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Document 62020CC0326

Schlussanträge des Generalanwalts A. Rantos vom 2. September 2021.
„MONO” SIA gegen Valsts ieņēmumu dienests.
Vorabentscheidungsersuchen der Administratīvā apgabaltiesa.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbrauchsteuern – Richtlinie 2008/118/EG – Befreiung von der harmonisierten Verbrauchsteuer – Waren, die zur Verwendung im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen bestimmt sind – Vom Aufnahmemitgliedstaat festgelegte Voraussetzungen für die Anwendung der Befreiung – Zahlung mit unbaren Zahlungsmitteln.
Rechtssache C-326/20.

; Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:688

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 2. September 2021 ( 1 )

Rechtssache C‑326/20

SIA „MONO“

gegen

Valsts ieņēmumu dienests

(Vorabentscheidungsersuchen der Administratīvā apgabaltiesa [Regionales Verwaltungsgericht, Lettland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2008/118/EG – Art. 12 – Verbrauchsteuern – Harmonisierte Verbrauchsteuerbefreiung – Verbrauchsteuerpflichtige Waren, die zur Verwendung im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen bestimmt sind – Voraussetzungen – Tatsächliche Zahlung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch ihre tatsächlichen Empfänger – Unbare Zahlung“

I. Einleitung

1.

Mit ihrem Vorabentscheidungsersuchen hat die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht, Lettland) dem Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der MONO SIA (im Folgenden: Klägerin) und dem Valsts ieņēmumu dienests (lettische Steuerverwaltung, im Folgenden: VID) wegen der Befreiung von Verbrauchsteuern auf Waren, die von Mitgliedern der diplomatischen oder konsularischen Vertretungen und Mitarbeitern internationaler Organisationen mit Sitz in Lettland erworben werden, zwei Fragen zur Auslegung von Art. 12 der Richtlinie 2008/118/EG ( 2 ) über das allgemeine Verbrauchsteuersystem vorgelegt.

2.

Mit diesen Fragen soll im Wesentlichen geklärt werden, ob Art. 12 dieser Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der verbrauchsteuerpflichtige Waren, die zur Verwendung im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen bestimmt sind, nur unter der im Unionsrecht nicht vorgesehenen Voraussetzung von der Verbrauchsteuer befreit sind, dass diese Waren mit unbaren Zahlungsmitteln erworben wurden und die Zahlung an den Lieferer durch die tatsächlichen Empfänger dieser Waren erfolgt ist.

3.

Trotz ihrer Neuartigkeit wirft die vorliegende Rechtssache eine Frage auf, mit der sich der Gerichtshof vor Kurzem befasst hat, nämlich die der Beschränkung der Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel. So ist der Gerichtshof dazu aufgefordert, sich zur Vereinbarkeit der durch die lettischen Rechtsvorschriften eingeführten Regelung über die Verbrauchsteuerbefreiung, genauer gesagt, zu dem Ermessen zu äußern, über das die Mitgliedstaaten bei der Durchführung dieser Regelung insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfügen.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Völkerrecht

1. Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen

4.

Art. 34 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, geschlossen am 18. April 1961 in Wien ( 3 ) (im Folgenden: WÜD) lautet:

„Der Diplomat ist von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder ‑abgaben befreit; ausgenommen hiervon sind

a)

die normalerweise im Preis von Waren oder Dienstleistungen enthaltenen indirekten Steuern;

…“

5.

Art. 36 Abs. 1 des WÜD bestimmt:

„Nach Maßgabe seiner geltenden Gesetze und anderen Rechtsvorschriften gestattet der Empfangsstaat die Einfuhr der nachstehend genannten Gegenstände und befreit sie von allen Zöllen, Steuern und ähnlichen Abgaben mit Ausnahme von Gebühren für Einlagerung, Beförderung und ähnliche Dienstleistungen:

a)

Gegenstände für den amtlichen Gebrauch der Mission;

b)

Gegenstände für den persönlichen Gebrauch des Diplomaten oder eines zu seinem Haushalt gehörenden Familienmitglieds, einschließlich der für seine Einrichtung vorgesehenen Gegenstände.“

2. Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen

6.

Art. 49 („Befreiung von der Besteuerung“) Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, geschlossen am 24. April 1963 in Wien ( 4 ) (im Folgenden: WÜK), sieht vor:

„Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungs- und technischen Personals sowie die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder sind von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder ‑abgaben befreit; ausgenommen hiervon sind

a)

die normalerweise im Preis von Waren oder Dienstleistungen enthaltenen indirekten Steuern;

…“

7.

Art. 50 („Befreiung von Zöllen und Zollkontrollen“) Abs. 1 des WÜK bestimmt:

„Nach Maßgabe seiner geltenden Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften gestattet der Empfangsstaat die Einfuhr der nachstehend genannten Gegenstände und befreit sie von allen Zöllen, Steuern und ähnlichen Abgaben mit Ausnahme von Gebühren für Einlagerung, Beförderung und ähnlicher Dienstleistungen:

a)

Gegenstände für den amtlichen Gebrauch der konsularischen Vertretung;

b)

Gegenstände für den persönlichen Gebrauch des Konsularbeamten und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder, einschließlich der für seine Einrichtung vorgesehenen Gegenstände. Die zum Verbrauch bestimmten Gegenstände dürfen die für die unmittelbare Verwendung durch die Beteiligten erforderliche Menge nicht überschreiten.“

B.   Unionsrecht

1. Richtlinie 2008/118

8.

Der 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 lautet:

„Die Bestimmungen und Voraussetzungen für die Befreiung von Lieferungen von der Verbrauchsteuer sollten harmonisiert bleiben. Für steuerfreie Lieferungen an Einrichtungen in anderen Mitgliedstaaten sollte eine Freistellungsbescheinigung verwendet werden.“

9.

Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie legt ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern fest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch folgender Waren (nachstehend ‚verbrauchsteuerpflichtige Waren‘ genannt) erhoben werden:

b)

Alkohol und alkoholische Getränke gemäß den Richtlinien 92/83/EWG[ ( 5 )] und 92/84/EWG[ ( 6 )];

c)

Tabakwaren gemäß den Richtlinien 95/59/EG[ ( 7 )], 92/79/EWG[ ( 8 )] und 92/80/EWG[ ( 9 )].“

10.

Art. 12 der Richtlinie 2008/118 sieht vor:

„(1)   Verbrauchsteuerpflichtige Waren sind von der Verbrauchsteuer befreit, wenn sie zur Verwendung für einen der folgenden Zwecke oder durch einen der folgenden Empfänger bestimmt sind:

a)

im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen;

b)

durch internationale Einrichtungen, die von den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats als solche anerkannt sind, sowie durch die Mitglieder dieser Einrichtungen, und zwar in den Grenzen und entsprechend den Bedingungen, die in den internationalen Übereinkommen zur Gründung dieser Einrichtungen oder in den Sitzabkommen festgelegt sind;

c)

durch die Streitkräfte der Vertragsparteien des Nordatlantikpakts mit Ausnahme des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbrauchsteueranspruch entsteht, und zwar für den Gebrauch oder Verbrauch dieser Streitkräfte oder ihr ziviles Begleitpersonal oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen;

(2)   Der Aufnahmemitgliedstaat legt Voraussetzungen und Grenzen dieser Steuerbefreiung fest. Die Mitgliedstaaten können die Steuerbefreiung in Form einer Erstattung der Verbrauchsteuer gewähren.“

11.

Art. 13 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)   Unbeschadet des Artikels 21 Absatz 1 ist bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung zu einem der in Artikel 12 Absatz 1 genannten Empfänger eine Freistellungsbescheinigung mitzuführen.

(2)   Die Kommission legt Form und Inhalt der Freistellungsbescheinigung im Einklang mit dem Verfahren gemäß Artikel 43 Absatz 2 fest.

…“

12.

In Art. 14 Abs. 3 dieser Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass bei Anwendung der Steuerbefreiung nach den Absätzen 1 und 2 Steuerhinterziehung, ‑umgehung oder ‑missbrauch vorgebeugt wird.“

2. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011

13.

Art. 51 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 ( 10 ) sieht vor:

(1)   [D]ie Bescheinigung über die Befreiung von der Mehrwertsteuer und/oder der Verbrauchsteuer nach dem Muster in Anhang II dieser Verordnung [dient] entsprechend den Erläuterungen im Anhang zu dieser Bescheinigung als Bestätigung dafür, dass der Umsatz nach Artikel 151 der Richtlinie 2006/112/EG[ ( 11 )] von der Steuer befreit werden kann.

(2)   Die in Absatz 1 genannte Bescheinigung wird von den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats mit einem Dienststempelabdruck versehen. Sind die Gegenstände oder Dienstleistungen jedoch für amtliche Zwecke bestimmt, so können die Mitgliedstaaten bei Vorliegen von ihnen festzulegender Voraussetzungen auf die Anbringung des Dienststempelabdrucks verzichten. Diese Freistellung kann im Falle von Missbrauch widerrufen werden.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, welche Kontaktstelle zur Angabe der für das Abstempeln der Bescheinigung zuständigen Dienststellen benannt wurde und in welchem Umfang sie auf das Abstempeln der Bescheinigung verzichten. Die Kommission gibt diese Information an die anderen Mitgliedstaaten weiter.

