EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62020CC0348

Schlussanträge des Generalanwalts M. Bobek vom 6. Oktober 2021.
Nord Stream 2 AG gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union.
Rechtsmittel – Energie – Erdgasbinnenmarkt – Richtlinie 2009/73/EG – Richtlinie (EU) 2019/692 – Erweiterung der Anwendbarkeit der Richtlinie 2009/73 auf Gasleitungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Nichtigkeitsklage – Voraussetzung, dass der Kläger von der mit seiner Klage angefochtenen Maßnahme unmittelbar betroffen sein muss – Kein Ermessen in Bezug auf die dem Kläger auferlegten Verpflichtungen – Voraussetzung, dass der Kläger von der mit seiner Klage angefochtenen Maßnahme individuell betroffen sein muss – Ausgestaltung der Ausnahmen, durch die der Kläger als einziger Wirtschaftsteilnehmer von deren Inanspruchnahme ausgeschlossen wird – Antrag auf Entfernung von Dokumenten aus den Akten – Regeln über die Vorlage von Beweisen im Verfahren vor den Unionsgerichten – Interne Dokumente der Unionsorgane.
Rechtssache C-348/20 P.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:831

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 6. Oktober 2021 ( 1 )

Rechtssache C‑348/20 P

Nord Stream 2 AG

gegen

Europäisches Parlament,

Rat der Europäischen Union

„Rechtsmittel – Energie – Erdgasbinnenmarkt – Richtlinie (EU) 2019/692 – Anwendung der Richtlinie 2009/73/EG auf Gasleitungen aus oder nach Drittländern – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Klagebefugnis von Einzelpersonen – Unmittelbare Betroffenheit – Individuelle Betroffenheit – Regeln für die Vorlage von Beweisen im Verfahren vor den Unionsgerichten – Zulässigkeit interner Dokumente der Unionsorgane“

I. Einleitung

1.

Die Nord Stream 2 AG (im Folgenden: Rechtsmittelführerin) wendet sich gegen den Beschluss des Gerichts ( 2 ), mit dem ihre Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Richtlinie (EU) 2019/692 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Änderung der Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (im Folgenden: angefochtene Maßnahme) als unzulässig abgewiesen wurde ( 3 ). Mit der angefochtenen Maßnahme soll sichergestellt werden, dass die für Gasfernleitungen zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften innerhalb der Europäischen Union auch für Gasfernleitungen aus Drittländern und in Drittländer gelten ( 4 ). In diesem Beschluss ordnete das Gericht ferner die Entfernung einiger von der Rechtsmittelführerin im Rahmen des Verfahrens vorgelegter Dokumente aus den Akten an.

2.

Das vorliegende Rechtsmittel wirft zwei wichtige und voneinander zu trennende Fragen verfahrensrechtlicher Art auf. Erstens: Kann eine Einzelperson von einer Richtlinie im Sinne von Art. 263 AEUV unmittelbar betroffen sein? Zweitens: Von welchen Erwägungen sollte sich die Beurteilung der Zulässigkeit schriftlicher Beweismittel, die von den Beteiligten in Verfahren vor den Unionsgerichten vorgelegt werden, leiten lassen, insbesondere was die Zulassung interner Dokumente der Unionsorgane angeht?

II. Tatsächlicher und rechtlicher Hintergrund

3.

Der Sachverhalt und der rechtliche Hintergrund der vorliegenden Rechtssache lassen sich wie folgt zusammenfassen.

4.

Nach ihrem Art. 1 werden mit der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (im Folgenden: Erdgasrichtlinie) ( 5 ) gemeinsame Vorschriften für die Fernleitung, die Verteilung, die Lieferung und die Speicherung von Erdgas erlassen. Sie regelt die Organisation und Funktionsweise des Erdgassektors, den Marktzugang, die Kriterien und Verfahren für die Erteilung von Fernleitungs‑, Verteilungs‑, Liefer- und Speichergenehmigungen für Erdgas sowie den Betrieb der Netze.

5.

Um Interessenkonflikte zwischen Erzeugern, Lieferanten und Fernleitungsnetzbetreibern zu lösen, um Anreize für die notwendigen Investitionen zu schaffen und auch den Zugang von Markteinsteigern durch einen transparenten und wirksamen Rechtsrahmen zu gewährleisten, sieht die Erdgasrichtlinie eine Trennung des Netzbetriebs von der Gewinnung und Versorgung vor ( 6 ). Art. 9 dieser Richtlinie legt insbesondere eine Pflicht zur Entflechtung der Fernleitungsnetze und der Betreiber dieser Netze fest ( 7 ). Außerdem sieht die Erdgasrichtlinie auch die Einführung eines Systems für den diskriminierungsfreien Zugang Dritter zu den Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzen auf der Grundlage veröffentlichter Tarife vor (Art. 32), die von den nationalen Regulierungsbehörden zu genehmigen sind (Art. 41).

6.

Nach Art. 36 der Erdgasrichtlinie können große neue Erdgasinfrastrukturen, einschließlich Verbindungsleitungen, auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen für einen bestimmten Zeitraum von einigen Bestimmungen dieser Richtlinie ausgenommen werden. Um diese Befreiung in Anspruch nehmen zu können, muss u. a. dargetan werden, dass durch die Investition der Wettbewerb bei der Gasversorgung und die Versorgungssicherheit verbessert werden und das mit der Investition verbundene Risiko so hoch ist, dass die Investition ohne eine Ausnahmegenehmigung nicht getätigt würde.

7.

Die Rechtsmittelführerin ist eine Gesellschaft schweizerischen Rechts, deren einzige Anteilseignerin die russische öffentliche Aktiengesellschaft Gazprom ist. Ihre Aufgabe besteht in der Planung, dem Bau und dem Betrieb der Gasfernleitung Nord Stream 2. Der Bau dieser Gasfernleitung begann im Jahr 2018 und war zum Zeitpunkt des Eingangs des Rechtsmittels bei der Kanzlei des Gerichtshofs in der vorliegenden Rechtssache noch nicht abgeschlossen. Wie die Gasfernleitung „Nord Stream“ (nunmehr üblicherweise als „Nord Stream 1“ bezeichnet), deren Bau 2012 fertiggestellt wurde, besteht die Gasfernleitung „Nord Stream 2“ aus zwei Gasrohren und soll zur Durchleitung von Gas zwischen Wyborg (Russland) und Lubmin (Deutschland) dienen.

8.

Auf Vorschlag der Europäischen Kommission vom 8. November 2017 erließen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union am 17. April 2019 die angefochtene Maßnahme.

9.

Nach dem dritten Erwägungsgrund der angefochtenen Maßnahme ist es Ziel dieser Richtlinie, Hindernisse für die Vollendung des Erdgasbinnenmarkts zu beseitigen, die sich, bis zu diesem Zeitpunkt, aus der Nichtanwendung der Marktvorschriften der Union auf Gasfernleitungen aus Drittländern und in Drittländer ergaben.

10.

Insoweit fällt nach Art. 2 Nr. 17 der Erdgasrichtlinie in der durch die angefochtene Maßnahme geänderten Fassung unter den Begriff „Verbindungsleitung“ nicht nur „[jede] Fernleitung, die eine Grenze zwischen Mitgliedstaaten quert oder überspannt und dem Zweck dient, die nationalen Fernleitungsnetze dieser Mitgliedstaaten zu verbinden“, sondern nunmehr auch „[jede] Fernleitung zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland bis zum Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder dem Küstenmeer dieses Mitgliedstaats“.

11.

Nach Art. 49a Abs. 1 der Erdgasrichtlinie, der durch die angefochtene Maßnahme eingefügt wurde, kann für Gasfernleitungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland, die vor dem 23. Mai 2019 fertiggestellt wurden, der Mitgliedstaat, in dem der erste Kopplungspunkt einer solchen Fernleitung mit dem Netz dieses Mitgliedstaats gelegen ist, unter bestimmten Voraussetzungen beschließen, in Bezug auf die Abschnitte einer solchen in seinem Hoheitsgebiet und Küstenmeer befindlichen Gasfernleitung von bestimmten Bestimmungen der Erdgasrichtlinie abzuweichen. Solche Ausnahmeregelungen sind zeitlich begrenzt auf bis zu 20 Jahre, können aber verlängert werden.

12.

Was die Umsetzung der durch die angefochtene Maßnahme an der Erdgasrichtlinie vorgenommenen Änderungen angeht, sind die Mitgliedstaaten nach Art. 2 dieser Richtlinie mit bestimmten Ausnahmen verpflichtet, „unbeschadet jeglicher Ausnahmeregelungen aufgrund von Artikel 49a der [Erdgasrichtlinie]“ die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 24. Februar 2020 nachzukommen.

III. Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

13.

Mit Klageschrift vom 26. Juli 2019 erhob die Rechtsmittelführerin beim Gericht Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der angefochtenen Maßnahme.

14.

In ihrer Klageschrift machte die Rechtsmittelführerin geltend, dass die angegebenen Ziele der angefochtenen Maßnahme, nämlich die Anwendung der Bestimmungen der Erdgasrichtlinie auf Offshore‑Importleitungen zu erstrecken, um eine Verbesserung der Funktionsweise des Binnenmarkts zu erreichen und zugleich eine Abweichung zum Schutz bestehender Investitionen zuzulassen, in Wirklichkeit nicht ihr eigentliches Ziel seien. Die angefochtene Maßnahme sei erlassen worden, um vom Betrieb der Gasfernleitung Nord Stream 2 abzuhalten und ihn zu benachteiligen. Dieser Rechtsakt sei somit wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, wegen Verstoßes gegen wesentliche Verfahrensvorschriften sowie wegen eines Ermessensmissbrauchs und Verletzung der Begründungspflicht rechtswidrig.

15.

Das Parlament und der Rat erhoben am 10. bzw. 11. Oktober 2019 jeweils die Einrede der Unzulässigkeit der Klage. Die Rechtsmittelführerin nahm am 29. November 2019 zu den Einreden der Unzulässigkeit Stellung und beantragte, die Entscheidung darüber dem Endurteil vorzubehalten oder, hilfsweise, die Einreden als unbegründet zurückzuweisen.

16.

Der Rat beantragte am 11. Oktober 2019 nach Art. 130 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts (im Folgenden: Zwischenstreitantrag), i) anzuordnen, dass bestimmte Dokumente nicht zu den Gerichtsakten genommen oder, in Bezug auf drei von der Rechtsmittelführerin vorgelegte Dokumente, aus diesen Akten entfernt werden, und ii) alle Stellen in der Klageschrift und in den Anlagen dazu, die auf diese als „Restreint UE/EU Restricted“ eingestuften Verschlusssachen des Rates verweisen, deren Inhalt beschreiben oder sich darauf berufen, außer Acht zu lassen. Bei den drei von der Rechtsmittelführerin vorgelegten Dokumenten, deren Entfernung der Rat beantragte, handelte es sich erstens um ein Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 27. September 2017 ( 8 ) (im Folgenden: Gutachten des Juristischen Dienstes oder Anlage A.14), zweitens um die von der Kommission am 9. Juni 2017 vorgelegte Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation über den Betrieb der Gasfernleitung Nord Stream 2 (im Folgenden: Empfehlung oder Anlage O.20) und drittens um die Verhandlungsrichtlinien vom 12. Juni 2017, die der Empfehlung beigefügt sind (im Folgenden: Verhandlungsrichtlinien).

17.

Am 4. November 2019 hat die Rechtsmittelführerin ihre Stellungnahme zu dem Zwischenstreitantrag abgegeben, in der sie beantragt, den Antrag des Rates auf Entfernung der Dokumente zurückzuweisen.

18.

Am 29. November 2019 beantragte die Rechtsmittelführerin ferner gemäß Art. 88 der Verfahrensordnung des Gerichts, im Wege einer prozessleitenden Maßnahme oder gegebenenfalls einer Beweisaufnahme den Beklagten die Vorlage bestimmter im Besitz des Rates befindlicher Dokumente aufzugeben (im Folgenden: Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme). Dieser Antrag bezog sich auf die Vorlage unbereinigter Fassungen dieser Dokumente, da der Rat auf Antrag eines Mitarbeiters der Rechtsmittelführerin auf Zugang nach der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 ( 9 ) bereits eine teils unkenntlich gemachte Fassung dieser Dokumente zur Verfügung gestellt hatte. Die Rechtsmittelführerin fügte ihrem Antrag insoweit zwei unbereinigte Fassungen der beantragten Dokumente bei, die sie früher erhalten hatte, nämlich bestimmte Kommentare der deutschen Regierung zum Vorschlag der angefochtenen Maßnahme (im Folgenden: unbereinigte deutsche Dokumente oder Anlagen M.26 und M.30).

19.

Am 17. Januar 2020 gaben das Parlament und der Rat ihre Stellungnahmen zum Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme ab. Der Rat beantragte u. a., die Anlagen M.26 und M.30 aus den Akten zu entfernen.

20.

Das Gericht erließ am 20. Mai 2020 den angefochtenen Beschluss. Der Tenor des angefochtenen Beschlusses lautet:

„1.

Die von der Nord Stream 2 AG als Anlagen A. 14 und O. 20 vorgelegten Dokumente werden aus den Akten entfernt, und die Stellen in der Klageschrift und den Anlagen mit Auszügen aus diesen Dokumenten sind nicht zu berücksichtigen.

2.

Der Zwischenstreitantrag des Rates der Europäischen Union wird im Übrigen zurückgewiesen.

3.

Die von Nord Stream 2 als Anlagen M. 26 und M. 30 vorgelegten Dokumente werden aus den Akten entfernt.

4.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

5.

Die Anträge der Republik Estland, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Polen und der Europäischen Kommission auf Zulassung zur Streithilfe haben sich erledigt.

6.

Nord Stream 2 hat die Kosten des Europäischen Parlaments und des Rates mit Ausnahme der Kosten im Zusammenhang mit den Anträgen auf Zulassung zur Streithilfe zu tragen.

7.

Nord Stream 2, das Parlament und der Rat sowie die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen, die Republik Polen und die Kommission tragen jeweils ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit den Anträgen auf Zulassung zur Streithilfe.“

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

21.

Mit ihrem am 28. Juli 2020 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangenen Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin,

den angefochtenen Beschluss, insbesondere die Nrn. 1, 3, 4 und 6 des Tenors, aufzuheben;

soweit der Gerichtshof der Auffassung ist, dass der Verfahrensstand es erlaubt, die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen, die Klage für zulässig zu erklären und die Sache zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht zurückzuverweisen; hilfsweise, festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin von der angefochtenen Maßnahme unmittelbar betroffen ist, und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, damit es über die Frage der individuellen Betroffenheit entscheiden oder sie dem Endurteil vorbehalten möge;

dem Rat und dem Parlament die Kosten der Rechtsmittelführerin einschließlich der vor dem Gericht entstandenen Kosten aufzuerlegen.

22.

Der Rat und das Parlament (im Folgenden: Rechtsmittelgegner) beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

23.

Die Regierungen Estlands, Lettlands und Polens (im Folgenden: Streithelfer) haben nach ihrer Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelgegner Erklärungen abgegeben. Die Rechtsmittelführerin hat zu diesen Erklärungen Stellung genommen.

24.

Die Rechtsmittelführerin hat am 25. Januar 2021 eine Erwiderung und die Rechtsmittelgegner haben am 5. März 2021 eine Gegenerwiderung eingereicht.

25.

Am 16. Juli 2021 hat die Rechtsmittelführerin auf eine prozessleitende Maßnahme des Berichterstatters und des Generalanwalts nach Art. 62 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs dem Gerichtshof die von ihr zuvor als Anlagen A.14, O.20, M.26 und M.30 im Verfahren vor dem Gericht eingereichten Dokumente vorgelegt (im Folgenden: streitige Anlagen).

V. Würdigung

26.

Die Rechtsmittelführerin macht zwei Rechtsmittelgründe geltend. Mit dem ersten Grund wendet sie sich gegen die Feststellungen des Gerichts, dass keine unmittelbare Betroffenheit vorliege. Der zweite Rechtsmittelgrund betrifft die Entscheidung des Gerichts über die aus den Akten entfernten Dokumente.

27.

In den vorliegenden Schlussanträgen werden beide Rechtsmittelgründe in der Reihenfolge behandelt, in der sie von der Rechtsmittelführerin vorgebracht werden. Dementsprechend werde ich zunächst die Feststellungen des Gerichts zu der Frage prüfen, ob die Rechtsmittelführerin von der angefochtenen Maßnahme unmittelbar betroffen war (A). Sodann werde ich die Entscheidung des Gerichts in Bezug auf bestimmte von der Rechtsmittelführerin vorgelegte Dokumente und vorgetragene Angaben prüfen (B).

A.   Erster Rechtsmittelgrund: unmittelbare Betroffenheit

28.

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, der sich gegen die Rn. 102 bis 124 des angefochtenen Beschlusses richtet, macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewendet und demzufolge rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin zur Anfechtung der angefochtenen Maßnahme nicht klagebefugt sei. Der erste Rechtsmittelgrund ist in zwei Teile gegliedert.

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

29.

Mit dem ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, soweit es sich in erster Linie darauf gestützt habe, dass es sich bei der angefochtenen Maßnahme um eine Richtlinie handele, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass ihre Rechtsstellung dadurch nicht unmittelbar beeinträchtigt worden sei. Die Rechtsmittelführerin bringt vor, dass es nach ständiger Rechtsprechung für Art. 263 AEUV auf den Inhalt der Maßnahme und nicht auf ihre Form ankomme. Die Rechtsmittelführerin verweist insoweit auf mehrere Fälle, in denen die Unionsgerichte Nichtigkeitsklagen gegen Richtlinien für zulässig erachtet hätten.

30.

Mit dem zweiten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin die Schlussfolgerung des Gerichts, dass die angefochtene Maßnahme den nationalen Behörden einen Ermessensspielraum bei der Umsetzung der Bestimmungen der angefochtenen Maßnahme belassen habe, und zwar in Bezug auf i) die Entflechtungsverpflichtungen nach Art. 9 der Erdgasrichtlinie, ii) die Ausnahmeregelung nach Art. 36 der Erdgasrichtlinie und iii) die Abweichungsregelung nach Art. 49a der Erdgasrichtlinie. Das Gericht habe nicht geprüft, ob die angefochtene Maßnahme den Mitgliedstaaten insoweit einen echten Ermessensspielraum belasse. Schließlich habe das Gericht nicht geprüft, ob die Bestimmungen über den Zugang Dritter (Art. 32 der Erdgasrichtlinie) und die Tarifregelung (Art. 41 der Erdgasrichtlinie) ihre Rechtsstellung berührten.

31.

Die Rechtsmittelgegner, unterstützt durch sämtliche Streithelfer, pflichten den Gründen bei, aus denen das Gericht die unmittelbare Betroffenheit ausgeschlossen hat. Diese Beteiligten betonen insbesondere, dass eine Richtlinie naturgemäß keine Rechtswirkungen gegenüber Einzelpersonen entfalten könne, solange sie nicht in nationales Recht umgesetzt worden sei. Sie machen ferner geltend, dass die konkreten, von der Rechtsmittelführerin angeführten Bestimmungen der angefochtenen Maßnahme dieses Unternehmen nicht unmittelbar betreffen könnten, da sie nur wirksam würden, wenn Umsetzungsmaßnahmen auf nationaler Ebene erlassen würden.

2. Würdigung

32.

Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann eine Klage einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung in zwei Fällen zulässig sein. Erstens kann eine Klage erhoben werden, wenn die Handlung diese Person unmittelbar und individuell betrifft. Zweitens kann sie gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, Klage erheben, wenn dieser sie unmittelbar betrifft.

33.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei der angefochtenen Maßnahme nicht um einen „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ im Sinne von Art. 263 AEUV, sondern um einen Gesetzgebungsakt handelt ( 10 ). Für die Klagebefugnis der Rechtsmittelführerin ist daher die im vorstehenden Absatz genannte erste Fallgestaltung in Betracht zu ziehen: Die Klage der Rechtsmittelführerin im Verfahren vor dem Gericht ist zulässig, wenn dieses Unternehmen von der angefochtenen Maßnahme sowohl unmittelbar als auch individuell betroffen ist. Da das Gericht zu dem Schluss kam, dass die Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar betroffen sei, hat es die Frage der individuellen Betroffenheit nicht mehr geprüft.

