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Document 62015CJ0230

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 14. Juli 2016.
Brite Strike Technologies Inc. gegen Brite Strike Technologies SA.
Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Den Haag.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Art. 22 Nr. 4 – Gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums – Art. 71 – Von den Mitgliedstaaten für besondere Rechtsgebiete geschlossene Übereinkommen – Benelux Übereinkommen über geistiges Eigentum – Gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux-Marken, -Marken und -Modelle – Art. 350 AEUV.
Rechtssache C-230/15.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:560

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

14. Juli 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen — Verordnung (EG) Nr. 44/2001 — Art. 22 Nr. 4 — Gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums — Art. 71 — Von den Mitgliedstaaten für besondere Rechtsgebiete geschlossene Übereinkommen — Benelux‑Übereinkommen über geistiges Eigentum — Gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux-Marken, -Marken und -Modelle — Art. 350 AEUV“

In der Rechtssache C‑230/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag, Niederlande) mit Entscheidung vom 13. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Mai 2015, in dem Verfahren

Brite Strike Technologies Inc.

gegen

Brite Strike Technologies SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und R. Troosters als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Mai 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Nr. 4 und Art. 71 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Brite Strike Technologies Inc. mit Sitz in Plymouth, Massachusetts (Vereinigte Staaten von Amerika), und der Brite Strike Technologies SA mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg) wegen eines Antrags der Brite Strike Technologies Inc., eine Marke der Brite Strike Technologies SA für nichtig zu erklären.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

In den Erwägungsgründen 11 und 12 der Verordnung Nr. 44/2001 hieß es:

„(11)

Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …

(12)

Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.“

4

Nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 war diese „in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten“.

5

In Art. 22 Nr. 4 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, der sich in Abschnitt 6 („Ausschließliche Zuständigkeiten“) des Kapitels II der Verordnung befand, hieß es:

„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:

4.

für Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterlegung oder Registrierung bedürfen, zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines Gemeinschaftsrechtsakts oder eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt.

…“

6

Art. 67 der Verordnung Nr. 44/2001, der sich in ihrem Kapitel VII („Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten“) befand, bestimmte:

„Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Bestimmungen, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit oder die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regeln und in gemeinschaftlichen Rechtsakten … enthalten sind.“

7

Art. 69 der Verordnung Nr. 44/2001 enthielt eine Liste der zwischen bestimmten Mitgliedstaaten vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 44/2001 geschlossenen Abkommen und bestimmte, dass diese Abkommen durch die Verordnung ersetzt werden, soweit sie die Rechtsgebiete betreffen, auf die die Verordnung Anwendung findet.

8

Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001, der sich ebenfalls in ihrem Kapitel VII befand, bestimmte:

„(1)   Diese Verordnung lässt Übereinkommen unberührt, denen die Mitgliedstaaten angehören und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln.

(2)   Um eine einheitliche Auslegung des Absatzes 1 zu sichern, wird dieser Absatz in folgender Weise angewandt:

a)

Diese Verordnung schließt nicht aus, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats, der Vertragspartei eines Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet ist, seine Zuständigkeit auf ein solches Übereinkommen stützt, und zwar auch dann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, der nicht Vertragspartei eines solchen Übereinkommens ist. …

…“

9

Nach ihrem Art. 76 trat die Verordnung Nr. 44/2001 am 1. März 2002 in Kraft.

10

Die Verordnung Nr. 44/2001 wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1), die seit dem 10. Januar 2015 gilt, aufgehoben.

11

Die in Art. 22 Nr. 4, Art. 67 und Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 enthaltenen Bestimmungen wurden in Art. 24 Nr. 4, Art. 67 und Art. 71 der Verordnung Nr. 1215/2012 übernommen.