(3)   Wendet der Mitgliedstaat der Lieferung oder Dienstleistung die direkte Befreiung an, so erhält der Lieferer oder Dienstleistungserbringer die in Absatz 1 genannte Bescheinigung vom Empfänger der Lieferung oder Dienstleistung und nimmt sie in seine Buchführung auf. Wird die Befreiung nach Artikel 151 Absatz 2 der Richtlinie [2006/112] im Wege der Mehrwertsteuererstattung gewährt, so ist die Bescheinigung dem in dem betreffenden Mitgliedstaat gestellten Erstattungsantrag beizufügen.“

14.

In Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 sind Form und Inhalt der Bescheinigung über die Befreiung von der Mehrwertsteuer und/oder der Verbrauchsteuer gemäß Art. 51 der Richtlinie 2008/118 festgelegt.

C.   Lettisches Recht

15.

In Art. 7 des Likums „Par akcīzes nodokli“ (Verbrauchsteuergesetz) vom 30. Oktober 2003 ( 12 ) heißt es:

„Steuerschuldner ist

1.   der Einführende…“

16.

Art. 20 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt:

„Vorbehaltlich der Absätze 2, … 5 … sind verbrauchsteuerpflichtige Waren von der Verbrauchsteuer befreit, wenn sie geliefert werden:

1)

an diplomatische und konsularische Vertretungen;

2)

an diplomatische und konsularische Bedienstete der diplomatischen und konsularischen Vertretungen, Verwaltungs- und technische Mitarbeiter und die Familienangehörigen der genannten Personen, sofern sie nicht lettische Staatsangehörige oder Personen mit ständigem Wohnsitz in Lettland sind. …;

3)

an internationale Einrichtungen oder deren Vertretungen, die von den Behörden der Republik Lettland als solche anerkannt sind, in den Grenzen und nach den Voraussetzungen, die in den internationalen Übereinkommen zur Gründung dieser Einrichtungen oder in den Sitzabkommen festgelegt sind;

4)

für Mitarbeiter internationaler Organisationen oder ihrer Vertretungen, die im Hoheitsgebiet der Republik Lettland diplomatischen Status haben, sofern sie nicht lettische Staatsangehörige oder Personen mit ständigem Wohnsitz in Lettland sind;

6)

an die Streitkräfte der Vertragsparteien des Nordatlantikvertrags (mit Ausnahme des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbrauchsteueranspruch entsteht), für den Verbrauch dieser Streitkräfte oder ihres zivilen Begleitpersonals oder zur Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen;

9)

a)

an in der Republik Lettland anerkannte Hauptquartiere der Alliierten …,

b)

für Mitglieder eines Hauptquartiers der Alliierten oder deren Angehörige, wenn sie weder lettische Staatsangehörige noch Personen mit ständigem Wohnsitz in Lettland sind.“

17.

Art. 20 Abs. 2 Nr. 2 dieses Gesetzes lautet:

„Die in Abs. 1 dieser Vorschrift genannten Personen können in der Republik Lettland verbrauchsteuerpflichtige Waren erhalten:

2)

aus in der Republik Lettland eingerichteten Steuerlagern, unter folgenden Voraussetzungen:

a)

der Versender der verbrauchsteuerpflichtigen Waren verwendet das in Anhang II der [Durchführungsv]erordnung Nr. 282/2011 festgelegte Dokument, das die Befreiung der Waren von der Verbrauchsteuer bescheinigt,

b)

der Versender der verbrauchsteuerpflichtigen Waren legt einen den Vorschriften über die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren entsprechenden Nachweis vor,

c)

die Zahlung für den Erwerb der verbrauchsteuerpflichtigen Waren erfolgt mit unbaren Zahlungsmitteln.“

18.

In Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes heißt es:

„Verbrauchsteuerpflichtige Waren, die für die Erfordernisse der in Abs. 1 dieser Vorschrift genannten Personen bestimmt sind und in das Gebiet der Republik Lettland zum freien Verkehr … aus anderen Ländern als den Mitgliedstaaten oder aus dem in Art. 2 Abs. 31 dieses Gesetzes genannten Gebiet eingeführt werden, sind unter folgenden Voraussetzungen von der Steuer befreit:

1)

der Versender der verbrauchsteuerpflichtigen Waren muss das in Anhang II der [Durchführungsv]erordnung Nr. 282/2011 festgelegte Dokument verwenden, das die Verbrauchsteuerbefreiung der Waren bescheinigt;

2)

die Zahlung für den Erwerb der verbrauchsteuerpflichtigen Waren muss mit unbaren Zahlungsmitteln erfolgen.“

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

19.

Die Klägerin meldete bei der lettischen Zollverwaltung verbrauchsteuerpflichtige Waren (Alkohol und Zigaretten) an, die sie bei einem britischen Unternehmen und dessen lettischer Niederlassung erworben hatte, um sie unter Anwendung der Verbrauchsteuerbefreiung an Botschaften und konsularische Dienste verschiedener Mitgliedstaaten sowie an die NATO-Vertretung in Lettland zur Überführung in den freien Verkehr zu liefern (im Folgenden: in Rede stehende Waren).

20.

Nachdem die Klägerin die in Rede stehenden Waren von der britischen Gesellschaft und ihrer lettischen Niederlassung erworben hat, ohne unmittelbar den Preis dafür zu zahlen, verkauft sie diese Waren an diplomatische und konsularische Vertretungen ( 13 ) in Lettland, ohne jedoch eine Bezahlung zu erhalten. Letztere zahlen nämlich, nachdem sie die Waren erhalten haben, deren Preis direkt an diese britische Gesellschaft, die Begünstigte einer Forderungsabtretung durch die Klägerin ist. In der Abtretungsvereinbarung ist auch die Vergütung geregelt, die diese Gesellschaft der Klägerin für ihre Vermittlerrolle beim Verkauf der in Rede stehenden Waren zu zahlen hat.

21.

Im Anschluss an eine Steuerprüfung erließ der VID eine Entscheidung, mit der die Klägerin verpflichtet wurde, aufgrund der Überführung der in Rede stehenden Waren in den zollrechtlich freien Verkehr Verbrauchsteuern zuzüglich Geldbußen und Verzugszinsen zu entrichten. In dieser Entscheidung hieß es, dass die in Art. 20 Abs. 5 Nr. 2 des Verbrauchsteuergesetzes festgelegte Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nicht erfüllt sei, da die betreffenden diplomatischen Vertretungen diese Waren nicht mit unbaren Zahlungsmitteln bezahlt hätten.

22.

Die Klägerin erhob bei der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland) Klage auf Aufhebung der Entscheidung des VID. Sie machte u. a. geltend, dass die in Art. 20 Abs. 5 Nr. 2 des Verbrauchsteuergesetzes festgelegte Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nicht maßgeblich sei und außerdem in den für Lettland verbindlichen internationalen Rechtsquellen nicht als Voraussetzung für die Steuerbefreiung festgelegt sei.

23.

Mit Urteil vom 10. Juni 2019 wies die Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht) diese Klage hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung der Verbrauchsteuern ab.

24.

Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung bei der Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht, Lettland), ein. Dieses Gericht stellt fest, dass unstreitig sei, dass die Klägerin die in Rede stehenden Waren im Rahmen des Zolllagerverfahrens, im Verfahren der Steueraussetzung und im Hinblick auf ihre Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an Diplomaten mehrerer Staaten und die Vertretung der NATO in Lettland angemeldet habe, dass sie von dem in Anhang II der Verordnung Nr. 282/2011 festgelegten Dokument Gebrauch gemacht habe, dass sie Belege über die Lieferung der Waren an Diplomaten mehrerer Staaten und der Vertretung der NATO in Lettland ausgestellt habe und dass die ihr geschuldete Zahlung für die in Rede stehende Waren von der britischen Gesellschaft im Wege einer Abtretungsvereinbarung erfolgt sei.

25.

Die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht) weist jedoch darauf hin, dass der VID die Befreiung von der Verbrauchsteuer für unanwendbar halte, da Art. 20 Abs. 5 Nr. 2 des Verbrauchsteuergesetzes verlange, dass die in Rede stehenden Waren mit unbaren Zahlungsmitteln bezahlt würden.

26.

Darüber hinaus ergebe sich aus dem vom VID vertretenen Standpunkt, dass nicht nur nachzuweisen sei, dass zwischen den an dem Geschäft beteiligten Parteien eine Zahlung mit unbaren Zahlungsmitteln vorgesehen sei, sondern auch, dass diese Zahlung konkret von den Personen geleistet worden sei, an die die Waren geliefert worden seien. Der VID gehe davon aus, dass, da die der Klägerin für die an die Botschaften und konsularischen Dienste gelieferten verbrauchsteuerpflichtigen Waren geschuldete Zahlung aufgrund einer Abtretungsvereinbarung von der britischen Gesellschaft und nicht von den Botschaften und konsularischen Diensten, denen diese Waren geliefert worden seien, geleistet worden sei, nicht zu eruieren sei, ob diese Botschaften und konsularischen Dienste beim Erhalt dieser Waren tatsächlich eine Zahlung mit unbaren Zahlungsmitteln geleistet hätten oder nicht.

27.

Unter diesen Umständen hat die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht, Lettland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren, die zur Verwendung im Rahmen diplomatischer und konsularischer Beziehungen bestimmt sind, von diesen Steuern unter der Voraussetzung befreit sind, dass die Zahlung dieser Waren mit unbaren Zahlungsmitteln erfolgt, dass die Zahlung an den Lieferer tatsächlich stattgefunden hat und dass sie durch die tatsächlichen Empfänger dieser Waren erfolgt ist?

2.

