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Document 62017CC0591

    Schlussanträge des Generalanwalts N. Wahl vom 6. Februar 2019.
    Republik Österreich gegen Bundesrepublik Deutschland.
    Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV – Regelung eines Mitgliedstaats, die eine Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen vorsieht – Situation, in der den Haltern von in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugen eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in Höhe dieser Abgabe gewährt wird.
    Rechtssache C-591/17.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2019:99

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    NILS WAHL

    vom 6. Februar 2019 ( 1 )

    Rechtssache C‑591/17

    Republik Österreich

    gegen

    Bundesrepublik Deutschland

    „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 259 AEUV – Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV – Richtlinie 1999/62/EG – Benutzung von Autobahnen – Infrastrukturabgabe für Fahrzeuge mit einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen – Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer – Mittelbare Diskriminierung – Maßnahmen gleicher Wirkung – Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit – Gemeinsame Verkehrspolitik – Stillhalteklausel“

    1. 

    Du sollst nicht diskriminieren.

    2. 

    Wäre es möglich, den gesamten Bestand des Unionsrechts in wenigen Geboten zusammenzufassen, wäre das Diskriminierungsverbot, insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, wahrscheinlich eines der ersten.

    3. 

    Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist in Art. 18 AEUV und Art. 21 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankert, während der umfassendere Grundsatz der Nichtdiskriminierung, von dem es eine Ausprägung ist, zu den Grundwerten der Union (Art. 2 EUV) und zu den Rechten gehört, die durch die Charta geschützt sind (Art. 21 der Charta).

    4. 

    Dieser Grundsatz steht im Mittelpunkt der vorliegenden Rechtssache, einer der seltenen Rechtssachen, in denen ein Mitgliedstaat gemäß Art. 259 AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen anderen Mitgliedstaat eingeleitet hat.

    5. 

    Die Republik Österreich macht in ihren Ausführungen im Wesentlichen geltend, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen mehrere Bestimmungen des Unionsrechts verstoßen habe, dass sie: i) eine Infrastrukturabgabe für alle Benutzer des Autobahnnetzes (im Folgenden: Infrastrukturabgabe) und ii) eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer – die von den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen (im Folgenden: inländische Fahrzeuge) zu zahlen ist – in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der von diesen Fahrzeughaltern zu zahlenden Infrastrukturabgabe entspreche (im Folgenden: Steuerentlastung), festgelegt habe ( 2 ). Nach Ansicht der Republik Österreich führen die in Rede stehenden Maßnahmen in der Kombination insbesondere dazu, dass in der Praxis nur die Fahrer von Fahrzeugen, die in anderen Mitgliedstaaten zugelassen seien (im Folgenden: ausländische Fahrzeuge), der Infrastrukturabgabe unterlägen, was zu einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führe.

    6. 

    In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich die Gründe darlegen, aus denen ich der Auffassung bin, dass die Klage der österreichischen Regierung abgewiesen werden sollte. Insbesondere werde ich erläutern, warum das Vorbringen, das sich auf eine angebliche Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit stützt, auf einem grundlegenden Missverständnis des Begriffs „Diskriminierung“ beruht.

    I. Rechtlicher Rahmen

    A.   Unionsrecht

    7.

    Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (auch Eurovignetten-Richtlinie genannt) ( 3 ) in geänderter Fassung sieht vor:

    „Unbeschadet des Artikels 9 Absatz 1a dürfen die Mitgliedstaaten unter den in den Absätzen 2, 3, 4 und 5 dieses Artikels und in den Artikeln 7a bis 7k genannten Bedingungen Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf dem transeuropäischen Straßennetz oder auf bestimmten Abschnitten dieses Netzes und zusätzlich auf anderen Abschnitten ihrer Autobahnnetze, die nicht zum transeuropäischen Straßennetz gehören, beibehalten oder einführen. Das Recht der Mitgliedstaaten, unter Beachtung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf anderen Straßen zu erheben, bleibt hiervon unberührt, sofern die Erhebung von Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf solchen anderen Straßen den internationalen Verkehr nicht diskriminiert und nicht zur Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen führt.“

    8.

    Art. 7k der Richtlinie bestimmt:

    „Diese Richtlinie berührt nicht die Freiheit der Mitgliedstaaten, die ein System von Maut- und/oder Benutzungsgebühren für Verkehrswege einführen, unbeschadet der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union einen angemessenen Ausgleich für diese Gebühren vorzusehen.“

    B.   Deutsches Recht

    9.

    Die relevantesten Bestimmungen des nationalen Rechts (im Folgenden: in Rede stehende nationale Rechtsvorschriften) sind:

    1. Infrastrukturabgabengesetz

    10.

    Die Infrastrukturabgabe wurde mit dem Infrastrukturabgabengesetz (InfrAG) vom 8. Juni 2015 ( 4 ) in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes vom 18. Mai 2017 eingeführt ( 5 ). § 1 InfrAG sieht die Zahlung einer Abgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen im Sinne von § 1 des Bundesfernstraßengesetzes ( 6 ) vor.

    11.

    Gemäß den §§ 3 und 7 InfrAG ist die Infrastrukturabgabe für inländische Fahrzeuge vom Fahrzeughalter in Form einer Jahresvignette zu entrichten. Gemäß § 5 Abs. 1 InfrAG wird die Höhe der Infrastrukturabgabe durch Bescheid von der zuständigen Behörde festgelegt. Die Abgabe gilt als zum Zeitpunkt der Zulassung des Fahrzeugs entrichtet.

    12.

    Bei im Ausland zugelassenen Fahrzeugen gilt die Verpflichtung zur Zahlung der Infrastrukturabgabe entweder dem Halter oder dem Fahrer des Fahrzeugs während der Benutzung auf den Straßen, die der Infrastrukturabgabe unterliegen, und entsteht gemäß § 5 Abs. 4 InfrAG mit der ersten Benutzung solcher Straßen nach einem Grenzübertritt. Die Infrastrukturabgabe ist in Form einer Vignette zu entrichten. Insoweit besteht die Wahl zwischen einer Zehntagesvignette, einer Zweimonatsvignette und einer Jahresvignette.

    13.

    Die Höhe der zu zahlenden Abgabe ist in Abs. 1 der Anlage zu § 8 InfrAG festgelegt. Sie wird auf der Grundlage des Zylinderhubraums des Motors, der Art des Motors (Fremdzündungs- oder Selbstzündungsmotor) und der Emissionsklasse berechnet. Der Preis einer Zehntagesvignette liegt zwischen mindestens 2,50 Euro und höchstens 25 Euro. Der Preis der Zweimonatsvignette liegt zwischen mindestens 7 Euro und höchstens 55 Euro. Die Jahresvignette hat einen Höchstpreis von 130 Euro.

    14.

    Werden abgabenpflichtige Straßen ohne gültige Vignette benutzt oder wurde die Vignette zu niedrig berechnet, wird die Abgabe nachträglich gemäß § 12 InfrAG erhoben. In diesem Fall entspricht die zu zahlende Abgabe dem Betrag der Jahresvignette oder der Differenz zwischen dem bereits gezahlten Betrag und dem Betrag der Jahresvignette.

    15.

    § 11 InfrAG sieht eine stichprobenartige Überwachung vor, um die Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung der Infrastrukturabgabe zu überprüfen. Gemäß § 11 Abs. 7 InfrAG können die Behörden von der für einen Verstoß verantwortlichen Person am Ort der Überwachung die Abgabe und eine Sicherheitsleistung in Höhe des nach § 14 InfrAG zu verhängenden Bußgelds nebst Verfahrenskosten erheben. Darüber hinaus kann dem Fahrer die Weiterfahrt untersagt werden, wenn die Abgabe trotz Aufforderung am Ort der Überwachung nicht entrichtet wird und berechtigte Zweifel an einer späteren Zahlung der Abgabe bestehen oder wenn die zur Durchführung der Überwachung erforderlichen Unterlagen nicht ausgehändigt werden, die verlangten Auskünfte nicht erteilt werden oder eine angeordnete Sicherheitsleistung nicht erbracht wird.

    16.

    Nach § 14 InfrAG stellt es eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann, wenn eine Infrastrukturabgabe nicht, nicht richtig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig entrichtet wird, eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt wird oder einer Anordnung zum Anhalten des Fahrzeugs im Rahmen einer Kontrolle zuwidergehandelt wird.

    2. Kraftfahrzeugsteuergesetz

    17.

    § 9 Abs. 6 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) vom 26. September 2002 ( 7 ) in der durch das Zweite Verkehrsteueränderungsgesetz (2. VerkehrStÄndG) vom 8. Juni 2015 ( 8 ) und das Gesetz zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes vom 6. Juni 2017 ( 9 ) geänderten Fassung sieht eine Steuerentlastung vor, die im Wesentlichen dem Betrag entspricht, der für die Infrastrukturabgabe zu zahlen ist, mit Ausnahme der Halter von Euro‑6-Fahrzeugen, für die der Entlastungsbetrag höher ist.

    18.

    Das Inkrafttreten dieser Bestimmungen hängt gemäß Art. 3 Abs. 2 des 2. VerkehrStÄndG vom Beginn der Erhebung der Infrastrukturabgabe gemäß dem InfrAG ab.

    II. Hintergrund der Rechtssache und Vorverfahren

    A.   Das Verfahren nach Art. 258 AEUV

    19.

    Mit Aufforderungsschreiben vom 18. Juni 2015 und 10. Dezember 2015 leitete die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Kommission rügte zum einen die Auswirkungen der in Rede stehenden Maßnahmen in ihrer Kombination und zum anderen die Preise von Kurzzeitvignetten. Mit den Aufforderungsschreiben wurden die deutschen Behörden auf einen möglichen Verstoß gegen die Art. 18, 34, 45 und 56 AEUV sowie Art. 92 AEUV aufmerksam gemacht. Nach einem Meinungsaustausch mit den deutschen Behörden, und nachdem sie am 28. April 2016 eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgegeben hatte, beschloss die Kommission am 29. September 2016, gemäß Art. 258 AEUV den Gerichtshof mit der Angelegenheit zu befassen.

    20.

    Nachdem der Deutsche Bundestag jedoch am 24. März 2017 bestimmte Änderungen der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften verabschiedet hatte, beschloss die Kommission am 17. Mai 2017, das Vertragsverletzungsverfahren einzustellen.

    B.   Das vorliegende Verfahren nach Art. 259 AEUV

    21.

    Mit Schreiben vom 7. Juli 2017 befasste die Republik Österreich die Kommission gemäß Art. 259 AEUV mit dieser Sache und brachte vor, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Einführung der in Rede stehenden Maßnahmen gegen die Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen habe. Mit Schreiben vom 14. Juli 2017 bestätigte die Kommission den Eingang des Schreibens der Republik Österreich.

    22.

    Mit Schreiben vom 11. August 2017 wies die Bundesrepublik Deutschland das Vorbringen der Republik Österreich zurück. Am 31. August 2017 fand eine Anhörung statt, bei der die Republik Österreich und die Bundesrepublik Deutschland der Kommission ihre Argumente vorbrachten. Die Kommission hat innerhalb der in Art. 259 AEUV vorgesehenen Dreimonatsfrist keine mit Gründen versehene Stellungnahme abgegeben.

    III. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge

    23.

    Mit ihrer am 12. Oktober 2017 eingereichten Klage beantragt die Republik Österreich,

    festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Einführung der Infrastrukturabgabe in Verbindung mit der Steuerentlastung gegen die Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen hat;

    der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    24.

    Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,

    die Klage abzuweisen;

    der Republik Österreich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    25.

    Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. Januar und 14. Februar 2018 sind das Königreich der Niederlande und das Königreich Dänemark als Streithelfer zur Unterstützung der Republik Österreich bzw. der Bundesrepublik Deutschland zugelassen worden.

    26.

    Am 12. November 2018 ersuchte der Gerichtshof die Kommission um bestimmte Klarstellungen bezüglich der oben in den Nrn. 21 und 22 genannten Gründe für die Entscheidung, das Verfahren nach Art. 258 AEUV einzustellen. Die Kommission hat am 26. November 2018 auf das Klarstellungsersuchen geantwortet. In ihrem Schreiben an den Gerichtshof hat sie erklärt, dass die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften hinsichtlich des Preises für Kurzzeitvignetten und der Steuerentlastung durch die vom Deutschen Bundestag am 24. März 2017 verabschiedeten Gesetze geändert worden seien. Angesichts dieser Änderungen und des Bedürfnisses, breite politische Unterstützung für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens für ein gemeinsames europäisches System der Entgelte für Straßenbenutzung zu erhalten, sollte das Verfahren nach Ansicht der Kommission eingestellt werden.

    27.

    Die dänische, die deutsche, die niederländische und die österreichische Regierung haben in der Sitzung vom 11. Dezember 2018 mündliche Erklärungen abgegeben.

    IV. Prüfung

    28.

    In ihrer Klageschrift bringt die österreichische Regierung vier Klagegründe gegen die in Rede stehenden Maßnahmen vor.

    29.

    Im Folgenden werde ich diese Gründe in derselben Reihenfolge prüfen, wie sie die österreichische Regierung in ihren Ausführungen vorgebracht hat.

