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Document 62015CC0119

    Schlussanträge des Generalanwalts H. Saugmandsgaard Øe vom 2. Juni 2016.
    Biuro podróży "Partner” Sp. z o.o, Sp. komandytowa w Dąbrowie Górniczej gegen Prezes Urzędu Ochrony Konkurencji i Konsumentów.
    Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Apelacyjny w Warszawie.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Richtlinie 2009/22/EG – Verbraucherschutz – Erga-omnes-Wirkung missbräuchlicher Klauseln, die in einem öffentlichen Register aufgeführt sind – Geldbuße, die gegen einen Gewerbetreibenden wegen der Verwendung einer Klausel verhängt wurde, die als mit der in diesem Register eingetragenen Klausel gleichwertig angesehen wird – Gewerbetreibender, der nicht an dem Verfahren beteiligt war, das zur Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel geführt hat – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Begriff ‚einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können‘.
    Rechtssache C-119/15.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:387

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

    vom 2. Juni 2016 ( 1 )

    Rechtssache C‑119/15

    Biuro podróży „Partner“ sp. z o.o., sp. komandytowa w Dąbrowa Górniczej

    gegen

    Prezes Urzędu Ochrony Konkurencji i Konsumentów

    (Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Apelacyjny w Warszawie VI Wydział Cywilny [Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung, Polen])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung — Verbraucherschutz — Richtlinie 93/13/EG — Richtlinie 2009/22/EG — Erga-omnes-Wirkung einer gerichtlichen Entscheidung, mit der die Missbräuchlichkeit einer AGB-Bestimmung festgestellt wird, ab dem Zeitpunkt der Eintragung dieser Bestimmung in ein öffentliches Register — Geldbuße, die einem Gewerbetreibenden auferlegt wird, der eine solche oder eine gleichwertige AGB-Bestimmung verwendet hat und nicht an dem Verfahren zur Feststellung der Missbräuchlichkeit der Bestimmung beteiligt war — Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union — Recht auf Anhörung“

    I – Einleitung

    1.

    Eine gerichtliche Entscheidung, mit der die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines Verbrauchervertrags festgestellt wird, kann als Präzedenzfall selbstverständlich rechtsverbindlich sein. Können die Mitgliedstaaten eine solche Entscheidung jedoch mit einer Erga-omnes-Wirkung versehen, so dass die Entscheidung auch für Gewerbetreibende gilt, die am Verfahren nicht beteiligt waren? Mit dieser Frage ist der Gerichtshof im vorliegenden Fall befasst.

    2.

    Hintergrund des Vorabentscheidungsersuchens ist ein Rechtsstreit zwischen einem Gewerbetreibenden und den polnischen Behörden für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz betreffend eine Geldbuße, die dem Gewerbetreibenden mit der Begründung auferlegt wurde, dass er in seinen Verbraucherverträgen AGB-Bestimmungen verwende, die gegenüber zuvor als missbräuchlich festgestellten und als solche in ein öffentliches Register eingetragenen Bestimmungen als gleichwertig angesehen würden, wobei der Gewerbetreibende nicht an dem Verfahren beteiligt gewesen war, das zur Feststellung der Missbräuchlichkeit der im Register eingetragenen Bestimmungen geführt hatte.

    3.

    Das vorlegende Gericht möchte vom Gerichtshof in erster Linie wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG ( 2 ) in Verbindung mit den Art. 1 und 2 der Richtlinie 2009/22/EG ( 3 ) einer Regelung wie der in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit fraglichen entgegenstehen.

    4.

    In diesem Zusammenhang wird der Gerichtshof erstmalig ersucht, die Grenzen der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten im Rahmen der Richtlinie 93/13 und das angemessene Gleichgewicht zwischen dem wirksamen Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln und dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) garantierten Recht des Gewerbetreibenden auf Anhörung zu bestimmen.

    II – Rechtlicher Rahmen

    A – Unionsrecht

    1. Richtlinie 93/13

    5.

    Art. 3 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

    „(1)   Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

    (2)   Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.

    Behauptet ein Gewerbetreibender, dass eine Standardvertragsklausel im Einzelnen ausgehandelt wurde, so obliegt ihm die Beweislast.

    (3)   Der Anhang enthält eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.“

    6.

    Zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel bestimmt Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie:

    „(1)   Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.“

    7.

    Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

    8.

    Art. 7 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.

    (2)   Die in Absatz 1 genannten Mittel müssen auch Rechtsvorschriften einschließen, wonach Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, missbräuchlich sind, und angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen.

    (3)   Die in Absatz 2 genannten Rechtsmittel können sich unter Beachtung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften getrennt oder gemeinsam gegen mehrere Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors oder ihre Verbände richten, die gleiche allgemeine Vertragsklauseln oder ähnliche Klauseln verwenden oder deren Verwendung empfehlen.“

    9.

    Nach Art. 8 der Richtlinie 93/13 können die Mitgliedstaaten strengere als die in der Richtlinie vorgesehenen Bestimmungen erlassen, soweit sie mit dem Vertrag vereinbar sind.

    10.

    Art. 8a Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt ( 4 ):

    „(1)   Erlässt ein Mitgliedstaat Vorschriften nach Artikel 8, so setzt er die Kommission hiervon sowie von allen nachfolgenden Änderungen in Kenntnis, insbesondere wenn diese Vorschriften:

    Listen mit Vertragsklauseln, die als missbräuchlich gelten, enthalten.“

    2. Richtlinie 2009/22

    11.

    Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2009/22 bestimmt in der zeitlich für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens geltenden Fassung:

    „(1)   Ziel dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Unterlassungsklagen im Sinne des Artikels 2 zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher, die unter die in Anhang I aufgeführten Richtlinien fallen, um so das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten.

    (2)   Ein Verstoß im Sinne dieser Richtlinie ist jede Handlung, die den in Anhang I aufgeführten Richtlinien in der in die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten umgesetzten Form zuwiderläuft und die in Absatz 1 genannten Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt.“

    12.

    Anhang I („Liste der Richtlinien nach Artikel 1“) der Richtlinie 2009/22 nennt unter Nr. 5 die Richtlinie 93/13.

    13.

    Art. 2 Abs. 1 („Unterlassungsklagen“) der Richtlinie 2009/22 bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten bestimmen die zuständigen Gerichte oder Verwaltungsbehörden für die Entscheidung über die von qualifizierten Einrichtungen im Sinne des Artikels 3 eingelegten Rechtsbehelfe, die auf Folgendes abzielen können:

    a)

    eine mit aller gebotenen Eile und gegebenenfalls im Rahmen eines Dringlichkeitsverfahrens ergehende Anordnung der Einstellung oder des Verbots eines Verstoßes;

    b)

    gegebenenfalls Maßnahmen wie die Veröffentlichung der Entscheidung im vollen Wortlaut oder in Auszügen in der für angemessen erachteten Form und/oder die Veröffentlichung einer Richtigstellung, um die fortdauernde Wirkung des Verstoßes abzustellen;

    c)

    sofern dies nach dem Recht des Mitgliedstaats zulässig ist, eine Anordnung dahingehend, dass die unterlegene beklagte Partei im Fall der Nichtbeachtung der Entscheidung innerhalb einer von den Gerichten oder Verwaltungsbehörden festgesetzten Frist in eine öffentliche Kasse oder an einen anderen im Rahmen innerstaatlicher Rechtsvorschriften bezeichneten Begünstigten einen bestimmten Betrag für jeden Tag der Nichtbeachtung oder jede andere Summe zahlen muss, welche die innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen, um die Beachtung der Entscheidungen zu gewährleisten.“

    B – Polnisches Recht

    1. Gesetz über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz

    14.

    Art. 24 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des Ustawa o ochronie konkurencji i konsumentów (Gesetz über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz) vom 16. Februar 2007 (Dz. U. Nr. 50, Pos. 331) in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung bestimmt ( 5 ):

    „(1)   Die Verwendung von Praktiken, die die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigen, ist verboten.

    (2)   Eine Praktik, die die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt, ist jedes rechtswidrige Verhalten eines Gewerbetreibenden, das diese Interessen gefährdet, insbesondere:

    1.

    die Verwendung von Bestimmungen von Vertragsmustern, die in das Register der für unzulässig erklärten Bestimmungen von Vertragsmustern eingetragen sind, das in Art. 47945 des Gesetzes vom 17. November 1964 über die Zivilprozessordnung (Dz. U. Nr. 43, Pos. 296, mit Änderungen) genannt ist.“

    15.

    Art. 26 Abs. 1 des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz bestimmt:

    „(1)   Stellt der [Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz] einen Verstoß gegen das in Artikel 24 genannte Verbot fest, erlässt er einen Beschluss, in dem festgestellt wird, dass die fragliche Praktik die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt, und die Unterlassung angeordnet wird …“

    16.

    Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz bestimmt:

    „(1)   Der [Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz] kann dem Gewerbetreibenden durch Beschluss eine Geldbuße auferlegen, die höchstens 10 % des Umsatzes betragen darf, der in dem Geschäftsjahr erzielt wurde, das dem Erlass der Geldbuße vorausgeht, wenn der Gewerbetreibende mit oder ohne Vorsatz

    4.

    eine Praktik verwendet hat, die die Kollektivinteressen der Verbraucher im Sinne von Art. 24 beeinträchtigt.“

    2. Zivilprozessordnung

    17.

    Die Art. 47942 § 1, 47943 und 47945 §§ 1 bis 3 des Ustawa – Kodeks postępowania cywilnego (Gesetz über die Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964 (Dz. U. 2014, Pos. 101) in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZPO) bestimmen ( 6 ):

    „Artikel 47942

    § 1   Wird der Klage stattgegeben, so führt das Gericht den Inhalt der für unzulässig erklärten Bestimmungen des Vertragsmusters im Tenor an und untersagt deren Anwendung.

    Artikel 47943

    Das rechtskräftige Urteil wirkt gegenüber Dritten, nachdem die für unzulässig erklärte Bestimmung eines Vertragsmusters in das Register eingetragen worden ist, von dem in Art. 47945 § 2 die Rede ist.

    Artikel 47945

    § 1   Eine Abschrift des rechtskräftigen Urteils, mit dem der Klage stattgegeben wird, übersendet das Gericht an den Präsidenten des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz.

    § 2   Der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz führt aufgrund der Urteile, von denen in § 1 die Rede ist, ein Register der für unzulässig erklärten Bestimmungen von Vertragsmustern.

    § 3   Das Register, von dem in § 2 die Rede ist, ist öffentlich.“

    III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

    18.