Ist Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen und Grenzen der Steuerbefreiung verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Rahmen diplomatischer und konsularischer Beziehungen so festlegen können, dass die Steuerbefreiung davon abhängig gemacht wird, dass der Käufer dieser Waren diese bereits tatsächlich mit unbaren Zahlungsmitteln bezahlt hat?

28.

Die Klägerin, die spanische und die lettische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

29.

Die Parteien des Ausgangsverfahrens und die Streithelferinnen schlagen vor, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

Die Klägerin ist der Ansicht, Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 könne nicht dahin ausgelegt werden, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren, die zur Verwendung im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen bestimmt seien, von diesen Steuern unter der Voraussetzung befreit seien, dass die Zahlung dieser Waren mit unbaren Zahlungsmitteln erfolge, dass die Zahlung an den Lieferer tatsächlich stattgefunden habe und dass sie durch die tatsächlichen Empfänger dieser Waren erfolgt sei. Art. 12 Abs. 2 dieser Richtlinie könne nicht dahin ausgelegt werden, dass er es einem Mitgliedstaat gestatte, zusätzliche unnötige und bürokratische Beschränkungen für verbrauchsteuerbefreite Waren vorzuschreiben, die zu einer Einschränkung der Zahlungsmittel für diese Waren führten.

Die lettische Regierung schlägt dem Gerichtshof als Antwort vor, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen sei, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren, die zur Verwendung im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen bestimmt seien, von diesen Steuern unter der Voraussetzung befreit seien, dass die Zahlung dieser Waren mit unbaren Zahlungsmitteln erfolge, dass die Zahlung an den Lieferer tatsächlich stattgefunden habe und dass sie durch die tatsächlichen Empfänger dieser Waren erfolgt sei, und dass Art. 12 Abs. 2 dieser Richtlinie dahin auszulegen sei, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen und Grenzen der Steuerbefreiung verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen so festlegen könnten, dass die Steuerbefreiung davon abhängig gemacht werde, dass der Käufer dieser Waren diese tatsächlich mit unbaren Zahlungsmitteln bezahlt habe.

Die spanische Regierung ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten weitgehend Voraussetzungen und Grenzen für die Anwendung der in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 vorgesehenen Befreiungen festlegen könnten, wobei insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit zu beachten seien. Die Verpflichtung des Steuerpflichtigen, für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nachzuweisen, dass die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich, und zwar unbar, bezahlt worden seien, erscheine sachgerecht, um sicherzustellen, dass die Steuerbefreiung nicht missbräuchlich angewandt werde, da sie die tatsächliche Lieferung der Waren an den diplomatischen oder konsularischen Empfänger bestätigen könne. Dieses Erfordernis könne jede Form von Missbrauch oder Betrug verhindern. Die spanische Regierung schlägt daher vor, auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 12 der Richtlinie 2008/118 es den Mitgliedstaaten erlaube, bei der Festlegung der Voraussetzungen und Grenzen für die Anwendung der Verbrauchsteuerbefreiung auf Waren, die im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen verwendet würden, die Anwendung dieser Befreiung davon abhängig zu machen, dass der Käufer dieser Waren sie tatsächlich mit unbaren Zahlungsmitteln bezahlt habe.

Nach Auffassung der Kommission ergibt sich die Antwort auf die erste Vorlagefrage bereits aus dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/118, der keinen Hinweis auf die in dieser Frage genannten Voraussetzungen enthalte. Die einzige in dieser Vorschrift vorgesehene Voraussetzung sei, dass die Waren tatsächlich für den angegebenen Gebrauch bestimmt seien, d. h. für die Verwendung im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen. Da nach Ansicht der Kommission der Nachweis dieser Bestimmung durch andere Mittel als den Nachweis der unbaren Zahlung der Käufer an ihren unmittelbaren Lieferer erbracht werden kann, schlägt sie als Antwort auf die erste Frage vor, dass Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen sei, dass er für die Gewährung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Befreiung nicht voraussetze, dass diese Waren mit unbaren Zahlungsmitteln bezahlt würden, dass die Zahlung an den Lieferer tatsächlich stattgefunden habe und dass sie durch die tatsächlichen Empfänger dieser Waren erfolgt sei.

Nach Ansicht der Kommission ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles die Befreiung von der Verbrauchsteuer mit der Begründung versagt werden müsse, dass der Käufer den Preis für die verbrauchsteuerpflichtigen Waren nicht tatsächlich mit unbaren Zahlungsmitteln gezahlt habe, ohne dass auf der Grundlage anderer Beweise nachgewiesen werden könne, dass die Voraussetzungen für die Befreiung nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie erfüllt seien.

30.

Außerdem haben diese Verfahrensbeteiligten eine vom Gerichtshof gemäß Art. 61 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung an sie gerichtete Frage fristgerecht schriftlich beantwortet ( 14 ).

IV. Würdigung

A.   Vorbemerkungen

31.

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 12 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass er es den Mitgliedstaaten erlaubt, bei der Festlegung der Voraussetzungen und Grenzen für die Anwendung der Verbrauchsteuerbefreiung auf Waren, die im Rahmen diplomatischer und konsularischer Beziehungen verwendet werden, die Anwendung dieser Befreiung von zusätzlichen, im Unionsrecht nicht vorgesehenen Voraussetzungen abhängig zu machen, wie beispielsweise, dass der tatsächliche Empfänger dieser Waren sie unmittelbar mit unbaren Zahlungsmitteln an die Lieferer bezahlt hat.

32.

Insoweit stelle ich zunächst fest, dass der Gerichtshof noch nicht die Gelegenheit hatte, sich zur Auslegung von Art. 12 der Richtlinie 2008/118 zu äußern.

33.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts kein Zweifel daran besteht, dass die fraglichen Waren im Ausgangsverfahren an diplomatische und konsularische Vertretungen geliefert wurden, und dass der VID, abgesehen von dem Verstoß gegen die in Rede stehende lettische Rechtsvorschrift, keine Unregelmäßigkeit festgestellt hat. Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich hervor, dass die Klägerin den Anforderungen des Unionsrechts sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht vollständig nachgekommen ist. Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob das nationale Recht in einem solchen Fall über das Unionsrecht hinaus zusätzliche Voraussetzungen und Grenzen auferlegen kann, deren Verletzung zur Unanwendbarkeit der Verbrauchsteuerbefreiung führen würde.

34.

Vor einer eingehenden Prüfung der Fragen, die sich in der vorliegenden Rechtssache stellen, erscheint es mir wichtig, auf den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/118 und insbesondere die Bestimmungen über die Verbrauchsteuerbefreiung zugunsten der diplomatischen und konsularischen Vertretungen einzugehen.

35.

Ich schlage vor, sodann die Regelung der Verbrauchsteuerbefreiung, wie sie das lettische Recht vorsieht, im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und schließlich ihre Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Mehrwertsteuerbefreiung zu prüfen, ein Bereich, für den der Unionsgesetzgeber eine Befreiungsregelung vorgesehen hat, die mit der für Verbrauchsteuern geltenden Regelung identisch ist.

B.   Anwendungsbereich der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung

1. Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/118

36.

Bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts sind nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden ( 15 ).

37.

Es ist darauf hinzuweisen, dass mit der Richtlinie 2008/118 ein allgemeines System der Verbrauchsteuern für verbrauchsteuerpflichtige Waren in der Union geschaffen werden soll, um deren freien Verkehr und damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts der Union zu gewährleisten ( 16 ). Zu den Ausnahmen von diesem Grundsatz gehört die in Art. 12 dieser Richtlinie zugunsten der diplomatischen und konsularischen Vertretungen vorgesehene Steuerbefreiung.

38.

Das folgende vorläufige Ergebnis lässt sich den in den Nrn. 10 bis 12 der vorliegenden Schlussanträge beschriebenen Schlüsselbestimmungen der Richtlinie 2008/118 zu der Befreiungsregelung entnehmen.

39.

Erstens besteht das Hauptziel der in Art. 12 der Richtlinie 2008/118 vorgesehenen Befreiungsregelung darin, sicherzustellen, dass die Empfänger, die zu einer der in dieser Vorschrift genannten Kategorien gehören, in den Genuss dieser Befreiung kommen können. So sind verbrauchsteuerpflichtige Waren von der Zahlung dieser Steuer befreit, wenn sie zur Verwendung im Rahmen diplomatischer oder konsularischer Beziehungen bestimmt sind. Eine solche Auslegung steht auch im Einklang mit Art. 36 WÜD und Art. 50 WÜK.

40.

Zweitens wird, auch wenn den Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Befreiungsregelung ein Ermessen zugestanden wird, dieses Ermessen durch die Verwendung der Freistellungsbescheinigung begrenzt, die einen Rahmen für die Befreiungsregelung bilden und gerade sicherstellen soll, dass das in Art. 12 der Richtlinie 2008/118 genannte Ziel erreicht wird, wobei sie gleichzeitig gewährleisten soll, dass die in Rede stehenden Waren tatsächlich von ihren Empfängern verwendet werden.

41.

Drittens können die Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen übertragenen Befugnisse die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit bei Anwendung der Steuerbefreiung zugunsten der diplomatischen und konsularischen Vertretungen Steuerhinterziehung, ‑umgehung oder ‑missbrauch vorgebeugt wird ( 17 ). In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Verhinderung solcher Phänomene ein gemeinsames Ziel sowohl des Unionsrechts als auch des lettischen Rechts ist.

42.

Viertens lässt die Richtlinie 2008/118 den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Umsetzung der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung die Wahl zwischen zwei verschiedenen Verfahren, nämlich einerseits der nachträglichen Erstattung der Verbrauchsteuer und andererseits der Befreiung im Voraus in Form der Aussetzung der Verbrauchsteuer für die Lieferung an diplomatische und konsularische Vertretungen ( 18 ), wofür sich Lettland entschieden hat.