12

Art. 69 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:

„Diese Verordnung ersetzt unbeschadet der Artikel 70 und 71 im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten die Übereinkünfte, die sich auf dieselben Rechtsgebiete erstrecken wie diese Verordnung. Ersetzt werden insbesondere die Übereinkünfte, die in der von der Kommission nach Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 76 Absatz 2 festgelegten Liste aufgeführt sind.“

13

Da der Ausgangsrechtsstreit am 21. September 2012 beim vorlegenden Gericht anhängig wurde, wird die im Vorabentscheidungsersuchen vorgelegte Frage der gerichtlichen Zuständigkeit im Hinblick auf die Verordnung Nr. 44/2001 geprüft.

BÜGE

14

Das Benelux-Übereinkommen über geistiges Eigentum (Marken und Muster oder Modelle) vom 25. Februar 2005, unterzeichnet in Den Haag vom Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande (im Folgenden: BÜGE), ist am 1. September 2006 in Kraft getreten.

15

Das BÜGE ersetzt das Einheitliche Benelux-Markengesetz (im Folgenden: BMG) und das Einheitliche Benelux-Gesetz über Muster oder Modelle (im Folgenden: BGMM).

16

Das BMG trat am 1. Januar 1971 in Kraft und wurde dem Benelux‑Übereinkommen über Warenmarken vom 19. März 1962 angehängt, das seit dem 1. Juli 1969 in Kraft war. Dieses Übereinkommen wurde durch das BÜGE aufgehoben.

17

Art. 37 Abs. A BMG sah vor:

„Außer bei ausdrücklicher vertraglicher Zuweisung der gerichtlichen Zuständigkeit bestimmt sich diese im Markenbereich nach dem Wohnsitz des Beklagten oder dem Ort, an dem die streitige Verpflichtung entstanden, vollstreckt worden oder zu vollstrecken ist. Der Ort der Hinterlegung oder Eintragung einer Marke kann in keinem Fall allein als Grundlage für die Bestimmung der Zuständigkeit dienen.

Reichen die oben genannten Kriterien nicht aus, um die örtliche Zuständigkeit zu bestimmen, kann der Antragsteller Klage beim Gericht seines Wohnsitzes oder Aufenthalts erheben oder, wenn er weder seinen Wohnsitz noch seinen Aufenthalt im Benelux-Gebiet hat, beim Gericht seiner Wahl in Brüssel, Den Haag oder Luxemburg.“

18

Das BGMM trat am 1. Januar 1975 in Kraft und wurde dem Benelux‑Übereinkommen über Muster oder Modelle vom 25. Oktober 1966 angehängt, das seit dem 1. Januar 1974 in Kraft war. Dieses Übereinkommen wurde ebenfalls durch das BÜGE aufgehoben.

19

Der Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 BGMM stimmte mit demjenigen des Art. 37 Abs. A BMG überein.

20

Das Benelux-Übereinkommen über Warenmarken und das Benelux-Übereinkommen über Muster oder Modelle befanden sich nicht in der in Art. 69 der Verordnung Nr. 44/2001 enthaltenen Liste.

21

Nach seiner Präambel wird mit dem BÜGE u. a. bezweckt, „die Übereinkommen, einheitlichen Gesetze und Änderungsprotokolle im Bereich der Benelux‑Marken und ‑Muster oder ‑Modelle durch ein einziges Übereinkommen zu ersetzen, das zugleich das Markenrecht und das Recht der Muster oder Modelle auf systematische und transparente Weise regelt“, und „das Benelux-Markenamt und das Benelux-Muster‑ oder Modellamt durch die Benelux-Organisation für geistiges Eigentum (Marken, Muster oder Modelle) zu ersetzen, die ihre Aufgabe durch die Entscheidungs- und Vollstreckungsorgane wahrnimmt, die mit eigenen und ergänzenden Zuständigkeiten ausgestattet sind“.

