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Document 62021CJ0529

    Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 4. Mai 2023.
    OP u. a. gegen Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ kam Ministerstvo na vatreshnite raboti.
    Vorabentscheidungsersuchen des Rayonen sad - Kula.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Arbeitszeitgestaltung – Richtlinie 2003/88/EG – Art. 1 Abs. 3 – Anwendungsbereich – Art. 8 – Art. 12 – Sicherheit und Gesundheitsschutz von Nachtarbeitern bei der Arbeit – Schutz für Nacharbeiter in einem Maß, das der Art ihrer Arbeit Rechnung trägt – Richtlinie 89/391/EWG – Art. 2 – Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor und Arbeitnehmer im privaten Sektor – Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Gleichbehandlung.
    Verbundene Rechtssachen C-529/21 bis C-536/21 und C-732/21 bis C-738/21.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:374

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

    4. Mai 2023 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Arbeitszeitgestaltung – Richtlinie 2003/88/EG – Art. 1 Abs. 3 – Anwendungsbereich – Art. 8 – Art. 12 – Sicherheit und Gesundheitsschutz von Nachtarbeitern bei der Arbeit – Schutz für Nacharbeiter in einem Maß, das der Art ihrer Arbeit Rechnung trägt – Richtlinie 89/391/EWG – Art. 2 – Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor und Arbeitnehmer im privaten Sektor – Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Gleichbehandlung“

    In den verbundenen Rechtssachen C‑529/21 bis C‑536/21 und C‑732/21 bis C‑738/21

    betreffend 15 Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Rayonen sad – Kula (Rayongericht Kula, Bulgarien) mit Entscheidungen vom 10. August 2021 bzw. 18. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 25. August 2021 bzw. 30. November 2021, in den Verfahren

    OP (C‑529/21),

    MN (C‑530/21),

    KL (C‑531/21),

    IJ (C‑532/21),

    GH (C‑533/21),

    EF (C‑534/21),

    CD (C‑535/21),

    AB (C‑536/21),

    AB (C‑732/21),

    BC (C‑733/21),

    CD (C‑734/21),

    DE (C‑735/21),

    EF (C‑736/21),

    FG (C‑737/21),

    GH (C‑738/21)

    gegen

    Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ kam Ministerstvo na vatreshnite raboti

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb, des Richters T. von Danwitz und der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),

    Generalanwalt: A. Rantos,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Drambozova, D. Recchia und C. Valero als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 und Art. 12 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) sowie von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. 1989, L 183, S. 1).

    2

    Sie ergehen im Rahmen von 15 Rechtsstreitigkeiten zwischen, auf der einen Seite, Beamten eines Rayonamts der Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ kam Ministerstvo na vatreshnite raboti (Generaldirektion „Brandsicherheit und Bevölkerungsschutz“ des Ministeriums für Innere Angelegenheiten, Bulgarien) und, auf der anderen Seite, dieser Generaldirektion über die Anrechnung und Vergütung der von diesen Beamten geleisteten Nachtarbeitsstunden.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 2003/88

    3

    Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2003/88 bestimmt:

    „(1)   Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.

    (2)   Gegenstand dieser Richtlinie sind

    a)

    die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie

    b)

    bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus.

    (3)   Diese Richtlinie gilt unbeschadet ihrer Artikel 14, 17, 18 und 19 für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie [89/391].

    …“

    4

    Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2003/88 bestimmt:

    „Im Sinne dieser Richtlinie sind:

    3.   Nachtzeit: jede, in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegte Zeitspanne von mindestens sieben Stunden, welche auf jeden Fall die Zeitspanne zwischen 24 Uhr und 5 Uhr umfasst;

    4.   Nachtarbeiter:

    a)

    einerseits: jeder Arbeitnehmer, der während der Nachtzeit normalerweise mindestens drei Stunden seiner täglichen Arbeitszeit verrichtet;

    b)

    andererseits: jeder Arbeitnehmer, der während der Nachtzeit gegebenenfalls einen bestimmten Teil seiner jährlichen Arbeitszeit verrichtet, der nach Wahl des jeweiligen Mitgliedstaats festgelegt wird:

    i)

    nach Anhörung der Sozialpartner in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder

    ii)

    in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler oder regionaler Ebene;

    5.   Schichtarbeit: jede Form der Arbeitsgestaltung kontinuierlicher oder nicht kontinuierlicher Art mit Belegschaften, bei der Arbeitnehmer nach einem bestimmten Zeitplan, auch im Rotationsturnus, sukzessive an den gleichen Arbeitsstellen eingesetzt werden, so dass sie ihre Arbeit innerhalb eines Tages oder Wochen umfassenden Zeitraums zu unterschiedlichen Zeiten verrichten müssen;

    6.   Schichtarbeiter: jeder in einem Schichtarbeitsplan eingesetzte Arbeitnehmer;

    …“

    5

    Art. 8 („Dauer der Nachtarbeit“) der Richtlinie 2003/88 lautet:

    „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit:

    a)

    die normale Arbeitszeit für Nachtarbeiter im Durchschnitt acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreitet;

    b)

    Nachtarbeiter, deren Arbeit mit besonderen Gefahren oder einer erheblichen körperlichen oder geistigen Anspannung verbunden ist, in einem 24-Stunden-Zeitraum, während dessen sie Nachtarbeit verrichten, nicht mehr als acht Stunden arbeiten.

