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Document 62023CC0158

Schlussanträge der Generalanwältin L. Medina vom 6. Juni 2024.


ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:461

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN LAILA

MEDINA

vom 6. Juni 2024(1)

Rechtssache C158/23 [Keren](i)

T.G.

gegen

Minister van Sociale Zaken en Werkgelegenheid

(Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State [Staatsrat, Niederlande])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Asylpolitik – Richtlinie 2011/95/EU – Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz – Flüchtlinge – Art. 34 – Zugang zu Integrationsmaßnahmen – Verpflichtung, den Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten – Genfer Konvention – Art. 34 – Nationale Regelung, die Flüchtlingen eine Integrationspflicht auferlegt – Verpflichtung zur Teilnahme an Kursen und zum Tragen der Kurskosten – Möglichkeit der Beantragung eines Darlehens zur Finanzierung dieser Kosten – Pflicht zur erfolgreichen Ablegung einer Prüfung innerhalb von drei Jahren – Verstoß gegen die Verpflichtung zum Abschluss eines Integrationsprogramms innerhalb der festgesetzten Frist – Verpflichtung zur Zahlung einer Geldbuße – Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens“






1.        Die Integration von Flüchtlingen ist ein wichtiger und komplexer Prozess, der von allen Beteiligten, d. h. den Flüchtlingen selbst und der Gesellschaft des Aufnahmestaats, Anstrengungen verlangt. Der Prozess der Integration umfasst rechtliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aspekte. Daher ist es nur natürlich, dass internationale Abkommen wie die Genfer Konvention(2) den Vertragsstaaten die rechtliche Verpflichtung auferlegen, die „Eingliederung und Einbürgerung“ der Flüchtlinge zu erleichtern(3). Diese Verpflichtung wurde durch Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie(4) in das Unionsrecht umgesetzt, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, „den Zugang zu Integrationsprogrammen [zu gewährleisten] … oder die erforderlichen Voraussetzungen [zu schaffen], die den Zugang zu diesen Programmen garantieren“.

2.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen T.G. und dem Minister van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (Minister für soziale Angelegenheiten und Beschäftigung, Niederlande; im Folgenden: Minister). Der Rechtsstreit betrifft die Entscheidung des Ministers, gegen T.G., einen Flüchtling, zum einen eine Geldbuße von 500 Euro zu verhängen, weil er eine Integrationsprüfung nicht fristgerecht abgelegt und bestanden hat, und zum anderen von ihm die Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 10 000 Euro zu verlangen, das ihm von den niederländischen Behörden gewährt worden war, um ihm die Finanzierung der Kosten von Integrationsprogrammen zu ermöglichen. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass T.G. seiner Integrationspflicht nicht fristgerecht nachgekommen sei.

3.        Vor diesem Hintergrund möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob und inwieweit die Mitgliedstaaten Personen, die nach der Qualifikationsrichtlinie Anspruch auf internationalen Schutz haben (im Folgenden: Flüchtlinge)(5), die bußgeldbewehrte Verpflichtung auferlegen können, rechtzeitig erfolgreich eine Integrationsprüfung abzulegen und die Kosten dieser Prüfung und der damit verbundenen Vorbereitungskurse zu tragen. Eine Besonderheit dieses Falles besteht darin, dass Flüchtlinge im Rahmen der geteilten Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten zur Teilnahme an den nationalen Programmen zur staatsbürgerlichen Integration sowohl – nach Unionsrecht – berechtigt als auch – nach nationalem Recht – verpflichtet sind.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        Die Erwägungsgründe 3, 4, 12, 13, 15, 16, 40, 41 und 47 der Qualifikationsrichtlinie sind für den vorliegenden Fall relevant.

5.        Art. 34 („Zugang zu Qualifikationsmaßnahmen“) der Qualifikationsrichtlinie bestimmt:

„Um die Integration von Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in die Gesellschaft zu erleichtern, gewährleisten die Mitgliedstaaten den Zugang zu Integrationsprogrammen, die sie als den besonderen Bedürfnissen von Personen mit Flüchtlingsstatus oder subsidiärem Schutzstatus angemessen erachten, oder schaffen die erforderlichen Voraussetzungen, die den Zugang zu diesen Programmen garantieren.“

B.      Niederländisches Recht

6.        Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie wurde durch die Wet inburgering (im Folgenden: Integrationsgesetz) in niederländisches Recht umgesetzt. Dieses Gesetz zielt darauf ab, ausländische Staatsangehörige zu ermutigen, selbst Verantwortung für ihre Integration zu übernehmen. Nach Art. 3 dieses Gesetzes in der zum Zeitpunkt des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalts geltenden Fassung unterliegen Flüchtlinge in gleicher Weise wie Inhaber bestimmter anderer Aufenthaltstitel, z. B. langfristig Aufenthaltsberechtigte, der Integrationsverpflichtung. Grundsätzlich muss jeder Integrationspflichtige innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren alle Teile der Integrationsprüfung bestehen (im Folgenden: Integrationsfrist).

7.        Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Minister nach Art. 7b des Integrationsgesetzes diese Integrationsfrist verlängern muss, wenn die integrationspflichtige Person die Überschreitung dieser Frist nicht zu vertreten hat oder einen Alphabetisierungskurs besucht. Der Minister kann die Integrationsfrist verlängern, wenn die integrationspflichtige Person nachweislich Anstrengungen zur Integration unternommen hat. In bestimmten Fällen kann der Minister die betreffende Person von dieser Verpflichtung befreien.

8.        Das vorlegende Gericht fügt hinzu, dass die Kosten der nationalen Integrationsproramme in der Regel von den integrationspflichtigen Personen selbst zu tragen sind, die zu diesem Zweck ein Darlehen von bis zu 10 000 Euro beantragen können. Das Darlehen kann für Integrationskurse, Integrationsprüfungen und/oder Alphabetisierungskurse verwendet werden. Die Flüchtlinge müssen das Darlehen nicht zurückzahlen, wenn sie alle Teile der Integrationsprüfung innerhalb der Integrationsfrist bestehen oder wenn sie innerhalb dieses Zeitraums von der Integrationspflicht befreit oder ausgenommen werden. Wenn sie ihre Integrationspflicht nicht oder nicht fristgerecht erfüllen, müssen sie das Darlehen grundsätzlich in voller Höhe zurückzahlen.

9.        Art. 4.16a der Regeling inburgering (Integrationsverordnung) trat am 1. Januar 2022 in Kraft. Nach dieser Bestimmung, die für Personen gilt, die zu diesem Zeitpunkt ein Darlehen zurückzahlen, kann das Darlehen ganz oder teilweise erlassen werden. Grundsätzlich erlässt der Minister nur dann einen Teil der Schuld, wenn die integrationspflichtige Person ihrer Integrationspflicht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Frist nachkommt oder innerhalb dieses Zeitraums davon befreit wird. In Ausnahmefällen kann der Minister die Schuld auch teilweise erlassen, wenn die integrationspflichtige Person die Integrationspflicht nicht innerhalb von sechs Monaten erfüllt hat, oder er kann die Schuld vollständig erlassen.

10.      Der Zeitraum der Rückzahlung des Darlehens erstreckt sich auf höchstens zehn Jahre, wobei die Leistungsfähigkeit des Schuldners berücksichtigt werden kann. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit kann der Minister den zurückzuzahlenden Betrag auf 0 Euro pro Monat festsetzen. Ein nach zehn Jahren etwaig verbleibender Restbetrag ist mit Ausnahme rückständiger Ratenzahlungen zu erlassen.

11.      Art. 31 Abs. 1 des Integrationsgesetzes sieht vor, dass der Minister gegen jede Person, die der Integrationspflicht unterliegt und bestimmte Teile der Integrationsprüfung nicht innerhalb der Dreijahresfrist oder innerhalb der verlängerten Frist bestanden hat, eine Geldbuße verhängt.

12.      Art. 32 dieses Gesetzes sieht vor:

„In der Entscheidung über die Verhängung der Geldbuße gemäß Art. 31 Abs. 1 setzt der Minister eine neue Höchstfrist von zwei Jahren fest, innerhalb derer die integrationspflichtige Person nach Zustellung der Entscheidung über die Verhängung der Geldbuße die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. b und c genannten Teile der Integrationsprüfung endgültig bestanden haben muss.“

13.      Art. 33 dieses Gesetzes bestimmt:

„1.      Der Minister verhängt eine Geldbuße gegen eine integrationspflichtige Person, die die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. b und c genannten Teile der Integrationsprüfung nicht innerhalb der in Art. 32 festgelegten Frist bestanden hat. Art. 32 ist entsprechend anwendbar.

2.      Besteht die integrationspflichtige Person nach Ablauf der in Art. 32 festgesetzten Frist die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. b und c genannten Teile der Integrationsprüfung nicht, so verhängt der Minister gegen diese Person alle zwei Jahre eine Geldbuße.“

14.      Art. 1 Abs. 1 der Beleidsregel boetevaststelling inburgering (Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen im Rahmen der staatsbürgerlichen Integration) in der zum Zeitpunkt des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalts geltenden Fassung legt die Kriterien fest, die bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße zu berücksichtigen sind. Zu diesen Kriterien gehören die Zahl der Stunden, die die integrationspflichtige Person an einem Integrationskurs oder an einem Kurs „Niederländisch als Zweitsprache“ teilgenommen hat, die Frage, wie oft jemand Teile der Integrationsprüfung absolviert hat oder an der staatlichen Prüfung „Niederländisch als Zweitsprache“ teilgenommen hat, und die Zahl der bestandenen Teile dieser Prüfungen. Gemäß Art. 1 Abs. 2 der Leitlinien wird die Höhe der Geldbuße auf der Grundlage der Bußgeldtabelle im Anhang zu diesen Leitlinien festgesetzt.

15.      Der Anhang zu Art. 1 Abs. 2 enthält eine Tabelle, nach der die Geldbuße für 0 bis 149 besuchte Unterrichtsstunden auf 1 250 Euro, für 150 bis 299 besuchte Stunden auf 875 Euro und für 300 oder mehr besuchte Stunden auf 500 Euro festgesetzt wird. Darüber hinaus kann eine Verlängerung der Integrationsfrist gewährt werden. In diesem Fall wird keine Geldbuße verhängt. Die Geldbuße kann um 20 % herabgesetzt werden, wenn ein Teil der Prüfung bestanden wird, um 40%, wenn zwei Teile bestanden werden, um 60%, wenn drei Teile bestanden werden, und um 80%, wenn vier oder mehr Teile bestanden werden.

II.    Rechtsstreit im Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16.      T.G., ein eritreischer Staatsangehöriger, kam im Alter von 17 Jahren in die Niederlande und erhielt anschließend einen befristeten Aufenthaltstitel für Asylberechtigte, wodurch er in den Niederlanden internationalen Schutz genießt.

17.      Am 8. Januar 2016, als T.G. 18 Jahre alt war, teilte ihm der Minister mit, dass er ab dem 1. Februar 2016 der Integrationspflicht nach dem Integrationsgesetz unterliege. Dies bedeutete, dass er grundsätzlich alle Teile der Integrationsprüfung innerhalb von drei Jahren bestehen musste. Der Minister verlängerte diese Frist bis zum 1. Februar 2020 mit der Begründung, dass sich T.G. bereits über einen längeren Zeitraum in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber aufgehalten und eine Ausbildung absolviert habe.

18.      Weil T.G. seiner Integrationspflicht nicht innerhalb der festgesetzten Frist nachgekommen war, verhängte der Minister gegen ihn eine Geldbuße von 500 Euro und ordnete die vollständige Rückzahlung des von ihm beim Dienst Uitvoering Onderwijs (Exekutivagentur für Bildung, Niederlande) aufgenommenen Darlehens von 10 000 Euro an.

19.      T.G. legte gegen diese Entscheidung Widerspruch ein, der vom Minister am 25. Februar 2021 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Am 4. November 2021 wies die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande) die Klage von T.G. gegen die Entscheidung vom 25. Februar 2021 als unbegründet ab. Das Gericht stellte fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung nicht gegen Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie verstoße, da sie ein System festlege, das Verlängerungs- und Befreiungsmöglichkeiten vorsehe. Außerdem sehe sie vor, dass ein gegebenenfalls gewährtes Darlehen nach Maßgabe der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit zurückgezahlt werden könne. Nach Ansicht des Gerichts wurde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt, da der Minister alle Umstände in seiner Argumentation berücksichtigt und abgewogen habe. Nach Auffassung der Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht, Amsterdam) hat der Minister die persönliche Situation des Klägers im Ausgangsverfahren hinreichend berücksichtigt, indem er die Integrationsfrist von drei auf vier Jahre verlängert und die Höhe der Geldbuße herabgesetzt habe. Die Geldbuße sei im Hinblick auf das Urteil P und S(6) auch nicht zu hoch. Der Minister sei nicht verpflichtet gewesen, die Geldbuße zu erlassen oder auf die Rückzahlung des Darlehens zu verzichten.