22

Art. 1.2 BÜGE bestimmt:

„1.   Es wird eine Benelux-Organisation für geistiges Eigentum (Marken und Muster oder Modelle) errichtet …;

2.   Die Organe der Organisation sind:

a.

der Ministerausschuss …;

b.

der Verwaltungsrat …;

c.

das Benelux-Amt für geistiges Eigentum (Marken und Muster oder Modelle).“

23

Art. 1.5 BÜGE sieht vor:

„1.   Die Organisation hat ihren Sitz in Den Haag.

2.   Das Amt hat seinen Sitz in Den Haag.

3.   Zweigstellen des Amtes können an anderen Orten errichtet werden.“

24

Art. 2.2 BÜGE bestimmt:

„… [D]as ausschließliche Recht an der Marke wird durch die Eintragung der Marke erworben, deren Hinterlegung im Benelux-Gebiet erfolgt ist (Benelux-Hinterlegung) oder sich aus einer Eintragung beim internationalen Amt (internationale Hinterlegung) ergibt.“

25

In Art. 2.4 am Anfang und unter Buchst. f BÜGE heißt es:

„Es entsteht kein Markenrecht durch:

f.

die Eintragung einer Marke, deren Hinterlegung bösgläubig vorgenommen wurde, u. a.:

1.

durch eine Hinterlegung, die erfolgt, obwohl der Hinterleger weiß oder wissen müsste, dass ein Dritter in den letzten drei Jahren im Benelux-Gebiet eine ähnliche Marke für ähnliche Waren oder Dienstleistungen gutgläubig normal benutzt hat und seine Zustimmung nicht erteilt hat;

2.

durch eine Hinterlegung, die erfolgt, obwohl der Hinterleger aufgrund seiner unmittelbaren Beziehung zu einem Dritten weiß oder wissen müsste, dass dieser in den letzten drei Jahren außerhalb des Benelux-Gebiets eine ähnliche Marke für ähnliche Waren oder Dienstleistungen gutgläubig normal benutzt hat, sofern nicht dieser Dritte seine Zustimmung erteilt hat oder der Hinterleger die Kenntnis erst erlangt hat, nachdem er mit der Benutzung der Marke im Benelux-Gebiet begonnen hat.“

26

In Art. 2.5 BÜGE heißt es:

„1.   Die Benelux‑Hinterlegung von Marken erfolgt entweder bei den nationalen Behörden oder beim Amt in den durch die Durchführungsverordnung festgelegten Formen …

4.   Erfolgt die Hinterlegung bei einer nationalen Behörde, übermittelt diese die Benelux-Hinterlegung an das Amt, entweder unverzüglich nach dem Erhalt der Hinterlegung oder nach der Feststellung, dass die Hinterlegung die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt.

…“

27

In Art. 2.8 BÜGE heißt es:

„1.   Unbeschadet der Anwendung der Artikel [zu den Ablehnungsgründen, die das Amt anwenden kann, und dem Widerspruch, der beim Amt erhoben werden kann,] wird die hinterlegte Marke eingetragen, wenn sie den Bestimmungen der Durchführungsverordnung für die vom Hinterleger genannten Waren oder Dienstleistungen entspricht. …

2.   Der Hinterleger kann, wenn alle in Art. 2.5 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, beim Amt gemäß den Bestimmungen der Durchführungsverordnung beantragen, die Eintragung der Hinterlegung unverzüglich vorzunehmen. Die Artikel [zu den Ablehnungsgründen, die das Amt anwenden kann, und dem Widerspruch, der beim Amt erhoben werden kann,] gelten für die so eingetragenen Marken, wobei das Amt entscheiden kann, die Eintragung zu löschen, und der Markeninhaber mit einem Rechtsmittel die Aufrechterhaltung der Eintragung beantragen kann.“

28

In Art. 2.10 Abs. 2 BÜGE wird ergänzt, dass „das Amt die internationalen Hinterlegungen, für die die Erweiterung des Schutzes auf das Benelux-Gebiet beantragt wurde, einträgt“.

