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Document 62017CJ0563

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 27. Februar 2019.
Associação Peço a Palavra u. a. gegen Conselho de Ministros.
Vorabentscheidungsersuchen des Supremo Tribunal Administrativo.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit – Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 – Luftfahrtunternehmen – Reprivatisierungsverfahren – Veräußerung von Anteilen, die bis zu 61 % des Gesellschaftskapitals darstellen – Voraussetzungen – Verpflichtung zum Verbleib des Sitzes und der tatsächlichen Leitung in einem Mitgliedstaat – Gemeinwohlverpflichtungen – Verpflichtung zu Erhalt und Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis (‚hub‘).
Rechtssache C-563/17.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2019:144

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

27. Februar 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit – Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 – Luftfahrtunternehmen – Reprivatisierungsverfahren – Veräußerung von Anteilen, die bis zu 61 % des Gesellschaftskapitals darstellen – Voraussetzungen – Verpflichtung zum Verbleib des Sitzes und der tatsächlichen Leitung in einem Mitgliedstaat – Gemeinwohlverpflichtungen – Verpflichtung zu Erhalt und Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis (‚hub‘)“

In der Rechtssache C‑563/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) mit Entscheidung vom 20. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 25. September 2017, in dem Verfahren

Associação Peço a Palavra,

João Carlos Constantino Pereira Osório,

Maria Clara Marques Pires Sarmento Franco,

Sofia da Silva Santos Arauz,

Maria João Galhardas Fitas

gegen

Conselho de Ministros,

Beteiligte:

Parpública – Participações Públicas SGPS SA,

TAP – Transportes Aéreos Portugueses SGPS SA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterinnen A. Prechal (Berichterstatterin) und C. Toader sowie der Richter A. Rosas und M. Ilešič,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Parpública – Participações Públicas SGPS SA, vertreten durch M. Mendes Pereira, advogado,

der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und A. Duarte de Almeida als Bevollmächtigte,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Costa de Oliveira, L. Malferrari und K. Simonsson als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. November 2018

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49, 54, 56 und 57 AEUV sowie die Art. 2, 16 und 17 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einerseits der Associação Peço a Palavra, einem gemeinnützigen Verein portugiesischen Rechts, und vier natürlichen Personen portugiesischer Staatsangehörigkeit (im Folgenden zusammen: APP u. a.) und andererseits dem Conselho de Ministros (Ministerrat, Portugal) wegen der Gültigkeit eines Beschlusses, mit dem in einem Lastenheft bestimmte für ein indirektes Reprivatisierungsverfahren der TAP – Transportes Aéreos Portugueses SA (im Folgenden: TAP) geltende Bedingungen festgelegt werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2006/123

3

Nach dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123 sollten „Verkehrsdienstleistungen, einschließlich des Personennahverkehrs, Taxis und Krankenwagen sowie Hafendienste, … vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sein“.

4

Nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d findet diese Richtlinie keine Anwendung auf Verkehrsdienstleistungen einschließlich Hafendienste, die in den Anwendungsbereich von Titel V des Dritten Teils des EG-Vertrags, jetzt Titel VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags, fallen.

5

Kapitel IV („Freier Dienstleistungsverkehr“) dieser Richtlinie enthält Art. 16, der die Einzelheiten des Rechts der Dienstleistungserbringer, in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Niederlassung frei Dienstleistungen zu erbringen, festlegt, sowie Art. 17, der die Ausnahmen von diesem Recht aufführt.

Verordnung (EG) Nr. 1008/2008

6

In den Erwägungsgründen 10 bis 12 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 293, S. 3) heißt es:

„(10)

Um den Luftverkehrsbinnenmarkt zu vollenden, sollten noch bestehende Beschränkungen, die zwischen Mitgliedstaaten angewendet werden, etwa Beschränkungen beim Code-Sharing auf Strecken nach Drittländern oder bei der Preisfestsetzung auf Strecken nach Drittländern mit einer Zwischenlandung in einem anderen Mitgliedstaat …, aufgehoben werden.

(11)

Um die besonderen Merkmale und Zwänge der Gebiete in äußerster Randlage zu berücksichtigen, insbesondere die Faktoren Abgelegenheit, Insellage und geringe Größe, und um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, diese Gebiete angemessen mit den zentralen Gebieten der Gemeinschaft zu verbinden, können hinsichtlich gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen für Strecken zu diesen Gebieten Sonderregelungen über die Laufzeit der Verträge gerechtfertigt sein.

(12)

Die Bedingungen, unter denen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt werden können, sollten deutlich und eindeutig festgelegt werden, wobei die zugehörigen Ausschreibungsverfahren die Teilnahme einer ausreichenden Zahl von Wettbewerbern ermöglichen sollten. Die Kommission sollte in der Lage sein, so viele Informationen wie möglich einzuholen, um die wirtschaftliche Berechtigung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen in Einzelfällen beurteilen zu können.“

7

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung sieht vor:

„Im Sinne dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

1.

‚Betriebsgenehmigung‘ ist eine Genehmigung, die einem Unternehmen von der zuständigen Genehmigungsbehörde erteilt wird und das Unternehmen je nach den Angaben in der Genehmigung berechtigt, Flugdienste zu erbringen;

8.

‚Luftverkehrsbetreiberzeugnis (AOC)‘ ist ein einem Unternehmen ausgestelltes Zeugnis, in dem dem Luftverkehrsbetreiber bescheinigt wird, dass er über die fachliche Eignung und Organisation verfügt, um die Sicherheit des im Zeugnis genannten Betriebs gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts oder gegebenenfalls des einzelstaatlichen Rechts zu gewährleisten;

9.

‚tatsächliche Kontrolle‘ eine Beziehung, die durch Rechte, Verträge oder andere Mittel, die einzeln oder zusammen und unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit bieten, unmittelbar oder mittelbar einen bestimmenden Einfluss auf ein Unternehmen auszuüben, begründet ist, insbesondere durch

a)

das Recht, die Gesamtheit oder Teile des Vermögens des Unternehmens zu nutzen;

b)

Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, das Abstimmungsverhalten oder die Beschlüsse der Organe des Unternehmens oder in anderer Weise einen bestimmenden Einfluss auf die Führung der Unternehmensgeschäfte gewähren;

10.

‚Luftfahrtunternehmen‘ ist ein Unternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung oder einer gleichwertigen Genehmigung;

11.

‚Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft‘ ist ein Luftfahrtunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung, die von einer zuständigen Genehmigungsbehörde gemäß Kapitel II erteilt wurde;

14.

‚Verkehrsrecht‘ ist das Recht, einen Flugdienst zwischen zwei Flughäfen der Gemeinschaft durchzuführen;

26.

‚Hauptgeschäftssitz‘ ist die Hauptverwaltung oder der eingetragene Sitz eines Luftfahrtunternehmens der Gemeinschaft in dem Mitgliedstaat, in dem die wichtigsten Finanzfunktionen und die betriebliche Kontrolle über das Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, einschließlich der Leitungsaufgaben zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit, ausgeübt werden.“

8

Kapitel II („Betriebsgenehmigung“) der Verordnung Nr. 1008/2008 enthält Art. 4; dieser bestimmt:

„Einem Luftfahrtunternehmen wird von der zuständigen Genehmigungsbehörde eines Mitgliedstaats eine Betriebsgenehmigung erteilt, sofern

a)

sein Hauptgeschäftssitz sich in diesem Mitgliedstaat befindet;

b)

es Inhaber eines gültigen Luftverkehrsbetreiberzeugnisses (AOC) ist, das von einer nationalen Behörde desselben Mitgliedstaats ausgestellt wurde, dessen zuständige Genehmigungsbehörde für die Erteilung, Verweigerung, Widerrufung oder Aussetzung der Betriebsgenehmigung des Luftfahrtunternehmens der Gemeinschaft zuständig ist;

f)

Mitgliedstaaten und/oder Staatsangehörige von Mitgliedstaaten zu mehr als 50 % am Eigentum des Unternehmens beteiligt sind und es tatsächlich kontrollieren, entweder unmittelbar oder mittelbar über ein oder mehrere zwischengeschaltete Unternehmen, sofern nicht ein Abkommen mit einem Drittstaat, dem die Gemeinschaft als Vertragspartei angehört, etwas anderes bestimmt;

…“

9

Art. 8 der Verordnung Nr. 1008/2008 sieht in seinen Abs. 1, 5 und 7 vor:

„(1)   Betriebsgenehmigungen gelten so lange, wie das Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft den Anforderungen dieses Kapitels nachkommt.

Ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft muss der zuständigen Genehmigungsbehörde auf Verlangen jederzeit nachweisen können, dass es alle Anforderungen dieses Kapitels erfüllt.

(5)   Ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft meldet der zuständigen Genehmigungsbehörde

b)

im Voraus alle beabsichtigten Zusammenschlüsse oder Übernahmen …

(7)   Bei einer Änderung eines oder mehrerer Umstände, die sich auf die rechtlichen Gegebenheiten eines Luftfahrtunternehmens der Gemeinschaft auswirken, und insbesondere im Falle eines Unternehmenszusammenschlusses oder einer Unternehmensübernahme entscheidet die zuständige Genehmigungsbehörde in Bezug auf die Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, denen sie eine Betriebsgenehmigung erteilt hat, ob die Betriebsgenehmigung erneut zur Genehmigung vorzulegen ist.

…“

10

Der in Kapitel III („Zugang zu Strecken“) der Verordnung Nr. 1008/2008 enthaltene Art. 15 bestimmt:

„(1)   Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft sind berechtigt, innergemeinschaftliche Flugdienste durchzuführen.

(2)   Die Mitgliedstaaten machen die Durchführung von innergemeinschaftlichen Flugdiensten durch ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft nicht von einer Zulassung oder Genehmigung abhängig. Die Mitgliedstaaten verlangen von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft keine Unterlagen oder Informationen, die diese bereits der zuständigen Genehmigungsbehörde vorgelegt haben, sofern die betreffenden Informationen rechtzeitig bei der zuständigen Genehmigungsbehörde eingeholt werden können.

…“

11

Besagter Art. 15 legt in seinen Abs. 4 und 5 Regeln über Code-Sharing-Vereinbarungen fest, die die Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu treffen berechtigt sind.

12

Art. 16 („Allgemeine Grundsätze für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“) der Verordnung Nr. 1008/2008, der ebenfalls in deren Kapitel III enthalten ist, sieht in seinen Abs. 1 und 4 vor:

„(1)   Nach Konsultationen mit den anderen betroffenen Mitgliedstaaten und nach Unterrichtung der Kommission, der betreffenden Flughäfen und der auf dieser Strecke tätigen Luftfahrtunternehmen kann ein Mitgliedstaat im Linienflugverkehr zwischen einem Flughafen in der Gemeinschaft und einem Flughafen, der ein Rand- oder ein Entwicklungsgebiet seines Hoheitsgebiets bedient, oder auf einer wenig frequentierten Strecke zu einem Flughafen seines Hoheitsgebiets gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen, insoweit die jeweilige Strecke für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Gebiets, das der Flughafen bedient, als unabdingbar gilt. Diese Verpflichtungen werden nur auferlegt, soweit dies für die Mindestbedienung dieser Strecke im Linienflugverkehr erforderlich ist, die in Bezug auf Kontinuität, Regelmäßigkeit, Preisgestaltung oder Mindestkapazität festen Standards genügt, die Luftfahrtunternehmen unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht einhalten würden.

Die festen Standards für die Strecke, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegt, sind auf transparente und nichtdiskriminierende Weise festzulegen.

(4)   Beabsichtigt ein Mitgliedstaat die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, so übermittelt er den Text der aufzuerlegenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der Kommission, den anderen betroffenen Mitgliedstaaten, den betroffenen Flughäfen und den Luftfahrtunternehmen, die die betreffende Strecke bedienen.

Die Kommission veröffentlicht eine Bekanntmachung folgenden Inhalts im Amtsblatt der Europäischen Union:

a)

Angabe der beiden Flughäfen auf der betreffenden Strecke sowie möglicher Zwischenlandepunkte,

b)

Datum des Inkrafttretens der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und

c)

Angabe der vollständigen Adresse, bei der der Text und andere einschlägige Informationen und/oder Unterlagen im Zusammenhang mit den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unverzüglich und kostenlos von dem betroffenen Mitgliedstaat bereitgestellt werden.“

Portugiesisches Recht

13

Mit dem Gesetzesdekret Nr. 181-A/2014 vom 24. Dezember 2014 (Diário da República, Serie I, Nr. 248 vom 24. Dezember 2014) legte der Ministerrat das Reprivatisierungsverfahren von TAP fest, das insbesondere in einem sogenannten Referenzdirektverkauf von Anteilen bestand, die bis zu 61 % des Gesellschaftskapitals der Muttergesellschaft von TAP, der Holding TAP – Transportes Aéreos Portugueses SGPS SA (im Folgenden: TAP SGPS) darstellten.

14

In den Erwägungsgründen dieses Gesetzesdekrets heißt es u. a.:

„Es handelt sich um ein dem Land sehr verbundenes Unternehmen; dieses Band gilt es zu bewahren, und daher ist es wichtig, die charakteristische Aufgabe als ‚Unternehmen des Landes‘ aufrechtzuerhalten. Die Regierung ist der Ansicht, dass das Reprivatisierungsverfahren von TAP – unter Berücksichtigung auch der Bedeutung der inländischen Verbindungen, insbesondere derjenigen, die für eine Verbindung zwischen dem Kontinent und den Inseln sorgen und für die Förderung des territorialen und sozialen Zusammenhalts sowie der wirtschaftlichen Entwicklung wesentlich sind – der strategischen Bedeutung der nationalen Basis („hub“) als maßgebliches Bindeglied in den Beziehungen zwischen Europa, Afrika und Lateinamerika, für die die Luftverkehrstätigkeiten von TAP ein zentrales Element sind, Rechnung tragen muss.“

15

Art. 4 Abs. 3 des Gesetzesdekrets Nr. 181-A/2014 führt bestimmte Auswahlkriterien für die Kaufangebote im Hinblick auf die Zulassung der potenziellen Erwerber zur Teilnahme an den nachfolgenden Abschnitten des Direktverkaufsverfahrens und für die Auswahl der Kaufangebote im Vergabeverfahren auf. Er sieht vor, dass weitere spezifische geeignete Bedingungen durch Beschluss des Ministerrats bestimmt werden.

16

Art. 8 („Regelung“) des Gesetzesdekrets bestimmt:

„(1)   Die endgültigen und konkreten Bedingungen für die im Rahmen der Reprivatisierung von TAP SGPS vorzunehmenden Transaktionen und die Ausübung der dem Ministerrat im Rahmen dieses Dekrets zugewiesenen Kompetenzen werden durch den Erlass eines oder mehrerer Beschlüsse festgelegt.

