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Document 92001E002003

SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-2003/01 von Robert Goebbels (PSE) an die Kommission. Europäische Statistiken über Pro-Kopf-Einkommen.

ABl. C 40E vom 14.2.2002, p. 159–161 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

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92001E2003

SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-2003/01 von Robert Goebbels (PSE) an die Kommission. Europäische Statistiken über Pro-Kopf-Einkommen.

Amtsblatt Nr. 040 E vom 14/02/2002 S. 0159 - 0161


SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-2003/01

von Robert Goebbels (PSE) an die Kommission

(6. Juli 2001)

Betrifft: Europäische Statistiken über Pro-Kopf-Einkommen

Die Europäische Union, genauer gesagt Eurostat, erstellt regelmäßig Statistiken beispielsweise zum Vergleich des Pro-Kopf-Einkommens in den verschiedenen Mitgliedstaaten der Union. So vergleicht eine neuere Veröffentlichung die Einkommensunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten der Union und den Beitrittsländern. Wenn der europäische Durchschnitt mit dem Index 100 angegeben wird, ergibt dieser Vergleich, dass das ärmste Land des erweiterten Europas Bulgarien wäre (Index 23), während das reichste Land Luxemburg wäre (Index 181). Um zu diesen Ergebnissen zu gelangen, errechnet Eurostat das Bruttoinlandsprodukt eines jeden Landes in Kaufkraftparitäten und dividiert dann dieses Produkt durch die Einwohnerzahl des Landes. Werden durch ein solches Vorgehen die Ergebnisse nicht verzerrt, insbesondere was Luxemburg angeht, dessen Bruttoinlandsprodukt das Resultat der Arbeit von Gebietsansässigen und Gebietsfremden ist, wobei letztere nicht mehr mitgerechnet werden, wenn Eurostat das BIP durch die Einwohnerzahl des Großherzogtums teilt?

Was für alle anderen Länder der Union unerheblich ist, ist im Fall von Luxemburg weit signifikanter, denn hier entfielen (April 2001) auf 275 000 im Inland Erwerbstätige rd. 95 000 ausländische Grenzgänger, also über 37 % der Erwerbsbevölkerung. Müsste Eurostat nicht seine Methode für diese Art von Statistiken, die letzten Endes ein falsches Bild ergeben, ändern?

Antwort von Herrn Solbes Mira im Namen der Kommission

(18. September 2001)

Die Angaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in und in Kaufkraftstandards werden auf vierteljährlicher Basis vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) sowohl für die Mitgliedstaaten und die Beitrittsländer als auch für andere Länder verbreitet.

Vor einer detaillierten Beantwortung der Anfrage des Herrn Abgeordneten dürften einige Erklärungen zu den Grundkonzepten des BIP, um das es bei dieser Diskussion geht, aber auch zum Bruttonationaleinkommen, besser bekannt unter der Bezeichnung Bruttosozialprodukt, angebracht sein.

Das BIP ist ein Maß für das Ergebnis der Produktionstätigkeit der produzierenden Einheiten eines Landes. Es kann nach mehreren Ansätzen berechnet werden. Der bekannteste ist der Ausgabenansatz, nach dem das BIP die Summe des Konsums der privaten Haushalte, des Konsums des Staates, der Bruttoanlageinvestitionen und des Außenhandelssaldos darstellt.

Das Nationaleinkommen hingegen ist kein Produktionskonzept, sondern eher ein Einkommenskonzept. Es errechnet sich, indem vom BIP die an die übrige Welt geleisteten Primäreinkommen abgezogen und die aus der übrigen Welt empfangenen Primäreinkommen hinzugerechnet werden.

Bei internationalen Vergleichen wird als Wohlstandsindikator vereinbarungsgemäß in erster Linie das BIP verwendet, das definitionsgemäß im Wirtschaftsgebiet eines Landes sowohl durch Gebietsansässige als auch durch Gebietsfremde erwirtschaftet wird. Tatsächlich rangiert Luxemburg auf der Grundlage dieses Indikators mit einem Index, der im Jahr 2000 sogar einen Wert von 190 erreicht (EU-15 = 100), an erster Stelle als reichstes Land der Welt.

