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Document 62019CC0667

Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 9. Juli 2020.
A.M. gegen E.M.
Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Warszawie XXIII Wydzial Gospodarczy Odwolawczy.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Kosmetische Mittel – Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 – Art. 19 – Informationen für die Verbraucher – Kennzeichnung – Auf den Behältnissen und Verpackungen der Mittel anzubringende Angaben – Kennzeichnung in einer Fremdsprache – ‚Verwendungszweck des kosmetischen Mittels‘ – Begriff – Verpackung kosmetischer Mittel mit einem Verweis auf einen in der Sprache des Verbrauchers verfassten umfassenden Produktkatalog.
Rechtssache C-667/19.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:554

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 9. Juli 2020 ( 1 )

Rechtssache C‑667/19

A.M.

gegen

E.M.

(Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Warszawie [Bezirksgericht Warschau, Polen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Kosmetische Mittel – Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 – Art. 19 – Informationen für die Verbraucher – Kennzeichnung – Auf den Behältnissen und Verpackungen anzubringende Angaben – Verwendungszweck des kosmetischen Mittels – Schutz der menschlichen Gesundheit – Angaben auf einem dem kosmetischen Mittel beigepackten oder an ihm befestigten Zettel, Etikett, Papierstreifen, Anhänger oder Kärtchen – Kennzeichnung in einer Fremdsprache – Verpackung kosmetischer Mittel mit einem Verweis auf einen in der Sprache des Verbrauchers verfassten Produktkatalog“

1.

Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen fragt das vorlegende Gericht nach der Auslegung von Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 ( 2 ) über die Kennzeichnung kosmetischer Mittel.

2.

Insbesondere sind zwei Fragen umstritten:

erstens die Frage, was unter dem Begriff „Verwendungszweck des kosmetischen Mittels“ als Hinweis, der auf dem Behältnis und der Verpackung des auf dem Markt bereitgestellten kosmetischen Mittels anzubringen ist, zu verstehen ist, und

zweitens die Frage, ob es möglich ist, dass bestimmte, ebenfalls obligatorische Informationen für den Verbraucher nur in einem Katalog des Herstellerunternehmens angegeben werden, der nicht immer zusammen mit dem erworbenen kosmetischen Mittel übergeben wird.

3.

Der Gerichtshof hatte bisher Gelegenheit, sich zu anderen Artikeln der Verordnung Nr. 1223/2009 zu äußern ( 3 ), nicht jedoch – vorbehaltlich eines Irrtums meinerseits – zu den spezifischen Anforderungen ihres Art. 19 Abs. 1 und 2.

4.

Mit der Verordnung Nr. 1223/2009 wurden die Richtlinien, die bis dahin den Bereich geregelt hatten ( 4 ), neu gefasst. Die Rechtsprechung zu den in diesen Richtlinien ( 5 ) enthaltenen Kennzeichnungsvorschriften liefert einige nützliche Hinweise für die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht. Verordnung Nr. 1223/2009

5.

Art. 1 („Gegenstand und Zielsetzung“) lautet:

„Mit dieser Verordnung werden Regeln aufgestellt, die jedes auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel erfüllen muss, um das Funktionieren des Binnenmarktes und ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten.“

6.

In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Abs. 1 heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)

‚kosmetisches Mittel‘: Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen;

…“

7.

Art. 3 („Sicherheit“) legt fest:

„Die auf dem Markt bereitgestellten kosmetischen Mittel müssen bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung für die menschliche Gesundheit sicher sein, insbesondere unter Berücksichtigung folgender Punkte:

a)

Aufmachung …;

b)

Kennzeichnung;

…“

8.

Art. 19 („Kennzeichnung“) bestimmt:

„(1)   Unbeschadet der anderen Bestimmungen dieses Artikels dürfen kosmetische Mittel nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn die Behältnisse und Verpackungen kosmetischer Mittel unverwischbar, leicht lesbar und deutlich sichtbar folgende Angaben tragen:

d)

die besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch, mindestens die in den Anhängen III bis VI aufgeführten Angaben und etwaige besondere Vorsichtshinweise bei kosmetischen Mitteln, die zum gewerblichen Gebrauch bestimmt sind;

f)

der Verwendungszweck des kosmetischen Mittels, sofern dieser sich nicht aus der Aufmachung dessen ergibt;

g)

eine Liste der Bestandteile. Diese Angabe braucht nur auf der Verpackung zu erscheinen. Die Liste trägt die Überschrift ‚Ingredients‘.

(2)   Wenn es aus praktischen Gründen nicht möglich ist, die in Absatz 1 Buchstaben d und g genannten Angaben wie vorgesehen auf dem Etikett zu kennzeichnen, gilt Folgendes:

Die Angaben müssen auf einem dem kosmetischen Mittel beigepackten oder an ihm befestigten Zettel, Etikett, Papierstreifen, Anhänger oder Kärtchen aufgeführt werden.

Auf diese Angaben ist, außer wenn dies aus praktischen Gründen nicht möglich ist, durch abgekürzte Informationen oder das in Anhang VII Nummer 1 dargestellte Symbol hinzuweisen, das auf dem Behältnis oder der Verpackung für die in Absatz 1 Buchstabe d genannten Angaben und auf der Verpackung für die in Absatz 1 Buchstabe g genannten Angaben erscheinen muss.

(5)   Die Sprache, in der die in Absatz 1 Buchstaben b, c, d und f sowie in den Absätzen 2, 3 und 4 genannten Angaben abgefasst werden, richtet sich nach dem Recht der Mitgliedstaaten, in denen das kosmetische Mittel für die Endverbraucher bereitgestellt wird.

…“

9.

In Art. 20 („Werbeaussagen“) heißt es:

„(1)   Bei der Kennzeichnung, der Bereitstellung auf dem Markt und der Werbung für kosmetische Mittel dürfen keine Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet werden, die Merkmale oder Funktionen vortäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen.