    Zum Zweck von Buchstabe b) wird im Rahmen von einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten oder von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern festgelegt, welche Arbeit unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Nachtarbeit und der ihr eigenen Risiken mit besonderen Gefahren oder einer erheblichen körperlichen und geistigen Anspannung verbunden ist.“

    6

    Art. 12 („Sicherheits- und Gesundheitsschutz“) der Richtlinie 2003/88 bestimmt:

    „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit:

    a)

    Nacht- und Schichtarbeitern hinsichtlich Sicherheit und Gesundheit in einem Maß Schutz zuteilwird, das der Art ihrer Arbeit Rechnung trägt;

    b)

    die zur Sicherheit und zum Schutz der Gesundheit von Nacht- und Schichtarbeitern gebotenen Schutz- und Vorsorgeleistungen oder ‑mittel denen für die übrigen Arbeitnehmer entsprechen und jederzeit vorhanden sind.“

    Richtlinie 89/391

    7

    Art. 2 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 89/391 bestimmt:

    „(1)   Diese Richtlinie findet Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche (gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische, verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene, kulturelle und Freizeittätigkeiten usw.).

    (2)   Diese Richtlinie findet keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen.

    In diesen Fällen ist dafür Sorge zu tragen, dass unter Berücksichtigung der Ziele dieser Richtlinie eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet ist.“

    Bulgarisches Recht

    Arbeitsgesetzbuch

    8

    Art. 140 des Kodeks na truda (Arbeitsgesetzbuch) (DV Nr. 26 vom 1. April 1986 und DV Nr. 27 vom 4. April 1986) in seiner auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: Arbeitsgesetzbuch) bestimmt:

    „(1)   Die regelmäßige wöchentliche Dauer der Nachtarbeit darf bei einer Arbeitswoche von fünf Arbeitstagen 35 Stunden nicht überschreiten. Die regelmäßige tägliche Dauer der Nachtarbeit darf bei einer Woche von fünf Arbeitstagen sieben Stunden nicht überschreiten.

    (2)   Nachtarbeit ist die Arbeit, die zwischen 22 Uhr und 6 Uhr geleistet wird; bei Arbeitnehmern unter 16 Jahren erstreckt sich dieser Zeitraum von 20 Uhr bis 6 Uhr.

    …“

    9

    Art. 143 des Arbeitsgesetzbuchs bestimmt:

    „(1)   Überstunden sind die Arbeit, die der Arbeitnehmer außerhalb der für ihn vorgesehenen Arbeitszeit auf Verlangen des Arbeitgebers oder des Vorgesetzten leistet oder wenn dieser davon Kenntnis hat und dem nicht widerspricht.

    …“

    Gesetz über das Ministerium für Innere Angelegenheiten

    10

    Art. 142 des Zakon za Ministerstvo na vatreshnite raboti (Gesetz über das Ministerium für Innere Angelegenheiten) vom 28. Mai und 19. Juni 2014 (DV Nr. 53 vom 27. Juni 2014, S. 2) in seiner auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über das Ministerium für Innere Angelegenheiten) bestimmt:

    „(1)   Bedienstete des Innenministeriums sind:

    1.

    Polizeibeamte und Beamte der Generaldirektion ‚Brandsicherheit und Bevölkerungsschutzschutz‘;

    2.

    Beamte;

    3.

    Vertragsbedienstete.

    …“

    11

    Art. 187 des Gesetzes über das Ministerium für Innere Angelegenheiten sah in seiner vor dem Inkrafttreten des Zakon za izmenenie i dopalnenie na zakona za Ministerstvo na vatreshnite raboti (Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über das Ministerium für Innere Angelegenheiten) vom 11. Juni und 1. Juli 2020 (DV Nr. 60 vom 7. Juli 2020, S. 3) geltenden Fassung vor:

    „(1)   Die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit für Beamte des Innenministeriums beträgt acht Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche bei einer Arbeitswoche von fünf Tagen.

    (3)   Die Arbeitszeit der Beamten wird in Arbeitstagen auf einer täglichen Grundlage berechnet und dabei für diejenigen, die Schichtarbeit im Umfang von acht, 12 oder 24 Stunden leisten, über einen Zeitraum von drei Monaten angerechnet. Eine Schicht mit einer Dauer von 24 Stunden stellt eine Ausnahme dar. … Bei Schichtarbeit kann Nachtarbeit von 22 Uhr bis 6 Uhr geleistet werden, wobei die Arbeitszeit im Durchschnitt acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreiten darf.