20.      Am 2. Dezember 2021, also ein Jahr und zehn Monate nach dem Ablauf der Integrationsfrist, wurde T.G. von der Integrationspflicht befreit, weil er nach Ansicht des Ministers zu diesem Zeitpunkt ausreichende Anstrengungen unternommen hatte, den Integrationskurs abzuschließen. Diese Befreiung ließ die Verpflichtung von T.G. zur Zahlung der Geldbuße und zur Rückzahlung des Darlehens unberührt.

21.      Gegen das Urteil vom 4. November 2021 legte T.G. beim Raad van State (Staatsrat, Niederlande), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein.

22.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie der Auferlegung einer Integrationspflicht für Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, – die die bußgeldbewehrte Pflicht beinhaltet, grundsätzlich innerhalb von drei Jahren erfolgreich eine Prüfung abzulegen – und der Übernahme der Kosten der Integrationsprogramme durch die Personen, die dieser Verpflichtung unterliegen, entgegensteht.

23.      Was erstens die Integrationspflicht betrifft, so hat das vorlegende Gericht Zweifel an der Anwendbarkeit des Urteils P und S(7) im vorliegenden Fall, da sich dieses Urteil auf Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen(8) beziehe, wonach die Mitgliedstaaten eine Integrationspflicht auferlegen könnten, während die Qualifikationsrichtlinie keine solche Möglichkeit vorsehe.

24.      Zweitens möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass nach Unionsrecht eine Integrationspflicht auferlegt werden kann, wissen, ob ein darin verankertes positives Recht auf Zugang zu Integrationsprogrammen nach nationalem Recht letztlich zu einem verbotenen Verhalten, das bußgeldbewehrt ist, führen kann, wenn dieses Recht nicht in Anspruch genommen wird.

25.      Drittens ist das vorlegende Gericht in Bezug auf die Kosten der Integrationsprogramme der Ansicht, dass es gegen Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie verstoße, von den Flüchtlingen die vollständige Übernahme dieser Kosten zu verlangen. Insoweit verpflichte Art. 34 dieser Richtlinie die Mitgliedstaaten nämlich, allen Flüchtlingen den Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten. Der Umstand, dass die Betroffenen eine Zahlungsvereinbarung treffen können, dürfte nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht von Bedeutung sein, da die Verpflichtung zur Rückzahlung einer erheblichen Schuld für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren bestehe, was eine effektive Integration im Aufnahmemitgliedstaat behindern könne.

26.      Viertens stellt sich die Frage, ob die Höhe der Geldbußen und des Darlehens die Verwirklichung des Ziels und der praktischen Wirksamkeit von Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie beeinträchtigt. Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass die nationalen Behörden zwar verpflichtet seien, die Geldbuße herabzusetzen, wenn dies erforderlich sei, um ihre Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten. In Verbindung mit der Geldbuße könne das Darlehen jedoch als über das hinausgehend angesehen werden, was zur Erreichung des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels, die Integration zu erleichtern, erforderlich sei. Gewisse Rückzahlungsvereinbarungen könnten die Auswirkungen dieser finanziellen Sanktionen abmildern. Im Ausgangsverfahren macht T.G. jedoch geltend, dass die streitige Maßnahme ihn von der Aufnahme einer Arbeit abhalten könne, was seine Integration beeinträchtige.

27.      Unter diesen Umständen hat der Raad van State (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in Art. 7b der Wet inburgering (Integrationsgesetz) vorgesehenen entgegensteht, die Flüchtlingen die bußgeldbewehrte Verpflichtung zur erfolgreichen Ablegung einer Integrationsprüfung auferlegt?

2.      Ist Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach Flüchtlinge die vollen Kosten der Integrationsprogramme grundsätzlich selbst tragen?

3.      Ist es bei der Beantwortung der zweiten Frage von Bedeutung, dass Flüchtlinge ein staatliches Darlehen erhalten können, um die Kosten der Integrationsprogramme zu zahlen, und dieses Darlehen erlassen wird, wenn sie ihre Integrationsprüfung rechtzeitig bestehen oder rechtzeitig von der Integrationspflicht befreit oder ausgenommen werden?

4.      Wenn Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie es zulässt, dass Flüchtlingen eine bußgeldbewehrte Verpflichtung zur erfolgreichen Ablegung einer Integrationsprüfung auferlegt wird und sie die vollen Kosten der Integrationsprogramme tragen müssen, beeinträchtigt dann die Höhe des zurückzuzahlenden Darlehens, gegebenenfalls in Verbindung mit der Geldbuße, die Verwirklichung des Ziels und der praktischen Wirksamkeit von Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie?

28.      T.G., die niederländische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Parteien haben in der Sitzung vom 20. Februar 2024 mündlich verhandelt.

III. Würdigung

29.      Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen wirft die Frage auf, inwieweit die Mitgliedstaaten nach der Qualifikationsrichtlinie Flüchtlingen zum einen die bußgeldbewehrte Verpflichtung auferlegen dürfen, eine Integrationsprüfung zu bestehen, und zum anderen die Verpflichtung, die Kosten der Integrationskurse und der damit verbundenen Prüfungen ganz oder teilweise zu tragen.

30.      Vorab ist festzustellen, dass das niederländische Recht vier verschiedene Arten von Verpflichtungen vorsieht, nämlich erstens die Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen, zweitens die Verpflichtung, die Kosten dieser Kurse zu tragen (für die ein Darlehen gewährt werden kann), drittens die Verpflichtung, an einer Integrationsprüfung teilzunehmen und diese zu bestehen (und die Gebühren hierfür zu entrichten), und viertens die finanziellen Verpflichtungen, die sich im Fall des Nichtbestehens dieser Prüfung ergeben, nämlich zur Zahlung einer Geldbuße und zur Rückzahlung des Darlehens.

31.      Da die Verpflichtung zur Teilnahme an den Integrationskursen die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten hierfür mit sich bringt, gehen diese beiden Verpflichtungen Hand in Hand und sind gemeinsam zu prüfen. In chronologischer Hinsicht gehen diese beiden Verpflichtungen der Verpflichtung zur Teilnahme an und zum Bestehen einer Integrationsprüfung und den finanziellen Verpflichtungen, die sich im Falle des Nichtbestehens dieser Prüfung ergeben, voraus. Daher werde ich in den vorliegenden Schlussanträgen die Frage, ob diese Verpflichtungen mit Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie vereinbar sind, nicht in der vom vorlegenden Gericht angegebenen Reihenfolge, sondern in ihrer chronologischen Abfolge prüfen. Darüber hinaus ersucht das vorlegende Gericht mit seiner vierten Frage den Gerichtshof im Wesentlichen, zu prüfen, ob die genannten Verpflichtungen die praktische Wirksamkeit (effet utile) dieser Richtlinie beeinträchtigen. Ich werde hierauf in Verbindung mit den anderen Fragen eingehen.

32.      Vor diesem Hintergrund werde ich zunächst die Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen und zur Übernahme ihrer Kosten, die Gegenstand der zweiten und der dritten Frage sowie des ersten Teils der vierten Frage sind, prüfen (Abschnitt A). Anschließend wende ich mich der Verpflichtung zur Teilnahme an und zum Bestehen der Integrationsprüfung und den finanziellen Verpflichtungen im Falle des Nichtbestehens dieser Prüfung zu, die Gegenstand der ersten Frage und des zweiten Teils der vierten Frage sind (Abschnitt B).

A.      Die Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen und die Verpflichtung, die Kosten hierfür zu tragen

33.      Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage sowie dem ersten Teil der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die von Flüchtlingen verlangt, die vollen Kosten der Integrationskurse zu tragen, und ob es von Bedeutung ist, dass die Flüchtlinge ein staatliches Darlehen erhalten können, um die Kosten dieser Kurse aufzubringen, und dass das Darlehen erlassen wird, wenn sie die Integrationsprüfung bestehen oder rechtzeitig von dem Erfordernis der Integration befreit worden sind.

34.      Bevor ich mich diesen Fragen zuwende, halte ich es für erforderlich, einige Vorbemerkungen zu den Begriffen Integration, Integrationskurse und Integrationsprüfungen zu machen. Da die Verpflichtung zur Teilnahme an diesen Kursen die Verpflichtung zu ihrer Bezahlung nach sich zieht, werde ich anschließend die Vereinbarkeit der erstgenannten Verpflichtung mit Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie prüfen. Erst dann werde ich mich der Prüfung der letztgenannten Verpflichtung zuwenden.

1.      Vorbemerkungen zu den Integrationskursen und Prüfungen für Flüchtlinge

35.      Zunächst sei erstens darauf hingewiesen, dass, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, weder die Zuerkennung noch die Aufrechterhaltung des Flüchtlingsstatus von den im Ausgangsverfahren streitigen nationalen Vorschriften abhängt.

36.      Zweitens entnehme ich den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass nach niederländischem Recht die Personen, die der Integrationspflicht unterliegen, innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren – der allerdings verlängert werden kann – eine Prüfung bestehen müssen, die aus verschiedenen Tests besteht, u. a. solchen, die mündliche und schriftliche Kenntnisse der niederländischen Sprache auf dem Niveau von mindestens A2 und Kenntnisse der niederländischen Gesellschaft beinhalten(9). Die Kurse bereiten offenbar auf diese Prüfung vor und umfassen somit Sprachkurse und Kenntnisse der niederländischen Gesellschaft(10). Für die Zwecke der Analyse in den vorliegenden Schlussanträgen verweist der Begriff „Kurse zur staatsbürgerlichen Integration“ deshalb auf Kurse, die sich auf Kenntnisse der Sprache und der Gesellschaft des Aufnahmestaats beziehen (das „staatsbürgerliche“ Element dieses Ausdrucks). Dasselbe gilt für die „Integrationsprüfung“, die eine Prüfung der Kenntnisse der Sprache und Gesellschaft des Aufnahmestaats beinhaltet(11).

37.      Drittens ist es für die Zwecke der vorliegenden Schlussanträge wichtig, zwischen dem Begriff des Drittstaatsangehörigen und dem des Flüchtlings zu unterscheiden, wobei nur der letztere in den Anwendungsbereich der Genfer Konvention und der Qualifikationsrichtlinie fällt(12).  „Werden Flüchtlinge unter die weiter gefasste Kategorie der ‚Migranten‘ subsumiert, hat die Kontrolle ihrer Bewegung wahrscheinlich Vorrang vor der Erfüllung ihrer Schutzbedürfnisse. In dem Maße, wie die Grenze zwischen ‚Migranten‘ und ‚Flüchtlingen‘ verschwimmt, verschwimmt auch die Unterscheidung zwischen Migrationskontrolle und Flüchtlingsschutz.“(13)

38.      Insoweit hat der Gerichtshof in Rn. 48 des Urteils P und S(14) festgestellt, dass die Pflicht, eine Integrationsprüfung zu bestehen, geeignet ist, zu gewährleisten, dass die betreffenden Drittstaatsangehörigen Kenntnisse erwerben, die unstreitig für die Schaffung von Bindungen zum Aufnahmemitgliedstaat von Nutzen sind, und dass eine solche Verpflichtung in Verbindung mit einer Geldbuße zur Verwirklichung der mit der Richtlinie 2003/109 verfolgten Ziele beitragen kann. Da jedoch Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie vorsieht, dass die Mitgliedstaaten eine Integrationsverpflichtung auferlegen können, während die Qualifikationsrichtlinie eine solche Möglichkeit nicht kennt, ist dieses Urteil auf den vorliegenden Fall nicht entsprechend anwendbar.

39.      Da T.G. im vorliegenden Fall die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, befassen sich diese Schlussanträge nur mit den Rechten, die Flüchtlingen gewährt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die zentrale Frage, ob die Mitgliedstaaten, die eine positive Verpflichtung zur Erleichterung der Integration von Flüchtlingen haben, den Flüchtlingen Verpflichtungen in Bezug auf Integrationsmaßnahmen auferlegen können, und wenn ja, welche.