…“

10.

Anhang VII („Auf Verpackungen/Behältern verwendete Symbole“) sieht vor:

„(1) Verweis auf die beiliegenden oder am Produkt befestigten Informationen

Image

…“

B.   Polnisches Recht. Ustawa o kosmetykach z dnia 30 marca 2001 r. (Gesetz über Kosmetika vom 30. März 2001)

11.

Die verschiedenen Absätze von Art. 6 enthalten folgende Bestimmungen:

Die Einzelverpackung eines kosmetischen Mittels ist deutlich und lesbar mit einer Kennzeichnung zu versehen, die nicht leicht entfernt werden kann (Abs. 1).

Nach Abs. 2 muss als allgemeine Regel die Kennzeichnung der Einzelverpackung des kosmetischen Mittels auf dem Behältnis und auf der äußeren Einzelverpackung u. a. folgende Angaben enthalten:

die besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch des kosmetischen Mittels, wenn dieses entsprechend seiner Zweckbestimmung zum gewerblichen Gebrauch bestimmt ist, sowie sonstige notwendige Vorsichtsmaßnahmen;

den Verwendungszweck des kosmetischen Mittels, sofern dieser sich nicht eindeutig aus der Aufmachung ergibt;

eine Liste der gemäß den Bezeichnungen der Internationalen Nomenklatur für kosmetische Inhaltsstoffe (INCI) definierten Bestandteile, die die Überschrift „Ingredients“ trägt und genaue Angaben dazu enthält, wie die Bestandteile entsprechend ihrer Konzentration und Art aufgeführt sind.

Die Liste der Bestandteile braucht nur auf der äußeren Einzelverpackung des kosmetischen Mittels zu erscheinen (Abs. 4).

Wenn es aufgrund der Größe oder der Form der Verpackung nicht möglich ist, die Informationen zu besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch des Produkts und zur Liste der Bestandteile auf der äußeren Einzelverpackung anzubringen, können die Angaben auf einem dem kosmetischen Mittel beigepackten oder an ihm befestigten Zettel, Etikett, Papierstreifen oder Kärtchen aufgeführt werden. In einem solchen Fall ist auf dem Behältnis oder der äußeren Einzelverpackung durch abgekürzte Informationen oder ein Symbol darauf hinzuweisen, dass diese Informationen dem Produkt beigepackt bzw. an ihm befestigt sind (Abs. 6).

Wenn es aufgrund der Größe oder der Form der Verpackung nicht möglich ist, die Angaben zur Liste der Bestandteile auf einem dem kosmetischen Mittel beigepackten oder an ihm befestigten Zettel, Etikett, Papierstreifen oder Kärtchen anzubringen, sind diese direkt auf dem Behältnis oder an dem Ort, an dem das kosmetische Mittel zum Verkauf angeboten wird, für den Käufer zugänglich aufzuführen (Abs. 7).

II. Sachverhalt und Vorlagefragen

12.

Die Inhaberin eines Schönheitssalons, A.M., unterhält Geschäftsbeziehungen zu E.M., die Kosmetika eines US‑amerikanischen Herstellers vertreibt.

13.

Im Laufe dieser Geschäftsbeziehungen erhielt A.M. eine von E.M. durchgeführte Schulung über die Produkte und ihre Kennzeichnung ( 6 ).

14.

Infolge der Schulung kaufte A.M. am 28. und am 29. Januar 2016 von E.M. 40 Stück Einzelhandelskataloge, 10 Stück Kataloge sowie verschiedene kosmetische Mittel (Cremes, Masken und Puder) ( 7 ).

15.

Auf den Verpackungen der erworbenen Produkte waren die verantwortliche Person, der Originalname des Produkts, die Zusammensetzung, das Verfallsdatum sowie die Seriennummer genannt und das grafische Symbol „Hand mit Buch“ als Verweis auf den Katalog abgebildet.

16.

A.M. beantragte beim Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy w Warszawie (Rayongericht Warschau, Polen) die Auflösung des Kaufvertrags wegen Mängeln der verkauften Sache. Sie machte geltend, auf den Verpackungen sei der Verwendungszweck des kosmetischen Mittels nicht in polnischer Sprache angegeben, weshalb es unmöglich sei, den Verwendungszweck und die Wirkungsweise zu erkennen. Die Informationen seien auch aus der Aufmachung nicht eindeutig ersichtlich. Dies verstoße gegen die in Polen geltenden Vorschriften über den Handel mit kosmetischen Mitteln, die den Bestimmungen aus Art. 19 der Verordnung Nr. 1223/2009 entsprächen.

17.

E.M. trat der Klage entgegen und machte geltend, die Produkte seien gemäß den geltenden nationalen Vorschriften gekennzeichnet, nämlich mit dem Symbol „Hand mit Buch“, das auf einen Katalog, der jedem Produkt beigefügt werde, verweise. Der Katalog enthalte in polnischer Sprache eine vollständige Bezeichnung der Produkte und ihrer Verwendungszwecke sowie Angaben zu Gegenanzeigen und der Art ihrer Anwendung sowie zu ihren Bestandteilen. Es läge somit kein Verstoß gegen Art. 19 der Verordnung Nr. 1223/2009 vor.

18.

Der Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy w Warszawie (Rayongericht Warschau) wies die Klage in Anwendung der Bestimmungen des polnischen Zivilgesetzbuchs ( 8 ) über die Haftung bei Warenmängeln ab ( 9 ).

19.