(2)   Hinsichtlich des Referenzdirektverkaufs ist es u. a. Sache des Ministerrats

a)

das Lastenheft zu genehmigen, in dem die spezifischen Bedingungen für diese Transaktionen bestimmt werden, und die erworbenen und gezeichneten Anteile als nicht verfügbar auszuweisen;

…“

17

Auf der Grundlage von Art. 8 des Gesetzesdekrets Nr. 181-A/2014 erließ der Ministerrat am 15. Januar 2015 den Beschluss Nr. 4‑A/2015 (Diário da República, Serie I, Nr. 13 vom 20. Januar 2015), der u. a. das den Referenzdirektverkauf regelnde Lastenheft enthält, das in Anhang I des Beschlusses aufgenommen und Bestandteil dieses Beschlusses ist (im Folgenden: Lastenheft).

18

Art. 1 („Gegenstand“) des Lastenhefts bestimmt:

„(1)   Das … Lastenheft regelt die Vorgaben und Bedingungen für den Referenzdirektverkauf von Anteilen am Gesellschaftskapital [von TAP SGPS], der im Rahmen des Verfahrens zur indirekten Reprivatisierung des Gesellschaftskapitals [von TAP] durchgeführt wird. …

(2)   Der Referenzdirektverkauf umfasst die im Verhandlungswege erfolgende Veräußerung von einem oder mehreren unteilbaren Paketen von Anteilen am Gesellschaftskapital [von TAP SGPS] an einen oder mehrere inländische oder ausländische Investoren einzeln oder in einem Zusammenschluss.

(3)   Der Referenzdirektverkauf der im vorstehenden Absatz genannten Anteile wird mit einem oder mehreren Bietern vorgenommen, die als Erwerber der Anteile ausgewählt werden, die Gegenstand des Direktverkaufs sind.

(4)   Im Rahmen des Referenzdirektverkaufs werden die Anteile, die von dem ausgewählten Bieter oder den ausgewählten Bietern erworben werden, von der Parpública – Participações Públicas SGPS SA verkauft.“

19

In Art. 5 („Auswahlkriterien“) des Lastenhefts heißt es:

„Bei der Auswahl eines oder mehrerer Wirtschaftsteilnehmer für den Erwerb der in Art. 1 Abs. 2 genannten Anteile werden folgende Kriterien zugrunde gelegt:

a)

der Beitrag zur Stärkung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit [von TAP SGPS] und [von TAP] sowie ihrer Kapitalstruktur, … in einer Weise, die zum dauerhaften Bestand und zur Wertsteigerung der Unternehmen sowie zur Entwicklung ihrer Tätigkeit beiträgt, und ferner die Erhaltung des Wertes und des relativen Gewichts des verbleibenden vom Staat gehaltenen Kapitals und des Wertes der Verkaufsoption;

c)

die Vorlage und die Gewährleistung der Durchführung eines geeigneten und kohärenten strategischen Projekts mit Blick auf die Erhaltung und Förderung des Wachstums [von TAP] unter Beachtung der Erreichung der von der Regierung für das Reprivatisierungsverfahren festgelegten Ziele, die Förderung der Stärkung ihrer Wettbewerbsstellung als weltweit tätiges Luftfahrtunternehmen auf den derzeitigen Märkten und auf neuen Märkten, die Wahrung der Integrität, der Unternehmensidentität und der Unabhängigkeit des TAP‑Konzerns, insbesondere dadurch, dass die Marke TAP und deren Assoziierung mit Portugal erhalten bleibt und sichergestellt wird, dass der Sitz und die tatsächliche Leitung des TAP‑Konzerns in Portugal verbleiben, der Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung der operationellen und geschäftlichen Qualitäten des TAP‑Konzerns und die Aufwertung und Entwicklung seiner personellen Mittel;

d)

die Fähigkeit, die pünktliche und angemessene Erfüllung der [TAP] obliegenden Gemeinwohlverpflichtungen zu gewährleisten, gegebenenfalls einschließlich hinsichtlich der Flugverbindungen zwischen den wichtigsten Flughäfen im Inland und in den autonomen Regionen, sowie die Kontinuität und die Stärkung der Strecken sicherzustellen, die die autonomen Regionen, die im Ausland ansässigen portugiesischen Gemeinschaften und die Länder und Gemeinschaften bedienen, in denen Portugiesisch gesprochen wird oder Amtssprache ist;

e)

der Beitrag zum Wachstum der nationalen Wirtschaft, einschließlich in Bezug auf den Erhalt und die Entwicklung der derzeitigen nationalen Basis (‚hub‘) als Plattform von entscheidender strategischer Bedeutung in den Beziehungen zwischen Europa, Afrika und Lateinamerika;

…“

20

Mit Beschluss Nr. 32-A/2015 vom 21. Mai 2015 (Diário da República, Serie I, Nr. 98 vom 21. Mai 2015) entschied der Ministerrat am Ende des ersten Abschnitts des Reprivatisierungsverfahrens, dass ein Kaufangebot abgelehnt werden müsse, weil es nicht alle im Lastenheft vorgesehenen Bedingungen erfülle, und dass zwei andere Bieter, deren Angebot im Wesentlichen gleichwertig sei, zur Teilnahme am Verhandlungsabschnitt, dem zweiten Abschnitt des Reprivatisierungsverfahrens, einzuladen seien.

21

Mit Beschluss Nr. 38-A/2015 vom 11. Juni 2015 (Diário da República, Serie I, Nr. 113 vom 12. Juni 2015) wurden mehrere zum Gateway-Konzern gehörende Gesellschaften ausgewählt, um den Kauf von Anteilen vorzunehmen, die 61 % des Gesellschaftskapitals von TAP SGPS darstellten. Das verbesserte und verbindliche Angebot, dass von diesen Gesellschaften unterbreitet wurde, wurde dahin eingestuft, dass es im Hinblick auf die Einhaltung der Auswahlkriterien gemäß Art. 5 des Lastenhefts in Bezug auf u. a. den Beitrag zur Stärkung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit des TAP-Konzerns höherwertig sei.

22

Am 24. Juni 2015 wurde ein Vertrag unterzeichnet, mit dem die Parpública – Participações Públicas (SGPS) SA (im Folgenden: Parpública) einwilligte, für einen Preis von 10 Mio. Euro 61 % des Gesellschaftskapitals von TAP SGPS an die Gesellschaften des Gateway-Konzerns zu verkaufen. Dieser Verkauf unterlag bestimmten Bedingungen, die bis spätestens 24. Juni 2016 erfüllt sein mussten.

23

Mit Beschluss Nr. 30/2016 vom 19. Mai 2016 (Diário da República, Serie I, Nr. 99 vom 23. Mai 2016) nahm der Ministerrat ein Memorandum über eine am 6. Februar 2016 unterzeichnete Vereinbarung zwischen dem portugiesischen Staat und der Atlantic Gateway SGPS Lda zur Kenntnis, mit dem die Vorgaben und die Bedingungen der Beteiligung des portugiesischen Staates unter den Anteilseignern von TAP SGPS neu bestimmt werden sollte. Mit dieser Vereinbarung willigte die erstgenannte dieser Gesellschaften ein, Parpública die Zahl von Anteilen zu verkaufen, die für eine Beteiligung des portugiesischen Staates am Gesellschaftskapital von TAP SGPS in Höhe von 50 % erforderlich waren.

24

Infolge dieser Vereinbarung halten die Gesellschaften des Gateway-Konzerns 45 % und der portugiesische Staat 50 % des Gesellschaftskapitals von TAP SGPS; die übrigen 5 % werden von den Arbeitnehmern des TAP-Konzerns gehalten.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

25

APP u. a. erhoben Klage beim vorlegenden Gericht, dem Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal), und beantragten, die Nichtigkeit des Beschlusses Nr. 4‑A/2015 des Ministerrats vom 15. Januar 2015 festzustellen oder diesen insoweit für nichtig zu erklären, als er das Lastenheft enthält, in dem der Referenzdirektverkauf von Anteilen, die bis zu 61 % des Gesellschaftskapitals von TAP SGPS darstellen, geregelt ist.