34.

In den nachfolgenden Abschnitten werde ich zunächst erläutern, warum die im angefochtenen Beschluss genannten Gründe meines Erachtens nicht überzeugend sind. Diese Gründe lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: solche systematischer, eher abstrakter und theoretischer Natur (a) und solche, die mit der konkreten Situation der Rechtsmittelführerin im Zusammenhang stehen (b). Anschließend werde ich erläutern, inwieweit das Gericht auf bestimmte Argumente der Rechtsmittelführerin nicht eingegangen ist (c). Aufgrund der vorstehenden Punkte komme ich zu dem Ergebnis, dass das Gericht bei der Auslegung und Anwendung von Art. 263 Abs. 4 AEUV auf den vorliegenden Sachverhalt rechtsfehlerhaft entschieden hat.

a) Die angefochtene Maßnahme ist eine Richtlinie und kann daher nicht von einer Einzelperson angefochten werden

35.

Der erste Komplex der Begründung des Gerichts betrifft Erwägungen systematischer Natur: Die angefochtene Maßnahme könne die Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar betreffen, weil es sich um eine Richtlinie handele.

36.

Die relevanten Passagen des angefochtenen Beschlusses lauten wie folgt: Eine Richtlinie „kann … nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass sich die nationalen Behörden den Wirtschaftsteilnehmern gegenüber nicht auf die Richtlinie als solche berufen können, wenn sie keine Maßnahmen zu deren Umsetzung ergriffen haben. … Folglich können die Bestimmungen der angefochtenen Richtlinie ungeachtet dessen, ob sie hinreichend klar und genau sind, vor dem Erlass staatlicher Umsetzungsmaßnahmen und unabhängig von diesen keine unmittelbare oder direkte Quelle von Verpflichtungen für die [Rechtsmittelführerin] sein und deren Rechtsstellung deshalb nicht unmittelbar im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV berühren … [Außerdem wirkt d]ie angefochtene Richtlinie … sich … als solche seit ihrem Inkrafttreten nicht unmittelbar und konkret auf die Rechtsstellung eines Wirtschaftsteilnehmers wie der [Rechtsmittelführerin] aus, jedenfalls nicht vor Ablauf der in ihrem Art. 2 Abs. 1 vorgesehenen Umsetzungsfrist“ ( 11 ).

37.

Die Begründung des Gerichts ist an diesem Punkt meines Erachtens unzutreffend.

38.

Zunächst lassen sich die Feststellungen des Gerichts schwerlich mit der zuvor im angefochtenen Beschluss angeführten Rechtsprechung in Einklang bringen, wonach eine Nichtigkeitsklage nicht allein deshalb für unzulässig erklärt werden kann, weil sie von einer Einzelperson gegen eine Richtlinie erhoben wurde. Das Gericht hat auch darauf hingewiesen, dass eine Klage zulässig sei, wenn eine Richtlinie den Kläger unmittelbar und individuell betreffe oder einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstelle, der ihn unmittelbar betreffe und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe ( 12 ).

39.

Diesen Grundsätzen stimme ich zu. Sie stehen jedoch im Widerspruch zu den oben in Nr. 36 wiedergegebenen Feststellungen des Gerichts. Was das Gericht des ersten Rechtszugs feststellt, hätte nämlich zur Folge, dass eine Klagebefugnis einzelner Kläger gegen jedwede Richtlinie ausgeschlossen wäre. Bei dieser Art von Handlung könnte niemals eine unmittelbare Betroffenheit festgestellt werden, da alle Richtlinien naturgemäß i) irgendeiner Umsetzungsmaßnahme bedürfen, ii) vor ihrer Umsetzung keine Verpflichtungen für Einzelne begründen können und die nationalen Behörden sich auf sie nicht berufen können ( 13 ). Das Letztere gilt erst recht vor Ablauf der in der Richtlinie selbst geregelten Frist für die Umsetzung.

40.

Die unmittelbare Betroffenheit mit der unmittelbaren Wirkung letztlich begrifflich gleichzusetzen, ist meines Erachtens indes nicht möglich. Die beiden Begriffe weisen zwar gewisse Ähnlichkeiten auf, sind jedoch ontologisch verschieden und dienen verschiedenen Zwecken. Art. 263 Abs. 4 AEUV setzt nicht voraus, dass die angefochtene Handlung unmittelbare Wirkung hat, und erst recht nicht, dass sie von den Behörden gegenüber Einzelnen geltend gemacht werden kann. Diese Bestimmung verlangt vielmehr nur, dass die angefochtene Handlung „Rechtswirkung gegenüber Dritten“ entfaltet.

41.

Mit dem letztgenannten Begriff ist jedoch eine von der unmittelbaren Wirkung zu trennende und insgesamt, logisch betrachtet, viel weiter reichende Kategorie gemeint. Nach der Rechtsprechung „erfordert die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, wonach eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein muss, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt“ ( 14 ).

42.

In der vorliegenden Rechtssache kann die angefochtene Maßnahme Rechtswirkungen erzeugen, indem sie den Anwendungsbereich der Regelungen der Erdgasrichtlinie auf Sachverhalte und Adressaten erweitert, die bislang nicht unter diese Regelungen fielen. Ebenso klar ist, dass die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin sich durch diese Erweiterung ändert: Es ist ein detaillierter Normenkomplex, der ihre Tätigkeiten regelt, auf ihre Tätigkeiten anwendbar geworden. Die zentrale Frage ist tatsächlich, ob diese Änderung der Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin sich unmittelbar aus der angefochtenen Maßnahme ergibt oder ob sie umgekehrt nur aufgrund des Erlasses von Durchführungsmaßnahmen auf der nationale Ebene eintreten kann.

43.

Insoweit ist der oben in Nr. 41 angeführten Rechtsprechung im Wesentlichen zu entnehmen, dass eine unmittelbare Betroffenheit nur vorliegt, wenn die Rechtswirkungen der angefochtenen Handlung sich aus dem Rechtsakt selbst ergeben, und zwar automatisch, ohne dass hierfür noch ein weiterer Rechtsakt entweder der Union oder der Mitgliedstaaten ergehen müsste. Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit ist demnach erfüllt, wenn zwischen dem angefochtenen Unionsrechtsakt und der Änderung der Rechtslage des Klägers ein unmittelbarer Kausalzusammenhang festgestellt werden kann. Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit ist nicht erfüllt, wenn es ein zusätzliches Eingreifen der Unionsorgane oder der nationalen Behörden gibt, das geeignet ist, diesen Zusammenhang zu unterbrechen ( 15 ).

44.

Von wesentlicher Bedeutung ist, dass diese Beurteilung nicht abstrakt, allein anhand der Art der angefochtenen Handlung, vorgenommen werden kann. Erforderlich ist insbesondere eine Prüfung des Zwecks, des Inhalts, des Anwendungsbereichs und des Sachgehalts der konkreten angefochtenen Maßnahme sowie des rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhangs, in dem diese Maßnahme erlassen wurde ( 16 ). Wie von Generalanwalt Hogan kürzlich formuliert, folgen die Unionsgerichte bei der Prüfung der Auswirkungen einer Maßnahme auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person einem „ganzheitlichen und pragmatischen Ansatz[, der] dem Inhalt den Vorrang gegenüber der Form einräumt“ ( 17 ).

45.

Diese Grundsätze gelten für jede Unionshandlung, die vor den Unionsgerichten angefochten werden kann, unabhängig von ihrer Form und davon, welche Bezeichnung ihr gegeben oder mit welchem Etikett sie versehen wird. Wie von den Unionsgerichten in ständiger Rechtsprechung entschieden, „[ist d]ie Form, in der diese Handlungen oder Entscheidungen ergehen, … grundsätzlich ohne Einfluss“ auf ihre Anfechtbarkeit im Wege einer Nichtigkeitsklage ( 18 ). Um festzustellen, ob eine beanstandete Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, „ist auf ihr Wesen abzustellen und sind ihre Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie z. B. des Inhalts der Handlung zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Kontext ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung erlassenden Organs zu berücksichtigen sind“ ( 19 ).

46.

Dass es sich bei der angefochtenen Maßnahme um eine Richtlinie handelt, schließt daher nicht aus, dass die Rechtsmittelführerin von ihr unmittelbar betroffen sein kann.

47.

Richtig ist zwar, dass es angesichts der besonderen Eigenschaften dieser Regelungsform nach Art. 288 AEUV sehr selten sein wird, dass eine Bestimmung einer Richtlinie für einen Einzelnen die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit erfüllt. Sehr selten ist jedoch eine andere Kategorie als systematisch ausgeschlossen, die die Begründung des Gerichts nahelegt. Soll das übergreifende Diktum des Gerichtshofs, dass der Inhalt Vorrang vor der Form hat, gewahrt werden ( 20 ), dann kann die Art der gewählten unionsrechtlichen Rechtsquelle abstrakt und für sich genommen ihren eigentlichen Inhalt nicht von vornherein überlagern. Nach gefestigter Rechtsprechung ist nämlich bestätigt, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass bestimmte Bestimmungen einer Richtlinie eine bestimmte Einzelperson unmittelbar betreffen können ( 21 ).

48.

Es ist insoweit unerheblich, dass bestimmte Wirkungen der angefochtenen Maßnahme zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch die Rechtsmittelführerin noch nicht eingetreten waren, weil die Frist für ihre Umsetzung noch nicht abgelaufen war. Nach der Rechtsprechung spricht die Tatsache, dass die Wirkungen eines Rechtsakts erst zu einem in diesem Rechtsakt festgelegten späteren Zeitpunkt eintreten, nicht dagegen, dass wegen einer sich aus ihm ergebenden Verpflichtung ein Einzelner von diesem Rechtsakt unmittelbar betroffen sein kann ( 22 ).

49.

Würde der Begründung des Gerichts insoweit gefolgt, liefe dies schließlich darauf hinaus, dass nahezu keine Richtlinie mehr vor den Unionsgerichten anfechtbar wäre. Die den Mitgliedstaaten gesetzte Umsetzungsfrist ist praktisch immer länger als die Zwei-Monats-Frist für die Klageerhebung nach Art. 263 Abs. 6 AEUV ( 23 ). Vielmehr stehen dem Ansatz des Gerichts verschiedene Entscheidungen der Unionsgerichte entgegen, mit denen Klagen gegen Richtlinien für zulässig befunden wurden, obwohl sie vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie erhoben wurden ( 24 ).

50.

Schließlich sind einige wenige abschließende Anmerkungen zu den Feststellungen in den Rn. 108 und 109 des angefochtenen Beschlusses angezeigt.

51.

Zum einen hat das Gericht festgestellt, dass mit den von der Rechtsmittelführerin behaupteten Rechtswirkungen eine unmittelbare Betroffenheit nicht hinreichend dargetan werden könne. Sie seien „jedenfalls nur eine Folge [der] Entscheidung [der Rechtsmittelführerin], ihre Geschäftstätigkeit im Gebiet der Union … zu entwickeln und weiterzuführen“. Mir ist jedoch unklar, warum ein Unternehmen eine Unionsmaßnahme, die seine Rechtsstellung berührt, allein deshalb nicht sollte anfechten dürfen, weil es, theoretisch, seinen Sitz in ein Land außerhalb der Union verlegen und sich damit dem Geltungsbereich der Binnenmarktvorschriften entziehen könnte. Nach Art. 263 AEUV setzt die Anfechtbarkeit der Handlung voraus, dass sie Rechtswirkungen entfaltet, nicht aber „unausweichliche“ Rechtswirkungen.

52.

Die Feststellung des Gerichts lässt sich u. a. kaum mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vereinbaren, das Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) „jeder Person“ (und nicht nur zum Verbleib in der Union „gezwungenen“ natürlichen und juristischen Personen) garantiert, ebenso wenig wie mit der unternehmerischen Freiheit und dem Eigentumsrecht, die in Art. 16 bzw. 17 der Charta anerkannt sind. Würde man die Argumentation des Gerichts auf die Spitze treiben, könnte praktisch kein Unternehmen jemals mehr eine Unionsmaßnahme anfechten, denn Unternehmen können grundsätzlich stets ihren Sitz aus der Union hinaus verlegen.

53.

Die Rechtsprechung, auf die das Gericht zu diesem Punkt verweist, erscheint mir nicht einschlägig. Die angeführte Rechtssache Air Transport Association of America u. a. betrifft nicht etwa eine Verfahrensfrage, wie sie im vorliegenden Verfahren aufgeworfen wird (die Zulässigkeit einer von einem Einzelnen erhobenen Nichtigkeitsklage), sondern vielmehr eine materielle Frage (die Befugnis der Union zum Erlass von Maßnahmen, die nach Ansicht einiger Unternehmen bestimmte extraterritoriale Wirkungen hatten) ( 25 ). Noch entscheidender ist vielleicht, dass die Unionsgerichte klargestellt haben, dass das Vorliegen einer unmittelbaren Betroffenheit nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Auswirkungen der betreffenden Unionshandlung auf die Rechtsstellung des Klägers sich auch aus bestimmten Wahlentscheidungen der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer ergibt ( 26 ) oder dass der Kläger die sich aus der Unionshandlung ergebenden Folgen hätte vermeiden können, wenn er eine andere Vorgehensweise gewählt hätte ( 27 ).

54.

Zum anderen hat das Gericht in Rn. 109 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass, „[wenn] man der Auffassung der [Rechtsmittelführerin] folgen [wollte], wonach diese bei Inkrafttreten der angefochtenen Richtlinie in ihrer Rechtsstellung unmittelbar berührt worden sei, weil andernfalls die Nutzung ihrer [Gasfernleitung Nord-Stream 2] nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/73 gefallen wäre, … dies … auf die Annahme hinaus[liefe], dass, wann immer die Union in einem Bereich neu gesetzgeberisch tätig wird und Verpflichtungen für Wirtschaftsteilnehmer einführt, denen diese zuvor nicht unterworfen waren, die betreffenden Rechtsvorschriften, selbst wenn sie in Form einer Richtlinie und gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen würden, zwangsläufig die Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV berühr[en würden]“. Eine solche Rechtsauffassung, so das Gericht weiter, stünde jedoch im Widerspruch zum Wortlaut von Art. 288 AEUV, wonach für Richtlinien nationale Umsetzungsmaßnahmen erforderlich seien.

55.

Da ich bereits ausgeführt habe, warum Richtlinien grundsätzlich nicht von einer Anfechtung nach Art. 263 Abs. 4 AEUV ausgenommen sind, brauche ich meine Ansicht zu diesem Punkt nicht zu wiederholen. Hinzufügen möchte ich lediglich, dass die Auffassung des Gerichts auch bedeuten würde, dass das Recht nicht privilegierter Kläger, im Verfahren nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung einer beschwerenden Maßnahme zu klagen, von den Unionsorganen leicht dadurch ausgehöhlt werden könnte, dass sie diese Maßnahme zweckmäßigerweise als „Richtlinie“ erlassen ( 28 ).

56.

Das Argument des Gerichts, wonach es für private Kläger allzu leicht wäre, unionsrechtliche Vorschriften anzufechten, wenn man dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin zur unmittelbaren Betroffenheit folgen würde, lässt sich daher mit dem Hinweis auf den Unterschied zwischen den Begriffen „unmittelbare Betroffenheit“ und „individuelle Betroffenheit“ entkräften. Diese beiden naturgemäß kumulativen Erfordernisse spielen im Rahmen von Art. 263 Abs. 4 AEUV eine unterschiedliche Rolle. Mit der unmittelbaren Betroffenheit soll geprüft werden, ob die Rechtsstellung des Klägers direkt betroffen ist. Mit der individuellen Betroffenheit soll geklärt werden, ob der Kläger aufgrund konkreter Umstände, die ihn von jeder anderen Person unterscheiden, die ebenfalls betroffen sein könnte, betroffen ist.

57.

Es ist also die Erfüllung des letztgenannten Kriteriums – wonach, einfach formuliert, der Kläger sich in einer Rechtsstellung befinden muss, die derjenigen eines Adressaten der Maßnahme entspricht ( 29 ) –, die Fallgestaltungen ausschließt, gegen die sich die Befürchtungen des Gerichts richten. Eine neue gesetzliche Regelung (sei es in Form einer Verordnung oder einer Richtlinie) kann in der Tat mehrere Wirtschaftsteilnehmer betreffen. Es kann jedoch nur denjenigen eine Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV zuerkannt werden, die die strenge „Plaumann-Formel“ ( 30 ) erfüllen. Die vom Gericht befürchtete Gefahr einer Popularklage gegen gesetzliche Regelungen des Unionsrechts ist somit offenkundig verfehlt.

58.

Zusammenfassend ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes der Rechtsmittelführerin meines Erachtens begründet. Diese Feststellung allein genügt jedoch nicht, um den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Wie oben erwähnt, stützt sich die Feststellung des Gerichts, dass keine unmittelbare Betroffenheit vorliege, nämlich noch auf einen anderen Komplex der Begründung.

b) Die Behörden der Mitgliedstaaten verfügten über einen Ermessensspielraum bei der Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie

59.

Der zweite Komplex von Gründen, die das Gericht dafür angeführt hat, dass eine unmittelbare Betroffenheit ausscheide, steht im Zusammenhang mit der konkreten Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin und dem Inhalt der angeführten Rechtsvorschriften. In den Rn. 111 bis 123 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht die unmittelbare Betroffenheit mit der Begründung ausgeschlossen, dass die Bestimmungen der angefochtenen Maßnahme, die nach Ansicht der Rechtsmittelführerin ihre Rechtsstellung berührten, Durchführungsmaßnahmen auf nationaler Ebene erfordert hätten.

60.

In diesem Teil seiner Begründung hat das Gericht das Kriterium der unmittelbaren Betroffenheit unabhängig von seinen eigenen zuvor geäußerten Bedenken aufgrund des Umstands, dass es sich bei diesem Instrument um eine Richtlinie handele, angewendet. Gleichwohl kann ich mich, auch was diesen Teil des angefochtenen Beschlusses angeht, dem Gericht nicht anschließen.

61.

Im Blick zu behalten ist, dass das Kriterium des Fehlens von Durchführungsmaßnahmen nicht bedeutet, dass jedweder Durchführungsrechtsakt die unmittelbare Betroffenheit unmittelbar und zwangsläufig ausschließen würde. Insbesondere ist, wie in den Rn. 102 und 103 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt, die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit u. a. dann erfüllt, wenn es zwar Durchführungsmaßnahmen gibt, die zuständigen Behörden aber in Wirklichkeit keinen echten Ermessensspielraum im Hinblick darauf haben, wie der hauptsächliche Unionsrechtsakt umzusetzen ist. Wie von Generalanwalt Wathelet ausgeführt, setzt der Ausschluss der unmittelbaren Betroffenheit voraus, dass „der Ermessensspielraum des Urhebers der Zwischenmaßnahme zur Umsetzung des Unionsrechtsakts nicht nur formaler Art [ist]. Er muss zur rechtlichen Betroffenheit des Klägers führen.“ ( 31 )

62.

Es gibt umfangreiche Rechtsprechung, die diesen Punkt veranschaulicht. Beispielsweise wurde die unmittelbare Betroffenheit bejaht, wenn der betreffende Unionsrechtsakt abschließend regelte, wie die nationalen Behörden ihre Entscheidungen zu treffen hatten ( 32 ), wenn er das zu erreichende Ergebnis, unabhängig von der Ausgestaltung der einzelnen Mechanismen, die von den nationalen Behörden zur Erreichung dieses Ergebnisses eingerichtet wurden, abschließend vorgab ( 33 ), wenn die Rolle der nationalen Behörden äußerst geringfügig und verwaltungstechnischer Natur ( 34 ) oder rein mechanischer Art ( 35 ) war oder wenn die Mitgliedstaaten hauptsächlich Begleitmaßnahmen zu dem betreffenden Unionsrechtsakt ergriffen ( 36 ).

63.