A.M. legte gegen dieses Urteil beim Sąd Okręgowy w Warszawie (Bezirksgericht Warschau, Polen) Berufung ein. Sie macht geltend, das erstinstanzliche Gericht habe die Beweismittel zu den bereitgestellten Informationen falsch gewürdigt und weist darauf hin, dass auf den Verpackungen Informationen in polnischer Sprache über den Verwendungszweck der kosmetischen Mittel gefehlt hätten. Der Verweis auf den (käuflich zu erwerbenden) Katalog sei unzureichend, und es sei nicht unmöglich gewesen, diese Informationen für jedes der Produkte bereitzustellen.

20.

Das Gericht, das über die Berufung zu entscheiden hat, fragt erstens nach dem Umfang von Art. 19 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1223/2009. Seine Zweifel betreffen den Grad der Genauigkeit der Kennzeichnung auf dem Behältnis und der Verpackung der kosmetischen Mittel, ihren Verwendungszweck und die Pflicht, bei importierten Produkten die Informationen zum Verwendungszweck in der Sprache des Verbrauchers anzugeben.

21.

Zweitens fragt das vorlegende Gericht nach der Auslegung von Art. 19 Abs. 2 in Verbindung mit dem 46. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1223/2009. Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Pflicht zur Anbringung bestimmter Angaben auf dem Behältnis und der Verpackung der kosmetischen Mittel erfüllt ist, wenn ein Symbol gemäß Anhang VII Nr. 1 der Verordnung abgebildet wird und die Angaben in nicht zusammen mit dem Produkt gelieferten Katalogen des Herstellers genannt werden.

22.

Vor diesem Hintergrund legt der Sąd Okręgowy w Warszawie (Bezirksgericht Warschau) dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.

Ist Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009, soweit er regelt, dass sich auf Behältnissen und Verpackungen kosmetischer Mittel unverwischbar, leicht lesbar und deutlich sichtbar Angaben über den Verwendungszweck des kosmetischen Mittels befinden müssen, sofern dieser sich nicht aus dessen Aufmachung ergibt, dahin auszulegen, dass damit die grundlegenden Verwendungszwecke eines kosmetischen Mittels im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung, d. h. der Reinigungszweck (zu reinigen), der Pflege- und Schutzzweck (in gutem Zustand zu halten), die Beeinflussung des Geruchs und der Verschönerungszweck (Aussehen zu verändern), gemeint sind, oder sind detailliertere Verwendungszwecke anzugeben, die eine Bestimmung der Eigenschaften des jeweiligen kosmetischen Mittels ermöglichen?

2.

Sind Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 sowie der 46. Erwägungsgrund dieser Verordnung dahin auszulegen, dass es möglich ist, Informationen, von denen in Abs. 1 Buchst. d, g und f dieser Bestimmung die Rede ist, d. h. Vorsichtsmaßnahmen, Bestandteile und Verwendungszwecke, in einem auch andere Produkte umfassenden Firmenkatalog anzugeben und auf der Verpackung das in Anhang VII Nr. 1 bestimmte Symbol zu verwenden?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

23.

Der Vorlagebeschluss ist am 1. September 2019 beim Gerichtshof eingegangen.

24.

A.M., die belgische, die dänische, die griechische, die litauische, die niederländische und die polnische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht für erforderlich erachtet worden.

IV. Würdigung

A.   Erste Vorlagefrage

25.

Im Mittelpunkt der Debatte steht die Frage, ob Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009 dahin auszulegen ist, dass die Pflicht zur Angabe des „Verwendungszwecks“ auf den Behältnissen ( 10 ) oder Verpackungen ( 11 ) der kosmetischen Mittel

nur verlangt, dass als ein solcher Verwendungszweck eine der Zweckbestimmungen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung ( 12 ) genannt wird, oder

ob detailliertere Verwendungszwecke anzugeben sind, die dem Verbraucher eine Bestimmung der grundlegenden Merkmale oder Eigenschaften des jeweiligen kosmetischen Mittels ermöglichen.

1. Verwendungszweck des Mittels und im Begriff „kosmetisches Mittel“ enthaltene Zweckbestimmungen

26.

Nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009 dürfen kosmetische Mittel „nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn die Behältnisse und Verpackungen kosmetischer Mittel unverwischbar, leicht lesbar und deutlich sichtbar folgende Angaben tragen: … der Verwendungszweck des kosmetischen Mittels, sofern dieser sich nicht aus der Aufmachung dessen ergibt“ ( 13 ).

27.

Ebenso wenig wie in Art. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 wird in Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Begriff „Verwendungszweck des kosmetischen Mittels“ definiert. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung verweist im Rahmen der Erläuterung dessen, was ein „kosmetisches Mittel“ ist, allgemein auf dessen „Zweck“.

28.

Der Zweck ist einer der Gesichtspunkte, die die Rechtsprechung verwendet, um den Begriff „kosmetisches Mittel“ abzugrenzen. Der Gerichtshof hat diesen Begriff aufgespalten und „drei Kriterien [herausgearbeitet], die kumulativ erfüllt sein müssen, und zwar erstens [die] Art des in Rede stehenden Mittels (Stoff oder Gemisch), zweitens [der] Teil des menschlichen Körpers, mit dem das Mittel in Berührung kommen soll, und drittens [der] Zweck, der mit der Verwendung des Mittels verfolgt wird“ ( 14 ).

29.

Das Fehlen einer genauen Definition des Begriffs „Verwendungszweck des Mittels“ veranlasst das vorlegende Gericht, eine Übereinstimmung zwischen „Zweckbestimmung des Mittels“ und „Verwendungszweck des Mittels“ anzudeuten ( 15 ).

30.

Da der Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009 nicht eindeutig ist, sind jedoch nicht nur dieser Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der der Artikel gehört, verfolgt werden ( 16 ).

31.

Art. 19 der Verordnung Nr. 1223/2009 steht am Anfang von deren Kapitel VI („Informationen für die Verbraucher“) und fasst die Bestimmungen für die Kennzeichnung zusammen, die alle in der Union frei vermarkteten kosmetischen Mittel erfüllen müssen, damit die Käufer die erforderlichen Informationen erhalten.