26

Zu diesem Zweck tragen APP u. a. vor, erstens verstoße Art. 5 Buchst. c des Lastenhefts gegen die Art. 49 und 54 AEUV, da er den Verbleib des Sitzes und der tatsächlichen Leitung von TAP in Portugal vorschreibe, zweitens verstoße Art. 5 Buchst. d des Lastenhefts gegen die Art. 56 und 57 AEUV sowie die Art. 16 und 17 der Richtlinie 2006/123, da er den Erwerber der Anteile verpflichte, Gemeinwohlverpflichtungen nachzukommen, und drittens verstoße Art. 5 Buchst. e des Lastenhefts, gegen die Art. 56 und 57 AEUV sowie gegen die Art. 16 und 17 der genannten Richtlinie, da er den Erhalt und die Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“) verlange.

27

Unter diesen Umständen hat das Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist es nach dem Unionsrecht, insbesondere nach den Art. 49 und 54 AEUV und den darin niedergelegten Grundsätzen, zulässig, im Rahmen eines Verfahrens in Bezug eine indirekte Reprivatisierung einer im Luftverkehr tätigen staatlichen Gesellschaft in die Dokumente, die dieses Verfahren regeln, als Kriterium für die Auswahl der Kaufangebote der potenziellen Investoren und der Angebote im Rahmen des Vergabeverfahrens die Anforderung aufzunehmen, dass der Sitz und die tatsächliche Leitung dieser Gesellschaft in dem Mitgliedstaat verbleiben, in dem sie gegründet wurde?

2.

Ist es nach dem Unionsrecht, insbesondere nach den Art. 56 und 57 AEUV und den darin niedergelegten Grundsätzen sowie den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit zulässig, im Rahmen eines Verfahrens in Bezug eine indirekte Reprivatisierung des Gesellschaftskapitals der genannten Gesellschaft in die Dokumente, die dieses Verfahren regeln, als Kriterium für die Auswahl der Kaufangebote der potenziellen Investoren und der Angebote im Rahmen des Vergabeverfahrens die Anforderung aufzunehmen, dass der Käufer Gemeinwohlverpflichtungen erfüllt?

3.

Ist es nach dem Unionsrecht, insbesondere nach den Art. 56 und 57 AEUV und den darin niedergelegten Grundsätzen zulässig, im Rahmen eines Verfahrens in Bezug eine indirekte Reprivatisierung des Gesellschaftskapitals der genannten Gesellschaft in die Dokumente, die dieses Verfahren regeln, als Kriterium für die Auswahl der Kaufangebote der potenziellen Investoren und der Angebote im Rahmen des Vergabeverfahrens die Anforderung aufzunehmen, dass der Käufer die derzeitige nationale Basis („hub“) erhält und entwickelt?

4.

Ist die Tätigkeit dieser Gesellschaft, deren Gesellschaftskapital im Rahmen des Reprivatisierungsverfahrens veräußert werden soll, angesichts der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123 in Bezug auf Verkehrsdienstleistungen vorgesehenen Ausnahme als Dienstleistung im Binnenmarkt anzusehen, die dieser Richtlinie unterliegt, und unterliegt demnach auch dieses Verfahren dieser Richtlinie?

5.

Falls Frage 4 bejaht wird: Ist es nach den Art. 16 und 17 dieser Richtlinie zulässig, im Rahmen eines Verfahrens in Bezug eine indirekte Reprivatisierung des Gesellschaftskapitals der genannten Gesellschaft in die Dokumente, die dieses Verfahren regeln, als Kriterium für die Auswahl der Kaufangebote der potenziellen Investoren und der Angebote im Rahmen des Vergabeverfahrens die Anforderung aufzunehmen, dass der Käufer Gemeinwohlverpflichtungen erfüllt?

6.

Falls Frage 4 bejaht wird: Ist es nach den Art. 16 und 17 dieser Richtlinie zulässig, im Rahmen eines Verfahrens in Bezug auf eine indirekte Reprivatisierung des Gesellschaftskapitals der genannten Gesellschaft in die Dokumente, die dieses Verfahren regeln, als Kriterium für die Auswahl der Kaufangebote der potenziellen Investoren und der Angebote im Rahmen des Vergabeverfahrens die Anforderung aufzunehmen, dass der Käufer die derzeitige nationale Basis („hub“) erhält und entwickelt?

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen 4 bis 6

28

Mit seinen Fragen 4 bis 6, die zusammen und als Erstes zu prüfen sind, fragt das vorlegende Gericht unter Bezugnahme auf die Tätigkeit von TAP im Bereich der Luftverkehrsdienste nach der Relevanz der Richtlinie 2006/123 für die Beantwortung der vorgelegten Fragen, soweit sich diese darauf beziehen, ob die Gemeinwohlverpflichtungen und die Verpflichtung, die derzeitige nationale Operationsbasis („hub“) zu erhalten und zu entwickeln, die im Rahmen des Verfahrens einer indirekten Reprivatisierung dieses Unternehmens auferlegt werden, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

29

Insoweit ist festzustellen, dass eine Dienstleistungstätigkeit im Luftverkehrssektor wie die Haupttätigkeit von TAP als „Verkehrsdienstleistung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123 in Verbindung mit deren 21. Erwägungsgrund einzustufen ist, auf die diese Richtlinie keine Anwendung findet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Élite Taxi, C‑434/15, EU:C:2017:981, Rn. 36).

30

Diese Einstufung wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, wonach der Begriff „Dienstleistung im Bereich des Verkehrs“ nicht nur Verkehrsdienstleistungen als solche umfasst, sondern auch jede Dienstleistung, die naturgemäß mit einer körperlichen Handlung der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mit einem Verkehrsmittel verbunden ist (Urteil vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi, C‑434/15, EU:C:2017:981, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31

Nicht zu prüfen sind daher die Fragen 5 und 6, die sich im Einzelnen darauf beziehen, ob die im Lastenheft festgelegten Bedingungen, die nach der Reprivatisierung dieser Gesellschaft für die Ausübung der Luftverkehrstätigkeit von TAP bestimmte Verpflichtungen in Bezug auf Gemeinwohlverpflichtungen und in Bezug auf den Erhalt und die Entwicklung der nationalen Operationsbasis („hub“) auferlegen, mit den Art. 16 und 17 der Richtlinie 2006/123 vereinbar sind.

32

Da der Gerichtshof aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Normen und Grundsätze des Unionsrechts herausarbeiten kann, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 16. Juli 2015, Abcur, C‑544/13 und C‑545/13, EU:C:2015:481, Rn. 34), ist dagegen darauf hinzuweisen, dass für die Prüfung der Vereinbarkeit der im Lastenheft festgelegten Bedingungen mit dem Unionsrecht die Verordnung Nr. 1008/2008 erheblich sein kann, soweit diese gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Union festlegt.