Die Unionsgerichte haben ferner entschieden, dass die Frage, ob ein Kläger von einer Unionsmaßnahme, die sich nicht an ihn richtet, unmittelbar betroffen ist, auch „nach dem Zweck dieser Maßnahme zu beurteilen“ ist ( 37 ). Dies bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob andere Auswirkungen der angefochtenen Unionsmaßnahme in der Praxis erst nach dem Erlass der Durchführungsmaßnahmen zum Tragen kommen, soweit die vom Kläger geltend gemachten rechtlichen Wirkungen sich unmittelbar und automatisch aus dieser Maßnahme ergeben ( 38 ).

64.

Meines Erachtens hat das Gericht den dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Grundgedanken in einer seiner letzten Entscheidungen gut zum Ausdruck gebracht: „Wird … ein [Unions]rechtsakt von einem Organ an einen Mitgliedstaat gerichtet und hat die von dem Mitgliedstaat aufgrund des Rechtsakts vorzunehmende Handlung automatischen Charakter oder ist jedenfalls das Ergebnis nicht zweifelhaft, so betrifft der Rechtsakt jede Person unmittelbar, die durch diese Handlung beeinträchtigt wird. … Mit anderen Worten, der fragliche Rechtsakt darf, um seine Wirkungen zu entfalten, nicht von der Ausübung eines Ermessens durch einen Dritten abhängen, sofern nicht offensichtlich ist, dass ein solches Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann.“ ( 39 )

65.

Maßgebend für diesen Lösungsansatz ist jedoch wiederum, wie oben bereits ausgeführt ( 40 ), der Vorrang des Inhalts vor der Form: Wenn nach dem Erlass der Unionsmaßnahme und als unmittelbare Folge daraus im Ergebnis nicht mehr zweifelhaft ist, wie später auf der nationalen Ebene vorgegangen wird, erschiene die Ansicht recht formalistisch, dass der Einzelne gleichwohl Wochen, Monate oder gar Jahre warten müsste, um in dieser Situation den Inhalt der Maßnahme, der bereits vorher bekannt war, im Wege einer Vorabentscheidung anfechten zu können ( 41 ).

66.

Anhand dieser Grundsätze ist die Begründung in den Rn. 111 bis 123 des angefochtenen Beschlusses zu prüfen.

67.

Die Rechtsmittelführerin hat im Verfahren vor dem Gericht vorgetragen, dass die angefochtene Maßnahme drei Folgen für ihre Rechtsstellung dergestalt nach sich ziehe, dass durch sie drei Vorschriften auf sie anwendbar würden und ihr damit neue Verpflichtungen auferlegt würden. Hierbei handele es sich um die Bestimmungen über i) die Entflechtung, ii) den Zugang Dritter und iii) die Tarifregelung. Außerdem sei in der Erdgasrichtlinie in den Art. 36 und 49a zwar die Möglichkeit einer Ausnahme bzw. einer Abweichung ( 42 ) von der Anwendung dieser Regelungen vorgesehen, doch seien diese Bestimmungen auf ihre Situation offenkundig nicht anwendbar.

68.

Die zentrale Frage ist somit, ob das Gericht zu Recht zu dem Schluss gekommen ist, dass keine der drei Arten von Rechtswirkungen, die die Rechtsmittelführerin beanstandete, sich unmittelbar aus der angefochtenen Maßnahme ergebe.

69.

Zum einen sollte mit der Würdigung bei einem Gesichtspunkt begonnen werden, den das Gericht fast beiläufig behandelt hat, der meines Erachtens aber für alle drei von der Rechtsmittelführerin aufgeworfenen Punkte durchaus relevant ist. In den Rn. 119 bis 123 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht entschieden, dass es für die Feststellung, ob die Rechtsmittelführerin von der angefochtenen Maßnahme unmittelbar betroffen sei, irrelevant sei, dass sie die in Art. 36 bzw. Art. 49a der Erdgasrichtlinie vorgesehene Ausnahme- bzw. Abweichungsregelung nicht habe in Anspruch nehmen können. Das Gericht stellte im Wesentlichen fest, dass die Rechtsmittelführerin, auch wenn die Bestimmungen der angefochtenen Maßnahme auf sie nicht anwendbar seien, gleichwohl eine solche Abweichung und/oder Ausnahme hätte beantragen bzw. geltend machen, anschließend die ablehnende(n) Entscheidung(en) vor den nationalen Gerichten hätte anfechten und in diesem Rahmen die Ungültigkeit des Unionsrechtsakts hätte geltend machen können, wodurch ein Vorabentscheidungsverfahren über die Gültigkeit der angefochtenen Maßnahme herbeigeführt worden wäre.

70.

Mit diesen Feststellungen wird die Bedeutung der Bestimmungen über die Gewährung von Ausnahmen in seiner Gesamtheit offenbar durchaus erheblich verkannt.

71.

Wenn die Rechtsmittelführerin, die bereits mit der Errichtung der Infrastruktur begonnen hatte, auf die die neuen Rechtsvorschriften anwendbar wurden, aufgrund einer Ermessensentscheidung der nationalen Behörden von der Anwendung des neuen Rechtsrahmens hätte ausgenommen werden können, hätte dies folgerichtig die Möglichkeit ihrer unmittelbaren Betroffenheit von der angefochtenen Maßnahme entfallen lassen. Es hätte dann nämlich vernünftigerweise von der Möglichkeit ausgegangen werden können, dass von den zuständigen nationalen Behörden eine Ausnahme im Ermessenswege gewährt worden wäre. Daher ist die Prüfung, ob die Art. 36 und 49a der Erdgasrichtlinie auf die Situation der Rechtsmittelführerin anwendbar sein konnten, in der vorliegenden Rechtssache eindeutig von Bedeutung.

72.

Die hierzu getroffenen Feststellungen des Gerichts sind somit verwunderlich. Zunächst sind sie mit der oben in den Nrn. 61 bis 65 angeführten Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen, wonach die erforderliche unmittelbare Betroffenheit ausgeschlossen ist, wenn es einen echten Ermessensspielraum der nationalen Behörden gibt.

73.

Wiederum dürfte es bei systematischer Betrachtung indes auch unangemessen (sowie aufwändig, kostspielig und zeitraubend) sein, von einem Unternehmen zu verlangen, eine Entscheidung der nationalen Behörden zu erwirken, deren Reaktion nur ablehnend ausfallen kann, um eine in einem Unionsrechtsakt enthaltene eindeutige und abschließende Regelung anzufechten. Das „vollständige System von Rechtsbehelfen und Verfahren“, auf das sich das Gericht in Rn. 120 des angefochtenen Beschlusses bezieht, soll für Kläger nicht ein langes Hindernisrennen sein. Dieses System beruht auf einer sinnvollen und verfassungsrechtlich abgestimmten Aufgabenteilung zwischen den nationalen Gerichten und den Unionsgerichten. Einfach formuliert, ist es die „Abstammung“ der den Kläger tatsächlich betreffenden Maßnahme, die über das Gericht bestimmt, vor dem er diese Maßnahme anfechten muss.

74.

In der vorliegenden Rechtssache kann, was die Art. 36 und 49a der Erdgasrichtlinie angeht, diese Abstammung nur auf den Unionsgesetzgeber verweisen. Keine der durch diese Bestimmungen eröffneten Optionen dürfte auf die Rechtsmittelführerin anwendbar sein. Nach der Entscheidung des Unionsgesetzgebers i) ist die Abweichung nur auf Gasfernleitungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland, „die vor dem 23. Mai 2019 fertiggestellt wurden“, anwendbar und ii) kann die Ausnahme nur für Großinfrastrukturvorhaben, für die noch keine endgültige Investitionsentscheidung getroffen worden ist, in Anspruch genommen werden ( 43 ). In der Tat hatte die Gasfernleitung Nord Stream 2 zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahme (17. April 2019) die Vor‑Investitionsphase hinter sich gelassen ( 44 ), sollte jedoch nicht vor dem 23. Mai 2019 fertiggestellt, geschweige denn betriebsbereit sein ( 45 ).

75.

Während diese Bestimmungen den nationalen Behörden somit einen gewissen Handlungsspielraum im Hinblick darauf einräumen, zugunsten bestimmter Wirtschaftsteilnehmer zukünftig eine Ausnahme oder Abweichung zuzulassen, ist dies für die Rechtsmittelführerin nicht der Fall. Die (Un‑)Anwendbarkeit dieser Bestimmungen wird insoweit vollständig durch die Unionsvorschriften vorgegeben, da die nationalen Behörden über keinen Handlungsspielraum verfügen, sondern vielmehr als verlängerter Arm der Union zu handeln haben. Insoweit erinnere ich daran, dass das bloße abstrakte Bestehen von Abweichungs- oder Ausnahmeregelungen von den in einem Unionsrechtsakt vorgesehenen Regelungen keine Bedeutung für die Rechtsstellung eines Klägers haben kann, wenn er diese Ausnahmen oder Abweichungen nicht ohne Weiteres in Anspruch nehmen kann ( 46 ).

76.

Da zum anderen die Rechtsmittelführerin sich der Anwendung der Regelungen der Erdgasrichtlinie nicht im Wege einer Ausnahme oder Abweichung entziehen kann, ist zu prüfen, ob die Verpflichtungen, die diese Richtlinie der Rechtsmittelführerin jetzt auferlegt, sich aus dem Erlass der angefochtenen Maßnahme oder vielmehr aus den diese Maßnahme umsetzenden nationalen Rechtsvorschriften ergeben.

77.

Die Rechtsmittelführerin beanstandet insbesondere die mit der angefochtenen Maßnahme vorgenommene Ausweitung der Entflechtungsverpflichtungen nach Art. 9 der Erdgasrichtlinie. Das Gericht hat nicht in Abrede gestellt, dass die angefochtene Maßnahme grundsätzlich zu einer solchen Ausweitung geführt hat, indem sie den Anwendungsbereich der in Art. 9 Abs. 1 der Erdgasrichtlinie aufgestellten Regel der vollständigen eigentumsrechtlichen Entflechtung erweitert hat ( 47 ). Es hat jedoch festgestellt, dass die Ausweitung sich nicht aus der angefochtenen Maßnahme ergebe, da die Mitgliedstaaten zwei Alternativen zur vollständigen eigentumsrechtlichen Entflechtung vorsehen könnten, nämlich das in Art. 9 Abs. 8 bzw. Art. 9 Abs. 9 der Erdgasrichtlinie vorgesehene Modell des sogenannten „unabhängigen Netzbetreibers“ („Independent System Operator“- oder „ISO-Modell“) ( 48 ) bzw. des „unabhängigen Fernleitungsnetzbetreibers“ („Independent Transmission Operator“- oder „ITO“-Modell) ( 49 ).

78.

Die Feststellung des Gerichts, dass den Mitgliedstaaten nach Art. 9 der Erdgasrichtlinie drei Möglichkeiten zur Verfügung ständen, um zu einer Entflechtung zu gelangen, ist zweifellos zutreffend. Die Rechtsmittelführerin hat dies selbst eingeräumt ( 50 ). Diese Feststellung geht jedoch am eigentlichen Vorbringen der Rechtsmittelführerin vorbei.

79.

Die Rechtsmittelführerin hat nicht nur die vollständige eigentumsrechtliche Entflechtung beanstandet. Ihrer Ansicht nach sind sowohl das nach Art. 9 der Erdgasrichtlinie zu erreichende Ergebnis (die Entflechtung) als auch die drei Methoden, dieses Ergebnis zu erreichen (vollständiges Eigentum, „ISO“ oder „ITO“), rechtswidrig.

80.

Insoweit ist unstreitig, dass sich, unabhängig von der von den nationalen Behörden letztlich gewählten Option, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin zwangsläufig ändern wird. Die Rechtsmittelführerin wird nämlich verpflichtet sein, i) die Gasfernleitung Nord Stream 2 vollständig zu verkaufen, ii) den Teil der Gasfernleitung, der der Zuständigkeit Deutschlands unterliegt, zu verkaufen oder iii) das Eigentum an der Gasfernleitung auf eine gesonderte Tochtergesellschaft zu übertragen. Ungeachtet der zwischen diesen drei Modellen bestehenden Unterschiede zieht jedes von ihnen die Notwendigkeit nach sich, das Eigentum an und/oder den Betrieb der Gasfernleitung ganz oder teilweise zu übertragen, und verpflichtet die Rechtsmittelführerin somit zu einer Änderung ihrer Unternehmensstruktur.

81.

Unter diesen Umständen und in Anbetracht dieser einzigartigen Situation führt meines Erachtens nichts an der Schlussfolgerung vorbei, dass das, was die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin unmittelbar berührt, die angefochtene Maßnahme und nicht lediglich die (nachfolgenden) Umsetzungsmaßnahmen sind. Inwieweit die Rechtsmittelführerin betroffen ist, ist in der angefochtenen Maßnahme abschließend geregelt. Die Mitgliedstaaten haben, was das zu erreichende Endergebnis angeht, keinen Ermessensspielraum. Ihnen stehen lediglich (begrenzte) Wahlmöglichkeiten im Hinblick darauf zu, wie sie es erreichen, indem sie sich für eines der drei vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Entflechtungsmodelle entscheiden. Unabhängig davon jedoch, welches der drei Modelle sie wählen, wird die Rechtsmittelführerin betroffen sein. Zusammenfassend verfügen die Mitgliedstaaten über keinen Ermessensspielraum im Hinblick auf das Ob und das Was, da sie nur eine der drei vorgegebenen Formen des Wie wählen können.

82.

Die vorliegende Rechtssache gehört somit zu den Fällen ( 51 ), in denen von den Unionsgerichten eine unmittelbare Betroffenheit in ständiger Rechtsprechung bejaht wird. Insoweit ist meines Erachtens nicht ersichtlich, warum die vorliegende Rechtssache sich beispielsweise von derjenigen unterscheiden sollte, über die die Unionsgerichte in der Rechtssache Infront ( 52 ) entschieden haben, auf die sich die Rechtsmittelführerin im Verfahren vor dem Gericht in der Tat berufen hat. Das Gericht hat eher apodiktisch festgestellt, dass diese Rechtssache sich von der vorliegenden Rechtssache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unterscheide, weil die Erstere eine Entscheidung (und nicht eine Richtlinie) zum Gegenstand gehabt habe und die Letztere nicht „atypisch“ sei ( 53 ).

83.

Mir ist unklar, was das Gericht gemeint hat, soweit es die vorliegende Rechtssache als „nicht atypisch“ bezeichnet hat, und inwieweit dieser Aspekt für Art. 263 AEUV eine Rolle spielt ( 54 ). Maßgebend ist meines Erachtens wiederum vielmehr, anzuerkennen, dass der Name und die Form einer Handlung nach dieser Bestimmung kaum relevant sind. Wenn dem so ist, kommt es entscheidend lediglich darauf an, ob die behaupteten Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin sich aus dem angefochtenen Unionsrechtsakt oder aus einem nachfolgenden Umsetzungsrechtsakt ergeben.

84.

Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung des Gerichts in Rn. 118 des angefochtenen Beschlusses, dass die Rechtsmittelführerin von der angefochtenen Maßnahme nicht unmittelbar betroffen sei, weil die Entflechtungsvorschrift nationale Umsetzungsmaßnahmen erfordere, rechtsfehlerhaft.

85.

Da nach alledem meines Erachtens beide vom Gericht im angefochtenen Beschluss für den Ausschluss einer unmittelbaren Betroffenheit angeführten Begründungskomplexe nicht zutreffend sind (wonach die angefochtene Maßnahme eine Richtlinie sei und die Entflechtungsvorschrift die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar berühre), komme ich zu dem Ergebnis, dass das Gericht in Rn. 116 des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerhaft festgestellt hat, dass die Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar betroffen sei, und ausgehend hiervon anschließend in Rn. 124 des angefochtenen Beschlusses zu einem fehlerhaften Ergebnis zur Frage der Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 AEUV gekommen ist.

86.

Diese Rechtsfehler reichen für sich genommen aus, um Nr. 4 des Tenors des angefochtenen Beschlusses aufzuheben, mit dem die Klage als unzulässig abgewiesen wurde. Der Vollständigkeit halber und um den Gerichtshof im vorliegenden Rechtsmittelverfahren umfassend zu unterstützen, gehe ich jedoch auch noch auf das weitere von der Rechtsmittelführerin mit dem ersten Rechtsmittelgrund vorgetragene Vorbringen ein.

c) Fehlende Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Rechtsmittelführerin

87.

Die Rechtsmittelführerin hat im Verfahren vor dem Gericht geltend gemacht, dass sich die angefochtene Maßnahme auf ihre Rechtsstellung unmittelbar auswirke, da sie insbesondere drei Arten von Auswirkungen habe. Abgesehen davon, dass sie eine Verpflichtung hinsichtlich der Entflechtung begründe – was im vorstehenden Abschnitt der vorliegenden Schlussanträge erörtert worden ist –, verpflichte sie die Rechtsmittelführerin auch zur Anwendung der Vorschriften über den Zugang Dritter und über die Tarifregelung. Die Rechtsmittelführerin hat in ihrem gesamten Vorbringen im Verfahren vor dem Gericht (insbesondere in ihrer Klageschrift und in ihrer Stellungnahme zu den von den Beklagten erhobenen Unzulässigkeitseinreden) stets auf die sich aus der Anwendung dieser drei Vorschriften auf ihre Situation ergebenden (ihrer Ansicht nach beschwerenden) Auswirkungen verwiesen.

88.

Dies hat das Gericht im angefochtenen Beschluss insoweit zur Kenntnis genommen ( 55 ). Es hat dann jedoch die erforderliche unmittelbare Betroffenheit verneint und sich insofern lediglich auf die Vorschriften über die Entflechtung bezogen. Das Gericht hat nicht geprüft, ob, unabhängig von den angeblichen Auswirkungen der Entflechtungsregelungen, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin auch durch die Bestimmungen über den Zugang Dritter und/oder die Tarifregelung beeinträchtigt werden konnten.

89.

Im Vorbringen der Rechtsmittelführerin zum Zugang Dritter und zur Tarifregelung sind keineswegs nur nebensächliche Erwägungen zu sehen, die vom Gericht außer Acht gelassen oder stillschweigend zurückgewiesen werden konnten, sondern vielmehr zwei Teilaspekte ihres drei Punkte umfassenden Vorbringens dazu, warum sie von der angefochtenen Maßnahme unmittelbar betroffen sei. Jeder dieser drei Teilaspekte könnte, für sich genommen, für die Feststellung einer unmittelbaren Betroffenheit ausreichen. Insbesondere bleiben, unabhängig von der von den nationalen Behörden letztlich gewählten Form der Entflechtung, die der Rechtsmittelführerin auferlegten Verpflichtungen zum Zugang Dritter und zur Tarifregelung unberührt.

90.

Unter diesen Umständen weist der angefochtene Beschluss zwangsläufig auch einen Begründungsmangel auf. Dieser Rechtsfehler ergibt sich aus dem zwingenden Recht. Er kann ( 56 ) vom Gerichtshof von Amts wegen ( 57 ) insbesondere dann geprüft werden, wenn er die Zulässigkeit einer Klage vor dem Gericht betrifft ( 58 ).

91.

Unabhängig von den vorstehend festgestellten Rechtsfehlern bei der Auslegung und Anwendung der Entflechtungsvorschrift (Art. 9 der Erdgasrichtlinie) und der Abweichungs- und Ausnahmeregelungen (Art. 49a bzw. Art. 36 der Erdgasrichtlinie) ist Nr. 4 des Tenors des angefochtenen Beschlusses daher auch wegen einer Verletzung der Begründungspflicht aufzuheben.

92.

Außerdem wäre das Gericht, wenn es die Bestimmungen über den Zugang Dritter und die Tarifregelung ordnungsgemäß gewürdigt hätte, zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Bestimmungen die Rechtsmittelführerin auch unmittelbar betreffen.

93.

Wiederum ist zwar richtig, dass, wie die Beklagten und die Streithelfer vortragen, die Mitgliedstaaten sowohl nach Art. 32 als auch nach Art. 41 der Erdgasrichtlinie verpflichtet sind, ihre Umsetzung „zu gewährleisten“.

94.

Auch in diesem Zusammenhang lässt sich jedoch kaum bestreiten, dass die Rechtsmittelführerin sich nicht gegen die konkreten Modalitäten wendet, nach denen die sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Verpflichtungen wirksam werden. Die Rechtsmittelführerin wendet sich vielmehr gegen den Kern der ihr durch den Erlass der angefochtenen Maßnahme auferlegten Verpflichtungen.

