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Document 62021CC0338

    Schlussanträge des Generalanwalts J. Richard de la Tour vom 17. November 2022.
    Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid gegen S. S. u. a.
    Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) Nr. 604/2013 – Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Art. 27 – Rechtsbehelf gegen eine gegenüber einem Asylbewerber ergangene Überstellungsentscheidung – Art. 29 – Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung – Überstellungsfrist – Unterbrechung der Frist für die Durchführung der Überstellung – Richtlinie 2004/81/EG – Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren – Art. 6 – Bedenkzeit – Verbot, eine Rückführungsentscheidung zu vollstrecken – Rechtsbehelfe.
    Rechtssache C-338/21.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:900

     SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    JEAN RICHARD DE LA TOUR

    vom 17. November 2022 ( 1 )

    Rechtssache C‑338/21

    Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid,

    Beteiligte:

    S. S.,

    N. Z.,

    S. S.

    (Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State [Staatsrat, Niederlande])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Asylpolitik – Verordnung (EU) Nr. 604/2013 – Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Rechtsbehelf gegen eine gegenüber einem Asylbewerber ergangene Überstellungsentscheidung – Überstellungsfrist – Aussetzung der Frist zur Durchführung der Überstellung – Richtlinie 2004/81/EG – Menschenhandel“

    I. Einleitung

    1.

    Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 27 Abs. 3 und Art. 29 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ( 2 ) in Verbindung mit Art. 8 der Richtlinie 2004/81/EG ( 3 ) und gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, das Zusammenspiel dieser Bestimmungen in einem Fall zu klären, in dem ein Drittstaatsangehöriger, der um internationalen Schutz nachsucht, zum einen einen Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung eingelegt hat, ohne die Aussetzung der Durchführung dieser Entscheidung zu beantragen, und zum anderen einen Widerspruch gegen eine Verwaltungsentscheidung erhoben hat, mit der ihm die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 verweigert wurde.

    2.

    Es ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Drittstaatsangehörigen S. S., N. Z. und S. S. auf der einen und dem Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Staatssekretär für Justiz und Sicherheit, Niederlande) (im Folgenden: Staatssecretaris) auf der anderen Seite wegen dessen Entscheidungen, die Anträge dieser Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz ohne Prüfung abzulehnen und sie in den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen. Gleichzeitig stellten die Drittstaatsangehörigen auf der Grundlage von Art. 8 der Richtlinie 2004/81 Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die vom Staatssecretaris abgelehnt wurden. Gegen diese ablehnenden Entscheidungen legten sie jeweils Widerspruch.

    3.

    Diese Rechtssache weist einen Zusammenhang mit der anhängigen Rechtssache Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Aussetzung der Überstellungsfrist in der Berufungsinstanz) (C‑556/21) auf, in der es um die Frage geht, ob die Durchführung der Überstellungsentscheidung und folglich die in der Dublin‑III‑Verordnung vorgesehene Überstellungsfrist auf Antrag der zuständigen nationalen Behörde im Berufungsverfahren über eine Klage auf Nichtigerklärung einer Überstellungsentscheidung gegen eine um internationalen Schutz nachsuchende Person ausgesetzt werden können, obwohl diese Person keine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung beantragt hat.

    4.

    Obgleich der Raad van State (Staatsrat, Niederlande) in beiden Rechtssachen wissen möchte, welche Folgen die Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung für die Berechnung der in Art. 29 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Überstellungsfrist (im Folgenden: Überstellungsfrist) als solche hat, sind die jeweils aufgeworfenen spezifischen Fragen unterschiedlich. Deshalb sind diese Rechtssachen Gegenstand getrennter Schlussanträge vom selben Tag.

    5.

    In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich dem Gerichtshof nach Abschluss meiner Analyse vorschlagen, für Recht zu erkennen, dass Art. 27 Abs. 3 und Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen sind, dass die Durchführung der nach dieser Verordnung getroffenen Überstellungsentscheidung gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ( 4 ) ausgesetzt werden muss, wenn ein Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung eingelegt wird, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels nach Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wurde, und dass die Überstellungsfrist nicht ausgesetzt wird, wenn der betroffene Drittstaatsangehörige einen Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt hat, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels nach Art. 8 dieser Richtlinie abgelehnt wurde.

    II. Rechtlicher Rahmen

    A.   Unionsrecht

    1. Richtlinie 2004/81

    6.

    Im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/81 heißt es:

    „Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta … anerkannt wurden.“

    7.

    Art. 1 der Richtlinie 2004/81 bestimmt:

    „Mit dieser Richtlinie sollen die Voraussetzungen für die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels … an Drittstaatsangehörige festgelegt werden, die bei der Bekämpfung des Menschenhandels und der Beihilfe zur illegalen Einwanderung kooperieren.“

    8.

    Art. 6 („Bedenkzeit“) der Richtlinie 2004/81 sieht vor, dass Drittstaatsangehörige über eine Bedenkzeit verfügen, um zu entscheiden, ob sie mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten, und um sich zu erholen, und dass während der gesamten Dauer dieser Bedenkzeit keine ihre Person betreffende Rückführungsentscheidung vollstreckt werden darf.

    9.

    Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/81 bestimmt:

    „Nach Ablauf der Bedenkzeit oder zu einem früheren Zeitpunkt, wenn die zuständigen Behörden der Auffassung sind, dass der betroffene Drittstaatsangehörige bereits die unter Buchstabe b) genannte Voraussetzung erfüllt, prüfen die Mitgliedstaaten,

    a)

    welche Möglichkeiten sich durch eine Verlängerung seines Aufenthalts in ihrem Hoheitsgebiet für die Ermittlungen oder das Gerichtsverfahren ergeben,

    b)

    ob er seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit eindeutig bekundet hat und

    c)

    ob er alle Verbindungen zu denjenigen abgebrochen hat, die der Begehung der in Artikel 2 Buchstaben b) und c) genannten Straftaten verdächtig sind.“

    10.

    Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/81 lautet:

    „Läuft der aufgrund dieser Richtlinie erteilte Aufenthaltstitel ab, so gelangt das allgemeine Ausländerrecht zur Anwendung.“

    2. Dublin‑III-Verordnung

    11.

    Nach ihrem Art. 1 legt die Dublin‑III‑Verordnung die Kriterien und Verfahren fest, die bei der Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, zur Anwendung gelangen. In den Erwägungsgründen 4, 5 und 19 dieser Verordnung heißt es hierzu:

    „(4)

    Entsprechend den Schlussfolgerungen [des Europäischen Rates auf seiner Sondertagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in] Tampere sollte das [Gemeinsame Europäische Asylsystem] auf kurze Sicht eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats umfassen.

    (5)

    Eine solche Formel sollte auf objektiven und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien basieren. Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden.

    (19)

    Um einen wirksamen Schutz der Rechte der Betroffenen zu gewährleisten, sollten im Einklang insbesondere mit Artikel 47 der Charta … Rechtsgarantien und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Überstellungsentscheidungen festgeschrieben werden. Um die Einhaltung des Völkerrechts sicherzustellen, sollte ein wirksamer Rechtsbehelf gegen diese Entscheidungen sowohl die Prüfung der Anwendung dieser Verordnung als auch die Prüfung der Rechts- und Sachlage in dem Mitgliedstaat umfassen, in den der Antragsteller überstellt wird.“

    12.

    Art. 27 Abs. 3 und 4 der Dublin‑III‑Verordnung bestimmt:

    „(3)   Zum Zwecke eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung oder einer Überprüfung einer Überstellungsentscheidung sehen die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht Folgendes vor:

    a)

    dass die betroffene Person aufgrund des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung berechtigt ist, bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu bleiben; oder

    b)

    dass die Überstellung automatisch ausgesetzt wird und diese Aussetzung innerhalb einer angemessenen Frist endet, innerhalb der ein Gericht, nach eingehender und gründlicher Prüfung, darüber entschieden hat, ob eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung gewährt wird; oder

    c)

    die betreffende Person hat die Möglichkeit, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen. Die Mitgliedstaaten sorgen für einen wirksamen Rechtsbehelf in der Form, dass die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist. Die Entscheidung, ob die Durchführung der Überstellungsentscheidung ausgesetzt wird, wird innerhalb einer angemessenen Frist getroffen, welche gleichwohl eine eingehende und gründliche Prüfung des Antrags auf Aussetzung ermöglicht. Die Entscheidung, die Durchführung der Überstellungsentscheidung nicht auszusetzen, ist zu begründen.

    (4)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen.“

    13.

    Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung sieht vor:

    „(1)   Die Überstellung des Antragstellers … aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme – oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

    (2)   Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.“

    B.   Niederländisches Recht

    1. Allgemeines Verwaltungsrechtsgesetz

    14.

    Art. 8:81 Abs. 1 der Algemene wet bestuursrecht (Allgemeines Verwaltungsgesetz) ( 5 ) vom 4. Juni 1992 bestimmt:

    „Wird gegen eine Entscheidung Klage beim Verwaltungsgericht erhoben oder, vor einer etwaigen Klage beim Verwaltungsgericht, Widerspruch eingelegt …, kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter des Verwaltungsgerichts, das in der Hauptsache zuständig ist oder werden kann, auf Antrag Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes treffen, wenn die Dringlichkeit dies unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen erfordert.“

    15.

    In Art. 8:108 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes heißt es:

    „Soweit in diesem Titel nicht anders bestimmt, gelten die Titel 8.1 bis 8.3 für die Berufung sinngemäß …“.

    2. Ausländergesetz von 2000

    16.

    Art. 28 Abs. 1 Buchst. a der Vreemdelingenwet 2000 (Ausländergesetz von 2000) ( 6 ) vom 23. November 2000 bestimmt:

    „Der Minister van Veiligheid en Justitie [Minister für Sicherheit und Justiz, Niederlande] ist befugt,

    a.

    dem Antrag auf befristete Aufenthaltserlaubnis zu entsprechen, ihn abzulehnen, nicht über ihn zu entscheiden, ihn für unzulässig zu erklären oder seine Prüfung einzustellen.“

    17.

    Art. 73 Abs. 1 des Ausländergesetzes von 2000 sieht vor:

    „Die Wirkungen der Entscheidung über die Ablehnung des Antrags … werden aufgeschoben bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist oder, wenn ein Widerspruch eingelegt worden ist, bis hierüber eine Entscheidung ergangen ist.“

    18.

    In Art. 82 Abs. 1 des Ausländergesetzes von 2000 heißt es:

    „Die Wirkungen der Entscheidung über eine Aufenthaltserlaubnis werden aufgeschoben bis zum Ablauf der Klagefrist oder, wenn eine Klage erhoben worden ist, bis hierüber eine Entscheidung ergangen ist.“

    3. Ausländerverordnung von 2000

    19.