    Mit Entscheidung vom 22. November 2011 verhängte der Präsident des Urząd Ochrony Konkurencji i Konsumentów (Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz in Polen, im Folgenden: UOKiK) eine Geldbuße in Höhe von 21127 polnischen Zloty (PLN) (etwa 4940 Euro) gegen das Unternehmen HK Zakład Usługowo Handlowy „Partner“ sp. z o.o. (im Folgenden: HK Partner), das eine wirtschaftliche Tätigkeit u. a. im Bereich der Touristikdienstleistungen ausübte. Die Entscheidung erging gemäß Art. 24 Abs. 1 und 2 Nr. 1 sowie Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz und wurde damit begründet, dass HK Partner Reisevermittler-AGB-Bestimmungen verwendet habe, die gegenüber zuvor für unzulässig erklärten und anschließend in das in Art. 47945 § 2 ZPO genannte öffentliche Register missbräuchlicher Bestimmungen (im Folgenden: Register missbräuchlicher Bestimmungen) eingetragenen Bestimmungen als gleichwertig anzusehen seien ( 7 ).

    19.

    Gegen die Entscheidung des Präsidenten des UOKiK vom 22. November 2011 erhob HK Partner Klage beim Sąd Okręgowy w Warszawie – Sąd Ochrony Konkurencji i Konsumentów (Bezirksgericht Warschau – Kammer für Wettbewerbs- und Verbraucherschutzsachen, im Folgenden: SOKiK) und beantragte die Aufhebung der Entscheidung, hilfsweise, die Herabsetzung der Geldbuße. Im Lauf des Verfahrens vor dem SOKiK wurde HK Partner gespalten, und nach der Spaltung übernahm das Reisebüro Biuro podróży „Partner“ sp. z o.o. (im Folgenden: Biuro podróży Partner) sämtliche Rechte und Pflichten von HK Partner im Zusammenhang mit der touristischen Tätigkeit. Mit Urteil vom 19. November 2013 wies das SOKiK die Klage ab, wobei es die Auffassung des Präsidenten des UOKiK zur Gleichwertigkeit der von HK Partner verwendeten und im Register missbräuchlicher Bestimmungen eingetragenen Klauseln teilte.

    20.

    Biuro podróży Partner legte beim Sąd Apelacyjny w Warszawie VI Wydział Cywilny (Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung, Polen) Berufung ein und beantragte die Aufhebung der Entscheidung des Präsidenten des UOKiK vom 22. November 2011, hilfsweise, die Aufhebung des Urteils des SOKiK vom 19. November 2013 und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht zur erneuten Prüfung.

    21.

    Das Sąd Apelacyjny w Warszawie VI Wydział Cywilny (Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung) hat Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts und daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Kann im Licht von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit den Art. 1 und 2 der Richtlinie 2009/22 die Verwendung von AGB-Bestimmungen, die inhaltlich mit Bestimmungen übereinstimmen, die durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil für unzulässig erklärt und in das Register der unzulässigen AGB-Bestimmungen eingetragen worden sind, in Bezug auf einen Gewerbetreibenden, der nicht an dem Verfahren beteiligt war, das mit der Eintragung in das Register der unzulässigen AGB-Bestimmungen endete, als rechtswidrige Handlung angesehen werden, die im Licht des nationalen Rechts eine die Kollektivinteressen der Verbraucher verletzende Verhaltensweise darstellt und aus diesem Grund zur Auferlegung einer Geldbuße in einem nationalen Verwaltungsverfahren berechtigt?

    2.

    Ist im Licht von Art. 267 Abs. 3 AEUV das zweitinstanzliche Gericht, gegen dessen Berufungsentscheidung die Kassationsbeschwerde, wie sie die Zivilprozessordnung der Republik Polen vorsieht, gegeben ist, ein Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, oder ist der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen), der zur Entscheidung über die Kassationsbeschwerde berufen ist, ein solches Gericht?

    22.

    Angesichts der eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 267 Abs. 3 AEUV ( 8 ) wirft die zweite Vorlagefrage keine neuen Rechtsfragen auf. Daher ist nur über die erste Vorlagefrage zu entscheiden, die noch ungeklärt ist.

    23.

    Die polnische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. An der mündlichen Verhandlung am 9. März 2016 haben die polnische Regierung und die Kommission teilgenommen.

    IV – Rechtliche Analyse

    A – Vorbemerkungen

    1. Zum polnischen System des Schutzes der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln

    24.

    Zunächst ist das polnische System des Schutzes der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln näher zu erläutern. Nach diesem System gibt es drei Arten der Kontrolle missbräuchlicher Klauseln, nämlich eine konkrete Kontrolle, eine abstrakte Kontrolle und eine Verwaltungskontrolle ( 9 ).

    25.

    Die konkrete Kontrolle erfolgt im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden über die Missbräuchlichkeit einzelvertraglicher Bestimmungen. Die Gerichtsentscheidung, die im Rahmen einer konkreten Kontrolle ergeht, bindet nur die Beteiligten des Verfahrens.

    26.

    Dagegen erfolgt die abstrakte Kontrolle durch ein spezialisiertes Gericht, nämlich das SOKiK, und sie unterliegt einem besonderen Verfahren, das u. a. in Art. 47942 § 1, Art. 47943 und Art. 47945 §§ 1 bis 3 ZPO geregelt ist ( 10 ). Diese Kontrolle betrifft nur AGB-Bestimmungen und dient dem Ziel, missbräuchliche Klauseln zu beseitigen. Die Beurteilung durch das SOKiK erfolgt anhand des Wortlauts der beanstandeten Bestimmung und somit unabhängig davon, wie die Bestimmung in Einzelverträgen verwendet wird ( 11 ). Das SOKiK kann u. a. von jedem Verbraucher, unabhängig davon, ob er an einen Vertrag gebunden ist oder nicht, von Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Schutz der Interessen von Verbrauchern einsetzen, sowie vom Präsidenten des UOKiK angerufen werden ( 12 ).

    27.

    Entscheidet das SOKiK über die Missbräuchlichkeit einer AGB-Bestimmung im Rahmen einer abstrakten Kontrolle, führt es nach Art. 47942 § 1 ZPO den Inhalt der beanstandeten Klausel im Tenor an und untersagt deren Anwendung. Das rechtskräftige Urteil, mit dem der Klage stattgegeben wird, wird anschließend veröffentlicht, und die für missbräuchlich erklärte Klausel wird vom Präsidenten des UOKiK in das Register missbräuchlicher Bestimmungen eingetragen. Der polnischen Regierung zufolge kann eine Bestimmung, die in das Register eingetragen wurde, nicht mehr berichtigt oder aus dem Register gelöscht werden.

    28.

    Die Verwaltungskontrolle ist, wie die polnische Regierung erklärt hat, eng mit der abstrakten Kontrolle verbunden, da sie die Urteile des SOKiK umsetzt. Im Rahmen der Verwaltungskontrolle stellt der Präsident des UOKiK nämlich fest, ob die beanstandete Klausel mit einer Vertragsbestimmung, die im Register missbräuchlicher Bestimmungen eingetragen ist, im Hinblick auf u. a. den Inhalt der beanstandeten Klausel und ihre Auswirkungen auf den Verbraucher identisch oder dieser gleichwertig ist. Für eine Gleichwertigkeit ist es nicht erforderlich, dass die zu vergleichenden Bestimmungen einen identischen Inhalt aufweisen. Es genügt die Feststellung, dass die beanstandete Bestimmung den gleichen Regelungsgehalt wie die im Register eingetragene Bestimmung hat. Im Allgemeinen hat der Gewerbetreibende, dessen AGB Gegenstand einer Verwaltungskontrolle sind, nicht die Möglichkeit, die Missbräuchlichkeit der beanstandeten Bestimmung im konkreten Fall zu bestreiten, sondern er kann nur die Gleichwertigkeit der Bestimmung gegenüber den bereits im Register eingetragenen Klauseln bestreiten.

    29.

    Stellt der Präsident des UOKiK einen Verstoß gegen das in Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz enthaltene Verbot fest ( 13 ), ordnet er per Beschluss die Unterlassung der die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigenden Praktik und gegebenenfalls die Verhängung einer Geldbuße gegen den Gewerbetreibenden gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz an.

    30.

    Die Entscheidungen des Präsidenten des UOKiK unterliegen einer gerichtlichen Kontrolle, die das SOKiK als erstinstanzliches und das Sąd Apelacyjny w Warszawie VI Wydzial Cywilny (Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung) als zweitinstanzliches Gericht ausüben ( 14 ). Aus der Entscheidung des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass die gerichtliche Kontrolle nicht dazu dient, die Missbräuchlichkeit der beanstandeten Bestimmung zu prüfen, sondern dazu, ihre Gleichwertigkeit gegenüber anderen Klauseln im Register missbräuchlicher Bestimmungen zu untersuchen.

    2. Zum Inhalt der ersten Vorlagefrage

    31.

    Der Vorlageentscheidung zufolge bestehen Zweifel an der Auslegung von Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Wettbewerbs‑ und den Verbraucherschutz und Art. 47943 ZPO ( 15 ), die sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Lehre zu Meinungsverschiedenheiten führen. Nach der Darstellung des vorlegenden Gerichts werden hierzu zwei Auffassungen vertreten.

    32.

    Nach der ersten Auffassung, die der Präsident des UOKiK im Ausgangsverfahren vertritt und die auf einem wörtlichen Verständnis des Art. 47943 ZPO beruht, wirken die Entscheidungen, die das SOKiK im Rahmen der abstrakten Kontrolle erlässt, ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Register missbräuchlicher Bestimmungen erga omnes gegenüber allen Gewerbetreibenden ( 16 ) (im Folgenden: erste Auslegung).

    33.

    Nach der zweiten Auffassung, wie sie vom vorlegenden Gericht und der polnischen Regierung beschrieben wird, betrifft eine Entscheidung des SOKiK, mit der die Unzulässigkeit einer AGB-Bestimmung festgestellt wird, nur die konkrete Bestimmung, die Gegenstand des Verfahrens ist, und sie bindet nur die Beteiligten des jeweiligen Rechtsstreits.

    34.

    Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts setzt eine korrekte Auslegung der fraglichen nationalen Vorschriften die Berücksichtigung der Anforderungen des Unionsrechts voraus, was das Vorabentscheidungsersuchen rechtfertige. Konkret möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 der Richtlinie 93/13 sowie die Art. 1 und 2 der Richtlinie 2009/22 der polnischen Regelung, so wie sie nach der ersten Auslegung verstanden wird, entgegenstehen und ob eine solche Auslegung mit dem Grundrecht des Gewerbetreibenden auf Anhörung vereinbar ist.

    35.

    Zwar ist es nicht Sache des Gerichtshofs, sich im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 267 AEUV zu der Auslegung von Bestimmungen des nationalen Rechts, einschließlich der Frage, welcher von zwei Auslegungen zu folgen ist, oder zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit denen des Unionsrechts zu äußern, da diese Aufgaben allein dem vorlegenden Gericht zukommen. Der Gerichtshof ist jedoch, wenn er im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens entscheidet, befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu entscheiden ( 17 ).