    A.   Erster Klagegrund: mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit durch die Kombination der in Rede stehende Maßnahmen

    1. Vorbringen der Parteien

    30.

    Der erste Klagegrund der österreichischen Regierung betrifft einen angeblichen Verstoß gegen Art. 18 AEUV wegen einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

    31.

    Die österreichische Regierung hat von Anfang an betont, dass die in Rede stehenden Maßnahmen zusammen nach Unionsrecht geprüft und bewertet werden müssten. Ihrer Ansicht nach besteht sowohl inhaltlich als auch zeitlich eine untrennbare Verbindung zwischen der Infrastrukturabgabe und der Steuerentlastung. Mit der Erstgenannten werde eine Abgabe eingeführt und mit der Zweitgenannten eine faktische Befreiung von dieser Abgabe. Zudem sei das Inkrafttreten der Steuerentlastung gemäß Art. 3 Abs. 2 des 2. VerkehrStÄndG ausdrücklich vom Beginn der Erhebung der Infrastrukturabgabe abhängig.

    32.

    Die angebliche Diskriminierung beruht nach Auffassung der österreichischen Regierung auf der Auswirkung der beiden Maßnahmen in ihrer Kombination. Die Infrastrukturabgabe sei grundsätzlich von allen Benutzern deutscher Autobahnen zu entrichten. Die Steuerentlastung in Höhe eines Betrags, der mindestens der Höhe der Infrastrukturabgabe entspreche, werde jedoch nur Haltern inländischer Fahrzeuge gewährt. Dies bedeute, dass die Halter inländischer Fahrzeuge die Infrastrukturabgabe nur theoretisch zahlten: Tatsächlich werde der für diese Abgabe gezahlte Betrag von der von diesen Fahrzeughaltern zu zahlenden Kraftfahrzeugsteuer abgezogen. Daher müssten in der Praxis nur die Fahrer ausländischer Fahrzeuge, bei denen es sich in der Regel um Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten handle, die Infrastrukturabgabe entrichten.

    33.

    Die österreichische Regierung weist ferner darauf hin, dass die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften dazu dienen sollten, ein von einigen deutschen Politikern während des Wahlkampfs für die Wahl zum Deutschen Bundestag von 2013 gemachtes Versprechen umzusetzen. Das erklärte Ziel dieser Maßnahme bestehe darin, ausländische Pkw-Fahrer an den Kosten der deutschen Infrastrukturfinanzierung zu beteiligen, ohne dass damit zusätzliche Belastungen deutscher Pkw-Halter einhergingen.

    34.

    Schließlich stellt die Republik Österreich die von der Bundesrepublik Deutschland zur Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung geltend gemachten Gründe in Abrede. Sie hält keinen dieser Gründe für stichhaltig.

    35.

    Die Bundesrepublik Deutschland erkennt zwar an, dass die in Rede stehenden Maßnahmen aus unionsrechtlicher Sicht ein kohärentes Ganzes bildeten, vertritt aber die Ansicht, dass diese Maßnahmen keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bewirkten. Ausländische Benutzer deutscher Autobahnen seien bei der Zahlung von Beträgen für die Finanzierung der deutschen Verkehrsinfrastruktur nämlich nicht in einer ungünstigeren Situation als die in Deutschland ansässigen Fahrzeughalter, da Letztere nicht nur der Infrastrukturabgabe, sondern auch – wenn auch mit einem ermäßigten Satz – der Kraftfahrzeugsteuer unterlägen.

    36.

    Grundsätzlich könne die Steuerentlastung nur in Deutschland ansässigen Personen zugutekommen, da die Kraftfahrzeugsteuer im Einklang mit der Richtlinie 83/182/EWG des Rates ( 10 ) nur für inländische Fahrzeuge gelte. Nach Auffassung der deutschen Regierung hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Entscheidung, die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer so zu ändern, dass die finanzielle Gesamtbelastung der Fahrzeughalter auf dem bisherigen Niveau gehalten und somit eine unverhältnismäßige Besteuerung vermieden werde, rechtmäßig ihre Kompetenz auf dem Gebiet der direkten Steuern in Anspruch genommen.

    37.

    Des Weiteren ist die deutsche Regierung der Auffassung, dass sie die Möglichkeit haben müsse, eine Infrastrukturabgabe einzuführen, deren Erträge für die Instandhaltung und die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur bestimmt seien. Ihrer Ansicht nach ist es eine legitime Entscheidung, das System der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur von einer vollständigen Finanzierung aus dem Gesamthaushalt des Staates hin zu einer Finanzierung durch die Nutzer dieser Infrastruktur zu ändern.

    38.

    Hilfsweise macht die Bundesrepublik Deutschland Umweltschutzerwägungen, den Aspekt des Lastenausgleichs und einen Systemwechsel bei der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur geltend, um eine etwaige mittelbare Diskriminierung, die sich aus der Kombination der in Rede stehenden Maßnahmen ergeben könnte, zu rechtfertigen.

    39.

    Die niederländische Regierung teilt im Wesentlichen das Vorbringen der österreichischen Regierung und hebt die Vergleichbarkeit der Halter inländischer Fahrzeuge und der Fahrer ausländischer Fahrzeuge im vorliegenden Fall hervor. Die dänische Regierung hingegen pflichtet der deutschen Regierung bei, dass die in Rede stehenden Maßnahmen nicht diskriminierend seien und betont insbesondere die Befugnis der Mitgliedstaaten, nicht harmonisierte Steuern und andere Abgaben festzulegen, zu ändern oder aufzuheben.

    2. Würdigung

    40.

    Vor einer eingehenden Prüfung der von den Parteien vorgebrachten Argumente halte ich es für sinnvoll, eine kurze Einführung zum Begriff der Diskriminierung nach Unionsrecht zu geben.

    a) Vorbemerkungen zum Begriff „Diskriminierung“

    41.

    Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung ist Ausdruck des Grundsatzes der Gleichheit der Einzelnen vor dem Gesetz, der in allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verankert ist und einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt. ( 11 ) Kurz gefasst verlangt das Diskriminierungsverbot, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen. Eine unterschiedliche Behandlung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhte und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck stünde, der mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgt wird ( 12 ).

    42.

    Bekanntermaßen kann die Diskriminierung unmittelbar oder mittelbar sein: Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person wegen eines identifizierbaren (bzw. unzulässigen) Merkmals in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde; eine mittelbare Diskriminierung liegt hingegen in einer Situation vor, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Praktiken Personen, die dieses Merkmal aufweisen, gegenüber anderen Personen besonders benachteiligen ( 13 ). Mit anderen Worten: In den Fällen einer unmittelbaren Diskriminierung ist die unterschiedliche Behandlung explizit mit dem unzulässigen Merkmal verknüpft, während bei einer mittelbaren Diskriminierung die unterschiedliche Behandlung auf ein anderes Merkmal zurückzuführen ist, das aber in einem engen Zusammenhang mit einem unzulässigen Merkmal steht.

    43.

    Für die Feststellung eines Falles von Diskriminierung muss zunächst eine geeignete „Vergleichsgröße“ gefunden werden: eine Person, die sich in einer vergleichbaren Situation befindet und aufgrund des identifizierbaren Merkmals eine günstigere Behandlung erfährt. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass das Opfer der Diskriminierung oder der durch die günstigere Behandlung Begünstigte zu einem bestimmten Zeitpunkt als Menschen aus „Fleisch und Blut“ identifiziert werden: Es genügt, wenn aufgrund der angeblich diskriminierenden Maßnahme offensichtlich ist, dass diese Personen existieren ( 14 ). Außerdem müssen nach ständiger Rechtsprechung zum einen die Situationen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein, und zum anderen darf die Prüfung dieser Vergleichbarkeit nicht allgemein und abstrakt sein, sondern muss spezifisch und konkret für die betreffende Leistung erfolgen ( 15 ).

    44.

    Dieser Schritt der Ermittlung einer Vergleichsgröße ist somit von größter Bedeutung: Fehlt es an einer gültigen Vergleichsgröße kann es keinen aussagekräftigen Vergleich geben und folglich kann keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung festgestellt werden.

    45.

    Vor diesem Hintergrund werde ich den von der Republik Österreich geltend gemachten ersten Klagegrund prüfen.

    b) Zum behaupteten diskriminierenden Charakter der in Rede stehenden Maßnahmen

    46.

    In ihren Ausführungen betont die österreichische Regierung, dass es wichtig sei, die Auswirkungen der beiden in Rede stehenden Maßnahmen in ihrer Kombination zu bewerten. Ihrer Ansicht nach befinden sich die Fahrer ausländischer Fahrzeuge in Bezug auf diese Maßnahmen in einer ungünstigeren Lage als die Halter inländischer Fahrzeuge.

    47.

    Ich stimme der österreichischen Regierung darin zu, dass die Halter inländischer Fahrzeuge überwiegend die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, während die Fahrer ausländischer Fahrzeuge überwiegend Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind. Somit wäre, obgleich die deutschen Rechtsvorschriften keine explizite Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit begründen, eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und folglich ein Verstoß gegen Art. 18 AEUV zu erwarten, sollten die von der österreichischen Regierung vorgebrachten Argumente für begründet erachtet werden.

    48.

    Die von der österreichischen Regierung vorgebrachten Argumente bezüglich einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung sind jedoch in methodischer Hinsicht fehlerhaft.

    49.

    Zunächst ist die von der österreichischen Regierung gewählte Vergleichsgröße nicht geeignet. Halter inländischer Fahrzeuge sind sowohl Nutzer deutscher Straßen (und unterliegen somit der Infrastrukturabgabe) als auch deutsche Steuerzahler (da sie der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen). Hingegen handelt es sich bei den Fahrern ausländischer Fahrzeuge um Steuerzahler anderer Mitgliedstaaten: Sie können als solche anderen Steuern oder Abgaben in ihrem jeweiligen Wohnsitzland unterliegen, aber sie werden niemals verpflichtet sein, deutsche Kraftfahrzeugsteuer zu zahlen.

    50.

    Daher sind die Halter inländischer Fahrzeuge und die Fahrer ausländischer Fahrzeuge im Hinblick auf die Benutzung der deutschen Autobahnen vergleichbar, aber sie sind nicht vergleichbar, wenn man sie im Licht beider Maßnahmen prüft, d. h., wenn man sie sowohl als Benutzer deutscher Autobahnen als auch als Steuerzahler betrachtet. Aus diesem Grund ist das Vorbringen der österreichischen Regierung widersprüchlich: Einerseits besteht sie darauf, dass die beiden Maßnahmen zusammen geprüft werden müssten, andererseits schaut sie bei der Ermittlung der Vergleichsgröße lediglich auf die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen im Hinblick auf die Benutzung der deutschen Autobahnen durch diese.

    51.

    Insoweit stützt sich die österreichische Regierung auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Kommission/Deutschland ( 16 ), aus dem sie schließt, dass die beiden Gruppen für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens vergleichbar seien.

    52.

    Ich verstehe dieses Urteil jedoch anders. In dieser Rechtssache ging es um einen behaupteten Verstoß gegen (den jetzigen) Art. 92 AEUV ( 17 ). Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Stillhalteklausel, die über die Stillhalteklausel des Art. 18 AEUV hinausgeht. Art. 92 AEUV verbietet nicht nur diskriminierende Maßnahmen, sondern auch jede andere Maßnahme, die das Wettbewerbsverhältnis zwischen nationalen Verkehrsunternehmen und ausländischen Verkehrsunternehmen beeinträchtigen könnte. Mit anderen Worten: Mit dieser Bestimmung wird auch verhindert, dass die Mitgliedstaaten jeglichen Vorteil beseitigen, den ihre Rechtsvorschriften möglicherweise ausländischen Verkehrsunternehmen gewähren ( 18 ). Aus diesem Grund hat der Gerichtshof bei Art. 92 AEUV zu Recht eine umfassendere Perspektive gewählt. Der gleiche Ansatz kann jedoch bei Art. 18 AEUV nicht herangezogen werden: Da die letztgenannte Bestimmung nur Maßnahmen erfasst, die unmittelbar oder mittelbar aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminierend sind, müssen die beiden Gruppen, die mutmaßlich einer unterschiedlichen Behandlung unterliegen, im engeren Sinne vergleichbar sein.

    53.

    Zweitens und ungeachtet dessen befinden sich bei einer Prüfung im Licht beider Maßnahmen die Fahrer ausländischer Fahrzeuge nicht in einer Situation, die weniger günstig ist als die, in der sich die Halter inländischer Fahrzeuge befinden, und können sich auch niemals in einer solchen Situation befinden. Um auf deutschen Autobahnen fahren zu dürfen, müssen die Erstgenannten nur die Infrastrukturabgabe zahlen und sind dabei nicht verpflichtet, den Betrag für ein ganzes Jahr zu zahlen: Sie können sich entsprechend ihrem tatsächlichen Bedarf für eine Vignette mit kürzerer Gültigkeitsdauer entscheiden. Hingegen müssen die Halter inländischer Fahrzeuge, um auf deutschen Autobahnen fahren zu dürfen, von Gesetzes wegen sowohl eine Infrastrukturabgabe als auch Kraftfahrzeugsteuer zahlen. Darüber hinaus sind die Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen unabhängig davon, ob sie tatsächlich heimische Autobahnen benutzen, verpflichtet, die Infrastrukturabgabe in Höhe des für eine Jahresvignette geschuldeten Betrags zu entrichten.