    (9)   Die Einzelheiten betreffend die Organisation und Aufteilung der Arbeitszeit sowie die Anrechnung der Arbeitszeit, das Entgelt für Beamte für außerhalb der normalen Arbeitszeit geleistete Arbeit, die Dienstregelung, die Ruhezeit und den Urlaub der Beamten werden durch Verordnung des Innenministers festgelegt.

    …“

    12

    In Art. 187 des Gesetzes über das Ministerium für Innere Angelegenheiten in seiner ab dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über das Ministerium für Innere Angelegenheiten vom 11. Juni und 1. Juli 2020 geltenden Fassung heißt es:

    „(1)   Die normale Dauer der Arbeitszeit für Beamte des Innenministeriums beträgt acht Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche bei einer Arbeitswoche von fünf Tagen. Die normale Dauer der Nachtarbeit beträgt acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum. Nachtarbeit ist die Arbeit, die zwischen 22 Uhr und 6 Uhr geleistet wird.

    (2)   Für Beamte, die ihre Aufgaben unter besonderen Bedingungen erfüllen und dabei Gefahren für Leben und Gesundheit ausgesetzt sind, wird eine ermäßigte Arbeitszeit festgelegt.

    (3)   Die Arbeitszeit der Beamten wird in Arbeitstagen auf einer täglichen Grundlage berechnet und dabei für diejenigen, die Schichtarbeit im Umfang von acht, 12 oder 24 Stunden leisten, über einen Zeitraum von drei Monaten angerechnet. Eine Schicht mit einer Dauer von 24 Stunden stellt eine Ausnahme dar.

    (10)   Die Einzelheiten betreffend die Organisation und Aufteilung der Arbeitszeit sowie die Anrechnung der Arbeitszeit, das Entgelt für Beamte für außerhalb der normalen Arbeitszeit geleistete Arbeit, die Dienstregelung, die Ruhezeit und den Urlaub der Beamten im Sinne von Art. 142 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 werden durch Verordnung des Innenministers festgelegt.“

    13

    Art. 188 Abs. 2 dieses Gesetzes ist wie folgt gefasst:

    „Die Beamten des Innenministeriums, die in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr Arbeit verrichten, genießen den besonderen Schutz nach dem Arbeitsgesetzbuch.“

    Vom Innenminister gemäß Art. 187 des Gesetzes über das Ministerium für Innere Angelegenheiten erlassene Verordnungen

    14

    Art. 3 Abs. 3 der Naredba Nr. 8121z-776 (Verordnung Nr. 8121z-776) vom 29. Juli 2016 (DV Nr. 60 vom 2. August 2016, S. 16), die am 14. Januar 2020 aufgehoben wurde, sah vor:

    „Die Beamten des Innenministeriums können verpflichtet werden, auch in der Nacht zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Arbeit zu verrichten, wobei die geleisteten Stunden im Durchschnitt acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreiten dürfen.“

    15

    In Art. 3 Abs. 2 der Naredba Nr. 8121z-36 (Verordnung Nr. 8121z-36) vom 7. Januar 2020 (DV Nr. 3 vom 10. Januar 2020, S. 3), die am 21. Oktober 2020 aufgehoben wurde, hieß es:

    „Die Beamten des Innenministeriums können verpflichtet werden, auch in der Nacht zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Arbeit zu verrichten, wobei die geleisteten Stunden im Durchschnitt acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreiten dürfen.“

    16

    Art. 3 Abs. 2 der Naredba Nr. 8121z-1174 (Verordnung Nr. 8121z-1174) vom 21. Oktober 2020 (DV Nr. 93 vom 30. Oktober 2020), die am 15. Dezember 2020 aufgehoben wurde, bestimmte:

    „Die Beamten des Innenministeriums können verpflichtet werden, auch in der Nacht zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Arbeit zu verrichten, wobei die geleisteten Stunden im Durchschnitt acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreiten dürfen.“

    Verordnung über die Struktur und Organisation des Arbeitsentgelts

    17

    Art. 8 der Naredba za strukturata i organizatsiata na rabotnata zaplata (Verordnung über die Struktur und Organisation des Arbeitsentgelts) vom 17. Januar 2007 (DV Nr. 9 vom 26. Januar 2007, S. 2) lautete:

    „Für jede Stunde oder jeden Bruchteil einer zwischen 22 Uhr und 6 Uhr geleisteten Nachtarbeit erhalten die Arbeitnehmer ein zusätzliches Nachtarbeitsentgelt in Höhe von mindestens 0,25 bulgarischen Leva [(BGN)] (etwa 0,13 Euro).“

    18

    Diese Bestimmung sieht in ihrer ab dem Inkrafttreten des Postanovlenie za izmenenie na Naredbata za strukturata i organizatsiata na rabotnata zaplata (Erlass zur Änderung der Verordnung über die Struktur und Organisation des Arbeitsentgelts) vom 21. Juli 2020 (DV Nr. 66 vom 24. Juli 2020, S. 7) geltenden Fassung vor:

    „Für jede Stunde oder jeden Bruchteil einer zwischen 22 Uhr und 6 Uhr geleisteten Nachtarbeit erhalten die Arbeitnehmer ein zusätzliches Nachtarbeitsentgelt in Höhe von mindestens 0,15 % des nationalen Mindestlohns, jedoch nicht weniger als 1 BGN.“

    19

    Art. 9 Abs. 2 der Verordnung über die Struktur und Organisation des Arbeitsentgelts bestimmt:

    „Gemäß den Berechnungsmethoden zur Zusammenrechnung der Arbeitszeit werden die Stunden der Nachtarbeit in Stunden der Tagarbeit umgerechnet, und zwar durch Anwendung eines für den jeweiligen Arbeitsplatz festgelegten Koeffizienten, der dem Verhältnis zwischen der normalen Dauer der Tagarbeitszeit und der Nachtarbeitszeit entspricht.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    20

    Die Kläger der Ausgangsverfahren sind Beamte und nehmen die Aufgaben von Feuerwehrleuten im Rayonamt Kula (Bulgarien) der Generaldirektion „Brandsicherheit und Bevölkerungsschutz“ des Innenministeriums wahr.

    21

    Die Ausgangsverfahren beziehen sich auf den Zeitraum vom 31. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2020, in dem die Kläger der Ausgangsverfahren Arbeit im Rahmen von 24-Stunden-Schichten leisteten, wobei diese Stunden vierteljährlich abgerechnet wurden. In diesem Zeitraum leisteten die Kläger der Ausgangsverfahren zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Nachtarbeit und verrichteten dabei acht Stunden Nachtarbeit pro 24-Stunden-Zeitraum.

    22

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die allgemeine Regelung der Nachtarbeit im bulgarischen Recht im Arbeitsgesetzbuch enthalten sei, das zum einen vorsehe, dass Nachtarbeit sieben Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreiten dürfe, und zum anderen, dass Überstunden, die eine außerhalb der vorgesehenen Arbeitszeit geleistete Arbeit darstellten, zu einer Erhöhung des Entgelts führten, die sich auf 50 % zu belaufen scheint.

    23

    Nach der im Gesetz über das Ministerium für Innere Angelegenheiten vorgesehenen Sonderregelung für Nachtarbeit betrage die normale Dauer der Nachtarbeit dagegen acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum; zwar sehe diese Regelung wie die allgemeine Regelung für Nachtarbeit vor, dass unter Überstunden die Arbeit zu verstehen sei, die außerhalb der vorgesehenen Arbeitszeit geleistet werde, doch führe die normale achtstündige Arbeitszeit nur zu einem Zuschlag von 0,25 BGN pro Stunde.

    24

    Die Kläger der Ausgangsverfahren machen geltend, soweit die Nachtarbeit dem Unterschied zwischen der für die Kläger geltenden normalen Dauer der Nachtarbeit und der für Arbeitnehmer im privaten Sektor geltenden normalen Dauer der Nachtarbeit, nämlich einer Stunde, entspreche, stelle diese Arbeit Überstunden dar. Diese Überstunden führten aber nicht zu einer Erhöhung des Entgelts, wie sie im Arbeitsgesetzbuch vorgesehen sei. Die im Gesetz über das Ministerium für Innere Angelegenheiten vorgesehene Sonderregelung für Nachtarbeit sehe nämlich lediglich vor, dass die Nachtarbeit zu einem zusätzlichen Entgelt von 0,25 BGN pro Stunde führe. Die Kläger der Ausgangsverfahren sind daher der Ansicht, dass die im Gesetz über das Ministerium für Innere Angelegenheiten vorgesehene Methode zur Berechnung des Entgelts für Nachtarbeit diskriminierend sei und dass ihnen gegenüber die günstigere Regelung, d. h. die allgemeine Regelung, angewandt werden müsse.

    25

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Kläger der Ausgangsverfahren, bei denen es sich um Beamte eines Rayonamts der Generaldirektion „Brandsicherheit und Bevölkerungsschutz“ des Innenministeriums handele, im Vergleich zu Arbeitnehmern, deren Arbeit der allgemeinen Nachtarbeitsregelung des Arbeitsgesetzbuchs unterliege, bestimmte Vergünstigungen wie längeren bezahlten Urlaub oder höhere Ruhestandsabfindungen erhielten.

    26

    Es fragt sich daher, ob auf solche Personen Arbeitsbedingungen angewandt werden können, die in anderer Hinsicht ungünstiger sind, insbesondere im Hinblick darauf, dass die normale Dauer der Nachtarbeit für sie acht Stunden beträgt.

    27

    Unter diesen Umständen hat der Rayonen sad – Kula (Rayongericht Kula, Bulgarien) beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende, in den Rechtssachen C‑529/21 bis C‑536/21 und in den Rechtssachen C‑732/21 bis C‑738/21 gleichlautende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Findet die Richtlinie 2003/88, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen, Anwendung, wenn berücksichtigt wird, dass

    die Richtlinie 2003/88 nach Art. 1 Abs. 3 für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 89/391 gilt;

    die Richtlinie 89/391 nach ihrem Art. 2 Abs. 2 keine Anwendung findet, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen?