33

Demnach ist auf Frage 4 zu antworten, dass die Richtlinie 2006/123 dahin auszulegen ist, dass sie nicht für die Prüfung erheblich ist, ob bestimmte Anforderungen hinsichtlich der Tätigkeiten eines Luftfahrtunternehmens, die dem Erwerber einer qualifizierten Beteiligung am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens auferlegt werden, insbesondere die Anforderung, dass dieser verpflichtet ist, Gemeinwohlverpflichtungen zu erfüllen und die nationale Operationsbasis („hub“) dieser Gesellschaft zu erhalten und zu entwickeln, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

Zu den Fragen 1 bis 3

Vorbemerkungen

34

Mit seinen Fragen 1 bis 3, die zusammen und als Zweites zu prüfen sind, fragt das vorlegende Gericht im Wesentlichen danach, ob mit den in den Verträgen verbürgten Grundfreiheiten bestimmte „Kriterien“ vereinbar sind, die im Lastenheft für die Auswahl des Erwerbers einer Beteiligung, die bis zu 61 % des Gesellschaftskapitals einer Holdinggesellschaft darstellt, im Rahmen eines Verfahrens der Reprivatisierung der ihre Tätigkeiten im Bereich des Luftverkehrs ausübenden Tochtergesellschaft dieser Gesellschaft aufgestellt werden, insbesondere Anforderungen in Bezug auf die dieser Tochtergesellschaft obliegenden Gemeinwohlverpflichtungen, in Bezug auf den Verbleib des Sitzes und der tatsächlichen Leitung des Konzerns, zu dem diese Gesellschaften gehören, im betroffenen Mitgliedstaat sowie in Bezug auf den Erhalt und die Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“).

35

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Parpública, das öffentliche Unternehmen, das diese Beteiligung übertragen hat und das die Beteiligung des portugiesischen Staates hält, in seinen schriftlichen Erklärungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof geltend gemacht hat, dass das vorlegende Gericht in seinen Fragen 1 bis 3 diese Kriterien zu Unrecht als „Anforderungen“ eingestuft habe. Es handele sich nämlich nur um ein bei der Beurteilung der verschiedenen Kaufangebote berücksichtigtes Bündel von Kriterien, wobei sich der potenzielle Erwerber der fraglichen Beteiligung nicht notwendigerweise verpflichten müsse, sämtliche dieser Kriterien zu erfüllen. Auch die portugiesische Regierung hat die Verbindlichkeit dieser Kriterien angezweifelt.

36

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV die Aufgaben des Gerichtshofs und die des vorlegenden Gerichts klar voneinander getrennt. Während dem Gerichtshof die Auslegung der Vorschriften des Unionsrechts obliegt, ist es ausschließlich Sache des vorlegenden Gerichts, das nationale Recht auszulegen. Der Gerichtshof hat demnach von der Auslegung des nationalen Rechts auszugehen, die ihm dieses nationale Gericht vorgetragen hat (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 11. September 2014, Essent Belgium, C‑204/12 bis C‑208/12, EU:C:2014:2192, Rn. 52, und vom 28. Juli 2016, Astone, C‑332/15, EU:C:2016:614, Rn. 24).

37

Im Übrigen scheint die Verbindlichkeit der im Lastenheft aufgeführten Kriterien durch dessen Art. 1 Abs. 1 bestätigt zu werden, wonach das Lastenheft „die Vorgaben und Bedingungen für den Referenzdirektverkauf von Anteilen am Gesellschaftskapital [von TAP SGPS] [regelt], der im Rahmen des Verfahrens zur indirekten Reprivatisierung des Gesellschaftskapitals [von TAP] durchgeführt wird.“

38

Es lässt sich schwerlich leugnen, dass diese Kriterien den Erwerber der fraglichen Beteiligung binden können, da sie grundsätzlich jeden am Reprivatisierungsverfahren teilnehmenden Bieter veranlassen, sich bei Einreichung seines Kaufangebots zu verpflichten, sämtliche sich aus diesen Kriterien ergebenden Verpflichtungen einzuhalten.

39

Zudem geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass nach der Auswahl des Erwerbers der fraglichen Beteiligung Vereinbarungen getroffen wurden, in denen sich dieser vertraglich verpflichtete, diese Verpflichtungen einzuhalten.

40

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof auffordert, die im Lastenheft enthaltene Anforderung des Verbleibs des Sitzes und der tatsächlichen Leitung im betroffenen Mitgliedstaat am Maßstab der Vorschriften des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit und die Anforderungen des Lastenhefts in Bezug auf die Erfüllung von Gemeinwohlverpflichtungen und den Erhalt und die Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“) am Maßstab der Vorschriften des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr zu prüfen.

41

Diese verschiedenen Anforderungen gelten jedoch für die Wirtschaftsteilnehmer, die als Erwerber der Beteiligung, die Gegenstand des fraglichen Reprivatisierungsverfahrens ist, ausgewählt werden möchten und sich daher in Portugal niederlassen wollen. Diese Anforderungen berühren somit in erster Linie die Niederlassungsfreiheit des Bieters, auch wenn sie sich mittelbar auch auf die von TAP erbrachten Dienstleistungen auswirken.

42

Außerdem sind diese selben Anforderungen ausschließlich am Maßstab der Niederlassungsfreiheit und nicht am Maßstab des freien Kapitalverkehrs zu prüfen.

43

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs fällt nämlich eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit (Urteile vom 13. April 2000, Baars, C‑251/98, EU:C:2000:205, Rn. 22, und vom 10. Juni 2015, X, C‑686/13, EU:C:2015:375, Rn. 18).

44

Im vorliegenden Fall erscheint der Erwerb einer Beteiligung von 61 % am Kapital von TAP SGPS am Ende des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Reprivatisierungsverfahrens als ausreichend, um es dem betreffenden Anteilseigner zu ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Leitung und die Kontrolle dieser Gesellschaft und damit auch ihrer Tochtergesellschaft TAP auszuüben. Dies scheint auch nach der Neubestimmung der Anteilseigner von TAP SGPS der Fall zu sein, infolge deren diese Beteiligung von 61 % auf 45 % verringert wurde, da der portugiesische Staat die Anteile angekauft hatte, die zur Erhöhung seiner Beteiligung von 34 % auf 50 % erforderlich waren.

45

Was die Relevanz von Art. 345 AEUV, auf den sich Parpública und die italienische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen vor dem Gerichtshof bezogen haben, betrifft, so fallen die im Lastenheft festgelegten Anforderungen, die für die Reprivatisierung eines ganz im Eigentum eines Mitgliedstaats stehenden öffentlichen Unternehmens gelten, zwar unter diesen Artikel.

46

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs führt Art. 345 AEUV jedoch nicht dazu, dass die in den Mitgliedstaaten bestehenden Eigentumsordnungen den Grundprinzipien des AEU-Vertrags, u. a. denen der Nichtdiskriminierung, der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit, entzogen sind (Urteil vom 22. Oktober 2013, Essent u. a., C‑105/12 bis C‑107/12, EU:C:2013:677, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zum Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

47

Hinsichtlich zunächst der Anforderung, wonach der Erwerber verpflichtet ist, den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gemeinwohlverpflichtungen nachzukommen, ist daran zu erinnern, dass nach Art. 5 Buchst. d des Lastenhefts diese Anforderung „die Fähigkeit“ betrifft, „die pünktliche und angemessene Erfüllung der [TAP] obliegenden Gemeinwohlverpflichtungen zu gewährleisten, gegebenenfalls einschließlich hinsichtlich der Flugverbindungen zwischen den wichtigsten Flughäfen im Inland und in den autonomen Regionen, sowie die Kontinuität und Stärkung der Strecken sicherzustellen, die die autonomen Regionen, die im Ausland ansässigen portugiesischen Gemeinschaften und die Länder und Gemeinschaften bedienen, in denen Portugiesisch gesprochen wird oder Amtssprache ist“.