95.

Auf das Wesentliche zusammengefasst, verpflichtet Art. 32 der Erdgasrichtlinie Fernleitungsnetzbetreiber, potenziellen Kunden in nicht diskriminierender Weise und auf der Grundlage veröffentlichter Tarife Zugang zu ihren Kapazitäten zu gewähren. Art. 41 Abs. 6, 8 und 10 der Erdgasrichtlinie wiederum sehen im Wesentlichen vor, dass die von Fernleitungsnetzbetreibern für die Nutzung ihrer Transportkapazität berechneten Tarife von der nationalen Regulierungsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats genehmigt werden müssen.

96.

Durch diese Bestimmungen wird die Rechtsmittelführerin in dem nach diesen Regelungen vorgesehen Umfang rechtlich daran gehindert, als normaler Marktteilnehmer tätig zu sein, der seine Kunden und Preispolitik frei auswählen kann. Die Rechtsmittelführerin sieht sich somit einer Reihe neuer regulatorischer Beschränkungen ausgesetzt, die ihr Recht auf Eigentum und ihre unternehmerische Freiheit einschränken. Diese Beschränkungen sind neu, da die zum Zeitpunkt der Investition, also des Baubeginns an der Infrastruktur und des Abschlusses von Verträgen über deren Finanzierung und künftigen Betrieb ( 59 ), geltenden Regelungen keinen verpflichtenden Zugang Dritter und keine Genehmigung von Tarifen durch die nationale Regulierungsbehörde vorsahen.

97.

Dies bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber dann, wenn ein Unternehmen eine Investition tätigt und sich auf der Grundlage einer bestimmten Regelung auf seinen Markteintritt vorbereitet, diese Regelung nicht unabhängig davon, wie groß diese Investition sein mag, wirksam ändern könnte. Dies ist in der Tat gewiss nicht der Fall.

98.

Ob die Änderungen, die an dieser Regelung vorgenommen werden und die neue, vorher nicht bestehende Verpflichtungen und Beschränkungen begründen, angemessen sind oder nicht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage der Rechtsmittelführerin. Was die Zulässigkeit angeht, stellt sich allein die Frage, ob diese Verpflichtungen und Beschränkungen sich unmittelbar aus der angefochtenen Maßnahme ergeben, und nicht, ob sie angemessen oder gerechtfertigt sind. Beeinträchtigen diese Beschränkungen und Verpflichtungen die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Rechtsmittelführerin sowie ihre Möglichkeit, ihren Verpflichtungen aus bereits bestehenden Verträgen nachzukommen ( 60 ), unabhängig davon, welche Maßnahmen letztlich auf nationaler Ebene möglicherweise erlassen werden?

99.

Schließlich sollten zwei weitere Argumente der Beklagten und der Streithelfer erörtert werden.

100.

Erstens scheint mir das Vorbringen der polnischen Regierung, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin könne durch die angefochtene Maßnahme nicht beeinträchtigt werden, weil die Erdgasrichtlinie bereits auf Gasfernleitungen wie die Gasfernleitung Nord Stream 2 anwendbar gewesen sei, nicht haltbar. Diese Gasfernleitung, die einen Mitgliedstaat (Deutschland) mit einem Nichtmitgliedstaat (Russland) verbindet, dürfte eindeutig nicht unter die frühere Definition der „Verbindungsleitung“ nach Art. 2 Nr. 17 der Erdgasrichtlinie in ihrer ursprünglichen Fassung gefallen sein. Diese gesetzliche Definition bezog sich auf „eine Fernleitung, die eine Grenze zwischen Mitgliedstaaten quert oder überspannt und einzig dem Zweck dient, die nationalen Fernleitungsnetze dieser Mitgliedstaaten zu verbinden“.

101.

Die angefochtene Maßnahme hat somit diese Definition dahin erweitert, dass darunter auch „eine Fernleitung zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland bis zum Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder dem Küstenmeer dieses Mitgliedstaats“ fällt ( 61 ). Im Übrigen dürfte das Vorbringen der polnischen Regierung schon durch den Wortlaut der angefochtenen Maßnahme widerlegt werden: Nach dem dritten Erwägungsgrund hat diese Maßnahme das „Ziel …, Hindernisse für die Vollendung des Erdgasbinnenmarktes zu beseitigen, die sich aus der Nichtanwendung der Marktvorschriften der Union auf Gasfernleitungen aus Drittländern und in Drittländer ergeben“ ( 62 ).

102.

Zweitens ist auch das Vorbringen des Parlaments und der polnischen Regierung, dass keine Auswirkungen auf die Rechtsmittelführerin vorgelegen hätten, weil ihre Geschäftstätigkeit noch nicht begonnen habe, meines Erachtens nicht überzeugend. Die Erdgasrichtlinie, die durch die angefochtene Maßnahme auf die Rechtsmittelführerin anwendbar geworden ist, regelt nicht nur die Tätigkeiten der gegenwärtig auf dem Markt tätigen Unternehmen, sondern auch diejenigen von Unternehmen, die in den Markt eintreten wollen. Beispielsweise regeln die Art. 36 und 49a der Erdgasrichtlinie Sachverhalte, in denen ein Unternehmen noch nicht mit der Erbringung seiner Leistungen begonnen hat. Die erstgenannte Bestimmung betrifft insbesondere Situationen, in denen mit dem Bau der in Rede stehenden Infrastruktur noch nicht einmal begonnen wurde.

103.

Vielleicht noch wichtiger mag jedoch sein, dass unter dem Aspekt der grundlegenden wirtschaftlichen Realität betrachtet, Gasfernleitungen keine Clementinen sind ( 63 ). Ein solches Großinfrastrukturvorhaben ist keine Geschäftstätigkeit, die von einem Tag auf den anderen beginnt. In der vorliegenden Rechtssache wird die angefochtene Maßnahme angesichts des fortgeschrittenen Stadiums des Baus der Gasfernleitung und der von der Rechtsmittelführerin über Jahre hinweg getätigten erheblichen Investition zahlreiche Auswirkungen auf ihre Unternehmensstruktur und darauf haben, wie sie ihr Geschäft betreiben kann. Einige der von der Rechtsmittelführerin verlangten Änderungen sind notwendigerweise noch vor Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit umzusetzen. Dementsprechend kann nicht die Ansicht vertreten werden, dass die Auswirkungen rein hypothetischer Art seien oder sich jedenfalls auf in der Zukunft liegende Ereignisse bezögen.

104.

Nach alledem ist meines Erachtens auch der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes der Rechtsmittelführerin begründet. Das Gericht hat Art. 9 der Erdgasrichtlinie unzutreffend ausgelegt, die Bedeutung ihrer Art. 36 und 49a verkannt und die Auswirkungen ihrer Art. 32 und 41 nicht geprüft. Diese Bestimmungen begründeten neue Verpflichtungen der Rechtsmittelführerin. Der wesentliche Teil dieser Verpflichtungen (der nämlich gerade dem von der Rechtsmittelführerin beanstandeten Teil entspricht ( 64 )) kann durch die nationalen Umsetzungsmaßnahmen nicht mehr wesentlich berührt werden.

105.

Ich komme somit zu dem Ergebnis, dass die Rechtsmittelführerin als von der angefochtenen Handlung unmittelbar betroffen anzusehen ist.

B.   Zweiter Rechtsmittelgrund

106.

Der zweite Rechtsmittelgrund richtet sich gegen die Rn. 38 bis 72 und 125 bis 135 des angefochtenen Beschlusses.

107.

In den Rn. 38 bis 72 des angefochtenen Beschlusses behandelte das Gericht den Zwischenstreitantrag des Rates ( 65 ). Es ordnete an, zwei der vom Rat beanstandeten Dokumente (Anlagen A.14 und O.20) aus den Akten zu entfernen. Es entschied ferner, dass die in den Erklärungen der Rechtsmittelführerin enthaltenen Stellen mit Auszügen dieser Dokumente nicht mehr zu berücksichtigen seien. Dagegen entschied das Gericht, dass die Entfernung eines dritten Dokuments (der Verhandlungsrichtlinien) sich erledigt habe, da dieses Dokument nicht vorgelegt worden sei.

108.

In den Rn. 125 bis 135 des angefochtenen Beschlusses behandelte das Gericht sodann den Antrag der Rechtsmittelführerin auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme dahin, den Beklagten aufzugeben, die unbereinigte Fassung bestimmter Dokumente vorzulegen ( 66 ). Das Gericht stellte zunächst fest, dass dieser Antrag sich erledigt habe. Die betreffenden Dokumente hätten angeblich dazu gedient, die individuelle Betroffenheit der Rechtsmittelführerin von der angefochtenen Maßnahme zu belegen. Die Klage könne jedoch als unzulässig abgewiesen werden, ohne dass die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit geprüft werden müsse.

109.

Sodann prüfte das Gericht den Antrag des Rates, zwei Dokumente der Rechtsmittelführerin, die sie ihrem Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme beigefügt hatte (unbereinigte deutsche Dokumente), aus den Akten zu entfernen. Es stellte fest, dass dieser Antrag begründet sei.

110.

In ihrer Rechtsmittelschrift macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, soweit es i) angeordnet habe, die streitigen Anlagen aus den Akten zu entfernen, und ii) die in der Klageschrift der Rechtsmittelführerin enthaltenen Stellen mit Auszügen dieser beiden Anlagen unberücksichtigt gelassen habe.

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

111.

Die Rechtsmittelführerin macht geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, soweit es sich im Wesentlichen in seiner Begründung ausschließlich auf die Anwendung der Regelungen über den Zugang zu Dokumenten nach der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt habe. Auch wenn diesem Instrument gewisse Anhaltspunkte dafür entnommen werden könnten, welche Interessen die Unionsgerichte bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von in anhängigen Verfahren vorgelegten Beweismitteln möglicherweise zu berücksichtigen hätten, könne es indes ipso facto auf diese Situationen nicht angewendet werden. Das Gericht hätte die Zulässigkeit der streitigen Anlagen auch unter Berücksichtigung anderer, von denjenigen nach der Verordnung Nr. 1049/2001 abweichender Interessen prüfen müssen. Insbesondere müssten die Unionsgerichte nach ständiger Rechtsprechung prüfen, ob die von einem Beteiligten vorgelegten Unterlagen für die Entscheidung des Rechtsstreits relevant oder sogar entscheidend sein könnten.

112.

Nach Ansicht des Rates ist dieser Rechtsmittelgrund unzulässig, da die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen die Überprüfung einer vom Gericht vorgenommenen Tatsachenwürdigung begehre, nämlich ob die Vorlage der streitigen Anlagen geeignet und erforderlich gewesen sei. Ferner sind beide Beklagten, unterstützt von den Streithelfern, der Ansicht, dass dieser Rechtsmittelgrund unbegründet sei, da das Gericht die sich aus der Rechtsprechung der Unionsgerichte ergebenden Grundsätze für die Zulässigkeit von Beweismitteln richtig angewendet habe. Die Beklagten betonen, dass es sich bei den streitigen Anlagen um interne Dokumente gehandelt habe, die der Öffentlichkeit nie zugänglich gemacht worden seien.

2. Würdigung

113.

Zunächst ist das Vorbringen des Rates zur Unzulässigkeit des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen. Die Rechtsmittelführerin begehrt nämlich nicht eine Neubewertung der vom Gericht vorgenommenen Beurteilung der Relevanz der streitigen Anlagen durch den Gerichtshof. Vielmehr beanstandet die Rechtsmittelführerin den für die Beurteilung der Zulässigkeit der betreffenden Dokumente angewendeten rechtlichen Rahmen. Dies ist eine Rechtsfrage, die als solche im Rechtsmittelverfahren überprüft werden kann.

114.

Was die Begründetheit des zweiten Rechtsmittelgrundes angeht, teile ich die Ansicht der Rechtsmittelführerin. Das Gericht hat mit seinem Ansatz zu der Prüfung, ob die streitigen Anlagen als Beweismittel zugelassen werden könnten, rechtsfehlerhaft entschieden.

115.

Um dieses Ergebnis zu erläutern, fasse ich zunächst die für die Vorlage von Beweisen vor den Unionsgerichten geltenden Grundsätze zusammen und stelle dabei den in den einschlägigen Bestimmungen und in der einschlägigen Rechtsprechung verankerten Ansatz der Aufgeschlossenheit dar (a). Sodann werde ich mich den möglichen Ausnahmen von dieser Regelung zuwenden, für die gewisse Anhaltspunkte in begrenztem Maße auch den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 zu entnehmen sind (b). Anschließend werde ich einen weiteren, aber wichtigen Unterschied zwischen der Regelung des Zugangs zu Dokumenten und derjenigen für die Vorlage von Beweisen vor den Unionsgerichten herausstellen, nämlich den Unterschied zwischen den Folgen, die sich aus der Verbreitung von Dokumenten ergeben (c). Vor diesem Hintergrund werde ich dann darlegen, warum konkret das Gericht im angefochtenen Beschluss bei der Prüfung der Zulässigkeit der streitigen Anlagen rechtsfehlerhaft entschieden hat (d). Schließlich werde ich kurz zur Relevanz dieser Anlagen für das vorliegende Verfahren Stellung nehmen (e).

a) Allgemeiner Ansatz der Aufgeschlossenheit zur Zulässigkeit von Beweismitteln

116.

Die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union enthält keine konkrete Bestimmung über die Zulässigkeit von den Parteien vorgelegter Beweismittel. Nach Art. 24 der Satzung können die Unionsgerichte jedoch von den Parteien die Vorlage aller Urkunden und die Erteilung aller Auskünfte verlangen, die sie für wünschenswert halten. Ferner können die Unionsgerichte auch von den Mitgliedstaaten und den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, die nicht Parteien in einem Rechtsstreit sind, alle Auskünfte verlangen, die sie zur Regelung dieses Rechtsstreits für erforderlich erachten.

117.

Auch die Verfahrensordnungen des Gerichts und des Gerichtshofs enthalten keine allgemeine Bestimmung über die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Arten von Beweismitteln. Diese Normkomplexe regeln nur, wann und wie (nicht aber welche) Beweismittel von den Beteiligten vorgelegt werden oder vom Gerichtshof angefordert werden können.

118.

Dementsprechend ist es ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass „der Grundsatz der Waffengleichheit, der eine logische Folge aus dem Begriff des fairen Verfahrens ist, gebietet, dass es jeder Partei angemessen ermöglicht wird, ihren Standpunkt sowie ihre Beweise unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine gegenüber ihrem Gegner deutlich nachteilige Position versetzen“ ( 67 ). Außerdem hat der Gerichtshof auch klargestellt, dass „[i]m Unionsrecht … der Grundsatz der freien Beweiswürdigung [gilt]“ und dass „für die Würdigung der vorgelegten Beweise allein deren Glaubhaftigkeit maßgeblich [ist]“ ( 68 ).

119.

Durch konkretere Rechtsprechung wird ferner bestätigt, dass es keine grundlegenden Ausschlüsse im Hinblick auf bestimmte Formen oder Ursprünge von Beweismitteln gibt ( 69 ). Was die Art und Weise der Erlangung von Beweismitteln angeht, haben die Unionsgerichte klargestellt, dass in der Regel nur rechtmäßig erlangte Beweise frei vorgelegt werden können ( 70 ), was mit dem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans im Einklang steht. Ebenso wie andere oberste Gerichte ( 71 ) schließen jedoch auch die Unionsgerichte nicht aus, dass ausnahmsweise auch nicht rechtmäßig (oder nicht ordnungsgemäß) erlangte Beweise zulässig sein können ( 72 ). Dies gilt umso mehr, soweit die Authentizität der Dokumente nicht in Frage gestellt wurde ( 73 ) und nicht feststeht, dass die Partei, die die Beweise vorgelegt hat, auch diejenige war, die sie rechtswidrig beschafft hatte ( 74 ).

120.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass in Verfahren vor den Unionsgerichten grundsätzlich alle Beweismittel vorgelegt werden können ( 75 ). Das betreffende Unionsgericht kann jedoch das Bestehen anderer Interessen berücksichtigen, die, ausnahmsweise, die Ablehnung von Beweisen rechtfertigen können, und diese Interessen gegen die Interessen derjenigen, die ihre Zulassung beantragen, abwägen.

b) Ausnahmen von der Zulässigkeit von Beweismitteln

121.

Was die Interessen angeht, die schutzwürdig sind und somit Ausnahmen vom Grundsatz der freien Beweisführung erlauben, lassen sich gewisse Anhaltspunkte denjenigen Ausnahmen entnehmen, die der Unionsgesetzgeber in der Verordnung Nr. 1049/2001 ausdrücklich geregelt hat. Wie der Gerichtshof entschieden hat, bietet dieses Instrument „eine gewisse Orientierung für die Gewichtung der Interessen, die für die Entscheidung [über Anträge auf Entfernung von im Verfahren vor den Unionsgerichten vorgelegten Dokumenten aus den Akten] erforderlich ist“ ( 76 ).

122.

Dieses Instrument stellt zwar eine vollständige und abschließende Regelung dar, was den Zugang zu Dokumenten angeht, dies kann aber eindeutig nicht auch für die Beweisführung gelten. Die Unionsgerichte können und sollten gegebenenfalls auch andere („gerichtliche“ oder „außergerichtliche“) Belange berücksichtigen.

123.

Allgemein würde ich in diesem Zusammenhang vor einem automatischen oder jedenfalls überzogenen Rückgriff auf die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 warnen. Es ist nämlich keineswegs zufällig, dass dieses Instrument nicht für Dokumente des Gerichtshofs der Europäischen Union gilt und dass die von diesem Instrument erfassten Organe den Zugang zu Dokumenten zu verweigern haben, „wenn durch [deren] Verbreitung … der Schutz von Gerichtsverfahren [beeinträchtigt würde]“ ( 77 ).

124.

Dies ist durchaus logisch. Die meisten Rechtsordnungen sehen nämlich besondere Regelungen für die Offenlegung von Informationen im Rahmen von Gerichtsverfahren vor. Es ist daher nachvollziehbar, dass der Unionsgesetzgeber sich dafür entschieden hat, dass die allgemeinen Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten in diese Sonderregelungen nicht eingreifen dürfen. Erst recht ist nicht vorstellbar, dass ein Instrument wie die Verordnung Nr. 1049/2001 dann de facto die Vorlage von Beweisen im Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union regeln sollte.

125.

Zwar stützen sich beide Regelungskomplexe – derjenige für den Zugang zu Dokumenten bzw. derjenige für die Vorlage von Beweisen – auf ein ähnliches „Regel-Ausnahme“-System. Die Regel ist die Verbreitung, und die Ausnahme ist die Nichtverbreitung. Damit jedoch enden etwaige Parallelen, die zwischen beiden Regelungen und vor allem dem im Rahmen beider Regelungen herzustellenden Gleichgewicht zwischen widerstreitenden Werten und Interessen gezogen werden können.

126.

Die beiden Regelungskomplexe i) beziehen sich auf Tätigkeiten unterschiedlicher Art und ii) verfolgen ein unterschiedliches Ziel, so dass iii) die Organe bei der Entscheidung über die Offenlegung des betreffenden Dokuments eine durchaus unterschiedliche Beurteilung vorzunehmen haben.

127.

Erstens bedarf es meines Erachtens keiner vertieften Erörterung, warum die Tätigkeit der Offenlegung eines bestimmten Dokuments gegenüber der Öffentlichkeit mit der Tätigkeit der Vorlage (und somit der Offenlegung) eines Dokuments im Verfahren vor einem Gericht kaum vergleichbar ist. Es kann nicht sein, dass der Gerichtshof der Europäischen Union, die alleinige für die Überwachung und Durchsetzung der Rechtmäßigkeit gegenüber den Organen und Einrichtungen der Union zuständige Instanz, bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts auf dem gleichem Niveau Zugang zu den Dokumenten dieser Organe und Einrichtungen hat wie, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, Journalisten, Wissenschaftler oder Nichtregierungsorganisationen.

128.

Zweitens ist auch hervorzuheben, dass in Anbetracht des Unterschieds zwischen diesen Tätigkeiten auch die mit den jeweiligen Regelungskomplexen verfolgten Ziele durchaus unterschiedlich sind.

129.