43.

Schließlich sieht das Unionsrecht neben den in der Richtlinie 2008/118 und der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 ausdrücklich genannten Voraussetzungen keine weiteren harmonisierten Voraussetzungen für die Befreiung von verbrauchsteuerpflichtigen, zur Verwendung in diplomatischen und konsularischen Beziehungen bestimmten Waren vor. Insbesondere hängt die Gewährung der Befreiung weder von den Modalitäten der Bezahlung der Waren noch von der unmittelbaren Zahlung durch den Erwerber an den Lieferer ab.

2. Anwendung der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung

44.

Um die Funktionsweise der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung und die Parameter ihrer Durchführung zu verstehen, ist zunächst auf den Inhalt der Freistellungsbescheinigung einzugehen. Anschließend werde ich die Rolle des nationalen Rechts und seine Wechselwirkung mit dem Unionsrecht bei der Durchführung der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung untersuchen.

a) Freistellungsbescheinigung

45.

Vorab weise ich darauf hin, dass die Freistellungsbescheinigung ein Dokument ist, dessen Form und Inhalt von der Kommission festgelegt werden und das die Mitgliedstaaten beachten müssen, um das reibungslose Funktionieren der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung zu gewährleisten ( 19 ). Somit ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber diese Regelung durch die Verwendung dieser Bescheinigung harmonisieren wollte.

46.

Ihr Inhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Freistellungsbescheinigung enthält die Identität und die Kontaktdaten des Begünstigten der Freistellung – die Einrichtung (diplomatische oder konsularische Vertretung) oder deren Bevollmächtigter ( 20 ) –, die ausführliche Beschreibung der betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen, ihre Menge oder Anzahl, ihren Preis pro Einheit und Gesamtpreis sowie die verwendete Währung ( 21 ), die ausdrückliche Erklärung des Begünstigten der Befreiung, dass die Gegenstände oder Dienstleistungen für einen der in Art. 12 der Richtlinie 2008/118 vorgesehenen amtlichen Zwecke oder zur privaten Verwendung durch einen Angehörigen einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung bestimmt sind ( 22 ), im Falle eines Antrags auf Befreiung zur privaten Verwendung den mit Datum und Unterschrift versehenen Dienststempel dieser Einrichtung ( 23 ) und den mit Datum und Unterschrift versehenen Dienststempel der zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, mit dem bescheinigt wird, dass der Vorgang in vollem Umfang oder aber im angegebenen Umfang den Bedingungen für die Befreiung von der Verbrauchsteuer entspricht ( 24 ).

47.

Erstens ist festzustellen, dass die Freistellungsbescheinigung genau die verschiedenen Etappen beschreibt, die von allen am Freistellungsverfahren beteiligten Akteuren, d. h. dem Steuerpflichtigen, den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats und der Einrichtung, die die Steuerbefreiung des betreffenden Mitgliedstaats in Anspruch nimmt, zu befolgen sind.

48.

Mithin ist hervorzuheben, dass der Inhalt der Freistellungsbescheinigung grundsätzlich sowohl von der Einrichtung oder der Privatperson, die die Steuerbefreiung in Anspruch nimmt, d. h. den diplomatischen und konsularischen Vertretungen des betreffenden Mitgliedstaats (oder deren Beamten), als auch von den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats bescheinigt wird.

49.

So erklären die die Steuerbefreiung in Anspruch nehmenden diplomatischen oder konsularischen Vertretungen in der Freistellungsbescheinigung u. a., dass a) die Gegenstände für einen der vorgesehenen amtlichen Zwecke oder zur privaten Verwendung bestimmt sind, b) die Gegenstände oder Dienstleistungen den Bedingungen und Beschränkungen der Steuerbefreiung im Aufnahmemitgliedstaat entsprechen und c) die Informationen nach Treu und Glauben übermittelt wurden. Zur Bescheinigung der Richtigkeit dieser Angaben bringt ein Vertreter der betreffenden Einrichtung eine Unterschrift sowie den Dienststempel oder das Dienstsiegel der diplomatischen oder konsularischen Vertretung an, wenn die Steuerbefreiung für die private Verwendung durch einen Angehörigen der befreiungsberechtigten Einrichtung gewährt wurde.

50.

Was den Aufnahmemitgliedstaat betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Inhalt der Freistellungsbescheinigung grundsätzlich auch von den zuständigen Behörden dieses Staates bescheinigt wird. Diese Bescheinigung kann je nach Mitgliedstaat von einer einzigen oder von mehreren Behörden vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass in einer Reihe von Mitgliedstaaten zwei Behörden an diesem Prozess beteiligt sind ( 25 ). So bescheinigt das Außenministerium ( 26 ) oder das Verteidigungsministerium ( 27 ) in einem ersten Schritt, dass die betreffende Einrichtung aufgrund ihres Status einen Anspruch auf Steuerbefreiung hat. Nach Erhalt dieser Bescheinigung legt die Einrichtung, die Anspruch auf Steuerbefreiung hat, die Freistellungsbescheinigung beim Lieferer vor und kauft die steuerbefreiten Waren, wobei sie ihm eine Kopie dieser Bescheinigung aushändigt. In einem zweiten Schritt kann gegebenenfalls eine zweite Behörde des Aufnahmemitgliedstaats, in den meisten Fällen die Steuerbehörden oder die Zollbehörden, die Vereinbarkeit der Transaktion mit den geltenden Vorschriften über die Befreiung von der Verbrauchsteuer oder der Mehrwertsteuer überprüfen.

51.

Sind die Gegenstände oder Dienstleistungen jedoch für amtliche Zwecke bestimmt, so kann der Aufnahmemitgliedstaat unter den von ihm festzulegenden Voraussetzungen darauf verzichten, von den diplomatischen oder konsularischen Vertretungen für die Verwendung der Freistellungsbescheinigung die Erlangung einer vorherigen Genehmigung der zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats zu verlangen ( 28 ). In einem solchen Fall kann die Freistellungsbescheinigung ohne die Bescheinigung des Aufnahmemitgliedstaats und ohne den Dienststempelabdruck der zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats verwendet werden. So könnte in Betracht gezogen werden, aus Gründen der Gegenseitigkeit im Rahmen der diplomatischen Beziehungen zwischen zwei Mitgliedstaaten die Entscheidung zu treffen, den Erwerb verbrauchsteuerpflichtiger Waren für diplomatische und konsularische Vertretungen durch diesen Verzicht auf die vorherige Genehmigung zu erleichtern, wobei er im Falle von Missbrauch widerrufen werden kann.

52.

Doch selbst in den Fällen, in denen die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats beschließt, bei einer Verbrauchsteuerbefreiung für den amtlichen Gebrauch ihren Stempel nicht anzubringen, entbindet dies die diplomatische oder konsularische Vertretung, die in den Genuss dieser Befreiung kommt, grundsätzlich nicht von ihrer Verpflichtung, die Richtigkeit der eingegebenen Daten zu bestätigen und den Inhalt der Freistellungsbescheinigung durch eine Unterschrift oder ein amtliches Siegel zu bescheinigen.

53.

Was schließlich den Steuerpflichtigen (bzw. den Lieferer der steuerbefreiten Waren) anbelangt, so wird in den Erläuterungen zu Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 bezüglich der Freistellungsbescheinigung klargestellt, dass diese als Beleg für die Steuerbefreiung von Gegenständen dient, die an diplomatische und konsularische Vertretungen geliefert werden. Außerdem hat der Steuerpflichtige/Lagerinhaber diese Bescheinigung nach den in seinem Mitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften ( 29 ) in seine Buchführung aufzunehmen ( 30 ).

b) Die Rolle des nationalen Rechts bei der Durchführung der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung

54.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 „[d]er Aufnahmemitgliedstaat … Voraussetzungen und Grenzen [der in Abs. 1 dieses Art. 12 vorgesehenen Steuerbefreiungen] fest[legt].“

55.

Die lettische Regierung ist daher der Auffassung, dass es insbesondere im Hinblick auf das den Mitgliedstaaten durch den Wortlaut der genannten Bestimmung eingeräumte Ermessen und die ihnen durch diese Vorschrift eröffnete Möglichkeit, die Voraussetzungen und Grenzen der Befreiung von der Verbrauchsteuer festzulegen, gerechtfertigt sei, zusätzlich zu der Formalität der Freistellungsbescheinigung das Erfordernis der Zahlung mit unbaren Zahlungsmitteln aufzustellen.

56.

Dieser Standpunkt wird auch von der spanischen Regierung geteilt, die der Ansicht ist, dass, wenn man der Auslegung folge, dass die Steuerbefreiung im Rahmen der Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen an eine diplomatische oder konsularische Vertretung ohne Weiteres Anwendung finde, Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118, der vorsehe, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen und Grenzen einer solchen Befreiung festlegen könnten, jeden Sinn verlöre.

57.

Ich stelle gleich zu Beginn fest, dass ich den Standpunkt der lettischen und der spanischen Regierung nicht teile.

58.

Erstens ist es nämlich offensichtlich, dass in einem harmonisierten Bereich des Unionsrechts wie dem allgemeinen Verbrauchsteuersystem das Ermessen, über das die Mitgliedstaaten verfügen, eingeschränkt ist und im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt werden muss.

59.