    2.

    Sind im Rahmen der Beurteilung, ob die Schutzmittel im Sinne von Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 für eine Kategorie von Arbeitnehmern, die Nachtarbeit verrichten und deren Arbeitszeit die Dauer von sieben Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreitet, den Schutzmitteln entsprechen, die für eine andere Kategorie von Arbeitnehmern geboten werden, die ebenfalls Nachtarbeit verrichten, die die Dauer von acht Stunden nicht überschreitet, aber Privilegien wie mehr bezahlten Urlaub, frühzeitigen Ruhestand, höhere Abfindungen bei Eintreten in den Ruhestand oder eine höhere Zusatzvergütung für das Dienstalter genießen, die Privilegien der zweiten Kategorie von Arbeitnehmern zu berücksichtigen?

    Verfahren vor dem Gerichtshof

    28

    Das vorlegende Gericht hat beantragt, die Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C‑529/21 bis C‑536/21 dem Eilvorabentscheidungsverfahren nach Art. 107 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen.

    29

    Am 9. September 2021 hat der Gerichtshof auf Vorschlag der Berichterstatterin und nach Anhörung des Generalanwalts entschieden, diesem Antrag nicht stattzugeben.

    30

    Mit Entscheidungen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 24. September bzw. vom 16. Dezember 2021 sind die Rechtssachen C‑529/21 bis C‑536/21 und die Rechtssachen C‑732/21 bis C‑738/21 verbunden und ist das Verfahren vor dem Gerichtshof bis zur Verkündung des Urteils vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto (C‑262/20, EU:C:2022:117), ausgesetzt worden.

    31

    Das Verfahren ist am 28. Februar 2022 wieder aufgenommen worden.

    32

    Mit Entscheidung des Gerichtshofs vom 13. Dezember 2022 sind die Rechtssachen C‑529/21 bis C‑536/21 und die Rechtssachen C‑732/21 bis C‑738/21 zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    33

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2003/88 auf Tätigkeiten wie die der Kläger der Ausgangsverfahren anwendbar ist, bei denen es sich um Beamte handelt, die die Aufgaben von Feuerwehrleuten in der Generaldirektion „Brandsicherheit und Bevölkerungsschutz“ des Innenministeriums wahrnehmen und die als Nachtarbeiter angesehen werden, da zum einen Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88 den Anwendungsbereich dieser Richtlinie unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 2 der Richtlinie 89/391 definiert, zum anderen jedoch die Richtlinie 89/391 nach ihrem Art. 2 keine Anwendung findet, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen.

    34

    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtssachen, mit denen das vorlegende Gericht befasst ist, nur die Anwendung der Richtlinie 2003/88 auf Beamte betreffen, die die Aufgaben von Feuerwehrleuten versehen, die regelmäßig in der Nacht arbeiten. Daher ist, wie die Europäische Kommission es anregt, die erste Frage so zu verstehen, dass mit ihr geklärt werden soll, ob Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 89/391 dahin auszulegen ist, dass die Richtlinie 2003/88 auf die Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor wie Feuerwehrleute, die als Nachtarbeiter angesehen werden, anwendbar ist.

    35

    Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 89/391, auf den dieser Art. 1 Abs. 3 verweist, beide Richtlinien für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche gelten, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit zu verbessern und bestimmte Aspekte der Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu regeln (Urteil vom 3. Mai 2012, Neidel, C‑337/10, EU:C:2012:263, Rn. 20).

    36

    Zweitens folgt daraus, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie 89/391 weit zu verstehen ist, so dass die in Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen eng auszulegen sind. Diese Ausnahmen sind nämlich allein zu dem Zweck erlassen worden, das ordnungsgemäße Funktionieren der Dienste zu gewährleisten, die in Situationen von besonderer Schwere und besonderem Ausmaß für den Schutz der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit und Ordnung unerlässlich sind (Urteil vom 3. Mai 2012, Neidel, C‑337/10, EU:C:2012:263, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    37

    Drittens hat der Gerichtshof entschieden, dass das in Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391 genannte Kriterium zur Ausnahme bestimmter Tätigkeiten vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie und damit auch vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88 nicht auf der Zugehörigkeit der Arbeitnehmer zu einem der in dieser Bestimmung allgemein beschriebenen Tätigkeitsbereichen beruht, sondern ausschließlich auf der spezifischen Natur bestimmter von den Arbeitnehmern in den von dieser Vorschrift umfassten Sektoren wahrgenommener besonderer Aufgaben, die wegen der unbedingten Notwendigkeit, einen wirksamen Schutz des Gemeinwesens zu gewährleisten, eine Ausnahme von den Vorschriften im Bereich des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer rechtfertigt (Urteil vom 15. Juli 2021, Ministrstvo za obrambo, C‑742/19, EU:C:2021:597, Rn. 56).

