, hängt von der Organisation und dem inneren Aufbau der einzelnen Mitgliedstaaten ab. In jedem Fall muß gewährleistet sein, daß die besonderen Anliegen der Regionen und der lokalen Gebietskörperschaften angemessen berücksichtigt werden. Dies ist eine unerläßliche Voraussetzung dafür, daß die direkten Amtsbefugnisse und die Besonderheiten der einzelnen Regionen und lokalen Gebietskörperschaften gewahrt bleiben und die lokale und regionale Fachkompetenz verstärkt genutzt wird.

5.9. Der Ausschuß der Regionen bekräftigt daher seinen Standpunkt, daß die Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten den Ausschuß der Regionen als Vertretung der lokalen und regionalen Instanzen zu Vorschlägen für Rechtsvorschriften, die für die Bürger erhebliche Folgen haben könnten, während der Vorbereitungsphase offiziell konsultieren sollten.

5.10. Wenn Bürgernähe und Effizienz erreicht, die lokale und regionale Fachkompetenz einbezogen und die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel so wirksam wie möglich kontrolliert werden sollen, ist die Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften durch die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften von herausragender Bedeutung. Den Regionen und lokalen Gebietskörperschaften ist ein angemessener Spielraum einzuräumen, damit sie die Rechtsvorschriften den jeweiligen besonderen Gegebenheiten entsprechend administrativ zur Anwendung bringen können. Werden die EU-Rechtsvorschriften allein von der einzelstaatlichen Verwaltung ohne starke Beteiligung der regionalen und lokalen Verwaltung umgesetzt, so lassen sich Bürgernähe und Akzeptanz der Rechtsvorschriften durch die Bürger kaum wie erforderlich gewährleisten.

5.11. Um zu einer vollständigen und wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, müssen die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften mit ausreichenden Kompetenzen und Mitteln ausgestattet werden, um Fälle zu beobachten, in denen die zuständigen gesetzgebenden Instanzen Gemeinschaftsrichtlinien unangemessen, falsch oder gar nicht umgesetzt haben.

5.12. Es wird vorgeschlagen, daß der AdR folgende Fragen noch eingehender untersucht:

- Der AdR sollte Untersuchungen darüber anstellen, wie sich die Tätigkeiten der EU langfristig auf den Handlungsspielraum der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in bestimmten Bereichen, insbesondere beim Planungsrecht und bei den öffentlichen Diensten, auswirken.

- Der AdR sollte in einer Studie prüfen, wie er noch wirksamer am Rechtsetzungsprozeß der EU beteiligt werden kann. Besonderes Augenmerk wäre darauf zu legen, daß er dabei in der Frühphase stärker beteiligt wird.

- Der AdR sollte die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften in spezifischen Bereichen, die für ihn von Belang sind, wenn nötig einer vergleichenden Untersuchung unterziehen. Damit soll eine bessere Kenntnis der Umsetzungen erreicht werden, und dies könnte dazu dienen, Beispiele herauszustellen, die für die gesamte Gemeinschaft von Interesse wären. Eine Möglichkeit bestuende darin, die bestehenden Programme zur Förderung der interregionalen Zusammenarbeit und der Partnerschaft, wie z. B. KAROLUS, zu nutzen, um die Umsetzung der Rechtsvorschriften zu untersuchen.

- Der AdR empfiehlt der Kommission, eine Auflistung aller bestehenden Förderprogramme und Haushaltslinien vorzulegen, damit er die Umsetzung im Hinblick auf den damit für die Regionen und Kommunen verbundenen Verwaltungsaufwand und den europäischen Mehrwert der Programme einer Bewertung unterziehen kann.

- Je nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen sollte der AdR die erforderlichen Schritte für entsprechende Folgemaßnahmen einleiten.

Brüssel, den 15. September 1999.

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Manfred DAMMEYER

(1) In diesem Zusammenhang sei auf die Bemerkungen in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Eine bessere Rechtsetzung: gemeinsam Verantwortung übernehmen (1998)" verwiesen (CdR 50/99 fin).

(2) CdR 340/96 fin "Die Raumordnung in Europa" - ABl. C 116 vom 14.4.1997, S. 1.

(3) CdR 368/95 - ABl. C 126 vom 29.4.1996, S. 1.

(4) CdR 302/98 fin - ABl. C 198 vom 14.7.1999, S. 73.

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