29

Art. 2.28 Abs. 3 BÜGE bestimmt:

„Soweit sich der Inhaber der älteren Eintragung oder der in Art. 2.4 Buchst. … f genannte Dritte an der Klage beteiligt, kann sich jeder Betroffene auf die Nichtigkeit berufen:

b.

einer Eintragung, durch die gemäß Art. 2.4 Buchst. … f kein Markenrecht entsteht; … die Nichtigkeit nach Art. 2.4 Buchst. … f muss innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Eintragung geltend gemacht werden. …“

30

Art. 4.6 („Örtliche Zuständigkeit“) BÜGE bestimmt:

„1.   Außer bei ausdrücklicher vertraglicher Zuweisung der gerichtlichen Zuständigkeit bestimmt sich diese im Bereich der Marken, Muster oder Modelle nach dem Wohnsitz des Beklagten oder dem Ort, an dem die streitige Verpflichtung entstanden, vollstreckt worden oder zu vollstrecken ist. Der Ort der Hinterlegung oder Eintragung einer Marke oder eines Musters oder Modells kann in keinem Fall allein als Grundlage für die Bestimmung der Zuständigkeit dienen.

2.   Reichen die oben genannten Kriterien nicht aus, um die örtliche Zuständigkeit zu bestimmen, kann der Antragsteller Klage beim Gericht seines Wohnsitzes oder Aufenthalts erheben oder, wenn er weder seinen Wohnsitz noch seinen Aufenthalt im Benelux-Gebiet hat, beim Gericht seiner Wahl in Brüssel, Den Haag oder Luxemburg.

3.   Die Gerichte wenden die in den Absätzen 1 und 2 aufgestellten Regeln von Amts wegen an und stellen ihre Zuständigkeit ausdrücklich fest.

…“

31

Das BÜGE ist nicht in der Liste enthalten, auf die in Art. 69 der Verordnung Nr. 1215/2012 Bezug genommen wird.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

32

Die Brite Strike Technologies SA ist eine Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg, die zu dem Netz gehört, das die von der amerikanischen Gesellschaft Brite Strike Technologies Inc. entwickelten Waren für taktische Beleuchtung vertreibt.

33

Am 4. Februar 2010 meldete die Brite Strike Technologies SA das Wortzeichen „Brite Strike“ zur Eintragung als Benelux-Marke an.

34

Das Benelux-Amt für geistiges Eigentum (Marken und Muster oder Modelle) mit Sitz in Den Haag (Niederlande) nahm diese Eintragung vor.

35

Am 21. September 2012 erhob die Brite Strike Technologies Inc. Klage bei der Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag) gegen die Brite Strike Technologies SA mit dem Antrag, die Marke gemäß den Art. 2.4 und 2.28 BÜGE für nichtig zu erklären.

36

Die Brite Strike Technologies SA habe die fragliche Marke bösgläubig eintragen lassen. Da sie gewusst habe, dass das Wortzeichen „Brite Strike“ von der Brite Strike Technologies Inc. in den Benelux-Staaten verwendet worden sei, habe die Brite Strike Technologies SA dieses Zeichen als Benelux-Marke mit dem einzigen Ziel eintragen lassen, ein ausschließliches Nutzungsrecht an dem Zeichen zu erlangen und so die Brite Strike Technologies Inc. daran zu hindern, das Zeichen weiterhin selbst in den Benelux-Staaten zu verwenden.

37

Die Brite Strike Technologies SA erhob eine Einrede der Unzuständigkeit. Ihrer Ansicht nach hätte die Klage in Luxemburg und nicht in Den Haag erhoben werden müssen.

38

Die Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag) stellt fest, dass sie, wenn die Zuständigkeitsregel des Art. 4.6 BÜGE anzuwenden sei, für die Entscheidung des Rechtsstreits unzuständig sei. Wenn hingegen die Zuständigkeitsregel des Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 vorrangig sein sollte, könnte sie zuständig sein.