48

In diesem Zusammenhang steht fest, dass hinsichtlich der regelmäßigen Flugverbindungen zwischen Portugal und seinen autonomen Regionen, wie es die in äußerster Randlage befindlichen Regionen der Inselgruppe der Azoren oder der Insel Madeira sind, dieser Mitgliedstaat in der Vergangenheit den Luftfahrtunternehmen, die diese Flugverbindungen bedienen, Gemeinwohlverpflichtungen auferlegt hat, die gemäß Art. 16 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1008/2008 durch Bekanntmachungen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden. Des Weiteren geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass nicht in Frage gestellt wurde, dass diese Verpflichtungen den in den Art. 16 und 17 dieser Verordnung aufgestellten materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen entsprechen.

49

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist indes jede nationale Regelung in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, anhand der fraglichen Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand des Primärrechts zu beurteilen (Urteile vom 17. November 2015, RegioPost, C‑115/14, EU:C:2015:760, Rn. 57, und vom 7. September 2017, Eqiom und Enka, C‑6/16, EU:C:2017:641, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50

Hierzu ist festzustellen, dass die Art. 16 bis 18 der Verordnung Nr. 1008/2008, ausgelegt im Licht des zwölften Erwägungsgrundes dieser Verordnung, in Bezug auf die Gemeinwohlverpflichtungen im Sektor der Luftverkehrsdienste eine abschließende Harmonisierung vornehmen, da sie ausführlich die materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen regeln, die erfüllt werden müssen, damit Gemeinwohlverpflichtungen auferlegt werden können, und da sie außerdem ein Verfahren der Überprüfung dieser Verpflichtungen nach deren Einführung vorsehen.

51

Insbesondere aus Art. 16 Abs. 1 dieser Verordnung geht hervor, dass ein Mitgliedstaat Gemeinwohlverpflichtungen nur auf bestimmten Strecken in der Union, u. a. zwischen einem Flughafen in der Union und einem Flughafen, der ein Randgebiet seines Hoheitsgebiets bedient, auferlegen kann.

52

Soweit sich Art. 5 Buchst. d des Lastenhefts darauf beschränkt, zu verlangen, dass der am Ende des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Reprivatisierungsverfahrens ausgewählte neue Anteilseigner etwaige Gemeinwohlverpflichtungen einhält, die TAP im Einklang mit den in den Art. 16 und 17 der Verordnung Nr. 1008/2008 vorgeschriebenen materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen auferlegt wurden, ist diese nationale Maßnahme folglich mit dem Unionsrecht vereinbar, ohne dass sie anhand des Primärrechts, insbesondere am Maßstab der Niederlassungsfreiheit, zu prüfen ist.

53

Was sodann die Verpflichtungen betrifft, die sich für den Erwerber der Beteiligung, die Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Reprivatisierungsverfahrens ist, aus Art. 5 Buchst. c und e des Lastenhefts ergeben und die sich auf den Verbleib des Sitzes und der tatsächlichen Leitung in Portugal bzw. auf den Erhalt und die Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“) beziehen, ist festzustellen, dass diese nationalen Maßnahmen nicht einem durch die Verordnung Nr. 1008/2008 harmonisierten Bereich zuzuordnen sind mit der Folge, dass sie anhand des Primärrechts der Union, konkret am Maßstab der Niederlassungsfreiheit, zu prüfen sind.

54

Insoweit sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs als „Beschränkungen der freien Niederlassung“ im Sinne von Art. 49 AEUV alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. u. a. Urteil vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo, C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55

Es ist festzustellen, dass die beiden im Ausgangsverfahren fraglichen Anforderungen aus Art. 5 Buchst. c und e des Lastenhefts Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit darstellen, da sie die Ausübung dieser Freiheit behindern oder weniger attraktiv machen.

56

Diese Anforderungen sollen nämlich verhindern, dass in der Zukunft, nach der Beendigung des Reprivatisierungsverfahrens und der sich daraus ergebenden Änderung in der Zusammensetzung der Anteilseigner, seitens der Organe von TAP SGPS bestimmte Entscheidungen getroffen werden, und zwar insbesondere Entscheidungen, mit denen der Hauptgeschäftssitz oder die Operationsbasis („hub“) der betroffenen Gesellschaft außerhalb Portugals verlegt werden, selbst wenn diese Entscheidungen möglicherweise den wirtschaftlichen Interessen dieser Gesellschaft entsprechen.

57

Daher bringen diese Anforderungen für den Erwerber der bis zu 61 % des Gesellschaftskapitals von TAP SGPS darstellenden Beteiligung Beschränkungen der Entscheidungsfreiheit mit sich, über die die Organe dieser Gesellschaft normalerweise verfügen, Beschränkungen, die denen vergleichbar sind, die sich daraus ergeben, dass ein Mitgliedstaat seine Vorrechte aufgrund von Anteilen ausübt, die diesem Mitgliedstaat Sonderrechte zur Wahrung von Allgemeininteressen verleihen, sogenannte „golden shares“ (vgl. entsprechend Urteil vom 28. September 2006, Kommission/Niederlande, C‑282/04 und C‑283/04, EU:C:2006:608, Rn. 30).

58

Was insbesondere die Verpflichtung aus Art. 5 Buchst. c des Lastenhefts betrifft, mit der sichergestellt werden soll, dass der Sitz und die tatsächliche Leitung des TAP-Konzerns in Portugal verbleiben, so lässt sich deren beschränkender Charakter entgegen dem Vorbringen von Parpública und der portugiesischen Regierung nicht auf der Grundlage des Urteils vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb (C‑338/09, EU:C:2010:814), in Frage stellen.

59

In jenem Urteil hat der Gerichtshof u. a. für Recht erkannt, dass die für Wirtschaftsteilnehmer, die die konzessionierte Bewilligung zum Betrieb einer regelmäßigen Personenbeförderungslinie beantragen, geltende Verpflichtung, über einen Sitz oder eine ständige Niederlassung im Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaats zu verfügen, nicht gegen die Vorschriften des Unionsrechts verstößt, wenn sie nach der Erteilung der Bewilligung und vor der Aufnahme des Betriebs der Linie durch den Unternehmer angewandt wird.

60

Insoweit hat der Gerichtshof insbesondere darauf hingewiesen, dass die fragliche Verpflichtung als solche denknotwendig keine Behinderung oder Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen kann, weil sie keinerlei Begrenzung der Freiheit der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer, in diesem Hoheitsgebiet Agenturen oder andere Niederlassungen zu gründen, bewirkt (Urteil vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb, C‑338/09, EU:C:2010:814, Rn. 34).

61

Jedoch ist festzustellen, dass sich diese Verpflichtung wesentlich von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unterscheidet, die den Verbleib des Sitzes und der tatsächlichen Leitung des TAP-Konzerns in Portugal betrifft, d. h. des Hauptgeschäftssitzes der Gesellschaften, die diesen Konzern bilden. Diese zeitlich unbeschränkte Verpflichtung schreibt nicht die Schaffung einer neuen Zweitniederlassung vor, sondern den Verbleib des bestehenden Hauptgeschäftssitzes dieser Gesellschaften im Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaats.

62

Nach den Art. 49 und 54 AEUV stellt eine solche Verpflichtung des Verbleibs des bestehenden Hauptgeschäftssitzes dieser Gesellschaften im Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaats eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats, im vorliegenden Fall nach dem Recht Portugals, gegründeten Gesellschaft dar. Diese Freiheit umfasst das Recht auf Verlegung des Hauptgeschäftssitzes der Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat, was es, wenn diese Verlegung die Umwandlung der Gesellschaft in eine Gesellschaft nach dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats und den Verlust ihrer ursprünglichen Staatszugehörigkeit mit sich bringt, erforderlich macht, dass die in den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats der Standortverlagerung festgelegten Gründungsvoraussetzungen eingehalten sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo, C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 33 bis 35).

