EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62017CJ0167

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 17. Oktober 2018.
Volkmar Klohn gegen An Bord Pleanála.
Vorabentscheidungsersuchen des Supreme Court (Irland).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten – Recht zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen einen Zulassungsbescheid – Erfordernis, dass ein Verfahren nicht übermäßig teuer sein darf – Begriff – Zeitliche Geltung – Unmittelbare Wirkung – Einfluss auf einen in Rechtskraft erwachsenen nationalen Kostenfestsetzungsbeschluss.
Rechtssache C-167/17.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:833

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

17. Oktober 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten – Recht zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen einen Zulassungsbescheid – Erfordernis, dass ein Verfahren nicht übermäßig teuer sein darf – Begriff – Zeitliche Geltung – Unmittelbare Wirkung – Einfluss auf einen in Rechtskraft erwachsenen nationalen Kostenfestsetzungsbeschluss“

In der Rechtssache C‑167/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 23. März 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2017, in dem Verfahren

Volkmar Klohn

gegen

An Bord Pleanála,

Beteiligte:

Sligo County Council,

Maloney and Matthews Animal Collections Ltd,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev, E. Regan und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Herrn Klohn, vertreten durch sich selbst und durch B. Ohlig, advocate,

von An Bord Pleanála, vertreten durch A. Doyle, Solicitor, und B. Foley, BL,

von Irland, vertreten durch M. Browne, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von M. Gray und H. Godfrey, BL, sowie von R. Mulcahy, SC,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Zadra, G. Gattinara und J. Tomkin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Juni 2018

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. 2003, L 156, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: geänderte Richtlinie 85/337).

2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Volkmar Klohn und An Bord Pleanála (nationaler Raumordnungsrat, Irland) über die Auferlegung der Kosten des Gerichtsverfahrens, das Herr Klohn gegen die von An Bord Pleanála erteilte Baugenehmigung für die Errichtung einer Anlage zur Untersuchung gefallener Tiere aus ganz Irland in Achonry im County Sligo (Grafschaft Sligo, Irland) angestrengt hat.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

3

In der Präambel des am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichneten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus), heißt es:

„…

ferner in der Erkenntnis, dass jeder Mensch das Recht hat, in einer seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zu leben, und dass er sowohl als Einzelperson als auch in Gemeinschaft mit anderen die Pflicht hat, die Umwelt zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu schützen und zu verbessern;

in Erwägung dessen, dass Bürger zur Wahrnehmung dieses Rechts und zur Erfüllung dieser Pflicht Zugang zu Informationen, ein Recht auf Beteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten haben müssen, und in Anbetracht der Tatsache, dass sie in dieser Hinsicht gegebenenfalls Unterstützung benötigen, um ihre Rechte wahrnehmen zu können;

mit dem Anliegen, dass die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen haben soll, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden und das Recht durchgesetzt wird;

…“

4

Art. 1 („Ziel“) des Übereinkommens von Aarhus lautet:

„Um zum Schutz des Rechts jeder männlichen/weiblichen Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer seiner/ihrer Gesundheit und seinem/ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt beizutragen, gewährleistet jede Vertragspartei das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen.“

5

Art. 3 („Allgemeine Bestimmungen“) dieses Übereinkommens bestimmt in Abs. 8:

„Jede Vertragspartei stellt sicher, dass Personen, die ihre Rechte im Einklang mit diesem Übereinkommen ausüben, hierfür nicht in irgendeiner Weise bestraft, verfolgt oder belästigt werden. Diese Bestimmung berührt nicht die Befugnis innerstaatlicher Gerichte, in Gerichtsverfahren angemessene Gerichtskosten zu erheben.“

6

Art. 9 („Zugang zu Gerichten“) des Übereinkommens sieht vor:

„(1)   Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Artikel 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat. …

(2)   Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

a)

die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)

eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder nichtstaatlichen Organisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

(3)   Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

(4)   Zusätzlich und unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Entscheidungen nach diesem Artikel werden in Schriftform getroffen oder festgehalten.

Gerichtsentscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich.

(5)   Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellt jede Vertragspartei sicher, dass der Öffentlichkeit Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zur Verfügung gestellt werden; ferner prüft jede Vertragspartei die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern.“

Unionsrecht

7

Die geänderte Richtlinie 85/337 sieht vor, dass öffentliche und private Projekte, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung sind. Sie führt zudem Verpflichtungen bei der Beteiligung und Anhörung der Öffentlichkeit im Entscheidungsprozess über die Genehmigung solcher Projekte ein.