Zweitens vermag Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118, auch wenn man der engen Auslegung dieser Bestimmung folgt, den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit zu nehmen, eine Reihe von Parametern zur Anwendung der Verbrauchsteuerbefreiung festzulegen.

60.

In erster Linie ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des nationalen Gesetzgebers ist, die Art und Weise der Befreiung, die er anwenden möchte, zu wählen, nämlich ob sie ex ante, auf direktem Wege durch eine Aussetzung der Verbrauchsteuern oder ex post, durch eine Erstattung der Verbrauchsteuern erfolgen soll.

61.

Im Übrigen wird das Ermessen, über das die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung verfügen, durch die verschiedenen, von den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Parameter dieser Regelung verfolgten Ansätze deutlich veranschaulicht. So gibt es Unterschiede hinsichtlich der Benennung der für die Bescheinigung der Anspruchsberechtigung der die Steuerbefreiung beantragenden Personen und die Gültigkeit der getätigten Geschäfte zuständigen Behörden der Aufnahmemitgliedstaaten ( 31 ), der Anforderungen im Hinblick auf die Bescheinigung des Inhalts durch die betreffende diplomatische Vertretung ( 32 ), des Betrags, ab dem die Steuerbefreiung gewährt werden kann ( 33 ), des Zeitraums, in dem die Steuerbefreiung gilt oder der Frist für die Erstattung ( 34 ), des Rahmens der Verwendung der betreffenden Waren ( 35 ) oder der Anzahl der auszufertigenden Exemplare der Freistellungsbescheinigung ( 36 ).

62.

Nach alledem bin ich der Auffassung, dass eine Auslegung, die auf den Hauptzweck der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung abstellt, der darin besteht, sicherzustellen, dass die in Art. 12 der Richtlinie 2008/118 genannten Empfänger diese Steuerbefreiung erhalten, den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit nimmt, eine Reihe wichtiger Parameter für die Umsetzung dieser Regelung festzulegen.

C.   Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung

63.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet die Mitgliedstaaten, sich solcher Mittel zu bedienen, die es zwar erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu erreichen, die aber nicht über das erforderliche Maß hinausgehen und die Ziele und Grundsätze des einschlägigen Unionsrechts möglichst wenig beeinträchtigen ( 37 ).

64.

Der Gerichtshof stellt insoweit in seiner Rechtsprechung klar, dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen ( 38 ).

65.

In einem ersten Schritt ist daher auf das vom lettischen Gesetzgeber mit dem Erlass von Art. 20 Abs. 5 Nr. 2 des Verbrauchsteuergesetzes verfolgte legitime Ziel einzugehen, um zu prüfen, ob diese Vorschrift gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.

66.

In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob diese Rechtsvorschrift geeignet ist, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten und ob sie nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht.

67.

Es erscheint mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Regelung der Verbrauchsteuerbefreiung durch die Richtlinie 2008/118 auf Unionsebene harmonisiert wurde. In Bezug auf ihre Durchführung kommt diese Harmonisierung darin zum Ausdruck, dass die Befreiungsregelung durch die Freistellungsbescheinigung eingegrenzt ist. Daher ist zur Beantwortung der Vorlagefragen die Verhältnismäßigkeit von Art. 20 Abs. 5 Nr. 2 des Verbrauchsteuergesetzes in diesem konkreten Kontext zu prüfen.

68.

Nach alledem bin ich der Ansicht, dass bei Fehlen einer solchen Harmonisierung und des sich daraus ergebenden Erfordernisses eines einheitlichen Befreiungssystems Maßnahmen wie die im lettischen Recht vorgesehenen in Anbetracht sowohl der Ziele des nationalen Rechts als auch des weiteren Ermessens, über das ein Mitgliedstaat verfügen würde, gerechtfertigt und verhältnismäßig sein könnten.

1. Rechtfertigung der durch das lettische Recht auferlegten Beschränkung

69.

Aus der Vorlageentscheidung und den schriftlichen Erklärungen der lettischen Regierung geht hervor, dass die Voraussetzung der Zahlung mit unbaren Zahlungsmitteln auf der Absicht beruht, zu gewährleisten, dass die Steuerbefreiung ordnungsgemäß denjenigen gewährt wird, die Anspruch auf Verbrauchsteuerbefreiung haben, und wirksamer gegen Steuerumgehungen und Steuerhinterziehungen vorzugehen.

70.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten ein legitimes Interesse daran haben, geeignete Maßnahmen zum Schutz ihrer finanziellen Interessen zu ergreifen ( 39 ), und dass die Bekämpfung von Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein mit der Richtlinie 2008/118 verfolgtes Ziel darstellt, wie aus Art. 11 und Art. 39 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Richtlinie hervorgeht ( 40 ).

71.

Ich bin daher der Ansicht, dass das vom lettischen Gesetzgeber verfolgte Ziel auf den ersten Blick im besonderen Fall bestimmter verbrauchsteuerpflichtiger Waren wie Zigaretten und Alkohol, die, illegal eingeführt, einen bedeutenden Teil des Absatzes verbrauchsteuerpflichtiger Waren ausmachen, gerechtfertigt erscheinen könnte.

72.

Jedoch möchte ich daran erinnern, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen durch das Unionsrecht verliehenen Befugnisse die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten müssen, zu denen insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zählt ( 41 ).

73.

Somit ist nun auf das Vorbringen der lettischen und der spanischen Regierung zur Rechtfertigung der durch das lettische Recht auferlegten Beschränkung einzugehen.

74.

Die lettische und die spanische Regierung gehen davon aus, dass die Verwendung von Bargeld bei wirtschaftlichen Transaktionen betrügerische und missbräuchliche Verhaltensweisen erheblich erleichtere und dass die durch das lettische Recht auferlegten Beschränkungen daher legitim und verhältnismäßig seien.

75.

Nach Ansicht der spanischen Regierung sind solche Beschränkungen, die zu legitimen Zwecken wie der Verhinderung von Steuerhinterziehung festgelegt würden, dem Unionsrecht selbst nicht fremd. Insoweit verweist sie auf das Urteil Hessischer Rundfunk ( 42 ) sowie auf die Schlussanträge des Generalanwalts Richard de la Tour in der Rechtssache ECOTEX BULGARIA ( 43 ).

76.

Auch wenn anerkannt worden ist, dass in bestimmten Sonderfällen Beschränkungen der Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel legitim sein könnten, bin ich der Ansicht, dass die von der spanischen Regierung angeführte Rechtsprechung nicht auf die vorliegende Rechtssache übertragbar ist, in der sich sowohl der Sachverhalt als auch die anwendbaren Rechtsvorschriften erheblich von der Rechtssache unterscheiden, in der das Urteil vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk (C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63), ergangen ist.

77.

Die Große Kammer des Gerichtshofs hat in den verbundenen Rechtssachen Hessischer Rundfunk (C‑422/19 und C‑423/19) entschieden, dass ein Mitgliedstaat des Eurogebiets seine Verwaltung grundsätzlich zur Annahme von Barzahlungen verpflichten kann, diese Möglichkeit aber aus Gründen des öffentlichen Interesses auch beschränkt werden kann, sofern solche Beschränkungen im Hinblick auf das verfolgte Ziel von öffentlichem Interesse verhältnismäßig sind. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine solche Beschränkung insbesondere dann gerechtfertigt sein kann, wenn die Barzahlung aufgrund der sehr hohen Zahl von Beitragspflichtigen zu unangemessenen Kosten für die Verwaltung führen kann. Er kam daher zu dem Schluss, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Hinblick auf das Ziel des tatsächlichen Einzugs des Rundfunkbeitrags verhältnismäßig ist ( 44 ), insbesondere in Anbetracht dessen, dass die anderen rechtlichen Zahlungsmittel möglicherweise nicht allen beitragspflichtigen Personen leicht zugänglich sind ( 45 ).

78.

Zunächst weise ich darauf hin, dass sich die im Urteil vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk (C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63), angesprochene Verhältnismäßigkeitsprüfung in einem anderen Kontext gestellt hat als dem, mit dem wir es in der vorliegenden Rechtssache zu tun haben. Das in der vorgenannten Rechtssache verfolgte Ziel von öffentlichem Interesse bestand darin, zu gewährleisten, dass der Verwaltung wegen Barzahlungen keine unangemessenen Kosten entstehen. Im Ausgangsverfahren, in dem das mit den lettischen Rechtsvorschriften verfolgte Ziel darin besteht, Missbrauch und Betrug im Bereich der Zahlung und der Befreiung von Verbrauchsteuern zu verhindern, besteht eine solche Gefahr jedoch nicht.

79.

In der beim Gerichtshof anhängigen Rechtssache ECOTEX BULGARIA (C‑544/19) hat der Gerichtshof über die Frage zu entscheiden, ob nationale Steuervorschriften, die es natürlichen und juristischen Personen verbieten, im Inland Barzahlungen in Höhe eines Betrags zu tätigen, der einem festgesetzten Schwellenwert entspricht oder diesen übersteigt, und von ihnen unter Strafandrohung verlangen, sich anderer Zahlungsmittel zu bedienen, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

80.