2.      Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen

40.      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass die niederländische Integrationsregelung, soweit sie eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewähren, und ein entsprechendes Recht der Flüchtlinge auf Zugang zu solchen Programmen vorsieht, als Maßnahme zur Umsetzung von Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie angesehen wird(15). Daher sind die Rechtsnatur dieser Maßnahme und die Anforderungen des Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie zu prüfen, um festzustellen, ob die Mitgliedstaaten Flüchtlinge zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichten dürfen.

a)      Ermessen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Frage, ob die Teilnahme an Integrationsprogrammen obligatorisch oder freiwillig ist

41.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Europäische Union und die Mitgliedstaaten im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. j AEUV eine geteilte Zuständigkeit haben(16). Gemäß Art. 2 Abs. 2 AEUV können die Mitgliedstaaten, wenn die Verträge der Union für einen bestimmten Bereich eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit übertragen, ihre Zuständigkeit wahrnehmen, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat(17). In Bezug auf Integrationsprogramme hat der Unionsgesetzgeber Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie erlassen, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Zugang zu solchen Programmen zu gewährleisten. Diese Verpflichtung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, wonach „die Mitgliedstaaten den Zugang zu Integrationsprogrammen [gewährleisten]“. Als Folge dieser Verpflichtung verleiht Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie den Flüchtlingen ein Recht auf Zugang zu diesen Programmen(18).

42.      Daraus folgt, dass diese Bestimmung eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten – und nur der Mitgliedstaaten – begründet, den Zugang zu diesen Programmen zu gewährleisten, und dass sie dabei die besonderen Bedürfnisse der Flüchtlinge berücksichtigen müssen(19). Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich also kein Anhaltspunkt dafür, dass Flüchtlinge zur Teilnahme an Integrationsmaßnahmen verpflichtet sind. Ein solches Erfordernis würde meines Erachtens über das hinausgehen, was der Unionsgesetzgeber beabsichtigt hat(20). Die Qualifikationsrichtlinie gewährt Flüchtlingen ein Recht auf Zugang zu Integrationsprogrammen und erlegt ihnen keine entsprechende Verpflichtung auf. Solange die Ausübung dieses Rechts keinen Beschränkungen unterliegt, die dem Unionsrecht und insbesondere der Qualifikationsrichtlinie zuwiderlaufen, steht es im Ermessen der Mitgliedstaaten, ob die Teilnahme an Integrationsprogrammen obligatorisch ist oder nicht. Unter diesem Vorbehalt kann ein Mitgliedstaat Flüchtlinge verpflichten, an Integrationskursen teilzunehmen, da diese Verpflichtung nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie und damit des Unionsrechts fällt(21).

43.      Als nächstes stellt sich die Frage, inwieweit Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie die Mitgliedstaaten daran hindert, in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorzusehen, dass Flüchtlinge zur Teilnahme an Integrationsprogrammen verpflichtet sind, weil eine solche Verpflichtung die mit dem Flüchtlingsstatus verbundenen Rechte, einschließlich des Rechts auf Zugang zu diesen Programmen, beeinträchtigen könnte.

b)      Anforderungen nach der Qualifikationsrichtlinie

44.      Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, dürfen die Mitgliedstaaten keine nationalen Rechtsvorschriften anwenden, die die Verwirklichung der Ziele der Qualifikationsrichtlinie gefährden und dieser Richtlinie damit ihre praktische Wirksamkeit nehmen könnten(22). Entscheidend ist, dass die anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften nicht geeignet sein dürfen, die mit dieser Richtlinie und insbesondere mit ihrem Art. 34 eingeführten Mindeststandards zu beeinträchtigen.

45.      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden(23).

1)      Auslegung des Wortlauts

46.      Was den Wortlaut von Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betrifft, so sieht diese Bestimmung, wie ich oben dargelegt habe(24), erstens eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, den Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten, und zweitens ein entsprechendes Recht der Flüchtlinge auf Zugang zu diesen Programmen.

47.      Was die Begriffe „Integration“ und „Erleichterung“ betrifft, ist es wichtig, diese beiden Konzepte zu unterscheiden. Integration findet typischerweise statt, wenn der Einzelne in der Lage ist, die kulturellen Normen der vorherrschenden oder aufnehmenden Kultur zu übernehmen und gleichzeitig seine Herkunftskultur beizubehalten – und ist daher oft gleichbedeutend mit Bikulturalität(25). Der Ausdruck „Erleichterung der Integration“ ist hingegen als das Ergreifen von Maßnahmen zu verstehen, die Flüchtlingen unter anderem Unterstützung und Beratung, Sicherheit, Stabilität, Integrationsprogramme, kulturelle Bindungen, Sprachkurse oder Kurse zum Erlernen der Kultur, der nationalen Werte, der grundlegenden Normen, Grundsätze und Lebensweisen bieten(26). Daraus folgt, dass das Ziel der Erleichterung der Integration der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats eine Verpflichtung auferlegt. Wenn in Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie daher von einer solchen Erleichterung die Rede ist, verpflichtet dies die Mitgliedstaaten, positive Maßnahmen zu ergreifen, um Flüchtlingen die Integration zu ermöglichen(27). Darüber hinaus umfasst dieser Begriff nicht nur Kurse, sondern auch die Herstellung anderer rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Bindungen sowie die Bereitstellung einer Reihe von Unterstützungsmaßnahmen. Daraus folgt, dass Integrationsprogramme, die in der Regel in Form von Integrationskursen durchgeführt werden, eine Möglichkeit unter vielen anderen sind, die Integration zu erleichtern. Wie aus dem 47. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie hervorgeht, umfassen solche Programme gegebenenfalls auch Sprachunterricht sowie die „Information über ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit ihrem Schutzstatus [als Flüchtlinge] in dem betreffenden Mitgliedstaat“(28).

48.      Zweitens sieht Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie die Verpflichtung vor, „den Zugang zu Integrationsprogrammen [zu gewährleisten]“ oder „die erforderlichen Voraussetzungen [zu schaffen], die den Zugang zu diesen Programmen garantieren“. Die Formulierung „die erforderlichen Voraussetzungen [zu schaffen], die den Zugang zu [Integrations‑]Programmen garantieren“, legt nahe, dass die Mitgliedstaaten eine positive Verpflichtung haben, Bedingungen zu schaffen, die sicherstellen, dass es Flüchtlingen möglich ist, an Integrationsprogrammen teilzunehmen. Ungeachtet der Verwendung der Konjunktion „oder“ in dieser Bestimmung ergibt sich daraus die logische Schlussfolgerung, dass die Verpflichtung, diese Voraussetzungen zu schaffen, eine zusätzliche Verpflichtung zu derjenigen darstellt, den Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten, und dass sie entsteht, wenn die betreffende Person Unterstützung beim Zugang zu diesen Programmen benötigt.

49.      Drittens heißt es in Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie, dass Integrationsprogramme „den besonderen Bedürfnissen von [Flüchtlingen] angemessen sein“ müssen. Diese Verpflichtung bedeutet, dass, wie im 47. Erwägungsgrund ausgeführt, die den Flüchtlingen angebotenen Integrationsprogramme soweit wie möglich ihre besonderen Bedürfnisse und ihre besondere Situation berücksichtigen sollten, wozu gegebenenfalls auch Sprachunterricht und die Bereitstellung von Informationen über individuelle Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit ihrem Schutzstatus in dem betreffenden Mitgliedstaat gehören.

50.      Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten nach einer wörtlichen Auslegung von Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie zwar verpflichtet sind, die besonderen Bedürfnisse der Flüchtlinge zu berücksichtigen, sich anhand dieser Auslegung aber nicht feststellen lässt, ob die Mitgliedstaaten Flüchtlingen eine Pflicht zur Teilnahme an Integrationskursen auferlegen können. Es ist daher unerlässlich, den Kontext dieser Bestimmung und den Zweck der Richtlinie zu untersuchen.

2)      Auslegung nach dem Zusammenhang

51.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Qualifikationsrichtlinie im Einklang mit der Genfer Konvention und den anderen in Art. 78 Abs. 1 AEUV genannten einschlägigen Verträgen sowie mit den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) anerkannten Rechten auszulegen(29). Darüber hinaus muss die Rechtsprechung zu den in Kapitel VII dieser Richtlinie gewährten Rechten berücksichtigt werden.

i)      Art. 34 der Genfer Konvention

52.      Mit Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie wird, wenn auch nur teilweise, Art. 34 der Genfer Konvention in das Unionsrecht umgesetzt, was bedeutet, dass die erstgenannte Bestimmung unter Berücksichtigung dieser Konventionsbestimmung auszulegen ist, allerdings nur insoweit, als diese in das Unionsrecht übernommen wurde. Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie muss ein Schutzniveau bieten, das demjenigen von Art. 34 der Genfer Konvention zumindest vergleichbar ist(30).

53.      Aus dem Wortlaut von Art. 34 der Genfer Konvention ergibt sich, dass die Vertragsstaaten u. a. verpflichtet sind, so weit wie möglich die Eingliederung der Flüchtlinge zu erleichtern. Der Kommentar zur Genfer Konvention(31) unterstützt die These, dass diese die Vertragsstaaten verpflichtet, Zugang zum Erlernen von Sprachen zu gewährleisten. Der Begriff „Eingliederung“ bezieht sich auf Sprachkurse und Kenntnisse der Gesellschaft. Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie ist daher so zu verstehen, dass er einen Mindeststandard für die Integration in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats festlegt.

54.      Darüber hinaus ergibt sich aus dem Begriff „Erleichterung“ in Art. 34 der Genfer Konvention, dass die Staaten die Schutzbedürftigkeit von Personen mit Flüchtlingsstatus berücksichtigen müssen, die für diese Konvention von zentraler Bedeutung ist. Die Verfasser der Genfer Konvention haben die Ausübung von Zwang oder eine Verpflichtung der Flüchtlinge ausgeschlossen(32). Das Büro des UNHCR betont außerdem, dass aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen keine Sanktionen gegen Flüchtlinge verhängt werden sollten, die einen Sprachtest nicht bestehen(33). Das Ziel der „Erleichterung der Integration“ gemäß Art. 34 der Genfer Konvention besteht darin, Flüchtlingen eine Reihe von Rechten zu gewähren, die mit dem Flüchtlingsstatus verbunden sind. Daraus folgt, dass Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie im Licht der Genfer Konvention so auszulegen ist, dass er darauf abzielt, die Integration zu fördern, und nicht darauf, Beschränkungen aufzuerlegen, die dieses Ziel behindern könnten. Ebenso ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten bei der Erleichterung der Integration die Schutzbedürftigkeit von Personen mit Flüchtlingsstatus berücksichtigen und die Wahrnehmung der mit diesem Status verbundenen Rechte gewährleisten müssen.

ii)    Das in Art. 18 der Charta verankerte Asylrecht

55.      In Art. 18 der Charta ist das „Asylrecht“ verankert. In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung, die bei ihrer Auslegung zu berücksichtigen sind(34), heißt es: „Der Wortlaut des Artikels stützte sich auf [ex‑]Artikel 63 EGV, der nunmehr durch Artikel 78 [AEUV] ersetzt wurde und der die Union zur Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet.“ Die Erläuterungen legen daher nahe, dass, wie in der Literatur verschiedentlich argumentiert wurde, Art. 18 der Charta keinen eigenständigen Inhalt hat, sondern lediglich den in der Genfer Konvention und dem dazugehörigen Protokoll enthaltenen Garantien Wirksamkeit verleiht(35).

56.      Die Bezugnahme auf die Genfer Konvention bedeutet jedoch nicht, dass Art. 18 der Charta keine eigenständige Bedeutung zukommt. Zunächst einmal ist das Asylrecht nicht im Sekundärrecht der Union begründet, sondern im Primärrecht verankert, und zwar nicht nur als Rechtsgrundlage, die es dem Unionsgesetzgeber ermöglicht, die Genfer Konvention in die Unionsrechtsordnung umzusetzen, sondern auch als Grundrecht. Im Gegensatz zur Genfer Konvention, die so verstanden werden kann, dass sie lediglich internationale Verpflichtungen für die Vertragsparteien begründet, verleiht die Charta dem Asylrecht eine grundrechtliche Dimension.