8

Nach dem Beitritt der Europäischen Union zum Übereinkommen von Aarhus erließ der Unionsgesetzgeber die Richtlinie 2003/35, die mit Art. 3 Nr. 7 in die Richtlinie 85/337 einen Art. 10a einfügte, der wie folgt lautet:

„Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

a)

ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)

eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a) dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b) dieses Artikels verletzt werden können.

Dieser Artikel schließt die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Öffentlichkeit praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zugänglich gemacht werden.“

9

Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/35 „setzen [die Mitgliedstaaten] die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 25. Juni 2005 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.“

10

Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337 wurde in Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1) übernommen.

Irisches Recht

11

Das irische System des gerichtlichen Rechtsschutzes umfasst zwei Schritte. Die Rechtsuchenden müssen zunächst unter Darlegung der Begründung ihres Rechtsbehelfs und ihrer Anträge beim High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) die Zulassung (leave) der gerichtlichen Überprüfung beantragen. Erst wenn diese Zulassung erteilt wurde, kann der Rechtsbehelf eingelegt werden.

12

Nach Order 99 der Rules of the Superior Courts (Verfahrensordnung der Obergerichte) „hängt [die Kostentragung] vom Ausgang des Verfahrens ab“. Daher werden dem unterlegenen Rechtsuchenden grundsätzlich zu seinen eigenen Kosten die Kosten der anderen Partei auferlegt. Dies ist die allgemeine Regel; der High Court (Hoher Gerichtshof) kann jedoch im Ermessenswege davon abweichen, wenn dies durch die besonderen Umstände des Falles gerechtfertigt ist.

13

Das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht befindet nur über die Kostenverteilung. Im Anschluss werden die der unterlegenen Partei auferlegten Kosten in einer gesonderten Entscheidung des Taxing Master (im Folgenden: Kostenfestsetzungsbeamter), eines speziell mit der Festsetzung der Kosten beauftragten Richters, anhand der von der obsiegenden Partei vorgelegten Nachweise beziffert. Gegen diese Entscheidung kann ein Rechtsbehelf eingelegt werden.

14

In seinem Urteil vom 16. Juli 2009, Kommission/Irland (C‑427/07, EU:C:2009:457, Rn. 92 bis 94), hat der Gerichtshof festgestellt, dass Irland die in Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337 getroffene Regelung, dass Verfahren nicht „übermäßig teuer“ sein dürfen, nicht in nationales Recht umgesetzt hatte.

15

Um die Folgerungen aus der Feststellung dieser Vertragsverletzung zu ziehen, fügte Irland im Jahr 2011 in das Gesetz über Raumplanung und ‑entwicklung eine Section 50 B ein, nach der im Geltungsbereich dieses Gesetzes jede Partei grundsätzlich ihre eigenen Kosten zu tragen hat. Der Ausgangsrechtsstreit fällt jedoch nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16

Im Jahr 2004 erteilte An Bord Pleanála der Maloney and Matthews Animal Collections Ltd eine Genehmigung für die Errichtung einer Anlage zur Untersuchung gefallener Tiere aus ganz Irland (Tierkörper-Untersuchungseinrichtung) in Achonry. Die Errichtung dieser Anlage war als Teil der Reaktion auf die spongiforme Rinderenzephalopathieseuche beschlossen worden.

17

Am 24. Juni 2004 stellte Herr Klohn, der Eigentümer eines Hofes in der Nähe dieser Anlage, bei An Bord Pleanála einen Antrag auf Zulassung der gerichtlichen Überprüfung dieser Baugenehmigung. Dem Antrag wurde am 31. Juli 2007 stattgegeben.

18

Mit einem Urteil vom 23. April 2008 wies der High Court (Hoher Gerichtshof) die Klage von Herrn Klohn ab.

19

Am 6. Mai 2008 erlegte der High Court (Hoher Gerichtshof) Herrn Klohn die An Bord Pleanála entstandenen Kosten auf. Dieser Beschluss wurde nicht angefochten.

20

Im Verfahren vor dem nach dem nationalen Recht für die Bemessung der zu erstattenden Kosten zuständigen Kostenfestsetzungsbeamten des High Court (Hoher Gerichtshof) machte Herr Klohn geltend, dass die Höhe der ihm auferlegten Kosten nach Art. 3 Abs. 8 und Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus sowie nach Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337 nicht „übermäßig teuer“ sein dürfe.