    36.

    Insoweit obliegt es dem vorlegenden Gericht, alles zu tun, was in seiner Zuständigkeit liegt, um die nationalen Vorschriften, die auf das Ausgangsverfahren anwendbar sind, so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und des Zwecks des Unionsrechts unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden auszulegen, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 93/13 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht ( 18 ).

    37.

    Ungeachtet ihrer Formulierung ist die erste Vorlagefrage meiner Meinung nach im Licht der gesamten Richtlinie 93/13 und unter Berücksichtigung der Anforderungen, die sich aus der Charta ergeben, insbesondere ihres Art. 47 betreffend das Recht auf Anhörung, zu prüfen. Um dem Gericht, das ihm eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, eine sachdienliche Antwort zu geben, kann der Gerichtshof unionsrechtliche Vorschriften berücksichtigen, die das innerstaatliche Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat ( 19 ).

    38.

    Folglich ist die Vorlagefrage meiner Meinung nach so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Richtlinie 93/13 in Verbindung mit den Art. 1 und 2 der Richtlinie 2009/22 und Art. 47 der Charta dahin gehend auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass gegen einen Gewerbetreibenden, der in seinen Verträgen mit Verbrauchern AGB-Bestimmungen verwendet, die als gleichwertig gegenüber Bestimmungen anzusehen sind, welche bereits als missbräuchlich beurteilt wurden und aus diesem Grund in ein öffentliches Register eingetragen wurden, eine Geldbuße verhängt wird, obwohl der Gewerbetreibende nicht an dem Verfahren beteiligt war, das zur Feststellung der Missbräuchlichkeit der im Register eingetragenen Bestimmungen geführt hat.

    B – Zur Auslegung der Richtlinie 93/13

    1. Allgemeine Bemerkungen

    39.

    Das Schutzsystem, das durch die Richtlinie 93/13 umgesetzt wird, beruht auf dem Gedanken, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Position befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt ( 20 ). Insoweit verpflichten die Art. 6 und 7 der Richtlinie die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass „angemessene und wirksame Mittel“ vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in den Verträgen mit Verbrauchern ein Ende gesetzt wird ( 21 ), und festzulegen, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind, wobei die Art. 6 und 7 dem Gerichtshof zufolge darauf abzielen, „die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen“ ( 22 ).

    40.

    Es besteht kaum Zweifel, dass ein System, wie es die polnische Regelung vorsieht, geeignet ist, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen ( 23 ). Da den Entscheidungen, die im Rahmen der abstrakten Kontrolle ergehen, eine Erga-omnes-Wirkung zuerkannt wird und die Möglichkeit besteht, erhebliche Geldbußen ( 24 ) gegen Gewerbetreibende zu verhängen, verhindert die Regelung schnell und wirksam die Verwendung von Bestimmungen, die als missbräuchlich beurteilt wurden, sowie von entsprechenden Bestimmungen, die eine ähnliche negative Wirkung für den Verbraucher haben. Darüber hinaus verhindert eine solche Regelung die Umgehung von Rechtsvorschriften durch leichte redaktionelle und stilistische Änderungen bereits verbotener Klauseln ( 25 ).

    41.

    Wie die polnische Regierung geltend macht, sieht die Richtlinie 93/13 kein spezielles Modell vor, das die Mitgliedstaaten anwenden müssen, um der Verwendung missbräuchlicher Bestimmungen ein Ende zu setzen. Ebenso wenig enthält die Richtlinie genauere Angaben zur rechtlichen Wirkung der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer vertraglichen Bestimmung, da sie auf dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten beruht. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie verweist insoweit auf die Bedingungen, die die Mitgliedstaaten in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften festlegen ( 26 ), und Art. 8 der Richtlinie ermächtigt die Mitgliedstaaten sogar zum Erlass von Bestimmungen, die strenger sind als die in der Richtlinie vorgesehenen ( 27 ). Daraus folgt jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten beim Erlass strengerer Bestimmungen, die auf missbräuchliche Klauseln anwendbar sind, völlig freie Hand haben. Wie aus Art. 8 der Richtlinie 93/13 hervorgeht, müssen die Bestimmungen mit dem Vertrag vereinbar sein.

    42.

    Entgegen dem Vorbringen der polnischen Regierung bin ich jedoch der Auffassung, dass eine Regelung wie die von den Anhängern der ersten Auslegung vertretene nicht mit den Anforderungen der Richtlinie 93/13, ausgelegt im Licht der Charta, vereinbar ist. Dieses Ergebnis beruht auf den nachstehenden Erwägungen, mit denen auf das Vorbringen der polnischen Regierung und der Kommission eingegangen werden soll.

    2. Zur konkreten und individuellen Prüfung der Missbräuchlichkeit

    a) Zu Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13

    43.

    Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 wird die Missbräuchlichkeit einer in einem Verbrauchervertrag verwendeten Klausel „unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses“ beurteilt ( 28 ).

    44.

    Somit darf eine vertragliche Bestimmung, wenn ihre Missbräuchlichkeit beurteilt wird, nicht von ihrem Kontext isoliert werden. Folglich ist diese Beurteilung nicht absolut, sondern relativ, da sie von den Umständen abhängt, die den Vertragsschluss begleiten ( 29 ), wozu die kumulative Wirkung aller Klauseln des Vertrags zählt ( 30 ).

    45.

    Ferner geht aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass sich der Gerichtshof nicht zur Anwendung der vom Unionsgesetzgeber zur Definition des Begriffs der missbräuchlichen Klausel verwendeten allgemeinen Kriterien auf eine bestimmte Klausel, die anhand der Umstände des konkreten Falls zu prüfen ist, äußern darf, da diese Beurteilung Sache des nationalen Gerichts ist ( 31 ).

    46.

    Somit kann eine Vertragsklausel unter bestimmten Umständen als missbräuchlich angesehen werden, während sie unter anderen Umständen, etwa im Hinblick auf den vom Verbraucher gezahlten Preis ( 32 ), nicht missbräuchlich ist ( 33 ). Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit kann sich außerdem im Lauf der Zeit aufgrund einer Änderung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts ändern ( 34 ).

    47.

    Selbstverständlich gibt es offensichtlich missbräuchliche Klauseln, was dem nationalen Gericht die ihm nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 obliegende Beurteilung erleichtert, wobei in jedem Fall eine konkrete Beurteilung erfolgen muss. Solche Klauseln sind oftmals auch nicht mit den zwingenden nationalen Vorschriften des Verbraucherschutzes oder des Vertragsrechts vereinbar.

    48.

    Eine nationale Gerichtsentscheidung, die allgemein die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel oder ihre Unvereinbarkeit mit zwingenden Vorschriften feststellt, hätte als Präzedenzfall selbstverständlich erhebliche mittelbare Auswirkungen auf andere Gewerbetreibende, die in ihren Verträgen mit Verbrauchern identische oder ähnliche Klauseln verwenden, da diese Gewerbetreibenden naturgemäß mit einer ähnlichen Beurteilung im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle ihrer Verträge zu rechnen hätten. Dennoch fällt die Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertrag zu Vertrag aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und des auf den Vertrag und die betreffende Klausel anwendbaren Rechts unterschiedlich aus.

    49.

    Folglich erscheint mir eine Regelung, die allgemein vorsieht, dass die Missbräuchlichkeit von AGB-Bestimmungen ein für alle Mal im Rahmen eines abstrakten gerichtlichen Verfahrens festgestellt wird, nur schwer bzw. gar nicht mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vereinbar, da dieser Artikel vorsieht, dass die Beurteilung der Missbräuchlichkeit konkret und anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls erfolgt.

    b) Zur Liste missbräuchlicher Klauseln im Anhang der Richtlinie 93/13

    50.

    Die Richtlinie 93/13 enthält in ihrem Anhang eine Liste, die ihr Art. 3 Abs. 3 als „eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können“, beschreibt ( 35 ).

    51.

    Die Kommission hatte zunächst vorgeschlagen, eine echte „schwarze“ Liste von Klauseln, die unter allen Umständen als missbräuchlich anzusehen sind, sowie eine „graue“ Liste von Klauseln, bei denen die Missbräuchlichkeit vermutet wird, festzulegen. Dieser Ansatz fand jedoch keine Unterstützung beim Rat der Europäischen Union, der sich für eine rein indikative Liste entschied ( 36 ). Der Gerichtshof hat dies wie folgt bestätigt: „Eine in der Liste aufgeführte Klausel ist nicht zwangsläufig als missbräuchlich anzusehen, und umgekehrt kann eine nicht darin aufgeführte Klausel gleichwohl für missbräuchlich erklärt werden.“ ( 37 )

    52.

    Die Entscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich der Art der Liste zeigt meiner Meinung nach die Schwierigkeiten, die bei der Bestimmung von Klauseln, die unter allen Umständen missbräuchlich sind, entstehen, selbst für Klauseln wie die in der Liste enthaltenen, die als besonders problematisch aufgrund des zulasten des Verbrauchers geschaffenen Ungleichgewichts angesehen werden ( 38 ). Dies wird auch anhand der offenen Formulierung der Liste deutlich ( 39 ).

    c) Zur Möglichkeit des Erlasses nationaler Listen missbräuchlicher Klauseln nach Art. 8 der Richtlinie 93/13

    53.

    Wenn ein Mitgliedstaat nach Art. 8 der Richtlinie 93/13 „Vorschriften [erlässt, die] Listen mit Vertragsklauseln, die als missbräuchlich gelten, enthalten“, ist er nach Art. 8a Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet, die Kommission davon in Kenntnis zu setzen ( 40 ). Im Gegensatz zu der indikativen Liste im Anhang der Richtlinie können die nationalen Listen, die nach Art. 8 erlassen werden, bindende Wirkung haben, unabhängig davon, ob es sich um „schwarze“ oder „graue“ Listen handelt ( 41 ).

    54.

    Der Begriff des „Erlasses“ von Vorschriften, der in Art. 8a Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verwendet wird, impliziert meiner Meinung nach, dass eine nationale Liste im Wege der Gesetzgebung, d. h. durch Gesetz oder Verwaltungsvorschriften, die auf der Grundlage des Gesetzes erlassen werden, festgelegt werden muss. Somit impliziert der Mechanismus, der durch die Art. 8 und 8a Abs. 1 der Richtlinie eingeführt wird, dass der Gesetzgeber die Klauseln, die verboten sind oder deren Missbräuchlichkeit vermutet wird, präzise formuliert, indem er die verschiedenen und manchmal konkurrierenden Interessen sorgfältig abwägt, und dass die Kommission von den Klauseln in Kenntnis gesetzt wird. Das Gesetzgebungsverfahren, an dem Interessengruppen beteiligt werden können, ist von Natur aus auf den Erlass allgemeiner und abstrakter Vorschriften ausgerichtet.