57.      Meines Erachtens spricht diese Dimension dafür, dass Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie und die anderen Bestimmungen in Kapitel VII dieser Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie Rechte begründen, da sie Art. 18 der Charta konkretisieren(36). Der Umstand, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu entscheiden, ob sie Flüchtlinge zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichten, kann daher weder das Recht auf Asyl als solches in Frage stellen noch die Wirksamkeit der mit der Flüchtlingseigenschaft verbundenen Rechte beeinträchtigen.

58.      Daher scheint mir Art. 18 der Charta den Gedanken zu unterstreichen, dass es beim Asylrecht in erster Linie darum geht, den Flüchtlingen Rechte zu gewähren, und nicht darum, ihnen Pflichten aufzuerlegen, die die Wirksamkeit dieser Rechte beeinträchtigen können.

iii) Die in Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie garantierten Rechte

59.      Dem besonderen Charakter von Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie sollte Rechnung getragen werden. Insbesondere in Bezug auf die in Kapitel VII der Richtlinie 2004/83 gewährten Rechte, das Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie vorausging, hat der Gerichtshof entschieden: „Da diese Rechte von Flüchtlingen die Folge der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus … sind, muss der Flüchtling, solange er diesen Status innehat, in den Genuss der ihm damit durch die Richtlinie 2004/83 verliehenen Rechte gelangen, und diese dürfen nur nach Maßgabe der in Kapitel VII vorgesehenen Voraussetzungen eingeschränkt werden, weil die Mitgliedstaaten nicht zur Hinzufügung von Beschränkungen befugt sind, die dort nicht vorgesehen sind“(37). Da Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie Bestimmungen enthält, die mit Kapitel VII der Vorgängerrichtlinie nahezu identisch sind, ist diese Rechtsprechung weiterhin relevant. Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass es nicht im Ermessen eines Mitgliedstaats liegt, einem Flüchtling die nach Kapitel VII der Richtlinie 2004/83 zustehenden substanziellen Vergünstigungen weiterhin zu gewähren oder zu versagen(38).

60.      Folglich ist zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen den mit dem Flüchtlingsstatus verbundenen Rechten Beschränkungen hinzufügt, die in Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie nicht vorgesehen sind, und insbesondere, ob sie den Zugang der Flüchtlinge zu den ihnen durch diese Richtlinie garantierten Integrationsprogrammen beeinträchtigt(39).

3)      Teleologische Auslegung

61.      Wie ich bereits dargelegt habe, dürfen die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nicht daran hindern, Integrationsprogramme tatsächlich in Anspruch zu nehmen und andere mit dem Flüchtlingsstatus verbundene Rechte wahrzunehmen(40). Wenn die Mitgliedstaaten Bedingungen aufstellen, die Flüchtlinge erfüllen müssen, um an Integrationsprogrammen teilzunehmen, müssen sie daher die beiden Ziele beachten, die mit Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie verfolgt werden: erstens, den Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten oder die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, die den Zugang zu solchen Programmen garantieren, und zweitens, die besonderen Bedürfnisse von Flüchtlingen angemessen zu berücksichtigen.

62.      Was das erste Ziel betrifft, so heißt es in den Travaux préparatoires, der Begründung des Kommissionsvorschlags, dass das Ziel der Integrationsprogramme darin besteht, „gezielte Fördermaßnahmen für benachteiligte Gruppen“ vorzusehen und „nicht nur ein[en] gleichberechtigte[n] Zugang zu Beschäftigung und Bildung [einzuräumen]“(41). Soweit Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie eine Maßnahme zur Gleichstellung einer „benachteiligten Gruppe“ darstellt, um diese Gruppe im Hinblick auf Beschäftigungs- und Bildungschancen auf ein ähnliches Niveau wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats zu bringen, sollte diese Maßnahme daher so umgesetzt werden, dass sie einen effektiven Zugang zu Integrationsprogrammen ermöglicht(42). Andernfalls wird eine solche Maßnahme ihr Ziel der Gleichstellung nicht erreichen.

63.      Was das zweite Ziel betrifft, so müssen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie auch „den besonderen Bedürfnissen der Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Rechnung tragen“(43). In diesem Zusammenhang findet sich im 47. Erwägungsgrund der weitere Gedanke, dass die besonderen Bedürfnisse und die besondere Situation von Flüchtlingen in den ihnen angebotenen Integrationsprogrammen so weit wie möglich berücksichtigt werden sollten, wozu gegebenenfalls auch Sprachunterricht und die Bereitstellung von Informationen über die individuellen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit ihrem Schutzstatus in dem betreffenden Mitgliedstaat gehören.

64.      Darüber hinaus hat die Kommission in den Travaux préparatoires in Bezug auf den Zugang zu Integrationsmaßnahmen und das Maß des im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie zu gewährenden Schutzes u. a. erklärt, dass, „[d]amit Schutzberechtigte die ihnen formal zuerkannten Rechte auch tatsächlich ausüben können, … die speziellen Integrationsprobleme, denen sie sich gegenübersehen, angegangen werden [müssen]“(44). Bezüglich des Zugangs zu Integrationsmaßnahmen ist die Kommission der Ansicht, dass „die tatsächlichen Integrationschancen von [Flüchtlingen] erheblich verbessert würden, wenn die unterschiedlichen Hintergründe in Bezug auf Bildung und Beruf oder andere Besonderheiten ihrer Situation bei den Integrationsmaßnahmen angemessen berücksichtigt würden“(45).

65.      In der Folgenabschätzung zu diesem Vorschlag werden als Beispiele für solche Integrationsprogramme „Einführungsprogramme und Sprachkurse, die so weit wie möglich auf diese spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind“(46), genannt. Der Verweis auf die „Angemessenheit“ bedeutet, dass die Mitgliedstaaten „die Flexibilität haben, die Maßnahmen anzuwenden, die sie für die angemessensten und wirksamsten halten, wobei sie relevante Faktoren wie das Bildungsniveau und den beruflichen Hintergrund der betreffenden Personen sowie die Größe und Zusammensetzung der Gruppen von Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz berücksichtigen“(47).

66.      Daraus folgt meines Erachtens, dass eine Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen, die Flüchtlingen auferlegt wird, als solche keine Beschränkung des Rechts auf Zugang zu Integrationsprogrammen darstellt und daher durch Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie nicht ausgeschlossen ist. In Anbetracht des Ziels, die Integration zu erleichtern, sollten diese Kurse jedoch so weit wie möglich auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen zugeschnitten sein und gegebenenfalls zur Gleichstellung einer „benachteiligten Gruppe“ beitragen.

c)      Anwendung auf den vorliegenden Fall

67.      Im vorliegenden Fall steht außer Zweifel, dass der Erwerb von Kenntnissen der Sprache und der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats dazu beiträgt, die tägliche Ausübung der meisten durch die Qualifikationsrichtlinie garantierten Rechte zu fördern, insbesondere was den Zugang zu Beschäftigung, Bildung, sozialem Schutz, Gesundheitsfürsorge oder Wohnraum betrifft. Daher ist die Teilnahme an Integrationskursen geeignet, die Verwirklichung der Ziele der Qualifikationsrichtlinie zu fördern und die effektive Wahrnehmung der mit dem Flüchtlingsstatus verbundenen Rechte zu ermöglichen. Daraus folgt, dass eine Verpflichtung zur Teilnahme an solchen Kursen nicht als solche als eine Beschränkung des Zugangs zu den Rechten anzusehen ist, die sich aus Kapitel VII dieser Richtlinie und insbesondere aus ihrem Art. 34 ergeben.

68.      Anders wäre es jedoch zu beurteilen, wenn eine Verpflichtung zur Teilnahme an solchen Kursen in der Praxis die Möglichkeit der Flüchtlinge einschränken oder behindern würde, ihre Rechte auszuüben und die durch die Qualifikationsrichtlinie garantierten Leistungen zu erhalten. Dies kann, wie von der Kommission dargelegt, z. B. der Fall sein, wenn die Häufigkeit und Dauer des Unterrichts oder der mit der Vorbereitung auf den Unterricht verbundene Arbeitsaufwand die Flüchtlinge daran hindert, einer Arbeit nachzugehen oder einen Arbeitsplatz zu suchen, oder wenn dadurch ihr Recht auf allgemeine oder berufliche Bildung beeinträchtigt wird(48). Gleiches gilt, wenn die Integrationskurse nicht auf die spezifischen Bedürfnisse der Flüchtlinge abgestimmt sind, etwa wenn ein Flüchtling mit eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten konfrontiert ist oder über geringe Lese- und Schreibkenntnisse verfügt. Der Vollständigkeit halber möchte ich darauf hinweisen, dass sich diese Überlegung nicht auf den finanziellen Aspekt dieser Kurse und Prüfungen bezieht, den ich in Abschnitt B der Schlussanträge behandeln werde.

69.      Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Verpflichtung zur Teilnahme an den in Rede stehenden Integrationskursen und insbesondere ihre praktische Durchführung den Zugang zu den durch die Qualifikationsrichtlinie verliehenen Rechten und insbesondere zu den in Kapitel VII dieser Richtlinie vorgesehenen Rechten beschränkt. Darüber hinaus ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Inhalt und die Modalitäten dieser Kurse, die nach nationalem Recht für Flüchtlinge verpflichtend sind, deren besonderen Bedürfnissen Rechnung tragen. Zu diesem Zweck ist im Hinblick auf das eben genannte Ziel der Gleichstellung zu prüfen, ob der Schwierigkeitsgrad und der Umfang der Kurse an die besonderen Bedürfnisse des Flüchtlings angepasst sind.

3.      Verpflichtung zur Übernahme der Kosten von Integrationskursen

70.      Das vorlegende Gericht hat festgestellt, dass das in der streitigen nationalen Regelung vorgesehene System von dem Grundsatz ausgeht, dass die Flüchtlinge die Kosten der Integrationsprogramme selbst tragen müssen. Zu diesem Zweck können sie ein Darlehen von höchstens 10 000 Euro beantragen und in Anspruch nehmen. Die Flüchtlinge sind von der Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens befreit, wenn sie innerhalb der Integrationsfrist alle Teile der Integrationsprüfung bestehen oder wenn sie innerhalb dieser Frist von der Integrationspflicht befreit oder ausgenommen werden. Erfüllen sie hingegen ihre Integrationspflicht nicht oder zu spät, müssen sie das Darlehen grundsätzlich vollständig zurückzahlen.

71.      Einleitend möchte ich darauf hinweisen, dass T.G. im vorliegenden Fall die gesamten 10 000 Euro für die Teilnahme an Integrationskursen und die Ablegung der Prüfung verwendet hat. Ich werde daher an dieser Stelle seine besondere Situation analysieren und andere Fälle ausklammern, in denen eine Person möglicherweise weniger Kurse benötigt, um die Prüfung zu bestehen, und daher weniger Kursgebühren zu zahlen hat.

72.      Nach der Qualifikationsrichtlinie können die Mitgliedstaaten im Einklang mit ihrem nationalen Recht die Voraussetzungen festlegen, die im Hinblick auf die Erfüllung der Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen gelten, sofern sie sicherstellen, dass die Flüchtlinge die Integrationsprogramme tatsächlich in Anspruch nehmen und die anderen in Kapitel VII dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte tatsächlich wahrnehmen können. Vorbehaltlich dieser Bedingung können die Mitgliedstaaten beschließen, dass die Flüchtlinge einen Teil oder die Gesamtheit der mit dieser Verpflichtung verbundenen Kosten selbst tragen müssen oder dass der Steuerzahler diese Kosten zu tragen hat. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat jedoch für die erste Option, so dürfen, wie ich bereits ausgeführt habe(49), die durch sein nationales Recht auferlegten Bedingungen die mit Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie verfolgten Ziele nicht gefährden, wonach die Mitgliedstaaten zum einen den Zugang zu den Integrationsprogrammen sicherstellen oder die Voraussetzungen schaffen müssen, die den Zugang zu diesen Programmen gewährleisten, und zum anderen den besonderen Bedürfnissen der Flüchtlinge Rechnung tragen müssen(50).

73.      Was das erste Ziel betrifft, so sollte, soweit Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie eine Maßnahme zur Gleichstellung einer „benachteiligten Gruppe“ darstellt, um diese Gruppe im Hinblick auf Beschäftigungs- und Bildungschancen den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats gleichzustellen(51), der Preis, den Flüchtlinge für Prüfungen zahlen müssen, auf ein Niveau festgelegt werden, das den Zugang zu Integrationsprogrammen tatsächlich ermöglicht(52). Andernfalls wird eine solche Maßnahme ihr Ziel der Gleichstellung nicht erreichen(53).