Zur eventuellen Rechtfertigung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

63

Es stellt sich dann die Frage, ob die Verpflichtungen aus Art. 5 Buchst. c und e des Lastenhefts über den Verbleib des Sitzes und die tatsächliche Leitung von TAP in Portugal bzw. den Erhalt und die Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“), von denen festgestellt wurde, dass sie Beschränkungen der freien Niederlassung des Erwerbers der Anteile, die Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Reprivatisierungsverfahrens sind, darstellen, durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Das setzt voraus, dass diese Verpflichtungen geeignet sind, die Erreichung des hier konkret verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dass sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteil vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo, C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 52).

64

Insoweit ist erstens das Argument der niederländischen Regierung zurückzuweisen, dem zufolge die Verpflichtung über den Verbleib des Sitzes und der tatsächlichen Leitung von TAP in Portugal durch das Ziel gerechtfertigt sei, zu kontrollieren, ob die Gemeinwohlverpflichtungen aus Art. 5 Buchst. d des Lastenhefts eingehalten seien.

65

Wie der Generalanwalt in Nr. 85 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, können nämlich zur Gewährleistung einer solchen Kontrolle Maßnahmen ins Auge gefasst werden, die die Niederlassungsfreiheit weniger beschneiden, wie etwa die Verpflichtung, über eine Zweitniederlassung zu verfügen. Außerdem wäre die jedem Luftfahrtunternehmen auferlegte Verpflichtung, seinen Hauptgeschäftssitz in einem Mitgliedstaat zu belassen, mit der Begründung, es führe Flugverbindungen von und nach dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats durch, die Gemeinwohlverpflichtungen seien, offensichtlich unverhältnismäßig.

66

Was zweitens die Ermittlung der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses betrifft, die für die Rechtfertigung der sich aus Art. 5 Buchst. c und e des Lastenhefts ergebenden Maßnahmen möglicherweise einschlägig sind, ist der Präambel des Gesetzesdekrets Nr. 181-A/2014 zu entnehmen, dass das Lastenheft dem Umstand Rechnung tragen muss, dass TAP „ein dem Land sehr verbundenes Unternehmen [ist], [dass es] dieses Band … zu bewahren [gilt], und [es] daher … wichtig [ist], die charakteristische Aufgabe als ‚Unternehmen des Landes‘ aufrechtzuerhalten“, und dass das Lastenheft gewährleisten soll, dass das Reprivatisierungsverfahren von TAP insbesondere „der strategischen Bedeutung der nationalen Operationsbasis („hub“) als maßgebliches Bindeglied in den Beziehungen zwischen Europa, Afrika und Lateinamerika, für die die Luftverkehrstätigkeiten von TAP ein zentrales Element sind, Rechnung [trägt]“, und dabei auch die „Bedeutung der inländischen Verbindungen, insbesondere derjenigen, die für eine Verbindung zwischen dem Kontinent und den Inseln sorgen und für die Förderung des territorialen und sozialen Zusammenhalts sowie der wirtschaftlichen Entwicklung wesentlich sind“, berücksichtigt.

67

Diese allgemeinen Ziele werden in Art. 5 Buchst. c des Lastenhefts wieder aufgenommen, denn er bezieht sich auf „die Vorlage und Gewährleistung der Durchführung eines geeigneten und kohärenten strategischen Projekts mit Blick auf die Erhaltung und Förderung des Wachstums [von TAP] unter Beachtung der Erreichung der von der Regierung für das Reprivatisierungsverfahren festgelegten Ziele, die Förderung der Stärkung ihrer Wettbewerbsstellung als weltweit tätiges Luftverkehrsunternehmen auf den derzeitigen Märkten und auf neuen Märkten, die Wahrung der Integrität, der Unternehmensidentität und der Unabhängigkeit des TAP-Konzerns, insbesondere dadurch, dass die Marke TAP und deren Assoziierung mit Portugal erhalten bleibt und sichergestellt wird, dass der Sitz und die tatsächliche Leitung des TAP-Konzerns in Portugal verbleiben, der Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung der operationellen und geschäftlichen Qualitäten des TAP-Konzerns und die Aufwertung und Entwicklung seiner personellen Mittel“.

68

Die gleichen allgemeinen Ziele gehen auch aus Art. 5 Buchst. e des Lastenhefts hervor, denn in ihm ist die Rede von: „[dem] Beitrag zum Wachstum der nationalen Wirtschaft, einschließlich in Bezug auf die Erhaltung und Entwicklung der derzeitigen nationalen Basis („hub“) als Plattform von entscheidender strategischer Bedeutung in den Beziehungen zwischen Europa, Afrika und Lateinamerika“.

69

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ebenfalls Art. 5 Buchst. d des Lastenhefts, denn er bezieht sich auf: „gegebenenfalls … [die] Flugverbindungen zwischen den wichtigsten Flughäfen im Inland und in den autonomen Regionen, sowie [auf] die Kontinuität und die Stärkung der Strecken …, die die autonomen Regionen, die im Ausland ansässigen portugiesischen Gemeinschaften und die Länder und Gemeinschaften bedienen, in denen Portugiesisch gesprochen wird oder Amtssprache ist“.

70

Soweit Art. 5 Buchst. c und e des Lastenhefts Ziele wie die Erhaltung und Förderung des Wachstums von TAP, die Stärkung der wirtschaftlichen Stellung dieser Gesellschaft, die Leistung eines Beitrags zur Erhaltung und Entwicklung der operationellen und geschäftlichen Qualitäten des TAP-Konzerns sowie eines Beitrags zum Wachstum der nationalen Wirtschaft verfolgt, ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung rein wirtschaftliche Gründe, die mit der Förderung der nationalen Wirtschaft oder deren gutem Funktionieren verbunden sind, keine Beeinträchtigungen der in den Verträgen verbürgten Grundfreiheiten rechtfertigen können (vgl. u. a. Urteil vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis, C‑201/15, EU:C:2016:972, Rn. 72).

71

Wie Parpública und die portugiesische Regierung im Wesentlichen geltend gemacht haben, knüpft Art. 5 Buchst. c und e des Lastenhefts in Verbindung mit dessen Art. 5 Buchst. d sowie der Präambel des Gesetzesdekrets Nr. 181-A/2014 an einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses an, der geeignet ist, eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen, da diese Vorschrift die Kontinuität und die Stärkung der Flugverbindungen von TAP sicherstellen soll, die Drittstaaten, die besondere historische, kulturelle oder soziale Beziehungen zur Portugiesischen Republik unterhalten, in denen Portugiesisch gesprochen wird oder deren Amtssprache Portugiesisch ist, wie die Republik Angola, die Republik Mosambik oder die Föderale Republik Brasilien, bedienen.

72

Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Gewährleistung einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann, der eine Beschränkung einer der in den Verträgen verbürgten Grundfreiheiten rechtfertigen kann (vgl. entsprechend Urteil vom 28. September 2006, Kommission/Niederlande, C‑282/04 und C‑283/04, EU:C:2006:608, Rn. 38).

73

Der zwingende Grund des Allgemeininteresses, der für die Rechtfertigung der sich aus Art. 5 Buchst. c und e ergebenden beschränkenden Maßnahmen einschlägig ist, ist folglich der Grund der Gewährleistung der Dienstleistung von allgemeinem Interesse, mit der ein ausreichendes Maß an regelmäßigen Luftverkehrsdiensten nach und von portugiesischsprachigen Drittländern, zu denen Portugal besondere historische, kulturelle und soziale Beziehungen unterhält, sichergestellt werden soll.