21

Mit Entscheidung vom 24. Juni 2010 erklärte sich der Kostenfestsetzungsbeamte für nach irischem Recht für die Beurteilung, ob die Kosten übermäßig teuer seien, nicht befugt und setzte die An Bord Pleanála von Herrn Klohn zu erstattenden Kosten auf etwa 86000 Euro fest.

22

Der High Court (Hoher Gerichtshof), der mit einem Antrag des Betroffenen auf Überprüfung der Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten befasst wurde, bestätigte diese Entscheidung.

23

Gegen das Urteil des High Court (Hoher Gerichtshof) legte Herr Klohn Rechtsmittel beim Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) ein.

24

Der Supreme Court (Oberster Gerichtshof) hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist die Regelung des Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337, wonach Verfahren „nicht übermäßig teuer“ sein dürfen, möglicherweise in irgendeiner Weise in einem Fall wie dem vorliegenden anwendbar, in dem die in dem Verfahren angefochtene Projektgenehmigung vor dem spätesten Zeitpunkt für die Umsetzung dieser Richtlinie erteilt wurde und auch das Verfahren zur Anfechtung dieser Projektgenehmigung bereits vor diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde? Wenn ja, gilt dann diese Regelung für sämtliche in dem Verfahren entstandenen Kosten oder nur für die Kosten, die nach dem spätesten Umsetzungsdatum entstanden sind?

2.

Hat ein nationales Gericht, das bei seiner Entscheidung über die Kosten zulasten der unterliegenden Partei über ein Ermessen verfügt, bei Fehlen einer vom fraglichen Mitgliedstaat erlassenen speziellen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337 im Rahmen seiner Kostenentscheidung in einem unter diese Bestimmung fallenden Verfahren sicherzustellen, dass die Kostenentscheidung das Verfahren „nicht übermäßig teuer“ werden lässt, weil entweder die einschlägigen Bestimmungen unmittelbare Wirkung haben oder weil das Gericht des fraglichen Mitgliedstaats sein nationales Verfahrensrecht so auszulegen hat, dass es so weit wie möglich mit den Zielen des Art. 10a in Einklang steht?

3.

Wenn eine Kostenentscheidung keine Einschränkungen enthält und nach nationalem Recht, da gegen sie kein Rechtsmittel eingelegt wurde, als endgültig betrachtet würde, erfordert dann das Unionsrecht, dass entweder

a)

der Kostenfestsetzungsbeamte, der nach dem nationalen Recht den Kostenbetrag zu ermitteln hat, den die obsiegende Partei vernünftigerweise aufgewandt hat, oder

b)

ein Gericht, bei dem die Überprüfung einer Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten beantragt wurde,

gleichwohl verpflichtet ist, von den sonst geltenden Vorschriften des nationalen Rechts abzuweichen und den zu erstattenden Kostenbetrag so festzusetzen, dass sichergestellt wird, dass die festgesetzten Kosten das Verfahren nicht übermäßig teuer werden lassen?

Zu den Vorlagefragen

Zur zweiten Frage

25

Mit seiner zweiten Frage, die als Erstes zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Erfordernis in Art. 10a Abs. 5 der geänderten Richtlinie 85/337, dass bestimmte Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten nicht übermäßig teuer sein dürfen (im Folgenden: Kostenregel), unmittelbare Wirkung hat oder das nationale Gericht das innerstaatliche Recht lediglich in einer Weise auszulegen hat, die so weit wie möglich zu einem mit dem Zweck dieser Regel vereinbaren Ergebnis führen kann.

26

Die Frage der unmittelbaren Wirkung der Kostenregel stellt sich im Ausgangsrechtsstreit, weil Irland Art. 10a Abs. 5 der geänderten Richtlinie 85/337 nicht innerhalb der in Art. 6 der Richtlinie 2003/35 vorgesehenen Frist, d. h. bis zum 25. Juni 2005, umgesetzt hatte. Der Gerichtshof hat diese Vertragsverletzung im Urteil vom 16. Juli 2009, Kommission/Irland (C‑427/07, EU:C:2009:457, Rn. 92 bis 94 und Tenor), festgestellt. Darüber hinaus ergibt sich aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass eine nationale Vorschrift zur Umsetzung der Kostenregel in innerstaatliches Recht erst im Jahr 2011 erlassen wurde, d. h. nach der Entscheidung in der Sache, mit der das gerichtliche Verfahren, dessen Kostenfestsetzung im Ausgangsverfahren in Rede steht, abgeschlossen wurde.