74.      Bei der Festlegung dieses Niveaus muss der betreffende Mitgliedstaat meines Erachtens außerdem prüfen, ob die fraglichen Integrationsprogramme eventuell aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds(54) finanziert werden können, der 2014 in den Asyl‑, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) umgewandelt wurde(55), und, wenn dies der Fall ist, ob dieser Fonds tatsächlich zur Finanzierung eines Teils dieser Programme verwendet wird. Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die fraglichen Programme aus diesem Fonds finanziert werden und, falls ja, welche Auswirkung diese Finanzierung auf die Kosten von Sprachkursen hat.

75.      Verlangt ein Mitgliedstaat, dass Flüchtlinge die Kosten für Integrationsprogramme übernehmen, die in einer Höhe festgesetzt sind, die den Zugang zu Integrationsprogrammen tatsächlich ermöglicht(56), müssen die nationalen Gerichte auch die für diese Kosten geltenden Zahlungsbedingungen in den Blick nehmen. Diese Bedingungen dürfen das Recht auf Zugang zu diesen Programmen nicht einschränken. Wie oben ausgeführt, dürfen die Mitgliedstaaten keine nationalen Rechtsvorschriften anwenden, die die Verwirklichung der Ziele der Qualifikationsrichtlinie gefährden und ihr damit die praktische Wirksamkeit nehmen könnten(57). Daraus folgt, dass der von den Flüchtlingen schließlich zu zahlende Betrag die Ausübung des Rechts auf Integration nicht übermäßig erschweren oder unmöglich machen darf, da die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Integration zu erleichtern. Darüber hinaus sollte der zu zahlende Betrag nicht dazu führen, dass die Ausübung anderer Rechte gemäß Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie, wie z. B. das Recht auf Wohnung, medizinische Versorgung oder Bildung, beeinträchtigt wird. Die Flüchtlinge sollten nicht gezwungen sein, auf diese Rechte zu verzichten, um die Kosten für die Erfüllung der Integrationspflicht aufbringen zu können.

76.      Diesbezüglich müssen die nationalen Behörden bei der Entscheidung darüber, ob eine Person die Kosten für Integrationsprogramme zu tragen hat, die finanzielle Situation des Flüchtlings individuell beurteilen. Eine solche individuelle Beurteilung dient dazu, festzustellen, in welchem Umfang sich der Flüchtling an den Kosten für Integrationsprogramme und ‑prüfungen beteiligen muss(58). Mit anderen Worten: die betreffende finanzielle Verpflichtung sollte an die finanzielle und soziale Situation des Flüchtlings anknüpfen und nicht davon abhängig gemacht werden, ob er die Integrationsprüfung bestanden hat oder nicht. Legen die nationalen Behörden die Kosten für die Integrationsprogramme auf die Flüchtlinge um, ohne ihre finanzielle und soziale Situation zu berücksichtigen, schaffen sie nicht „die erforderlichen Voraussetzungen“, die tatsächlich „den Zugang zu diesen Programmen“ im Sinne von Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie „garantieren“. Der Begriff „erforderliche Voraussetzungen“ bedeutet meines Erachtens, dass eine solche Einzelfallprüfung zu Beginn, d. h. bevor die Person den Integrationskurs beginnt, durchgeführt werden sollte(59).

77.      Außerdem stellt sich bei zu hohen Kursgebühren die Frage, ob der Mitgliedstaat den Zugang zu Integrationsprogrammen tatsächlich gewährleistet hat, indem er dem Flüchtling die Gebühren für die Integrationskurse auferlegt. Da die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie ein Recht auf tatsächlichen Zugang zu Integrationsleistungen begründet, stellt ein Zugang zu Integrationsprogrammen unter erschwerten finanziellen Bedingungen, weil mit hohen Kosten für den Flüchtling verbunden, keinen tatsächlichen Zugang dar.

78.      Der Umstand, dass die integrationspflichtigen Personen ein Darlehen beantragen können, um die Kosten der Integrationsprogramme aufzubringen, ändert nichts an dieser Beurteilung, da ein Darlehen lediglich dazu dient, die Zahlungsverpflichtung aufzuschieben. Wird das Darlehen zudem verzinst, was nach nationalem Recht der Fall zu sein scheint, was aber vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, so erstreckt sich die Zahlungspflicht nicht nur auf die Zahlung der Gebühren, sondern auch auf die Zahlung der Darlehenszinsen.

79.      Nach dem in Rede stehenden nationalen Recht obliegt die Verpflichtung, die Kosten der Integration zu tragen, auch im Falle der Gewährung eines Darlehens letztlich dem Flüchtling. Besteht ein Flüchtling die Integrationsprüfung nicht oder nicht rechtzeitig, muss er das Darlehen in voller Höhe zurückzahlen und bleibt mit einem hohen Schuldenstand zurück. Flüchtlinge, die ihr Leben im Aufnahmemitgliedstaat verschuldet beginnen, werden es wahrscheinlich schwer haben, sich in die Gesellschaft dieses Mitgliedstaats zu integrieren. Es besteht also die Gefahr einer doppelten Benachteiligung: erstens der Benachteiligung, als Flüchtling einer schutzbedürftigen Gruppe anzugehören, und zweitens der Benachteiligung, einen (hohen) Kredit zurückzahlen zu müssen, weil man die Integrationsprüfung nicht bestanden hat. Darüber hinaus ist es für eine Person, die die Integrationsprüfung nicht besteht, wahrscheinlich schwieriger, einen Arbeitsplatz zu finden, was bedeutet, dass Flüchtlinge, die die Prüfung nicht bestehen, wohl die am meisten benachteiligte und schutzbedürftige Gruppe aller Flüchtlinge sind. Diese doppelte Benachteiligung kann meines Erachtens dazu führen, dass ein Flüchtling in eine Situation sozialer Ausgrenzung gerät, die die öffentlichen Ressourcen belastet und zu finanzieller Abhängigkeit der Flüchtlinge und dem Verlust ihrer Würde führt(60). Das ist genau das Gegenteil von dem, was der Unionsgesetzgeber im Sinn hatte, als er beschloss, dass die Mitgliedstaaten die Integration erleichtern müssen(61). Schließlich sollte das Abrechnungssystem für Integrationskurse oder ‑prüfungen im Hinblick auf die Ziele des Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie nicht zu einem Sanktionsmechanismus für Flüchtlinge mit schlechten Prüfungsergebnissen oder zu einem Geschäftsmodell für Unternehmen, die mit diesen Kursen und Prüfungen Gewinne erzielen, umfunktioniert werden.

80.      In diesem Zusammenhang stelle ich fest, dass T.G. darauf hingewiesen hat, dass die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (European Commission against Racism and Intolerance, im Folgenden: ECRI)(62) ihre Besorgnis hinsichtlich einer Gruppe von Flüchtlingen geäußert hat, die vor 2022 erfolgreich einen Asylantrag gestellt hatten, weil diese weiterhin den fraglichen nationalen Rechtsvorschriften und unter anderem der Verpflichtung, die hohen Kosten für Integrationskurse zu tragen, und gegebenenfalls der Verpflichtung zur Zahlung einer relativ hohen Geldbuße bei Nichterfüllung innerhalb der vorgeschriebenen Frist unterlagen(63). Darüber hinaus ist die ECRI zu dem Schluss gelangt, dass ein Sanktionskonzept für die Integration, das erhebliche Bußgelder und die Rückzahlung hoher Kredite vorsieht, nicht als ein beidseitiger Prozess angesehen werden kann, der die Integration erleichtern, unterstützen und fördern würde.

81.      Was die zweite Bedingung betrifft, wonach die Mitgliedstaaten die besonderen Bedürfnisse der Flüchtlinge berücksichtigen müssen(64), so scheint diese Bedingung, wie bereits erwähnt, auf den inhaltlichen Aspekt der Kurse abzuzielen, die so weit wie möglich auf Flüchtlinge zugeschnitten sein sollten. Insoweit hängen die Kosten der Kurse unweigerlich von den Bedürfnissen der Flüchtlinge ab. Der konkrete Betrag, der den Flüchtlingen in Rechnung gestellt wird, sollte jedoch nicht so hoch sein, dass der tatsächliche Zugang zu den Kursen eingeschränkt wird. Außerdem sollte der Betrag für Flüchtlinge mit Lernschwierigkeiten nicht höher sein, da sie in der Regel mehr Kurse besuchen und letztlich mehr zahlen müssen, obwohl sie sich in einer besonders schutzbedürftigen Situation befinden. Der Ansatz, dass man, je schutzbedürftiger man ist, desto mehr Kurse benötigt und desto mehr bezahlen muss, sollte ausgeschlossen sein.

82.      Angesichts der vorstehenden Ausführungen bin ich der Auffassung, dass Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die Flüchtlingen die Verpflichtung auferlegt, die Kosten von Integrationsprogrammen zu tragen, ohne dass die nationalen Behörden zuvor eine individuelle Prüfung ihrer finanziellen und sozialen Situation vorgenommen haben, weil eine solche Verpflichtung mit derjenigen, den Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten, unvereinbar ist und nicht dazu beiträgt, Voraussetzungen zu schaffen, die den Zugang zu diesen Programmen gewährleisten. Jedenfalls dürfen die Kosten – wenn sie auferlegt werden – nicht so hoch sein, dass das Recht auf Zugang zu den Integrationsprogrammen seiner praktischen Wirksamkeit beraubt wird.

B.      Die Verpflichtung, an einer Integrationsprüfung teilzunehmen und diese zu bestehen, und die Sanktionen bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung

83.      Mit seiner ersten Frage und dem zweiten Teil der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die Flüchtlingen die bußgeldbewehrte Verpflichtung zur erfolgreichen Ablegung einer Integrationsprüfung auferlegt.

1.      Vereinbarkeit der Integrationsprüfung mit der Qualifikationsrichtlinie

84.      Wie bereits erwähnt, hindert Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie die Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich daran, Flüchtlinge zu verpflichten, an Integrationsprogrammen teilzunehmen und Integrationskurse zu belegen. Außerdem können diese Kurse mit einer Prüfung abschließen, und diese Bestimmung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Flüchtlinge zu verpflichten, an Integrationsprüfungen teilzunehmen(65). Aus dieser Perspektive betrachtet ist zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verpflichtung, an einer Prüfung teilzunehmen und diese zu bestehen, den Zugang von Flüchtlingen zu Integrationsprogrammen oder andere ihnen durch die Qualifikationsrichtlinie gewährte Rechte beeinträchtigt(66). Bevor ich jedoch den Unterschied zwischen der Teilnahme an einer Integrationsprüfung und dem Bestehen dieser Prüfung analysiere, werde ich auf die Bedeutung der Rechtsprechung zur Vereinbarkeit von Integrationsprüfungen mit anderen für Drittstaatsangehörige geltenden Richtlinien eingehen.

a)      Die Rechtsprechung zu Integrationsprüfungen im Hinblick auf andere Richtlinien

85.      Erstens hat der Gerichtshof im Urteil P und S(67) entschieden, dass die Richtlinie 2003/109 einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die Drittstaatsangehörigen, die bereits im Besitz der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten sind, die bußgeldbewehrte Pflicht zum Bestehen einer Integrationsprüfung auferlegt, sofern die Modalitäten der Durchführung dieser Prüfung nicht dazu führen, die Verwirklichung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele zu gefährden, was das vorlegende Gericht zu prüfen hatte.

86.      Zur Begründung dieser Schlussfolgerung wies der Gerichtshof u. a. darauf hin, dass in Bezug auf die Pflicht zum Bestehen der Integrationsprüfung „nicht bestritten werden [kann], dass der Erwerb von Kenntnissen sowohl der Sprache als auch der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats die Verständigung zwischen den Drittstaatsangehörigen und den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats deutlich erleichtert und darüber hinaus die Interaktion und die Entwicklung sozialer Beziehungen zwischen ihnen begünstigt. Auch kann nicht bestritten werden, dass der Erwerb von Kenntnissen der Sprache des Aufnahmemitgliedstaats den Zugang der Drittstaatsangehörigen zu Arbeitsmarkt und Berufsausbildung erleichtert“(68).

