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Document 32010D0038

Entscheidung der Kommission vom 21. Oktober 2008 über die staatliche Beihilfe C 20/08 (ex N 62/08), die Italien im Rahmen einer Änderung der Beihilferegelung N 59/04 betreffend befristete Schutzmaßnahmen für den Schiffbau gewähren will (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2008) 6015) (Text von Bedeutung für den EWR)

ABl. L 17 vom 22.1.2010, p. 50–55 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2010/38(1)/oj

22.1.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 17/50


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 21. Oktober 2008

über die staatliche Beihilfe C 20/08 (ex N 62/08), die Italien im Rahmen einer Änderung der Beihilferegelung N 59/04 betreffend befristete Schutzmaßnahmen für den Schiffbau gewähren will

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2008) 6015)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2010/38/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Bestimmungen (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

(1)

Mit Schreiben vom 1. Februar 2008, das am selben Tag bei der Kommission registriert wurde, meldete Italien die Beihilfe C 20/08 (ex N 62/08) bei der Kommission an. Mit einem bei der Kommission am 18. März 2008 registrierten Schreiben übermittelte Italien der Kommission ergänzende Informationen.

(2)

Mit Schreiben vom 30. April 2008 setzte die Kommission Italien von ihrer Entscheidung in Kenntnis, wegen der in Rede stehenden Beihilfe das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten. Diese Entscheidung wurde Italien am 7. Mai 2008 bekannt gegeben.

(3)

Die Entscheidung der Kommission zur Einleitung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (2). Die Kommission forderte die Beteiligten auf, zu der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme Stellung zu nehmen.

(4)

Mit E-Mail vom 4. Juni 2008 (d. h. innerhalb der Frist, die Italien in der Einleitungsentscheidung zur Stellungnahme eingeräumt worden war), die am selben Tag bei der Kommission registriert wurde, beantragte Italien eine einmonatige Verlängerung dieser Frist zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 9. Juni 2008 verlängerte die Kommission die Frist bis zum 7. Juli 2008. Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 (d. h. innerhalb der verlängerten Frist), das am selben Tag bei der Kommission registriert wurde, übermittelte Italien seine Stellungnahme.

(5)

Mit Schreiben vom 12. September 2008, das am 17. September 2008 bei der Kommission registriert wurde, ging die Stellungnahme der italienischen Werft Cantiere Navale De Poli S.p.A. (nachstehend „De Poli“ genannt) ein, die sich als Beteiligte betrachtete. De Poli ist in Venezia-Pellestrina ansässig. Gemäß der Anmeldung handelt es sich bei De Poli um eine der beiden Werften, die vorbehaltlich der entsprechenden Genehmigung durch die Kommission auf der Grundlage der in Erwägungsgrund 6 genannten Regelung eine staatliche Beihilfe erhalten könnten. Beteiligte konnten jedoch nur innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Einleitung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag im Amtsblatt der Europäischen Union, d. h. bis zum 7. Juli 2008, Stellung nehmen. Die Stellungnahme von De Poli wurde somit nicht fristgerecht übermittelt. In diesem Zusammenhang macht De Poli geltend, von der Entscheidung der Kommission zur Verfahrenseinleitung sowie von der diesbezüglichen Stellungnahme Italiens erst verspätet Kenntnis bekommen zu haben.

(6)

Gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag muss die Kommission die Beteiligten zur Stellungnahme auffordern. Allerdings ist sie nicht verpflichtet, die Beteiligten einzeln zu unterrichten, sondern muss lediglich dafür Sorge tragen, dass alle potenziellen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt ist ein angemessenes Mittel, um alle Beteiligten über die Einleitung eines Verfahrens zu unterrichten (3). Somit wurde De Poli durch die oben genannte Veröffentlichung ordnungsgemäß über die Entscheidung zur Verfahrenseinleitung und über die Frist zur Stellungnahme unterrichtet. De Poli hielt diese Frist, die im Einklang mit Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (4) (nachstehend „Verfahrensverordnung“ genannt) festgesetzt worden war, nicht ein. Die Kommission stellt fest, dass De Poli weder eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme beantragt noch besondere Gründe dafür angegeben hat, warum seine Stellungnahme trotz Übermittlung nach Fristablauf berücksichtigt werden müsste. Daher trägt die Kommission der nicht fristgerecht übermittelten Stellungnahme von De Poli nicht Rechnung.