    54.

    Folglich liegt, wenn beide Maßnahmen zusammen betrachtet werden – wie es die österreichische Regierung vom Gerichtshof verlangt –, offensichtlich keine weniger günstige Behandlung ausländischer Fahrer vor: Für jedes in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene Fahrzeug, das auf deutschen Autobahnen genutzt werden wird, wird, damit es dort genutzt werden darf, an die deutschen Behörden stets ein geringerer Betrag gezahlt werden als der, der vom Halter eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs desselben Modells entrichtet wird.

    55.

    Die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer, die von den Fahrzeughaltern inländischer Fahrzeuge zu entrichten ist, wird dank der Steuerentlastung zwar geringer sein als in der Vergangenheit. Aber selbst wenn die Steuerentlastung eine „Nullreduzierung“ der Kraftfahrzeugsteuer zur Folge hätte (was nicht der Fall ist), wäre jeder ausländische Fahrer verpflichtet, für die Benutzung deutscher Autobahnen einen Betrag zu zahlen, der höchstens so hoch wäre, wie der Betrag, der von den Haltern inländischer Fahrzeuge zu zahlen wäre ( 19 ).

    56.

    Es ist wohl kaum erforderlich, darauf hinzuweisen, dass selbst bei einer getrennten Beurteilung der Maßnahmen keine Benachteiligung vorliegt. Erstens gilt der Betrag der Infrastrukturabgabe unterschiedslos für alle Fahrer. Wenn überhaupt, werden Fahrer ausländischer Fahrzeuge günstiger behandelt: Wie oben in Nr. 53 erwähnt, haben sie im Unterschied zu den Haltern inländischer Fahrzeuge drei Optionen hinsichtlich der Gültigkeitsdauer – und damit der Kosten – der zu erwerbenden Vignette.

    57.

    Zweitens ist es paradox, zu argumentieren, dass die Steuerentlastung nur den Haltern inländischer Fahrzeuge zugutekomme. Zunächst liegt es auf der Hand, dass es ohne Steuer keine Steuerentlastung geben kann. Außerdem ist es sinnvoll, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Fahrer ausländischer Fahrzeuge definitionsgemäß nicht der Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland unterliegen. Ausländische Fahrzeuge können in dem Mitgliedstaat, in dem sie zugelassen sind, einer vergleichbaren Steuer unterliegen, und der geschuldete Betrag kann höher oder niedriger sein als der, den die Halter vergleichbarer Fahrzeuge in Deutschland zahlen. Dies ergibt sich jedoch zwangsläufig daraus, dass die Kraftfahrzeugbesteuerung auf Unionsebene nicht harmonisiert ist.

    58.

    Abschließend ist festzustellen, dass es der österreichischen Regierung nicht gelungen ist, ihren Standpunkt in Bezug auf zwei Diskriminierungsgrundsätze überzeugend darzulegen: Zum einen befinden sich die beiden Gruppen von Personen, die sie verglichen hat, in Bezug auf die von ihr beanstandeten Maßnahmen nicht in einer vergleichbaren Situation. Zum anderen konnte sie keine weniger günstige Behandlung darlegen, die die in Rede stehenden Maßnahmen für die Fahrer ausländischer Fahrzeuge bedeuten würden.

    c) Ergänzende Überlegungen

    59.

    Die Fehlerhaftigkeit des Vorbringens der österreichischen Regierung wird noch deutlicher, wenn man die rechtlichen Konsequenzen berücksichtigt, die sich aus der Feststellung ergäben, dass die in Rede stehenden Maßnahmen eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit zur Folge hätten. Es stellt sich dann nämlich insbesondere die Frage, wie die Bundesrepublik Deutschland die Vereinbarkeit mit Art. 18 AEUV wiederherstellen sollte.

    60.

    Zunächst ist festzustellen, dass die österreichische Regierung nicht geltend gemacht hat, dass die deutschen Behörden verpflichtet wären, die Infrastrukturabgabe aufzuheben, so dass sowohl inländische als auch ausländische Benutzer deutscher Autobahnen diese weiterhin kostenfrei nutzen könnten. Dies wäre auch tatsächlich ein eher merkwürdiges Argument gewesen: Art. 18 AEUV darf nicht so verstanden werden, dass es den Mitgliedstaaten untersagt wäre, ein System einzuführen oder beizubehalten, nach dem alle Benutzer von Autobahnen (unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Wohnsitz) eine Abgabe auf der Grundlage der Dauer der Benutzung oder eine Maut auf der Grundlage der Wegstrecke entrichten müssen. Tatsächlich verfügen mehrere Mitgliedstaaten über ein solches System sowohl für Nutzfahrzeuge als auch für Personenkraftwagen, einschließlich benachbarter Länder wie Frankreich und Polen und – ironischerweise – Österreich.

    61.

    Ich sehe kein gültiges rechtliches Argument dafür, dass die Mitgliedstaaten, die bisher entschieden haben, ihre Autobahnen von allen Fahrern kostenlos nutzen zu lassen, aufgrund ihrer ursprünglichen Entscheidung für immer „in der Falle säßen“ und damit nicht berechtigt wären, ein Abgabensystem einzuführen, wie es in anderen Mitgliedstaaten seit vielen Jahren besteht. Dies wäre eine unangemessene (vielleicht sogar absurde) Auslegung von Art. 18 AEUV: Anstatt eine Diskriminierung von Ausländern zu vermeiden, bedeutete dies de facto eine umgekehrte Diskriminierung von Inländern. Im vorliegenden Fall bedeutete dies nämlich, dass die deutschen Steuerzahler das Autobahnnetz weiterhin allein finanzieren müssten.

    62.

    Es ist meines Erachtens offensichtlich, dass die Behörden der Mitgliedstaaten grundsätzlich frei entscheiden dürfen, ob die Nutzung bestimmter Infrastrukturen kostenlos sein oder aber einer Benutzungsgebühr unterliegen soll. Dies ist grundsätzlich eine politische Entscheidung und somit Sache der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Aus diesem Grund ist die Europäische Union mit einer Infrastruktur ausgestattet, die zu einem gewissen Grad vergleichbar oder gleichwertig ist, in einigen Fällen aber einer Benutzungsgebühr unterliegt, in anderen Fällen hingegen nicht. Abgesehen von Autobahnen gibt es andere verkehrsbezogene Infrastrukturen (wie Straßenbrücken und Straßentunnel ( 20 )), die viele Beispiele für diese beiden nebeneinander bestehenden Ansätze bieten. Diese Logik gilt aber mutatis mutandis für alle anderen Arten öffentlicher Infrastrukturen, die Personen besuchen oder für andere Zwecke nutzen können, z. B. in den Bereichen Kultur, Tourismus oder Religion ( 21 ).

    63.

    In Ermangelung spezifischer unionsrechtlicher Vorschriften in diesem Bereich ist es, soweit nicht ein Verstoß gegen Grundsätze oder Bestimmungen des Unionsrechts vorliegt, nicht Aufgabe der Europäischen Union, die Entscheidungen nationaler Behörden daraufhin zu überprüfen, ob die nationale Infrastruktur von den Steuerzahlern oder von tatsächlichen Benutzern finanziert werden soll. Die unionsrechtlichen Vorschriften bieten den Unionsbürgern keine Gewähr, dass die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Bestimmungsmitgliedstaat in Bezug auf die Besteuerung oder die Anwendung anderer Abgaben neutral ist, wenn sie von ihren Verkehrsfreiheiten Gebrauch machen. Folglich verstößt ein etwaiger Nachteil im Vergleich zu der Situation, in der der Unionsbürger seine Tätigkeiten im Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt hat, grundsätzlich nicht gegen Art. 18 AEUV, sofern die fraglichen Rechtsvorschriften den betreffenden Unionsbürger gegenüber den im Bestimmungsmitgliedstaat ansässigen Bürgern nicht benachteiligen ( 22 ).

    64.

    Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb die deutschen Behörden verpflichtet sein sollten, die Steuerentlastung aufzuheben, um sicherzustellen, dass die Halter inländischer Fahrzeuge diese Steuern weiterhin zu früheren (und höheren) Steuersätzen zahlen. Die Kraftfahrzeugsteuer knüpft im Wesentlichen an den Besitz an. Es handelt sich also um eine direkte Steuer, deren Regulierung grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Nur wenige Bestimmungen des Unionsrechts betreffen diese Art von Steuer, wie der sehr begrenzte Anwendungsbereich der Richtlinie 83/182 zeigt ( 23 ).

    65.

    Mir ist nicht klar, weshalb Art. 18 AEUV die deutschen Behörden daran hindern sollte, die Kraftfahrzeugsteuer auf dem Niveau festzulegen, das sie angesichts der Gegebenheiten ihres Landes zu einem bestimmten Zeitpunkt für am geeignetsten halten. Wie die österreichische Regierung in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, wären die deutschen Behörden berechtigt, diese Steuer gänzlich aufzuheben, wenn sie dies für angemessen hielten, ohne dass dies eine Diskriminierung zur Folge hätte. Bedeutet dies aber nicht, dass diese Behörden erst recht berechtigt sind, die Steuersätze für Kraftfahrzeuge einfach zu senken, wenn sie der Ansicht sind, dass die Gesamtbesteuerung bestimmter Personen unverhältnismäßig ist?

    66.

    Die österreichische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe nicht bestritten, dass die Einführung einer Infrastrukturabgabe durch eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer „kompensiert“ werden könne ( 24 ). Als sie vom Gerichtshof gebeten wurde, die möglichen Steuerermäßigungen zu erläutern, die ihrer Ansicht nach annehmbar seien, hatte diese Regierung jedoch Schwierigkeiten, eine klare Antwort zu geben: Mit einem gewissen Zögern erklärte sie, dass eine für alle Steuerpflichtigen gleichmäßige Senkung der Steuer (in Prozent oder in einem Festbetrag) grundsätzlich rechtmäßig sein dürfte.

    67.

    Tatsächlich hat die österreichische Regierung in der mündlichen Verhandlung sogar eingeräumt, dass unter Umständen keine Diskriminierung zur Diskussion stünde, wenn die deutschen Behörden eine Steuerentlastung ähnlich wie die im vorliegenden Verfahren in Rede stehende zu einem anderen Zeitpunkt und ohne eine ausdrückliche Verknüpfung mit der Einführung der Infrastrukturabgabe eingeführt hätten. Ebenso erklärte die österreichische Regierung, dass keine Diskriminierung vorläge, wenn die deutschen Behörden beschlossen hätten, eine andere Steuer herabzusetzen, die nicht mit der Verwendung von Kraftfahrzeugen in Verbindung stehe, sofern sie dies in kohärenter Weise getan hätten.

    68.

    Vor diesem Hintergrund sehe ich aus rechtlicher Sicht jedoch keinen wesentlichen Unterschied zwischen der in Rede stehenden Steuerentlastung und den Steuerentlastungen, die die österreichische Regierung als annehmbar erachtet hat. Darüber hinaus wäre aus wirtschaftlicher Sicht das Ergebnis bei all diesen Maßnahmen im Großen und Ganzen gleichwertig. Einige Halter inländischer Fahrzeuge würden mehr zahlen als im Rahmen der jetzigen Maßnahme, während andere weniger zahlen würden. Nichtsdestoweniger würde sich für die Fahrer ausländischer Fahrzeuge oder – insoweit – für den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland nichts ändern.

    69.

    In diesem Zusammenhang hat die deutsche Regierung ganz klar ihre Absicht bekundet, den Gesamtbeitrag, den die Halter inländischer Fahrzeuge zu entrichten hätten, auf einem akzeptablen Niveau zu halten. Diesem Vorbringen muss ich beipflichten: Art. 18 AEUV kann nicht dahin ausgelegt werden, dass er von den deutschen Behörden verlangt, Haltern inländischer Fahrzeuge eine potenziell unverhältnismäßige Besteuerung aufzuerlegen, nur weil sie sich dazu entscheiden, das System der Finanzierung heimischer Autobahnen zu ändern.

    70.

    In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass einige deutsche Politiker in einer Wahlkampagne offen erklärten, dass sie beabsichtigten, für ausländische Reisende auf deutschen Autobahnen eine Abgabe einzuführen. Diese Aussagen sind wohl – in Abwandlung eines bekannten Zitats – Ausdruck eines Gespensts, das seit einigen Jahren in Europa umgeht: das Gespenst des Populismus und des Souveränismus ( 25 ).

    71.

    Die rechtliche Prüfung, die der Gerichtshof in Bezug auf nationale Maßnahmen wie die in Rede stehenden vorzunehmen hat, kann jedoch nicht auf Erklärungen von Politikern gründen. Die (tatsächliche oder behauptete) Absicht einzelner Mitglieder des nationalen Gesetzgebungsorgans oder der Regierung hat in diesem Zusammenhang keine Rolle zu spielen. Einerseits ist es nicht erforderlich, den Nachweis einer diskriminierenden Absicht des Urhebers einer Maßnahme zu erbringen, um einen Verstoß durch diese Maßnahme gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung festzustellen ( 26 ). Andererseits genügen Erklärungen von Staatsbediensteten, die bis zur Anerkennung oder Andeutung eines Unionsrechtsverstoßes gehen, nicht für die Feststellung einer Vertragsverletzung ( 27 ): Bloße Erklärungen können nicht dazu führen, dass das Unionsrecht auf Situationen anwendbar ist, für die es objektiv keine Geltung hat ( 28 ).