87.      Der Gerichtshof betonte außerdem, dass die Pflicht zum erfolgreichen Ablegen einer Prüfung „für sich genommen die Verwirklichung der mit der Richtlinie 2003/109 verfolgten Ziele nicht gefährdet, sondern vielmehr hierzu beitragen kann, weil sie geeignet ist, zu gewährleisten, dass die betreffenden Drittstaatsangehörigen Kenntnisse erwerben, die unstreitig für die Schaffung von Bindungen zum Aufnahmemitgliedstaat von Nutzen sind“(69).

88.      Zweitens hat der Gerichtshof im Urteil K und A(70) im gleichen Sinn entschieden, dass die Richtlinie 2003/86 es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, von Drittstaatsangehörigen das Bestehen einer Integrationsprüfung zu verlangen. Er stellte fest, dass durch das Erfordernis der erfolgreichen Ablegung einer Basis-Integrationsprüfung gewährleistet werden soll, dass die betroffenen Drittstaatsangehörigen Kenntnisse erwerben, die für die Schaffung von Bindungen zum Aufnahmemitgliedstaat unstreitig von Nutzen sind.

89.      Richtig ist, dass die in den Urteilen P und S(71) sowie K und A(72) dargelegten Erwägungen auf den vorliegenden Fall nicht entsprechend übertragen werden können. Das erstgenannte Urteil betrifft nur Drittstaatsangehörige, die die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nach der Richtlinie 2003/109 beantragt haben(73), die Drittstaatsangehörigen, die sich fünf Jahre im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufgehalten haben, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkennt und die den Mitgliedstaaten in Art. 5 Abs. 2 ausdrücklich gestattet, Integrationsanforderungen für den Erwerb dieser Rechtsstellung festzusetzen. Das zweite Urteil betrifft Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86, der es den Mitgliedstaaten gestattet, gemäß dem nationalen Recht von Drittstaatsangehörigen zu verlangen, dass sie zum Zweck der Familienzusammenführung nach dieser Richtlinie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen. Demgegenüber enthält die Qualifikationsrichtlinie keine diesen beiden Bestimmungen entsprechende Regelung. Wie sich aus Art. 13 der Qualifikationsrichtlinie ergibt, sind die Mitgliedstaaten insoweit verpflichtet, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn die in den Kapiteln II und III dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Integration ist keine Voraussetzung für den Erwerb der Flüchtlingseigenschaft. Im Übrigen ergibt sich aus dem zwölften Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie, dass das wesentliche Ziel der Bestimmungen dieser Richtlinie nicht darin besteht, die Integration von Flüchtlingen als solche zu gewährleisten, sondern darin, die Anwendung gemeinsamer Kriterien für die Bestimmung von Personen, die Schutz benötigen, zu formulieren und diesen Personen ein Mindestmaß an Leistungen in allen Mitgliedstaaten zu garantieren (einheitlicher Status)(74).

90.      Dies vorausgeschickt, sind die Erwägungen des Gerichtshofs in diesen beiden Rechtssachen zur Nützlichkeit und Notwendigkeit des Erwerbs von Kenntnissen der Sprache und der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats für den Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Bildungssystem grundsätzlich allgemeingültig und können auf alle Drittstaatsangehörigen angewandt werden, unabhängig von ihrem Status. Diese Erwägungen gelten somit auch in Bezug auf Flüchtlinge. Da Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie im Gegensatz zu den Bestimmungen der Richtlinien 2003/109 und 2003/86 ein Recht auf Zugang zu Integrationsmaßnahmen enthält, ist zwischen der Verpflichtung zur Teilnahme an einer Integrationsprüfung und der Verpflichtung zum Bestehen einer solchen Prüfung zu unterscheiden.

b)      Verpflichtung zur Teilnahme an einer Integrationsprüfung

91.      Wenn nun ein Flüchtling ein Recht auf Zugang zu Integrationsprogrammen hat, kann eine Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen und zur Teilnahme an einer Prüfung in gewissem Maße den Erwerb der in diesen Kursen gewonnenen Kenntnisse fördern und damit die Integration erleichtern. Für den Flüchtling bedeutet die Vorbereitung auf eine Prüfung, dass er sich Kenntnisse aneignet und motiviert wird, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen. Für den Mitgliedstaat ist die Durchführung von Prüfungen ein Mittel, um zu beurteilen, ob jemand das in einem Kurs vermittelte Wissen verinnerlicht hat. Daher kann die Durchführung von Prüfungen ein nützliches Instrument sein, um die Effektivität der Kurse zu evaluieren und zu überwachen – dies umso mehr, wenn diese Kurse aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Darüber hinaus kann sich dies als ein nützliches Instrument erweisen, das es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Rückmeldungen über die Integrationsfähigkeiten und Kenntnisse nicht nur von Flüchtlingen als Gruppe, sondern auch von den einzelnen Flüchtlingen zu erhalten, um ihnen maßgeschneiderte Lösungen anbieten zu können.

92.      Daher würde ich der Ansicht zustimmen, dass die Teilnahme an Prüfungen im Rahmen von Integrationskursen zum Lernprozess beitragen und somit die Integration von Flüchtlingen erleichtern kann. Ich meine, dass in einem solchen Fall die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten von den Flüchtlingen verlangen, am Ende des Programms eine Prüfung abzulegen, für sich betrachtet nicht geeignet ist, die Verwirklichung der Ziele der Qualifikationsrichtlinie zu gefährden, vorausgesetzt, dass die Frist für die Prüfungen und der geforderte Arbeitsaufwand die tatsächliche Ausübung der anderen durch die Qualifikationsrichtlinie garantierten Rechte und Leistungen nicht beeinträchtigen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht auch zu beurteilen hat, ob die Verpflichtung, die Prüfung innerhalb von drei Jahren abzulegen, wie dies derzeit nach der in Rede stehenden nationalen Regelung der Fall ist, angemessen ist, wobei Aspekte wie erstens der Inhalt, der Umfang und die Relevanz der in den Kursen vermittelten Kenntnisse, zweitens die Fähigkeit des Betroffenen, sich diese Kenntnisse anzueignen, drittens die für den Erwerb dieser Kenntnisse erforderliche Zeit und viertens die Frage zu berücksichtigen ist, ob die Prüfung selbst so strukturiert und organisiert ist, dass der Prüfling die erworbenen Kenntnisse nachweisen kann.

93.      Im Gegensatz zu den Bestimmungen der Richtlinien 2003/109 und 2003/86 enthält Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie jedoch eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Integrationsprogramme so weit wie möglich auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge abzustimmen(75), was bedeutet, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie beschließen, solche Prüfungen abzuhalten, deren Inhalt und die Fristen hierfür an diese Bedürfnisse anpassen sollten, was möglicherweise eine Anpassung der Prüfungsmethoden erfordert.

94.      Daraus folgt, dass die Verpflichtung, eine Prüfung abzulegen, ein Mittel sein kann, um sicherzustellen, dass der Betreffende Kenntnisse erwirbt, die für Flüchtlinge zweifellos nützlich sind, um Verbindungen zum Aufnahmemitgliedstaat herzustellen. Daher lässt sich feststellen, dass die Pflicht, eine Prüfung abzulegen, für sich genommen die Verwirklichung der mit der Qualifikationsrichtlinie verfolgten Ziele nicht gefährdet, sondern vielmehr hierzu beitragen kann(76). In Anbetracht des oben gennannten Ziels der Prüfung sollte den Flüchtlingen jedoch meines Erachtens die Prüfungsgebühr erlassen werden. Auch wenn im vorliegenden Fall die einmalige Ablegung der Prüfung 290 Euro kostet, wird sich der Betrag bei Wiederholungsprüfungen erhöhen(77), was wahrscheinlich bedeutet, dass Flüchtlinge in dieser Situation weniger Mittel für die Ausübung anderer Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie zur Verfügung haben werden.

95.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den beiden oben genannten Urteilen – P und S(78) sowie K und A(79) – festgestellt hat, dass die Höhe der Gebühren für die Integrationsprüfung die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2003/109 verfolgten Ziels der Integration von Drittstaatsangehörigen und die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung gemäß der Richtlinie 2003/86 gefährden kann, wodurch diesen Richtlinien die praktische Wirksamkeit genommen wird(80). In diesen beiden Rechtssachen ging es um die Zahlung einer Geldbuße zur Ahndung des Verstoßes gegen die Pflicht zur erfolgreichen Ablegung der Integrationsprüfung zusätzlich zur Zahlung der Gebühren für die wahrgenommenen Prüfungstermine. Diese Urteile sind daher für Flüchtlinge von Bedeutung, die möglicherweise Schwierigkeiten haben, die Prüfungsgebühren einmal oder mehrmals zu bezahlen. Da das Recht auf Zugang zu Integrationsprogrammen ein Recht ist, das Flüchtlingen durch die Qualifikationsrichtlinie zuerkannt wird, nimmt eine Gebühr für die Teilnahme an einer Prüfung Art. 34 seine praktische Wirksamkeit.

c)      Verpflichtung zum Bestehen einer Integrationsprüfung

96.      Hinsichtlich der Verpflichtung, eine Integrationsprüfung zu bestehen, sieht das niederländische Recht im Wesentlichen vor, dass Flüchtlinge innerhalb einer bestimmten Frist eine Prüfung über ihre Kenntnisse der niederländischen Sprache und Gesellschaft bestehen müssen.

97.      Es ist darauf hinzuweisen, dass sich der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung mit den erforderlichen Integrationsvoraussetzungen für den Erwerb der Rechtsstellung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen und für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung befasst hat(81). Im vorliegenden Fall können die Integrationsprüfungen jedoch nur als ein Mittel zur Verbesserung der Fähigkeiten und Kenntnisse der betreffenden Person im Rahmen der Ausübung ihrer Rechte gemäß Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie verstanden werden. Wie bereits erwähnt, hat die Verpflichtung, an Integrationsprüfungen teilzunehmen und diese zu bestehen, auf den Erwerb des Flüchtlingsstatus keinen Einfluss. Folglich können, wie die Kommission feststellt, Erwägungen, die sich aus der Rechtsprechung zu den Richtlinien 2003/109 und 2003/86 ergeben, insofern nicht sinngemäß auf die Qualifikationsrichtlinie übertragen werden.

98.      Eine Verpflichtung zum Bestehen einer Prüfung setzt voraus, dass eine Mindestpunktzahl festgesetzt wird, die erreicht werden muss, um die Prüfung erfolgreich zu bestehen. Im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie darf die Auferlegung einer solchen Mindestpunktzahl nicht dazu führen, dass das Recht auf Zugang zu Integrationsprogrammen – und auf deren erfolgreichen Abschluss – übermäßig erschwert oder unmöglich gemacht wird. Die Folgen, die sich aus einem Verstoß gegen die Pflicht, eine Prüfung mit der Mindestpunktzahl zu bestehen, ergeben, können für die Flüchtlinge demotivierend oder abschreckend sein und somit ihre Integration in der Praxis behindern.

99.      In seiner Anmerkung über die Integration von Flüchtlingen in der Europäischen Union betonte der UNHCR, dass die Einführung strenger Sprachtests und Prüfungen zur Geschichte und Kultur des Aufnahmestaats zu einer Benachteiligung bestimmter Kategorien von Flüchtlingen, insbesondere älterer Menschen oder Analphabeten, führen kann(82).

100. In Anbetracht dieser Erwägungen sind die Mitgliedstaaten nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie meines Erachtens nicht befugt, von den Flüchtlingen zu verlangen, dass sie in Integrationsprüfungen als Nachweis der Integration eine bestimmte Mindestpunktzahl erreichen. Folglich kann der Umstand, dass ein Mitgliedstaat das Bestehen einer Prüfung der Kenntnisse der Sprache oder der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats vorschreibt, nicht als Maßnahme angesehen werden, die zur Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie beiträgt.

101. Darüber hinaus impliziert das Erfordernis des Bestehens einer Integrationsprüfung meines Erachtens notwendigerweise die Verhängung einer (finanziellen oder sonstigen) Sanktion, um sicherzustellen, dass das Bestehen der Prüfung unverzichtbar ist. Auf diesen Aspekt werde ich im Folgenden eingehen.