39

Es komme daher auf das Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 44/2001 und dem BÜGE an.

40

Insoweit nennt die Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag) ein Urteil des Gerechtshof Den Haag (Berufungsgericht Den Haag) vom 26. November 2013. In den Rn. 28 bis 34 dieses Urteils hat der Gerechtshof Den Haag (Berufungsgericht Den Haag) entschieden, dass die Zuständigkeitsregel des Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 vorrangig sei, da das BÜGE nach dem Inkrafttreten der Verordnung geschlossen worden sei.

41

Die Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag) meint dennoch, dass die Frage des Verhältnisses zwischen der Verordnung Nr. 44/2001 und dem BÜGE dem Gerichtshof vorzulegen sei.

42

Daher hat die Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist das BÜGE (gegebenenfalls aus den in den Rn. 28 bis 34 des Urteils des Gerechtshof Den Haag [Berufungsgericht Den Haag] vom 26. November 2013 genannten Gründen) als späteres Übereinkommen anzusehen, so dass Art. 4.6 BÜGE nicht als Sonderregelung im Sinne von Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 gilt?

Sofern diese Frage bejaht wird:

2.

Ergibt sich aus Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001, dass sowohl die belgischen als auch die niederländischen und die luxemburgischen Gerichte für die Entscheidung über den Rechtsstreit international zuständig sind?

3.

Falls nein: Wie ist dann in einem Fall wie dem vorliegenden zu bestimmen, ob die belgischen, die niederländischen oder die luxemburgischen Gerichte international zuständig sind? Kann bei dieser (näheren) Bestimmung der internationalen Zuständigkeit Art. 4.6 BÜGE (doch) angewandt werden?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

43

Ein Rechtsstreit wie der zwischen der Brite Strike Technologies Inc. und der Brite Strike Technologies SA kann sowohl in den Anwendungsbereich des BÜGE als auch in den der Verordnung Nr. 44/2001 fallen.

44

Zum einen betrifft dieser Rechtsstreit nämlich die Gültigkeit der Eintragung einer Benelux-Marke und muss, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, auf der Grundlage der Art. 2.4 und 2.28 BÜGE entschieden werden.

45

Zum anderen ergibt sich zwingend aus der Einbeziehung von „Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von … Marken, Mustern und Modellen … zum Gegenstand haben“, in Kapitel II Abschnitt 6 der Verordnung Nr. 44/2001, dass die Gültigkeit der Eintragung von Marken zu den in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung genannten „Zivil- und Handelssachen“ gehört.

46

Da die in Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 enthaltene Regel über die gerichtliche Zuständigkeit und die speziell in Art. 4.6 BÜGE vorgesehene Regel über die gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux-Marken, -Muster und -Modelle miteinander unvereinbar sind, ist zu klären, welche dieser beiden Bestimmungen anwendbar ist.

47

In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage wissen, ob Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er untersagt, die in Art. 4.6 BÜGE enthaltene Regel über die gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux-Marken, -Muster und -Modelle auf diese Rechtsstreitigkeiten anzuwenden.

48

Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 befand sich in ihrem Kapitel VII („Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten“) und bestimmte in Abs. 1, dass diese Verordnung „Übereinkommen unberührt [lässt], denen die Mitgliedstaaten angehören und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln“.

49

Trotz der Formulierung „Übereinkommen …, denen die Mitgliedstaaten angehören“, die nahelegt, dass nur die von allen Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommen Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 unterliegen, ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut von Art. 71 Abs. 2 Buchst. a, dass die Übereinkommen auch solche einschließen, die nur von bestimmten Mitgliedstaaten geschlossen worden sind.