    In Art. 3.48 Abs. 1 Buchst. a des Vreemdelingenbesluit 2000 (Ausländerverordnung von 2000) ( 7 ) vom 23. November 2000 heißt es:

    „Eine befristete reguläre Aufenthaltserlaubnis kann unter einer mit vorübergehenden humanitären Gründen in Zusammenhang stehenden Beschränkung einem Ausländer erteilt werden, der

    a.

    als Opfer Anzeige wegen Menschenhandels erstattet hat, sofern eine strafrechtliche Ermittlung oder Untersuchung gegen die der angezeigten Straftat verdächtigen Person oder ein diese Person betreffendes Urteil in der Sache vorliegt.“

    20.

    Art. 7.3 Abs. 1 der Ausländerverordnung von 2000 lautet:

    „Wird ein Antrag auf Erlass von Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, um zu verhindern, dass die Rückführung oder Überstellung vor der Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen eine auf einen Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis wegen Asyls ergangene Entscheidung erfolgt, darf sich der Antragsteller bis zur Entscheidung über diesen Antrag im Land aufhalten.“

    4. Ausländerrunderlass von 2000

    21.

    In Abschnitt B1/7.2 des Vreemdelingencirculaire 2000 (Ausländerrunderlass von 2000) heißt es:

    „Werden die Wirkungen einer Entscheidung, mit der ein Antrag auf Erteilung einer befristeten regulären Aufenthaltserlaubnis nach Art. 73 Abs. 1 [des Ausländergesetzes von 2000] abgelehnt wird, durch die Einlegung eines Widerspruchs aufgeschoben, so wird damit automatisch auch die Durchführung einer gegen den Ausländer ergangenen Überstellungsentscheidung im Sinne von Art. 27 Abs. 3 der [Dublin‑III-Verordnung] ausgesetzt.

    …“

    III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

    22.

    S. S., N. Z. und S. S. sind Drittstaatsangehörige, die in den Niederlanden zwei Arten von Anträgen gestellt haben.

    23.

    Was das erste Verfahren betrifft, stellten die Antragsteller des Ausgangsverfahrens am 19. April bzw. 5. September und 7. Oktober 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Staatssecretaris ersuchte die italienischen Behörden, sie aufzunehmen bzw. wieder aufzunehmen. Am 12. Juni bzw. 20. und 28. November 2019 stimmten die italienischen Behörden den (Wieder‑)Aufnahmegesuchen ausdrücklich oder stillschweigend zu.

    24.

    Demzufolge beschloss der Staatssecretaris am 1. August 2019 bzw. 17. Januar und 8. Februar 2020, die von den Antragstellern des Ausgangsverfahrens gestellten Anträge auf internationalen Schutz ohne Prüfung abzulehnen und die Betroffenen an Italien zu überstellen. Die Antragsteller des Ausgangsverfahrens erhoben Klagen auf Nichtigerklärung dieser Entscheidungen.

    25.

    Am 21. November 2019 bzw. 1. und 16. September 2020 erklärten die zuständigen erstinstanzlichen Gerichte diese Entscheidungen für nichtig. Sie stellten fest, dass die Überstellungsfrist abgelaufen sei, da N. Z. und S. S. im Zusammenhang mit ihren Klagen gegen die Überstellungsentscheidung keinen Antrag auf Aussetzung der Durchführung dieser Entscheidung gestellt bzw. diesen zurückgenommen hätten, und damit das Königreich der Niederlande für die Prüfung ihrer Anträge auf internationalen Schutz zuständig geworden sei. In Bezug auf S. S. wurde die Überstellungsentscheidung aus Gründen aufgehoben, die das vorlegende Gericht für die Prüfung der Vorlagefrage nicht für erheblich hält. Es ist jedoch der Auffassung, dass es für die Entscheidung über das Rechtsmittel feststellen müsse, ob die Überstellungsfrist abgelaufen sei und ob das Königreich der Niederlande, wie S. S. geltend mache, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig geworden sei. Die erstinstanzlichen Gerichte wiesen in Anbetracht dessen, dass das Königreich der Niederlande für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständig geworden sei, außerdem den Staatssecretaris an, in Bezug auf S. S. und N. Z. neue Entscheidungen über diese Anträge zu erlassen.

    26.

    Der Staatssecretaris legte gegen diese Urteile Berufung beim Raad van State (Staatsrat) ein und machte geltend, dass die Überstellungsfristen nicht abgelaufen seien, weil sie durch die von den Antragstellern des Ausgangsverfahrens in den Verfahren über die Ablehnung ihrer Anträge auf Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 ( 8 ) erhobenen Widersprüche ausgesetzt worden seien. Er verband diese Berufungen mit Anträgen auf Erlass von Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes, die darauf gerichtet waren, dass er vor der Entscheidung über die Berufung keine neue Entscheidung über die Anträge auf internationalen Schutz treffen müsse. Der Raad van State (Staatsrat) gab diesen Anträgen am 22. April bzw. 21. September und 16. November 2020 statt.

    27.

    Was das zweite Verfahren betrifft, erstatteten die Antragsteller des Ausgangsverfahrens am 1. Oktober 2019 bzw. am 21. Februar und 4. März 2020 Anzeige wegen Menschenhandels, dem sie in den Niederlanden und/oder Italien zum Opfer gefallen seien. Diese Anzeigen wurden vom Staatssecretaris als Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Zusammenhang mit vorübergehenden humanitären Gründen im Sinne von Art. 3.48 der Ausländerverordnung von 2000 angesehen. Er lehnte diese Anträge mit Entscheidungen vom 7. Oktober 2019 bzw.3. März und 6. April 2020 ab.

    28.

    Am 4. November 2019 bzw. 30. März und 4. Mai 2020 legten die Antragsteller des Ausgangsverfahrens Widerspruch gegen diese Entscheidungen ein.

    29.

    Diese Widersprüche wurden am 16. Dezember 2019 bzw. am 22. April und 28. August 2020 zurückgewiesen oder zurückgenommen.