32.

Aus Art. 1 in Verbindung mit dem dritten und dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1223/2009 ergibt sich, dass wie in der Vorgängerregelung die in der Union geltenden Rechtsvorschriften umfassend harmonisiert werden sollen, um zu einem Binnenmarkt für kosmetische Mittel zu gelangen und zugleich ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten ( 17 ).

33.

In Art. 3 der Verordnung Nr. 1223/2009 ist der Schutz der menschlichen Gesundheit verankert. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b regelt die Aufmachung und Kennzeichnung eines kosmetischen Mittels unter Berücksichtigung der Sicherheit für die menschliche Gesundheit.

34.

Es besteht somit ein Zusammenhang zwischen dem Ziel, die sichere Verwendung dieser Mittel zu gewährleisten, und den Anforderungen an ihre Aufmachung und Kennzeichnung.

35.

Art. 19 der Verordnung Nr. 1223/2009 ist aus dieser doppelten Perspektive auszulegen. Die Bestimmungen über die Verpackung und Kennzeichnung von kosmetischen Mitteln

fördern deren freie Vermarktung innerhalb der Union und ermöglichen es den Verbrauchern, ihre Kaufentscheidungen auf einem Markt zu treffen, der durch ein breites Angebot an Produkten und Alternativen gekennzeichnet ist;

verfolgen gleichzeitig das Ziel, die menschliche Gesundheit zu schützen, da diese durch eine unangemessene oder irreführende Information über die Eigenschaften der auf dem Markt bereitgestellten kosmetischen Mittel gefährdet werden kann ( 18 ).

36.

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1223/2009, der sich auf die (allgemeinen) Zweckbestimmungen der kosmetischen Mittel bezieht, verfolgt hingegen ein anderes Ziel. Mit dieser Bestimmung sollen die kosmetischen Mittel von anderen, mehr oder weniger vergleichbaren Produkten (Arzneimittel, Medizinprodukte), die nicht in ihren Geltungsbereich fallen, abgegrenzt werden. Insofern ist der sechste Erwägungsgrund eindeutig ( 19 ).

37.

Die Kommission, mit der ich insoweit übereinstimme, hebt hervor, dass die Beispiele aus dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1223/2009 ( 20 ) nützlich seien, um den Begriff des kosmetischen Mittels zu umreißen und kosmetische Mittel von anderen Produkten, denen entsprechende Eigenschaften fehlten, zu unterscheiden.

38.

Folglich sind die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1223/2009 aufgeführten Zweckbestimmungen nicht mit dem „Verwendungszweck des kosmetischen Mittels“ im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung gleichzusetzen. Jeder dieser Artikel dient seinen eigenen Zielen, die nicht identisch sind.

39.

Dies wird meiner Ansicht nach bei einer Analyse der Entstehungsgeschichte von Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009 bestätigt.

40.

Der ursprüngliche Wortlaut der Richtlinie 76/768 sah keine Pflicht zur Angabe des Verwendungszwecks des kosmetischen Mittels auf der Verpackung oder auf den Behältnissen vor. Diese Pflicht wurde erstmals mit der Richtlinie 93/35 in der Weise eingeführt, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 76/768 ein Buchst. f angefügt wurde, der die Pflicht zur Angabe des Verwendungszwecks des kosmetischen Mittels auf dem Behältnis und der Verpackung des kosmetischen Mittels vorsieht, sofern sich der Verwendungszweck nicht aus der Aufmachung ergibt.

41.

In der Begründung der Richtlinie 93/35 heißt es: „Es ist eine größere Transparenz nötig …, [um] den Verbraucher besser zu informieren. Die Transparenz sollte durch Deklaration des Verwendungszweckes des Erzeugnisses … erreicht werden.“

42.

Ziel der Neufassung war somit nicht die Definition eines Produkts als kosmetisches Mittel (die von Anfang an auf seiner Zweckbestimmung beruhte), sondern die Bereitstellung detaillierter Informationen für den Verbraucher ( 21 ).

2. „Verwendungszweck des Mittels“ und „Werbeaussagen“

43.

Aus einem anderen Blickwinkel könnte geprüft werden, ob der „Verwendungszweck des Mittels“ im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009 mit den „Werbeaussagen“ im Sinne von Art. 20 dieser Verordnung ( 22 ) gleichgesetzt werden kann.

44.

Nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 hat die Kommission „gemäß dem in Artikel 32 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle und unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG eine Liste gemeinsamer Kriterien für Werbeaussagen [erstellen], die im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln verwendet werden dürfen“.

45.

Diese Werbeaussagen sind nun in der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 geregelt ( 23 ). Nach deren zweitem Erwägungsgrund dienen „Werbeaussagen zu kosmetischen Mitteln … hauptsächlich zur Information der Endverbraucher über die Eigenschaften und qualitativen Merkmale der Produkte. Sie sind wesentliche Instrumente zur Unterscheidung zwischen den Produkten. Zudem regen sie Innovationen an und fördern den Wettbewerb.“

46.

Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 deckt einen sehr weiten Bereich ab:

Der Artikel gilt nicht nur für die Kennzeichnung, sondern auch für die Bereitstellung auf dem Markt und die Werbung für kosmetische Mittel.

Er ist nicht auf Texte beschränkt, sondern gilt auch für Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere Zeichen, gleich ob bildhaft oder nicht.

In Bezug auf das Verbot, „Merkmale oder Funktionen“ vorzutäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen, wird darin der Begriff „Funktionen“ im Plural verwendet.

47.

Die „Werbeaussagen“ im Sinne des Art. 20 liefern eine größere Menge an Informationen („Merkmale oder Funktionen“) und sind daher nicht zwingend mit dem „Verwendungszweck des Mittels“ (im Singular) gemäß Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009 gleichzusetzen.