27

Es ist darauf hinzuweisen, dass Bestimmungen des Unionsrechts unmittelbar gelten, wenn sie dem Einzelnen Rechte verleihen, die dieser bei den Gerichten eines Mitgliedstaats geltend machen kann (Urteil vom 4. Dezember 1974, van Duyn, 41/74, EU:C:1974:133, Rn. 4 und 8).

28

Durch solche Bestimmungen wird den Mitgliedstaaten eine eindeutige Verpflichtung auferlegt, die zu ihrer Wirksamkeit keiner weiteren Maßnahme der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf und Letzteren bei der Durchführung keinen Ermessensspielraum überlässt (Urteil vom 4. Dezember 1974, van Duyn, 41/74, EU:C:1974:133, Rn. 6).

29

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass Art. 10a Abs. 5 der geänderten Richtlinie 85/337 lediglich vorschreibt, dass die betreffenden Gerichtsverfahren „fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt“ werden. Angesichts der allgemeinen Wendungen können diese Vorschriften kaum dahin verstanden werden, dass sie den Mitgliedstaaten hinreichend eindeutige Verpflichtungen auferlegen, die zu ihrer Durchführung keiner nationalen Maßnahmen bedürfen.

30

Sodann hat der Gerichtshof entschieden, dass die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Verfahrensautonomie und vorbehaltlich der Einhaltung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität über einen Gestaltungsspielraum bei der Durchführung von Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337 verfügen (Urteile vom 16. Februar 2012, Solway u. a., C‑182/10, EU:C:2012:82, Rn. 47, sowie vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a., C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 30).

31

Schließlich hat sich der Gerichtshof insbesondere zur unmittelbaren Wirkung der Kostenregel geäußert. Diese Regel ist nämlich sehr ähnlich formuliert auch in Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus enthalten. Die Ähnlichkeit ist nicht zufällig, da, wie sich aus dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/35 ergibt, mit dieser Richtlinie, mit der Art. 10a in die Richtlinie 85/337 eingefügt wurde, das Gemeinschaftsrecht gerade an das Übereinkommen von Aarhus aufgrund seiner Billigung durch die Gemeinschaft angeglichen werden sollte.

32

Der Gerichtshof hat allerdings im Urteil vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy (C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 52 und 58), festgestellt, dass Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus keine unmittelbare Wirkung hat.

33

Da der Gerichtshof die unmittelbare Anwendbarkeit von Bestimmungen eines von der Union unterzeichneten Abkommens nicht anhand anderer Kriterien beurteilt, als er sie zur Feststellung verwendet, ob die Bestimmungen einer Richtlinie unmittelbar anwendbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. September 1987, Demirel, 12/86, EU:C:1987:400, Rn. 14), kann aus dem in der vorstehenden Randnummer genannten Urteil auch geschlossen werden, dass die in Art. 10a Abs. 5 der geänderten Richtlinie 85/337 enthaltene Kostenregelung keine unmittelbare Wirkung hat.

34

Unter Berücksichtigung der fehlenden unmittelbaren Wirkung der fraglichen Bestimmungen der geänderten Richtlinie 85/337 und ihrer verspäteten Umsetzung in die Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats, sind dessen nationale Gerichte verpflichtet, so weit wie möglich das innerstaatliche Recht ab Ablauf der den Mitgliedstaaten eingeräumten Umsetzungsfrist auszulegen, um den mit diesen Bestimmungen angestrebten Zweck zu erreichen, indem sie die diesem Zweck am besten entsprechende Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften wählen und damit zu einer mit den Bestimmungen dieser Richtlinie vereinbaren Lösung gelangen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2006, Adelener u. a., C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 115 und Tenor).

35

Der Zweck, den der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Kostenregel in Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337 verfolgte, verlangt, dass der Einzelne nicht aufgrund der möglicherweise resultierenden finanziellen Belastung daran gehindert wird, einen gerichtlichen Rechtsbehelf, der in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt, einzulegen oder weiterzuverfolgen (Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos, C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 35). Dieser Zweck, der darin besteht, der breiten Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu den Gerichten zu gewähren, soll nach dem Willen des Unionsgesetzgebers allgemein dazu beitragen, die Qualität der Umwelt zu erhalten, zu schützen und zu verbessern und der Öffentlichkeit dabei eine aktive Rolle zukommen zu lassen sowie die Wahrung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und des Effektivitätsgrundsatzes zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos, C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 31 bis 33).