II.   BESCHREIBUNG DER BEIHILFE

(7)

Mit Schreiben K(2004)1807 endg. vom 19. Mai 2004 hatte die Kommission entschieden, keine Einwände gegen eine italienische Beihilferegelung betreffend befristete Schutzmaßnahmen für den Schiffbau (5) (nachstehend „Regelung“ genannt) zu erheben. Die Kommission erachtete die Regelung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, da sie mit der Verordnung (EG) Nr. 1177/2002 des Rates vom 27. Juni 2002 zur Einführung befristeter Schutzmaßnahmen für den Schiffbau (6) (nachstehend „Schutzverordnung“ genannt), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 502/2004 des Rates (7), im Einklang stand.

(8)

Die Mittelausstattung für diese bei der Kommission angemeldete und von ihr genehmigte Regelung belief sich auf 10 Mio. EUR.

(9)

Italien setzte die Kommission von seiner Absicht in Kenntnis, die Mittelausstattung der Regelung um 10 Mio. EUR zu erhöhen.

III.   GRÜNDE FÜR DIE EINLEITUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS

(10)

Die Kommission leitete das förmliche Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag ein, weil sie aus den nachstehend angeführten Gründen Zweifel an der Vereinbarkeit der angemeldeten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt hatte.

(11)

Gemäß Artikel 1 Buchstabe c der Verfahrensverordnung und Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (8) (nachstehend „Durchführungsverordnung“ genannt) war die Kommission der Auffassung, dass die angemeldete Mittelaufstockung eine Änderung der Regelung und damit eine neue Beihilfe darstellt, die gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag bei der Kommission anzumelden ist. Die Kommission vertrat ferner den Standpunkt, dass die Vereinbarkeit der angemeldeten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt auf der Grundlage der derzeit geltenden Vorschriften zu prüfen ist. Da die Schutzverordnung nur bis zum 31. März 2005 gültig war, kann sie nicht als Rechtsgrundlage für die Genehmigung der Beihilfe herangezogen werden.

(12)

Die Kommission stellte ferner fest, dass die Beihilfe auch nach anderen einschlägigen Beihilfevorschriften nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar schien.

IV.   STELLUNGNAHME ITALIENS

(13)

Italien widerspricht der Auffassung der Kommission und stützt sich dabei auf die nachstehenden Argumente.

(14)

Zunächst bestreitet Italien, dass es sich bei der angemeldeten Maßnahme um eine neue Beihilfe handelt. Italien macht geltend, dass gemäß Artikel 4 der Durchführungsverordnung Mittelaufstockungen bei genehmigten Beihilferegelungen korrekterweise nur dann als neue Beihilfen zu werten seien, wenn zugleich die Frist für die Inanspruchnahme der betreffenden Zuwendungen durch die Unternehmen verlängert werde und sich dadurch Wettbewerbsverzerrungen ergäben. Italien bringt vor, dass dies im vorliegenden Fall nicht zutreffe, da es lediglich darum gehe, ergänzende Maßnahmen durchzuführen, die noch während der Geltungsdauer der Schutzverordnung beantragt worden seien. In diesem Zusammenhang macht Italien ferner geltend, dass es sich bei Artikel 4 der Durchführungsverordnung um eine Verfahrensvorschrift handele, die die Anmeldung bestimmter Änderungen bestehender Beihilfen, nicht aber die Prüfung deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt betreffe, so dass sich die Kommission bei der Prüfung der Vereinbarkeit der geplanten staatlichen Beihilfe nicht auf diesen Artikel 4 stützen könne.