    72.

    Es kann nicht genug betont werden, dass die Beurteilung der Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit den Unionsverträgen im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren eine objektive Beurteilung ist ( 29 ). Dies gilt auch für behauptete Verstöße gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung: Der Schwerpunkt der Prüfung muss auf den Auswirkungen der Handlung des Zuwiderhandelnden liegen und nicht auf seiner subjektiven Absicht ( 30 ).

    73.

    Als Ergebnis ist festzustellen, dass die von der österreichischen Regierung vorgebrachten Argumente zu diesen Fragen nicht überzeugend sind. Die deutschen Behörden haben also, einfach ausgedrückt, völlig zu Recht die Ansicht vertreten, dass erstens die Kosten des Autobahnnetzes, die bisher hauptsächlich von den Steuerzahlern getragen werden, gleichmäßig auf alle Nutzer ( 31 ), einschließlich der Fahrer ausländischer Fahrzeuge, aufgeteilt werden mussten, und zweitens, dass die Halter inländischer Fahrzeuge einer unverhältnismäßig hohen Besteuerung unterworfen würden, wenn sie sowohl der Infrastrukturabgabe als auch der Kraftfahrzeugsteuer unterlägen.

    74.

    In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen und ohne dass die von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachten möglichen Rechtfertigungsgründe geprüft werden müssten, schlage ich dem Gerichtshof vor, den ersten Klagegrund der Republik Österreich zurückzuweisen.

    B.   Zweiter Klagegrund: mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit durch die Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe

    1. Vorbringen der Parteien

    75.

    Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, dass die Art und Weise, wie die Infrastrukturabgabe in Bezug auf Kontroll- und Vollzugsmaßnahmen ausgestaltet worden sei, diskriminierend sei.

    76.

    Die österreichische Regierung weist insoweit darauf hin, dass die in Rede stehenden nationalen Vorschriften in mehrfacher Weise zwischen inländischen Fahrzeugen und im Ausland zugelassenen Fahrzeugen unterschieden. Insbesondere die spezifischen Eingriffsbefugnisse (stichprobenartige Überwachung, Erhebung einer Sicherheitsleistung, Untersagung der Weiterfahrt), die in den §§ 11, 12 und 14 InfrAG vorgesehen seien, sowie die nachträgliche Erhebung der Infrastrukturabgabe in Höhe der Jahresvignette bzw. der Differenz zwischen dem bereits entrichteten Betrag und der Jahresvignette gälten ausschließlich oder überwiegend für im Ausland zugelassene Fahrzeuge. Auch die Androhung von Geldbußen gemäß § 14 InfrAG richtet sich nach Auffassung der österreichischen Regierung ganz überwiegend an ausländische Fahrer. Zur Stützung ihres Vorbringens verweist die österreichische Regierung ausdrücklich auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Kommission/Italien ( 32 ).

    77.

    Die deutsche Regierung weist darauf hin, dass erstens die meisten Vorschriften über den Vollzug und die Kontrolle der Zahlung der Infrastrukturabgabe in den §§ 11, 12 und 14 InfrAG unterschiedslos für alle Fahrer gälten. Nur die Erhebung einer Sicherheitsleistung gemäß § 11 Abs. 7 InfrAG gelte nur für die Fahrer ausländischer Fahrzeuge. Eine solche Maßnahme sei jedoch gerechtfertigt, da die Erhebung der für die Vignette und die mögliche Geldbuße geschuldeten Beträge im Ausland schwieriger durchzuführen sei. Die deutsche Regierung betont, dass § 11 Abs. 7 InfrAG die Behörden jedenfalls nur in die Lage versetze, aber nicht verpflichte, eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Schließlich vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die nachträgliche Erhebung der Infrastrukturabgabe in Höhe der Jahresvignette bzw. der Differenz zwischen dem bereits gezahlten Betrag und dem Betrag der Jahresvignette nicht zu einer Diskriminierung führe, da die Halter inländischer Fahrzeuge stets die Jahresvignette zahlten.

    2. Würdigung

    78.

    Ich möchte gleich zu Beginn darauf hinweisen, dass es in einem Vertragsverletzungsverfahren dem Kläger obliegt, die behauptete Vertragsverletzung nachzuweisen, indem er dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefert, die es diesem ermöglichen, das Vorliegen der Vertragsverletzung zu prüfen. Dabei kann sich der Kläger nicht auf irgendeine Vermutung stützen ( 33 ).

    79.

    In Anbetracht dieses Grundsatzes und aus den im Folgenden dargelegten Gründen bin ich der Auffassung, dass die Republik Österreich ihrer Beweislast dafür, dass die Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe hinsichtlich der Kontroll- und Vollzugsmaßnahmen zu einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führe, nicht nachgekommen ist ( 34 ).

    a) Überwachung, Untersagung der Weiterfahrt und Geldbußen

    80.

    Zunächst enthält die Akte aus meiner Sicht nichts, was den Umstand in Frage stellen könnte, dass, wie von der deutschen Regierung vorgebracht, die vor Ort durchzuführende stichprobenartige Überwachung sowie die Untersagung der Weiterfahrt und die Geldbuße, die im Fall eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Zahlung der Infrastrukturabgabe verhängt werden kann, unterschiedslos für alle Fahrzeuge gelten, die im deutschen Autobahnnetz verkehren. Der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des InfrAG ist insoweit neutral, und es ist keine sonstige textliche Grundlage ersichtlich, die die Behauptungen der österreichischen Regierung stützen würde.

    81.

    Die deutsche Regierung hat weiter ausgeführt, dass die meisten Kontroll- und Vollzugsmaßnahmen (einschließlich der Sanktionen) sehr wohl auch für die Halter inländischer Fahrzeuge gelten könnten. Der Umstand, dass die Infrastrukturabgabe bezüglich dieser Fahrzeuge im Voraus zu entrichten sei, schließe mögliche Verstöße nicht von vornherein aus. Beispielsweise sehe § 2 InfrAG Ausnahmen von der Verpflichtung zur Zahlung der Infrastrukturabgabe vor. Es würden daher Kontrollen durchgeführt, um sicherzustellen, dass diese Ausnahmen von den Haltern inländischer Fahrzeuge nicht irrtümlich oder missbräuchlich geltend gemacht würden: Bei einem Verstoß könne ihnen ebenfalls die Weiterfahrt untersagt und gegen sie eine Geldbuße verhängt werden.

    82.

    Die österreichische Regierung hat gegen dieses Vorbringen keine Einwände erhoben. In Anbetracht dessen, dass die meisten Fahrzeuge, die deutsche Autobahnen benutzen, in Deutschland zugelassen sind, bezweifle ich, dass der Gerichtshof die Annahme der österreichischen Regierung, dass die Bestimmungen über Kontrollen und Sanktionen trotz ihres neutralen Wortlauts in der Praxis hauptsächlich Fahrer ausländischer Fahrzeuge beträfen, ohne Weiteres akzeptieren kann. Die österreichische Regierung hat keine Beweise vorgelegt, die ihre Behauptungen zu diesem Punkt stützen könnten (wie beispielsweise Entscheidungen oder interne Leitlinien der Verwaltungsbehörden, Studien oder statistische Angaben).

    83.

    Selbst wenn es zuträfe, dass die Kontroll- und Vollzugsmaßnahmen angesichts der Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe verhältnismäßig mehr ausländische als inländische Fahrer betreffen wird, bedeutete dies für sich genommen jedenfalls nicht zwangsläufig eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Dies wäre lediglich eine unvermeidliche Folge dessen, dass alle Halter inländischer Fahrzeuge verpflichtet sind, die Abgabe im Voraus zu entrichten, während Fahrer ausländischer Fahrzeuge nur zur Zahlung der Abgabe verpflichtet sind, wenn sie in das deutsche Autobahnnetz einfahren.

    84.

    Auch in dieser Frage ist die hinter dem Vorbringen der österreichischen Regierung stehende Logik schwer nachzuvollziehen. Es ist fast so, als wollte diese Regierung sagen, die deutschen Behörden müssten aufgrund dessen, dass es für die Halter inländischer Fahrzeuge offenbar schwieriger ist, gegen die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften zu verstoßen als für die Fahrer ausländischer Fahrzeuge, in Bezug auf Letztere eine stichprobenartige Kontrolle oder die Anwendung von Vollzugsmaßnahmen vermeiden. Dieses Argument wäre unhaltbar.

    85.

    Die österreichische Regierung hat beispielsweise weder geltend gemacht, dass die in den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Durchführungsmaßnahmen nicht verhältnismäßig sind und daher Angehörige anderer Mitgliedstaaten davon abhalten könnten, ihre Verkehrsfreiheitsrechte wahrzunehmen ( 35 ).

    86.

    Noch hat die österreichische Regierung die Höhe der möglichen Geldbußen bei Verstößen gegen die Verpflichtung zur Zahlung der Infrastrukturabgabe angegeben. Daher würden dem Gerichtshof meiner Ansicht nach jedenfalls die Informationen fehlen, die notwendig sind, um insoweit eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen zu können.

    b) Nachträgliche Erhebung des Betrags für eine Jahresvignette

    87.

    Die österreichische Regierung hat jedoch geltend gemacht, dass die nachträgliche Erhebung des für den Erwerb einer Jahresvignette erforderlichen Betrags unverhältnismäßig sei, da § 14 InfrAG eine Geldbuße vorsehe.

    88.

    Ich halte dieses Argument nicht für überzeugend.

    89.

    Erstens sind die beiden Maßnahmen unterschiedlich geartet, und der Umstand, dass sie kumulativ angewandt werden, führt nicht von vornherein zu einer unverhältnismäßigen Sanktion. Die Verpflichtung, eine Vignette zu erwerben, ist keine Sanktion, sondern lediglich die Erhebung einer nicht gezahlten Abgabe. Die Geldbuße wiederum ist die Sanktion, die die Behörden rechtmäßig für die vom Fahrer begangenen Verstöße verhängen können. Es scheint mir völlig klar zu sein, dass die deutschen Behörden bei Vorliegen eines Verstoßes geschuldete Beträge einziehen und zugleich eine Sanktion verhängen können ( 36 ).

    90.

    Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer besonders hohen Geldbuße die Kombination der beiden Maßnahmen ungeachtet des begangenen Verstoßes eine unzumutbare finanzielle Belastung für den Fahrer darstellen kann. Wie oben in Nr. 86 erwähnt, hat die österreichische Regierung jedoch keine Angaben zur Höhe der Geldbuße gemacht.

    91.

    Zweitens scheint mir der Umstand, dass derjenige, der den Verstoß begangen hat, eine Jahresvignette erwerben muss, weder diskriminierend noch unverhältnismäßig zu sein. Zum einen sind die Halter inländischer Fahrzeuge stets verpflichtet, den der Jahresvignette entsprechenden Betrag zu zahlen. Es liegt daher keine ungünstigere Behandlung in Bezug auf Fahrer ausländischer Fahrzeuge vor. Höchstens verliert ein ausländischer Fahrer, der der Verpflichtung zur Zahlung der Infrastrukturabgabe nicht nachgekommen ist, ein Privileg, das normalerweise den Fahrern ausländischer Fahrzeuge (und nur ihnen) gewährt wird: die Möglichkeit, sich für eine Vignette von kürzerer Dauer zu einem niedrigeren Preis zu entscheiden. Zum anderen halte ich diese Maßnahme nicht für unverhältnismäßig. Angesichts des zufälligen Charakters der Kontrollen haben die Behörden, die einen Verstoß gegen die Verpflichtung zum Kauf einer Vignette feststellen, im Allgemeinen keine Möglichkeit, festzustellen, wie lange derjenige, der den Verstoß begangen hat, das deutsche Autobahnnetz bereits rechtswidrig benutzt hat. Daher halte ich es für vernünftig, dass dieser Fahrer den höchstmöglichen Betrag bezüglich des gefahrenen Fahrzeugs zahlen muss ( 37 ).

    c) Leistung einer Sicherheit

    92.

    Was schließlich die Verpflichtung des Zuwiderhandelnden, eine Sicherheit zu leisten, betrifft, ist zugegebenermaßen darauf hinzuweisen, dass diese Maßnahme dem ersten Anschein nach diskriminierend sein könnte, da § 11 Abs. 7 InfrAG nur für Fahrer ausländischer Fahrzeuge gilt.

    93.

    Die in dieser Bestimmung vorgesehene unterschiedliche Behandlung verstößt meines Erachtens jedoch nicht gegen den in Art. 18 AEUV verankerten Grundsatz. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs, einschließlich der Entscheidungen, auf die die österreichische Regierung verweist, stützt nämlich nicht die von ihr zu diesem Punkt vorgebrachten Argumente.

    94.