    55.

    Eine Regelung wie die von den Anhängern der ersten Auslegung vertretene ermächtigt jedoch die nationalen Gerichte und nicht den Gesetzgeber dazu, auf Einzelfallbasis eine „schwarze“ Liste zu erstellen, auf deren Grundlage die Verwendung identischer oder gleichwertiger Klauseln geahndet werden kann. Danach werden die als missbräuchlich beurteilten Klauseln nacheinander in das Register missbräuchlicher Bestimmungen eingetragen, so dass das Register in Wirklichkeit von den Gewerbetreibenden erstellt wird. Daraus ergibt sich klar, dass eine solche Regelung nicht mit dem nach Art. 8 der Richtlinie 93/13 zugelassenen Erlass nationaler Listen vereinbar ist.

    56.

    Darüber hinaus lässt sich die Regelung meiner Meinung nach schwerlich mit dem in Art. 49 der Charta verankerten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen vereinbaren, wonach das Gesetz die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen klar definieren muss ( 42 ).

    57.

    Angesichts der erheblichen und wachsenden Zahl der Einträge in das Register missbräuchlicher Bestimmungen ( 43 ) gibt diese Regelung auch Anlass zu Zweifeln im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört ( 44 ), da es für Gewerbetreibende zwangsläufig schwierig wird, die rechtliche Situation zu bestimmen, in der sie agieren, und die Folgen ihrer Handlungen vorherzusehen. Diese Zweifel sind besonders ernsthaft im Hinblick auf die Möglichkeit, die Verwendung von Klauseln, die den im Register eingetragenen Klauseln nur „gleichwertig“ sind, zu ahnden ( 45 ).

    3. Zum Recht des Gewerbetreibenden auf Anhörung

    58.

    Eng mit den vorstehenden Erwägungen zur konkreten Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel verbunden ist die Frage des Rechts eines Gewerbetreibenden, die Missbräuchlichkeit von Klauseln, die er in seinen Verträgen mit Verbrauchern verwendet, zu widerlegen.

    59.

    Aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 folgt im Umkehrschluss, dass eine Vertragsklausel nicht als missbräuchlich anzusehen ist, wenn sie im Einzelnen ausgehandelt wurde ( 46 ). Insoweit sieht Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie vor, dass dem Gewerbetreibenden die Beweislast dafür obliegt, dass eine Standardvertragsklausel im Einzelnen ausgehandelt wurde. Daraus schließe ich, dass die Richtlinie 93/13 dem Gewerbetreibenden zumindest das Recht zugesteht, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die beanstandete Klausel im Einzelnen ausgehandelt wurde und folglich im konkreten Fall nicht missbräuchlich im Sinne der Richtlinie ist.

    60.

    Das Recht des Gewerbetreibenden, gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 93/13 Argumente und Nachweise zu erbringen, um sich seiner Beweislast zu entledigen, scheint mir Teil des allgemeineren und umfassenderen Rechts gemäß Art. 47 der Charta zu sein, in deren Licht die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 zu lesen sind ( 47 ).

    61.

    Art. 47 der Charta garantiert jeder Person ( 48 ) in Fällen, die in den Anwendungsbereich der Charta fallen ( 49 ), das Recht auf Anhörung sowohl in Verwaltungsverfahren als auch in Gerichtsverfahren ( 50 ). Dem Gerichtshof zufolge beinhaltet dieses Recht die Möglichkeit für jede Person, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, damit die zuständige Behörde in der Lage ist, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen ( 51 ). Dies gilt selbstverständlich auch für eine Entscheidung, mit der eine Geldbuße gegen einen Gewerbetreibenden verhängt wird.

    62.

    Im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle, wie sie die fragliche Regelung vorsieht, würde das Recht des Gewerbetreibenden auf Anhörung zwei verschiedenen Zwecken dienen. Erstens würde dem Gewerbetreibenden die Möglichkeit eingeräumt, den Nachweis zu erbringen, dass sich die besonderen Umstände, die den Abschluss des betreffenden Vertrags begleiten, von den Umständen unterscheiden, die bereits im Rahmen eines früheren Verfahrens, in dem die Missbräuchlichkeit einer identischen oder gleichwertigen Klausel festgestellt wurde, beurteilt wurden. Zweitens erhält der Gewerbetreibende durch das Recht auf Anhörung die Möglichkeit, tatsächliche oder rechtliche Umstände vorzutragen, die – aus welchem Grund auch immer – im Rahmen des früheren abstrakten Kontrollverfahrens nicht vorgetragen wurden, und Fehler zu berichtigen, die im Lauf dieses Verfahrens begangen wurden ( 52 ).

    63.

    Daraus schließe ich, dass sich das Recht des Gewerbetreibenden auf Anhörung im Rahmen der Richtlinie 93/13 nicht auf die Frage beschränken kann, ob die beanstandete Klausel im Einzelnen ausgehandelt wurde, sondern jeden Umstand beinhalten muss, der für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klausel im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie maßgeblich ist ( 53 ). Somit müsste der Gewerbetreibende auch die Möglichkeit haben, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die beanstandete Klausel unter den besonderen Umständen des Einzelfalls kein erhebliches Missverhältnis zulasten des Verbrauchers entstehen lässt, indem er insbesondere nachweist, dass die negative Wirkung der Klausel durch andere Klauseln desselben Vertrags oder durch den vom Verbraucher gezahlten ermäßigten Preis ausgeglichen wird ( 54 ).

    64.

    Auf der Grundlage der Informationen, die vom vorlegenden Gericht und der polnischen Regierung vorgelegt wurden, bin ich der Auffassung, dass eine Regelung, wie sie sich nach der ersten Auslegung ergibt, dem Recht des Gewerbetreibenden auf Anhörung nicht ausreichend Rechnung trägt, weil dieser weder im Rahmen der Verwaltungskontrolle noch im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle vor dem SOKiK und dem Sąd Apelacyjny w Warszawie VI Wydział Cywilny (Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung) die Möglichkeit hat, geltend zu machen und nachzuweisen, dass die beanstandete Klausel unter den besonderen Umständen des Einzelfalls nicht missbräuchlich ist ( 55 ). Wie das vorlegende Gericht hervorhebt, dienen diese Verfahren nicht dazu, die Missbräuchlichkeit der beanstandeten Bestimmung an sich zu prüfen, sondern dazu, ihre Gleichwertigkeit gegenüber anderen Klauseln im Register missbräuchlicher Bestimmungen zu untersuchen.

    65.

    Zwar kann, wie die polnische Regierung zu Recht geltend macht, nicht ausgeschlossen werden, dass die nationalen Gerichte bei der Prüfung der Gleichwertigkeit der beanstandeten Klausel mit der Klausel, die im Register missbräuchlicher Bestimmungen eingetragen ist, die Umstände berücksichtigen, die in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 genannt sind ( 56 ), doch dient diese Beurteilung jedenfalls nur dem Ziel, die Identität oder Gleichwertigkeit der beiden Klauseln festzustellen ( 57 ), und der Gewerbetreibende kann die Missbräuchlichkeit der beanstandeten Klausel nicht in Frage stellen, indem er sich auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, einschließlich des Umstands, dass die beanstandete Klausel im Einzelnen ausgehandelt worden sei, oder auf neue Argumente, die bei der abstrakten Kontrolle nicht geltend gemacht wurden, beruft. Eine solche Regelung schränkt das in Art. 47 der Charta festgelegte Recht des Gewerbetreibenden erheblich ein ( 58 ).

    66.

    Gleichzeitig sind die Befugnisse des Gerichts, das die gerichtliche Kontrolle vornimmt, erheblich eingeschränkt, was für sich genommen Bedenken im Hinblick auf Art. 47 der Charta begründet, der einen „wirksamen Rechtsbehelf“ verlangt ( 59 ). Darüber hinaus würde eine solche Regelung auch das Recht des Verbrauchers beeinträchtigen, auf die Nichtanwendung einer missbräuchlichen Klausel zu verzichten ( 60 ).

    67.

    Das Recht auf Anhörung nach Art. 52 Abs. 1 der Charta kann zwar Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren ( 61 ). Insoweit macht die polnische Regierung meiner Meinung nach zu Recht geltend, dass die nationale Regelung darauf gerichtet ist, der Verwendung unzulässiger Klauseln in unterschiedlichen Situationen, die auf dem Markt gegeben sein können, schnell und wirksam ein Ende zu setzen und zu vermeiden, dass mehrere Verfahren in Bezug auf gleichwertige, von unterschiedlichen Gewerbetreibenden verwendete AGB-Bestimmungen geführt werden ( 62 ).

    68.

    Diese Erwägungen können jedoch, auch wenn sie sicher zutreffend sind, meiner Meinung nach nicht die besonders schwerwiegende Einschränkung des Rechts des Gewerbetreibenden auf Anhörung rechtfertigen, die sich aus Art. 47943 ZPO und Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz nach der ersten Auslegung ergibt, wenn man die nicht unerhebliche Höhe der Geldbußen berücksichtigt, die nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 dieses Gesetzes gegen Gewerbetreibende verhängt werden können ( 63 ).

    69.

    Auch die endgültige Natur der Eintragung von Klauseln in das Register missbräuchlicher Bestimmungen bestätigt das Ergebnis, dass die fragliche nationale Regelung, wie sie gemäß der ersten Auslegung verstanden wird, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar ist ( 64 ).

    70.

    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, gibt es offenbar alternative Maßnahmen, die einen wirksamen Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln ermöglichen und gleichzeitig das Recht des Gewerbetreibenden auf Anhörung gewährleisten. So steht es den Mitgliedstaaten frei, Maßnahmen zu treffen, die eine Vermutung der Missbräuchlichkeit bestimmter AGB-Bestimmungen begründen ( 65 ), deren Verwendung geahndet werden könnte, sofern der Gewerbetreibende nicht im Rahmen eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens dartut, dass die Bestimmungen unter den besonderen Umständen des konkreten Falls nicht missbräuchlich sind, indem er insbesondere nachweist, dass die Bestimmungen im Einzelnen ausgehandelt wurden.

    71.

    Im Übrigen bedeutet das Fehlen einer Erga-omnes-Wirkung nicht, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer AGB-Bestimmung keine abschreckende Wirkung hat, da andere Gewerbetreibende geneigt sein werden, von der Verwendung entsprechender Bestimmungen Abstand zu nehmen ( 66 ).

    C – Zu Verbandsklagen auf Unterlassung

    1. Zu Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 93/13

    72.