Hierfür gibt es mehrere Erklärungen:

- Luxemburg stellt einen Sonderfall dar, da es in Anbetracht seiner Landesgröße als eine einzige Region gilt. Wie alle Regionen, die Wirtschaftsstandorte von maßgeblicher Bedeutung sind, zieht auch Luxemburg eine erhebliche Zahl von Pendlern an, die einen ganz beträchtlichen Beitrag zum BIP leisten (einige andere Regionen in der Europäischen Union sind in der gleichen Situation, und zwei Regionen, nämlich Hamburg und Inner London, übertreffen Luxemburg sogar um 12 bzw. 67 Punkte, was das regionale BIP für 1998 anbelangt).

- Das BIP Luxemburgs ist aufgebläht durch die umfangreichen Käufe insbesondere von Verbrauchsgütern, die nicht nur durch die Pendler selbst, sondern auch durch andere Einwohner der angrenzenden Länder auf seinem Wirtschaftsgebiet getätigt werden. Diese Käufe sind als Exporte zu betrachten und gehen daher in das BIP ein; zudem kommen sie dank der auf sie erhobenen Steuern den Staatsfinanzen zugute.

- Das allgemeine Preisniveau in Luxemburg liegt nur ganz geringfügig über dem Gemeinschaftsdurchschnitt, so dass das BIP pro Kopf, ausgedrückt in Kaufkraftstandards (KKS), also unter Verwendung von Kaufkraftparitäten als Umrechnungskurs, etwa gleich hoch ist wie das BIP in, während der in ausgedrückte Index in der Regel um so höher ist, je niedriger der volumenmäßige Index ist (in Dänemark beispielsweise erreichte das BIP pro Kopf in im Jahr 2000 einen Indexwert von 146,4, während der gleiche, in KKS gemessene Index nur 120,2 betrug, weil das Preisniveau in Dänemark sehr hoch ist).

Was nun die Frage betrifft, ob Eurostat seine Methodik für Statistiken dieser Art nicht überarbeiten sollte, so ist die Kommission der Ansicht, dass dies nicht möglich ist, und zwar in erster Linie aus folgendem Grund:

- Für die Erstellung statistischer Daten gelten internationale Normen und Vereinbarungen (für die Europäische Union ist dies das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 95), auf internationaler Ebene gilt das System of National Accounts (SNA)), die nicht allen besonderen Gegebenheiten in dem einen oder anderen Land Rechnung tragen können.

- Der Erarbeitung dieser Normen gehen oft langwierige Diskussionen der einzelstaatlichen Sachverständigen voraus, bevor Ratsverordnungen erlassen werden, die in den meisten Fällen das Ergebnis hart erkämpfter Kompromisse sind, vor allem dann, wenn sie mit finanziellen Auswirkungen für die Länder verbunden sind (z. B. Beitrag zum Gemeinschaftshaushalt).

- Einen Streitpunkt stellt derzeit beispielsweise die Behandlung der unterstellten Bankgebühr (FISIM) dar. Einige Mitgliedstaaten, darunter vor allem Luxemburg, wünschen eine Aufgliederung der FISIM nach verwendenden Sektoren und nach letzten Verwendungen des BIP (wodurch sich das BIP Luxemburgs

nochmals deutlich erhöhen würde), während andere Mitgliedstaaten eine solche Aufgliederung nicht befürworten. In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass Luxemburg während sehr langer Zeit zwei Versionen seiner Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen veröffentlicht hat, eine nationale Version, in der die FISIM berücksichtigt wurde, und eine Gemeinschaftsversion, die ein BIP auswies, das je nach den zugrundeliegenden Daten um 10 bis 15 % geringer ausfiel als das der nationalen Version.

- Um auf die Verwendung des BIP als Indikator bei internationalen Vergleichen zurückzukommen, so würde sich die Situation für Luxemburg nicht wesentlich ändern, wenn an seiner Stelle das Konzept des Nationaleinkommens, das dem Einkommensbegriff näher kommt, verwendet würde, da das Nationaleinkommen in Luxemburg nur geringfügig unter dem BIP liegt.

- Die Frage des Herrn Abgeordneten wurde jedoch von der Kommission mit Interesse zur Kenntnis genommen. Sie verdeutlicht ein grundlegendes Problem der Statistik: Da diese auf Normen und Vereinbarungen beruht, die auf internationaler Ebene für alle Länder gelten, kann sie nicht alle Erscheinungsformen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in vollem Umfang erfassen.

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