Obwohl ich die Auffassung von Generalanwalt Richard de la Tour in der Rechtssache ECOTEX BULGARIA ( 46 ) teile, bin ich der Ansicht, dass die aus dieser Analyse gezogenen Schlussfolgerungen nicht auf das Ausgangsverfahren übertragbar sind. Zum einen fällt die in der Rechtssache ECOTEX BULGARIA in Rede stehende bulgarische Regelung im Gegensatz zu den lettischen Rechtsvorschriften nicht in einen durch das Unionsrecht harmonisierten Bereich. Zum anderen unterscheiden sich der rechtliche Kontext und die mit den bulgarischen Rechtsvorschriften verfolgten Ziele erheblich von den lettischen Rechtsvorschriften. Die bulgarischen Rechtsvorschriften sollen nämlich Praktiken der Steuerumgehung bekämpfen, die sich aus Situationen ergeben, in denen hohe Bargeldbeträge nicht in Buchhaltungsbelegen festgehalten werden und somit der Besteuerung und der Zahlung von Sozialbeiträgen entgehen ( 47 ). Der bulgarische Gesetzgeber schreibt daher die Verwendung von Zahlungsmitteln vor, die die Rückverfolgbarkeit von Finanztransaktionen gewährleisten, für die es keine anderen Nachweis- oder Kontrollmöglichkeiten gibt. Im Ausgangsverfahren sieht das Unionsrecht jedoch mit der Freistellungsbescheinigung einen besonderen Mechanismus für die Durchführung der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung vor, die geeignet ist, ein Beweismittel darzustellen, das grundsätzlich nicht nur die Durchführung eines Handelsgeschäfts bescheinigt, sondern auch dessen Rückverfolgbarkeit, um jede Form von Missbrauch und Betrug zu verhindern.

2. Eignung der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften zur Erreichung der mit ihnen verfolgten Ziele und ihre Erforderlichkeit

81.

Eine nationale Regelung ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann geeignet, die Erreichung der angeführten Zielsetzung zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen ( 48 ).

82.

Somit stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Freistellungsbescheinigung es für sich genommen ermöglicht, sowohl die mit den lettischen Rechtsvorschriften verfolgten Ziele als auch das mit Art. 12 der Richtlinie 2008/118 verfolgte Ziel, nämlich die Steuerbefreiung der betroffenen Empfänger, zu erreichen und dabei zugleich zu gewährleisten, dass es nicht zu Betrug und Missbrauch kommt. Ich weise vorab darauf hin, dass im Fall der Bejahung dieser Frage meines Erachtens jede nationale Regelung, die zusätzliche Voraussetzungen und Formalitäten vorschreibt, um den Erhalt der verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch die betreffenden Empfänger zu gewährleisten, ungerechtfertigt und unverhältnismäßig sein könnte. Sollte diese Bescheinigung jedoch eine legitime und nicht missbräuchliche Anwendung der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung nicht gewährleisten und insbesondere den Empfang der in Rede stehenden Waren durch die tatsächlichen Empfänger nicht sicherstellen können, so könnten zusätzliche Maßnahmen, wie sie im lettischen Recht vorgesehen sind, gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.

83.

Ich weise darauf hin, dass eine gezielte, speziell diese Thematik betreffende Frage an alle Verfahrensbeteiligten gerichtet wurde ( 49 ).

84.

In ihren Antworten auf diese Frage tragen die Klägerin und die Kommission vor, dass die Freistellungsbescheinigung alle Angaben enthalte, die erforderlich seien, um zu gewährleisten, dass es sich bei den Käufern der in Rede stehenden Waren tatsächlich um die in Art. 12 der Richtlinie 2008/118 genannten Personen handele.

85.

Hingegen haben die lettische und die spanische Regierung in ihren jeweiligen Antworten nicht erläutert, inwiefern das Erfordernis einer Zahlung mit unbaren Zahlungsmitteln zusätzliche Informationen liefern soll, die den Steuerbehörden auf der Grundlage der Freistellungsbescheinigung nicht zur Verfügung stehen. Diese Regierungen sind der Auffassung, dass die Zahlung mit unbaren Zahlungsmitteln es der Steuerverwaltung ermögliche, auf andere Art und Weise nachzuweisen, dass der Lieferer die Lieferung an einen bestimmten Empfänger, bei dem es sich im Allgemeinen um den Zahler handele, erbracht habe. So sei die Person, die die Zahlung erbringe, eindeutig identifiziert (durch ihren Namen, ihre Kontonummer oder ihre Bankkartennummer) und es werde bestätigt, dass diese Person der Empfänger der Waren sei und diesen Lieferer unmittelbar bezahlt habe.

86.

Es ist jedoch festzustellen, dass diese Angaben bereits in der Freistellungsbescheinigung enthalten sind und klar und eindeutig identifiziert werden können ( 50 ). So sind die Angaben zur Identität des Käufers und zum Gesamtpreis der Waren bereits in dieser Bescheinigung enthalten, ebenso wie die Menge der gekauften Waren, die Art und der Einzelpreis jeder Ware, die nicht durch einen einfachen Zahlungsnachweis ermittelt werden können. Daher bin ich ebenso wie die Kommission der Auffassung, dass die Informationen, die die Zahlung belegen, im vorliegenden Fall möglicherweise dazu dienen könnten, die Richtigkeit der in der Freistellungsbescheinigung enthaltenen Angaben durch einen Vergleich der beiden Informationsquellen zu überprüfen, dass sie aber keine zusätzlichen Angaben liefern.

87.

Ich bin daher der Ansicht, dass die Freistellungsbescheinigung allein aufgrund ihres Inhalts auf den ersten Blick geeignet ist, die Überprüfung der Einhaltung der in Art. 12 der Richtlinie 2008/118 festgelegten Befreiungsvoraussetzungen und der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele zu ermöglichen.

88.

In einem zweiten Schritt ist daher zu prüfen, ob die vom lettischen Gesetzgeber erlassenen zusätzlichen Maßnahmen im Rahmen der Durchführung der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung und unter Berücksichtigung des den Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessens gerechtfertigt sein könnten.

89.

Nach Ansicht der lettischen Regierung sind diese zusätzlichen Maßnahmen insbesondere durch die vom lettischen Gesetzgeber gewählte Art und Weise der Steuerbefreiung gerechtfertigt. Im Gegensatz zur Erstattung von Verbrauchsteuern, die es den Steuerbehörden ermögliche, sich zu vergewissern, dass diese Steuern an die diplomatischen und konsularischen Vertretungen erstattet worden seien, hätten die Steuerbehörden bei der Anwendung der Befreiung von diesen Steuern möglicherweise nicht die gleiche Kontrollmöglichkeit.

90.

Ich bin der Ansicht, dass die Antwort der lettischen Regierung Anlass zu folgenden Bemerkungen gibt.

91.

Erstens scheint die lettische Regierung nicht nur einzuräumen, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zusteht, sich für unterschiedliche Steuerbefreiungssysteme zu entscheiden, sondern auch die Tatsache, dass, wenn sich Lettland für das Modell der Erstattung der Verbrauchsteuern entschieden hätte, dieses Modell ihm grundsätzlich ermöglichen würde, das ordnungsgemäße Funktionieren der Befreiungsregelung sicherzustellen, ohne auf zusätzliche Maßnahmen zurückgreifen zu müssen. Meines Erachtens stellt dieses Eingeständnis auf den ersten Blick einen wichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass die lettischen Rechtsvorschriften möglicherweise ungerechtfertigt sind.

92.

Außerdem stelle ich fest, dass die Befreiung gemäß Art. 51 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 auch dann, wenn sie in Form einer Erstattung gewährt wird, auf der Grundlage derselben Freistellungsbescheinigung erfolgt, da diese dem an den betreffenden Mitgliedstaat übermittelten Erstattungsantrag ohne weitere Formalitäten beigefügt wird ( 51 ). Damit wird deutlich, dass Form und Inhalt der Freistellungsbescheinigung unter dem Gesichtspunkt der Steuerbefreiung unabhängig davon, ob diese gemäß dem System der Aussetzung der Verbrauchsteuer oder der Erstattung erfolgt, unverändert bleiben und dabei die gleiche Beweiskraft beibehalten.

93.

Auch wenn offensichtlich ist, dass der Aufnahmemitgliedstaat im Fall der Erstattung der Verbrauchsteuern über einen größeren Kontrollspielraum verfügt, da die Erstattung vor ihrer Durchführung grundsätzlich eine Kontrolle der Identität des Empfängers der Gelder voraussetzt, hat die lettische Regierung in ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen nichts vorgetragen, was belegen würde, dass die Freistellungsbescheinigung bei der Aussetzung der Verbrauchsteuer nicht die erforderliche Kontrolle ermöglichen würde, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Befreiungsregelung zu gewährleisten und sicherzustellen, dass es nicht zu Betrug und Missbrauch kommt, was zusätzliche Maßnahmen wie die vom lettischen Gesetzgeber eingeführten rechtfertigen würde.

94.

Zweitens stützt sich das von der lettischen Regierung zur Rechtfertigung der zusätzlichen Maßnahmen vorgebrachte Argument auf Art. 72 des Ministru kabineta noteikumi Nr. 908 „Kārtība, kādā piemēro pievienotās vērtības nodokļa 0 procentu likmi preču piegādēm UN pakalpojumiem, KAS sniegti diplomātiskajām UN konsulārajām pārstāvniecībām, starptautiskajām organizācijām, Eiropas Savienības institūcijām UN Ziemeļatlantijas līguma organizācijai (NATO), UN kārtība, kādā atmaksā akcīzes nodokli par Latvijas Republikā iegādātajām akcīzes precēm UN piemēro akcīzes nodokļa atbrīvojumu“ (Verordnung des Ministerrats Nr. 908 zur Festlegung der Modalitäten für die Anwendung eines Mehrwertsteuer-Nullsatzes auf die Lieferung von Waren und Dienstleistungen an diplomatische und konsularische Vertretungen, internationale Organisationen, Institutionen der Europäischen Union und die Nordatlantik-Vertragsorganisation [NATO] und der Modalitäten für die Erstattung der Verbrauchsteuern auf in der Republik Lettland erworbene verbrauchsteuerpflichtige Waren und die Anwendung der Verbrauchsteuerbefreiung) ( 52 ), wonach diplomatische und konsularische Vertretungen die Freistellungsbescheinigung ohne vorherige Genehmigung der lettischen Steuerbehörden für einen Zeitraum von höchstens 36 Monaten nutzen können ( 53 ).