    Wie die Kommission zu Recht vorträgt, sind nach Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 93/13 Verbandsklagen auf Unterlassung zulässig, die über das Vertragsverhältnis tatsächlich insoweit hinausgehen, als sie unabhängig von einzelnen konkreten Streitigkeiten sind und von Personen oder Organisationen, die ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, erhoben werden können ( 67 ). Wie aus der Formulierung „unbeschadet des Artikels 7“ in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie hervorgeht, sollen die in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie genannten Klagen die Individualklagen ergänzen ( 68 ).

    73.

    Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie sieht eine abstrakte Kontrolle mit präventivem und abschreckendem Charakter ( 69 ) vor, die darüber entscheiden soll, „ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, missbräuchlich sind“, während Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie es ermöglicht, die in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie genannten Klagen getrennt oder gemeinsam gegen mehrere Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors oder ihre Verbände zu richten.

    74.

    Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass Individual- und Verbandsklagen im Rahmen der Richtlinie 93/13 „unterschiedliche Gegenstände und Rechtswirkungen“ ( 70 ) haben. Darüber hinaus beinhalten Verbandsklagen nach dem 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 „keine Vorabkontrolle der in einem beliebigen Wirtschaftssektor verwendeten allgemeinen Bedingungen“. Daraus schließe ich, dass die Vorabkontrolle im Rahmen einer Verbandsklage die nachträgliche Kontrolle im Rahmen einer Individualklage mit anderen Beteiligten nicht vorwegnehmen kann ( 71 ), was eine Erstreckung der Wirkungen von Entscheidungen, die im Rahmen von Verbandsklagen getroffen werden, auf Gewerbetreibende, die nicht am Verfahren beteiligt waren, ausschließt ( 72 ).

    75.

    Dieses Ergebnis wird durch die Aufnahme von Abs. 3 in Art. 7 der Richtlinie 93/13 bestätigt. Meiner Meinung nach würde es keinen Sinn ergeben, nach Abs. 3 die Einführung von Mehrparteienverfahren zuzulassen, wenn die im Rahmen von Verbandsklagen nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie getroffenen Entscheidungen bereits für jeden Gewerbetreibenden verbindlich wären. Auch die Vorarbeiten zur Richtlinie sprechen für die Auslegung, nach der Entscheidungen im Rahmen von Verbandsklagen auf Unterlassung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 und 3 nur für die Parteien der jeweiligen Verbandsklage verbindlich sind ( 73 ).

    76.

    Zwar wird bei AGB-Bestimmungen – die selten im Einzelnen ausgehandelt werden – die von den nationalen Gerichten im Rahmen einer Verbandsklage bzw. Individualklage vorgenommene Beurteilung oft ähnlich, wenn nicht identisch ausfallen, auch wenn unterschiedliche Parteien an den jeweiligen Verfahren beteiligt sind. Folglich wird die Entscheidung, die im Rahmen einer Verbandsklage ergeht, im Hinblick auf die Beurteilung, die im Rahmen einer späteren Individualklage in Bezug auf eine identische oder gleichwertige Klausel vorzunehmen ist, erhebliche Präzedenzwirkung entfalten und möglicherweise sogar eine Vermutung hinsichtlich der Missbräuchlichkeit der Klausel begründen. Dennoch darf dem Gewerbetreibenden, der an der Verbandsklage nicht beteiligt war, nicht die Möglichkeit genommen werden, gestützt auf Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 93/13 und Art. 47 der Charta die Vermutung im Rahmen einer Individualklage zu widerlegen.

    2. Zur Tragweite des Urteils Invitel

    77.

    Wie die polnische Regierung und die Kommission ausführen, hat der Gerichtshof im Urteil Invitel festgestellt, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 und 2 einer Erstreckung der Wirkung von Entscheidungen zur Feststellung der Missbräuchlichkeit einer AGB-Bestimmung im Rahmen einer Unterlassungsklage im Sinne von Art. 7 der Richtlinie „gegenüber allen Verbrauchern …, die mit diesem Gewerbetreibenden einen Vertrag geschlossen haben, auf den die gleichen AGB anwendbar sind, einschließlich derjenigen Verbraucher, die nicht Partei des Unterlassungsverfahrens waren“ ( 74 ), nicht entgegensteht.

    78.

    Dieses Ergebnis ist kaum überraschend, ergibt es sich doch aus Wesen und Ziel von Verbandsklagen auf Unterlassung. Wurde eine Vertragsklausel im Rahmen einer Unterlassungsklage für nichtig erklärt und verboten, muss naturgemäß sichergestellt werden, dass der betroffene Gewerbetreibende in keinem seiner Verträge die gleichen AGB einschließlich der für missbräuchlich beurteilten Klausel weiterverwendet. Andernfalls würden die in Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Unterlassungsklagen ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt.

    79.

    In Rn. 40 des Urteils Invitel hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Sanktion der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel gegenüber allen Verbrauchern, die mit dem betreffenden Gewerbetreibenden einen Verbrauchervertrag geschlossen haben, für den die gleichen AGB gelten, „gewährleistet …, dass die Klausel für diese Verbraucher unverbindlich ist“ ( 75 ), wobei der Gerichtshof auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verwies, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, „alle Konsequenzen … zu ziehen“, die sich nach nationalem Recht aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer AGB-Klausel ergeben, damit diese Klausel für den Verbraucher unverbindlich ist ( 76 ).

    80.

    Meiner Meinung nach bestehen kaum Zweifel, dass diese Rechtsprechung nicht auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen werden kann.

    81.

    In der Begründung seines Ergebnisses im Urteil Invitel ( 77 ) hat der Gerichtshof insoweit ausdrücklich auf die Nrn. 57 bis 61 der Schlussanträge des Generalanwalts verwiesen, der im Hinblick auf eine Erga-omnes-Wirkung zulasten von Gewerbetreibenden, die am Verfahren zur Feststellung der Missbräuchlichkeit der beanstandeten Klausel nicht beteiligt waren, „gewichtige“ Bedenken äußerte, denen ich mich voll und ganz anschließe ( 78 ).

    82.

    Im Übrigen war der Gerichtshof in jener Rechtssache mit der Frage der Ausdehnung der Sanktion der Nichtigkeit gegenüber Verbrauchern, die mit dem betreffenden Gewerbetreibenden einen Verbrauchervertrag geschlossen haben, auf den die gleichen AGB anwendbar sind, befasst, und diese Frage unterscheidet sich eindeutig von der in der vorliegenden Rechtssache gestellten Frage, die sich auf die Verhängung von Geldbußen gegen Gewerbetreibende, die nicht am abstrakten Kontrollverfahren beteiligt waren, bezieht.

    83.

    Eine weite Auslegung der Tragweite des Urteils Invitel ( 79 ) dahin gehend, dass auch eine Regelung erfasst wäre, die eine Erga-omnes-Wirkung gegenüber allen Gewerbetreibenden vorsieht, die nicht am Verfahren beteiligt waren, scheint mir daher nicht gerechtfertigt und wäre jedenfalls nur schwerlich mit den Grundrechten des Gewerbetreibenden vereinbar ( 80 ).

    3. Zur Auslegung der Richtlinie 2009/22

    84.

    Die von mir befürwortete Auslegung der Richtlinie 93/13 kann durch die Art. 1 und 2 der Richtlinie 2009/22, auf die das vorlegende Gericht in seiner ersten Vorlagefrage verweist, nicht in Frage gestellt werden.

    85.

    Die Richtlinie 2009/22 betrifft Verbandsklagen auf Unterlassung zum Schutz der Verbraucherinteressen und dient dem Ziel, die volle Wirksamkeit einer Reihe von Richtlinien einschließlich der Richtlinie 93/13 zu gewährleisten und Verstöße innerhalb der Union zu bekämpfen ( 81 ).

    86.

    Insoweit verpflichtet Art. 2 Abs. 1 Buchst. a bis c der Richtlinie 2009/22 die Mitgliedstaaten zur Bestimmung der zuständigen Gerichte oder Verwaltungsbehörden für die Entscheidung über die von qualifizierten Einrichtungen im Sinne des Art. 3 der Richtlinie erhobene Verbandsklagen, die u. a. auf Folgendes abzielen können: eine Anordnung der Einstellung jedweder Handlung, die gegen die Richtlinie 93/13 verstößt, die Veröffentlichung der Entscheidung oder einer Richtigstellung und eine Anordnung dahin gehend, dass die unterlegene beklagte Partei im Fall der Nichtbeachtung der Entscheidung in eine öffentliche Kasse oder an einen anderen im Rahmen innerstaatlicher Rechtsvorschriften bezeichneten Begünstigten einen bestimmten Betrag zahlen muss.

    87.

    Was das Verhältnis zwischen der Richtlinie 2009/22 und der Richtlinie 93/13 betrifft, hat Erstere gegenüber Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 93/13, der ebenfalls Unterlassungsklagen betrifft, ergänzende Funktion ( 82 ).

    88.

    Ich kann weder im Wortlaut der Richtlinie 2009/22 noch in den Vorarbeiten zu der Richtlinie ( 83 ) Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Mitgliedstaaten befugt wären, den Entscheidungen, die im Rahmen von Klagen im Sinne der Richtlinie erlassen werden, eine Erga-omnes-Wirkung gegenüber Gewerbetreibenden einzuräumen, die nicht an der Unterlassungsklage beteiligt waren. Wäre dies der Fall, ginge die Richtlinie 2009/22 über die in der Richtlinie 93/13 festgelegte Regelung, die durch Erstere ergänzt werden soll, hinaus, was mangels ausdrücklich erklärter Intention des Unionsgesetzgebers nicht unterstellt werden kann.

    89.

    Eine Änderung des Unionsrechts, die es den Mitgliedstaaten erlauben würde, die Wirkungen von Entscheidungen zur Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel auf „gleichartige Verträge“ zu erstrecken, ist jedoch unter der Federführung der Kommission in Gang gebracht worden ( 84 ). Dies bestätigt aber nur, dass eine solche Lösung beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts, d. h. im Rahmen der Richtlinien 93/13 und 2009/22, nicht möglich ist.

    V – Ergebnis

    90.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Vorlagefrage des Sąd Apelacyjny w Warszawie VI Wydział Cywilny (Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung, Polen) wie folgt zu beantworten:

    Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in Verbindung mit den Art. 1 und 2 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass gegen einen Gewerbetreibenden, der in seinen Verträgen mit Verbrauchern AGB-Bestimmungen verwendet, die als gleichwertig gegenüber Bestimmungen anzusehen sind, welche bereits als missbräuchlich beurteilt wurden und aus diesem Grund in ein öffentliches Register eingetragen wurden, eine Geldbuße verhängt wird, obwohl der Gewerbetreibende nicht an dem Verfahren beteiligt war, das zur Feststellung der Missbräuchlichkeit der im Register eingetragenen Bestimmungen geführt hat.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

    ( 3 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. 2009, L 110, S. 30).