(15)

Italien äußert sich ferner zum Standpunkt der Kommission, dem zufolge die Schutzverordnung nicht länger als Rechtsgrundlage für die Bewertung der Vereinbarkeit der angemeldeten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt herangezogen werden kann. Italien macht zunächst geltend, dass diese Auffassung nicht mit dem Standpunkt im Einklang stehe, der in der Schutzverordnung eingenommen worden sei: Für die Schutzverordnung sei nämlich, obwohl sie bis zum 31. März 2004 gelten sollte (diese Frist wurde später bis zum 31. März 2005 verlängert), die auf den 31. Dezember 2003 befristete Verordnung (EG) Nr. 1540/98 des Rates vom 29. Juni 1998 zur Neuregelung der Beihilfen für den Schiffbau (9) (nachstehend „Schiffbauverordnung“ genannt) als Rechtsgrundlage herangezogen worden.

(16)

Ferner kann Italien nicht nachvollziehen, warum die Schutzverordnung nicht zur Rechtfertigung der „Anpassung“ (aggiornamento) der Mittelausstattung der Beihilferegelung herangezogen werden kann, da es sich dabei lediglich um eine finanzielle Maßnahme mit dem Ziel handele, Werften, die Beihilfen im Einklang mit der Schutzverordnung noch während deren Geltungsdauer beantragten, diese Beihilfen aber aufgrund der unzureichenden Mittelausstattung noch nicht erhalten hätten, entsprechend dem Gleichbehandlungsgrundsatz den Werften gleichzustellen, die die Beihilferegelung bereits in Anspruch genommen hätten. Italien führt aus, dass die Anpassung der Mittelausstattung für staatliche Maßnahmen mit dem Ziel, zeitliche Auswirkungen oder Auswirkungen von Kostenschätzungen, die sich als unzureichend erwiesen haben, zu korrigieren, trotz der damit einhergehenden Erhöhung der ursprünglichen Beihilfe keine neue Beihilfe darstelle bzw. ausgehend von der Rechtsgrundlage, mit der die ursprüngliche Beihilfe gerechtfertigt wurde, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Kurz gesagt geht es nach Auffassung Italiens lediglich darum, die Bearbeitung bereits eingereichter Beihilfeanträge abzuschließen, die sich auf vor dem 31. März 2005 geschlossene Verträge beziehen, ohne dass es zu einer Verlängerung der Regelung, einer Ausweitung ihres Anwendungsbereichs oder einer Änderung ihrer grundlegenden Struktur kommt. Italien verweist zur Stützung seines Standpunktes auf den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung, die erforderliche Wahrung des Vertrauensschutzes der Begünstigten und die gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile in den Rechtssachen 223/85 (10) und C-364/90 (11)).

(17)

Außerdem macht Italien geltend, dass die angemeldete Beihilfe nicht im Widerspruch zu einer WTO-Entscheidung stehe, der zufolge die Schutzverordnung nicht mit den WTO-Regeln im Einklang steht.

V.   BEIHILFERECHTLICHE WÜRDIGUNG

(18)

Da die Maßnahme rein finanzieller Natur ist, muss ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt unter Bezugnahme auf die Maßnahmen geprüft werden, die mit ihr finanziert werden sollen, d. h. die im Rahmen der Regelung gewährten Beihilfen. Aus den Gründen, die die Kommission in ihrem Schreiben vom 19. Mai 2004 dargelegt hat, handelt es sich bei der Regelung um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag.

(19)

Gemäß Artikel 1 Buchstabe c der Verfahrensverordnung und Artikel 4 der Durchführungsverordnung gilt eine Erhöhung der Mittel einer genehmigten Beihilferegelung als neue Beihilfe, wenn sie sich auf mehr als 20 % der Ausgangsmittel beläuft. Im vorliegenden Fall macht die angemeldete Erhöhung 100 % der Ausgangsmittel aus, so dass sie als neue Beihilfe im Sinne von Artikel 87 EG-Vertrag zu werten ist.

(20)

Die diesbezüglichen Einwände Italiens ändern nicht an der Einschätzung der Kommission.

(21)

Was das Konzept der „neuen Beihilfe“ betrifft, die gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag anzumelden ist, so stützt sich die Kommission auf die Begriffsbestimmung in Artikel 1 Buchstabe c der Verfahrensverordnung. Danach gelten unter anderem „Änderungen bestehender Beihilfen“ als „neue Beihilfen“.