36

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 10a Abs. 5 der geänderten Richtlinie 85/337 dahin auszulegen ist, dass die darin enthaltene Kostenregel keine unmittelbare Wirkung hat. Hat ein Mitgliedstaat diesen Artikel nicht umgesetzt, sind dessen nationale Gerichte gleichwohl verpflichtet, ab Ablauf der Frist für die Umsetzung dieses Artikels das innerstaatliche Recht so weit wie möglich in einer Weise auszulegen, dass der Einzelne nicht aufgrund der möglicherweise resultierenden finanziellen Belastung daran gehindert wird, einen gerichtlichen Rechtsbehelf, der in den Anwendungsbereich dieses Artikels fällt, einzulegen oder weiterzuverfolgen.

Zur ersten Frage

37

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337 enthaltene Kostenregel auf ein Verfahren wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende anwendbar ist, das vor dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für die Umsetzung dieses Artikels eingeleitet wurde. Sollte dies zu bejahen sein, möchte das vorlegende Gericht auch wissen, ob diese Regel für sämtliche in diesem Verfahren entstandene Kosten gilt oder nur für die Kosten, die nach Ablauf dieser Umsetzungsfrist entstanden sind.

38

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine neue Vorschrift grundsätzlich unmittelbar auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts anzuwenden, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist (Urteile vom 11. Dezember 2008, Kommission/Freistaat Sachsen, C‑334/07 P, EU:C:2008:709, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 6. Juli 2010, Monsanto Technology, C‑428/08, EU:C:2010:402, Rn. 66, sowie vom 6. Oktober 2015, Kommission/Andersen, C‑303/13 P, EU:C:2015:647, Rn. 49).

39

Etwas anderes gilt nur – und vorbehaltlich des Verbots der Rückwirkung von Rechtsakten –, wenn zusammen mit der Neuregelung besondere Vorschriften getroffen werden, die speziell die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung regeln (Urteil vom 16. Dezember 2010, Stichting Natuur en Milieu u. a., C‑266/09, EU:C:2010:779, Rn. 32).

40

Daher sind die Rechtsakte zur Umsetzung einer Richtlinie vom Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist an auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts anzuwenden, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist, es sei denn, diese Richtlinie sieht etwas anderes vor.

41

Die Richtlinie 2003/35 enthält indes keine besondere Vorschrift hinsichtlich der Voraussetzungen für die zeitliche Geltung des neuen Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337 (Urteil vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a., C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 23).

42

Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 10a der geänderten Richtlinie 85/337 dahin auszulegen ist, dass die zur Umsetzung dieses Artikels ergangenen Vorschriften des nationalen Rechts für bei Ablauf der Umsetzungsfrist für diese Vorschrift laufende behördliche Genehmigungsverfahren gelten müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a., C‑72/12, EU:C:2013:712, Rn. 31).

43

Ist wie im Ausgangsrechtsstreit kein Umsetzungsakt innerhalb der hierfür nach einer Richtlinie vorgesehenen Frist ergangen, ist davon auszugehen, dass die Verpflichtung, das nationale Recht gemäß der nicht umgesetzten Regel auszulegen, auch unter den oben in den Rn. 39 und 40 dargelegten Bedingungen ab Ablauf dieser Frist gilt.

44

Unter diesen Umständen ist das nationale Gericht nämlich verpflichtet, das innerstaatliche Recht auszulegen, um, wie in Rn. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, so weit wie möglich das von den nicht umgesetzten Bestimmungen einer Richtlinie angestrebte Ergebnis zu erreichen. Dazu gehört jedoch die unmittelbare Anwendbarkeit einer neuen aus einer Richtlinie hervorgegangenen Vorschrift auf künftige Auswirkungen eines bestehenden Sachverhalts ab dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie, es sei denn, die betroffene Richtlinie sieht etwas anderes vor.

45

Daher sind die nationalen Gerichte verpflichtet, das innerstaatliche Recht ab Ablauf der Umsetzungsfrist einer nicht umgesetzten Richtlinie in der Weise auszulegen, dass die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist, unmittelbar mit den Bestimmungen dieser Richtlinie vereinbar werden.