3. Verwendungszweck des Mittels

48.

Meines Erachtens ist es Ziel von Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1223/2009, dass auf dem Behältnis und der Verpackung der wichtigste „Verwendungszweck“ angegeben wird, d. h. der Verwendungszweck, der es dem Verbraucher ermöglicht, auf den ersten Blick festzustellen, wozu das kosmetische Mittel konkret dient, ohne seine Gesundheit zu gefährden.

49.

Diese Auslegung wird dadurch gestützt, dass die Beschreibung des Verwendungszwecks des kosmetischen Mittels entfallen kann, „sofern dieser sich … aus der Aufmachung dessen ergibt“. Wenn der Verbraucher den wesentlichen Verwendungszweck durch die bloße Aufmachung des Produkts eindeutig erkennen kann, ist es nicht mehr zwingend erforderlich, diesen auf dem Behältnis oder der Verpackung anzugeben ( 24 ).

50.

Bei einer solchen Auslegung wäre der Begriff „Verwendungszweck“ auf halbem Weg zwischen den reinen Zweckbestimmungen aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1223/2009 und den weiter gefassten Werbeaussagen des Art. 20 einzuordnen:

Der Begriff kann nicht auf die Angabe beschränkt werden, ob das Produkt reinigt, parfümiert, das Aussehen verändert, schützt, in gutem Zustand hält oder den Körpergeruch beeinflusst, da diese allgemeinen Zweckbestimmungen der kosmetischen Mittel, mit denen diese sich von anderen, mehr oder weniger vergleichbaren Produkten unterscheiden, für den Verbraucher nur einen geringen Informationsgehalt aufweisen.

Der Begriff verlangt jedoch auch nicht, dass alle Merkmale und Eigenschaften (Werbeaussagen) des kosmetischen Mittels angegeben werden, da es unter dem Gesichtspunkt der Funktionalität übertrieben wäre, diese auf dem Behältnis und der Verpackung anzugeben.

51.

Die Angabe des „Verwendungszwecks des kosmetischen Mittels“ im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung auf dem Behältnis oder der Verpackung ist, wie ich hier noch einmal wiederholen möchte, als Angabe des oder der wesentlichen Merkmale zu verstehen, anhand deren der Verbraucher den Hauptnutzen des Produkts erkennen kann. Auf diese Weise ist der Verbraucher in der Lage, aus einem breiten Angebot an kosmetischen Mitteln in Kenntnis aller Umstände das Produkt auszuwählen, das seinen Bedürfnissen am besten entspricht, ohne dabei einem Irrtum zu unterliegen und ohne dass sich diese Wahl negativ auf seine Gesundheit auswirkt.

52.

Wie bereits erwähnt, schreibt Art. 19 der Verordnung vor, dass die Behältnisse und Verpackungen unverwischbar, leicht lesbar und deutlich sichtbar eine Vielzahl von Angaben tragen (Abs. 1). Aus praktischen Gründen werden jedoch für einige dieser Angaben (die in Abs. 1 Buchst. d und g genannt werden und besondere Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch und die Liste der Bestandteile betreffen) andere Möglichkeiten eingeräumt (Abs. 2).

53.

Es ist bezeichnend, dass der Hinweis auf den „Verwendungszweck“ nicht zu den Angaben gehört, für die eine Ausnahme von der Pflicht zur Angabe auf dem Behältnis und der Verpackung besteht ( 25 ). Der Verwendungszweck ist (mit Ausnahme der oben genannten Fälle) auf jeden Fall obligatorisch auf dem Behältnis und der Verpackung anzugeben.

54.

Aufgrund der Vielfalt der kosmetischen Mittel, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1223/2009 fallen, ist es nicht möglich, von vornherein festzulegen, wie der Verwendungszweck auf dem Behältnis und der Verpackung anzugeben ist. Es steht den Herstellern frei, die Angaben so anzubringen, wie es am besten zu ihrer Geschäftsstrategie passt.

55.

Ich bin jedoch der Auffassung, dass bei der Angabe des „Verwendungszwecks“ auf dem Behältnis und auf der Verpackung aus praktischen Gründen und um dem Ziel von Art. 19 der Verordnung Nr. 1223/2009 zu entsprechen eine einfache Beschreibung verwendet werden sollte, so dass der Verbraucher die Art des Produkts auf einen Blick leicht erkennen kann.

56.

Es ist außerdem auf die Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ( 26 ). Die Wahrnehmung eines solchen Verbrauchers berücksichtigt eine „normal[e] oder vernünftigerweise vorhersehbar[e] Verwendung“, wie es in Art. 3 der Verordnung Nr. 1223/2009 in Bezug auf eine für die menschliche Gesundheit sichere Bereitstellung auf dem Markt heißt.

57.

Auf jeden Fall sind die Merkmale und Eigenschaften des jeweiligen Produkts von wesentlicher Bedeutung, um sicherzustellen, dass der Verbraucher auch genau weiß, was er im jeweiligen Fall kauft. Obwohl es ausnahmsweise zulässig ist, dass der Verwendungszweck des kosmetischen Mittels auf den Behältnissen und Verpackungen nicht angegeben wird, wenn dieser sich aus der Aufmachung ergibt ( 27 ), ist diese Angabe in allen anderen Fällen, wie ich hier noch einmal betonen möchte, zwingend erforderlich.

58.

Letztendlich hängt alles davon ab, inwieweit der Hersteller in der Lage ist, den wesentlichen Verwendungszweck des Produkts in wenigen Worten zusammenzufassen und so zu verhindern, dass der Käufer einem Irrtum unterliegt und seine Gesundheit gefährdet, indem er kosmetische Mittel, deren Eigenschaften ihm unbekannt sind, anwendet (oder sogar einnimmt).

59.