Das Ziel der Verordnung Nr. 1049/2001 besteht, wie in ihrem zweiten Erwägungsgrund zum Ausdruck kommt, darin, Offenheit und Transparenz in der öffentlichen Verwaltung zu erhöhen, um eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess zu ermöglichen und eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger zu gewährleisten. Das übergeordnete Ziel besteht in der Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte.

130.

Die Beweisregelungen wiederum sollen eine geordnete Rechtspflege gewährleisten, die es dem Gerichtshof der Europäischen Union ermöglicht, seine Aufgabe nach Art. 19 EUV zu erfüllen. Das übergeordnete Ziel besteht darin, jeder Person das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zu garantieren.

131.

Drittens wird durch diese (unterschiedlichen) Ziele zwangsläufig auch die Beurteilung unterschiedlich geprägt, die die für die Aufgabe der Entscheidung über das Schicksal eines streitigen Dokuments zuständigen Unionsorgane vorzunehmen haben. Insbesondere gibt es zwischen der Art und Weise der Gewichtung der widerstreitenden Interessen in den beiden Regelungssystemen einerseits und den Ergebnissen der Gewichtung der jeweils betroffenen Werte und Interessen andererseits wenig Gemeinsamkeiten.

132.

Die Regelungen der Verordnung Nr. 1049/2001 sollen die Interessen der Bürger an einer offenen und transparenten öffentlichen Verwaltung mit der Notwendigkeit der Wahrung der Fähigkeit der Unionsorgane zur wirksamen Erfüllung ihrer Aufgaben in Einklang bringen ( 78 ). Dementsprechend hat das mit einem Antrag auf Freigabe eines Dokuments befasste Organ zu beurteilen, ob unter den konkreten Umständen des Einzelfalls der Öffentlichkeit Zugang zu dem betreffenden Dokument gewährt werden kann, ohne die Fähigkeit des Organs zur Wahrung eines der in der Verordnung genannten Interessen zu beeinträchtigen. Selbst wenn diese Fähigkeit beeinträchtigt werden könnte, hätte das Organ im Übrigen zu beurteilen, ob möglicherweise ein überwiegendes Interesse besteht, das eine Verbreitung gebietet.

133.

Es liegt auf der Hand, dass die Prüfung, die bei einer Entscheidung über die Vorlage von Beweisen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens stattfindet, anderer Art ist. Die Beweisregeln sollen bestimmen, welche Informationsquellen das Gericht berücksichtigen darf, um die für die Entscheidung über einen Rechtsstreit erheblichen Tatsachen festzustellen. Es ist nicht leicht, gute Gründe dafür zu finden, warum die Unionsgerichte bestimmte (potenziell erhebliche) Informationsquellen außer Acht lassen und hierdurch das Risiko gerichtlicher Fehlentscheidungen erhöhen sollten.

134.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass nicht in bestimmten Fällen die Notwendigkeit, ein bestimmtes konkretes Interesse zu schützen, eine Rechtfertigung dafür sein kann, die Zulassung seitens der Beteiligten vorgelegter Beweise unabhängig von ihrer Erheblichkeit abzulehnen. In der Rechtsprechung finden sich einige Beispiele für Situationen, in denen die Unionsgerichte Ausnahmen vom Grundsatz der freien Beweisführung zugelassen haben. Zur Veranschaulichung lassen sich drei Beispiele anführen.

135.

Zum einen darf ein gerichtliches Verfahren von einer Partei nicht zur „Umgehung“ der Regelungen für den Zugang zu Dokumenten benutzt werden. Dies wäre der Fall, wenn eine Partei ein vorgeschobenes gerichtliches Verfahren genau mit dem Ziel begönne, Zugang zu andernfalls vertraulichen Dokumenten zu erhalten ( 79 ). Es ist durchaus auch denkbar, dass im Rahmen eines echten Rechtsstreits ein Beteiligter Zugang zu einem vertraulichen Dokument eines Unionsorgans beantragt, dessen Offenlegung die Fähigkeit dieses Organs zur Erfüllung seiner Aufgaben außerhalb des Gerichtssaals tatsächlich beeinträchtigen könnte.

136.

Zweitens kann die Notwendigkeit des Schutzes der internen Beratungen der Unionsorgane oder der nationalen Organe sowie insbesondere auch ihrer Möglichkeit, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten, gewisse Einschränkungen der Möglichkeit der Beteiligten zur Vorlage von Dokumenten, die nicht für die Öffentlichkeit freigegeben wurden und werden sollten, rechtfertigen ( 80 ). Rechtsberater könnten nämlich Bedenken haben, schriftlich eine eingehende Beratung zu erbringen, wenn ihnen bewusst ist, dass das Unionsorgan sich schließlich gegen ihre Empfehlung entscheiden könnte und sie später in einem Gerichtssaal bei der Verteidigung der Entscheidung dieses Organs wieder mit ihrer eigenen Empfehlung konfrontiert sein könnten.

137.

Drittens kann es durchaus Situationen geben, in denen bestimmte Dokumente sensible Informationen wie etwa sensible personenbezogene Daten enthalten, die im Fall ihrer Freigabe das Privat- oder Berufsleben einer bestimmten Person beeinträchtigen könnten. Entsprechendes könnte für Geschäftsgeheimnisse gelten. In solchen Fällen müssen die Unionsgerichte möglicherweise eine Abwägung vornehmen zwischen zum einen dem Interesse des Beteiligten an der Vorlage (oder Erlangung) erforderlicher Beweise, um ihm die Ausübung ihres Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf zu ermöglichen, und zum anderen den Nachteilen, die mit der Offenlegung solcher Beweise voraussichtlich für die Privatsphäre oder sonstige geschützte Interessen eines Einzelnen verbunden sind ( 81 ).

138.

In allen oben genannten Fällen muss das betreffende Unionsgericht die widerstreitenden betroffenen Interessen abwägen, um über die Zulassung des Dokuments zu entscheiden. Dies bedeutet, dass die Folgen, die sich voraussichtlich aus der Zulassung bzw. Nichtzulassung des Dokuments ergeben, bewertet werden müssen ( 82 ). Zum einen prüft der Unionsrichter, ob das/die für die Nicht-Offenlegung angeführte/n Interesse/n real und schützenswert sind und bewertet die Art und Schwere des möglicherweise entstehenden Schadens in dem Fall, dass die Vorlage des Dokuments zugelassen wird ( 83 ). Zum anderen muss das Gericht beurteilen, ob und inwieweit seine Rolle als „Tatsacheninstanz“ möglicherweise negativ beeinflusst werden könnte, wenn das Dokument nicht vorgelegt wird: Ist das streitige Dokument möglicherweise wichtig oder gar von entscheidender Bedeutung, um bestimmte Tatsachen festzustellen, oder ist es lediglich eines von mehreren Dokumenten, die hierfür von Nutzen sein können? ( 84 ) Gibt es darüber hinaus noch ein anderes „außergerichtliches“ Interesse wie etwa die Verfahrensökonomie, die Fairness des Verfahrens oder die Wahrung der Verteidigungsrechte, die gegebenenfalls für die Zulassung oder Nichtzulassung bestimmter Dokumente sprechen könnten? ( 85 )

139.

Es ist jedoch klar darauf hinzuweisen, dass es zwischen den Regelungen über die Vorlage von Beweisen im Rahmen von Gerichtsverfahren und den Vorschriften der Verordnung Nr. 1049/2001 in begrenztem Maße Überschneidungen im Hinblick auf einfließende Faktoren gibt, nämlich die Natur der Interessen, die gegen die Offenlegung abgewogen werden können. Dagegen sind die Abwägung selbst und vor allem ihr wahrscheinlicher Ausgang sehr verschieden. Es ist in der Tat durchaus wahrscheinlich, dass bei einer großen Zahl von Dokumenten der Schutz bestimmter Interessen die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 rechtfertigen kann, die gleichen Gründe hingegen nicht ausreichen würden, um in einem Rechtsstreit vor den Unionsgerichten eine Entfernung aus den Akten zu rechtfertigen ( 86 ).

140.

Andernfalls würde die faktische Vermischung beider Regelungen zumindest zu einer Reihe sehr fragwürdiger Ergebnisse führen. Erstens verbliebe dem einzigen zur vollständigen Kontrolle der Unionsorgane befugten Gericht bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe das gleiche Niveau des Zugangs zu Informationen wie jedem x-beliebigen normalen Bürger. Zweitens bliebe die Entscheidung über die Zulässigkeit von Beweismitteln im Verfahren vor den Unionsgerichten letztlich weitgehend den Unionsorganen überlassen, die selbst auswählen würden, welche Dokumente sie überprüfen lassen wollen. Drittens würde all dies als durchaus einschneidende Folge dazu führen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst würde, eine Partei, die normalerweise das uneingeschränkte Recht hat, ihm ihren Standpunkt frei vorzutragen, möglicherweise unter Beeinträchtigung des Rechts dieser Partei auf rechtliches Gehör nach Art. 47 der Charta, in ihrem Vorbringen zu zensieren oder mit ihrem Vorbringen gänzlich auszuschließen.

141.

Dies alles ist meines Erachtens auch unter Berücksichtigung der neuen sozialen Realität der Verbreitung von und des Zugangs zu Informationen ( 87 ) dem Funktionieren und der Wahrnehmung des Gerichtshofs nicht zuträglich. Immer häufiger werden die Unionsgerichte von den anderen Unionsorganen aufgefordert, in einer eher seltsamen Commedia dell’arte mitzuspielen, in der Pulcinellas Geheimnis eigentlich alle kennen, außer dem Gerichtshof, oder besser gesagt, der Gerichtshof der Einzige ist, der es nicht verraten darf. Bei allem Respekt und bei aller Liebe zur Commedia dell’arte kann dies für ein Gericht wohl kaum eine gesunde Rolle sein.

142.

Kurz gesagt, kommt es für die Zulässigkeit von Beweisen in gerichtlichen Verfahren allein auf die einschlägigen Umstände des jeweiligen Einzelfalls an. Die Unionsgerichte sind an keine starre Regel gebunden und können frei entscheiden, ob ein Dokument relevant ist und ob ungeachtet dessen besondere Umstände vorliegen, die gegen eine Vorlage sprechen. Wie der Gerichtshof kürzlich entschieden hat, ist „die Beweiswürdigung nicht das Ergebnis einer abstrakten Prüfung, sondern einer Untersuchung der Tatsachen und Umstände im Einzelfall“ ( 88 ).

143.

Insoweit ist auch im Blick zu behalten, dass der Gerichtshof zwar die Frage der Zulässigkeit von Beweismitteln von Amts wegen prüfen kann, es aber normalerweise dem sich gegen die Vorlage eines Schriftstücks wendenden Beteiligten obliegt, dem Gerichtshof klar und eingehend ( 89 ) sowie rechtzeitig ( 90 ) zu erläutern, inwiefern das geltend gemachte Interesse durch eine Offenlegung konkret geschädigt würde. Vage oder allgemeine Behauptungen hierzu reichen nicht aus ( 91 ).

c) Die unterschiedlichen Folgen im Fall der Vorlage von Beweisen einerseits und dem Zugang zu Dokumenten andererseits

144.

An dieser Stelle wird es wichtig, einen weiteren Aspekt hervorzuheben, in dem sich die Regelung des Zugangs zu Dokumenten von der Regelung der Vorlage von Beweisen vor den Unionsgerichten unterscheidet. Er betrifft die potenziellen Folgen, die sich aus der „Offenlegung“ der betreffenden Dokumente ergeben. Im Gegensatz zu dem in der Tat eher binären Ergebnis nach der Verordnung Nr. 1049/2001 (entweder wird Zugang gewährt oder nicht) lassen die Verfahren vor den Unionsgerichten andere, wesentlich stärker an der Verhältnismäßigkeit ausgerichtete Lösungen zu als diejenige einer vollständigen Entfernung eines Dokuments aus den Akten.

145.

Ein Unionsorgan kann die Weitergabe eines Dokuments, zu dem es nach der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang gewährt hat, nicht mehr kontrollieren oder beschränken. Dagegen bestehen in der Unionsrechtsordnung konkrete Regelungen zum Schutz der Vertraulichkeit von Dokumenten und Informationen, die von den Beteiligten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens vorgelegt werden ( 92 ). Insbesondere gewährleisten die Sonderregelungen über den Zugang zu den Akten ( 93 ), dass vertrauliche Informationen in den Dokumenten, zu denen die Öffentlichkeit Zugang hat, nicht wiedergegeben werden ( 94 ); sie lassen ferner die Möglichkeit zu, vertrauliche Informationen von Zustellungen und Mitteilungen an andere Beteiligte auszunehmen ( 95 ).

146.

Insoweit ist im Blick zu behalten, dass die Unionsgerichte über eine Vielzahl von Instrumenten verfügen, die eingesetzt werden können, um der Notwendigkeit des Schutzes der Vertraulichkeit von Dokumenten (oder Teilen solcher Dokumente), die im Rahmen gerichtlicher Verfahren gegenüber anderen Beteiligten vorgelegt werden, Rechnung zu tragen und dabei zugleich die Verteidigungsrechte aller Beteiligten zu wahren. Beispielsweise haben die Unionsgerichte in einigen Fällen Beteiligte zur Vorlage einer nicht vertraulichen Fassung oder einer Zusammenfassung der betreffenden Dokumente aufgefordert, um diese Dokumente den anderen Beteiligten zu übermitteln ( 96 ). In Ausnahmefällen können die Unionsgerichte auch entscheiden, nur den Prozessbevollmächtigen der Parteien Zugang zu bestimmten Beweismitteln zu gewähren ( 97 ) oder, in ganz seltenen Fällen, den anderen Verfahrensbeteiligten zu bestimmten Dokumenten keinen Zugang zu gewähren ( 98 ).

147.

Jeder dieser möglichen Lösungsansätze wäre in gewisser Weise immer noch verhältnismäßiger und würde nicht nur die Rechte der Beteiligten nach Art. 47 der Charta, sondern auch die Aufgabe der Unionsgerichte besser wahren als ein pauschaler Ausschluss der vorgelegten Beweismittel. Dies zeigt einmal mehr, dass die Unionsgerichte die Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten nicht einfach en bloc„übernehmen“ und so verwenden können, als ob sie auch für die Vorlage von Beweisen in vor ihnen anhängigen Verfahren gelten würden. In Fällen, in denen es echte Gründe dafür gibt, die Vertraulichkeit bestimmter Dokumente (ganz oder teilweise) gegenüber der Öffentlichkeit oder sogar den Beteiligten zu wahren, können die Unionsgerichte in der Tat verschiedene Maßnahmen ergreifen, um diese Vertraulichkeit zu gewährleisten und es einem Beteiligten zugleich zu ermöglichen, die von ihm für relevant gehaltenen Beweismittel vorzulegen.

148.

Dies vorausgeschickt, werde ich jetzt prüfen, ob die Beurteilung der Zulässigkeit der streitigen Anlagen durch das Gericht in der vorliegenden Rechtssache mit den oben dargelegten Grundsätzen im Einklang steht.

d) Rechtsfehler bei der Vorlage von Beweismitteln

149.

Der zweite Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin ist meines Erachtens grundsätzlich begründet.

150.

Das Gericht hat in Rn. 39 des angefochtenen Beschlusses (zutreffend) festgestellt, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 eine Orientierung bieten kann. Es hat diese Vorschriften dann jedoch, eher mechanisch, auf den Sachverhalt angewendet, ohne zu berücksichtigen, dass es bei dem vorliegenden Problem und der Rechtsfrage, die in dem bei ihm anhängigen Verfahren zu klären war, um die Frage der Entfernung der streitigen Anlagen aus den Akten und nicht um diejenige der Gewährung eines Zugangs der Öffentlichkeit zu diesen Dokumenten ging.

151.

Mit anderen Worten gibt es im angefochtenen Beschluss an keiner Stelle, d. h. weder im Abschnitt „Zu dem vom Rat anhängig gemachten Zwischenstreit“ ( 99 ) noch im Abschnitt „Zum Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme“ ( 100 ) einen Anhaltspunkt dafür, dass das Gericht tatsächlich eine andere Beurteilung vorgenommen hätte, als sie nach der Verordnung Nr. 1049/2001 erforderlich gewesen wäre. Die verschiedenen, für die Zulässigkeit von Beweismitteln im Verfahren vor den Unionsgerichten grundlegenden Werte wurden vom Gericht offenbar nicht berücksichtigt (bzw. gegeneinander abgewogen).

152.

Das Gericht ermittelte zunächst die Interessen, deren Schutz eine Entfernung aus den Akten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1, 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 rechtfertigen könnte. Es benannte insoweit insbesondere die Notwendigkeit, i) sicherzustellen, dass die Unionorgane freie, objektive und vollständige Stellungnahmen erhalten ( 101 ), ii) eine Umgehung der Regelungen für den öffentlichen Zugang zu Dokumenten zu vermeiden ( 102 ), und iii) die internationalen Beziehungen der Union nicht zu beeinträchtigen ( 103 ). Ich stimme insoweit mit dem Gericht darin überein, dass eben diese Interessen grundsätzlich auch geeignet wären, eine Ablehnung der Zulassung bestimmter Dokumente als Beweismittel durch die Unionsgerichte zu rechtfertigen.

153.

Dagegen vermag die Art und Weise, in der das Gericht anschließend die Frage geprüft hat, ob und inwieweit diese Interessen in der vorliegenden Rechtssache beeinträchtigt werden könnten, wenn die streitigen Anlagen bei den Akten verblieben, nicht zu überzeugen. Bei dieser Prüfung ließ das Gericht etwaige „gerichtliche“ Interessen, mit denen es die Ablehnung des Antrags des Rates möglicherweise hätte begründen können, außer Acht. Der blinde Verweis auf die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 führte daher in diesem Kontext zu einem Rechtsfehler des Gerichts. Dies verdeutlichen insbesondere folgende Gesichtspunkte.

154.

Erstens blieb außer Betracht sowohl, ob das Gericht möglicherweise selbst Zugang zu den betreffenden Dokumenten haben muss, um sich ein eigenes Bild von den behaupteten Tatsachen zu machen ( 104 ), als auch die Frage einer Einschränkung des Verteidigungsrechts der Rechtsmittelführerin (wozu ihr Recht auf Vorlage von Beweisen gehört), die sich aus einer etwaigen Entfernung der streitigen Anlagen aus den Akten ergeben hätte. Diese Lücke ist umso überraschender, als die Rechtsmittelführerin vorgetragen hatte, dass einige der streitigen Anlagen zum Beweis eines ihrer Argumente von „entscheidender“ Bedeutung seien.

155.

Zweitens ergibt sich die vom Rat geltend gemachte Beeinträchtigung der Interessen, nach Auffassung des Gerichts, allein schon daraus, dass die streitigen Anlagen in den Akten verbleiben und vom Gericht geprüft werden konnten. Der Rat wurde vom Gericht nicht aufgefordert, näher zu erläutern, geschweige denn rechtlich hinreichend nachzuweisen, inwieweit die geltend gemachten Interessen konkret beeinträchtigt werden könnten.

156.

Selbst wenn man annehmen wollte, dass bloße Annahmen des Gerichts im Hinblick auf die Notwendigkeiten, eine Umgehung der Regelungen über den Zugang zu Dokumenten zu vermeiden ( 105 ) und die Rechtsberatung zu schützen ( 106 ), als ausreichend angesehen werden könnten (was nicht der Fall ist), könnte dies jedenfalls kaum für Annahmen zum Schutz der internationalen Beziehungen der Europäischen Union gelten. Das Gericht lässt nämlich offenbar außer Betracht, dass die Rechtsmittelführerin bereits im Besitz der streitigen Anlagen ist und sie somit in jedem anderen Rahmen beliebig verwenden könnte. Jedenfalls mag zwar ein Risiko dahin vorstellbar sein, dass die streitigen Anlagen das strategische Ziel der Union in künftigen Verhandlungen mit Russland offenlegen und damit die Fähigkeit der Unionsorgane, ein zufriedenstellendes Abkommen abzuschließen, beeinträchtigen könnten, wenn die streitigen Dokumente öffentlich zugänglich gemacht würden, dies bedeutet aber sicherlich nicht, dass diese Gefahr daraus entstände, dass diese Dokumente in einem gerichtlichen Verfahren vorgelegt werden.