    30.

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass es die Berufung des Staatssecretaris gegen das Urteil, mit dem die gegenüber S. S. ergangene Überstellungsentscheidung für nichtig erklärt worden sei, dann prüfen könne, wenn, wie der Staatssecretaris geltend mache, entschieden werde, dass die Überstellungsfrist durch die Einlegung eines Widerspruchs gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 und Art. 3.48 der Ausländerverordnung von 2000 abgelehnt worden sei, ausgesetzt worden sei.

    31.

    Für eine solche Aussetzung sprächen vier Argumente.

    32.

    Erstens sei diese Aussetzung erforderlich, um die praktische Wirksamkeit der Dublin‑III-Verordnung und der Richtlinie 2004/81 zu gewährleisten und zugleich Rechtsmissbräuche zu vermeiden. Da der Widerspruch gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis abgelehnt werde, die Rückführung des Betroffenen ausschließe, laufe die Überstellungsfrist nämlich zwangsläufig ab, wenn ein solcher Widerspruch von einer Person eingelegt werde, gegen die eine Überstellungsentscheidung ergangen sei. Würde die Überstellungsfrist in einer solchen Situation nicht ausgesetzt, würde dies ein „forum shopping“ begünstigen und die nationalen Behörden dazu veranlassen, solche Anzeigen nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit zu behandeln.

    33.

    Zweitens lasse sich Art. 27 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung dahin auslegen, dass auch die Einlegung eines Rechtsbehelfs, der der tatsächlichen Durchführung einer Überstellungsentscheidung entgegenstehe, zur Aussetzung der Überstellungsfrist führe. Dass die Einlegung eines Widerspruchs gegen die Entscheidung, mit der ein Antrag auf Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt werde, der Durchführung der Überstellungsentscheidung entgegenstehe, spreche, auch wenn der Widerspruch als solcher keinen Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung selbst darstelle, für die Aussetzung der Überstellungsfrist.

    34.

    Drittens könne sich ein Mitgliedstaat aufgrund seiner Verfahrensautonomie für die Aussetzung der Überstellungsfrist entscheiden.

    35.

    Viertens schlössen sich die drei in Art. 27 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung aufgeführten Möglichkeiten nicht gegenseitig aus. Daher stehe der Umstand, dass sich das Königreich der Niederlande für die Anwendung der in Art. 27 Abs. 3 Buchst. c der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Möglichkeit entschieden habe, nicht der Annahme entgegen, dass Widersprüche wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter eine Kombination von Art. 27 Abs. 3 Buchst. a und Art. 27 Abs. 3 Buchst. c dieser Verordnung fielen.

    36.

    Der Raad van State (Staatsrat) hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Sind Art. 27 Abs. 3 und Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der hier vorliegenden nicht entgegenstehen, mit der sich ein Mitgliedstaat für die Umsetzung von Art. 27 Abs. 3 Buchst. c dieser Verordnung entschieden hat, aber aufschiebende Wirkung – bezüglich der Durchführung einer Überstellungsentscheidung – auch einem Widerspruch oder einer Klage gegen eine Entscheidung in einem Verfahren über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Zusammenhang mit Menschenhandel zuerkannt hat, bei der es sich nicht um eine Überstellungsentscheidung handelt, die aber die tatsächliche Überstellung vorübergehend verhindert?

    37.

    Die Antragsteller des Ausgangsverfahrens, die niederländische und die deutsche Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

    38.

    Am 14. Juli 2022 hat in dieser und der anhängigen Rechtssache C‑556/21 eine gemeinsame mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die Antragsteller des Ausgangsverfahrens, die niederländische Regierung und die Kommission angehört und u. a. aufgefordert worden sind, auf Fragen des Gerichtshofs zur mündlichen Beantwortung einzugehen.

    IV. Würdigung

    A.   Vorbemerkungen

    39.

    Die vorliegende Rechtssache knüpft an die Rechtssache an, in der das Urteil vom 20. Oktober 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) ( 9 ), ergangen ist und sich der Gerichtshof erstmals zum Zusammenspiel zwischen den Vorschriften über die Gewährung der Bedenkzeit, die gemäß Art. 6 der Richtlinie 2004/81 einem Drittstaatsangehörigen zusteht, der Opfer des Menschenhandels ist, und den Vorschriften über das in der Dublin‑III-Verordnung geregelte Verfahren zur Überstellung dieses Drittstaatsangehörigen in den Mitgliedstaat, der für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, zu äußern hatte.

    40.

    Im Urteil Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2004/81 in Bezug auf einen Drittstaatsangehörigen, der sowohl internationalen Schutz beantragt hat als auch Opfer des Menschenhandels ist, dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass der Mitgliedstaat während der in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedenkzeit eine Entscheidung über die Überstellung dieses Drittstaatsangehörigen in den gemäß der Dublin‑III-Verordnung für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat vollstreckt. Der Gerichtshof hat jedoch nicht klargestellt, welche Folgen dieses Verbot für die Berechnung der Überstellungsfrist hat.

    41.

    In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof ersucht, sich zu der Frage zu äußern, ob es einem nationalen Gericht nach seinem nationalen Recht möglich ist, die Durchführung einer Überstellungsentscheidung und damit die Überstellungsfrist auszusetzen, wenn ein Drittstaatsangehöriger zum einen einen Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung eingelegt hat, ohne die Aussetzung der Durchführung dieser Entscheidung zu beantragen, und zum anderen einen Widerspruch gegen eine Verwaltungsentscheidung erhoben hat, mit der ihm die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 verweigert wurde.