(22)

Gemäß Artikel 4 der Durchführungsverordnung „ist die Änderung einer bestehenden Beihilfe jede Änderung, außer einer Änderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art, die keinen Einfluss auf die Würdigung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt haben kann“, einschließlich einer über 20 %igen Erhöhung der Mittel für eine genehmigte Beihilferegelung. In diesem Zusammenhang stellt die Kommission fest, dass Artikel 4 der Durchführungsverordnung nicht die Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Vereinbarkeit der neuen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ist und dass die Kommission sich, anders als von Italien behauptet (siehe Erwägungsgrund 13), zu diesem Zweck auch nicht auf den genannten Artikel gestützt hat; der Artikel stellt vielmehr klar, wie die Kommission Artikel 1 Buchstabe c der Verfahrensverordnung betreffend den Begriff „neue Beihilfe“ anwendet. Darüber hinaus weist die Kommission darauf hin, dass die Behauptung Italiens, bei der Maßnahme handele es sich lediglich um eine finanzielle Anpassung infolge unangemessener Kostenschätzungen ohne ausreichende Änderungen der grundlegenden Struktur der Regelung, nichts an der Tatsache ändert, dass die betreffende Mittelaufstockung eine Änderung der bestehenden Beihilfe und damit eine neue Beihilfe im Sinne von Artikel 1 Buchstabe c der Verfahrensverordnung und Artikel 4 der Durchführungsverordnung darstellt.

(23)

Genauso wenig kann die Kommission dem Argument Italiens folgen, gemäß Artikel 4 der Durchführungsverordnung seien Mittelaufstockungen bei genehmigten Beihilferegelungen korrekterweise nur dann als neue Beihilfen zu werten, wenn zugleich die Frist für die Inanspruchnahme der betreffenden Zuwendungen durch die Unternehmen verlängert werde und sich dadurch Wettbewerbsverzerrungen ergäben. Sie stellt fest, dass die Erhöhung der Mittel einer genehmigten Regelung (sofern es sich nicht um geringfügige Erhöhungen von weniger als 20 % handelt) zwangsläufig Auswirkungen auf den Wettbewerb hat, weil der betreffende Mitgliedstaat eine höhere als die ursprünglich genehmigte Beihilfe gewähren kann. Aufgrund dieser geänderten Auswirkungen der Regelung auf den Wettbewerb muss die Kommission deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt erneut prüfen. Daher kann eine Mittelaufstockung in dem von Italien geplanten Umfang nicht als eine Änderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art angesehen werden, die keinen Einfluss auf die Würdigung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt haben kann.

(24)

Aufgrund der vorstehenden Feststellungen bestätigt die Kommission, dass die angemeldete Maßnahme als neue Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag zu werten und entsprechend zu prüfen ist.

(25)

In Bezug auf den ersten diesbezüglichen Einwand Italiens weist die Kommission zunächst darauf hin, dass nicht die Schiffbauverordnung, sondern vielmehr der EG-Vertrag — genauer gesagt Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe e, Artikel 93 und Artikel 133 — als Rechtsgrundlage für die Annahme der Schutzverordnung diente. Ferner ist es für die Kommission nicht ersichtlich, warum ihr Standpunkt in der vorliegenden Sache nicht mit der Tatsache im Einklang stehen sollte, dass in der Schutzverordnung teilweise auf die Schiffbauverordnung Bezug genommen wird. Dabei handelte es sich lediglich um eine gesetzgeberische Technik: Um Wiederholungen zu vermeiden, wurden in der Schutzverordnung bestimmte Definitionen und Bestimmungen aus der Schiffbauverordnung nicht erneut aufgeführt, sondern lediglich durch einen Verweis inhaltlich eingefügt. Somit hing die Anwendung der Schutzverordnung in diesen Punkten nicht von der ununterbrochenen Gültigkeit der Schiffbauverordnung ab, vielmehr wurden in der Schutzverordnung neue, eigenständige Bestimmungen festgelegt, die inhaltlich den Bestimmungen der Schiffbauverordnung, auf die Bezug genommen wurde, entsprachen. Dies steht keineswegs im Widerspruch zum Standpunkt der Kommission in der vorliegenden Sache, wonach sich ein Rechtsakt der Organe der Europäischen Gemeinschaften auf eine zum Zeitpunkt seiner Annahme gültige Rechtsgrundlage stützen muss.