157.

Ferner kann auch der Feststellung des Gerichts, dass die Offenlegung des Inhalts der unbereinigten deutschen Dokumente im vorliegenden Verfahren den Schutz der internationalen Beziehungen der Union beeinträchtigen könnte, nicht gefolgt werden ( 107 ). Zunächst wird weder im angefochtenen Beschluss noch in den Erklärungen der Beklagten und der Streithelfer klar erläutert, warum die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Art. 26 des Vertrags über die Energiecharta ( 108 ) durch die Rechtsmittelführerin (als Privatinvestorin) gegen die Union internationale Beziehungen im engeren Sinne (d. h. Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten, internationalen Organisationen oder ähnlichen Einrichtungen) betreffen sollte. Auf den ersten Blick dürfte es sich dabei um einen privaten Rechtsstreit handeln.

158.

Allein durch den Umstand, dass die Unionsgerichte diese Dokumente prüfen könnten, wird ihnen im Übrigen nicht automatisch „Legitimität verliehen“. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gericht sich auf diese Dokumente stützen und ihren Inhalt anerkennen würde.

159.

Außerdem hätte es nicht zuletzt wohl auch etwas in sich Zweifelhaftes, wenn die Transparenzbestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 als ein Regelwerk verstanden würden, nach dem die Organe eine Offenlegung immer dann ablehnen könnten, wenn es um ein Dokument geht, das potenziell in einem Verfahren gegen die Union verwendet werden könnte. Eines der Ziele dieses Regelwerks besteht gerade darin, eine öffentliche Kontrolle des Handelns der Unionsorgane zu ermöglichen. Dies muss erst recht für die Regelungen zur Vorlage von Beweisen gelten, die sicherlich nicht dahin verstanden werden können, dass sie eine (öffentliche) Partei gegenüber einer anderen (privaten) Partei besserstellen.

160.

Drittens hat das Gericht bei der konkreten Prüfung, ob eine Ausnahme (Entfernung der streitigen Anlagen aus den Akten) von der Regel (Zulässigkeit von Beweisen) zu gewähren ist, im Grunde die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 und die hierzu ergangene Rechtsprechung angewendet. Für diesen Ansatz besonders kennzeichnend ist die Begründung, der das Gericht im Hinblick auf die Entfernung der Empfehlung folgt. Die Begründung bezieht sich nur auf die Verbreitung des Dokuments, nicht aber auf die Entfernung aus den Akten. Da die Ablehnung der öffentlichen Zugänglichmachung des Dokuments als gerechtfertigt anzusehen sei, soll hieraus unweigerlich folgen, dass die Vorlage dieses Dokuments im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens ebenso ausgeschlossen werden müsse ( 109 ). Ebenso wurde die Entfernung der unbereinigten deutschen Dokumente aus den Akten allein darauf gestützt, dass die Offenlegung dieser Dokumente angeblich den Schutz der internationalen Beziehungen der Union „im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001“ beeinträchtigen könnte ( 110 ). Dies kann, wie oben in Nr. 139 erläutert, nicht richtig sein.

161.

Viertens wurde diesem problematischen Ansatz auch bei der einzigen Gelegenheit gefolgt, wo das Gericht, nachdem es zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Vorlage der streitigen Anlagen die vom Rat geltend gemachten öffentlichen Interessen tatsächlich beeinträchtigen könnte, prüfen wollte, ob Gründe vorlägen, die gleichwohl einen Verbleib der Dokumente in den Akten rechtfertigen könnten. In Rn. 54 des angefochtenen Beschlusses verlangte das Gericht von der Rechtsmittelführerin im Wesentlichen den Nachweis, dass ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ am Verbleib des ersten streitigen Dokuments in den Akten bestehe. Mangels eines solchen höheren öffentlichen Interesses kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Recht der Rechtsmittelführerin auf Vorlage von Beweisen nicht schutzwürdig sei, da sie nur ihr eigenes privates Interesse verfolge.

162.

Das Erfordernis des Nachweises eines „überwiegenden öffentlichen Interesses“ ist zwar im Kontext der Beurteilung der Frage sinnvoll, ob ein Dokument von einem Organ öffentlich zugänglich gemacht werden muss, ergibt aber im Kontext eines gerichtlichen Verfahrens keinen Sinn. Ein privater Kläger wird naturgemäß mit der Erhebung einer Klage seine eigenen privaten Interessen verfolgen ( 111 ). Es wäre mit dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz kaum vereinbar, wenn für Kläger, die Klagen aus „edlen“ Gründen erheben ( 112 ), stärkere Verfahrensrechte und ‑garantien gelten würden als für Kläger, die Klagen aus eigenen privaten Interessen erheben.

163.

Selbst wenn man der problematischen Begründung des Gerichts folgen würde, ließen sich jedenfalls unschwer wichtige öffentliche Interessen benennen, denen ein Gericht besser Rechnung tragen könnte, das alle relevanten Dokumente prüfen kann. Beispielsweise sind besser informierte Gerichte effektiver darin, eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten (da sie weniger anfällig für bestimmte gerichtliche Fehlentscheidungen sind) und die Rechtsstaatlichkeit zu stärken (indem sie potenziell rechtswidrige Handlungen aus der Unionsrechtsordnung eliminieren). Diese Interessen dürften meines Erachtens mit allen gerichtlichen Verfahren, und nicht nur denjenigen, die von „guten Samaritern“ eingeleitet werden, untrennbar verbunden sein ( 113 ).

164.

Abschließend hierzu, hat das Gericht auch unberücksichtigt gelassen, dass zumindest einige der streitigen Anlagen (die unbereinigten deutschen Dokumente) ein Gesetzgebungsverfahren betreffen, das nach der Rechtsprechung eine größere Transparenz und damit einen umfassenderen Zugang verlangt ( 114 ). In Rn. 131 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht diesen Umstand anerkannt, dann aber nicht geprüft, ob er in der vorliegenden Rechtssache hätte Auswirkung haben können.

165.

Fünftens findet sich der gleiche fehlerhafte Ansatz des Gerichts auch in den Passagen wieder, in denen das Gericht die Beweise gewürdigt hat, die die Beteiligten für ihre Argumentation zur Zulässigkeit angeführt haben. In Rn. 53 des angefochtenen Beschlusses erkannte das Gericht an, dass ein Beteiligter, der Rat, seinen Vortrag, dass ein Dokument aus den Akten entfernt werden müsse, dadurch untermauert habe, dass er seinen eigenen Beschluss vorgelegt habe, mit dem er den Zugang verweigert habe.

166.

Natürlich will ich nicht andeuten, dass der Ratsbeschluss insoweit ohne Bedeutung sein müsse. Er kann jedoch sicherlich nicht entscheidend sein, wie das Gericht offenbar angenommen hat. Dieser Beschluss brachte lediglich die Ansicht seines Urhebers, derselben Partei, die ihn dem Gericht vorgelegt hat, zu einer hiermit im Zusammenhang stehenden, aber, wie erwähnt, nicht identischen Frage zum Ausdruck, nämlich zur Nichtgewährung des Zugangs zu dem Dokument nach der Verordnung Nr. 1049/2001. Wie oben in Nr. 139 bereits erwähnt, kann jedoch selbst eine rechtmäßige Entscheidung zur Nichtverbreitung nach der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht automatisch zur Unzulässigkeit des betreffenden Dokuments als Beweismittel vor den Unionsgerichten führen.

167.

Würde dem Ansatz des Gerichts gefolgt, würde dies, praktisch betrachtet, dazu führen, dass das beklagte Organ die zulässigen Beweise selbst auswählen könnte ( 115 ). Ein Organ wäre nämlich im Wege der Nichtverbreitung eines Dokuments nach der Verordnung Nr. 1049/2001 in der Lage, die Beweise auszuwählen, die von einer Partei, die sein Handeln vor den Unionsgerichten anfechten wollte, verwendet werden könnten. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Grundsätze der Waffengleichheit und der wirksamen gerichtlichen Kontrolle durchaus problematisch.

168.

Ferner können zwar, im Allgemeinen, interne Dokumente der Organe, die rechtliche Stellungnahmen enthalten, nur dann vorgelegt werden, wenn die Vorlage von dem betreffenden Organ genehmigt oder vom betreffenden Unionsgericht angeordnet worden ist ( 116 ). Richtig ist jedoch auch, dass nach ständiger Rechtsprechung in bestimmten Fällen sogar vertrauliche oder interne Dokumente der Unionsorgane berechtigterweise in den Akten enthalten sein können, selbst wenn das betreffende Organ dem widerspricht ( 117 ). Es kann nämlich Fälle geben, in denen die Rechtswidrigkeit einer konkreten Unionshandlung ausschließlich anhand interner oder vertraulicher Dokumente nachgewiesen werden kann ( 118 ). Die letztgenannte Rechtsprechung und das hierauf bezogene Vorbringen der Rechtsmittelführerin hat das Gericht schlicht „ignoriert“.

169.

Die Fehlerhaftigkeit vor dem Hintergrund, dass die Beteiligten ihr Vorbringen substanziieren müssen, tritt bei der Prüfung der unbereinigten deutschen Dokumente noch stärker hervor, bei denen es sich um Dokumente handelt, die nicht von den Unionsorganen, sondern (vermutlich) von der deutschen Regierung verfasst wurden. Das Gericht hat dem Antrag des Rates entsprochen und ihre Entfernung aus den Akten allein auf der Grundlage zweier Annahmen angeordnet. Zum einen unterstellte das Gericht ihre Vertraulichkeit, ohne die deutsche Regierung hierzu auch nur um eine Bestätigung zu bitten ( 119 ). Zum anderen unterstellte das Gericht, dass die Rechtsmittelführerin diese Dokumente allein schon deshalb rechtswidrig erhalten habe, weil sie keine Beweise dafür vorgelegt habe, dass sie rechtmäßig erlangt worden seien, obwohl diese Partei jedes unerlaubte Handeln abstritt ( 120 ). Nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen hätte es aber dem Rat obliegen müssen, seine Behauptungen zu beweisen.

170.

Im Ergebnis ist auch der zweite Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin begründet. Das Gericht hat dadurch rechtsfehlerhaft entschieden, dass es bei der Überprüfung der Zulässigkeit der streitigen Anlagen einen falschen Prüfungsrahmen anwendete.

171.

Das Gericht hat zur Prüfung der Zulässigkeit der streitigen Anlagen im Wesentlichen die Regelungen und die Systematik der Verordnung Nr. 1049/2001 angewendet. Es hat sich keineswegs darauf beschränkt, sich gegebenenfalls an diesen Regelungen zu orientieren, sondern die Vorlage der streitigen Anlagen durch die Rechtsmittelführerin einfach so behandelt, als ob sie sich auf einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten nach der Verordnung Nr. 1049/2001 bezogen hätten. Die zwischen den beiden Rechtsrahmen bestehenden offenkundigen Unterschiede blieben offenbar unberücksichtigt. Ebenso unberücksichtigt blieb ein etwaiges „gerichtliches“ Interesse, das möglicherweise dafür hätte sprechen können, dass diese Dokumente in den Akten hätten belassen werden sollen. Durch dieses Vorgehen, oder besser gesagt, durch dieses Unterlassen hat das Gericht bei der Auslegung und Anwendung der für die Vorlage der oben genannten Beweise geltenden Grundsätze, in Verkennung ständiger Rechtsprechung, fehlerhaft entschieden.

172.

Demnach ist der angefochtene Beschluss auch insoweit aufzuheben, als das Gericht die Entfernung der streitigen Anlagen aus den Akten angeordnet und entschieden hat, dass die Stellen der Erklärungen mit Auszügen aus diesen Dokumenten nicht zu berücksichtigen seien (Nrn. 1 und 3 des Tenors).

e) Die streitigen Anlagen sind für das vorliegende Verfahren nicht relevant

173.

Wie oben in Nr. 25 erwähnt, hat die Rechtsmittelführerin die streitigen Anlagen auf eine prozessleitende Maßnahme des Berichterstatters und des Generalanwalts nach Art. 62 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgelegt.

174.

Nach Prüfung dieser Dokumente halte ich sie für das vorliegende Rechtsmittelverfahren für nicht erheblich.

175.

Ausgehend vom Vorbringen der Rechtsmittelführerin sowohl im ersten Rechtszug als auch im Rechtsmittelverfahren verfolgte die Rechtsmittelführerin mit diesen Dokumenten meines Erachtens offenbar im Wesentlichen zwei Ziele. Erstens wollte sie bestimmte in der vorliegenden Rechtssache vorgebrachte rechtliche Argumente durch eine Darstellung der hierzu von bestimmten Unionsorganen oder Regierungen der Mitgliedstaaten vertretenen Haltung „untermauern“. Zweitens wollte sie ihre Behauptung belegen, dass die angefochtene Maßnahme hauptsächlich auf ihre Gasfernleitung abziele.

176.

Ich bin jedoch nicht davon überzeugt, dass die streitigen Anlagen für den Gerichtshof in einem dieser beiden Zusammenhänge tatsächlich von Nutzen sind.

177.

Zum einen ist der dem Gerichtshof vorliegende Sachverhalt meines Erachtens durchaus klar und kann jedenfalls im Rechtsmittelverfahren auch nicht erneut Gegenstand einer Überprüfung sein. Was etwaige, in diesen Anlagen enthaltene Rechtsansichten betrifft, gilt der Grundsatz iura novit curia. Es ist Sache des Gerichtshofs, das Recht auszulegen. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass die von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten rechtlichen Argumente, auch soweit die Rechtsmittelführerin sie einem anderen Dokument entnommen haben mag ( 121 ), für den Gerichtshof nicht allein dadurch glaubhafter werden, dass sie auch von einem Unionsorgan oder einem Mitgliedstaat geteilt werden oder zuvor schon vertreten worden sind. Vielmehr stellt sich die Frage, ob diese Argumente an sich in der Sache überzeugend sind ( 122 ).

178.

Was zweitens die Absicht der Rechtsmittelführerin betrifft, ihr Vorbringen zu untermauern, dass sie von der angefochtenen Handlung „individuell betroffen“ sei, liegen dem Gerichtshof hierzu meines Erachtens hinreichend Informationen und Beweise in den Akten vor. Wie ich im folgenden Abschnitt erläutern werde, ist die Rechtsmittelführerin meines Erachtens in der Tat von der angefochtenen Maßnahme sowohl unmittelbar als auch individuell betroffen und die Informationen, die diesen Schluss zulassen, sind in den Akten tatsächlich bereits enthalten oder öffentlich zugänglich.

179.

Daher braucht der Gerichtshof meines Erachtens nicht zu prüfen, ob die streitigen Anlagen bei Anwendung des richtigen rechtlichen Rahmens als zulässig anzusehen sind. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels sind sie unerheblich.

180.

Wie jedoch in den vorstehenden Abschnitten der vorliegenden Schlussanträge erläutert, ist das Gericht zu seinem Ergebnis der Unzulässigkeit der streitigen Anlagen unter Zugrundelegung unzutreffender rechtlicher Kriterien gelangt. Sollte ferner der Gerichtshof mit der in den vorliegenden Schlussanträgen vorgenommenen Würdigung übereinstimmen, müsste das Gericht die Rechtssache erneut verhandeln.

181.

Unter diesen Umständen erscheint es mir ebenso angezeigt, dem Gerichtshof vorzuschlagen, auch die Nrn. 1 und 3 des Tenors des angefochtenen Beschlusses aufzuheben. Damit würde dem Gericht ermöglicht, gegebenenfalls eine neue und am Einzelfall ausgerichtete Beurteilung der Zulässigkeit dieser Anlagen als Beweismittel unter Berücksichtigung der im Verfahren vor ihm geltend gemachten Gesichtspunkte vorzunehmen, und zwar nunmehr unter Zugrundelegung des richtigen Maßstabs.

VI. Folgen der Beurteilung: Modalitäten der Entscheidung über das vorliegende Verfahren

182.

Der erste und der zweite Rechtsmittelgrund sind begründet. Folglich sind die Nrn. 1, 3 und 4 des Tenors des angefochtenen Beschlusses aufzuheben. Da die übrigen Teile des angefochtenen Beschlusses akzessorischen Charakter haben, ist der angefochtene Beschluss meines Erachtens insgesamt aufzuheben.

183.

Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof nach Aufhebung einer Entscheidung des Gerichts die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen oder den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

184.

In der vorliegenden Rechtssache ist der Rechtsstreit meines Erachtens zur Entscheidung insoweit reif, als der Gerichtshof zur Klagebefugnis der Rechtsmittelführerin endgültig Stellung nehmen kann (A). Dagegen ist er meines Erachtens zur Entscheidung insoweit nicht reif, als der Gerichtshof sich mit der Begründetheit der Klage nicht befassen kann (B).

A.   Individuelle Betroffenheit

185.

Nachdem die unmittelbare Betroffenheit der Rechtsmittelführerin bejaht worden ist, ist zur endgültigen Entscheidung über ihre Klagebefugnis zur Anfechtung der angefochtenen Maßnahme noch zu klären, ob die Rechtsmittelführerin von dieser Maßnahme auch individuell betroffen ist. Auch wenn das Gericht diesen Punkt nicht geprüft hat, kann der Gerichtshof diese Beurteilung, da es sich um eine Rechtsfrage handelt, die zudem recht einfacher Art ist, meines Erachtens selbst vornehmen.

186.

Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Person, die nicht Adressat einer Maßnahme ist, nur dann geltend machen, von ihr im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen zu sein, wenn diese Maßnahme sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert, wie es der Adressat einer solchen Maßnahme wäre ( 123 ).

187.

Ein Kläger ist grundsätzlich nicht als individuell betroffen anzusehen, soweit es um Maßnahmen geht, die für objektiv bestimmte Situationen gelten und Rechtswirkungen gegenüber einer allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppe erzeugen ( 124 ). Ferner bedeutet der bloße Umstand, dass die Rechtssubjekte, für die eine Maßnahme gilt, nach Zahl oder sogar Identität mehr oder weniger genau bestimmbar sind, keineswegs, dass sie als von der Maßnahme individuell betroffen anzusehen sind, sofern diese Maßnahme aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist. ( 125 )

188.

Der Gerichtshof hat jedoch auch klargestellt, dass der Umstand, dass eine angefochtene Maßnahme ihrer Natur und ihrer Tragweite nach eine generelle Norm ist oder Gesetzescharakter hat, weil sie für sämtliche betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, nicht ausschließt, dass sie einige von ihnen individuell betreffen kann ( 126 ).

189.

Dies ist der Fall, wenn der Kläger „das Vorliegen einer Situation nach[weisen kann], die [ihn] im Hinblick auf die streitige Vorschrift aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt“ ( 127 ). Dies bedeutet indes nicht, dass ein Kläger die einzige, von der angefochtenen Maßnahme konkret betroffene Person sein muss, um als individuell betroffen angesehen werden zu können. Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass, wenn eine Maßnahme „eine Gruppe von Personen berührt, deren Identität zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung aufgrund von Kriterien, die den Mitgliedern der Gruppe eigen waren, feststand oder feststellbar war, diese Personen von der Entscheidung individuell betroffen sein [können], sofern sie zu einem beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehören“ ( 128 ). Anders formuliert, hat der Gerichtshof eine individuelle Betroffenheit stets anerkannt, wenn die Unionsorgane bereits bei Erlass der angefochtenen Maßnahme wissen konnten, welche nach Zahl und Person eindeutig zu unterscheidenden Unternehmen von dieser Maßnahme besonders und individuell betroffen sein würden ( 129 ).

190.

Insoweit hat der Gerichtshof dem Umstand besonderes Gewicht zugemessen, dass die Kategorie von Personen, der ein Kläger angehört, sich aus einer feststehenden Zahl von Personen zusammensetzt, die sich nach Erlass der angefochtenen Maßnahme nicht vergrößern kann ( 130 ). Dies wurde insbesondere dann bejaht, wenn die angefochtene Maßnahme in Rechte eingreift, die der Einzelne vor ihrem Erlass erworben hat ( 131 ). Der Gerichtshof hat eine individuelle Betroffenheit ferner bejaht, wenn die streitige Handlung „eine bestimmte Anzahl von Marktteilnehmern [erfasst], die aufgrund eines individuellen Verhaltens feststehen,“, das sie während einer bestimmten Zeit an den Tag gelegt haben oder gelegt haben sollen ( 132 ).