95.

Die lettische Regierung erläutert jedoch nicht, inwiefern diese durch das innerstaatliche Recht gebotene Möglichkeit die Anwendung der Befreiungsregelung, z. B. durch ein erhöhtes Risiko von Betrug oder Missbrauch, genau beeinträchtigen könnte. Auch kann sie nicht erklären, warum in diesem Fall die Freistellungsbescheinigung für sich genommen nicht ausreichen soll, um die im lettischen Recht aufgestellten Voraussetzungen zu erfüllen. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass, wie in Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge erläutert, die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat darauf verzichtet, den Empfänger zu verpflichten, die Bescheinigung von seinen zuständigen Behörden abstempeln zu lassen, die von der Befreiung begünstigte diplomatische Mission oder konsularische Vertretung nicht von ihrer Verpflichtung freistellt, diese Bescheinigung auszufüllen und ihren Inhalt zu bescheinigen.

96.

Ferner ist festzustellen, dass die lettische Regierung, wenn sie der Ansicht ist, dass ein solcher Verzicht auf die Genehmigungspflicht geeignet sein könnte, das ordnungsgemäße Funktionieren der Befreiungsregelung zu gefährden, gemäß Art. 51 Abs. 2 der Richtlinie 282/2011, der die Möglichkeit vorsieht, diesen Verzicht im Falle von Missbrauch zu widerrufen, jederzeit beschließen kann, diese Maßnahme rückgängig zu machen.

97.

Drittens schließlich stelle ich fest, dass die lettische Regierung die ergriffenen Maßnahmen mit der Notwendigkeit rechtfertigt, eine effizientere Kontrolle durch die Zollbehörden zu gewährleisten. Hierzu wird vorgetragen, dass aufgrund der Unmöglichkeit, Kontrollmaßnahmen gegenüber diplomatischen und konsularischen Vertretungen zu ergreifen, eine solche Kontrolle nur in Bezug auf verbrauchsteuerpflichtige oder für die Anwendung der Befreiung von diesen Steuern verantwortliche Händler durchgeführt werden könne, insbesondere in dem Fall, in dem der oben genannte Verzicht auf die vorherige Genehmigung erteilt worden sei.

98.

Ich weise jedoch darauf hin, dass sowohl das Unionsrecht als auch das lettische Recht vorsehen, dass die Freistellungsbescheinigungen in zwei Exemplaren auszufertigen sind, von denen eine Ausfertigung vom Versender in seine Buchführung aufzunehmen ist. Da die in Rede stehende Freistellungsbescheinigung eine offizielle Bescheinigung über den Kauf und die tatsächliche Verwendung durch die betreffenden diplomatischen und konsularischen Vertretungen enthält, ermöglicht dies den lettischen Behörden jedoch, eine wirksame Kontrolle zu gewährleisten.

99.

Ich stelle ferner fest, dass der lettischen Regierung nach dem Unionsrecht mehrere Mittel zur Gestaltung ihrer Verbrauchsteuerbefreiungsregelung zur Verfügung stehen, darunter das in Nr. 96 der vorliegenden Schlussanträge angeführte, das darin besteht, bestimmte, diplomatischen und konsularischen Vertretungen gewährte Erleichterungen zu widerrufen, wenn die Regierung die Gefahr von Missbrauch oder Betrug vermutet. Insoweit weise ich darauf hin, dass weder die lettischen Steuerbehörden noch das vorlegende Gericht angegeben haben, dass Missbrauch oder Betrug seitens der Klägerin vorlag. Wie das vorlegende Gericht ausführt, stellt der VID somit weder in Frage, dass die in Rede stehenden Waren tatsächlich an die Botschaften und konsularischen Dienste geliefert wurden, noch im Übrigen dass die sonstigen Voraussetzungen der Richtlinie 2008/118 und des Verbrauchsteuergesetzes erfüllt waren.

D.   Anwendung der Verbrauchsteuerbefreiungsregelung im Einklang mit der Mehrwertsteuerbefreiungsregelung

100.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass dieselbe Freistellungsbescheinigung auch im Rahmen der in Art. 151 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiungsregelung verwendet wird.

101.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich der Mehrwertsteuer geht eine nationale Maßnahme, die das Recht auf Steuerbefreiung im Wesentlichen von der Einhaltung formeller Pflichten abhängig macht, ohne die materiellen Anforderungen zu berücksichtigen und insbesondere ohne in Betracht zu ziehen, ob diese erfüllt sind, über das hinaus, was erforderlich ist, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen ( 54 ).

102.

Wie die Kommission weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof diese Rechtsprechung auch im Bereich der Verbrauchsteuern in Bezug auf die Steuerbefreiung von Energieerzeugnissen angewandt hat ( 55 ). Daher können nach Auffassung des Gerichtshofs formelle Anforderungen der Gewährung der Steuerbefreiung nur dann entgegenstehen, wenn der Verstoß gegen diese formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden ( 56 ).

103.

Außerdem stelle ich fest, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer zwei Voraussetzungen vorliegen müssen, und zwar zum einen, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der in den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Bedingungen und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen, dass aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen lediglich ein Steuervorteil bezweckt wird ( 57 ). Überträgt man diese Erwägungen zum Bereich der Mehrwertsteuer auf das Ausgangsverfahren, so ergibt sich daraus auf der Grundlage der im Vorlagebeschluss enthaltenen Sachverhaltsschilderung, dass die tatsächlichen Empfänger der in Rede stehende Waren die diplomatischen und konsularischen Vertretungen waren und dass folglich der Steuerpflichtige/Lagerinhaber offenbar keinen Vorteil aus diesen Geschäften gezogen hat.

104.

Nach alledem bin ich der Auffassung, dass diese gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Mehrwertsteuerbefreiung im Ausgangsverfahren entsprechend anzuwenden ist, um eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts und die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2008/118 zu gewährleisten.

105.

Unter diesen Umständen und vorbehaltlich der Nachprüfungen, die das vorlegende Gericht vorzunehmen hat, um sich zu vergewissern, dass die im Ausgangsverfahren verwendete Freistellungsbescheinigung sowohl die Angaben, die erforderlich sind, um eine wirksame Kontrolle durch die lettischen Behörden zu ermöglichen, als auch die Bescheinigung des Inhalts der Freistellungsbescheinigung durch die betreffenden diplomatischen oder konsularischen Vertretungen enthält, geht eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende meines Erachtens über das hinaus, was erforderlich ist, um die Verhinderung von Missbrauch oder Betrug im Zusammenhang mit Verbrauchsteuern zu gewährleisten.

V. Ergebnis

106.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen der Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht, Lettland) wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG ist dahin auszulegen, dass er für die Gewährung der darin vorgesehenen Befreiung nicht voraussetzt, dass zur Verwendung im Rahmen diplomatischer und konsularischer Beziehungen bestimmte verbrauchsteuerpflichtige Waren mit unbaren Zahlungsmitteln bezahlt werden, dass die Zahlung an den Lieferer tatsächlich stattgefunden hat und dass sie durch die tatsächlichen Empfänger dieser Waren erfolgt ist, sofern der Nachweis der bestimmungsgemäßen Verwendung dieser Waren im Rahmen der diplomatischen oder konsularischen Beziehungen insbesondere auf der Grundlage der Freistellungsbescheinigung erbracht werden kann.

2.

Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der die Befreiung von der Verbrauchsteuer mit der Begründung versagt werden muss, dass der Käufer den Preis für die verbrauchsteuerpflichtigen Waren nicht tatsächlich mit unbaren Zahlungsmitteln gezahlt hat, ohne dass es möglich ist, auf der Grundlage insbesondere der Freistellungsbescheinigung nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Befreiung nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie erfüllt sind.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Die Richtlinie des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12).

( 3 ) United Nations Treaty Series, Bd. 500, S. 95.

( 4 ) United Nations Treaty Series, Bd. 596, S. 261.

( 5 ) Richtlinie des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. 1992, L 316, S. 21).

( 6 ) Richtlinie des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. 1992, L 316, S. 29).

( 7 ) Richtlinie des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. 1995, L 291, S. 40).

( 8 ) Richtlinie des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten (ABl. 1992, L 316, S. 8).

( 9 ) Richtlinie des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten (ABl. 1992, L 316, S. 10).

( 10 ) Durchführungsverordnung des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2011, L 77, S. 1).

( 11 ) Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

( 12 ) Latvijas Vēstnesis, 2003, Nr. 161.

( 13 ) Der in den vorliegenden Schlussanträgen verwendete Begriff „diplomatische und konsularische Vertretungen“ umfasst sowohl diplomatische und konsularische Vertretungen als auch internationale Einrichtungen und militärische Vertretungen in einem Mitgliedstaat.

( 14 ) Siehe dazu Nr. 83 der vorliegenden Schlussanträge.

( 15 ) Vgl. Urteil vom 26. März 2015, Litaksa (C‑556/13, EU:C:2015:202, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 16 ) Vgl. Erwägungsgründe 2, 8 und 10 der Richtlinie 2008/118.