Ich möchte hinzufügen, dass Art. 19 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1223/2009 die für die Kennzeichnung zu verwendende Sprache regelt. Zweck dieser Regelung ist es, sicherzustellen, dass die Verbraucher in dem Mitgliedstaat, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird, verständliche Informationen über seinen Verwendungszweck erhalten.

60.

Zwar führen die sprachlichen Anforderungen und die daraus resultierende Notwendigkeit, die Angaben auf dem Behältnis und der Verpackung anzupassen, zu einer „Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels“. Diese Beeinträchtigung ist jedoch „durch den Schutz der Volksgesundheit gerechtfertigt, der ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel darstellt“ ( 28 ).

61.

Folglich ist der „Verwendungszweck des Mittels“ auf dem Behältnis und auf der Verpackung in der Sprache anzugeben, die das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird, vorschreibt. Dabei sind die Kosten und die durch die Übersetzung oder Neukennzeichnung von importierten kosmetischen Mitteln bedingten Schwierigkeiten irrelevant.

B.   Zweite Vorlagefrage

62.

Wie ich bereits mehrmals erwähnt habe, sieht Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1223/2009 vor, dass die darin genannten Angaben ( 29 ) grundsätzlich auf dem Behältnis und der Verpackung anzubringen sind.

63.

In Übereinstimmung mit dem 46. Erwägungsgrund ( 30 ) lässt Art. 19 Abs. 2 jedoch die Ausnahme ( 31 ) zu, dass die Angaben zu Bestandteilen und bestimmten besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch (Abs. 1 Buchst. d und g) außerhalb des Behältnisses und der Verpackung angebracht werden.

64.

In diesen beiden Fällen ( 32 ) sind die entsprechenden Angaben „auf einem dem kosmetischen Mittel beigepackten oder an ihm befestigten Zettel, Etikett, Papierstreifen, Anhänger oder Kärtchen“ aufzuführen ( 33 ).

65.

Grundsätzliche Voraussetzung für die Anwendung dieser Ausnahmeregelung ist, dass „es aus praktischen Gründen nicht möglich ist, die in Absatz 1 Buchstaben d und g genannten Angaben wie vorgesehen auf dem Etikett zu kennzeichnen“. Ist diese Voraussetzung gegeben, lässt die Bestimmung zu, dass die Angaben auf einem der anderen, oben genannten Informationsträger angebracht werden ( 34 ).

66.

Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, nach Feststellung des Sachverhalts, den es besser beurteilen kann, zu entscheiden, ob es mit den vorstehenden Bestimmungen vereinbar ist, wenn die Angaben in einem in polnischer Sprache verfassten Katalog erscheinen.

67.

Ich stimme mit den an dem Verfahren beteiligten Regierungen sowie mit A.M. und der Kommission überein, dass alles darauf hindeutet, dass ein solcher Katalog die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 nicht erfüllt.

68.

Es gibt mehrere Argumente, die diese Beurteilung stützen.

69.

Erstens ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Angabe „aus praktischen Gründen nicht möglich“, wenn unüberwindliche technische Schwierigkeiten vorliegen, die beispielsweise durch die Größe der Behältnisse oder Verpackungen bedingt sind ( 35 ). Das vorlegende Gericht hingegen führt im vorliegenden Fall organisatorische und finanzielle Probleme an, die sich daraus ergeben, dass die kosmetischen Mittel importiert sind, und die mit der Übersetzung der Angaben und der Neukennzeichnung zusammenhängen.

70.

Ein weiterer Beweis dafür, dass hier keine Unmöglichkeit aus praktischen Gründen vorliegt, ist, wie die dänische Regierung betont, dass die erforderlichen Angaben dem Vorlagebeschluss zufolge vorschriftsmäßig auf der Verpackung und dem Behältnis abgedruckt waren, jedoch in englischer und nicht in polnischer Sprache.

71.

Zweitens handelt es sich, selbst wenn (quod non) davon ausgegangen würde, dass eine Unmöglichkeit aus praktischen Gründen vorläge, bei dem Katalog um ein Element, das separat zur Verfügung gestellt wird, so dass er nicht einmal als „beigepackt oder befestigt“ bezeichnet werden könnte ( 36 ).

72.

Drittens scheint der Katalog eine Beschreibung der Produkte des vom Hersteller angebotenen Sortiments zu enthalten und sich folglich nicht ausschließlich auf eines dieser Produkte zu beziehen. Wenn der Verbraucher den Katalog einsieht, könnte somit die Gefahr bestehen, dass ihm ein Irrtum unterläuft und er die Produkte verwechselt.

73.

Im Ergebnis vertrete ich, obwohl es Sache des vorlegenden Gerichts ist, über Sachverhaltsfragen zu entscheiden, den Standpunkt, dass der Verweis auf den „Firmenkatalog“ im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht mit Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 vereinbar ist.

V. Ergebnis

74.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Sąd Okręgowy w Warszawie (Bezirksgericht Warschau, Polen) wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 19 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel ist dahin auszulegen, dass der „Verwendungszweck des Mittels“ nicht den in der Begriffsbestimmung des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung genannten Zweckbestimmungen entspricht. Bei der Angabe des Verwendungszwecks auf dem Behältnis und auf der Verpackung sind das wesentliche Merkmal bzw. die wesentlichen Merkmale des Mittels anzuführen, so dass der Verbraucher auf einen Blick erkennen kann, was die wesentliche Bestimmung oder der wesentliche Nutzen des Mittels ist.

2.

Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 ist dahin auszulegen, dass es nicht zulässig ist, die in Abs. 1 Buchst. d, g und f dieser Bestimmung genannten Informationen, d. h. die Vorsichtsmaßnahmen, die Verwendungszwecke und die Liste der Bestandteile, in einem auch andere Produkte umfassenden Firmenkatalog, der unabhängig vom verkauften Produkt angeboten wird, aufzuführen und auf der Verpackung nur das in Anhang VII Nr. 1 der Verordnung vorgesehene Symbol zu verwenden.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. 2009, L 342, S. 59).