    ( 4 ) Art. 8a war zu der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit noch nicht in Kraft. Dieser Artikel wurde durch die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64) eingefügt. Ihrem Art. 28 Abs. 2 zufolge gilt die Richtlinie 2011/83 für Verträge, die nach dem 13. Juni 2014 geschlossen werden.

    ( 5 ) Der Vorlageentscheidung zufolge ist Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz eine Anpassung des polnischen Rechts an die Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. 1998, L 166, S. 51), die ab dem 29. Dezember 2009 durch die Richtlinie 2009/22 aufgehoben und ersetzt wurde.

    ( 6 ) Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Art. 47942 § 1, Art. 47943 und Art. 47945 §§ 1 bis 3 ZPO zur Umsetzung der Richtlinie 93/13 in das polnische Recht eingeführt wurden.

    ( 7 ) Ich weise darauf hin, dass die polnische Regelung nicht den Begriff „missbräuchlich“, sondern den Begriff „unzulässig“ verwendet (siehe Nrn. 14 bis 17 der vorliegenden Schlussanträge). Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die polnische Regelung an das Unionsrecht angepasst wurde, halte ich jedoch die Annahme für erlaubt, dass beide Begriffe dieselbe Bedeutung haben. Die von HK Partner verwendeten und beanstandeten Bestimmungen betreffen die Haftung des Teilnehmers, d. h. des Verbrauchers, für Schäden, die durch sein Verschulden oder das Verschulden von Personen, für die er verantwortlich ist, entstanden sind, den Ausschluss der Haftung von HK Partner in Bezug auf bestimmte Ereignisse sowie die Nichterstattung des Werts von Leistungen, die der Teilnehmer nicht in Anspruch nimmt. Beispielsweise lautet eine der beanstandeten Bestimmungen: „Der Wert von Leistungen, die der Teilnehmer aus Gründen, die ihm zuzurechnen sind, nicht in Anspruch nimmt, wird von [HK Partner] nicht erstattet.“

    ( 8 ) Vgl. u. a. Urteile vom 4. Juni 2002, Lyckeskog (C‑99/00, EU:C:2002:329, Rn. 16 bis 19), und vom 16. Dezember 2008, Cartesio (C‑210/06, EU:C:2008:723, Rn. 75 bis 79).

    ( 9 ) Die folgende Darstellung des polnischen Systems basiert auf Angaben des vorlegenden Gerichts, die von der polnischen Regierung ergänzt und offensichtlich nicht bestritten worden sind. Vgl. zum polnischen System Trzaskowski, R., Skutki uznania postanowienia wzorca umowy za niedozwolone i jego wpisu do rejestru w sferze przeciwdziałania praktykom naruszającym zbiorowe interesy konsumentów (art. 24 ust. 2 pkt 1 u.o.k.i.k.) w świetle orzecznictwa Sądu Ochrony Konkurencji i Konsumentów, Prawo w działaniu sprawy cywilne, 20/2014, S. 123. Das polnische System des Verbraucherschutzes wurde durch das Ustawa o zmianie ustawy o ochronie konkurencji i konsumentów oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz und bestimmter anderer Gesetze) vom 5. August 2015 (Dz. U. 2015, Pos. 1634) geändert. Die Änderung ist jedoch erst am 17. April 2016 in Kraft getreten, und für Verfahren, die vor diesem Zeitpunkt eingeleitet wurden, gelten die bis dahin bestehenden Vorschriften (Art. 8 des Gesetzes).

    ( 10 ) Siehe Nr. 17 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 11 ) Der polnischen Regierung zufolge stellt das SOKiK bei der abstrakten Kontrolle den „Regelungsgehalt“ der fraglichen Bestimmung fest.

    ( 12 ) Nach Art. 47938 §§ 1 und 2 ZPO kann die abstrakte Kontrolle auch erhoben werden von einem Verbraucherbeauftragten für den Landkreis bzw. für die Stadt und unter bestimmten Voraussetzungen von einer ausländischen Organisation, die in der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Liste der Organisationen eingetragen ist, welche berechtigt sind, in den Ländern der Europäischen Union Verfahren auf Erklärung der Unzulässigkeit von Bestimmungen eines Vertragsmusters einzuleiten.

    ( 13 ) Seinem Wortlaut zufolge betrifft Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz die „Verwendung von Bestimmungen von Vertragsmustern, die in das Register … eingetragen sind“. Die polnische Regierung hat erklärt, aus der Rechtsprechung des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) und des SOKiK gehe jedoch hervor, dass die Verwendung „gleichwertiger“ Bestimmungen ebenfalls als Beeinträchtigung der Kollektivinteressen der Verbraucher angesehen wird.

    ( 14 ) Darüber hinaus kann anschließend beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) eine Kassationsbeschwerde eingelegt werden.

    ( 15 ) Insoweit verweist das vorlegende Gericht auf Art. 47943 § 2. Meiner Meinung nach handelt es sich hier jedoch um einen offensichtlichen Schreibfehler, da § 2 weder in der vom vorlegenden Gericht übermittelten Übersicht zum nationalen Recht noch in den Erklärungen der polnischen Regierung und der Kommission genannt wird.

    ( 16 ) Insoweit unterscheidet das vorlegende Gericht zwischen den „subjektiven“ und den „objektiven“ Wirkungen eines Urteils, das die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel feststellt, wobei die subjektiven Wirkungen des Urteils Personen betreffen, die nicht am Verfahren vor dem SOKiK beteiligt waren, und die objektiven Wirkungen den Umstand, dass das Urteil seine Wirkungen sowohl gegenüber identischen als auch gegenüber gleichwertigen Bestimmungen entfaltet.

    ( 17 ) Vgl. Urteile vom 16. Juli 2015, CHEZ Razpredelenie Bulgaria (C‑83/14, EU:C:2015:480, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 26. November 2014, Mascolo u. a. (C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 81 bis 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 18 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Angesichts der Rechtsprechung des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) bin ich der Meinung, dass das vorlegende Gericht bei der Auslegung der maßgeblichen nationalen Vorschriften über einen gewissen Spielraum verfügt.

    ( 19 ) Vgl. Urteil vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis (C‑6/05, EU:C:2007:337, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 20 ) Vgl. Urteile vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 22), und vom 29. Oktober 2015, BBVA (C‑8/14, EU:C:2015:731, Rn. 17 und 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof festgestellt, dass das nationale Gericht verpflichtet ist, die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, von Amts wegen zu prüfen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt. Vgl. Urteile vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová (C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 62), vom 4. Juni 2009, Pannon GSM (C‑243/08, EU:C:2009:350, Rn. 35), vom 9. November 2010, VB Pénzügyi Lízing (C‑137/08, EU:C:2010:659, Rn. 56), und vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 46). Vgl. zum Umfang der Verpflichtung des nationalen Gerichts Urteile vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349), vom 18. Februar 2016, Finanmadrid EFC (C‑49/14, EU:C:2016:98), und vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340), sowie Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Radlinger und Radlingerová (C‑377/14, EU:C:2015:769) und des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Banco Primus (C‑421/14, EU:C:2016:69).

    ( 21 ) Vgl. auch die Erwägungsgründe 4 und 21 der Richtlinie 93/13.

    ( 22 ) Vgl. Urteile vom 29. Oktober 2015, BBVA (C‑8/14, EU:C:2015:731, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Darüber hinaus hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 6 der Richtlinie 93/13 als eine Norm zu betrachten ist, die den nationalen Bestimmungen, die im nationalen Recht zwingend sind, gleichwertig ist. Vgl. hierzu Urteile vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones (C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 52), und vom 30. Mai 2013, Asbeek Brusse und de Man Garabito (C‑488/11, EU:C:2013:341, Rn. 44).

    ( 23 ) Das Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, ist auch in Art. 169 Abs. 1 AEUV und Art. 38 der Charta verankert.

    ( 24 ) Nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutz können Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des Umsatzes des betreffenden Gewerbetreibenden verhängt werden. Siehe Nr. 16 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 25 ) Die polnische Regierung hat hervorgehoben, eine der größten Schwierigkeiten bei der Beseitigung missbräuchlicher Klauseln bestehe darin, dass sie sich leicht verbreiteten und von anderen Gewerbetreibenden reproduziert und nach „kosmetischen Eingriffen“ erneut verwendet würden.

    ( 26 ) Vgl. hierzu Urteil vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 26). Die Verfahrensmodalitäten der Mitgliedstaaten müssen jedoch die doppelte Voraussetzung erfüllen, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzprinzip), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip). Vgl. Urteile vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 25), und vom 29. Oktober 2015, BBVA (C‑8/14, EU:C:2015:731, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 27 ) Vgl. auch Urteil vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 40), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass die in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vorgesehene Sanktion der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel andere Arten angemessener und wirksamer Sanktionen in den nationalen Regelungen nicht ausschließt.

    ( 28 ) Vgl. auch 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13, wonach „[d]ie Kriterien für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln … generell festgelegt werden“ müssen, und die Erwägungsgründe 16, 18 und 19, die die Gesichtspunkte nennen, die in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden können, nämlich u. a. das Gebot von Treu und Glauben, das Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien, die Art der Güter bzw. Dienstleistungen, den Hauptgegenstand eines Vertrags und das Preis-Leistungs-Verhältnis.

    ( 29 ) Vgl. Urteile vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 41), vom 1. April 2004, Freiburger Kommunalbauten (C‑237/02, EU:C:2004:209, Rn. 21 und 22), und vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 66).

    ( 30 ) Vgl. Urteil vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová (C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 95).