( 17 ) Vgl. in diesem Sinne Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2008/118.

( 18 ) Vgl. in diesem Sinne Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118.

( 19 ) Vgl. in diesem Sinne Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 und Art. 51 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011.

( 20 ) Vgl. in diesem Sinne Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, Feld 1 der Freistellungsbescheinigung und Erläuterungen.

( 21 ) Vgl. in diesem Sinne Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, Feld 5 der Freistellungsbescheinigung und Erläuterungen.

( 22 ) Vgl. in diesem Sinne Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, Feld 3 der Freistellungsbescheinigung und Erläuterungen.

( 23 ) Vgl. in diesem Sinne Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, Feld 4 der Freistellungsbescheinigung und Erläuterungen.

( 24 ) Vgl. in diesem Sinne Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, Feld 6 der Freistellungsbescheinigung und Erläuterungen.

( 25 ) Vgl. z. B. die in Frankreich verwendete Freistellungsbescheinigung, abrufbar unter: https://www.diplomatie.gouv.fr/IMG/pdf/Certificat_d_exoneration_de_la_TVA_et_des_droits_d_accises_f1_cle41f1f4.pdf.

( 26 ) In den meisten Mitgliedstaaten ist die Protokollabteilung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten mit dieser Aufgabe betraut.

( 27 ) In Fällen, in denen die Befreiung eine im Aufnahmemitgliedstaat stationierte Militärmission betrifft.

( 28 ) Vgl. in diesem Sinne Art. 51 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 und Nr. 7 der Erläuterungen zu Anhang II der Durchführungsverordnung.

( 29 ) Ferner heißt es in den Erläuterungen zu Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, dass die Befreiungsbescheinigung in zwei Exemplaren auszufertigen ist: eine Ausfertigung für den Versender, während die zweite Ausfertigung die Bewegungen der der Verbrauchsteuer unterliegenden Produkte begleitet.

( 30 ) Vgl. in diesem Sinne Art. 51 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011.

( 31 ) Siehe dazu Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge.

( 32 ) Einige Mitgliedstaaten verlangen, dass die Freistellungsbescheinigung sowohl die Unterschrift des Missionsleiters (oder einer Person, der der Missionsleiter eine solche Befugnis übertragen hat) als auch das Dienstsiegel der diplomatischen Vertretung enthält. Vgl. z. B. die litauische Verbrauchsteuerbefreiungsregelung (https://urm.lt/default/en/value-added-tax-and-excise-duty-exemptions).

( 33 ) Der Mindestabnahmebetrag für die Befreiung von der Verbrauchsteuer oder der Mehrwertsteuer kann abhängig von den betroffenen Waren von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein. So wird er beispielsweise für die Republik Finnland auf 80 Euro je Geschäftsvorgang (https://www.vero.fi/en/detailed-guidance/guidance/48591/exemptions-from-excise-duties-diplomatic-missions-diplomats-consuls-international-organisations-and-institutions-of-the-european-union/), für das Großherzogtum Luxemburg auf zwischen 120 Euro und 240 Euro je Geschäftsvorgang (vgl. in diesem Sinne Art. 2 und Art. 4 Abs. 1 des Règlement grand-ducal du 7 février 2013 concernant les franchises et exonérations de la taxe sur la valeur ajoutée accordées aux missions diplomatiques et aux postes consulaires, ainsi qu’aux agents diplomatiques, aux fonctionnaires consulaires et aux agents de chancellerie [Großherzogliche Verordnung vom 7. Februar 2013 über Mehrwertsteuerermäßigungen und ‑befreiungen für diplomatische Vertretungen und konsularische Dienststellen, diplomatische Vertreter, konsularische Beamte und Kanzleibeamte, Memorial A 2013, Nr. 24, im Folgenden: Großherzogliche Verordnung]), und auf 250 Euro je Geschäftsvorgang für die Hellenische Republik (vgl. in diesem Sinne Art. 3 Buchst. h der Ministerialverfügung POL.1268/30.12.2011, in der durch die Ministerialverfügung A 1144/25.06.2021 [FEK B’ 2821/30-06-2021] geänderten Fassung) festgesetzt.

( 34 ) Vgl. z. B. im ungarischen Recht Art. 7 Abs. 1 des Egyes, az általános forgalmi adót és a jövedéki adót érintő kiváltságok, kedvezmények és mentességek érvényesítésének végrehajtásáról szóló 11/2010. (III. 31.) PM rendelet (Verordnung des Finanzministers Nr. 11/2010 (III. 31) über die Umsetzung bestimmter Vorrechte, Erleichterungen und Befreiungen in Bezug auf die Mehrwertsteuer und die Verbrauchsteuer), in der festgelegt ist, dass der Antrag auf Verbrauchsteuerrückerstattung zwischen dem 1. Januar und dem 30. September des auf den Erwerb der Waren, für die eine Befreiung von der Mehrwertsteuer oder der Verbrauchsteuer beantragt wird, folgenden Jahres gestellt werden muss.

( 35 ) Beispielsweise sieht die finnische Regelung einen besonderen Rahmen für die Verwendung von Alkohol vor, der von diplomatischen und konsularischen Vertretungen für amtliche Zwecke gekauft wird. So muss der Alkoholkonsum in den Räumlichkeiten dieser Einrichtungen stattfinden und darf nur einem bestimmten Gästekreis des Botschafters oder eines Mitglieds der diplomatischen oder konsularischen Vertretung unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden (vgl. in diesem Sinne https://www.vero.fi/en/detailed-guidance/guidance/48591/exemptions-from-excise-duties-diplomatic-missions-diplomats-consuls-international-organisations-and-institutions-of-the-european-union/).

( 36 ) Die Anzahl der Exemplare kann somit zwischen drei – so für das Großherzogtum Luxemburg (vgl. in diesem Sinne Art. 7 Abs. 1 der Großherzoglichen Verordnung) – und vier – so für die Französische Republik (vgl. in diesem Sinne die von der französischen Regierung ausgefertigte Freistellungsbescheinigung: https://www.diplomatie.gouv.fr/IMG/pdf/Certificat_d_exoneration_de_la_TVA_et_des_droits_d_accises_f1_cle41f1f4.pdf) – variieren.

( 37 ) Vgl. Urteile vom 18. Dezember 1997, Molenheide u. a. (C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96, EU:C:1997:623, Rn. 46), sowie vom 22. Oktober 2015, Impresa Edilux und SICEF (C‑425/14, EU:C:2015:721, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 38 ) Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Kommission/Portugal (C‑126/15, EU:C:2017:504, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 39 ) Vgl. Urteil vom 10. Juli 2008, Sosnowska (C‑25/07, EU:C:2008:395, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 40 ) Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Kommission/Portugal (C‑126/15, EU:C:2017:504, Rn. 59).

( 41 ) Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Kommission/Portugal (C‑126/15, EU:C:2017:504, Rn. 62).

( 42 ) Vgl. Urteil vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk (C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63).

( 43 ) Schlussanträge des Generalanwalts Richard de la Tour in der Rechtssache ECOTEX BULGARIA (C‑544/19, EU:C:2020:931).

( 44 ) Vgl. Urteil vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk (C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63, Rn. 72 bis 76).

( 45 ) Vgl. Urteil vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk (C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63, Rn. 77).

( 46 ) Schlussanträge des Generalanwalts Richard de la Tour in der Rechtssache ECOTEX BULGARIA (C‑544/19, EU:C:2020:931).

( 47 ) Vgl. Nr. 83 der Schlussanträge des Generalanwalts Richard de la Tour in der Rechtssache ECOTEX BULGARIA (C‑544/19, EU:C:2020:931).

( 48 ) Vgl. Urteile vom 25. April 2013, Jyske Bank Gibraltar (C‑212/11, EU:C:2013:270, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 19. Dezember 2018, Stanley International Betting und Stanleybet Malta (C‑375/17, EU:C:2018:1026, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 49 ) Der Gerichtshof hat die Parteien aufgefordert, die Frage zu beantworten, ob und inwieweit das Erfordernis einer Zahlung mit unbaren Zahlungsmitteln geeignet ist, der Verwaltung zusätzliche Informationen zu denjenigen zu liefern, die in der in Anhang II der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 definierten Bescheinigung enthalten und für die Überprüfung der Einhaltung der Voraussetzungen für die Verbrauchsteuerbefreiung erforderlich sind.

( 50 ) Siehe hierzu die Beschreibung der Freistellungsbescheinigung in Nr. 46 der vorliegenden Schlussanträge.

( 51 ) In Anbetracht des Ermessens, über das die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Befreiungsregelung verfügen, können einige von ihnen verlangen, dass der Freistellungsbescheinigung bei der Beantragung der Erstattung Rechnungen oder andere Unterlagen zum Nachweis des Kaufs der betreffenden Waren beigefügt werden.

( 52 ) Latvijas Vēstnesis, 2012, Nr. 203.

( 53 ) Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob das auf diese Verordnung gestützte Vorbringen der lettischen Regierung stichhaltig ist.

( 54 ) Vgl. Urteil vom 27. September 2007, Collée (C‑146/05, EU:C:2007:549, Rn. 29).

( 55 ) Vgl. Urteil vom 2. Juni 2016, Polihim-SS (C‑355/14, EU:C:2016:403, Rn. 62).

( 56 ) Vgl. Urteil vom 27. September 2007, Collée (C‑146/05, EU:C:2007:549, Rn. 31).

( 57 ) Vgl. Urteil vom 10. Juli 2019, Kuršu zeme (C‑273/18, EU:C:2019:588, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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