(26)

Wie in der Entscheidung der Kommission vom 30. April 2008 zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens dargelegt, ist die Schutzverordnung nicht mehr gültig und kann somit nicht als Rechtsgrundlage für die Würdigung der neuen Beihilfe herangezogen werden. Aus den in der vorgenannten Entscheidung aufgeführten Gründen (Erwägungsgründe 9 und 10) ist die angemeldete Beihilfe weder auf der Grundlage der Rahmenbestimmungen für Beihilfen an den Schiffbau (12) mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, noch scheint sie nach anderen einschlägigen Beihilfevorschriften mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu sein. Darüber hinaus stellt die Kommission fest, dass Italien keine andere Rechtsgrundlage für die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vorgeschlagen, sondern vielmehr geltend gemacht hat, dass es sich nicht um eine „neue Beihilfe“ handele — ein Argument, dem die Kommission, wie in den Erwägungsgründen 18-22 dargelegt, nicht folgen kann.

(27)

Genauso wenig kann sich die Kommission den Argumenten anschließen, die Italien zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung vorgebracht hat.

(28)

Italien macht geltend, dass die Werften, die noch während der Geltungsdauer der Schutzverordnung einen Beihilfeantrag gestellt, die Fördervoraussetzungen erfüllt und nur aufgrund der fehlenden Haushaltsmittel keine Beihilfe im Rahmen der Regelung erhalten hätten, berechtigterweise darauf vertrauen könnten, die Beihilfe zu erhalten und dass sie aufgrund des Grundsatzes des Vertrauensschutzes (wie auch aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Werften, die tatsächlich eine Beihilfe erhalten haben) Anspruch auf die Beihilfe hätten, und dies unabhängig davon, ob die Schutzverordnung noch in Kraft sei oder nicht.

(29)

Nach gefestigter Rechtsprechung kann sich jeder auf Vertrauensschutz berufen, bei dem die Behörden der Gemeinschaft durch klare Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt haben. Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem diese Behörden keine klaren Zusicherungen gemacht haben (13).

(30)

Im vorliegenden Fall konnten die potenziellen Begünstigten der Regelung nach Auffassung der Kommission berechtigterweise darauf vertrauen, dass Beihilfen, die auf der Grundlage der Regelung in der von der Kommission genehmigten Form — einschließlich der Begrenzung der Mittelausstattung auf 10 Mio. EUR — gewährt werden, rechtmäßig sind. Italien geht mit seiner Argumentation dagegen davon aus, dass Unternehmen erwarten konnten, auch nach Ablauf der Regelung und insbesondere nach Ausschöpfung der genehmigten Mittelausstattung noch Beihilfen — also neue staatliche Beihilfen — zu erhalten. Grundsätzlich kann jedoch ein Unternehmen nicht auf den Erhalt einer Beihilfe vertrauen, wenn diese nicht von der Kommission nach dem im EG-Vertrag vorgesehenen Verfahren genehmigt wurde (14). Aus demselben Grund kann es sich nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen, um genauso behandelt zu werden wie die Empfänger genehmigter Beihilfen.

(31)

Italien verweist ferner auf eine gefestigte Rechtsprechung, die seiner Auffassung nach dem Grundsatz „accessorium sequitur principale“ Rechnung trägt und den Schluss zulässt, dass eine Anpassung der Mittelausstattung für staatliche Maßnahmen mit dem Ziel, zeitliche Auswirkungen oder Auswirkungen von Kostenschätzungen, die sich als unzureichend erwiesen haben, zu korrigieren, trotz einer möglicherweise damit einhergehenden Erhöhung der ursprünglichen Beihilfe keine neue Beihilfe darstellt bzw. ausgehend von der Rechtsgrundlage, mit der die ursprüngliche Beihilfe gerechtfertigt wurde, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

(32)

Die angeführte Rechtsprechung stützt die Behauptung Italiens jedoch nicht.