191.

Es können indes nach der „Plaumann-Formel“ auch andere Umstände relevant sein. Dieses Kriterium ist zwar streng, aber zumindest auf den ersten Blick auch relativ offen und flexibel. Um beispielsweise festzustellen, ob Kläger durch eine angefochtene Handlung hinreichend individualisiert waren, hat der Gerichtshof, einzeln oder in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten, u. a. berücksichtigt, ob i) die Kläger an dem Verfahren, das zum Erlass der Maßnahme geführt hat, beteiligt waren ( 133 ), ii) ob ihre Marktstellung durch eine zielgerichtete Maßnahme „spürbar beeinträchtigt“ wurde ( 134 ) und/oder iii) ob der Urheber der angefochtenen Maßnahme die besondere Situation der Kläger berücksichtigen musste ( 135 ).

192.

Hat die Rechtsmittelführerin vor diesem Hintergrund dargetan, dass sie von der angefochtenen Maßnahme individuell betroffen ist?

193.

Meines Erachtens ist dies der Fall.

194.

Erstens gehört die Rechtsmittelführerin einer zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahme geschlossenen und feststellbaren Personengruppe an. Von der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Erdgasrichtlinie konnten nämlich theoretisch nur zwei Gasfernleitungen unmittelbar betroffen sein: Nord Stream 2 und Trans-Adriatic. Da jedoch für die letztgenannte Gasfernleitung bereits eine Erweiterung erfolgt war, ist die Rechtsmittelführerin letztlich als das einzige Unternehmen anzusehen, das zu dieser (rein theoretischen) Gruppe von Einzelpersonen gehört, die von der angefochtenen Maßnahme betroffen sind ( 136 ).

195.

Zweitens befand die Rechtsmittelführerin sich vor dem Hintergrund ihrer tatsächlichen Situation im Hinblick auf die angefochtene Maßnahme in mehrfacher Hinsicht in einer Sonderstellung. Zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Maßnahme und ihres Inkrafttretens war mit dem Bau ihrer Gasfernleitung nicht nur begonnen, sondern ein sehr fortgeschrittenes Stadium erreicht worden. Zugleich konnte diese Gasfernleitung jedoch nicht vor Ablauf der Frist nach Art. 49a der Erdgasrichtlinie fertiggestellt werden. Demzufolge fand die neue Regelung auf die Rechtsmittelführerin unmittelbar Anwendung, die sich damit zwischen zwei Stühlen wiederfand: Weder die Abweichung noch die Ausnahme nach der Erdgasrichtlinie waren anwendbar.

196.

Es lässt sich schwerlich bestreiten, dass sich nur die Rechtsmittelführerin zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme in dieser Lage befand. Kein anderes Unternehmen wird sich künftig jemals wieder in dieser Lage befinden. Für jede andere Gasfernleitung, die in der Vergangenheit errichtet wurde oder künftig errichtet wird, könnte grundsätzlich entweder die Abweichung oder die Ausnahme in Anspruch genommen werden.

197.

Drittens war den Unionsorganen nicht nur bewusst, dass die Rechtsmittelführerin durch die angefochtene Maßnahme unter die neu geschaffene rechtliche Regelung fallen würde, sondern es war gerade ihre Absicht, dass die Rechtsmittelführerin unter diese neue Regelung fallen sollte ( 137 ). Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Rechtsmittelführerin im ersten Rechtszug mehrere andere als die vom Gericht ausgeschlossenen Dokumente vorgelegt hat, die nahelegen, dass die Erweiterung der Erdgasregelungen der Union auf die Tätigkeiten der Rechtsmittelführerin tatsächlich einer der Hauptgründe, wenn nicht der Hauptgrund, dafür war, dass die Unionsorgane die angefochtene Maßnahme erlassen haben ( 138 ).

198.

Nebenbei möchte ich hinzufügen, dass all diese Gesichtspunkte allgemein bekannt sein dürften. Eine oberflächliche Durchsicht von Artikeln in Presse und Literatur über den Erlass der angefochtenen Maßnahme dürfte das Vorbringen der Rechtsmittelführerin in diesem Punkt bestätigen. Es bedarf insoweit kaum des Hinweises, dass sich der Gerichtshof zur Feststellung des einschlägigen Sachverhalts auch auf allgemein bekannte Tatsachen stützen kann ( 139 ). Die Justiz wird häufig als blind dargestellt. Diese Allegorie ist jedoch zumindest nach meiner Erinnerung nicht dahin zu verstehen, dass die Justiz nicht in der Lage wäre, etwas zu sehen, das für jedermann sonst blindlings offensichtlich ist.

199.

Viertens steht angesichts des fortgeschrittenen Stadiums der Errichtung des Vorhabens und der Investitionen, die die Rechtsmittelführerin zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahme bereits getätigt hatte, offenkundig fest, dass die Rechtsmittelführerin durch den Erlass der angefochtenen Maßnahme verpflichtet wird, tief greifende Änderungen an ihrer Unternehmens- und Finanzstruktur sowie an ihrem Geschäftsmodell vorzunehmen, und zwar alles innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums, da die angefochtene Maßnahme innerhalb von etwa zehn Monaten nach ihrem Erlass umgesetzt werden musste ( 140 ). Es ist somit durchaus eindeutig, dass die angefochtene Maßnahme nicht nur das Potenzial hat, sondern auch dazu bestimmt war, die Marktstellung der Rechtsmittelführerin spürbar zu beeinträchtigen. Die Rechtsmittelführerin hat ferner, von den Beklagten und den Streithelfern unwidersprochen, vorgetragen, dass die angefochtene Maßnahme Änderungen an verschiedenen, von ihr zuvor geschlossenen Verträgen erforderlich mache, wodurch eine bereits feststehende Rechtslage beeinträchtigt werde ( 141 ).

200.

Angesichts aller vorstehenden Ausführungen ist trotz der allgemeinen Geltung der angefochtenen Maßnahme ein eindeutigerer und konkreterer Zusammenhang zwischen der Stellung der Rechtsmittelführerin und der angefochtenen Maßnahme schwer vorstellbar. Durch bestimmte, die Rechtsmittelführerin konkret kennzeichnende Merkmale und die besonderen Umstände des Erlasses der angefochtenen Maßnahme lässt sich die Stellung der Rechtsmittelführerin in Bezug auf diese Maßnahme von der Stellung jedes anderen Unternehmens, das aufgrund der angefochtenen Maßnahme unter die Vorschriften der Erdgasrichtlinie fällt, unterscheiden.

201.

Nach alledem komme ich zu dem Ergebnis, dass die Rechtsmittelführerin, da sie unmittelbar und individuell betroffen ist, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zur Anfechtung der angefochtenen Maßnahme klagebefugt ist.

B.   Begründetheit der Klage

202.

In ihrer Klageschrift im Verfahren vor dem Gericht hat die Rechtsmittelführerin sechs Klagegründe gegen die angefochtene Maßnahme geltend gemacht.

203.

Die Prüfung dieser Klagegründe setzt eine eingehende rechtliche und tatsächliche Würdigung des Vorbringens aller Verfahrensbeteiligten anhand der von ihnen vorgelegten Beweismittel voraus.

204.

Da es an einer solchen Prüfung im angefochtenen Beschluss fehlt, ist der Rechtsstreit in der vorliegenden Rechtssache nicht zur endgültigen Entscheidung durch den Gerichtshof reif.

205.

Folglich ist die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

VII. Ergebnis

206.

Ich schlage dem Gerichtshof vor,

den Beschluss vom 20. Mai 2020, Nord Stream 2/Parlament und Rat (T‑526/19, EU:T:2020:210), aufzuheben,

die Nichtigkeitsklage der Nord Stream 2 AG für zulässig zu erklären,

die Sache zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht zurückzuverweisen und

die Kostenentscheidung vorzubehalten.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Beschluss vom 20. Mai 2020, Nord Stream 2/Parlament und Rat (T‑526/19, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2020:210).

( 3 ) ABl. 2019, L 117, S. 1.

( 4 ) Vgl. insbesondere dritter Erwägungsgrund der angefochtenen Maßnahme.

( 5 ) ABl. 2009, L 211, S. 94.

( 6 ) Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 6 bis 9 der Erdgasrichtlinie.

( 7 ) Im Rahmen der Netzbranchen wird mit dem Begriff „Entflechtung“ die Trennung potenziell dem Wettbewerb unterliegender Tätigkeiten (wie Gewinnung und Versorgung) von solchen Tätigkeiten, bei denen ein Wettbewerb entweder nicht möglich oder nicht erlaubt ist (wie etwa Transport), bezeichnet. Ziel der Entflechtung ist es, zu verhindern, dass Betreiber von Fernleitungsnetzen ihre eigenen Versorgungstätigkeiten zum Nachteil unabhängiger Versorger begünstigen.

( 8 ) Dieses Gutachten trägt die Überschrift „Recommendation for a Council decision authorising the opening of negotiations on an agreement between the European Union and the Russian Federation on the operation of the Nord Stream 2 pipeline – Allocation of competences and related legal issues ([Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation über den Betrieb der Gasfernleitung Nord Stream 2 – Verteilung der Zuständigkeiten und damit zusammenhängende Rechtsfragen)]“.

( 9 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43).

( 10 ) Vgl. auch Rn. 82 des angefochtenen Beschlusses.

( 11 ) Rn. 106 bis 108 des angefochtenen Beschlusses.

( 12 ) Rn. 78 und 79 des angefochtenen Beschlusses.

( 13 ) Dies ist sicherlich im allgemeinen Grundsatz richtig; in der Praxis können Richtlinien jedoch auch schon vor oder ohne Umsetzung i) eine Sperrwirkung für die nationalen Behörden entfalten, die sich negativ auf Einzelne auswirken kann – Urteil vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie (C‑129/96, EU:C:1997:628, Rn. 35 bis 50); oder ii) Nebeneffekte auf Dritte haben – Urteile vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 54 bis 61), und vom 30. April 1996, CIA Security International (C‑194/94, EU:C:1996:172, Rn. 40 bis 55); oder iii) eine mit einer solchen Richtlinie konforme Auslegung des nationalen Rechts zur Folge haben, die für einen Einzelnen nachteilig sein könnte – vgl. z. B. Urteil vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 14 ) Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hervorhebung nur hier.

( 15 ) Vgl. mit Verweisen auf die einschlägige Rechtsprechung und Literatur meine Schlussanträge in der Rechtssache Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:588, Nr. 48).

( 16 ) Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat (C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 66).

( 17 ) Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Venezuela/Rat (C‑872/19 P, EU:C:2021:37, Nr. 105).

( 18 ) Vgl. Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission (60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9), und vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission (C‑131/03 P, EU:C:2006:541). Hervorhebung nur hier. Vgl. in diesem Sinne aus jüngerer Zeit Urteil vom 31. Januar 2019, International Management Group/Kommission (C‑183/17 P und C‑184/17 P, EU:C:2019:78, Rn. 51), sowie Beschluss vom 2. September 2020, ENIL Brussels Office u. a./Kommission (T‑613/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:382, Rn. 25).

( 19 ) Vgl. unter vielen Urteile vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2018:79, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 9. Juli 2020, Tschechische Republik/Kommission (C‑575/18 P, EU:C:2020:530, Rn. 47). Hervorhebung nur hier.

( 20 ) Mit demselben Ansatz, der auch für andere Fragen gilt, wie etwa das Vorliegen einer nach Art. 263 AEUV anfechtbaren Handlung, vgl. z. B. Urteil vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2018:79, Rn. 19).

( 21 ) Vgl. u. a. Urteile vom 7. Oktober 2009, Vischim/Kommission (T‑420/05, EU:T:2009:391, Rn. 67, 78 und 79), vom 7. Oktober 2009, Vischim/Kommission (T‑380/06, EU:T:2009:392, Rn. 57 bis 59), und vom 2. März 2010, Arcelor/Parlament und Rat (T‑16/04, EU:T:2010:54, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 22 ) Vgl. u. a. Urteil vom 25. September 2015, PPG und SNF/ECHA (T‑268/10 RENV, EU:T:2015:698, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 23 ) Vgl. auch Art. 58 bis 60 der Verfahrensordnung des Gerichts.

( 24 ) Vgl. u. a. Beschluss vom 13. Oktober 2006, Vischim/Kommission (T‑420/05 RII, EU:T:2006:304, Rn. 33).

( 25 ) Urteil vom 21. Dezember 2011 (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 127 und 128).

( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2008:159, Rn. 41 bis 64), vom 15. Dezember 2005, Infront WM/Kommission (T‑33/01, EU:T:2005:461, Rn. 114 bis 150), und vom 25. Oktober 2011, Microban International und Microban (Europe)/Kommission (T‑262/10, EU:T:2011:623, Rn. 28).

( 27 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat (C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 71).

( 28 ) Wie vom Gericht selbst auf der Grundlage einer gefestigten Rechtsprechung in Rn. 78 des angefochtenen Beschlusses festgestellt. Vgl. auch Urteil vom 2. März 2010, Arcelor/Parlament und Rat (T‑16/04, EU:T:2010:54, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. entsprechend aus jüngerer Zeit Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Venezuela/Rat (Betroffenheit eines Drittstaats) (C‑872/19 P, EU:C:2021:37, Nr. 119).

( 29 ) Vgl. ähnlich Lenaerts, K., Maselis, I., und Gutman, K., EU Procedural Law, Oxford University Press, Oxford, 2014, S. 768 und 769.

( 30 ) Vgl. u. a. Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission (25/62, EU:C:1963:17, S. 238), sowie aus der jüngeren Vergangenheit Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission (C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 93).

( 31 ) Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Stichting Woonlinie u. a./Kommission (C‑133/12 P, EU:C:2013:336, Nr. 41). Angeführt vor Kurzem auch im Urteil vom 28. November 2019, Banco Cooperativo Español/SRB (T‑323/16, EU:T:2019:822, Rn. 51).

( 32 ) Vgl. Urteile vom 6. November 1990, Weddel/Kommission (C‑354/87, EU:C:1990:371, Rn. 19), und vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission (C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 70).

( 33 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2008:159, Rn. 62), und vom 17. Februar 2011, FIFA/Kommission (T‑385/07, EU:T:2011:42, Rn. 41).

( 34 ) Vgl. Urteil vom 13. Mai 1971, International Fruit Company u. a./Kommission (41/70 bis 44/70, EU:C:1971:53, Rn. 23 bis 26). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 28. November 2019, Banco Cooperativo Español/SRB (T‑323/16, EU:T:2019:822, Rn. 60 bis 63).

( 35 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2009, Kommission/Koninklijke FrieslandCampina (C‑519/07 P, EU:C:2009:556, Rn. 49), vom 26. September 2000, Starway/Rat (T‑80/97, EU:T:2000:216, Rn. 61 bis 65), und vom 1. Juli 2009, ISD Polska u. a./Kommission (T‑273/06 und T‑297/06, EU:T:2009:233, Rn. 68).

( 36 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Juni 1994, Fiskano/Kommission (C‑135/92, EU:C:1994:267, Rn. 27), und vom 25. Oktober 2011, Microban International und Microban (Europe)/Kommission (T‑262/10, EU:T:2011:623, Rn. 29).

( 37 ) Urteil vom 3. April 2003, Royal Philips Electronics/Kommission (T‑119/02, EU:T:2003:101, Rn. 276).

( 38 ) Ebd. (Rn. 277 bis 281). Vgl. auch die oben in Fn. 21 angeführte Rechtsprechung.

( 39 ) Beschluss vom 10. September 2002, Japan Tobacco und JT International/Parlament und Rat (T‑223/01, EU:T:2002:205, Rn. 46). Hervorhebung nur hier.

( 40 ) Siehe oben, Nrn. 45 bis 47 der vorliegenden Schlussanträge.

( 41 ) Zwar wäre eine solche Entscheidung auch rechtspolitisch möglich. Die dem zugrunde liegende Vorstellung wäre dann, im Wesentlichen sämtliche Fragen nach der Gültigkeit von Unionsmaßnahmen, die eine spätere nationale Beteiligung erfordern, unabhängig davon, wie geringfügig sie sein mag, im Wege von Vorabentscheidungsersuchen zur Gültigkeit nach Art. 267 AEUV dem Gerichtshof zuzuleiten, und nicht zuzulassen, dass die nach Art. 263 Abs. 4 AEUV vor das Gericht kommen. Für eine kritische Ansicht zur Schlüssigkeit eines solchen Case-Flow-Managements in Anbetracht der heutigen institutionellen Struktur der Unionsgerichte vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:588, Nrn. 137 bis 147) und in den verbundenen Rechtssachen Deutschland und Ungarn/Kommission und Kommission/Ville de Paris u. a. (C‑177/19 P bis C‑179/19 P, EU:C:2021:476, Nrn. 108 und 109).

( 42 ) Der Klarheit halber sei darauf hingewiesen, dass in manchen Sprachfassungen der Erdgasrichtlinie in Bezug auf diese beiden Sachverhalte verschiedene Ausdrücke verwendet werden (so etwa in der englischen Fassung „derogation“ und „exemption“ sowie in der deutschen Fassung „Ausnahme“ und „Abweichung“), während in anderen Sprachfassungen ein und derselbe Ausdruck verwendet wird (so etwa in der französischen Fassung „dérogation“ und in der italienischen Fassung „deroga“).

( 43 ) Eine der Voraussetzungen für die Ausnahme ist nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b der Erdgasrichtlinie, dass „das mit der Investition verbundene Risiko … so hoch [ist], dass die Investition ohne eine Ausnahmegenehmigung nicht getätigt würde“.

( 44 ) Dies ist angesichts des sehr fortgeschrittenen Stadiums des Baus der Gasfernleitung unbestreitbar. Die endgültige Entscheidung über die Hauptinvestition wurde den Angaben der Rechtsmittelführerin zufolge im September 2015 getroffen.

( 45 ) Das heißt, innerhalb von etwa einem Monat nach Erlass der angefochtenen Maßnahme. Zum letztgenannten Aspekt vgl. auch Beschluss der Bundesnetzagentur (Deutschland) vom 20. Mai 2020 (BK7-19-108).

( 46 ) Vgl. Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat (C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 90).

( 47 ) Diese Regelung beinhaltet eine vollständige Trennung von Eigentum und Betrieb von Gasfernleitungsnetzen einerseits und Gasgewinnung und ‑versorgung andererseits.

( 48 ) Beim „ISO“‑Modell in Art. 14 der Erdgasrichtlinie ist ein vertikal integriertes Unternehmen Eigentümer eines Fernleitungsnetzes, wohingegen der Betreiber des Fernleitungsnetzes ein unabhängiges Unternehmen sein muss.

( 49 ) Beim „ITO“-Modell in Kapitel IV der Erdgasrichtlinie ist ein vertikal integriertes Unternehmen Eigentümer einer rechtlich selbständigen Einheit, die Eigentümerin und Betreiberin des Fernleitungsnetzes (nämlich „Independent Transmission Operator, ITO“) ist. Die letztere Einheit muss von dem vertikal integrierten Unternehmen unabhängig tätig sein.

( 50 ) Vgl. Rn. 113 des angefochtenen Beschlusses.

( 51 ) Angeführt oben, Nrn. 61 bis 65 der vorliegenden Schlussanträge.

( 52 ) Urteil vom 15. Dezember 2005, Infront WM/Kommission (T‑33/01, EU:T:2005:461).

( 53 ) Rn. 117 des angefochtenen Beschlusses.

( 54 ) Soweit das Gericht meinte, dass es sich bei der angefochtenen Richtlinie um eine wirkliche Richtlinie und nicht um eine verschleierte Entscheidung handele (wie vom Rat im vorliegenden Rechtsmittelverfahren vorgetragen), würde ich lediglich auf die Rechtsprechung verweisen, wonach „die bloße Tatsache, dass die streitigen Bestimmungen zu einem Rechtsakt allgemeiner Geltung gehören, der eine wirkliche Richtlinie und nicht nur eine als Richtlinie ergangene Entscheidung im Sinne von [Art. 263 Abs. 4 AEUV] darstellt, für sich allein nicht [genügt], um die Möglichkeit auszuschließen, dass diese Bestimmungen einen Einzelnen unmittelbar und individuell betreffen“. Vgl. Urteil vom 2. März 2010, Arcelor/Parlament und Rat (T‑16/04, EU:T:2010:54, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hervorhebung nur hier.