( 3 ) Urteile vom 3. September 2015, Colena (C‑321/14, EU:C:2015:540), über die Einstufung von Kontaktlinsen als kosmetische Mittel, vom 21. September 2016, European Federation for Cosmetic Ingredients (C‑592/14, EU:C:2016:703), über durch Tierversuche bestimmte Bestandteile kosmetischer Mittel und vom 12. April 2018, Fédération des entreprises de la beauté (C‑13/17, EU:C:2018:246), über die Qualifikation der Personen, die kosmetische Mittel bewerten.

( 4 ) Es handelt sich hierbei um die Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl. 1976, L 262, S. 169) in der durch die Richtlinie 93/35/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. 1993, L 151, S. 32) geänderten Fassung, mit der die Richtlinie 76/768 zum sechsten Mal geändert wurde.

( 5 ) Unter anderem Urteile vom 28. Januar 1999, Unilever (C‑77/97, EU:C:1999:30), vom 13. Januar 2000, Estée Lauder (C‑220/98, EU:C:2000:8), vom 13. September 2001, Schwarzkopf (C‑169/99, im Folgenden: Urteil Schwarzkopf, EU:C:2001:439), und vom 24. Oktober 2002, Linhart und Biffl (C‑99/01, EU:C:2002:618).

( 6 ) Die Wirkungsweise der Produkte wurde anhand von in polnischer Sprache abgefassten Unterlagen und Broschüren für den Einzelhandel der einzelnen Produkte erläutert. Die Klägerin erhielt die Schulungsunterlagen und wurde darüber informiert, dass sich auf jedem Kosmetikprodukt das Symbol „Hand mit Buch“ als Verweis auf einen in polnischer Sprache verfassten separaten Katalog des Unternehmens befinde. Es handele sich um US-amerikanische Produkte, bei denen die Kennzeichnung nicht ins Polnische übersetzt worden sei.

( 7 ) Der Bruttopreis der Produkte betrug 3184,25 Złoty (PLN).

( 8 ) Gesetz vom 23. April 1964 über das Zivilgesetzbuch in geänderter Fassung (Ustawa z dnia 23 kwietnia 1964 r. Kodeks cywilny) (Dz. U. 2018, Pos. 1025).

( 9 ) In seinem Urteil hielt das Gericht die Erklärungen der Klägerin, dass sie bis zum Erhalt der Ware keine Kenntnis von der fehlenden Kennzeichnung der Produkte in polnischer Sprache gehabt habe, für nicht glaubhaft, weil die Klägerin eingeräumt habe, dass die Parteien bereits früher zusammengearbeitet hätten.

( 10 ) Bei den „Behältnissen“ handelt es sich in der Regel um Glasflaschen, Acryl- oder Aluminiumdosen, Kunststofftuben, Sprays, Aerosole, Handspender und andere mehr oder weniger ähnliche Utensilien, in denen kosmetische Produkte so aufbewahrt werden, dass sie über einen Zeitraum erhalten bleiben, ohne Veränderungen zu erleiden.

( 11 ) Als „Verpackung“ des kosmetischen Mittels gilt die äußere Umhüllung (eine Schachtel oder ein vergleichbarer Gegenstand), in die das Behältnis bzw. das Produkt gelegt wird. Im Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 82), wird der Ausdruck „Verpackung“ verwendet. Generalanwalt Jääskinen sprach in seinen Schlussanträgen in dieser Rechtssache (C‑324/19, EU:C:2010:757, Nrn. 72 und 74) von der „äußeren Verpackung“.

( 12 ) Diese Zweckbestimmungen, die sich auf die äußerlichen Teile des menschlichen Körpers oder auf die Zähne und die Mundschleimhäute beziehen, sind: „diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen“.

( 13 ) Insoweit besteht eine Diskrepanz zwischen den verschiedenen Sprachfassungen. Während z. B. in der französischen, der englischen und der portugiesischen Sprachfassung das Adverb „eindeutig“ hinzugefügt wird („sauf si cela ressort clairement de sa présentation“; „unless it is clear from its presentation“; „salvo se esta decorrer claramente da respectiva apresentação“), fehlt dieses Adverb in der spanischen, der italienischen und der deutschen Sprachfassung („salvo si se desprende de su presentación“; „salvo se risulta dalla sua presentazione“; „sofern dieser sich nicht aus der Aufmachung dessen ergibt“). Meiner Ansicht nach sind diese Unterschiede jedoch in der vorliegenden Rechtssache nicht von Bedeutung.

( 14 ) Urteil vom 3. September 2015, Colena (C‑321/14, EU:C:2015:540, Rn. 19).

( 15 ) Nur die polnische Regierung unterstützt diesen Vorschlag: Der „Verwendungszweck des kosmetischen Mittels“ entspricht ihrer Ansicht nach einer der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1223/2009 aufgeführten Zweckbestimmungen.

( 16 ) Urteil vom 10. Juli 2014, D. und G. (C‑358/13 und C‑181/14, EU:C:2014:2060, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 17 ) Urteile Schwarzkopf, Rn. 27 und 28, und vom 24. Januar 2008, Roby Profumi (C‑257/06, EU:C:2008:35, Rn. 16 und 17). In Bezug auf die Verordnung Nr. 1223/2009 Urteil vom 12. April 2018, Fédération des entreprises de la beauté (C‑13/17, EU:C:2018:246, Rn. 23 bis 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 ) Urteil vom 2. Februar 1994, Verband Sozialer Wettbewerb (C‑315/92, EU:C:1994:34, Rn. 15).