(33)

Der Gerichtshof hat in seinem Urteil in der Rechtssache C 223/85 befunden, dass die Tatsache, dass die Kommission nicht binnen einer angemessenen Frist tätig geworden ist, in Verbindung mit der Tatsache, dass mit der Beihilfe Mehrkosten einer Maßnahme gedeckt werden sollten, die Gegenstand einer genehmigten Beihilfe gewesen ist, bei dem Begünstigten die begründete Erwartung geweckt hatte, dass keine Einwände gegen die Beihilfe bestünden. Die Kommission kann jedoch nicht nachvollziehen, wie diese Feststellung die Behauptung Italiens stützen sollte, dass die Anpassung der Mittelausstattung keine neue Beihilfe darstelle bzw. ausgehend von der Rechtsgrundlage, die für die Genehmigung der ursprünglichen Beihilfe herangezogen worden sei, d. h. der Schutzverordnung, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Die Kommission weist vielmehr darauf hin, dass der Gerichtshof in dem betreffenden Urteil keineswegs bestritten hat, dass die Beihilfe, deren Bestimmungszweck es war, „die Mehrkosten einer Maßnahme aufzufangen, die […] durch eine genehmigte Beihilfe bezuschusst worden war“ der Genehmigung durch die Kommission gemäß Artikel 87 Absatz 1 (damals Artikel 93) EG-Vertrag bedurfte.

(34)

Darüber hinaus hat Italien im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen, dass die Kommission nicht innerhalb einer angemessenen Frist tätig geworden ist. Vielmehr hat es Italien versäumt, die Erhöhung der Mittelausstattung der Regelung noch während der Geltungsdauer der Schutzverordnung anzumelden.

(35)

Auch die Rechtsprechung in der Rechtssache C-364/90 stützt nicht den Standpunkt Italiens. In dem Teil des Urteils, auf den Italien Bezug nimmt, stellt der Gerichtshof lediglich fest, dass die Kommission eine Negativentscheidung betreffend eine staatliche Beihilfe nicht ausreichend begründet hat, und führt anschließend aus, dass bestimmte Unterlagen, die im vorgerichtlichen Verfahren vorgelegt wurden, so klar waren, dass die betreffenden Argumente vom Gerichtshof berücksichtigt werden können. Für die Kommission ist nicht ersichtlich, wie diese rein verfahrensrechtlichen Feststellungen den Standpunkt Italiens stützen könnten, dass die Erhöhung der Mittelausstattung der Regelung — als materiellrechtlicher Vorgang — auf der Grundlage der Schutzverordnung zu genehmigen sei. Was das Argument Italiens anbetrifft, die angemeldete Beihilfe stehe nicht im Widerspruch zu einer Entscheidung der Welthandelsorganisation (WTO), in der die Schutzverordnung für WTO-widrig erklärt wurde, so hat die Kommission bereits in früheren Entscheidungen festgestellt, dass die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes nach Möglichkeit im Lichte des Völkerrechts einschließlich der Verpflichtungen der EG im Rahmen der WTO auszulegen sind (15). Folglich muss auch die Schutzverordnung im Lichte der internationalen Verpflichtungen der EG ausgelegt werden (16).

(36)

In diesem Zusammenhang weist die Kommission daraufhin, dass Korea die Vereinbarkeit der Schutzverordnung mit den WTO-Regeln angefochten hatte. Das entsprechende WTO-Panel stellte in seinem Bericht vom 22. April 2005 fest, dass die Schutzverordnung und mehrere auf ihrer Grundlage von den Mitgliedstaaten erlassene Regelungen, die zum Zeitpunkt der Einreichung der WTO-Beschwerde durch Korea in Kraft waren, gegen Artikel 23 Absatz 1 der Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (17) verstoßen. Am 20. Juni 2005 nahm das Streitbeilegungsgremium der WTO den Panel-Bericht an, in dem die Empfehlung ausgesprochen wurde, die Gemeinschaft möge die Schutzverordnung und die auf ihrer Grundlage von den Mitgliedstaaten erlassenen Regelungen mit ihren Verpflichtungen aus den WTO-Übereinkommen in Einklang bringen (18). Am 20. Juli 2005 teilte die Gemeinschaft dem Streitbeilegungsgremium mit, der Entscheidung und der Empfehlung des Streitbeilegungsgremiums nachgekommen zu sein, weil die Schutzverordnung nur bis zum 31. März 2005 gültig war und die Mitgliedstaaten keine Betriebsbeihilfen mehr nach dieser Verordnung gewähren konnten.