50

Außerdem ergibt sich aus Art. 69 in Verbindung mit Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001, dass Letzterer, auf dessen sehr allgemeinen Wortlaut gerade hingewiesen wurde, nicht dahin auszulegen ist, dass er auf Übereinkommen, die mehrere Mitgliedstaaten binden, nur unter der Voraussetzung anwendbar ist, dass auch ein oder mehrere Drittstaaten diesen Übereinkommen angehören.

51

Zwar folgt daraus, dass das Verhältnis zwischen den Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit in der Verordnung Nr. 44/2001 und denen in bestimmten Übereinkommen durch Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 zugunsten dieser Übereinkommen geregelt war, doch bot diese Bestimmung den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit, durch den Abschluss neuer Übereinkommen oder die Änderung bereits geltender Übereinkommen Regeln einzuführen, die gegenüber der Verordnung Nr. 44/2001 Vorrang haben (Urteil vom 4. Mai 2010, TNT Express Nederland, C‑533/08, EU:C:2010:243, Rn. 38).

52

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 Art. 57 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) ersetzt hat, der in Bezug auf Übereinkommen über besondere Rechtsgebiete auf die Übereinkommen verwiesen hat, denen die Vertragsstaaten „angehören oder angehören werden“. In Art. 57 des Brüsseler Übereinkommens wurde durch die Formulierung „oder angehören werden“ klargestellt, dass die Regeln in diesem Übereinkommen abweichenden Regeln, die die Vertragsstaaten später in besonderen Übereinkommen vereinbaren würden, nicht entgegenstünden. Diese Formulierung ist in Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht übernommen worden (Urteil vom 4. Mai 2010, TNT Express Nederland, C‑533/08, EU:C:2010:243, Rn. 37 und 38).

53

Die Beschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001, auf die in Rn. 51 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, spiegelt die ständige Rechtsprechung wider, wonach die Mitgliedstaaten in dem Maß, wie die Gemeinschaftsrechtsetzung fortschreitet, nicht mehr zum Abschluss von völkerrechtlichen Vereinbarungen berechtigt sind, die diese Regeln beeinträchtigen (Urteil vom 4. Mai 2010, TNT Express Nederland, C‑533/08, EU:C:2010:243, Rn. 38).

54

Diese Beschränkung gilt auch für den Abschluss von Übereinkünften zwischen den Mitgliedstaaten. Da das Unionsrecht den zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünften im Allgemeinen vorgeht (vgl. u. a. Urteil vom 27. September 1988, Matteucci, 235/87, EU:C:1988:460, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist der Abschluss von Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten, die gemeinsame Regeln des Unionsrechts berühren, grundsätzlich verboten.

55

Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob das BÜGE von dieser Beschränkung erfasst wird, was zur Folge hätte, dass Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht die Anwendung von Art. 4.6 BÜGE zulasten von Art. 22 Nr. 4 der Verordnung erlaubt.

56

Bei dieser Prüfung ist zu berücksichtigen, dass das BÜGE eine zwischen dem Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande im Rahmen ihres regionalen Zusammenschlusses, dem Benelux, geschlossene Übereinkunft ist. Daher ist Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 unter Berücksichtigung von Art. 350 AEUV auszulegen, wonach das Unionsrecht dem Bestehen und der Durchführung dieses regionalen Zusammenschlusses nicht entgegensteht, soweit die von dem Zusammenschluss verfolgten Ziele durch Anwendung des Unionsrechts nicht erreicht sind.

57

Wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, erlaubt diese Bestimmung dem Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande, in Abweichung von den unionsrechtlichen Vorschriften die im Rahmen ihres regionalen Zusammenschlusses geltenden Vorschriften in Kraft zu belassen, soweit dieser Zusammenschluss weiter fortgeschritten ist als die Errichtung des Binnenmarkts (vgl. zu Art. 233 EWG, dessen Wortlaut in Art. 306 EG, dann in Art. 350 AEUV übernommen wurde, Urteile vom 16. Mai 1984, Pakvries, 105/83, EU:C:1984:178, Rn. 11, und vom 2. Juli 1996, Kommission/Luxemburg, C‑473/93, EU:C:1996:263, Rn. 42). Damit eine solche Abweichung gerechtfertigt ist, muss sie darüber hinaus für das ordnungsgemäße Funktionieren der Benelux-Regelung unerlässlich sein (Urteil vom 11. August 1995, Roders u. a., C‑367/93 bis C‑377/93, EU:C:1995:261, Rn. 25 und 40).