46

Im Hinblick auf den Zweck der Kostenregel, in bestimmten Gerichtsverfahren die Kostenverteilung zu ändern, ist ein vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2003/35 eingeleitetes Verfahren als Sachverhalt anzusehen, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist. Daher stellt die Kostenentscheidung, die das Gericht bei Abschluss des Verfahrens trifft, eine künftige und zudem ungewisse Auswirkung des laufenden Verfahrens dar. Die nationalen Gerichte sind somit verpflichtet, bei ihrer Kostenentscheidung in Verfahren, die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist dieser Richtlinie anhängig waren, das innerstaatliche Recht so weit wie möglich auszulegen, um eine mit dem Zweck der Kostenregel vereinbare Lösung zu erzielen.

47

Insoweit braucht nicht danach unterschieden werden, ob die Kosten tatsächlich vor oder ob sie nach Ablauf der Umsetzungsfrist entstanden sind, soweit die Kostenentscheidung zu diesem Zeitpunkt noch nicht ergangen und daher die Verpflichtung, das innerstaatliche Recht im Einklang mit der Kostenregel auszulegen, wie in der vorstehenden Randnummer ausgeführt, auf diese Entscheidung anwendbar ist. Darüber hinaus hat der Gerichtshof befunden, dass die Frage, ob ein Verfahren übermäßig teuer ist, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung aller für die betroffene Partei angefallenen Kosten zu beurteilen ist (Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos, C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 28).

48

Die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, findet jedoch in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot, ihre Schranken (Urteil vom 8. November 2016, Ognyanov, C‑554/14, EU:C:2016:835, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Insoweit sieht An Bord Pleanála in der unmittelbaren Anwendbarkeit der Kostenregel auf anhängige Verfahren einen Widerspruch zum Grundsatz der Rechtssicherheit. Die Kostenverteilungsregelung, wie sie von Verfahrensbeginn an bekannt gewesen sei, habe einen Einfluss darauf gehabt, in welcher Höhe die Parteien zur Verteidigung ihrer Rechte Kosten einzugehen bereit gewesen seien.

50

Zwar gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, von dem sich der Grundsatz des Vertrauensschutzes ableitet, u. a., dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen (Urteil vom 22. Juni 2017, Unibet International, C‑49/16, EU:C:2017:491, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51

Zudem kann sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen, bei dem die zuständige Behörde durch bestimmte Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, Nuova Agricast und Cofra/Kommission, C‑67/09 P, EU:C:2010:607, Rn. 71).

52

Im Ausgangsverfahren haben die Parteien jedoch keine Zusicherung erhalten, dass die geltende Kostenverteilungsregelung bis zum Verfahrensende beibehalten werde. Vielmehr konnten sie von Beginn des Verfahrens an, dem 24. Juni 2004, als Herr Klohn die Zulassung eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens beantragt hatte, in Anbetracht der Verpflichtungen Irlands aus der am 25. Juni 2003 in Kraft getretenen Richtlinie 2003/35 damit rechnen, dass diese Vorschrift kurzfristig, spätestens aber bis zum 25. Juni 2005 und damit wahrscheinlich vor Verfahrensende, geändert werden müsse. Insbesondere können sich Irland und An Bord Pleanála als Behörde dieses Mitgliedstaats nicht auf ein berechtigtes Vertrauen in die Beibehaltung einer Vorschrift berufen, die, wie vom Gerichtshof im Urteil vom 16. Juli 2009, Kommission/Irland (C‑427/07, EU:C:2009:457), festgestellt, Irland entgegen der ihm auferlegten Verpflichtung, diese Richtlinie innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu ändern, nicht geändert hat.

53

Der Gerichtshof hat schließlich entschieden, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht so weit ausgedehnt werden kann, dass die Anwendung einer neuen Vorschrift auf die künftigen Auswirkungen von Sachverhalten, die unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden sind, schlechthin ausgeschlossen ist (Urteil vom 6. Oktober 2015, Kommission/Andersen, C‑303/13 P, EU:C:2015:647, Rn. 49).

54

Daher kann An Bord Pleanála nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit der Verpflichtung der nationalen Gerichte entgegensteht, bei ihrer Kostenentscheidung das innerstaatliche Recht im Einklang mit der Kostenregel auszulegen.

55

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 10a Abs. 5 der geänderten Richtlinie 85/337 dahin auszulegen ist, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats bei ihrer Kostenentscheidung in Gerichtsverfahren, die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für die Umsetzung der in diesem Art. 10a Abs. 5 vorgesehenen Kostenregel anhängig waren, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt, zu dem diese Kosten in dem betroffenen Verfahren entstanden sind, zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet sind.