    42.

    Bevor ich die Vorlagefrage beantworte, halte ich es für erforderlich, zweierlei festzuhalten, nämlich erstens, dass keine Bestimmung der Dublin‑III-Verordnung oder der Richtlinie 2004/81 das Zusammenspiel zwischen den beiden Texten regelt, und zweitens, dass ein Ansatz zu entwickeln ist, der die Regelung und die spezifischen Ziele dieser Richtlinie berücksichtigt.

    1. Zur Dublin‑III-Verordnung und zur Richtlinie 2004/81

    43.

    Erstens weise ich darauf hin, dass die Dublin‑III-Verordnung und die Richtlinie 2004/81 eigene und unterschiedliche Regelungen schaffen und unterschiedliche Ziele verfolgen ( 10 ).

    44.

    Die Richtlinie 2004/81 sieht die Erteilung eines Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige vor, die Opfer des Menschenhandels sind und sich dafür entscheiden, für die Zwecke der strafrechtlichen Ermittlung und/oder des Gerichtsverfahrens zu kooperieren. Sie zielt ebenfalls darauf ab, dass diese besonders gefährdeten Opfer geschützt werden und nicht erneut Kontakt zu dem kriminellen Netz aufnehmen.

    45.

    Die Dublin‑III-Verordnung fügt sich in den Rahmen der Steuerung von Migrationsströmen ein und sieht ein rein administratives Prüfverfahren vor, bei dem es darum geht, den für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat zu ermitteln.

    46.

    Außerdem sieht sie strenge Fristen vor, die entscheidend zur Verwirklichung des Ziels einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz beitragen ( 11 ).

    47.

    Doch obwohl die Richtlinie 2004/81 vorsieht, dass sie unbeschadet des Schutzes Anwendung findet, der Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen, gewährt wird ( 12 ), verweist sie nicht ausdrücklich auf die Dublin‑III-Verordnung.

    48.

    Ferner hat die Dublin‑III-Verordnung nach ihrem Art. 1 zum Gegenstand, den für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat zu bestimmen, und zwar insbesondere in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der die Person, die internationalen Schutz beantragt, einen Rechtsbehelf gegen eine gemäß dieser Verordnung getroffene Überstellungsentscheidung eingelegt hat. Die Dublin‑III-Verordnung nimmt weder auf die Richtlinie 2004/81 ( 13 ) noch auf einen anderen von dieser Person eingelegten Rechtsbehelf gegen eine den Aufenthalt betreffende Entscheidung Bezug, die zur Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung führen würde.

    49.

    Das Zusammenspiel zwischen dem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wurde, und der Durchführung einer nach der Dublin‑III‑Verordnung getroffenen Überstellungsentscheidung macht es daher erforderlich, einen ausgewogenen Ansatz zu entwickeln, der nicht nur die in dieser Verordnung vorgesehenen strengen Fristen berücksichtigt, sondern auch die Verletzlichkeit des Drittstaatsangehörigen sowohl wegen seiner Stellung als Opfer des Menschenhandels als auch wegen seiner Stellung als Person, die internationalen Schutz beantragt hat ( 14 ).

    2. Zur Richtlinie 2004/81 und zur Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung

    50.

    Zweitens weise ich darauf hin, dass sich die Parteien zwar ebenso wie in der Rechtssache, in der das Urteil Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) ergangen ist, in ihren Erklärungen ausschließlich zur Tragweite von Art. 27 Abs. 3 und Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung geäußert haben; in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fall handelt es sich bei einem der von den Antragstellern des Ausgangsverfahrens eingelegten Rechtsbehelfe jedoch um einen Widerspruch gegen Entscheidungen, mit denen die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 verweigert wurde.

    51.

    Ich bin allerdings der Auffassung, dass in Bezug auf einen Drittstaatsangehörigen, der sowohl internationalen Schutz beantragt als auch Opfer des Menschenhandels ist, die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wurde, dem entgegensteht, dass der ersuchende Mitgliedstaat während der Prüfung dieses Rechtsbehelfs in Anwendung der Dublin‑III-Verordnung eine Entscheidung über die Überstellung dieses Drittstaatsangehörigen in den zuständigen Mitgliedstaat vollstreckt.

    52.

    Zwar ist ein Fall wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in dem dem betreffenden Drittstaatsangehörigen nach Ablauf der Bedenkzeit der Aufenthaltstitel gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 nicht erteilt wird, in dieser Richtlinie, die im Unterschied zu anderen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts ( 15 ) auch keine Verfahrensgarantien für diesen Drittstaatsangehörigen festlegt, nicht vorgesehen.

    53.

    Was jedoch die notwendige Beachtung der Anforderungen betrifft, die sich aus dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf ergeben, ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2004/81, wie sich aus ihrem sechsten Erwägungsgrund ( 16 ) ergibt, unter Wahrung der in der Charta, insbesondere in ihrem Art. 47, in dem das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verankert ist, anerkannten Grundrechte und Grundsätze auszulegen ist. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt sich ableiten, dass, um gegenüber dem Drittstaatsangehörigen die Einhaltung der Anforderungen aus Art. 47 der Charta sicherzustellen, jeder Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung, deren Vollzug zur Überstellung dieses Drittstaatsangehörigen in einen anderen Mitgliedstaat führen kann, aufschiebende Wirkung haben muss ( 17 ).

    54.

    Außerdem bin ich der Ansicht, dass die vom Gerichtshof im Urteil Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) gewählte Lösung, wonach es verboten ist, während der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/81 garantierten Bedenkzeit eine nach der Dublin‑III-Verordnung getroffene Überstellungsentscheidung zu vollstrecken, in einem späteren Verfahrensstadium angewandt werden kann.