    38

    Der Gerichtshof hat insoweit festgestellt, dass, selbst wenn mit bestimmten Diensten Ereignisse bewältigt werden müssen, die naturgemäß nicht vorhersehbar sind, die Tätigkeiten, die unter gewöhnlichen Umständen mit diesen Diensten verbunden sind und die im Übrigen genau der diesen Diensten übertragenen Aufgabe entsprechen, gleichwohl im Voraus organisiert werden können, und zwar auch in Bezug auf die Arbeitszeiten ihres Personals (Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a., C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 57).

    39

    In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof entschieden, dass die Richtlinie 2003/88 auf die Tätigkeiten der Feuerwehr auch dann anwendbar ist, wenn diese Tätigkeiten – unabhängig davon, ob sie der Brandbekämpfung oder einer anderen Hilfeleistung dienen – von Kräften im Einsatzdienst ausgeübt werden, sofern sie nur unter gewöhnlichen Umständen gemäß der dem betreffenden Dienst übertragenen Aufgabe ausgeübt werden, und zwar selbst dann, wenn die Einsätze, die mit diesen Tätigkeiten verbunden sein können, ihrer Natur nach nicht vorhersehbar sind und die eingesetzten Arbeitnehmer hierbei bestimmten Gefahren für ihre Sicherheit und/oder Gesundheit ausgesetzt sein können (Urteil vom 21. Februar 2018, Matzak, C‑518/15, EU:C:2018:82, Rn. 27).

    40

    Folglich ist die Richtlinie 2003/88 auf die Tätigkeiten von Arbeitnehmern im öffentlichen Sektor wie Feuerwehrleuten, die als Nachtarbeiter angesehen werden, anzuwenden, sofern diese Tätigkeiten unter gewöhnlichen Umständen ausgeübt werden. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Tätigkeiten der Kläger der Ausgangsverfahren unter solchen Umständen ausgeübt werden.

    41

    Nach alledem ist Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 89/391 dahin auszulegen, dass die Richtlinie 2003/88 auf die Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor wie Feuerwehrleute, die als Nachtarbeiter angesehen werden, anwendbar ist, sofern diese Arbeitnehmer ihre Tätigkeiten unter gewöhnlichen Umständen ausüben.

    Zur zweiten Frage

    42

    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es erforderlich ist, bei der Beurteilung der von Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 geforderten Entsprechung der zur Sicherheit und zum Schutz der Gesundheit von Nacht- und Schichtarbeitern gebotenen Schutz- und Vorsorgeleistungen oder ‑mittel etwaigen Unterschieden zwischen verschiedenen Kategorien von Nachtarbeitern in einem Mitgliedstaat Rechnung zu tragen.

    43

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 Nacht- und Schichtarbeitern die zu ihrer Sicherheit und zum Schutz ihrer Gesundheit gebotenen Schutz- und Vorsorgeleistungen oder ‑mittel zuteilwerden, die denen für die „übrigen Arbeitnehmer“ entsprechen. Diese Bestimmung regelt nicht das Verhältnis zwischen Nachtarbeitern verschiedener Sektoren oder Bereiche, sondern das Verhältnis zwischen Nachtarbeitern und Tagarbeitern in Bezug auf die Schutz- oder Vorsorgeleistungen oder ‑mittel, die ihnen zuteilwerden.

    44

    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Außerdem kann sich der Gerichtshof veranlasst sehen, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat (Urteile vom 15. Juli 2021, Ministrstvo za obrambo, C‑742/19, EU:C:2021:597, Rn. 31, und vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    45

    Im vorliegenden Fall betrifft die zweite Frage, wie aus den Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, tatsächlich die Anwendbarkeit des in Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung. Das vorlegende Gericht fragt sich nämlich, ob die möglicherweise günstigeren Arbeitsbedingungen, die Nachtarbeitern im privaten Sektor gemäß Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2003/88 zuteilwerden, auch für Nachtarbeiter im öffentlichen Sektor gelten müssen.

    46

    Daher ist die zweite Frage so zu verstehen, dass mit ihr im Wesentlichen geklärt werden soll, ob Art. 12 der Richtlinie 2003/88, gelesen im Licht von Art. 20 der Charta, dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass die im nationalen Recht für die Arbeitnehmer im privaten Sektor festgelegte kürzere normale Dauer der Nachtarbeit nicht für die Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor wie Feuerwehrleute gilt.

    47

    Was als Erstes das Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit betrifft, das die Mitgliedstaaten Nachtarbeitern gewähren müssen, ist erstens darauf hinzuweisen, dass Art. 12 Buchst. а der Richtlinie 2003/88 verlangt, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung dieses Schutzniveaus der Art der Nachtarbeit Rechnung tragen, während Nacht- und Schichtarbeitern nach Art. 12 Buchst. b dieser Richtlinie die gebotenen Schutz- und Vorsorgeleistungen oder ‑mittel gewährt werden, die denen für die „übrigen Arbeitnehmer“ entsprechen.