Zur dritten Frage

56

Zum richtigen Verständnis der dritten Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das irische Kostenverfahren in zwei Schritten abläuft. Nach seiner Entscheidung in der Sache äußert sich das angerufene Gericht als Erstes zur Kostenverteilung. Als Zweites setzt der Kostenfestsetzungsbeamte unter der Aufsicht eines Gerichts, nämlich des High Court (Hoher Gerichtshof) und gegebenenfalls sodann des Supreme Court (Oberster Gerichtshof), die Höhe der Kosten fest.

57

Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts zum Ausgangsverfahren erlegte der High Court (Hoher Gerichtshof) Herrn Klohn am 6. Mai 2008 nach Abweisung seiner Klage gemäß Order 99 der Rules of the Superior Courts (Verfahrensordnung der Obergerichte), nach der „die Kostentragung … vom Ausgang des Verfahrens [abhängt]“, die An Bord Pleanála entstandenen Kosten auf. Dieser Beschluss wurde mangels fristgerechter Anfechtung rechtskräftig. Mit Entscheidung vom 24. Juni 2010 bezifferte der Kostenfestsetzungsbeamte die An Bord Pleanála durch Herrn Klohn zu erstattenden Kosten auf etwa 86000 Euro; diese Entscheidung wurde vor dem High Court (Hoher Gerichtshof) und sodann vor dem vorlegenden Gericht angefochten.

58

Vor diesem Hintergrund ist die dritte Frage dahin zu verstehen, dass geklärt werden soll, ob im Ausgangsrechtsstreit angesichts der Rechtskraft des Beschlusses des High Court (Hoher Gerichtshof) vom 6. Mai 2008, der in Bezug auf die Kostenverteilung rechtskräftig wurde, die nationalen Gerichte bei einer Entscheidung über den Rechtsbehelf des Rechtsmittelführers des Ausgangsverfahrens gegen die Kostenfestsetzungsentscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten verpflichtet sind, das innerstaatliche Recht in der Weise auszulegen, dass dieser Rechtsmittelführer keine übermäßig teuren Kosten trägt.

59

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der fraglichen Richtlinie auslegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen (Urteil vom 4. Juli 2006, Adelener u. a., C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 108 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

60

Die Verpflichtung zu einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem System des AEU-Vertrags immanent, da den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden (Urteil vom 4. Juli 2006, Adelener u. a., C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 109 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Der Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung des innerstaatlichen Rechts unterliegt jedoch bestimmten Schranken.

62

Zum einen wird, wie bereits in Rn. 48 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Verpflichtung des nationalen Gerichts, sich bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts auf den Inhalt einer Richtlinie zu berufen, durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze beschränkt.

63

Insoweit kommt dem Grundsatz der Rechtskraft sowohl in der Unionsrechtsordnung als auch in den nationalen Rechtsordnungen eine besondere Bedeutung zu. Zur Gewährleistung sowohl des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen als auch einer geordneten Rechtspflege sollen nämlich nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können (Urteil vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen, C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64

Auch verlangt es das Unionsrecht nicht, von der Anwendung nationaler Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Gerichtsentscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen (Urteil vom 20. März 2018, Di Puma und Consob, C‑596/16 und C‑597/16, EU:C:2018:192, Rn. 31 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

65

Zum anderen besteht keine Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung, wenn das innerstaatliche Recht nicht so ausgelegt werden kann, dass ein mit dem Ziel der betreffenden Richtlinie vereinbares Ziel erreicht wird. Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung darf, anders gewendet, nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Urteile vom 4. Juli 2006, Adelener u. a., C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 110, sowie vom 15. April 2008, Impact, C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 100).

66

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV nicht zuständig ist, zu beurteilen, ob die oben genannten Beschränkungen einer mit einer unionsrechtlichen Norm vereinbaren Auslegung des innerstaatlichen Rechts entgegenstehen. Grundsätzlich ist es nicht Sache des Gerichtshofs, in einem Vorabentscheidungsverfahren über die Auslegung des nationalen Rechts zu entscheiden (Urteil vom 1. Dezember 1965, Dekker, 33/65, EU:C:1965:118), da dafür allein das nationale Gericht zuständig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2013, Ottica New Line, C‑539/11, EU:C:2013:591, Rn. 48).