    ( 31 ) Vgl. Urteile vom 1. April 2004, Freiburger Kommunalbauten (C‑237/02, EU:C:2004:209, Rn. 22), und vom 4. Juni 2009, Pannon GSM (C‑243/08, EU:C:2009:350, Rn. 42). Zwar hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. Juni 2000, Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:2000:346, Rn. 24), festgestellt, dass eine vom Gewerbetreibenden vorformulierte Klausel, die dazu dient, für alle aus dem Vertrag erwachsenden Rechtsstreitigkeiten dem Gericht, in dessen Bezirk der Gewerbetreibende seine Niederlassung hatte, die Zuständigkeit zuzuweisen, alle Kriterien erfüllt, um als missbräuchlich im Sinne der Richtlinie 93/13 angesehen zu werden, doch aus der nachfolgenden Rechtsprechung geht hervor, dass es sich bei dieser Rechtssache um einen sehr seltenen Ausnahmefall handelte. Vgl. Urteil vom 1. April 2004, Freiburger Kommunalbauten (C‑237/02, EU:C:2004:209, Rn. 22 und 23), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Rechtssache Océano Grupo Editorial und Salvat Editores eine Klausel betraf, „die ausschließlich und ohne Gegenleistung zugunsten des Verbrauchers für den Gewerbetreibenden vorteilhaft war, da sie unabhängig vom Vertragstyp die Wirksamkeit des gerichtlichen Schutzes der Rechte in Frage stellte, die die Richtlinie [93/13] dem Verbraucher zuerkennt. Daher konnte die Missbräuchlichkeit dieser Klausel festgestellt werden, ohne dass alle Umstände des Vertragsschlusses geprüft und die mit dieser Klausel verbundenen Vor- und Nachteile im Rahmen des auf den Vertrag anwendbaren nationalen Rechts gewürdigt werden mussten.“

    ( 32 ) Beispielsweise kann eine Klausel, die – wie im vorliegenden Fall – bestimmt, dass ein Reisebüro den Wert von Leistungen, die der Teilnehmer aus Gründen, die ihm zuzurechnen sind, nicht in Anspruch nimmt, nicht erstattet, unter bestimmten Umständen als missbräuchlich angesehen werden, insbesondere wenn der Verbraucher für die Leistungen einen hohen Preis bezahlt. Ist dem Verbraucher hingegen eine erhebliche Ermäßigung im Hinblick auf den Marktwert der fraglichen Leistungen eingeräumt worden, kann die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel sehr wohl anders ausfallen. Aus dem 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 geht hervor, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis, auch wenn es nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie nicht den Gegenstand der Beurteilung der Missbräuchlichkeit bildet, bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit anderer Klauseln berücksichtigt werden kann.

    ( 33 ) Vgl. entsprechend Nr. 72, Fn. 46 der Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in den verbundenen Rechtssachen Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:15), wo es heißt: „Z. B. ist denkbar, dass eine Vertragsklausel nicht abstrakt missbräuchlich ist, sondern nur unter bestimmten Umständen; oder sie kann potenziell missbräuchlich, aber in einem konkreten Fall individuell ausgehandelt worden und folglich für den betroffenen Verbraucher bindend sein.“

    ( 34 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. April 2004, Freiburger Kommunalbauten (C‑237/02, EU:C:2004:209, Rn. 21). Vgl. auch Nr. 30 der Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Freiburger Kommunalbauten (C‑237/02, EU:C:2003:504), wonach es vorkommen kann, dass „dieselbe Art von Klauseln in verschiedenen Rechtsordnungen verschiedene Rechtsfolgen hat“.

    ( 35 ) Dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 zufolge kann die Liste „von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, insbesondere hinsichtlich des Geltungsbereichs dieser Klauseln, ergänzt oder restriktiver formuliert werden“. Vgl. auch Urteile vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 70).

    ( 36 ) Vgl. Art. 2 Nr. 2 und zwölfter Erwägungsgrund des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, der von der Kommission am 24. Juli 1990 vorgelegt wurde (KOM[90] 322 endg.), den überprüften Vorschlag vom 26. Januar 1993 zur Änderung Nr. 4 (KOM[93] 11 endg.), den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 22. September 1992 und die Erklärung der Kommission vom 22. Oktober 1992 an das Europäische Parlament zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates (SEC[92] 1944 endgültig – SYN 285), veröffentlicht in Journal of Consumer Policy, 1992, 15, S. 473 bis 491. In der Begründung ihres überprüften Vorschlags weist die Kommission darauf hin, dass die Einführung einer „schwarzen“ Liste „eigentlich schlecht zu der jetzigen Formulierung des Anhangs [passt]; dies gilt insbesondere mit Blick auf die Ermessensfrage, die bei vielen Klauseln mitspielt“.

    ( 37 ) Vgl. Urteile vom 1. April 2004, Freiburger Kommunalbauten (C‑237/02, EU:C:2004:209, Rn. 20), und vom 7. Mai 2002, Kommission/Schweden (C‑478/99, EU:C:2002:281, Rn. 20). Im zuletzt genannten Urteil, das die Umsetzung der Richtlinie 93/13 in schwedisches Recht betrifft, hat der Gerichtshof in Rn. 21 festgestellt, dass „diese Liste nicht [bezweckt], den Verbrauchern Ansprüche zuzuerkennen, die über die Ansprüche hinausgehen, die sich aus den Artikeln 3 bis 7 der Richtlinie ergeben. Die Liste ändert nichts an dem Ziel, das mit der Richtlinie angestrebt wird und das als solches für die Mitgliedstaaten verbindlich ist.“ Vgl. auch Urteil vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 26), in dem der Gerichtshof festgestellt hat: „Zwar lässt sich die Missbräuchlichkeit einer streitigen Klausel nicht ohne Weiteres und allein anhand des Anhangs ermitteln, doch ist er eine wesentliche Grundlage, auf die das zuständige Gericht seine Beurteilung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel stützen kann.“

    ( 38 ) Die Liste nennt u. a. Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass die gesetzliche Haftung des Gewerbetreibenden ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, wenn der Verbraucher aufgrund einer Handlung oder Unterlassung des Gewerbetreibenden sein Leben verliert oder einen Körperschaden erleidet; die Ansprüche des Verbrauchers ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, wenn der Gewerbetreibende eine der vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt oder mangelhaft erfüllt; es dem Gewerbetreibenden gestattet wird, nach freiem Ermessen den Vertrag zu kündigen, wenn das gleiche Recht nicht auch dem Verbraucher eingeräumt wird; der Gewerbetreibende die Vertragsklauseln einseitig ändern kann; dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird.

    ( 39 ) Die Liste enthält Formulierungen wie „ungebührlich“, „unverhältnismäßig hoher Entschädigungsbetrag“, „angemessene Frist“, „Vorliegen schwerwiegender Gründe“, „ungebührlich weit entferntes Datum“, „ohne triftigen Grund“ und „zu hoch“, die in jedem Fall eine konkrete Beurteilung ermöglichen bzw. erfordern. Vgl. Anhang der Richtlinie 93/13 Nr. 1 Buchst. b, e, g, h und j bis l.

    ( 40 ) Die in Art. 8a der Richtlinie 93/13 festgelegte Verpflichtung, die Kommission in Kenntnis zu setzen, gilt nur für Verträge, die nach dem 13. Juni 2014 geschlossen werden. Siehe Fn. 4 der vorliegenden Schlussanträge. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission für die Richtlinie 2011/83 sah die vollständige Aufhebung der Richtlinie 93/13 vor (KOM[2008] 614 endgültig), und die Art. 34 und 35 des Vorschlags beschrieben sowohl eine „schwarze“ Liste mit Vertragsklauseln, die unter allen Umständen als missbräuchlich gelten, sowie eine „graue“ Liste mit Klauseln, die als missbräuchlich gelten, es sei denn, der Gewerbetreibende hat nachgewiesen, dass diese Klauseln nicht missbräuchlich sind. Der Ansatz der Kommission fand jedoch im Rat keine Unterstützung. Vgl. u. a. Änderungsvorschläge in Punkt „A“ des Schreibens des Generalsekretariats des Rates vom 10. Dezember 2010 (2008/0196[COD]) und die legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Juni 2011 (ABl. 2012, C 390, S. 145), die die vom Europäischen Parlament verabschiedeten Änderungen vom 24. März 2011 (ABl. 2012, C 247, S. 55) ersetzt hat.

    ( 41 ) Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass einige Mitgliedstaaten von der in Art. 8 der Richtlinie 93/13 enthaltenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und nationale „schwarze“ oder „graue“ Listen erlassen hätten.

    ( 42 ) Vgl. Urteil vom 31. März 2011, Aurubis Balgaria (C‑546/09, EU:C:2011:199, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung), betreffend die Verhängung von Verzugszinsen auf eine zusätzliche Mehrwertsteuerschuld.

    ( 43 ) Der Kommission zufolge wurden bereits mehr als 6300 Klauseln in das Register unzulässiger Bestimmungen eingetragen, davon 300 zwischen Juli 2015 und Mitte März 2016.

    ( 44 ) Vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission (C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 100). Vgl. zur Richtlinie 93/13 Urteil vom 7. Mai 2002, Kommission/Schweden (C‑478/99, EU:C:2002:281, Rn. 18).

    ( 45 ) Aus der Vorlageentscheidung geht nicht hervor, ob die in Art. 47943 ZPO vorgesehene Erga-omnes-Wirkung rückwirkend gilt, d. h. für Verträge, die vor der gerichtlichen Entscheidung zur Feststellung der Missbräuchlichkeit der jeweiligen Klausel geschlossen wurden. Wenn dies der Fall ist, sind meine Bedenken hinsichtlich des Grundsatzes der Rechtssicherheit selbstverständlich umso größer.

    ( 46 ) Vgl. auch zwölfter Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13. Die Kommission hatte zunächst vorgeschlagen, dass die Richtlinie sowohl auf Standardklauseln als auch auf im Einzelnen ausgehandelte Klauseln anwendbar sein solle. Vgl. Vorschlag der Kommission vom 24. Juli 1990 (KOM[90] 322 endg.) und legislative Entschließung vom 20. November 1991 mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments, Änderung Nr. 9 (ABl. 1991, C 326, S. 108).

    ( 47 ) Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Vertrag einschließlich der durch die Charta garantierten Grundrechte einzuhalten, wenn sie Bestimmungen erlassen, die strenger sind als die in der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Bestimmungen, was im Übrigen aus Art. 8 der Richtlinie hervorgeht.

    ( 48 ) Aus der Formulierung „jede Person“ ergibt sich, dass das Recht sowohl für natürliche als auch für juristische Personen gilt. Vgl. u. a. Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB (C‑279/09, EU:C:2010:811, Rn. 59), und Beschluss vom 13. Juni 2012, GREP (C‑156/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:342, Rn. 38).

    ( 49 ) Angesichts von Art. 51 Abs. 1 der Charta besteht nicht der geringste Zweifel, dass die Charta auf die vorliegende Rechtssache anwendbar ist.

    ( 50 ) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Recht auf Anhörung nicht nur in den Art. 47 und 48 der Charta verankert, die das Recht auf Wahrung der Verteidigungsrechte und das Recht auf ein faires Verfahren im Rahmen aller Gerichtsverfahren garantieren, sondern auch in Art. 41 der Charta, der das Recht auf eine gute Verwaltung gewährleistet. Vgl. Urteil vom 22. November 2012, M. (C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 81 und 82 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zwar ist Art. 41 der Charta nicht an die Mitgliedstaaten, sondern nur an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union gerichtet, doch ist das Recht auf eine gute Verwaltung integraler Bestandteil der Wahrung der Verteidigungsrechte als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts. Vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, Boudjlida (C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 32 bis 34 und 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 51 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2014, Boudjlida (C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 36 und 37 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 17. März 2016, Bensada Benallal (C‑161/15, EU:C:2016:175, Rn. 33). Eng mit dem Recht auf Anhörung verbunden ist der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, der ebenfalls ein fundamentaler Grundsatz des Unionsrechts ist. Vgl. Urteil vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 29 und 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 52 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2014, Boudjlida (C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 37).