    48

    Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 31 Abs. 1 der Charta „[j]ede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer … das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen [hat]“ und dass Art. 31 Abs. 2 der Charta klarstellt, dass „[j]ede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer … das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub [hat]“, Art. 12 der Richtlinie 2003/88 somit dieses in Art. 31 der Charta verankerte Grundrecht konkretisiert.

    49

    Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass die Verpflichtung in Art. 12 Buchst. a dieser Richtlinie, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Nacht- und Schichtarbeitern in einem Maß Schutz zuteilwird, das der Art ihrer Arbeit Rechnung trägt, den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der zu treffenden geeigneten Maßnahmen belässt (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    50

    Zweitens ist diese Verpflichtung so umzusetzen, dass die in der Richtlinie festgelegten Schutzziele erreicht werden. Insbesondere müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Beachtung der Grundsätze des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleistet ist, wenn sie das zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit von Nachtarbeitern erforderliche Maß festlegen. Daher müssen sie sicherstellen, dass Nachtarbeitern andere Schutzmaßnahmen in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsentgelt, Abfindungen oder ähnliche Vergünstigungen gewährt werden, die es ermöglichen, die namentlich durch die Richtlinie 2003/88 hervorgehobene besondere Belastung auszugleichen, die diese Art von Arbeit mit sich bringt, und somit die Natur der Nachtarbeit anzuerkennen (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 51).

    51

    Drittens ist auch daran zu erinnern, dass aufgrund der größeren Belastung durch Nachtarbeit im Vergleich zur Tagarbeit die Verkürzung der normalen Dauer der Nachtarbeit im Vergleich zu derjenigen der Tagarbeit eine geeignete Maßnahme darstellen kann, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmer zu gewährleisten, auch wenn dies nicht die einzig mögliche Maßnahme ist. Je nach der Art der betreffenden Tätigkeit könnte beispielsweise auch die Gewährung von zusätzlichen Ruhezeiten oder Freizeitzeiten zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit dieser Arbeitnehmer beitragen (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 53).

    52

    Was als Zweites die Bedeutung des in Art. 20 der Charta verankerten Grundsatzes der Gleichbehandlung betrifft, wonach „[a]lle Personen … vor dem Gesetz gleich [sind]“, ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass dieser Grundsatz einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, der verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Eine unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d. h., wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der betreffenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    53

    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass der Anwendungsbereich der Charta, was das Handeln der Mitgliedstaaten betrifft, in ihrem Art. 51 Abs. 1 definiert ist; danach gilt die Charta für die Organe der Europäischen Union und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Begriff „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne dieser Bestimmung das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen einem Unionsrechtsakt und der betreffenden nationalen Maßnahme voraus, der unter Berücksichtigung der vom Gerichtshof festgelegten Beurteilungskriterien darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    54

    Hierzu ist zum einen festzustellen, dass nach Art. 140 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuchs die normale Dauer der Nachtarbeit bei einer Woche von fünf Arbeitstagen sieben Stunden beträgt. Wie das vorlegende Gericht ausführt, gilt diese Bestimmung für Arbeitnehmer des privaten Sektors. Zum anderen kann bei Schichtarbeit nach Art. 187 Abs. 3 des Gesetzes über das Ministerium für Innere Angelegenheiten Nachtarbeit von 22 Uhr bis 6 Uhr geleistet werden, jedoch darf die durchschnittliche Arbeitsdauer von Beamten des Innenministeriums acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreiten. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, werden in diesen Bestimmungen die auf die Nachtarbeit anwendbaren Arbeitsbedingungen bezüglich Sicherheit und Gesundheit und insbesondere die Begrenzung der Dauer der Nachtarbeit präzisiert. Diese Bestimmungen stellen eine Umsetzung der Richtlinie 2003/88 dar und fallen daher in den Anwendungsbereich des Unionsrechts (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 61 bis 63).

    55

    Soweit das vorlegende Gericht der Ansicht ist, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung eine für Arbeitnehmer des privaten Sektors geltende Regelung schaffe, die günstiger sei als die Regelung, die für Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors einschließlich der Kläger der Ausgangsverfahren gelte, ist drittens festzustellen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass eine auf der statutarischen oder vertraglichen Natur des Arbeitsverhältnisses beruhende Ungleichbehandlung grundsätzlich geeignet ist, am Grundsatz der Gleichbehandlung gemessen zu werden, der einen nunmehr in den Art. 20 und 21 der Charta verankerten allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 65).