67

Es obliegt daher dem vorlegenden Gericht, die Rechtskraft des Beschlusses vom 6. Mai 2008, mit dem der High Court (Hoher Gerichtshof) Herrn Klohn die Kosten des betreffenden Verfahrens auferlegte, zu beurteilen, um festzustellen, ob und inwieweit im Ausgangsrechtsstreit eine der Kostenregel entsprechende Auslegung des innerstaatlichen Rechts möglich ist.

68

Unter diesen Umständen kann der Gerichtshof nur Klarstellungen vornehmen, um dem vorlegenden Gericht eine Richtschnur für seine Beurteilung zu geben (Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 77), und ihm anzeigen, welche Auslegung des innerstaatlichen Rechts seiner Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung genügen würde.

69

Insoweit ist festzustellen, dass der Kostenentscheidung des High Court (Hoher Gerichtshof) vom 6. Mai 2008, mit der Herrn Klohn die Kosten von An Bord Pleanála auferlegt wurden, nicht demselben Zweck dient wie die Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten, die zu dem Verfahren vor dem vorlegenden Gericht führte, da mit der Kostenentscheidung insbesondere nicht die genaue Höhe der dem Rechtsmittelführer des Ausgangsverfahrens auferlegten Kosten festgesetzt wurde. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erstreckt sich jedoch die Rechtskraft nur auf das rechtliche Begehren, über das das Gericht zu entscheiden hat. Es hindert demnach den Kostenfestsetzungsbeamten oder ein Gericht nicht daran, im Rahmen eines späteren Rechtsstreits über Rechtsfragen zu entscheiden, über die in dieser unanfechtbaren Entscheidung nicht entschieden wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen, C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 36).

70

Zudem würde eine Auslegung, nach der An Bord Pleanála angesichts des engen Zusammenhangs zwischen der Kostenentscheidung und der Kostenfestsetzung berechtigt wäre, alle für seine Verteidigung angefallenen angemessenen Kosten zu beanspruchen, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit des Unionsrechts verstoßen. Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 114 seiner Schlussanträge festgestellt hat, konnte Herrn Klohn bis zur Entscheidung des Kostenfestsetzungsbeamten, die ein Jahr nach der Kostenentscheidung erging, weder die Höhe der Kosten, die er den obsiegenden Parteien möglicherweise zu erstatten hatte, bewusst sein noch konnte er in Kenntnis des Sachverhalts die erste dieser Entscheidungen anfechten. Die Höhe der An Bord Pleanála zu erstattenden Kosten, wie vom Kostenfestsetzungsbeamten festgesetzt, war umso weniger vorhersehbar, als sie beinahe dreimal so hoch war wie die ihm selbst in dem betreffenden Verfahren entstandenen Kosten.

71

Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 10a Abs. 5 der geänderten Richtlinie 85/337 dahin auszulegen ist, dass in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens ein nationales Gericht, das über die Kostenhöhe zu entscheiden hat, zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet ist, soweit dieser die Rechtskraft der Kostenentscheidung nicht entgegensteht; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Kosten

72

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass das darin vorgesehene Erfordernis, dass bestimmte Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten nicht übermäßig teuer sein dürfen, keine unmittelbare Wirkung hat. Hat ein Mitgliedstaat diesen Artikel nicht umgesetzt, sind dessen nationalen Gerichte gleichwohl verpflichtet, ab Ablauf der Frist für die Umsetzung dieses Artikels das innerstaatliche Recht so weit wie möglich in einer Weise auszulegen, dass der Einzelne nicht aufgrund der möglicherweise resultierenden finanziellen Belastung daran gehindert wird, einen gerichtlichen Rechtsbehelf, der in den Anwendungsbereich dieses Artikels fällt, einzulegen oder weiterzuverfolgen.

 

2.

Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats bei ihrer Kostenentscheidung in Gerichtsverfahren, die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für die Umsetzung des in diesem Art. 10a Abs. 5 vorgesehenen Erfordernisses, dass bestimmte Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten nicht übermäßig teuer sein dürfen, anhängig waren, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt, zu dem diese Kosten in dem betroffenen Verfahren entstanden sind, zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet sind.

 

3.

Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens ein nationales Gericht, das über die Kostenhöhe zu entscheiden hat, zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet ist, soweit dieser die Rechtskraft der Kostenentscheidung nicht entgegensteht; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

Top