2.      Die Sanktionen: Verpflichtung zur Zahlung der Geldbuße und Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens

102. Das Sanktionssystem umfasst zwei Aspekte. Erstens wird das Nichtbestehen der Integrationsprüfung mit einer Geldbuße von bis zu 1 250 Euro geahndet, deren Anordnung vom Minister wiederholt werden kann. Im vorliegenden Fall verhängte der Minister indes gegen T.G. eine Geldbuße von 500 Euro, und in den Akten findet sich kein Hinweis auf eine erneute Verhängung dieser Geldbuße. Daher geht es im vorliegenden Fall weder um den Höchstbetrag der Geldbuße noch um ihre wiederholte Verhängung. Zweitens besteht eine Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens bis zu einem Höchstbetrag von 10 000 Euro. Sie wird vom nationalen Gericht zwar nicht als „Sanktion“ eingestuft, kann aber zu einer solchen werden, wenn der Flüchtling die Integrationsprüfung nicht rechtzeitig besteht, und unter diesen Umständen hat sie Strafcharakter. Diese beiden „Sanktionen“ bestehen nebeneinander und werden kumulativ verhängt. Im vorliegenden Fall ist T.G. zwar seit Dezember 2021 aufgrund seiner Bemühungen von der Integrationspflicht befreit, die beiden finanziellen Sanktionen bleiben jedoch bestehen.

103. Zunächst möchte ich daran erinnern, dass, wie auch der UNHCR betont, aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen keine Sanktionen gegen Personen verhängt werden sollten, die eine Integrationsprüfung nicht bestehen. Die Verfasser der Genfer Konvention hatten ausdrücklich nicht die Absicht, den Flüchtlingen Zwang oder eine Verpflichtung aufzuerlegen(83). Bei der Auslegung von Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie sollte das Fehlen von Zwang Richtschnur sein(84). Das Fehlen von Zwang bedeutet insbesondere, dass Maßnahmen, die darauf abzielen, die Integration zu erleichtern, keinen Strafcharakter haben dürfen.

104. Was die Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens betrifft, so verpflichtet Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie die Mitgliedstaaten, die „erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen“, die Flüchtlingen Zugang zu Integrationsprogrammen garantieren. Die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten von Integrationskursen und ‑prüfungen für den Fall, dass ein Flüchtling die Integrationsprüfung nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist besteht, hat daher Sanktionscharakter und untergräbt damit das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel. Die am meisten schutzbedürftigen Flüchtlinge, denen es nicht gelingt, die Prüfung rechtzeitig zu bestehen, gehören zu dem Personenkreis, der am stärksten von dieser Sanktionsmaßnahme betroffen ist(85).

105. Der Umstand, dass Flüchtlinge eine Rückzahlungsvereinbarung treffen können, bei der die Leistungsfähigkeit berücksichtigt wird, ist hierbei wenig relevant. Unter diesen Umständen bleibt die Verpflichtung zur Rückzahlung einer beträchtlichen Schuld für die Dauer von höchstens zehn Jahren bestehen, was eine effektive Integration in den Mitgliedstaat gerade behindern kann. Wie die ECRI feststellte, kann die Anwendung eines strafenden Ansatzes bei der Integration mittels Geldbußen und der Rückzahlung hoher Kredite nicht als ein Prozess angesehen werden, der die Integration erleichtern, unterstützen und fördern würde(86).

106. Darüber hinaus führt die Verhängung einer solchen Geldbuße gegen Flüchtlinge zwangsläufig zu einer Verringerung ihrer finanziellen Mittel, was sich negativ auf die Ausübung ihrer in Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie verankerten Rechte auswirken kann, insbesondere, wenn die finanziellen Mittel bereits begrenzt sind.

107. Wie die Kommission festgestellt hat, könnte die von einem Mitgliedstaat unter Androhung einer Geldbuße auferlegte Verpflichtung, eine Integrationsprüfung erfolgreich abzulegen, Drittstaatsangehörige davon abhalten, in dem betreffenden Mitgliedstaat internationalen Schutz zu beantragen, oder zu Sekundärbewegungen in Mitgliedstaaten führen, die eine solche Verpflichtung nicht auferlegen. Eines der Ziele der Qualifikationsrichtlinie besteht jedoch darin, zur Eindämmung der Sekundärmigration zwischen den Mitgliedstaaten beizutragen, wie sich aus dem 13. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt.

108. Sollte der Gerichtshof entscheiden, dass eine Geldbuße zur Ahndung der Verletzung der Pflicht zur erfolgreichen Ablegung der Integrationsprüfung verhängt werden kann, so erscheint jedenfalls der Betrag von 500 Euro unverhältnismäßig und daher unionsrechtswidrig(87).

109. Aus diesen Gründen bin ich der Auffassung, dass die durch einen Mitgliedstaat auferlegte Verpflichtung, die von Flüchtlingen die erfolgreiche Ablegung einer Integrationsprüfung verlangt, die im anderen Fall die Notwendigkeit der Rückzahlung des Darlehens und die Verhängung einer Geldbuße beinhaltet, die Verwirklichung der Ziele der Qualifikationsrichtlinie gefährdet und die praktische Wirksamkeit ihres Art. 34 beeinträchtigt.

IV.    Ergebnis

110. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Raad van State (Staatsrat, Niederlande) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Die Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, und insbesondere Art. 34 dieser Richtlinie,

sind dahin auszulegen, dass sie

–        einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die Flüchtlinge zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichtet, sofern diese Verpflichtung den Zugang zu den ihnen durch diese Richtlinie und insbesondere durch Kapitel VII dieser Richtlinie verliehenen Rechten nicht einschränkt und ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung trägt;

–        einer nationalen Regelung entgegenstehen, die Flüchtlinge verpflichtet, hohe Kosten für Integrationsprogramme zu tragen, ohne dass die nationalen Behörden zuvor eine individuelle Prüfung ihrer finanziellen und sozialen Situation vorgenommen haben, weil eine solche Verpflichtung mit der Verpflichtung, den Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten, unvereinbar ist und nicht die erforderlichen Voraussetzungen schafft, die den Zugang zu diesen Programmen garantieren;

–        einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die von den Flüchtlingen verlangt, eine Integrationsprüfung abzulegen, die mündliche und schriftliche Kenntnisse der Amtssprache des Aufnahmemitgliedstaats sowie Kenntnisse der Gesellschaft dieses Mitgliedstaats umfasst; und

–        einer nationalen Regelung entgegenstehen, die von den Flüchtlingen das Bestehen einer solchen Prüfung unter Androhung der Verpflichtung zur Rückzahlung eines Darlehens und der Zahlung einer Geldbuße verlangt, da dies die Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2011/95 gefährdet und die praktische Wirksamkeit von Art. 34 dieser Richtlinie beeinträchtigt.


1      Originalsprache: Englisch.


i      Die vorliegende Rechtssache ist mit einem fiktiven Namen bezeichnet, der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.


2      Das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) trat am 22. April 1954 in Kraft. Es wurde ergänzt und geändert durch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, das am 31. Januar 1967 in New York geschlossen wurde und am 4. Oktober 1967 in Kraft trat (im Folgenden: Genfer Konvention).


3      In Art. 34 („Einbürgerung“) der Konvention heißt es: „Die vertragschließenden Staaten werden so weit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge erleichtern. Sie werden insbesondere bestrebt sein, Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und die Kosten dieses Verfahrens so weit wie möglich herabzusetzen.“


4      Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9).


5      Im Vorabentscheidungsersuchen und den Vorlagefragen ist, wie aus dieser Vorlage hervorgeht, von „Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz“ die Rede. Tatsächlich hat T.G. den Status eines Flüchtlings, und es erscheint deshalb nicht notwendig, in den vorliegenden Schlussanträgen auf die Situation der subsidiär Schutzberechtigten einzugehen. Art. 1 A Abs. 2 Unterabs. 1 der Genfer Konvention bestimmt, dass der Ausdruck „Flüchtling“ auf jede Person Anwendung findet, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“. Diese Definition wurde in Art. 2 Buchst. d der Qualifikationsrichtlinie übernommen.


6      Urteil vom 4. Juni 2015 (C‑579/13, EU:C:2015:369).


7      Urteil vom 4. Juni 2015 (C‑579/13, EU:C:2015:369, Rn. 48).


8      ABl. 2004, L 16, S. 44.


9      Art. 7 Abs. 2 des Integrationsgesetzes.


10      Vgl. Art. 16 des Integrationsgesetzes.


11      Professor Grahl-Madsen erklärt unter anderem, dass „[w]as in Art. 34 gemeint ist, in der Tat die Schaffung von Grundlagen bzw. Sprungbrettern betrifft, so dass der Flüchtling sich mit der Sprache, den Sitten und der Lebensweise des Volkes, in dem er lebt, vertraut machen kann, damit er – ohne das Gefühl von Zwang – leichter in das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben des Zufluchtslandes integriert werden kann (vgl. Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge [im Folgenden: UNHCR] Commentary on the Refugee Convention 1951 (Art. 2-11, 13-37), Oktober 1997, S. 146).


12      Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 3, 4 und 15 der Qualifikationsrichtlinie.


13      Feller, E., ehemaliger Assistent des Hochkommissars für Schutz beim UNHCR.


14      Urteil vom 4. Juni 2015 (C‑579/13, EU:C:2015:369).


15      Vgl. Rn. 4 der Vorlageentscheidung.


16      Art. 67 Abs. 2 AEUV sieht vor, dass die Union eine gemeinsame Politik u. a. im Bereich Asyl entwickelt. Darüber hinaus sieht Art. 78 Abs. 1 AEUV vor, dass die Union eine gemeinsame Asylpolitik entwickelt, die im Einklang mit der Genfer Konvention steht. Nach Art. 78 Abs. 2 AEUV erlässt der Unionsgesetzgeber Maßnahmen zu diesem Zweck.


17      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2013, Panellinios Syndesmos Viomichanion Metapoiisis Kapnou (C‑373/11, EU:C:2013:567, Rn. 26).


18      Vgl. in diesem Sinne Erwägungsgründe 12 und 40 und Art. 23 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie sowie Urteil vom 24. Juni 2015, T. (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 95, 96 und 97), und vom 14. Mai 2019, M u. a. (Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft) (C‑391/16, C‑77/17 und C‑78/17, EU:C:2019:403, Rn. 91 und 99).


19      Vgl. insbesondere die Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen (KOM[2001] 0510 endgültig). In Bezug auf Art. 31 (der zu Art. 34 der Richtlinie des Rates 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [ABl. 2004, L 304, S. 12] wurde) erklärt die Kommission, dass „benachteiligten Personengruppen, einschließlich Flüchtlingen, nicht nur ein gleichberechtigter Zugang zu Beschäftigung und Bildung eingeräumt werden [muss], sondern … auch gezielte Fördermaßnahmen notwendig [sind]“.


20      In ihrem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (COM[2016] 0466 final) hat der Gesetzgeber dagegen eine Bestimmung eingeführt, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, die Teilnahme von Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz an Integrationsmaßnahmen verbindlich vorzuschreiben (Art. 38 Abs. 2 dieses Vorschlags).


21      Vgl. entsprechend Urteil vom 24. Oktober 2013, Drozdovs (C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 14. September 2017, Delgado Mendes (C‑503/16, EU:C:2017:681, Rn. 47).


22      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2015, P und S (C‑579/13, EU:C:2015:369, Rn. 45). Vgl. auch Art. 4 Abs. 3 EUV, aus dem sich ergibt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus der Qualifikationsrichtlinie ergeben, zu ergreifen, und jede Maßnahme zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie gefährden könnte. Vgl. entsprechend Urteile vom 4. März 2010, Chakroun (C‑578/08, EU:C:2010:117, Rn. 43), im Hinblick auf Familienzusammenführung, und vom 28. April 2011, El Dridi (C‑61/11 PPU, EU:C:2011:268, Rn. 53 bis 55), im Hinblick auf Einwanderung und illegalen Aufenthalt.


23      Urteil vom 10. September 2014, Ben Alaya (C‑491/13, EU:C:2014:2187, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      Siehe oben, Nrn. 41 und 42.


25      Berry, J.W., „Acculturation and adaptation in a new society“, International Migration, Bd. 30, 1992, S. 69 bis 85.


26      In der wissenschaftlichen Literatur wurde ein konzeptioneller Rahmen für die Integration vorgeschlagen, der sich in vier Schlüsselbereiche gliedert: (i) Grundlegende Aspekte: Flüchtlingsstatus, Zugang zu Rechten und Staatsbürgerschaft; (ii) Funktionale Aspekte: Zugang zu Wohnraum, Gesundheit, sozialer Sicherheit, menschenwürdiger Arbeit, Finanzdienstleistungen und Bildung; (iii) Soziale Aspekte: soziale Bindungen und Bindungen innerhalb der Aufnahmegesellschaft, soziale Brücken, Netzwerke, soziale Bindungen; (iv) Förderung in den Bereichen: Sprache, Ausbildung, Beratung, kulturelles Wissen, Sicherheit und Stabilität. Vgl. Ager, A., und Strang, A., „Understanding integration: A conceptual framework“, Journal of Refugee Studies, Bd. 21, 2008, S. 166 bis 191; https://academic.oup.com/jrs/Art./21/2/166/1621262. Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie konkretisiert einige dieser Bereiche in Form von Rechten, die Flüchtlingen gewährt werden.