    55.

    Denn die verschiedenen Phasen des Verfahrens für die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels sind unter Berücksichtigung nicht nur des besonderen Opferstatus des Drittstaatsangehörigen, sondern auch der Schwere der betreffenden Straftat ausgestaltet, und jede dieser Phasen setzt voraus, dass das Opfer während der Bedenkzeit im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats verbleibt ( 18 ).

    56.

    Die Möglichkeit für den Drittstaatsangehörigen, in einem frühen Verfahrensstadium und bis zur Entscheidung der zuständigen Behörden über seinen Antrag auf Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu verbleiben, soll verhindern, dass die Verwirklichung des mit dieser Richtlinie verfolgten doppelten Ziels gefährdet wird, das darin besteht, die Rechte der Opfer des Menschenhandels zu schützen, indem ihnen u. a. ermöglicht wird, sich dem Einfluss der Täter der Straftaten zu entziehen, und zur Wirksamkeit der Strafverfolgung beizutragen ( 19 ).

    57.

    Es erscheint jedoch widersinnig, anzunehmen, dass diese Ziele nicht gefährdet wären, wenn der Drittstaatsangehörige, der Opfer des Menschenhandels ist, in einem späteren Verfahrensstadium, in dem ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt wurde, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wurde, nicht berechtigt wäre, im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu verbleiben.

    58.

    Denn in dem Fall, dass ein solcher Rechtsbehelf zur Nichtigerklärung dieser Entscheidung und zum Erlass einer neuen Entscheidung durch die zuständige Behörde führen kann, mit der diesem Drittstaatsangehörigen ein befristeter Aufenthaltstitel erteilt wird, ist es von entscheidender Bedeutung, dass er im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats verbleiben darf, bis die zuständigen Behörden über den Rechtsbehelf entschieden haben.

    59.

    Andernfalls könnte der Drittstaatsangehörige erneut dem Einfluss der Täter der Straftaten, denen er zum Opfer gefallen ist, ausgesetzt sein, was seine Kooperation bei den strafrechtlichen Ermittlungen und/oder dem Gerichtsverfahren beeinträchtigen könnte, obwohl er darin eingebunden sein könnte, wenn sein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, mit der die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt wurde, Erfolg haben sollte.

    60.

    Die Annahme, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wurde, keine Aussetzung der Durchführung einer nach der Dublin‑III-Verordnung getroffenen Überstellungsentscheidung erfordere, liefe demnach darauf hinaus, nicht nur dem unionsrechtlich vorgesehenen Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ( 20 ), sondern auch dem Verfahren zur Erteilung dieses befristeten Aufenthaltstitels seine praktische Wirksamkeit zu nehmen.

    61.

    Schließlich ist es nach ständiger Rechtsprechung mangels Harmonisierung der einschlägigen Unionsregeln nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die verfahrensrechtlichen Modalitäten der Rechtsbehelfe, die zum Schutz der Rechte der Rechtsunterworfenen bestimmt sind, festzulegen, vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) ( 21 ).

    62.

    Daraus folgt, dass nichts der fraglichen nationalen Praxis entgegensteht, wonach dann, wenn der Widerspruch gegen eine Entscheidung, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels nach Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wurde, zur Aussetzung dieser Entscheidung führt, dies automatisch die Aussetzung der Durchführung der nach der Dublin‑III-Verordnung getroffenen Überstellungsentscheidung zur Folge hat.

    63.

    Gleichwohl ist von dieser Verfahrensautonomie unter Wahrung des Unionsrechts Gebrauch zu machen.

    64.

    Daher müssen, da in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation die Drittstaatsangehörigen, die einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wurde, zugleich auch internationalen Schutz gemäß der Dublin‑III‑Verordnung beantragt haben und Adressaten einer Entscheidung über die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat sein, die mit dieser Entscheidung verbundenen Folgen mit dieser Verordnung in Einklang stehen.

    65.

    Daher ist zu prüfen, ob die Einlegung eines Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung gegen eine Entscheidung, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels nach Art. 8 dieser Richtlinie abgelehnt wird, auch die Überstellungsfrist aussetzt.

    B.   Zur Aussetzung der Überstellungsfrist

    66.

    Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 27 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen sind, dass die Überstellungsfrist ausgesetzt wird, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung gegen die Entscheidung eingelegt hat, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wurde.

    67.

    Mit anderen Worten möchte dieses Gericht klären, ob die Einlegung eines solchen Rechtsbehelfs, der sich von dem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung im Sinne von Art. 27 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung unterscheidet, aber ebenso wie dieser zur Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung führt, eine Aussetzung der Überstellungsfrist zur Folge hat.

    68.

    Insoweit sieht die Dublin‑III-Verordnung nur den Fall vor, dass eine Person, die internationalen Schutz beantragt hat, gegen eine gemäß dieser Verordnung getroffene Überstellungsentscheidung einen Rechtsbehelf einlegt und beantragt, die Durchführung dieser Entscheidung während der Prüfung seines Rechtsbehelfs auszusetzen. Wird diese Aussetzung gewährt, wird die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 dieser Verordnung ausgesetzt. Dagegen ist weder in der Dublin‑III-Verordnung noch in der Richtlinie 2004/81 geregelt, wie sich ein Widerspruch gegen eine Entscheidung, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels nach Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wird, auf die Überstellungsfrist auswirkt.

    69.

    Was die Aussetzung der Durchführung einer Überstellungsentscheidung und die Berechnung der Überstellungsfrist betrifft, sind die Bestimmungen in Art. 27 Abs. 3 und Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung jedoch klar und genau und haben einen eigenen Zweck.