    56

    Zum Erfordernis der Vergleichbarkeit der betreffenden Sachverhalte für die Feststellung, ob eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegt, hat der Gerichtshof zunächst ausgeführt, dass diese nicht allgemein und abstrakt, sondern spezifisch und konkret anhand aller diese Sachverhalte kennzeichnenden Merkmale, insbesondere im Licht des Gegenstands und Ziels der nationalen Regelung, mit der die fragliche Unterscheidung eingeführt wird, sowie gegebenenfalls der Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs, dem diese nationale Regelung unterfällt, zu beurteilen ist (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    57

    Es ist Sache des für die Würdigung des Sachverhalts allein zuständigen vorlegenden Gerichts, die erforderlichen Prüfungen vorzunehmen, um zum einen die Kategorien der relevanten Arbeitnehmer zu ermitteln und zum anderen festzustellen, ob das Erfordernis der Vergleichbarkeit der betreffenden Sachverhalte erfüllt ist (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    58

    Der Gerichtshof kann allerdings, wenn er mit einem Vorabentscheidungsersuchen befasst ist, dem vorlegenden Gericht im Hinblick auf die Aktenlage zweckdienliche Hinweise für die Entscheidung im Ausgangsverfahren geben (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    59

    Hierzu ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht zwischen abstrakten Kategorien von Nachtarbeitern unterscheidet, nämlich zum einen der Kategorie der „Nachtarbeiter des öffentlichen Sektors“, obwohl es das Beispiel der besonderen Kategorie der Beamten der Generaldirektion „Brandsicherheit und Bevölkerungsschutz“ des Innenministeriums nennt, und zum anderen der Kategorie der „Nachtarbeiter des privaten Sektors“.

    60

    Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass nach Art. 20 der Charta die Prüfung der Vergleichbarkeit der betreffenden Sachverhalte im Hinblick auf die Feststellung, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vorliegt, nicht allgemein und abstrakt, sondern spezifisch und konkret anhand aller diese Sachverhalte kennzeichnenden Merkmale zu beurteilen ist, insbesondere im Licht des Gegenstands und des Ziels der nationalen Regelung, mit der die fragliche Unterscheidung eingeführt wird, sowie gegebenenfalls der Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs, dem diese nationale Regelung unterfällt (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 67).

    61

    Außerdem geht aus den Vorabentscheidungsersuchen zwar hervor, dass die Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors gegenüber den Arbeitnehmern des privaten Sektors zusätzliche Vergünstigungen genießen, doch wird nicht klargestellt, ob diese Vergünstigungen unmittelbar mit der Art der Nachtarbeit zusammenhängen, die von den in den Ausgangsverfahren betroffenen Arbeitnehmern des öffentlichen Sektors, d. h. den Beamten der Generaldirektion „Brandsicherheit und Bevölkerungsschutz“ des Innenministeriums, geleistet wird, oder ob sie einen anderen Zweck verfolgen.

    62

    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht für den Fall, dass das Vorliegen einer Ungleichbehandlung zweier Kategorien von Arbeitnehmern, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, festgestellt werden sollte, nicht angegeben hat, welche Ziele mit den nationalen Rechtsvorschriften, die eine solche Ungleichbehandlung vorsehen, gegebenenfalls verfolgt werden.

    63

    Es wird daher Sache des vorlegenden Gerichts sein, festzustellen, ob sich erstens die Kategorien der betroffenen Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation befinden, ob zweitens eine Ungleichbehandlung dieser Kategorien vorliegt und ob drittens diese Ungleichbehandlung auf einem objektiven und angemessen Kriterium beruht, sie also im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit diesen Rechtsvorschriften verfolgt wird, und in angemessenem Verhältnis zu diesem Ziel steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 80).

    64

    Nach alledem ist Art. 12 der Richtlinie 2003/88, gelesen im Licht von Art. 20 der Charta, dahin auszulegen, dass er nicht dem entgegensteht, dass die im nationalen Recht für die Arbeitnehmer im privaten Sektor auf sieben Stunden festgelegte normale Dauer der Nachtarbeit nicht für die Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor wie Feuerwehrleute gilt, wenn diese Ungleichbehandlung, sofern sich die betroffenen Kategorien von Arbeitnehmern in einer vergleichbaren Situation befinden, auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, sie also im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit diesen Rechtsvorschriften verfolgt wird, und in angemessenem Verhältnis zu diesem Ziel steht.

    Kosten

    65

    Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit

    ist dahin auszulegen, dass

    die Richtlinie 2003/88 auf die Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor wie Feuerwehrleute, die als Nachtarbeiter angesehen werden, anwendbar ist, sofern diese Arbeitnehmer ihre Tätigkeiten unter gewöhnlichen Umständen ausüben.

     

    2.

    Art. 12 der Richtlinie 2003/88, gelesen im Licht von Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

    ist dahin auszulegen, dass

    er nicht dem entgegensteht, dass die im nationalen Recht für die Arbeitnehmer im privaten Sektor auf sieben Stunden festgelegte normale Dauer der Nachtarbeit nicht für die Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor wie Feuerwehrleute gilt, wenn diese Ungleichbehandlung, sofern sich die betroffenen Kategorien von Arbeitnehmern in einer vergleichbaren Situation befinden, auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, sie also im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit diesen Rechtsvorschriften verfolgt wird, und in angemessenem Verhältnis zu diesem Ziel steht.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Bulgarisch.

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