27      In den Menschenrechtsnormen kann zwischen Verpflichtungen zur Achtung, Verpflichtungen zum Schutz und Verpflichtungen zur Verwirklichung von Rechten unterschieden werden, auch wenn diese Abgrenzung nicht stringent durchgeführt wird. Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie fällt in die dritte Kategorie. Alternativ kann auch zwischen positiven und negativen Verpflichtungen unterschieden werden.


28      Vgl. auch die in Fn. 19 zitierte Begründung zu dem ursprünglichen Vorschlag für die Richtlinie 2004/83, in dem sich die Kommission auf Leitlinie Nr. 7 der Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen für 2001 (Beschluss des Rates 2001/63/EG vom 19. Januar 2001 über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Jahr 2001, ABl. 2001, L 22, S. 18) beruft, wonach „[g]ezielte Programme zur Förderung der Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft der Mitgliedstaaten“ z. B. „einen ‚maßgeschneiderten‘ Aktionsplan für Beschäftigung und Bildung“, „Sprachkurse“, „Grundausbildung und fortgeschrittene Ausbildungskurse“, „[s]pezifische Maßnahmen, damit sie ihren Lebensunterhalt selbst sichern können“, „Veranstaltungen zur Einführung in die Geschichte und Kultur des Mitgliedstaates“ sowie „gemeinsame Veranstaltungen mit Bürgern des Mitgliedstaates, um das gegenseitige Verständnis zu fördern“, umfassen können.


29      Vgl. u. a. Urteil vom 9. November 2021, Bundesrepublik Deutschland (Wahrung des Familienverbands)  (C‑91/20, EU:C:2021:898, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Mai 2019, M u. a. (Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft) (C‑391/16, C‑77/17 und C‑78/17, EU:C:2019:403).


31      Commentary on the Refugee Convention 1951, Art. 2-11, 13-37, veröffentlicht von der Abteilung für internationalen Schutz des UNHCR, 1997, S. 146.


32      Vgl. Professor Grahl-Madsens Kommentar, zitiert in Fn. 11.


33      Vgl. UNHCR, Anmerkung zur Integration von Flüchtlingen in der Europäischen Union 2007, englische Sprachfassung unter: https://www.refworld.org/policy/legalguidance/unhcr/2007/en/41624.


34      Vgl. Art. 52 Abs. 7 der Charta.


35      Lock, T., „Art. 18 CFR“, in: Kellerbauer, M., Klamert, M., Tomkin, J. (Hrsg.), The EU Treaties and the Charter of Fundamental Rights: A Commentary, S. 2154.


36      Es ist zu beachten, dass gemäß dem 16. Erwägungsgrund die Qualifikationsrichtlinie „darauf ab[zielt], die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylsuchende und die sie begleitenden Familienangehörigen sicherzustellen sowie die Anwendung der Artikel 1, 7, 11, 14, 15, 16, 18, 21, 24, 34 und 35 der Charta zu fördern, und … daher entsprechend umgesetzt werden [sollte]“.


37      Urteil vom 24. Juni 2015, T. (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 97).


38      Ebd., Rn. 95.


39      Ebd., Rn. 98.


40      Siehe oben, Nr. 44.


41      Vgl. Art. 31 der Begründung des Kommissionsvorschlags, oben in Fn. 19.


42      Siehe oben, Nr. 44.


43      Vgl. auch den 41. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie.


44      Begründung zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (SEK[2009] 1373) (SEK[2009] 1374)/(KOM[2009] 551 endgültig) – COD 2009/0164/ „Rechtliche Aspekte“, Nr. 7.


45      Ebd.


46      Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen, die internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes – Zusammenfassung der Folgenabschätzung (KOM[2009] 551) (SEK[2009] 1374) in englischer Fassung, S. 33.


47      Ebd.


48      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache P und S (C‑579/13, EU:C:2015:39, Nr. 81).


49      Siehe oben, Nr. 44.


50      Siehe oben, Nrn. 62 und 63.


51      Vgl. die in Fn. 19 zitierte Begründung.


52      Vgl. entsprechend Art. 9 Abs. 4 der Konvention über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, unterzeichnet in Aarhus am 25. Juni 1998 und im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt durch den Beschluss des Rates 2005/370/EG vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1), wonach die nationalen Überprüfungsverfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen (Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy, C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 48).


53      Da es sich um eine Gleichstellungsmaßnahme handelt, sollten außerdem, um eine mögliche Diskriminierung von Flüchtlingen gegenüber diesen Gruppen zu vermeiden, ähnliche Bildungsangebote für Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats oder andere Drittstaatsangehörige (z. B. Arbeitnehmer oder Studenten) berücksichtigt werden, die ebenfalls auf eine Gleichstellung dieser sozialen Gruppen abzielen.


54      Am 28. September 2000 erließ der Rat die Entscheidung 2000/596/EG über die Errichtung eines Europäischen Flüchtlingsfonds als eine Maßnahme der Solidarität, die dazu bestimmt ist, zu einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen der Mitgliedstaaten beizutragen, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen und vertriebenen Personen und den Folgen aus dieser Aufnahme verbunden sind.


55      Vgl. Art. 8 Buchst. d der Verordnung (EU) Nr. 516/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Einrichtung des Asyl‑, Migrations- und Integrationsfonds, zur Änderung der Entscheidung 2008/381/EG des Rates und zur Aufhebung der Entscheidungen Nr. 573/2007/EG und Nr. 575/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Entscheidung 2007/435/EG des Rates (ABl. 2014, L 150, S. 168), wonach aus dem Fonds „umfassende Kurse in Staatsbürgerkunde und Sprachunterricht“ gefördert werden.


56      Siehe oben, Nr. 44.


57      Was insbesondere die Frage der praktischen Wirksamkeit betrifft, hatte der Gerichtshof im Urteil P und S in Bezug auf nach der Richtlinie 2003/109 auferlegte Integrationsprüfungen über den Höchstbetrag der Geldbuße für das Nichtbestehen dieser Tests zu entscheiden. Im Rahmen seiner Beurteilung analysierte der Gerichtshof die Einschreibungsgebühren für die Prüfungsversuche, die möglichen Vorbereitungskosten und die Tatsache, dass diese Kosten im Fall des Nichtbestehens der Prüfung nicht erstattet wurden. In dieser Rechtssache entschied der Gerichtshof, dass die Zahlung einer Geldbuße zusätzlich zu den Kosten für die wahrgenommenen Prüfungstermine die Verwirklichung der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele gefährden und dieser damit ihre praktische Wirksamkeit nehmen könnte. Vgl. Urteil vom 4. Juni 2015, P und S (C‑579/13, EU:C:2015:369, Rn. 54). Im Urteil vom 9. Juli 2015, K und A (C‑153/14, EU:C:2015:453), prüfte der Gerichtshof die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. 2003, L 251, S. 12) und die nach niederländischem Recht bestehende Verpflichtung zur erfolgreichen Ablegung einer Basis-Integrationsprüfung im Ausland vor der Einreise in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats. Was insbesondere die Kosten betrifft, entschied der Gerichtshof, dass es den Mitgliedstaaten zwar freistehe, von Drittstaatsangehörigen zu verlangen, dass sie die Kosten tragen, und die Höhe dieser Kosten festzusetzen, diese dürfe dabei jedoch nicht den Zweck oder die Wirkung haben, die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung übermäßig zu erschweren oder unmöglich zu machen.


58      Vgl. entsprechend die Rechtsprechung betreffend die individuelle Leistungsfähigkeit im Hinblick auf den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 47 der Charta. Wie Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Edwards ausgeführt hat (C‑260/11, EU:C:2012:645, Nr. 38), kann Prozesskostenhilfe sogar zwingend geboten sein, wenn die prinzipiell zulässigen Kostenrisiken aufgrund beschränkter Leistungsfähigkeit des Betroffenen ein unüberwindliches Hindernis für den Zugang zum Recht darstellen. Vgl. auch die im Urteil vom 22. Dezember 2010 zitierte Rechtsprechung, DEB (C‑279/09, EU:C:2010:811, Rn. 60 und 61), und den Beschluss vom 13. Juni 2012, GREP (C‑156/12, EU:C:2012:342, Rn. 40 ff.).


59      Eine nachträgliche Bewertung der finanziellen Leistungsfähigkeit kann auch das Recht des Flüchtlings auf Ausübung anderer Rechte, wie z. B. des Rechts auf Arbeit, berühren, da die Berücksichtigung seiner finanziellen Situation nach Abschluss des Integrationsprogramms sein wirtschaftliches und soziales Wohlergehen beeinträchtigen kann.


60      Vgl. den 16. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie.


61      Die in Fn. 19 zitierte Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie.


62      ECRI-Schlussfolgerungen vom 3. März 2022 zu den Niederlanden (CRI[2022] 03), S. 4, unter: https://www.coe.int/en/web/european-Kommission-against-racism-and-intolerance/netherlands.


63      Ebd.


64      Siehe oben, Nrn. 49, 62, 63 und 65.


65      Vgl. entsprechend Urteil vom 24. Juni 2015, T. (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 47 und 48), in dem der Gerichtshof feststellte, dass der Umstand, dass der Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 die Möglichkeit des Widerrufs eines zuvor ausgestellten Aufenthaltstitels nicht ausdrücklich ausschließt, eines der Argumente für eine Auslegung ist, wonach es den Mitgliedstaaten erlaubt ist, auf eine solche Maßnahme zurückzugreifen.


66      Vgl. entsprechend Urteil vom 24. Juni 2015, T. (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 98).


67      Urteil vom 4. Juni 2015 (C‑579/13, EU:C:2015:369).


68      Ebd., Rn. 47.


69      Ebd., Rn. 47, 48 und 50.


70      Urteil vom 9. Juli 2015 (C‑153/14, EU:C:2015:453).


71      Urteil vom 4. Juni 2015 (C‑579/13, EU:C:2015:369).


72      Urteil vom 9. Juli 2015 (C‑153/14, EU:C:2015:453).


73      Sie beantragten diese Rechtsstellung zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 1. Januar 2010.


74      Urteil vom 14. Mai 2019, M u. a. (Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft), (C‑391/16, C‑77/17 und C‑78/17, EU:C:2019:403, Rn. 79).


75      Siehe oben, Nrn. 49, 62, 63 und 65.


76      Vgl. entsprechend Urteil vom 4. Juni 2015, P und S (C‑579/13, EU:C:2015:369, Rn. 48).


77      Aus den Akten geht nämlich hervor, dass die Prüfungsgebühr bei jedem Prüfungsversuch gezahlt wird.


78      Urteil vom 4. Juni 2015 (C‑579/13, EU:C:2015:369, Rn. 54).


79      Urteil vom 9. Juli 2015 (C‑153/14, EU:C:2015:453, Rn. 69).


80      Vgl. Urteile vom 4. Juni 2015, P und S (C‑579/13, EU:C:2015:369, Rn. 54), und vom 9. Juli 2015, K und A (C‑153/14, EU:C:2015:453, Rn. 69).


81      Ebd.


82      Hinweis zur Integration von Flüchtlingen in der Europäischen Union, Mai 2007, englische Sprachfassung unter: https://www.refworld.org/policy/legalguidance/unhcr/2007/en/41624.


83      Vgl. den oben in Fn. 11 zitierten Kommentar.


84      Siehe oben, Nr. 54.


85      Medienberichten zufolge schafft es die Hälfte der Flüchtlinge und Migranten nicht, die Integrationsanforderungen rechtzeitig zu erfüllen, d. h. innerhalb der drei Jahre, die für die erfolgreiche Ablegung der Integrationsprüfung vorgesehen sind; vgl. https://nos.nl/artikel/2100445-helft-nieuwkomers-haalt-inburgeringsexamen-niet.


86      Siehe oben, Nr. 80.


87      Urteil vom 4. Juni 2015, P und S (C‑579/13, EU:C:2015:369, Rn. 51 bis 54).

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