    70.

    Nur wenn die Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung nach einer der drei in Art. 27 Abs. 3 dieser Verordnung vorgesehenen Modalitäten erfolgt ist, kann der Beginn der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 1 dieser Verordnung hinausgeschoben werden.

    71.

    Hierzu ist Folgendes zu bemerken.

    72.

    Erstens hat sich das Königreich der Niederlande dafür entschieden, Art. 27 Abs. 3 Buchst. c der Dublin‑III-Verordnung umzusetzen, wonach die betreffende Person das Recht hat, bei einem Gericht eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen.

    73.

    Dies bedeutet, dass ein von einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, gegen eine Überstellungsentscheidung nach der Dublin‑III-Verordnung gerichteter Rechtsbehelf oder Antrag auf Überprüfung nicht automatisch zur Aussetzung der Durchführung dieser Entscheidung und folglich auch nicht zur Aussetzung der Überstellungsfrist führt. Eine solche Aussetzung ist erst nach einer Entscheidung möglich, mit der diese Aussetzung ausgesprochen wird.

    74.

    Außerdem sind die drei in Art. 27 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Modalitäten der Aussetzung der Durchführung einer Überstellungsentscheidung entgegen dem Vorbringen des Staatssecretaris nicht kumulativ, sondern vielmehr alternativ, wie die Verwendung der Konjunktion „oder“ in den Buchst. a und b dieser Bestimmung zeigt ( 22 ).

    75.

    Da die Antragsteller des Ausgangsverfahrens – was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist – im Rahmen der Rechtsbehelfe gegen die ihnen gegenüber ergangenen Überstellungsentscheidungen offenbar nicht beantragt haben, die Durchführung dieser Überstellungsentscheidungen auszusetzen, begann die Überstellungsfrist zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der zuständige Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme der betroffenen Person stattgegeben hat ( 23 ).

    76.

    Zweitens beziehen sich die in Art. 27 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe nur auf Rechtsbehelfe gegen eine gemäß dieser Verordnung getroffene Überstellungsentscheidung und nicht auf Rechtsbehelfe gegen andere Entscheidungen.

    77.

    Ich bin daher der Ansicht, dass der Ausdruck „Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung“ im Sinne von Art. 27 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung nicht jeden Rechtsbehelf erfasst, der dazu führen würde, dass die Durchführung einer Überstellungsentscheidung verhindert wird, sondern nur die gegen die Überstellungsentscheidung selbst eingelegten Rechtsbehelfe.

    78.

    Drittens bestimmt Art. 29 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung, dass die Überstellungsfrist, wenn nach Art. 27 Abs. 3 der Verordnung eine aufschiebende Wirkung gewährt wird, ab der „endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung“ erneut zu laufen beginnt.

    79.

    Ich weise jedoch darauf hin, dass der Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung nach der Dublin‑III-Verordnung und der Rechtsbehelf gegen eine andere, den Aufenthalt betreffende Entscheidung – im vorliegenden Fall der Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 abgelehnt wurde – Gegenstand zweier verschiedener Verfahren sind.

    80.

    Ebenso wie der Gerichtshof anerkannt hat, dass sich die praktische Unmöglichkeit, eine Überstellungsentscheidung durchzuführen, nicht für eine Rechtfertigung der Aussetzung der Überstellungsfrist eignet ( 24 ), bin ich insoweit der Auffassung, dass auch alle Fälle der rechtlichen Unmöglichkeit, eine Überstellungsentscheidung durchzuführen, keine Aussetzung dieser Frist zur Folge haben können.

    81.

    Sollte der Gerichtshof nämlich anerkennen, dass die Überstellungsfrist durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine andere, den Aufenthalt betreffende Entscheidung immer dann ausgesetzt wird, wenn dieser Rechtsbehelf eine Aussetzung der Durchführung einer nach der Dublin‑III-Verordnung getroffenen Überstellungsentscheidung bewirkt, bestünde die Gefahr, dass die Berechnung der Überstellungsfrist im Rahmen verschiedener Verfahren mehrfach verzögert werden könnte, was das von dieser Verordnung garantierte Ziel einer raschen Bestimmung des für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats beeinträchtigen würde.

    82.

    Ich bin daher der Auffassung, dass ein Widerspruch gegen die Entscheidung, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels nach Art. 8 dieser Richtlinie abgelehnt wurde, keinen Rechtsbehelf gegen die gemäß der Dublin‑III-Verordnung getroffene Überstellungsentscheidung darstellt und somit die Überstellungsfrist nicht aussetzen kann.

    83.

    Was ferner das Zusammenspiel zwischen dem Überstellungsverfahren, das den in der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen strengen Fristen unterliegt, und dem Verfahren zur Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 anbelangt, ist der ersuchende Mitgliedstaat durch nichts daran gehindert, während des Verfahrens über einen Rechtsbehelf gegen die die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels ablehnende Entscheidung, die Durchführung der nach der Dublin‑III-Verordnung getroffenen Überstellungsentscheidung vorzubereiten, sofern diese Maßnahmen die praktische Wirksamkeit des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nicht in Frage stellen ( 25 ).

    84.

    Durch diese Auslegung wird die Beachtung der zwingenden und eindeutig festgelegten Fristen, die für das Verwaltungsverfahren zur Übertragung der Prüfungszuständigkeit für den Antrag auf internationalen Schutz auf den ersuchten Mitgliedstaat nach der Dublin‑III-Verordnung gelten, nicht gefährdet ( 26 ).

    85.