74

Was drittens die Frage betrifft, ob die Anforderung aus Art. 5 Buchst. c des Lastenhefts in Bezug auf den Verbleib des Sitzes und der tatsächlichen Leitung von TAP in Portugal gerechtfertigt werden kann, ist mit dem Generalanwalt in Nr. 89 seiner Schlussanträge festzustellen, dass diese Anforderung im Hinblick auf diesen zwingenden Grund des Allgemeininteresses verhältnismäßig ist.

75

Vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht ist den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nämlich zu entnehmen, dass zwischen der Portugiesischen Republik und bestimmten Drittländern, zu denen gerade portugiesischsprachige Drittländer, wie die Republik Angola, die Republik Mosambik oder die Föderale Republik Brasilien, die besondere historische, kulturelle und soziale Beziehungen zur Portugiesischen Republik unterhalten, gehören, bilaterale Abkommen geschlossen wurden und in diesen Abkommen die Verkehrsrechte, die TAP für die Flugverbindungen in diese Länder hat, von der Voraussetzung abhängig sind, dass der Hauptgeschäftssitz von TAP in Portugal verbleibt.

76

Vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht ergibt sich daher aus diesen bilateralen Abkommen, dass TAP seine Verkehrsrechte auf den Strecken in diese Drittstaaten und von ihnen verlöre, wenn es seinen Hauptgeschäftssitz außerhalb Portugals verlegte. Es ist deshalb offensichtlich, dass eine Anforderung wie die aus Art. 5 Buchst. c des Lastenhefts, soweit sie dazu verpflichtet, den Hauptgeschäftssitz von TAP in diesem Mitgliedstaat zu belassen, eine Maßnahme ist, die geeignet ist, dem zwingenden Grund des Allgemeininteresses nachzukommen, mit dem ein ausreichendes Maß an Luftverkehrsdiensten nach bzw. von den betreffenden portugiesischsprachigen Drittländern, zu denen Portugal besondere historische, kulturelle und soziale Beziehungen unterhält, sichergestellt werden soll.

77

Diese Anforderung geht zudem nicht über das hinaus, was in Anbetracht des genannten zwingenden Grundes des Allgemeininteresses erforderlich ist, da die Verlegung des Hauptgeschäftssitzes von TAP außerhalb Portugals gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 in Verbindung mit Art. 4 Buchst. a dieser Verordnung zu einem Verlust der Betriebsgenehmigung und des Luftverkehrsbetreiberzeugnisses (AOC), die TAP von der zuständigen portugiesischen Behörde erteilt wurden, führen würde; dies würde die Durchführung aller regelmäßigen Luftverkehrsdienste verhindern, einschließlich derjenigen nach bzw. von den betreffenden portugiesischsprachigen Drittländern, hinsichtlich deren unstreitig ist, dass sie einen wesentlichen Teil der Tätigkeiten von TAP darstellen.

78

Außerdem wird die Angemessenheit dieser Anforderung in Anbetracht des in Rn. 73 des vorliegenden Urteils genannten zwingenden Grundes des Allgemeininteresses dadurch untermauert, dass sie der Gründung von Zweitniederlassungen durch TAP wie Zweigstellen oder Tochtergesellschaften außerhalb Portugals nicht entgegensteht.

79

Viertens stellt sich die Frage, ob sich die Anforderung aus Art. 5 Buchst. e des Lastenhefts, die den Erhalt und die Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“) betrifft, im Hinblick auf das Ziel der Gewährleistung der Dienstleistung von allgemeinem Interesse, mit der ein ausreichendes Maß regelmäßiger Luftverkehrsdienste nach und von den betreffenden portugiesischsprachigen Drittländern, zu denen Portugal besondere historische, kulturelle und soziale Beziehungen unterhält, sichergestellt werden soll, rechtfertigen lässt.

80

Insoweit ist nicht nachgewiesen worden, dass die Beibehaltung der Organisationsstruktur der Luftverkehrsdienste der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“) notwendig wäre, um das Ziel der Luftanbindung der betreffenden portugiesischsprachigen Drittländer zu erreichen. Es scheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieses Ziel erreicht werden kann, auch wenn eine andere Organisationsstruktur verwendet würde.

81

Auch wenn es ebenfalls nicht ausgeschlossen scheint, dass die Struktur der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“) ein nützliches Instrument zur Erreichung dieses Ziels darstellt, so wird jedenfalls doch diese Struktur bei allen Flugverbindungen und nicht nur bei denen von und nach den betreffenden portugiesischsprachigen Drittländern eingesetzt.

82

Folglich geht die Anforderung, den Erhalt und die Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“) sicherzustellen, über das hinaus, was erforderlich ist, um das angestrebte Ziel der Anbindung dieser Drittländer zu erreichen.

83

Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass er nicht dem entgegensteht, dass in das Lastenheft über die Bedingungen für ein Reprivatisierungsverfahren eines Luftfahrtunternehmens aufgenommen werden:

eine Anforderung, die den Erwerber der Beteiligung, die Gegenstand dieses Reprivatisierungsverfahrens ist, verpflichtet, über die Fähigkeit zu verfügen, die Durchführung der diesem Luftfahrtunternehmen obliegenden Gemeinwohlverpflichtungen zu gewährleisten, und

eine Anforderung, die diesen Erwerber verpflichtet, den Sitz und die tatsächliche Leitung dieses Luftfahrtunternehmens im betroffenen Mitgliedstaat zu belassen, da die Verlegung des Hauptgeschäftssitzes dieses Unternehmens außerhalb dieses Mitgliedstaats für es zum Verlust der Verkehrsrechte führen würde, die ihm in bilateralen Abkommen zwischen diesem Mitgliedstaat und Drittländern, zu denen dieser Staat besondere historische, kulturelle und soziale Beziehungen unterhält, eingeräumt sind; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass in diesem Lastenheft die Anforderung enthalten ist, dass der Erwerber der genannten Beteiligung den Erhalt und die Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis („hub“) sicherzustellen hat.

Kosten

84

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist dahin auszulegen, dass sie nicht für die Prüfung erheblich ist, ob bestimmte Anforderungen hinsichtlich der Tätigkeiten eines Luftfahrtunternehmens, die dem Erwerber einer qualifizierten Beteiligung am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens auferlegt werden, insbesondere die Anforderung, dass der Erwerber verpflichtet ist, Gemeinwohlverpflichtungen zu erfüllen und die nationale Operationsbasis („hub“) dieses Unternehmens zu erhalten und zu entwickeln, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

 

2.

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er nicht dem entgegensteht, dass in das Lastenheft über die Bedingungen für ein Reprivatisierungsverfahren eines Luftfahrtunternehmens aufgenommen werden:

eine Anforderung, die den Erwerber der Beteiligung, die Gegenstand dieses Reprivatisierungsverfahrens ist, verpflichtet, über die Fähigkeit zu verfügen, die Durchführung der diesem Luftfahrtunternehmen obliegenden Gemeinwohlverpflichtungen zu gewährleisten, und

eine Anforderung, die diesen Erwerber verpflichtet, den Sitz und die tatsächliche Leitung dieses Luftfahrtunternehmens im betroffenen Mitgliedstaat zu belassen, da die Verlegung des Hauptgeschäftssitzes dieses Unternehmens außerhalb dieses Mitgliedstaats für es zum Verlust der Verkehrsrechte führen würde, die ihm in bilateralen Abkommen zwischen diesem Mitgliedstaat und Drittländern, zu denen dieser Staat besondere historische, kulturelle und soziale Beziehungen unterhält, eingeräumt sind; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass in diesem Lastenheft die Anforderung enthalten ist, dass der Erwerber der genannten Beteiligung den Erhalt und die Entwicklung der bestehenden nationalen Operationsbasis („hub“) sicherzustellen hat.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Portugiesisch.

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