    In seinem Urteil Kommission/Italien hat der Gerichtshof anerkannt, dass es einem Mitgliedstaat bei Verstößen ausländischer Fahrer nicht von vornherein verwehrt ist, diese unterschiedlich zu behandeln, sofern eine solche Behandlung durch objektive Umstände gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht ( 38 ). Im Licht dieses Grundsatzes hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Fehlen von Übereinkünften, die die Vollstreckung einer Verurteilung in einem anderen als demjenigen Mitgliedstaat, in dem sie ausgesprochen worden ist, gewährleisten würden, eine unterschiedliche Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden Zuwiderhandelnden objektiv rechtfertigen kann. Dass nur gebietsfremde Betroffene einen Geldbetrag als Kaution stellen müssen, kann, so der Gerichtshof, verhindern, dass diese sich einer wirksamen Sanktion einfach durch die Erklärung entziehen, sie stimmten der sofortigen Erhebung des Bußgelds nicht zu. Allerdings hat der Gerichtshof im konkreten Fall festgestellt, dass der Betrag der Kaution nicht verhältnismäßig war, da er doppelt so hoch war wie die Sanktion, die im Fall einer sofortigen Zahlung vorgesehen war. Dieser Betrag wirkte sich dahin aus, dass ausländische Fahrer zum Verzicht auf die Überlegungsfrist veranlasst wurden, die ihnen das Gesetz für die Entscheidung einräumt, ob sie die Feststellung der Zuwiderhandlung bei den Verwaltungsbehörden anfechten möchten ( 39 ).

    95.

    Ich möchte betonen, dass dieses Urteil auf einer Linie mit einer Reihe weiterer Entscheidungen des Gerichtshofs liegt. So hat der Gerichtshof beispielsweise im Urteil in der Rechtssache Kommission/Spanien ( 40 ) festgestellt, dass eine Bestimmung, die ausländische Gesellschaften verpflichtete, eine Sicherheit zu hinterlegen, um eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit in Spanien auszuüben, nicht mit den den freien Verkehr betreffenden Bestimmungen des Vertrags vereinbar war. Der Gerichtshof hat befunden, dass diese Regelung unverhältnismäßig war, da sie Garantien unberücksichtigt ließ, die die betreffenden Gesellschaften in ihrem Herkunftsmitgliedstaat gestellt hatten. In diesem Urteil kommt aber zum Ausdruck, dass beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung der Mechanismen zur grenzüberschreitenden Einziehung von Forderungen und Vollstreckung ausländischer Urteile innerhalb der Europäischen Union eine weniger strenge Maßnahme möglicherweise mit dem Unionsrecht vereinbar gewesen wäre ( 41 ).

    96.

    Jüngst hat der Gerichtshof in der Rechtssache Čepelnik ( 42 ) eine nationale Regelung, die die Leistung einer Sicherheit im Fall eines mutmaßlichen Verstoßes eines ausländischen Dienstleistungserbringers gegen Vorschriften des nationalen Arbeitsrechts vorschrieb, nicht für von vornherein mit Art. 56 AEUV unvereinbar erklärt, sondern nur aufgrund ihrer spezifischen Merkmale. Ungeachtet des Umstands, dass die Sicherheit vom Auftraggeber der Dienstleistungen zu leisten war, hätte die Sicherheitsleistung – sogar erheblich – über dem Betrag liegen können, den diese Partei an und für sich an den Dienstleistungserbringer hätte zahlen müssen. Trotz des offensichtlichen Umstands, dass sich nicht alle im Ausland ansässigen Dienstleistungserbringer in einer vergleichbaren Lage befanden, wurde die Sicherheitsleistung automatisch und unbedingt verlangt. Die Sanktion, deren Zahlung durch die betreffende Sicherheit gewährleistet werden sollte, war zudem – auch bei geringfügigen Verstößen – außerordentlich streng ( 43 ).

    97.

    In Anbetracht dieser Rechtsprechung bin ich der Ansicht, dass die in § 11 Abs. 7 InfrAG enthaltene Möglichkeit, die Leistung einer Sicherheit zu verlangen, nicht von vornherein mit dem Unionsrecht unvereinbar ist. Zwar sind die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich Parteien eines bilateralen Vertrags über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen. Jedoch hat die Bundesrepublik Deutschland, worauf die deutsche Regierung hingewiesen hat, nicht mit jedem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vergleichbare Verträge geschlossen.

    98.

    Damit eine solche Maßnahme mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht und somit mit Art. 18 AEUV vereinbar ist, müssen meiner Ansicht nach allerdings zwei Voraussetzungen erfüllt sein.

    99.

    Zunächst darf das Erfordernis, eine Sicherheit zu leisten, nicht automatisch in Bezug auf jeden Zuwiderhandelnden gelten, sondern nur in den Fällen, in denen objektive Gründe für die Annahme bestehen, dass es der Behörde, wenn der für die Vignette geschuldete Betrag und die Sanktion nicht sofort gezahlt werden, unmöglich oder übermäßig erschwert würde, diese in der Zukunft zu erheben. Der Gerichtshof hat nämlich in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Verfolgung von Verstößen, die mit im Ausland zugelassenen Fahrzeugen begangen werden, komplexere und kostspieligere Verfahren bedingen kann und somit Rechtsvorschriften rechtfertigt, die eine unterschiedliche Behandlung vorsehen ( 44 ).

    100.

    Die Behörde darf jedoch nicht bei jedem ausländischen Fahrer, der möglicherweise nicht in der Lage ist, den geschuldeten Betrag vor Ort zu zahlen, von Böswilligkeit ausgehen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Fahrer ausländischer Fahrzeuge, die einen Verstoß begehen, versuchen könnten, aus den administrativen Hürden Nutzen zu ziehen, die sich aus der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Vollstreckungsmaßnahmen ergeben, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen ( 45 ).

    101.

    Zudem ist die grenzübergreifende Durchsetzung von Sanktionen und anderen Verwaltungsentscheidungen in den letzten Jahren aufgrund der Annahme einer Reihe von EU‑Instrumenten – wie u. a. des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates ( 46 ) und der Richtlinie 2015/413/EU ( 47 ) – für die Behörden der Mitgliedstaaten weitaus weniger kostspielig und komplex geworden. Außerdem können, worauf die österreichische Regierung hingewiesen hat, in einigen Fällen auch die Bestimmungen bilateraler Kooperationsabkommen, bei denen die Bundesrepublik Deutschland Partei ist, anwendbar sein.

    102.

    Daher können sich die Behörden der Mitgliedstaaten nicht auf den Standpunkt stellen, dass unter allen Umständen grenzübergreifende Durchsetzungsmaßnahmen erforderlich sein werden oder dass diese Maßnahmen, soweit sie erforderlich sind, stets einen untragbaren administrativen oder finanziellen Aufwand bedeuten würden.

    103.

    Insoweit betont die deutsche Regierung, dass aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 7 InfrAG klar hervorgehe, dass die zuständigen Behörden in dem Fall, dass ein Verstoß festgestellt werde und der vom Zuwiderhandelnden geschuldete Betrag nicht sofort gezahlt werde, berechtigt, aber nicht verpflichtet seien, eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Behörden, die für die Anwendung dieser Bestimmung zuständig seien, selbstverständlich verpflichtet seien, diese im Licht des Unionsrechts auszulegen, um einen möglichen Verstoß gegen die Vertragsbestimmungen zu vermeiden.

    104.

    Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Gerichtshof die Bedeutung nationaler Rechts- und Verwaltungsvorschriften so, wie sie in der Praxis durchgeführt werden ( 48 ), im Licht der Auslegung durch die nationalen Gerichte beurteilt ( 49 ). Die Beweise, die die Klägerin dem Gerichtshof vorgelegt hat, enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwaltungs- und Justizbehörden der Bundesrepublik Deutschland, wenn sie berufen sind, § 11 Abs. 7 InfrAG auszulegen und anzuwenden, dies nicht im Licht der einschlägigen Vorschriften des Unionrechts tun würden, um die Wahrung des Unionsrechts zu gewährleisten ( 50 ).

    105.

    Zweitens ist es meines Erachtens erforderlich, dass die Höhe der Sicherheit nicht so hoch festgesetzt wird, dass sie nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu dem begangenen Verstoß steht oder dass sie die Fahrer ausländischer Fahrzeuge davon abhält, ihre Verkehrsfreiheitsrechte in Deutschland wahrzunehmen. Hierzu weise ich darauf hin, dass die Höhe der Sicherheit auf die Höhe der möglicherweise geschuldeten Beträge (die Gebühr für die Vignette und das Bußgeld, das verhängt werden kann) zuzüglich der Kosten des Verwaltungsverfahrens beschränkt ist.

    106.

    Insoweit enthält die Akte keinerlei Hinweis zur wahrscheinlichen Höhe der Geldbuße und der Kosten des Verfahrens. In Ermangelung konkreter Angaben kann der Gerichtshof nicht einfach davon ausgehen, dass der Gesamtbetrag zwangsläufig unverhältnismäßig sein wird, wie es die österreichische Regierung andeutet.

    107.

    Abschließend bin ich der Ansicht, dass auch der zweite Klagegrund zurückgewiesen werden sollte.

    C.   Dritter Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 34 und 56 AEUV

    1. Vorbringen der Parteien

    108.

    Die Republik Österreich macht geltend, dass die gerügten Maßnahmen Beschränkungen des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellten, da sie Auswirkungen auf die grenzüberschreitende Lieferung von Waren durch Kraftfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von weniger als 3,5 Tonnen und auf die Erbringung von Dienstleistungen durch Gebietsfremde oder sogar auf die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Gebietsfremden haben könnten. Nach Ansicht der österreichischen Regierung können solche Beschränkungen nicht gerechtfertigt werden.

    109.

    Die Bundesrepublik Deutschland macht erstens geltend, dass die Infrastrukturabgabe keine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstelle. Sie verweist insoweit insbesondere auf das Urteil in der Rechtssache Keck und Mithouard ( 51 ). Außerdem weise die Steuerentlastung keinen grenzüberschreitenden Bezug auf, da sie nur Inländer betreffe. Zweitens bestreitet die deutsche Regierung, dass die Infrastrukturabgabe einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit darstellen könnte. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil Mobistar und Belgacom Mobile ( 52 ).

    2. Würdigung

    110.

    Im Kern bezieht sich das Vorbringen der österreichischen Regierung ausschließlich auf die Infrastrukturabgabe. Es ist nämlich in keiner Weise ersichtlich, worin die grenzübergreifenden Auswirkungen der Steuerentlastung bestehen könnten. Mit der letztgenannten Maßnahme wird lediglich die Steuer gesenkt, die die Halter inländischer Fahrzeuge entrichten müssen. Diese Steuer wird und kann jedoch den Haltern von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Fahrzeugen nicht auferlegt werden, und es wird auch nicht behauptet, dass die Kraftfahrzeugsteuer de facto diskriminierend wäre und somit gegen Art. 110 AEUV verstieße ( 53 ).

    111.

    Dementsprechend wird sich meine Prüfung in diesem Zusammenhang hauptsächlich auf die Frage konzentrieren, ob die Infrastrukturabgabe gegen die Art. 34 und 56 AEUV verstößt.

    112.

    Zuvor ist jedoch eine Vorbemerkung angebracht. Es wird häufig argumentiert, dass der Gerichtshof, wenn eine nationale Maßnahme dem ersten Anschein nach zwei oder mehr Freiheiten des Binnenmarkts beeinträchtigen könnte, die Vereinbarkeit der fraglichen Maßnahme nur in Bezug auf die hauptsächlich betroffene Freiheit prüfen könne und sich damit nicht zur Vereinbarkeit mit der oder den anderen Freiheiten äußern müsse, die rein sekundär erschienen ( 54 ).

    113.

    Meines Erachtens kann dieser Ansatz – der in erster Linie aus verfahrensökonomischen Gründen gerechtfertigt ist – im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens berechtigt sein. Es ist aber mehr als zweifelhaft, ob er in einem Klageverfahren verfolgt werden sollte, bei dem der Gerichtshof grundsätzlich verpflichtet ist, zu jedem einzelnen Klagegrund des Klägers Stellung zu nehmen. Insbesondere meine ich, dass ein Klagegrund im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nur dann außer Acht gelassen werden darf, wenn der behauptete Verstoß eine unvermeidliche Folge eines bereits vom Gerichtshof festgestellten Verstoßes ist, oder wenn dieser Grund alternativ zu einem für begründet erachteten Grund vorgebracht worden ist ( 55 ).

    114.

    In Anbetracht des Vorbringens der Republik Österreich meine ich jedenfalls, dass der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache den behaupteten Verstoß unter dem Aspekt beider geltend gemachten Freiheiten prüfen sollte.

    a) Freier Warenverkehr

    115.

    Im Wesentlichen macht die österreichische Regierung geltend, dass es sich bei der Infrastrukturabgabe um eine Maßnahme mit gleicher Wirkung handele, die gegen Art. 34 AEUV verstoße und nicht gerechtfertigt werden könne.

    116.

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung jede Maßnahme, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen ist ( 56 ). So stellen Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich daraus ergeben, dass Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften entsprechen müssen, selbst dann Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen dar, wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten ( 57 ). Hingegen ist die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten und sofern sie weder rechtlich noch tatsächlich diskriminierend sind ( 58 ).

    117.