( 55 ) Vgl. Rn. 96 und 98 des angefochtenen Beschlusses.

( 56 ) Die Rechtsmittelführerin hat den Verstoß des Gerichts insoweit im Rahmen ihres Vorbringens zur fehlerhaften Auslegung und Anwendung von Art. 263 Abs. 4 AEUV ordnungsgemäß gerügt, wenngleich sie ihn nicht als „Verletzung der Begründungspflicht“ bezeichnet hat. Siehe oben, Nr. 67 der vorliegenden Schlussanträge.

( 57 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, EUIPO/European Dynamics Luxembourg u. a. (C‑677/15 P, EU:C:2017:998, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 58 ) Vgl. u. a. Beschluss vom 5. September 2013, ClientEarth/Rat (C‑573/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:564, Rn. 20).

( 59 ) Verwiesen sei insbesondere auf das „Gas Transportation Agreement“ vom 7. März 2017 mit Gazprom Export LLC und die „Long Term Debt Financing Agreements“, die im April und Juni 2017 mit Gazprom, ENGIE SA, OMV AG, Royal Dutch Shell plc, Uniper SE und Wintershall Dea GmbH geschlossen wurden. Relevante Auszüge aus diesen Verträgen wurden im Verfahren vor dem Gericht vorgelegt.

( 60 ) Vgl. entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Sahlstedt u. a./Kommission (C‑362/06 P, EU:C:2008:587, Nrn. 66 bis 76).

( 61 ) Hervorhebung nur hier.

( 62 ) Hervorhebung nur hier.

( 63 ) Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission (25/62, EU:C:1963:17); auch wenn in jener Rechtssache die Art der in Rede stehenden Geschäftstätigkeit vielmehr für den Begriff der individuellen Betroffenheit relevant war.

( 64 ) Vgl. ähnlich Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2007:611, Nr. 84).

( 65 ) Siehe oben, Nrn. 16 und 17 der vorliegenden Schlussanträge.

( 66 ) Siehe oben, Nrn. 18 und 19 der vorliegenden Schlussanträge.

( 67 ) Vgl. Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 68 ) Vgl. jüngst Beschluss vom 12. Juni 2019, OY/Kommission (C‑816/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:486, Rn. 6 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hervorhebung nur hier.

( 69 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Februar 1996, Lopes/Gerichtshof (T‑280/94, EU:T:1996:28, Rn. 56 bis 59), vom 6. September 2013, Persia International Bank/Rat (T‑493/10, EU:T:2013:398, Rn. 95), und vom 12. September 2013, Besselink/Rat (T‑331/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:419, Rn. 11 und 12 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. ferner entsprechend Urteile vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission (C‑407/04 P, EU:C:2007:53, Rn. 46 bis 51), und vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 57).

( 70 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission (C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 71 ) Vgl. mit Verweis auf die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs zu derselben Problematik Quintana, J.J., Litigation at the International Court of Justice, Leiden, Brill, 2015, S. 385.

( 72 ) Vgl. insbesondere Urteil vom 12. Mai 2015, Dalli/Kommission (T‑562/12, EU:T:2015:270, Rn. 47 und 48 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie Beschlüsse vom 23. März 2017, Troszczynski/Parlament (T‑626/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:237, Rn. 27 und 28), und vom 23. März 2017, Gollnisch/Parlament (T‑624/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:243, Rn. 27 und 28).

( 73 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2018, QB/EZB (T‑827/16, EU:T:2018:756, Rn. 67). Vgl. auch im Umkehrschluss Urteil vom 17. Dezember 1981, Ludwigshafener Walzmühle Erling u. a./Rat und Kommission (197/80 bis 200/80, 243/80, 245/80 und 247/80, EU:C:1981:311, Rn. 16).

( 74 ) Urteile vom 12. Mai 2015, Dalli/Kommission (T‑562/12, EU:T:2015:270, Rn. 49), und vom 8. November 2018, QB/EZB (T‑827/16, EU:T:2018:756, Rn. 68 bis 72).

( 75 ) Dies ist offenbar auch die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. u. a. Lasok, K.P.E., The European Court of Justice: Practice and Procedure, 2. Aufl., Buttersworth, 1994, S. 344, Barbier de la Serre, E., und Sibony, A.-L., „Expert evidence Beforing the EC Courts“, Common Market Law Review, 2008, S. 958 und 959, sowie Lenaerts, K., Maselis, I., und Gutman, K., EU Procedural Law, Oxford University Press, Oxford, 2014, S. 768 und 769.

( 76 ) Vgl. z. B. Urteil vom 31. Januar 2020, Slowenien/Kroatien (C‑457/18, EU:C:2020:65, Rn. 67), und Beschluss vom 14. Mai 2019, Ungarn/Parlament (C‑650/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:438, Rn. 9, 12 und 13).

( 77 ) Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001.

( 78 ) Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 6 und 11 der Verordnung Nr. 1049/2001.

( 79 ) Vgl. Rn. 128 des angefochtenen Beschlusses und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 80 ) Vgl. u. a. Beschlüsse vom 23. Oktober 2002, Österreich/Rat (C‑445/00, EU:C:2002:607, Rn. 12 und 13), sowie vom 23. März 2007, Stadtgemeinde Frohnleiten und Gemeindebetriebe Frohnleiten (C‑221/06, EU:C:2007:185, Rn. 20 bis 22), sowie Urteil vom 31. Januar 2020, Slowenien/Kroatien (C‑457/18, EU:C:2020:65, Rn. 70).

( 81 ) Vgl. z. B. Urteil vom 23. September 2015, Cerafogli/EZB (T‑114/13 P, EU:T:2015:678, Rn. 43).

( 82 ) Vgl. hierzu allgemein Barents, R., Remedies and Procedures Before the EU Courts, 2. Aufl., Wolters Kluwer, 2020, S. 651 und 652.

( 83 ) Vgl. z. B. Urteil vom 12. Mai 2015, Dalli/Kommission (T‑562/12, EU:T:2015:270, Rn. 50 bis 53).

( 84 ) Vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 13. Februar 2014, Kommission/Rat (C‑425/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:91, Rn. 22 bis 24), und Urteile vom 6. März 2001, Dunnett u. a./EIB (T‑192/99, EU:T:2001:7, Rn. 33 und 34), vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission (T‑540/08, EU:T:2014:630, Rn. 61), sowie vom 12. Mai 2015, Dalli/Kommission (T‑562/12, EU:T:2015:270, Rn. 51).

( 85 ) Vgl. z. B. Urteile vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission (T‑540/08, EU:T:2014:630, Rn. 62), und vom 4. Juli 2017, European Dynamics Luxembourg u. a./Eisenbahnagentur (T‑392/15, EU:T:2017:462, Rn. 52 bis 56), sowie Beschluss vom 25. Februar 2015, BPC Lux 2 u. a./Kommission (T‑812/14 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:119, Rn. 14).

( 86 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission (C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 118). Vgl. entsprechend auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Dragnea/Kommission (C‑351/20 P, EU:C:2021:625, Nr. 92).

( 87 ) Insbesondere werden, auf die eine oder andere Weise, immer mehr Dokumente öffentlich zugänglich, ohne dass dies der Partei, die sich später auf sie berufen will, zuzurechnen ist.

( 88 ) Beschluss vom 12. Juni 2019, OY/Kommission (C‑816/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:486, Rn. 7).

( 89 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2000, Ghignone u. a./Rat (T‑44/97, EU:T:2000:258, Rn. 45), und entsprechend Urteil vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission (C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 115).

( 90 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission (C‑74/00 P und C‑75/00 P, EU:C:2002:524, Rn. 60 und 61).

( 91 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission (C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 92 ) Vgl. vor allem Art. 15 Abs. 3 AEUV.

( 93 ) Vgl. insbesondere Art. 38 der Verfahrensordnung des Gerichts und Art. 22 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

( 94 ) Vgl. insbesondere Art. 66 der Verfahrensordnung des Gerichts. Vgl. auch Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 25).

( 95 ) Vgl. insbesondere Art. 68 Abs. 4, Art. 103, Art. 104 und Art. 144 der Verfahrensordnung des Gerichts sowie Art. 131 Abs. 2 bis 4 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. Vgl. auch Urteil vom 12. Mai 2010, Kommission/Meierhofer (T‑560/08 P, EU:T:2010:192, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 96 ) Vgl. z. B. Urteil vom 12. Mai 2011, Missir Mamachi di Lusignano/Kommission (F‑50/09, EU:F:2011:55, Rn. 156).

( 97 ) Vgl. Urteil vom 10. April 2019, Jindal Saw und Jindal Saw Italia/Kommission (T‑301/16, EU:T:2019:234, Rn. 48 bis 51).

( 98 ) Vgl. Art. 105 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts und Art. 190a der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. Vgl. auch Beschluss (EU) 2016/2386 des Gerichtshofs vom 20. September 2016 über die Sicherheitsvorschriften für Auskünfte oder Unterlagen, die nach Artikel 105 der Verfahrensordnung des Gerichts vor diesem vorgelegt werden (ABl. 2016, L 355, S. 5), und Beschluss (EU) 2016/2387 des Gerichts vom 14. September 2016 über die Sicherheitsvorschriften für Auskünfte oder Unterlagen, die nach Artikel 105 Absatz 1 oder Absatz 2 der Verfahrensordnung vorgelegt werden (ABl. 2016, L 355, S. 18).

( 99 ) Dieser Abschnitt besteht aus „Vorbemerkungen“, in denen das Gericht den anwendbaren rechtlichen Rahmen darstellen wollte (Rn. 38 bis 46), und aus drei spezifischen Unterabschnitten, in denen es diesen Rahmen wiederum zur Prüfung der Zulässigkeit der verschiedenen vom Antrag des Rates betroffenen Dokumente angewendet hat (Rn. 47 bis 56 zum ersten streitigen Dokument, Rn. 57 bis 64 zum zweiten streitigen Dokument und Rn. 65 bis 68 zum dritten streitigen Dokument).

( 100 ) Rn. 125 bis 135 des angefochtenen Beschlusses.

( 101 ) Rn. 40, 52 und 55 des angefochtenen Beschlusses.

( 102 ) Rn. 51 des angefochtenen Beschlusses.

( 103 ) Rn. 41, 42 und 135 des angefochtenen Beschlusses.

( 104 ) Eine kurze Erwägung dieses Punkts mag „implizit“ Rn. 129 des angefochtenen Beschlusses zu den unbereinigten deutschen Dokumenten zu entnehmen sein.

( 105 ) Vgl. insbesondere Rn. 51 des angefochtenen Beschlusses.

( 106 ) Vgl. insbesondere Rn. 52 des angefochtenen Beschlusses.

( 107 ) Rn. 135 des angefochtenen Beschlusses.

( 108 ) Das Schiedsverfahren wurde am 26. September 2019 nach Art. 26 Abs. 4 Buchst. b des Vertrags über die Energiecharta und Art. 3 der Schiedsordnung der Kommission der Vereinten Nationen zum Internationalen Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law; UNCITRAL) von 1976 eingeleitet.

( 109 ) Rn. 57 bis 63 des angefochtenen Beschlusses. Besonderen Ausdruck findet dies in Rn. 63, wo das Gericht die Prüfung mit der Feststellung abschloss, dass „der Rat zu Recht annimmt, eine Verbreitung dieses Dokuments würde den Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die internationalen Beziehungen … im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 konkret und tatsächlich beeinträchtigen, was für sich genommen eine Entfernung dieses Dokuments aus den Akten rechtfertigt, ohne dass es erforderlich wäre, dieses öffentliche Interesse gegen ein höherrangiges Allgemeininteresse abzuwägen …“. Hervorhebung nur hier.

( 110 ) Rn. 135 des angefochtenen Beschlusses.

( 111 ) Insoweit bedarf es kaum der Erwähnung, dass eine der Voraussetzungen für die Klagebefugnis privater Kläger gerade darin besteht, dass sie ein Interesse an der Klageerhebung haben.

( 112 ) Ohne überhaupt auf die Frage einzugehen, wer in der Lage sein sollte, darüber zu entscheiden (und wie), wann ein edler Grund vorliegt, der besondere Rechte verdient, und wann es sich lediglich um normalen individuellen Eigennutz handelt.

( 113 ) Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass die Rechtsprechung, auf die das Gericht in diesem Zusammenhang verwiesen hat, andere Arten von Klagen und (teilweise) auch andere Arten von Dokumenten betraf. Beide in Rn. 54 des angefochtenen Beschlusses angeführte Entscheidungen ergingen in Rechtsstreitigkeiten zwischen privilegierten Klägern, die sich nach den Bestimmungen der Verträge und der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union per definitionem in einer anderen Lage befinden als private Kläger (wie die Rechtsmittelführerin im vorliegenden Verfahren).

( 114 ) Vgl. insbesondere sechster Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001. Vgl. auch Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 45 bis 47), und vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 84 bis 95).

( 115 ) Siehe bereits oben, Nr. 140 der vorliegenden Schlussanträge.

( 116 ) Vgl. u. a. Beschlüsse vom 23. Oktober 2002, Österreich/Rat (C‑445/00, EU:C:2002:607, Rn. 12), und vom 14. Mai 2019, Ungarn/Parlament (C‑650/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:438, Rn. 8).

( 117 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2018, QB/EZB (T‑827/16, EU:T:2018:756, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 3. Oktober 1985, Kommission/Tordeur (C‑232/84, EU:C:1985:392), und Beschluss vom 15. Oktober 1986, LAISA/Rat (31/86, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

( 118 ) Dies kann der Fall sein, wenn Klagen wegen Ermessensmissbrauchs infolge von Hinweisen von Whistleblowern erhoben werden oder mit einem strafbaren Verhalten bestimmter Mitarbeiter der Organe verbunden sein können.

( 119 ) Wozu es, wie oben in Nr. 116 erwähnt, befugt war.

( 120 ) Rn. 131 bis 135 des angefochtenen Beschlusses.

( 121 ) Was, praktisch betrachtet, stets möglich ist. Auch wenn der Gerichtshof ausnahmsweise ein bestimmtes Dokument aus den Akten entfernen kann, kann ihm nämlich kaum die Aufgabe einer Zensurstelle zukommen, die das Vorbringen einer Partei auf seinen Inhalt hin bewertet und überprüft, ob der rechtliche Vortrag einer Partei möglicherweise schon in einem anderen Dokument enthalten war.

( 122 ) Der Ausgangspunkt bleibt somit notwendigerweise der Unterschied zwischen einer Berufung auf eine externe Quelle („Das ist richtig, weil ein Unionsorgan es gesagt hat, und hier steht, wo es dies gesagt hat“) und einem eigenständigen sachbezogenen Vorbringen, das bildlich gesprochen, auf eigenen Beinen steht, ohne dass eine externe Quelle hierfür angeführt werden müsste.

( 123 ) Vgl. u. a. Urteile vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission (25/62, EU:C:1963:17, S. 238), und aus jüngerer Zeit vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission (C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 93).

( 124 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 125 ) Vgl. u. a. Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission (C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 126 ) Vgl. Urteil vom 17. September 2009, Kommission/Koninklijke Friesland Campina (C‑519/07 P, EU:C:2009:556, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 18. Mai 1994, Codorniu/Rat (C‑309/89, EU:C:1994:197, Rn. 19).

( 127 ) Vgl. Urteil vom 18. Mai 1994, Codorniu/Rat (C‑309/89, EU:C:1994:197, Rn. 22).

( 128 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Januar 1985, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission (11/82, EU:C:1985:18, Rn. 31), vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission (C‑182/03 und C‑217/03, EU:C:2006:416, Rn. 60), sowie vom 27. Februar 2014, Stichting Woonpunt u. a./Kommission (C‑132/12 P, EU:C:2014:100, Rn. 59 und 60).

( 129 ) Schlussanträge des Generalanwalts VerLoren van Themaat in der Rechtssache Piraiki-Patraiki u. a./Kommission (11/82, EU:C:1982:356, S. 218).

( 130 ) Schlussanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache Codorniu/Rat (C‑309/89, EU:C:1992:406, Nr. 38). Hervorhebung nur hier.

( 131 ) Vgl. Urteile vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2008:159, Rn. 72), und vom 27. Februar 2014, Stichting Woonpunt u. a./Kommission (C‑132/12 P, EU:C:2014:100, Rn. 59).

( 132 ) Vgl. Urteil vom 18. November 1975, CAM/EWG (100/74, EU:C:1975:152, Rn. 18). Ebenso Urteil vom 13. Mai 1971, International Fruit Company u. a./Kommission (41/70 bis 44/70, EU:C:1971:53, Rn. 17 und 18).

( 133 ) Vgl. Urteil vom 28. Januar 1986, Cofaz u. a./Kommission (169/84, EU:C:1986:42, Rn. 24 und 25).

( 134 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 50 bis 57). Ebenso Urteil vom 12. Dezember 2006, Asociación de Estaciones de Servicio de Madrid und Federación Catalana de Estaciones de Servicio/Kommission (T‑95/03, EU:T:2006:385, Rn. 52 bis 55).

( 135 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. April 2003, Kommission/Nederlandse Antillen (C‑142/00 P, EU:C:2003:217, Rn. 71 bis 76 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 3. Februar 2005, Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission (T‑139/01, EU:T:2005:32, Rn. 110). Vgl. auch Urteile vom 6. November 1990, Weddel/Kommission (C‑354/87, EU:C:1990:371, Rn. 20 bis 22), und vom 15. Juni 1993, Abertal u. a./Kommission (C‑213/91, EU:C:1993:238, Rn. 23).

( 136 ) Was beispielsweise bei der Vorlage ihres Vorschlags für die angefochtene Maßnahme auch von der Kommission selbst anerkannt wird, vgl. Factsheet der Europäischen Kommission „Questions and Answers on the Commission proposal to amend the Gas Directive (2009/73/EC) [(Fragen und Antworten zum Vorschlag der Kommission zur Änderung der Erdgasrichtlinie [2009/73/EG])]“, MEMO/17/4422, 8. November 2017 (Antwort auf Frage 10).

( 137 ) Vgl. neben anderen frei zugänglichen Dokumenten i) Factsheet der Europäischen Kommission „Questions and Answers on the Commission proposal to amend the Gas Directive (2009/73/EC) ([Fragen und Antworten zum Vorschlag der Kommission zur Änderung der Erdgasrichtlinie [2009/73/EG])]“, MEMO/17/4422, 8. November 2017 (Antworten auf die Fragen 8 bis 11), ii) Anfrage des Europäischen Parlaments, Antwort von Herrn Arias Cañete im Namen der Europäischen Kommission (E‑004084/2018[ASW]), 24. September 2018, und iii) Briefing des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments, EU Legislation in Progress (Laufende EU-Gesetzgebungsverfahren), „Common Rules for Gas Pipelines entering the EU Internal Market [(Gemeinsame Regeln für in den Binnenmarkt der Union führende Gasleitungen)]“, 27. Mai 2019, S. 2.

( 138 ) Vgl. insbesondere die Antwort des für Energie zuständigen Kommissars Cañete und das in der vorstehenden Fußnote erwähnte Briefing des Parlaments. Vgl. auch den Beschluss der Bundesnetzagentur, siehe oben, Fn. 43.

( 139 ) Vgl. z. B. Urteile vom 28. Februar 2018, Kommission/Xinyi PV Products (Anhui) Holdings (C‑301/16 P, EU:C:2018:132, Rn. 78), und vom 20. März 2014, Kommission/Litauen (C‑61/12, EU:C:2014:172, Rn. 62).

( 140 ) Vgl. Art. 2 der angefochtenen Maßnahme. Interessanterweise wurde den Mitgliedstaaten eine etwa doppelt so lange Frist für die Umsetzung der Erdgasrichtlinie (vgl. Art. 54 der Richtlinie) und eine sogar noch längere Frist für die Anwendung der Entflechtungsvorschrift (vgl. Art. 9 der Richtlinie) eingeräumt.

( 141 ) Siehe auch oben, Nr. 96 der vorliegenden Schlussanträge.

Top