( 19 )

( 20 )

( 21 ) Bei der Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 76/768 hat der Gerichtshof den „Verwendungszweck des Mittels“ nach diesem Argument ausgerichtet und ihn mit den Bedingungen der Verwendung in Verbindung gebracht (Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a.,C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 76).

( 22 ) Das vorlegende Gericht erwähnt diese Bestimmung zwar nicht, jedoch bietet die Verordnung Nr. 1223/2009 mit diesem Artikel die Auslegungsansätze, auf die sich das Gericht in seinem Vorlagebeschluss bezieht. Die Kommission spricht dies in ihren Erklärungen an.

( 23 ) Verordnung der Kommission vom 10. Juli 2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln (ABl. 2013, L 190, S. 31).

( 24 ) Dies kann bei bestimmten besonders einfachen kosmetischen Mitteln oder Produkten mit unverwechselbarer Form der Fall sein. Dänemark nennt in seinen Erklärungen (Rn. 25) einen Lippenstift als Beispiel.

( 25 ) Würde der Verwendungszweck des kosmetischen Mittels nur auf der Verpackung und nicht auf dem Behältnis angegeben, wäre er nach der Entsorgung der Verpackung nicht mehr ersichtlich und dies könnte zu Risiken bei der späteren Verwendung führen.

( 26 ) Urteile vom 13. Januar 2000, Estée Lauder (C‑220/98, EU:C:2000:8, Rn. 27), und vom 24. Oktober 2002, Linhart und Biffl (C‑99/01, EU:C:2002:618, Rn. 31).

( 27 ) Vgl. Nr. 49 und Fn. 24 der vorliegenden Schlussanträge.

( 28 ) Urteil Schwarzkopf, Rn. 39. In Rn. 40 heißt es: „Die Informationen, die die Hersteller- oder Vertriebsunternehmen von unter die Richtlinie 76/768 in ihrer geänderten Fassung fallenden kosmetischen Mitteln auf dem Behältnis und der Verpackung des Produkts angeben müssen, sind, sofern sie nicht durch Piktogramme oder andere Zeichen als Worte erfolgreich übermittelt werden können, ohne praktischen Nutzen, wenn sie nicht in einer für ihre Adressaten verständlichen Sprache abgefasst sind.“

( 29 ) Dazu gehören die Identität der für die Bereitstellung auf dem Markt verantwortlichen Person, die Zusammensetzung des Produkts (Inhalt und Liste der Bestandteile), Warnhinweise für den Gebrauch (Verwendungszweck und besondere Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch) oder die Lagerung (Mindesthaltbarkeitsdatum) und die Chargennummer oder das Zeichen, das eine Identifizierung des kosmetischen Mittels ermöglicht (diese Angabe kann in Ausnahmefällen nur auf der Verpackung angebracht werden).

( 30 ) Nach diesem Erwägungsgrund sollte die Transparenz „durch Deklaration der in dem kosmetischen Mittel enthaltenen Bestandteile auf der Verpackung erreicht werden. Sollte es aus praktischen Gründen nicht möglich sein, diese Bestandteile auf der Verpackung aufzuführen, so sollten diese Angaben dem Erzeugnis in der Weise beigefügt werden, dass die Unterrichtung des Verbrauchers gewährleistet ist“.

( 31 ) Als Ausnahme ist diese Bestimmung eng auszulegen (Urteil Schwarzkopf, Rn. 31).

( 32 ) Art. 19 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1223/2009 sieht in Bezug auf die Bestandteile eine Ausnahme von der Ausnahme für den Fall vor, dass es aus praktischen Gründen nicht einmal möglich ist, von der Option aus Abs. 2 Gebrauch zu machen. In einem solchen Fall können die Angaben „auf einem Schild in unmittelbarer Nähe des Behältnisses, in dem das kosmetische Mittel zum Verkauf angeboten wird, angebracht werden“. Die Zweifel des vorlegenden Gerichts betreffen jedoch nicht die Angabe der Bestandteile: Sie betreffen vielmehr die Frage, ob im Ausgangsverfahren die Angabe in einem Katalog gleichgesetzt werden kann mit dem Fall, dass die Angaben auf einem „dem kosmetischen Mittel beigepackten oder an ihm befestigten Zettel, Etikett, Papierstreifen, Anhänger oder Kärtchen“ aufgeführt werden.

( 33 ) Auch hier gibt es sprachliche Unterschiede zwischen den Sprachfassungen der Bestimmung: So wird im Französischen, Deutschen, Italienischen und Portugiesischen das „(kosmetische) Mittel“ erwähnt, im Spanischen und Englischen hingegen nicht, obwohl es als selbstverständlich vorausgesetzt wird.

( 34 ) Der Verbraucher wird auf „die beiliegenden oder am Produkt befestigten Informationen“ hingewiesen, indem das Symbol einer Hand, die auf ein aufgeschlagenes Buch zeigt, abgedruckt wird (siehe Anhang VII, auf den Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1223/2009 verweist).

( 35 ) Dies gilt für Fälle, „in denen die vollständige Angabe der vorgeschriebenen Warnhinweise zwar objektiv möglich ist, jedoch die Benutzung einer so kleinen Schrift erfordern würde, dass sie fast nicht lesbar wäre, oder in denen die vollständige Angabe der Warnhinweise in leserlicher Schrift fast die gesamte Oberfläche des Produkts einnehmen würde, so dass der Hersteller nicht mehr in der Lage wäre, die Bezeichnung des Produkts und andere produktbezogene Informationen sachgemäß anzubringen“ (Urteil Schwarzkopf, Rn. 32 und 33).

( 36 ) Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass der Katalog in der Verkaufsstelle eingesehen oder separat erworben werden musste. Die litauische Regierung bezweifelt, dass die Anzahl der von der Klägerin erworbenen Kataloge (10 Stück), auf die im Vorlagebeschluss Bezug genommen wird, ausreichte, um mit jedem Produkt einen Katalog zu übergeben.

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