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Document 62015CN0086

Rechtssache C-86/15 P: Rechtsmittel, eingelegt am 20. Februar 2015 von der Ferriera Valsabbia SpA und der Valsabbia Investimenti SpA gegen das Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 9. Dezember 2014 in der Rechtssache T-92/10, Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti/Kommission

ABl. C 146 vom 4.5.2015, p. 19–21 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

4.5.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 146/19


Rechtsmittel, eingelegt am 20. Februar 2015 von der Ferriera Valsabbia SpA und der Valsabbia Investimenti SpA gegen das Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 9. Dezember 2014 in der Rechtssache T-92/10, Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti/Kommission

(Rechtssache C-86/15 P)

(2015/C 146/28)

Verfahrenssprache: Italienisch

Parteien

Rechtsmittelführerinnen: Ferriera Valsabbia SpA, Valsabbia Investimenti SpA (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt D. M. Fosselard, D. Slater, Solicitor, Rechtsanwältin A. Duron)

Andere Partei des Verfahrens: Europäische Kommission

Anträge

Die Rechtsmittelführerinnen beantragen,

das angefochtene Urteil des Gerichts aus den in der Begründung angeführten Gründen aufzuheben;

gemäß Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs abschließend zu entscheiden und die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Rechtsmittelführerinnen betrifft;

hilfsweise für den Fall, dass der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass kein Grund für eine Nichtigerklärung der Entscheidung insgesamt vorliegt, die gegen die Rechtsmittelführerinnen verhängte Geldbuße aus den angeführten Gründen herabzusetzen;

hilfsweise für den Fall, dass der Gerichtshof nicht abschließend über die Sache entscheiden sollte, die Entscheidung über die Kosten vorzubehalten und die Sache zur erneuten Prüfung nach Maßgabe des Urteils des Gerichtshofs an das Gericht zurückzuverweisen;

schließlich der Kommission gemäß Art. 69 der Verfahrensordnung die vor dem Gericht und vor dem Gerichtshof entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Rechtsmittelgründe und wesentliche Argumente

Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf folgende Rechtsmittelgründe:

Mit dem ersten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß des Gerichts gegen Art. 10 der Verordnung Nr. 773/2004 (1) geltend. Insbesondere habe das Gericht festgestellt, dass die Kommission berechtigt gewesen sei, die angefochtene Entscheidung während des Verfahrens im ersten Rechtszug neu zu erlassen (im Folgenden: Entscheidung), ohne dass zuvor die Übersendung einer neuen Mitteilung der Beschwerdepunkte erforderlich gewesen wäre.

Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß des Gerichts gegen Art. 14 der Verordnung Nr. 773/2004. Der Verstoß bestehe in der Feststellung des Gerichts, die Kommission habe die Entscheidung auf der Grundlage der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 (2) neu erlassen dürfen, ohne dass die Vertreter der Mitgliedstaaten die Möglichkeit gehabt hätten, die Unternehmen unmittelbar anzuhören.

Mit dem dritten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß des Gerichts gegen das Kollegialprinzip geltend. Das Gericht habe festgestellt, dass die Kommission berechtigt gewesen sei, die Entscheidung in einem Verfahren zu erlassen, auf dessen Grundlage das Kollegium nicht zu einem einzigen Zeitpunkt die gesamte Entscheidung erlassen habe, sondern vielmehr zwei Teile der Entscheidung zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in der Annahme, dass diese beiden Teile zusammen eine vollständige Entscheidung bilden könnten.

Mit dem vierten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß gegen Art. 47 der Grundrechtecharta, ausgelegt im Licht von Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser Verstoß bestehe darin, dass das Gericht das Recht der Rechtsmittelführerinnen auf eine gerichtliche Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist verletzt habe. Insbesondere seien zwischen dem Abschluss des schriftlichen Verfahrens und der Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung der mündlichen Verhandlung ungefähr drei Jahre vergangen. Diese Verzögerung habe zu einer Verletzung des in Art. 47 der Charta verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf Anhörung in einer mündlichen Verhandlung innerhalb einer angemessenen Frist geführt. Der Verstoß gegen Art. 47 sei im vorliegenden Fall besonders schwerwiegend, da die Rechtsmittelführerinnen mehr als 14 Jahre hätten warten müssen, bevor ein Richter (das Gericht) den Fall in der Sache entschieden habe, nachdem die erste Entscheidung der Kommission nach einem Verfahren von ungefähr sieben Jahren aus Verfahrensgründen aufgehoben worden sei.

Mit dem fünften Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß gegen Art. 65 KS. Sie tragen insbesondere vor, das Gericht habe den spezifischen Kontext des EGKS-Vertrags sowie die den Unternehmen im Zusammenhang mit dem Vertrag auferlegten Offenlegungs- und Nichtdiskriminierungspflichten außer Acht gelassen, was eine fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff des Kartells zur Folge gehabt habe. Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, die — im Übrigen wiederholte — Offenlegung von Preislisten, die nicht an die im Rahmen der Kartells festgesetzten Preis angepasst gewesen seien, habe zu einer Unterbrechung des Kartells geführt, das dem Gericht zufolge die Festsetzung von Mindestpreisen zum Gegenstand gehabt habe. Das Gericht habe gleichwohl eine weitere öffentliche Distanzierung für erforderlich erachtet.

Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe gegen Art. 47 der Grundrechtecharta — ausgelegt im Licht von Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention — verstoßen, indem es festgestellt habe, dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens (d. h. des Verfahrens vor der Europäischen Kommission) nicht übermäßig im Sinne der vorgenannten Vorschriften gewesen sei. Im vorliegenden Fall habe das Verwaltungsverfahren insgesamt nahezu 54 Monate in Anspruch genommen, wenn man das ursprüngliche Verfahren und das darauffolgende Verfahren des Neuerlasses zusammenzähle. Außerdem erschienen die mehr als zwei Jahre, die die Kommission benötigt habe, um die Entscheidung neu zu erlassen, als übermäßig. Die Begründung des Gerichts zur Rechtfertigung der Dauer des Verfahrens zum Neuerlass erscheine unzureichend und widersprüchlich, abgesehen davon, dass ein Verstoß gegen die vorhergehende Rechtsprechung des Gerichts offensichtlich sei.

Mit dem siebten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Insbesondere habe die Kommission im vorliegenden Fall die Unternehmen in Gruppen eingeteilt, um den auf das jeweilige Unternehmen anzuwendenden Grundbetrag der Geldbuße zu ermitteln, wobei nach den in der Entscheidung getroffenen Feststellungen versucht worden sei, ein Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Marktanteil der jeweiligen Gruppe und dem Grundbetrag der Geldbuße zu wahren, der gegen das einzelne der jeweiligen Gruppe zugehörige Unternehmen verhängt worden sei. Das Gericht habe, obgleich es sodann anerkannt habe, dass die Kommission den durchschnittlichen Marktanteil einer dieser Gruppen zu niedrig geschätzt habe mit der Folge, dass die Verhältnisbeziehung, die die Kommission zu wahren beabsichtigt habe, nicht gewahrt worden sei, nicht festgestellt, dass diese Beziehung wieder herzustellen sei.


(1)  Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission (ABl. L 123, S. 18).

(2)  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1, S. 1).


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