    Vor diesem Hintergrund teile ich nicht die Ansicht der deutschen Regierung, dass die Infrastrukturabgabe, soweit sie sich auf den Vertrieb von Waren in Deutschland auswirken könnte, als „Verkaufsmodalität“ im Sinne des Keck-Urteils anzusehen sei.

    118.

    Der Begriff „Verkaufsmodalitäten“ umfasst nur nationale Regelungen, die die „Modalitäten, unter denen Waren verkauft werden dürfen“, betreffen ( 59 ). Mit anderen Worten: Er umfasst Maßnahmen zur Regelung der Art und Weise, in der Waren vermarktet werden können (z. B. wann, wo, wie und von wem) ( 60 ). Dieser Begriff sollte nicht auf Regelungen ausgedehnt werden, die die Art und Weise betreffen, in der Waren befördert werden. Die Erfahrung zeigt, dass Verkaufsmodalitäten, sofern sie nicht diskriminierend sind, den Zugang eingeführter Waren zu einem Markt eines Mitgliedstaats im Allgemeinen nicht behindern. Umgekehrt kann eine Beschränkung der Art und Weise, in der Waren befördert werden, eine unmittelbarere Auswirkung auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr haben, indem Einfuhren und Ausfuhren in technischer, wirtschaftlicher oder praktischer Hinsicht erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden. Meiner Ansicht nach gleichen innerstaatliche Vorschriften über die Beförderung in gewisser Hinsicht nationalen Regelungen über die Verwendung, bezüglich deren der Gerichtshof eine Ausweitung des Keck-Grundsatzes abgelehnt hat ( 61 ). Dies wird durch zahlreiche Fälle bestätigt, in denen der Gerichtshof die Vereinbarkeit mit Art. 34 AEUV von innerstaatlichen Maßnahmen, die die Beförderung von Waren beschränken, anhand der traditionellen Dassonville- und Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung geprüft hat ( 62 ).

    119.

    Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Infrastrukturabgabe als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen ist.

    120.

    Zunächst ist zu bedenken, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits über ein Autobahnmautsystem verfügt, das für Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht ab 3,5 Tonnen gilt. Die Infrastrukturabgabe, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, betrifft daher nur Fahrzeuge mit einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen. Sie betrifft daher in erster Linie Pkws, Busse und Kleintransporter und gilt – worauf nochmals hinzuweisen ist – unterschiedslos sowohl für inländische als auch für ausländische Fahrzeuge.

    121.

    Die österreichische Regierung macht gleichwohl geltend, dass bestimmte Waren aus anderen Mitgliedstaaten mit Pkws oder Kleintransportern nach Deutschland ausgeführt werden könnten, so dass der grenzüberschreitende Handel beeinträchtigt sein könnte.

    122.

    Es lässt sich zwar nicht ausschließen, dass bestimmte Waren gelegentlich vom Ort der Herstellung, der Einfuhr, der Lagerung oder von irgendeinem anderen Ort, an dem sie im Ausland vermarktet werden, mit Pkws oder Kleintransportern nach Deutschland befördert werden. Jedoch genügt dies nicht, um die Infrastrukturabgabe als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen.

    123.

    Hierzu möchte ich darauf hinweisen, dass der Gerichtshof in einer Reihe von Rechtssachen konsequent entschieden hat, dass nationale Maßnahmen, deren beschränkende Wirkungen „zu ungewiss und zu mittelbar“, „nur hypothetisch“ oder „zu unbedeutend und zufällig“ sind, nicht gegen Art. 34 AEUV verstoßen ( 63 ). Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Maßnahmen, die „nicht nach dem Ursprung der beförderten Waren unterscheiden“ und „nicht den Warenhandel mit den anderen Mitgliedstaaten regeln sollen“ ( 64 ).

    124.

    Dies scheint in Bezug auf die Infrastrukturabgabe im vorliegenden Verfahren der Fall zu sein, bei der es sich um eine Maßnahme handelt, die in keiner Weise die Regulierung des Handels zum Ziel hat: Sie gilt unterschiedslos für alle Fahrzeuge, die im deutschen Autobahnnetz verkehren, unabhängig vom privaten oder gewerblichen Zweck der Fahrt und unabhängig von der Herkunft des Fahrzeugs und der etwa beförderten Waren. Die Zahl der eingeführten Waren, die möglicherweise betroffen sein könnten, ist wahrscheinlich gering, und der mögliche Preisanstieg dieser Waren sogar noch geringer, da die Infrastrukturabgabe vermutlich einen sehr kleinen Teil der Gesamttransportkosten ausmachen wird.

    125.

    Aus den Akten der Rechtssache ergibt sich aus meiner Sicht nichts, was eine andere Schlussfolgerung zuließe, insbesondere, da die Republik Österreich im Hinblick auf die mögliche Auswirkung der Infrastrukturabgabe auf den grenzüberschreitenden Handel keinerlei Nachweise (Schätzungen, Studien, Beispiele usw.) erbracht hat. In Wirklichkeit fordert die österreichische Regierung den Gerichtshof auf, in dieser Rechtssache auf der Grundlage einer bloßen Annahme zu entscheiden, ungeachtet dessen, dass sie als Klägerin die Beweislast trägt.

    b) Dienstleistungsfreiheit

    126.

    Die österreichische Regierung ist der Auffassung, dass die Infrastrukturabgabe auch gegen Art. 56 AEUV verstoße, da sie das Fahren in Deutschland sowohl für ausländische Dienstleistungserbringer als auch für inländische Kunden teurer mache.

    127.

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung alle Maßnahmen, die die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit untersagen, behindern oder weniger attraktiv machen, als Beschränkungen dieser Freiheit zu verstehen sind. Ferner verleiht Art. 56 AEUV nicht nur dem Erbringer von Dienstleistungen selbst, sondern auch deren Empfänger Rechte ( 65 ).

    128.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs erfasst Art. 56 AEUV in der Regel nationale Maßnahmen nicht, deren einzige Wirkung es ist, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie die Erbringung von Dienstleistungen innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats berühren ( 66 ).

    129.

    Dies kann insbesondere bei Steuern und anderen Abgaben der Fall sein, die nationale Behörden in Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten im Bereich Steuern und Wirtschaftspolitik erheben können. Unter der Voraussetzung, dass diese Steuern und Abgaben nicht unmittelbar oder mittelbar diskriminierend sind und ihr Betrag im Verhältnis zu den betreffenden Dienstleistungen gering ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie den Zugang zum Markt des betreffenden Mitgliedstaats behindern könnten ( 67 ).

    130.

    Zwar hatten Fahrer von Pkws, Bussen und Kleintransportern, die im Ausland zugelassen sind, in der Vergangenheit kostenfreien Zugang zum deutschen Autobahnnetz. Jedoch können Wirtschaftsteilnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht aufgrund der unionsrechtlichen Bestimmungen über den freien Verkehr auf das Ausbleiben von Gesetzesänderungen vertrauen ( 68 ). Einfache Änderungen der nationalen Rechtsvorschriften – vorausgesetzt, sie sind nicht diskriminierend – oder bloße Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften verschiedener Mitgliedstaaten, die den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats nicht behindern, genügen nicht, um die Anwendung der den freien Verkehr betreffenden Bestimmungen des Vertrags auszulösen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie die Entscheidung der Händler in der Europäischen Union hinsichtlich der Ausübung ihrer Verkehrsfreiheitsrechte negativ beeinflussen könnten ( 69 ).

    131.

    Vor diesem Hintergrund und in Ermangelung konkreter Informationen oder Beweise seitens der Klägerin sollte der Gerichtshof nicht einfach davon ausgehen, dass die Einführung einer Abgabe in der Art und der Höhe der in Rede stehenden Infrastrukturabgabe zwangsläufig im Ausland ansässige Dienstleistungserbringer davon abhalten wird, Dienstleistungen in Deutschland zu erbringen, oder Personen mit Wohnsitz in Deutschland davon abhalten wird, sich zu einem vergleichbaren Zweck ins Ausland zu begeben.

    132.

    Wie oben in Nr. 124 ausgeführt, gilt die Infrastrukturabgabe unterschiedslos für alle Fahrzeuge, die im deutschen Autobahnnetz verkehren, unabhängig vom privaten oder gewerblichen Zweck der Fahrt und unabhängig von der Herkunft des Fahrzeugs. Auf der Grundlage der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen scheinen die Kosten für die Vignette den in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (einschließlich der Republik Österreich) geltenden Kosten zu entsprechen und können im Hinblick auf die Gegenleistung (den unbeschränkten Zugang zum deutschen Autobahnnetz) kaum als unverhältnismäßig angesehen werden. Eine Auswirkung auf den freien Dienstleistungsverkehr scheint daher ungewiss bzw. allenfalls mittelbar zu sein. Es gibt also, anders ausgedrückt, keine Anhaltspunkte, die auf eine Behinderung des Marktzugangs hindeuten könnten.

    133.

    In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen besteht kein Grund, die von der deutschen Regierung geltend gemachten möglichen Rechtfertigungsgründe zu prüfen.

    D.   Vierter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 92 AEUV

    1. Vorbringen der Parteien

    134.

    Mit ihrem vierten und letzten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, dass die in Rede stehenden Maßnahmen gegen Art. 92 AEUV verstießen, soweit sie für gewerbliche Bustransporte oder Warentransporte mit Kraftfahrzeugen von weniger als 3,5 Tonnen gälten. Die österreichische Regierung betont, dass Art. 92 AEUV keine Möglichkeit einer Rechtfertigung vorsehe, so dass die in Rede stehenden Maßnahmen aufgrund ihres diskriminierenden Charakters mit dieser Bestimmung unvereinbar seien. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil Kommission/Deutschland.

    135.

    Die Bundesrepublik Deutschland hält diesen Klagegrund für unbegründet. Sie macht geltend, dass Art. 92 AEUV nicht extensiv dahin ausgelegt werden könne, dass er jede Änderung der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften, die Beförderungen im Kraftverkehr beeinträchtigen könnte, ausschließe. Die deutsche Regierung weist außerdem darauf hin, dass nach der Verkündung des Urteils Kommission/Deutschland wesentliche Rechtsvorschriften, insbesondere die Eurovignetten-Richtlinie, erlassen worden seien. Art. 7 Abs. 1 und Art. 7k dieser Richtlinie würden ausdrücklich Maßnahmen wie die in Rede stehenden erlauben.

    2. Würdigung

    136.

    Art. 92 AEUV besagt, dass „[b]is zum Erlass der in Artikel 91 Absatz 1 genannten Vorschriften … ein Mitgliedstaat die verschiedenen, am 1. Januar 1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, zum Zeitpunkt ihres Beitritts auf diesem Gebiet geltenden Vorschriften in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmer anderer Mitgliedstaaten im Vergleich zu den inländischen Verkehrsunternehmern nicht ungünstiger gestalten [darf], es sei denn, dass der Rat einstimmig eine Maßnahme billigt, die eine Ausnahmeregelung gewährt“.

    137.

    Art. 91 Abs. 1 AEUV wiederum bildet die Grundlage für den Erlass von Maßnahmen zur Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik und insbesondere von Bestimmungen zur Aufstellung „[gemeinsamer Regeln] für den internationalen Verkehr aus oder nach dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder für den Durchgangsverkehr durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten“, zur Festlegung der „[Bedingungen] für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind“, und zum Erlass von „Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit“.

    138.

    Art. 92 AEUV (bzw. seine Vorgänger, zunächst Art. 76 EWG, dann Art. 72 EG) ist eine Bestimmung, die bisher vom Gerichtshof kaum ausgelegt und vom Rat nur selten angewandt worden ist. Der vorliegende Fall bietet dem Gerichtshof somit die Gelegenheit, den Anwendungsbereich und den Sinn dieser Bestimmung zu klären.

    139.

    Der Verkehr ist Gegenstand einer gemeinsamen Politik, was das Vorhandensein spezifischer Vorschriften impliziert, die von den andere Tätigkeiten regelnden Vorschriften gelegentlich abweichen bzw. sich jedenfalls von diesen unterscheiden. Es gab mehrere Gründe, weshalb die Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung der Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften die Auffassung vertraten, dass der Verkehr bestimmte Besonderheiten aufweise, die eine Reihe spezifischer Regelungen erforderten ( 70 ). Es wurde u. a. die Auffassung vertreten, dass erhebliche Unterschiede in der Art und Weise der Regulierung der Verkehrsdienste auf der Ebene der Mitgliedstaaten bestanden, was angesichts der Sensibilität des Gegenstands ein vorsichtiges und schrittweises Vorgehen bei der Festlegung der gemeinsamen Politik forderte ( 71 ).

    140.

    Aus diesem Grund war es wichtig, als ersten Schritt die Mitgliedstaaten daran zu hindern, diesen Prozess durch die Einführung neuer Vorschriften, die nationale Verkehrsunternehmen gegenüber ausländischen Verkehrsunternehmen begünstigt hätten, zu unterlaufen. Dies hätte nämlich zu einer größeren Kluft zwischen den verschiedenen Regelungskomplexen der Mitgliedstaaten geführt und dem Geist der künftigen Politik widersprochen. Der damalige Art. 76 EWG (jetzt Art. 92 AEUV) wurde daher genau zu diesem Zweck konzipiert: Er hat den Mitgliedstaaten eine Stillhalteverpflichtung auferlegt, bis die Gemeinschaft (jetzt die Europäische Union) gemeinsame Vorschriften verabschiedet haben würde. In diesem Zusammenhang darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das allgemeine Verbot der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union, das in Art. 56 AEUV (damals Art. 59 EWG) verankert ist, heute wie damals gemäß Art. 58 Abs. 1 AEUV (damals Art. 61 Abs. 1 EWG) auf dem Gebiet des Verkehrs nicht anwendbar ist.