58

Zum ersten Erfordernis ist darauf hinzuweisen, dass die Errichtung des Binnenmarkts im Bereich der Marken, Muster und Modelle neben der Regelung der einheitlichen Titel der Union, die durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21) geänderten Fassung sowie durch die Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) erfolgt, die teilweise Harmonisierung der Regeln in Bezug auf die Marken, Muster und Modelle der Mitgliedstaaten umfasst, die durch die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25) und durch die Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. 1998, L 289, S. 28) vorgenommen wird.

59

Im Benelux-Rahmen wurden die Marken, Muster und Modelle der drei betreffenden Mitgliedstaaten durch einheitliche Titel ersetzt. Diese Regelung, die neben derjenigen für die einheitlichen Titel der Union besteht, übernimmt die durch die Richtlinie 2008/95 und die Richtlinie 98/71 vorgenommene teilweise Harmonisierung, ist aber weiter fortgeschritten als diese. Die Benelux‑Marken, ‑Muster und -Modelle unterliegen nämlich einer völlig einheitlichen Regelung, die gemeinsame institutionelle und Verfahrensregeln umfasst. Zu den Letzteren gehört Art. 4.6 BÜGE.

60

Was das zweite in Rn. 57 des vorliegenden Urteils genannte Erfordernis betrifft, muss jede Abweichung, damit sie nach Art. 350 AEUV gerechtfertigt ist, für das ordnungsgemäße Funktionieren der betreffenden Benelux‑Regelung unerlässlich sein, da der Zweck von Art. 350 AEUV darin besteht, zu verhindern, dass die Anwendung des Unionsrechts den Benelux-Zusammenschluss auflöst oder in seiner Entwicklung behindert (Urteile vom 16. Mai 1984, Pakvries, 105/83, EU:C:1984:178, Rn. 11, und vom 2. Juli 1996, Kommission/Luxemburg, C‑473/93, EU:C:1996:263, Rn. 42).

61

Die unionsrechtliche Regel, von der Art. 4.6 BÜGE abweicht, ist die in Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 und seit dem 10. Januar 2015 in Art. 24 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1215/2012 enthaltene Regel über die gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Marken‑, Muster‑ und Modelle. Diese unionsrechtliche Regel legt als Kriterium für die gerichtliche Zuständigkeit den Ort fest, an dem das Register geführt wird (Urteil vom 13. Juli 2006, GAT, C‑4/03, EU:C:2006:457, Rn. 22).

62

Auch der Unionsgesetzgeber selbst ist für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf die Unionsmarken gemäß Art. 67 der Verordnung Nr. 44/2001 von dieser Regel über die gerichtliche Zuständigkeit abgewichen, indem er in Art. 97 der Verordnung Nr. 207/2009 eine andere Regel für die gerichtliche Zuständigkeit vorgesehen hat, die u. a. auf den Wohnsitz des Beklagten abstellt und somit sicherstellt, dass in jedem Mitgliedstaat Gerichte in Rechtsstreitigkeiten über die Unionsmarken angerufen werden können. Diese Regel verhindert, dass die Rechtsstreitigkeiten bei den Gerichten des Königreichs Spanien konzentriert werden, dem Mitgliedstaat, in dem die Hinterlegungen und Eintragungen zentralisiert werden und das Register geführt wird.