    Insoweit ist es Sache der Mitgliedstaaten, ein Gleichgewicht zwischen der Dauer des Verfahrens über Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen, mit denen die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/81 verweigert wird, und der Einhaltung der in Art. 29 Abs. 1 und 2 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Frist sicherzustellen, um ein korrektes Zusammenspiel und die Wahrung der praktischen Wirksamkeit dieser Instrumente zu garantieren ( 27 ).

    86.

    Schließlich kann der ersuchende Mitgliedstaat in allen Fällen, in denen das Zusammenspiel zwischen den beiden Verfahren es ihm nicht erlauben würde, den betreffenden Drittstaatsangehörigen innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Frist von sechs Monaten zu überstellen, stets die in Art. 17 dieser Verordnung vorgesehene Ermessensklausel anwenden und beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist ( 28 ).

    87.

    In Anbetracht dessen schlage ich dem Gerichtshof vor, für Recht zu erkennen, dass, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige einen Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt hat, mit der die Erteilung des befristeten Aufenthaltstitels nach Art. 8 dieser Richtlinie abgelehnt wurde, die Durchführung der in Anwendung der Dublin‑III-Verordnung getroffenen Überstellungsentscheidung für die gesamte Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens auszusetzen ist, ohne dass diese Aussetzung die Überstellungsfrist unterbräche.

    V. Ergebnis

    88.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Raad van State (Staatsrat, Niederlande) wie folgt zu beantworten:

    Art. 27 Abs. 3 und Art. 29 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist,

    sind dahin auszulegen, dass

    die Durchführung der nach dieser Verordnung getroffenen Überstellungsentscheidung gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt werden muss, wenn ein Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung eingelegt wird, mit der die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels nach Art. 8 der Richtlinie 2004/81 des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren, abgelehnt wird;

    diese Aussetzung nicht bewirkt, dass die in Art. 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 604/2013 vorgesehene Überstellungsfrist ausgesetzt wird.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31, im Folgenden: Dublin‑III‑Verordnung).

    ( 3 ) Richtlinie des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren (ABl. 2004, L 261, S. 19).

    ( 4 ) Im Folgenden: Charta.

    ( 5 ) Stb. 1992, Nr. 315.

    ( 6 ) Stb. 2000, Nr. 495.

    ( 7 ) Stb. 2000, Nr. 497.

    ( 8 ) Vgl. Verfahren betreffend die Anzeige von Menschenhandel, wie in den Nrn. 27 bis 29 der vorliegenden Schlussanträge beschrieben.

    ( 9 ) C‑66/21, im Folgenden: Urteil Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel), EU:C:2022:809.

    ( 10 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) (C‑66/21, EU:C:2022:434, Nrn. 36 bis 38).

    ( 11 ) Vgl. Urteil vom 13. November 2018, X und X (C‑47/17 und C‑48/17, EU:C:2018:900, Rn. 69).

    ( 12 ) Vgl. vierter Erwägungsgrund dieser Richtlinie.

    ( 13 ) Die Dublin‑III-Verordnung nimmt auf Menschenhandel nur in Art. 6 Abs. 3 Buchst. c Bezug, wonach die Mitgliedstaaten bei der Würdigung des Wohls des Kindes eng zusammenarbeiten und dabei Sicherheitserwägungen gebührend Rechnung tragen, „insbesondere wenn es sich bei dem Minderjährigen um ein Opfer des Menschenhandels handeln könnte“.

    ( 14 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) (C‑66/21, EU:C:2022:434, Nr. 40).

    ( 15 ) Vgl. z. B. Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, berichtigt in ABl. 2004, L 229, S. 35, und ABl. 2007, L 204, S. 28), sowie Art. 10 und 20 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44), die für die betroffene Person das Recht vorsehen, in dem betreffenden Mitgliedstaat einen gerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen.

    ( 16 ) Vgl. in diesem Sinne auch den 33. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. 2011, L 101, S. 1).

    ( 17 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi (C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 55 und 56).

    ( 18 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) (C‑66/21, EU:C:2022:434, Nr. 62).

    ( 19 ) Vgl. entsprechend Urteil Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) (Rn. 58 und 60).

    ( 20 ) Beispielsweise ist das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz in anderen Rechtsakten über das Einwanderungsrecht vorgesehen, insbesondere in den Art. 10 und 20 der Richtlinie 2003/109 sowie in Art. 13 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehörige (ABl. 2008, L 348, S. 98).

    ( 21 ) Vgl. Urteil vom 9. September 2021, Adler Real Estate u. a. (C‑546/18, EU:C:2021:711, Rn. 36).

    ( 22 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Khir Amayry (C‑60/16, EU:C:2017:147, Rn. 75).

    ( 23 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache E. N. u. a (Aussetzung der Überstellungsfrist in der Berufungsinstanz) (C‑556/21, EU:C:2022:901, Nr. 57).

    ( 24 ) Vgl. Urteil vom 22. September 2022, Bundesrepublik Deutschland (Behördliche Aussetzung der Überstellungsentscheidung) (C‑245/21 und C‑248/21, EU:C:2022:709, Rn. 65).

    ( 25 ) Vgl. entsprechend meine Schlussanträge in der Rechtssache Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) (C‑66/21, EU:C:2022:434, Nr. 95).

    ( 26 ) Vgl. entsprechend Urteil Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) (Rn. 72).

    ( 27 ) Vgl. entsprechend Urteil Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) (Rn. 76).

    ( 28 ) Hierauf habe ich auch in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Rückführung eines Opfers von Menschenhandel) (C‑66/21, EU:C:2022:434, Nr. 93) hingewiesen.

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