    ( 53 ) Dagegen geht aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 93/13 hervor, dass die spezielle Vorschrift, die dem Gewerbetreibenden die Beweislast auferlegt, auf die Frage beschränkt ist, ob die Klausel im Einzelnen ausgehandelt wurde.

    ( 54 ) Siehe Fn. 32 der vorliegenden Schlussanträge zum 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13.

    ( 55 ) Vgl. in diesem Sinne Nr. 60 der Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Invitel (C‑472/10, EU:C:2011:806). Diese Rechtssache wird in den Nrn. 77 bis 83 der vorliegenden Schlussanträge genauer behandelt.

    ( 56 ) Die polnische Regierung führt beispielhaft aus, das Sad Apelacyjny w Warszawie VI Wydzial Cywilny (Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung) habe in einem konkreten Fall die Gleichwertigkeit der beanstandeten Klauseln mit den im Register eingetragenen Klauseln in Frage gestellt, obwohl sie einen sehr ähnlichen Wortlaut gehabt hätten.

    ( 57 ) Siehe Nr. 30 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 58 ) Die polnische Regierung macht geltend, die Beurteilung im Rahmen der abstrakten Kontrolle sei gerade abstrakt und deshalb von individuellen Umständen unabhängig und selbst wenn jeder Gewerbetreibende, der die beanstandete Klausel verwende, sein Recht auf Anhörung im Rahmen der abstrakten Kontrolle vor Eintragung der Klausel im Register ausüben könne, habe dies keine Auswirkung auf den Ausgang des Verfahrens. Insoweit weise ich darauf hin, dass sich meine Bedenken hinsichtlich des Rechts des Gewerbetreibenden auf Anhörung nicht auf die abstrakte Kontrolle, sondern auf die spätere administrative und gerichtliche Kontrolle der Geschäftspraktiken anderer Gewerbetreibender richten.

    ( 59 ) Vgl. auch Urteil vom 15. Mai 1986, Johnston (222/84, EU:C:1986:206, Rn. 19), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch ein zuständiges Gericht einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt.

    ( 60 ) Vgl. hierzu Urteil vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 40).

    ( 61 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2014, Boudjlida (C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 62 ) Siehe auch Nr. 40 einschließlich Fn. 25 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 63 ) Siehe Fn. 24 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 64 ) In der mündlichen Verhandlung hat die polnische Regierung bestätigt, dass eine Klausel, die im Register missbräuchlicher Bestimmungen eingetragen ist, weder berichtigt noch gelöscht werden kann.

    ( 65 ) Die Kommission trägt insoweit vor, die Wirkung der polnischen Regelung könne hingegen einer unwiderlegbaren Vermutung gleichkommen. Diese Beschreibung erscheint mir nicht ganz zutreffend, da Art. 47943 ZPO, indem er die rechtliche Wirkung von Entscheidungen ausdehnt, die im Rahmen der abstrakten Kontrolle ergehen, tatsächlich einem generellen Verbot der Verwendung von Klauseln, die den im Register eingetragenen Bestimmungen identisch oder gleichwertig sind, gleichkommt (und nicht nur einer Vermutung ihrer Unzulässigkeit).

    ( 66 ) Vgl. in diesem Sinne Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 6. November 2012 über die Anwendung der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (COM[2012] 635 final, Teil 3.1), in dem festgestellt wird: „Nach Ansicht verschiedener Betroffener wirkt schon allein die Möglichkeit, Unterlassungsklagen erheben zu können, in Verhandlungen mit denjenigen, die gegen die Rechtsvorschriften verstoßen, abschreckend. In manchen Fällen, wenn eine Unterlassungsklage erfolgreich ist und durch sie deutlich gemacht wird, dass eine Verhaltensweise eines Wirtschaftsteilnehmers rechtswidrig ist, neigen wiederum andere Wirtschaftsteilnehmer dazu, ähnliche Praktiken gar nicht erst in Betracht zu ziehen, selbst wenn sie an die Entscheidung nicht rechtlich gebunden sind.“

    ( 67 ) Vgl. Urteile vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 29), und vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung), in denen der Gerichtshof festgestellt hat, dass Verbandsklagen auch dann zur Verfügung stehen müssen, „wenn die Klauseln, deren Verbot beantragt wird, nicht konkret in Verträgen verwendet worden sind“.

    ( 68 ) Vgl. entsprechend Nr. 56 der Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in den verbundenen Rechtssachen Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:15).

    ( 69 ) Vgl. Urteil vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 37).

    ( 70 ) Vgl. Urteil vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 30). Während Verbandsklagen unabhängig von einzelnen konkreten Streitigkeiten sind, hat der Verbraucher im Rahmen einer Individualklage das Recht „auf Berücksichtigung aller seinen Fall kennzeichnenden Umstände“ (Urteil vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba, C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 40).

    ( 71 ) Vgl. in diesem Sinne Nrn. 56 und 72 der Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in den verbundenen Rechtssachen Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:15), wo in Nr. 56 ausgeführt wird, dass „Verbandsklagen auf Unterlassung … nicht an die Stelle der Individualklagen treten oder diese behindern können“, und in Nr. 72 dargelegt wird, dass „sich eine in einem kollektiven Verfahren ergangene Entscheidung nicht unmittelbar auf einen Verbraucher auswirken [dürfte], der beschließt, individuell zu klagen, selbst wenn das mit der Individualklage angerufene Gericht dies selbstverständlich berücksichtigen wird“.

    ( 72 ) Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, scheint es in den anderen Mitgliedstaaten keine Regelung zu geben, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende vorsieht, dass gerichtliche Entscheidungen, mit denen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel festgestellt wird, erga omnes wirken. Vgl. auch EG-Verbraucherrechtskompendium, eine vergleichende Analyse des EU-Verbraucherrechts, die zwischen 2008 und 2012 von einer internationalen Wissenschaftlergruppe für die Kommission erstellt wurde (http://www.eu-consumer-law.org/index_de.pdf). Aus dem von M. Ebers verfassten Teil 2 C betreffend die Umsetzung der Richtlinie 93/13 in nationales Recht geht unter VI. 3. c hervor, dass gerichtliche oder administrative Entscheidungen, die im Rahmen eines Kollektivverfahrens ergehen, in der überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedstaaten grundsätzlich nur gegenüber demjenigen Unternehmer bindend sind, der auch Partei des zugrunde liegenden Verfahrens ist. Siehe auch Fn. 84.

    ( 73 ) Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission vom 24. Juli 1990 enthielt keine Vorschrift, die Art. 7 Abs. 3 der verabschiedeten Richtlinie 93/13 entsprach (KOM[90] 322 endg.). Der Absatz wurde in den geänderten Vorschlag der Kommission vom 4. März 1992 eingefügt, in dem es in Art. 8 Abs. 3 hieß: „Die im vorstehenden Absatz erwähnten Maßnahmen können sich gleichzeitig gegen mehrere Personen richten, die gleiche allgemeine Vertragsklauseln oder identische Klauseln verwenden, zu verwenden beabsichtigen oder deren Verwendung empfehlen; die von den zuständigen Behörden getroffene Entscheidung ist für alle Personen verbindlich.“ (Hervorhebung nur hier) (KOM[92] 66 endg.). Im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Formulierung des Absatzes dahin gehend geändert, dass sich keinerlei Hinweis mehr auf eine Absicht des Unionsgesetzgebers fand, die Wirkungen von Entscheidungen nach Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 93/13 auszudehnen.

    ( 74 ) Urteil vom 26. April 2012 (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 44).

    ( 75 ) Urteil vom 26. April 2012 (C‑472/10, EU:C:2012:242).

    ( 76 ) Vgl. Urteil vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 42).

    ( 77 ) Urteil vom 26. April 2012 (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 39).

    ( 78 ) Vgl. u. a. Nr. 60 der Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Invitel (C‑472/10, EU:C:2011:806), wo es heißt: „Mit den Grundsätzen des fairen Verfahrens wäre nämlich eine Erga-omnes-Wirkung zulasten am Verfahren Unbeteiligter schwerlich vereinbar, zumal ihnen die Möglichkeit verwehrt würde, vor Verkündung eines sie betreffenden Urteils zum Vorwurf der Verwendung missbräuchlicher Klauseln im Geschäftsverkehr Stellung zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör … wäre bei einer unterschiedslosen, nicht am Verfahren Beteiligte treffenden Erga-omnes-Wirkung nicht hinreichend gewahrt und die fragliche nationale Regelung mithin nicht angemessen im Sinne von Art. 7 der Richtlinie [93/13].“

    ( 79 ) Urteil vom 26. April 2012 (C‑472/10, EU:C:2012:242).

    ( 80 ) Siehe zum Recht des Gewerbetreibenden auf Anhörung Nrn. 58 bis 71 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 81 ) Damit sind Verstöße gemeint, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, in dem sie ihren Ursprung haben, Wirkung entfalten. Vgl. u. a. Erwägungsgründe 3 bis 7 der Richtlinie 2009/22 und Grünbuch über den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt (KOM[93] 576 endg.), Kapitel III.B.2. Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2009/22 dienen die Unterlassungsklagen im Sinne von Art. 2 der Richtlinie dem Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher, die unter die Rechtsakte der Union fallen, die in Anhang I der Richtlinie, der in Nr. 5 die Richtlinie 93/13 nennt, aufgeführt sind.

    ( 82 ) In Fn. 1 von Anhang I der Richtlinie 2009/22 heißt es insoweit, dass die Richtlinie 93/13 „spezifische Bestimmungen über Unterlassungsklagen“ enthält. Siehe Nrn. 72 bis 76 der vorliegenden Schlussanträge zu Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 93/13.

    ( 83 ) Die Richtlinie 2009/22 steht im Gefolge der Richtlinie 98/27, die sich auf das Grünbuch über den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt (KOM[93] 576 endg.) stützte.

    ( 84 ) Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 6. November 2012 über die Anwendung der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (COM[2012] 635 final, Teil 5.1 Buchst. b Nr. 2), in dem zu „möglichen Änderungen am rechtlichen Rahmen“ ausgeführt wird: „Wenn eine Vertragsklausel für rechtswidrig erklärt wird, sollte die Wirkung dieser Entscheidung auf alle gleichartigen bestehenden und zukünftigen Verträge ausgedehnt werden.“ Aus Teil 4.4 des Berichts geht jedoch hervor, dass Entscheidungen in Unterlassungsklagen in der überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedstaaten eine relative Wirkung haben, d. h., sie sind nur in Bezug auf die jeweilige Rechtssache und die an ihr beteiligten Parteien verbindlich. Vgl. auch Bericht der Kommission vom 18. November 2008 über die Anwendung der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (KOM[2008] 756 endgültig, Nrn. 25 bis 27).

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