63

Angesichts des Umstands, dass die Benelux‑Marken, ‑Muster und ‑Modelle in den drei betreffenden Mitgliedstaaten einer fortgeschrittenen Regelung unterliegen, dass die vom Benelux-Zusammenschluss festgelegte Gerichtsstruktur auf einem dezentralisierten System mit einem Mechanismus von Vorabentscheidungsersuchen an den Benelux-Gerichtshof beruht und dass dieser regionale Zusammenschluss mehrsprachigen Charakter hat, kann die in Art. 4.6 BÜGE kodifizierte Regel – die u. a. auf den Wohnsitz des Beklagten abstellt und somit sicherstellt, dass Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux‑Marken, ‑Muster und ‑Modelle je nach Fall von einem belgischen, einem luxemburgischen oder einem niederländischen Gericht behandelt werden können anstatt gemäß Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001, dann nach Art. 24 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1215/2012 bei den niederländischen Gerichten des Ortes konzentriert zu werden, an dem die Hinterlegungen und Eintragungen zentralisiert werden und das Register geführt wird – als unerlässlich für das ordnungsgemäße Funktionieren der Regelung über die Benelux‑Marken, ‑Muster und ‑Modelle angesehen werden; entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 41 seiner Schlussanträge und in Analogie zu den Feststellungen des Unionsgesetzgebers zur gerichtlichen Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf die Unionsmarken.

64

Daraus folgt, dass Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 unter Berücksichtigung von Art. 350 AEUV das Königreich Belgien, das Großherzogtum Luxemburg und das Königreich der Niederlande nicht daran hindert, in Abweichung von Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 24 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1215/2012 die Regel über die gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux‑Marken, ‑Muster oder ‑Modelle in Kraft zu belassen, die sie in Art. 37 Abs. A BMG und in Art. 29 Abs. 1 BGMM vorgesehen und dann in Art. 4.6 BÜGE bestätigt haben.

65

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darf die Anwendung eines Übereinkommens in Abweichung einer von der Union im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit, der Anerkennung oder der Vollstreckung vorgesehenen Regel nicht die Grundsätze beeinträchtigen, auf denen die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen in der Union beruht, wie die für die gerichtliche Zuständigkeit in den Erwägungsgründen 11 und 12 der Verordnung Nr. 44/2001 genannten Grundsätze der Rechtssicherheit für die Bürger und der geordneten Rechtspflege (vgl. u. a. Urteile vom 4. Mai 2010, TNT Express Nederland, C‑533/08, EU:C:2010:243, Rn. 49, und vom 19. Dezember 2013, Nipponkoa Insurance, C‑452/12, EU:C:2013:858, Rn. 36). Eine Bestimmung wie Art. 4.6 BÜGE, wonach der Gerichtsstand grundsätzlich am Wohnsitz des Beklagten ist und ergänzend andere Gerichtsstände bestehen, die eine enge Verbindung zum Streitgegenstand aufweisen, ist mit den in den Erwägungsgründen 11 und 12 genannten Grundsätzen vereinbar.

66

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 unter Berücksichtigung von Art. 350 AEUV nicht untersagt, die in Art. 4.6 BÜGE enthaltene Regel über die gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux‑Marken, ‑Muster oder ‑Modelle auf diese Rechtsstreitigkeiten anzuwenden.

Zur zweiten und zur dritten Frage

67

Unter Berücksichtigung der Antwort auf die erste Frage und der daraus folgenden Unanwendbarkeit von Art. 22 Nr. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 ist auf die zweite und die dritte Frage nicht zu antworten.

Kosten

68

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 71 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen untersagt unter Berücksichtigung von Art. 350 AEUV nicht, die in Art. 4.6 des Benelux‑Übereinkommens über geistiges Eigentum (Marken und Muster oder Modelle) vom 25. Februar 2005, unterzeichnet in Den Haag von dem Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande, enthaltene Regel über die gerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Benelux‑Marken, ‑Muster und ‑Modelle auf diese Rechtsstreitigkeiten anzuwenden.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.

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