(37)

Mit dem Panel-Bericht und der Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums zur Annahme dieses Berichts wurde die Schutzverordnung für WTO-widrig erklärt und die Gemeinschaft verpflichtet, diese Verordnung nicht mehr anzuwenden. Die Verpflichtung der Gemeinschaft, der Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums nachzukommen, erstreckt sich auch auf künftige Entscheidungen zur Gewährung neuer Beihilfen nach der Schutzverordnung (19). Indem die Gemeinschaft dem Streitbeilegungsgremium mitgeteilt hat, dass ihre Regeln nunmehr mit der Entscheidung und der Empfehlung des Streitbeilegungsgremiums im Einklang stehen, weil die Schutzverordnung nur bis zum 31. März 2005 gültig war und die Mitgliedstaaten keine Betriebsbeihilfen nach dieser Verordnung mehr gewähren konnten, hat sie sich verpflichtet, die Verordnung bei der Genehmigung neuer Beihilfen nicht mehr anzuwenden. Die Genehmigung der in Rede stehenden Beihilfe würde daher zu einem Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft führen.

VI.   SCHLUSSFOLGERUNG

(37)

Aus den vorstehenden Gründen gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar ist —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die staatliche Beihilfe, die Italien im Rahmen einer Änderung der Beihilferegelung N 59/04 betreffend befristete Schutzmaßnahmen für den Schiffbau gewähren will, so dass die Mittelausstattung der Regelung um 10 Mio. EUR erhöht wird, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Diese Beihilfe darf somit nicht durchgeführt werden.

Artikel 2

Italien unterrichtet die Kommission binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung über die Maßnahmen, die es ergreift, um dieser Entscheidung nachzukommen.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 21. Oktober 2008

Für die Kommission

Neelie KROES

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. C 140 vom 6.6.2008, S. 20.

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  Urteil des Gerichtshofes vom 14. November 1984 in der Rechtssache 323/82, SA Intermills/Kommission, Slg. 1984, S. 3809, Randnr. 17.

(4)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

(5)  Staatliche Beihilfe N 59/04 (ABl. C 100 vom 26.4.2005, S. 27). Die Entscheidung kann in der verbindlichen Sprachfassung auf der folgenden Internetseite aufgerufen werden: http://ec.europa.eu/comm/competition/state_aid/register/ii/by_case_nr_n2004_0030.html#59

(6)  ABl. L 172 vom 2.7.2002, S. 1.

(7)  ABl. L 81 vom 19.3.2004, S. 6.

(8)  ABl. L 140 vom 30.4.2004, S. 1.

(9)  ABl. L 202 vom 18.7.1998, S. 1.

(10)  Urteil des Gerichtshofes vom 24. November 1987 in der Rechtssache 223/85, RSV/Kommission, Slg. 1987, 4617.

(11)  Urteil des Gerichtshofes vom 28. April 1993 in der Rechtssache C-364/90, Italien/Kommission, Slg. 1993, I-2097.

(12)  ABl. C 317 vom 30.12.2003, S. 11.

(13)  Siehe u. a. Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. September 2008 in der Rechtssache T-20/03, Kahla/Thüringen Porzellan, noch nicht veröffentlicht, Randnr. 146.

(14)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-5/89, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-3437, Randnr. 14.

(15)  Siehe Rechtssache C-53/96, Hermes, Slg. 1998, I-3603, Randnr. 28; Rechtssache C-76/00 P, Petrotub, Slg. 2003, I-79, Randnr. 57.

(16)  Beihilfe C 26/06 (ex N 110/06) (ABl. L 219 vom 24.8.2007, S. 25) und Beihilfe C 32/07 (ex N 389/06) (ABl. L 108 vom 18.4.2008, S. 23).

(17)  Siehe EC — Measures affecting trade in commercial vessels, WT/DS301/R, Abschnitte 7184-7222 und 8.1 Buchstabe d.

(18)  Siehe OMC WT/DS301/6.

(19)  Siehe EC — Measures affecting trade in commercial vessels, WT/DS301/R, Abschnitt 7.21.


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