    141.

    Unter Berücksichtigung dieser Historie sind die von der österreichischen Regierung angeführten Argumente für einen Verstoß gegen Art. 92 AEUV nicht überzeugend.

    142.

    Zunächst dürfte Art. 92 AEUV in Bezug auf Maßnahmen wie die in Rede stehenden nicht mehr anwendbar sein. Es überrascht nicht, dass diese Bestimmung in der Vergangenheit sehr selten angewandt wurde und schon seit Langem überhaupt nicht mehr angewandt worden ist: Art. 76 EWG war von Anfang an als eine Übergangsregelung konzipiert, deren Anwendungsbereich sich schrittweise verringern sollte ( 72 ). In dieser Bestimmung heißt es nämlich ausdrücklich, dass sie nur „[b]is zum Erlass der in Artikel 91 Absatz 1 [AEUV] genannten Vorschriften“ gilt. So haben einige Autoren nach der Festlegung gemeinsamer Vorschriften für alle Verkehrsarten (Luft‑, Straßen‑, Schienen‑, See- und Binnenschiffsverkehr) die Frage aufgeworfen, ob diese Bestimmung nicht weitgehend obsolet sei ( 73 ).

    143.

    Dies gilt meiner Ansicht nach vor allem für den Straßenverkehr. Mehrere Maßnahmen der EU, die auf die Festlegung einer gemeinsamen Politik in diesem Sektor abzielen, wurden nämlich besonders Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre getroffen ( 74 ). Im Lauf dieser Jahre hat der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf die Durchführung des (jetzigen) Art. 91 Abs. 1 AEUV u. a.: die freie Preisbildung zwischen den Vertragspartnern mit Wirkung zum Januar 1990 eingeführt, Kontingente mit Wirkung zum Januar 1993 aufgehoben, ebenfalls mit Wirkung zum Januar 1993 eine gemeinschaftsweite Lizenz für Güterkraftverkehrsunternehmer eingeführt, gemeinsame Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen festgelegt und mit der phasenweisen Einführung der Kabotage begonnen ( 75 ).

    144.

    Heutzutage fällt der Bereich des Straßenverkehrs, wie jüngst durch das Gutachten 2/15 bestätigt worden ist, weitgehend unter das Unionsrecht ( 76 ). Insbesondere umfasst das Unionsrecht gemeinsame Regeln für den Zugang zu Berufen und zum Markt, legt Mindeststandards für die Arbeits‑, Lenk- und Ruhezeiten für den gewerblichen Straßenverkehr sowie Mindestsätze für die jährlichen Kraftfahrzeugsteuern und gemeinsame Vorschriften für Maut- und Benutzungsgebühren für schwere Nutzfahrzeuge fest ( 77 ).

    145.

    Der zuletzt genannte Aspekt ist im vorliegenden Verfahren von besonderer Bedeutung. In der Eurovignetten-Richtlinie sind nämlich gemeinsame Vorschriften über entfernungsabhängige Mautgebühren und zeitabhängige Benutzungsgebühren (Vignetten) für schwere Nutzfahrzeuge für die Benutzung bestimmter Verkehrswege festgelegt. Diese Vorschriften sehen vor, dass die Kosten für den Bau, den Betrieb und die Entwicklung der Verkehrswege durch Mautgebühren und Vignetten für Straßenbenutzer finanziert werden können.

    146.

    Der Unionsgesetzgeber hat jedoch beschlossen, die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesem Bereich vorläufig auf Fahrzeuge von über 3,5 Tonnen zu beschränken ( 78 ). Art. 7 Abs. 1 der Eurovignetten-Richtlinie stellt klar, dass „die Mitgliedstaaten unter [bestimmten] Bedingungen Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf dem transeuropäischen Straßennetz oder auf bestimmten Abschnitten dieses Netzes und zusätzlich auf anderen Abschnitten ihrer Autobahnnetze, die nicht zum transeuropäischen Straßennetz gehören, beibehalten oder einführen [dürfen]“. Die Mitgliedstaaten sind grundsätzlich berechtigt, „Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf anderen Straßen zu erheben, … sofern die Erhebung von Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf solchen anderen Straßen den internationalen Verkehr nicht diskriminiert und nicht zur Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen führt“. Diese Bestimmung ist vor dem Hintergrund des neunten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/76/EU ( 79 ) zu sehen, wonach diese Richtlinie „die Mitgliedstaaten nicht daran [hindert], nationale Vorschriften für die Erhebung von Gebühren bei anderen Straßenbenutzern, die nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen, anzuwenden“. Zudem gestattet Art. 7k der Eurovignetten-Richtlinie den Mitgliedstaaten, die ein System von Benutzungsgebühren für Verkehrswege einführen, einen angemessenen Ausgleich für diese Gebühren vorzusehen.

    147.

    Es kann nicht – wie mit dem Vorbringen der österreichischen Regierung angedeutet – argumentiert werden, dass ungeachtet der umfangreichen, von der Europäischen Union gemäß Art. 91 AEUV im Bereich des Straßenverkehrs erlassenen Rechtsvorschriften und trotz der in der Eurovignetten-Richtlinie festgelegten spezifischen Bestimmungen kein Mitgliedstaat ein System von Maut- oder Benutzungsgebühren für die Benutzung seines Autobahnnetzes für Fahrzeuge einführen darf, die nicht unter die Eurovignetten-Richtlinie fallen, solange diese Frage nicht durch das Unionsrecht geregelt ist. Ebenso wenig kann argumentiert werden, dass ein Mitgliedstaat, wenn er dies tut, die Kraftfahrzeugsteuer nicht senken darf, um die neuen Abgaben zu kompensieren.

    148.

    Diese Schlussfolgerung würde – abgesehen davon, dass sie schwer mit dem Wortlaut der Eurovignetten-Richtlinie zu vereinbaren wäre – auch gegen zwei weithin anerkannte Dogmen der EU-Verkehrspolitik verstoßen: Die Kosten im Zusammenhang mit der Benutzung von Verkehrsinfrastrukturen sollen auf dem „Benutzerprinzip“ und dem „Verursacherprinzip“ beruhen ( 80 ). Außerdem wäre dies eine unlogische Schlussfolgerung, da sie bedeuten würde, dass alle Mitgliedstaaten, die solche Systeme nach dem 1. Januar 1958 (bzw. nach dem Tag ihres Beitritts zur Gemeinschaft/Union) errichtet haben, gegen Art. 92 AEUV verstoßen hätten und weiterhin verstießen.

    149.

    Zur Untermauerung ihres Vorbringens verweist die österreichische Regierung auf das Urteil Kommission/Deutschland.

    150.

    Ich bin jedoch der Auffassung, dass das Ergebnis, zu dem der Gerichtshof in dieser Rechtssache gelangt ist, nicht ohne Weiteres auf das vorliegende Verfahren übertragen werden kann. Diese Rechtssache wurde nämlich im Jahr 1990 anhängig gemacht, zu einer Zeit also, zu der die meisten zur Umsetzung einer gemeinsamen Politik im Bereich des Straßenverkehrs erforderlichen Maßnahmen entweder nicht erlassen oder noch nicht auf nationaler Ebene umgesetzt worden waren, einschließlich – und dies ist von besonderer Bedeutung – der Eurovignetten-Richtlinie. Die „in Artikel 91 Absatz 1 [AEUV] genannten Vorschriften“ sind jetzt endlich verabschiedet, einschließlich spezifischer Vorschriften für die Zuweisung von Kosten für Verkehrsinfrastrukturen.

    151.

    Auf jeden Fall hat die österreichische Regierung, selbst wenn Art. 92 AEUV noch anzuwenden wäre, nicht hinreichend erläutert, noch gar irgendwelche Beweise dafür vorgebracht, wie eine Maßnahme, die nur Fahrzeuge von unter 3,5 Tonnen betrifft, tatsächliche Auswirkungen auf ausländische Verkehrsunternehmen haben könnte. Auch bezüglich dieser Frage verlangt die österreichische Regierung im Wesentlichen, dass der Gerichtshof seine Entscheidung auf der Grundlage einer Annahme trifft. Wie jedoch bereits oben in Nr. 78 ausgeführt, ist der Kläger im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 259 AEUV verpflichtet, die behauptete Vertragsverletzung nachzuweisen, ohne sich auf irgendwelche Vermutungen zu berufen.

    152.

    Aus all diesen Gründen bin ich der Auffassung, dass auch der vierte Klagegrund zurückzuweisen ist.

    V. Kosten

    153.

    Ich bin der Ansicht, dass gemäß Art. 138 Abs. 1 und Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Republik Österreich ihre eigenen Kosten und die Kosten der Bundesrepublik Deutschland zu tragen hat, während das Königreich Dänemark und das Königreich der Niederlande jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen haben.

    VI. Ergebnis

    154.

    Nach alldem schlage ich dem Gerichtshof vor,

    die Klage abzuweisen;

    der Republik Österreich ihre eigenen Kosten und die Kosten der Bundesrepublik Deutschland aufzuerlegen;

    dem Königreich Dänemark und dem Königreich der Niederlande jeweils ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.


    ( 1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 2 ) Beide Maßnahmen zusammen im Folgenden: in Rede stehende Maßnahmen.

    ( 3 ) ABl. 1999, L 187, S. 42.

    ( 4 ) BGBl. I S. 904.

    ( 5 ) BGBl. I S. 1218.

    ( 6 ) BGBl. I 2007, S. 1206.

    ( 7 ) BGBl. I S. 3818.

    ( 8 ) BGBl. I S. 901.

    ( 9 ) BGBl. I S. 1493.

    ( 10 ) Richtlinie des Rates vom 28. März 1983 über Steuerbefreiung innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel (ABl. 1983, L 105, S. 59).

    ( 11 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 1977, Ruckdeschel u. a. (117/76 und 16/77, EU:C:1977:160‚ Rn. 7). Vgl. auch Art. 20 der Charta.

    ( 12 ) Vgl. Urteil vom 2. Oktober 2003, Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539‚ Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 13 ) Vgl. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. 2006, L 204, S. 23).

    ( 14 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2008, Feryn (C‑54/07, EU:C:2008:397‚ Rn. 23 bis 25), und vom 25. April 2013, Asociaţia Accept (C‑81/12, EU:C:2013:275‚ Rn. 36).

    ( 15 ) Vgl. Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566‚ Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 16 ) Urteil vom 19. Mai 1992, Kommission/Deutschland (C‑195/90, EU:C:1992:219, im Folgenden: Urteil Kommission/Deutschland).

    ( 17 ) Zu Art. 92 AEUV allgemein siehe oben, Nrn. 134 bis 152.

    ( 18 ) Siehe hierzu die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Kommission/Deutschland (C‑195/90, EU:C:1992:123, Nrn. 14 bis 21).

    ( 19 ) Erst recht kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand, dass die Halter von Euro‑6-Fahrzeugen eine Steuerentlastung erhalten, die höher ist als der Betrag, den sie für die Jahresvignette zahlen, keine Bedeutung zu.

    ( 20 ) So ist beispielsweise die Benutzung der Vasco-da-Gama-Brücke in Portugal und der Öresundbrücke zwischen Schweden und Dänemark mautpflichtig, die Benutzung der Budapester Széchenyi-Kettenbrücke hingegen nicht. Ebenso ist die Benutzung des Arlberg-Straßentunnels in Österreich und des Fréjus-Straßentunnels zwischen Italien und Frankreich mautpflichtig, die Benutzung des Gran-Sasso-Tunnels in Italien hingegen nicht.

    ( 21 ) Beispielsweise können die Kuppel des Reichstags in Berlin, die Kathedrale Notre-Dame, das Pantheon in Rom und die Gärten von Schönbrunn in Wien kostenlos besucht werden, während ein Besuch des Van Gogh Museums in Amsterdam, der Akropolis in Athen, des Museo del Prado in Madrid oder des Markusdoms in Venedig in der Regel kostenpflichtig ist.

    ( 22 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2004, Lindfors (C‑365/02, EU:C:2004:449‚ Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. allgemein auch Urteil vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien (C‑388/01, EU:C:2003:30).

    ( 23 ) Siehe dazu oben, Rn. 36.

    ( 24 ) Ich weise darauf hin, dass eine solche Kompensierung nach Art. 7k der Eurovignetten-Richtlinie ausdrücklich erlaubt ist. Auch wenn diese Bestimmung in der vorliegenden Rechtssache nicht unmittelbar anwendbar ist, kann sie als Ausdruck eines Grundsatzes verstanden werden, der auch für die im vorliegenden Verfahren in Rede stehende Situation gelten muss.

    ( 25 ) Aufmerksame Leser werden eine Abwandlung der Einleitung zum Werk „Manifest der Kommunistischen Partei“ der Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahr 1848 erkannt haben. Der ursprüngliche Bezug war offensichtlich der Kommunismus. Ich unterstelle jedoch keineswegs, dass die beiden Phänomene als ähnlich betrachtet werden sollten.

    ( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven in den verbundenen Rechtssachen Jackson und Crescie (C‑63/91 und C‑64/91, EU:C:1992:212‚ Nrn. 15 ff.).

    ( 27 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2017, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑502/15, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:334‚ Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 28 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Oktober 2012 (Ungarn/Slowakei, C‑364/10, EU:C:2012:630‚ Rn. 56 bis 61).

    ( 29 ) Vgl. unter vielen Urteil vom 16. September 2004 (Kommission/Spanien, C‑227/01, EU:C:2004:528‚ Rn. 58).

    ( 30 ) Vgl. im Schrifttum, mit weiteren Nachweisen, Sanchez-Graells, A., „Assessing the Public Administration’s Intention in EU Economic Law: Chasing Ghosts or Dressing Windows?“, Cambridge Yearbook of European Legal Studies, 2016, S. 111 und 112.

    ( 31 ) Ein Mautsystem für schwere Nutzfahrzeuge ist bereits vorhanden.

    ( 32 ) Urteil vom 19. März 2002 (C‑224/00, EU:C:2002:185, im Folgenden: Urteil Kommission/Italien).

    ( 33 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2018 (Kommission/Bulgarien, C‑97/17, EU:C:2018:285‚ Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 34 ) In der mündlichen Verhandlung hat die österreichische Regierung auch geltend gemacht, dass es einen weiteren Grund dafür gebe, dass die Infrastrukturabgabe aufgrund ihrer Ausgestaltung diskriminierend sei. In Anbetracht der unterschiedlichen Arten, auf die die Infrastrukturabgabe zu entrichten sei, sollte diese dahin angesehen werden, dass sie in der Praxis zu zwei unterschiedlichen Maßnahmen führe: eine Steuer für die Halter inländischer Fahrzeuge und eine Benutzungsgebühr für die Fahrer ausländischer Fahrzeuge. Dieses Argument ist jedoch nicht klar erläutert worden und nicht ausdrücklich in der Klageschrift enthalten. Ich halte es daher für offensichtlich unzulässig.

    ( 35 ) Fehlt es an gemeinsamen Regelungen zu einem bestimmten Bereich, bleiben die Mitgliedstaaten befugt, Verstöße gegen Verpflichtungen aus innerstaatlichem Recht zu ahnden. Die Mitgliedstaaten dürfen jedoch keine im Vergleich zur Schwere des Verstoßes so unverhältnismäßige Sanktion vorsehen, dass hierdurch ein Hindernis für die in den Verträgen verankerten Freiheiten geschaffen würde. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Juli 1976, Watson und Belmann (118/75, EU:C:1976:106‚ Rn. 21), und vom 29. Februar 1996, Skanavi und Chryssanthakopoulos (C‑193/94, EU:C:1996:70‚ Rn. 36).

    ( 36 ) Vgl. entsprechend meine Schlussanträge in der Rechtssache Vásmos (C‑566/16, EU:C:2017:895‚ Nrn. 57 und 58, bestätigt im Urteil vom 17. Mai 2018, EU:C:2018:321‚ Rn. 42).

    ( 37 ) Der Fall liegt meiner Ansicht nach ähnlich wie der eines Fahrers, der das Ticket verliert, das er an einer Autobahnauffahrt erhalten hat. In diesem Fall muss der Fahrer in der Regel die Maut entrichten, die der längsten Route entspricht, die auf dieser Autobahn möglich ist.

    ( 38 ) Vgl. Rn. 20 des Urteils.

    ( 39 ) Vgl. Rn. 21 bis 29 des Urteils.

    ( 40 ) Urteil vom 26. Januar 2006 (C‑514/03, EU:C:2006:63).

    ( 41 ) Vgl. Rn. 41 bis 44 des Urteils.

    ( 42 ) Urteil vom 13. November 2018 (C‑33/17, EU:C:2018:896).

    ( 43 ) Vgl. Rn. 46 bis 48 des Urteils. Vgl. auch meine Schlussanträge in derselben Rechtssache (EU:C:2018:311, Nrn. 100, 101 und 107).

    ( 44 ) Siehe Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl in der Rechtssache Kommission/Italien (C‑224/00, EU:C:2001:671‚ Nrn. 31 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 45 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant (C‑9/02, EU:C:2004:138, Rn. 51 und 52), vom 9. November 2006, Kommission/Belgien (C‑433/04, EU:C:2006:702, Rn. 35 bis 38), vom 7. September 2017, Eqiom und Enka (C‑6/16, EU:C:2017:641, Rn. 31), und vom 20. Dezember 2017, Deister Holding und Juhler Holding (C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rn. 61).

    ( 46 ) Rahmenbeschluss des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (ABl. 2005, L 76, S. 16).

    ( 47 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte (ABl. 2015, L 68, S. 9).

    ( 48 ) Vgl. unter vielen Urteil vom 27. November 2003, Kommission/Finnland (C‑185/00, EU:C:2003:639‚ Rn. 109).

    ( 49 ) Vgl. unter vielen Urteil vom 10. Juli 1986, Kommission/Italien (235/84, EU:C:1986:303‚ Rn. 14).

    ( 50 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 29. Mai 1997, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑300/95, EU:C:1997:255‚ Rn. 38).

    ( 51 ) Urteil vom 24. November 1993 (C‑267/91 und C‑268/91, EU:C:1993:905, im Folgenden: Keck-Urteil).

    ( 52 ) Urteil vom 8. September 2005 (C‑544/03 und C‑545/03, EU:C:2005:518).

    ( 53 ) Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die Anwendungsbereiche der Art. 34 und 110 AEUV einander ausschließen. Der Anwendungsbereich des Art. 34 AEUV erfasst nach ständiger Rechtsprechung solche Beeinträchtigungen nicht, für die sonstige spezifische Vorschriften des Vertrags gelten, und die in Art. 110 AEUV bezeichneten Beeinträchtigungen fiskalischer Art unterliegen nicht dem Verbot des Art. 34 AEUV (vgl. u. a. Urteil vom 7. April 2011, Tatu, C‑402/09, EU:C:2011:219, Rn. 33).

    ( 54 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen) (C‑235/17, EU:C:2018:971‚ Nrn. 43 bis 50).

    ( 55 ) Vgl. z. B. Urteile vom 30. Mai 2006, Kommission/Irland (C‑459/03, EU:C:2006:345, Rn. 168 bis 173), und vom 20. Oktober 2011, Kommission/Frankreich (C‑549/09, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:672‚ Rn. 48).

    ( 56 ) Vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville (8/74, EU:C:1974:82, im Folgenden: Dassonville, Rn. 5), und vom 23. Dezember 2015, Scotch Whisky Association u. a. (C‑333/14, EU:C:2015:845, Rn. 31).

    ( 57 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Februar 1979, Rewe-Zentral (120/78, EU:C:1979:42, im Folgenden: Cassis-de-Dijon-Urteil, Rn. 6, 14 und 15), sowie vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien (C‑110/05, EU:C:2009:66, im Folgenden: Anhänger-Urteil, Rn. 35).

    ( 58 ) Vgl. Keck-Urteil (Rn. 16 und 17) sowie Anhänger-Urteil (Rn. 36).

    ( 59 ) Vgl. Urteil vom 30. April 2009, Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft (C‑531/07, EU:C:2009:276‚ Rn. 20).

    ( 60 ) Vgl. Urteile vom 12. November 2015, Visnapuu (C‑198/14, EU:C:2015:751), und vom 21. September 2016, Etablissements Fr. Colruyt (C‑221/15, EU:C:2016:704). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung (C‑148/15, EU:C:2016:394, Nrn. 20 ff.).

    ( 61 ) Vgl. Anhänger-Urteil (Rn. 37 und 56 ff.).

    ( 62 ) Vgl. u. a. Urteile vom 12. Juni 2003, Schmidberger (C‑112/00, EU:C:2003:333), vom 15. November 2005, Kommission/Österreich (C‑320/03, EU:C:2005:684), und vom 21. Dezember 2011, Kommission/Österreich (C‑28/09, EU:C:2011:854).

    ( 63 ) Vgl. u. a. Urteile vom 7. März 1990, Krantz (C‑69/88, EU:C:1990:97‚ Rn. 11), vom 5. Oktober 1994, Centre d’insémination de la Crespelle (C‑323/93, EU:C:1994:368‚ Rn. 36), vom 3. Dezember 1998, Bluhme (C‑67/97, EU:C:1998:584‚ Rn. 22), und vom 26. Mai 2005, Burmanjer u. a. (C‑20/03, EU:C:2005:307, Rn. 31).

    ( 64 ) Vgl. Urteile vom 18. Juni 1998, Corsica Ferries France (C‑266/96, EU:C:1998:306‚ Rn. 31), vom 14. Juli 1994, Peralta (C‑379/92, EU:C:1994:296‚ Rn. 24), und vom 5. Oktober 1995, Centro Servizi Spediporto (C‑96/94, EU:C:1995:308‚ Rn. 41).

    ( 65 ) Urteil vom 13. November 2018, Čepelnik (C‑33/17, EU:C:2018:896‚ Rn. 37 und 38 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 66 ) Vgl. z. B. Urteile vom 8. September 2005, Mobistar und Belgacom Mobile (C‑544/03 und C‑545/03, EU:C:2005:518‚ Rn. 31), vom 11. Juni 2015, Berlington Hungary u. a. (C‑98/14, EU:C:2015:386‚ Rn. 36), und vom 22. November 2018, Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank (C‑625/17, EU:C:2018:939, Rn. 32).

    ( 67 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Februar 2005, Viacom Outdoor (C‑134/03, EU:C:2005:94‚ Rn. 37 bis 39), und entsprechend vom 1. Juni 2006, innoventif (C‑453/04, EU:C:2006:361‚ Rn. 37 bis 40). Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Viacom Outdoor (C‑134/03, EU:C:2004:676‚ Nrn. 58 bis 67), und meine Schlussanträge in der Rechtssache Global Starnet (C‑322/16, EU:C:2017:442, Nrn. 26 bis 29).

    ( 68 ) Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Berlington Hungary u. a. (C‑98/14, EU:C:2015:386‚ Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 69 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, Weigel (C‑387/01, EU:C:2004:256‚ Rn. 55). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in der Rechtssache CaixaBank France (C‑442/02, EU:C:2004:187‚ Nr. 58).

    ( 70 ) Vgl. Aussant, J., Fornasier, R., „La Politique Commune des Transports“, in Commentaire Megret – Le Droit de la CEE, Bd. 3, 2. Aufl., 1990, S. 195 bis 197.

    ( 71 ) Vgl. allgemein Robert, J., „Doubts on a Common Transport Policy“, 1967, Common Market Law Review, Bd. 5, S. 193 ff.

    ( 72 ) Vgl. Aussant, J., Fornasier, R., oben in Fn. 69 angeführt, S. 216.

    ( 73 ) Vgl. z. B. Grand, L., „Kommentierung zu Art. 72 EG“, in Pingel, I. (Hrsg.), Commentaire article par article des traités UE et CE, 2. Aufl., Dalloz, Paris, 2010, S. 667 und 668. Ähnlich Balducci Romano, F., „Kommentierung zu Art. 92 AEUV“, in Curti Gialdino, C., Codice dell’Unione Europea Operativo, Simone, Neapel, 2012, S. 962 und 963.

    ( 74 ) Der Grund dafür liegt darin, dass das Parlament Mitte der 1980er Jahre erfolgreich Klage gegen den Rat erhoben hat, weil er keine gemeinsame Verkehrspolitik eingeführt hatte (vgl. Urteil vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat, 13/83, EU:C:1985:220).

    ( 75 ) Verordnung (EWG) Nr. 4058/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Preisbildung im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 1989, L 390, S. 1), Verordnung (EWG) Nr. 1841/88 des Rates vom 21. Juni 1988 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3164/76 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 1988, L 163, S. 1), Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten (ABl. 1992, L 95, S. 1), Verordnung (EWG) Nr. 684/92 des Rates vom 16. März 1992 zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen (ABl. 1992, L 74, S. 1) bzw. Verordnung (EWG) Nr. 3118/93 des Rates vom 25. Oktober 1993 zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Güterkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind (ABl. 1993, L 279, S. 1).

    ( 76 ) Gutachten 2/15 (Freihandelsabkommen mit Singapur) vom 16. Mai 2017 (EU:C:2017:376‚ Rn. 204 bis 212). Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in derselben Rechtssache (EU:C:2016:992‚ Nrn. 260 bis 267).

    ( 77 ) Einen Überblick über die bestehenden Rechtsvorschriften mit Verweisen auf die verschiedenen derzeit geltenden Rechtsakte bietet aus jüngerer Zeit der Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über den Stand des Kraftverkehrsmarkts in der Union vom 14. April 2014 (COM[2014] 222 final).

    ( 78 ) Vgl. fünfter Erwägungsgrund der Eurovignetten-Richtlinie.

    ( 79 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2011 zur Änderung der Richtlinie 1999/62 (ABl. 2011, L 269, S. 1).

    ( 80 ) Vgl. z. B. dritter Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/76 und Europäische Kommission, Weißbuch Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem (KOM[2011] 144 endgültig), Rn. 58.

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