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Document 62014CJ0492

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 29. September 2016.
Essent Belgium NV gegen Vlaams Gewest u. a.
Vorabentscheidungsersuchen der Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg te Brussel.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Regionale Regelungen, die vorschreiben, dass aus erneuerbaren Energiequellen erzeugter Strom in den Netzen der betreffenden Region kostenlos zu verteilen ist – Differenzierung nach der Herkunft des grünen Stroms – Art. 28 und 30 EG – Freier Warenverkehr – Richtlinie 2001/77/EG – Art. 3 und 4 – Nationale Mechanismen zur Förderung der Erzeugung grüner Energie – Richtlinie 2003/54/EG – Art. 3 und 20 – Richtlinie 96/92/EG – Art. 3 und 16 – Elektrizitätsbinnenmarkt – Zugang zu den Verteilernetzen zu diskriminierungsfreien Tarifbedingungen – Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen – Fehlende Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache C-492/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:732

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

29. September 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Regionale Regelungen, die vorschreiben, dass aus erneuerbaren Energiequellen erzeugter Strom in den Netzen der betreffenden Region kostenlos zu verteilen ist — Differenzierung nach der Herkunft des grünen Stroms — Art. 28 und 30 EG — Freier Warenverkehr — Richtlinie 2001/77/EG — Art. 3 und 4 — Nationale Mechanismen zur Förderung der Erzeugung grüner Energie — Richtlinie 2003/54/EG — Art. 3 und 20 — Richtlinie 96/92/EG — Art. 3 und 16 — Elektrizitätsbinnenmarkt — Zugang zu den Verteilernetzen zu diskriminierungsfreien Tarifbedingungen — Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen — Fehlende Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑492/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg te Brussel (niederländischsprachiges Gericht erster Instanz Brüssel, Belgien) mit Entscheidung vom 2. September 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2014, in dem Verfahren

Essent Belgium NV

gegen

Vlaams Gewest,

Inter-Energa,

IVEG,

Infrax West,

Provinciale Brabantse Energiemaatschappij CVBA (PBE),

Vlaamse Regulator van de Elektriciteits- en Gasmarkt (VREG),

Beteiligte:

Intercommunale Maatschappij voor Energievoorziening Antwerpen (IMEA),

Intercommunale Maatschappij voor Energievoorziening in West- en Oost-Vlaanderen (IMEWO),

Intercommunale Vereniging voor Energielevering in Midden-Vlaanderen (Intergem),

Intercommunale Vereniging voor de Energiedistributie in de Kempen en het Antwerpse (IVEKA),

Iverlek,

Gaselwest CVBA,

Sibelgas CVBA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Essent Belgium NV, vertreten durch D. Haverbeke und W. Vandorpe, advocaten,

der Vlaams Gewest und dem VREG, vertreten durch S. Vernaillen, advocaat,

der Hellenischen Republik, vertreten durch S. Lekkou und V. Pelekou als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Manhaeve, G. Wilms und O. Beynet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. April 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12, 28 und 30 EG sowie von Art. 3 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. 2003, L 176, S. 37).

2

Es ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Essent Belgium NV und der Vlaams Gewest (Flämische Region, Belgien) u. a. über die außervertragliche Haftung der Flämischen Region wegen des Erlasses aufeinanderfolgender regionaler Regelungen, mit denen die kostenlose Verteilung in den Verteilernetzen dieser Region in einem ersten Schritt auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen (im Folgenden: grüner Strom), der unmittelbar von an diese Verteilernetze angeschlossenen Produktionsanlagen in diese Verteilernetze eingespeist wird, und in einem zweiten Schritt auf grünen Strom, der unmittelbar von den Produktionsanlagen in Verteilernetze des gesamten Mitgliedstaats, zu dem diese Region gehört, eingespeist wird, beschränkt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2001/77/EG

3

Die Richtlinie 2001/77/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 2001, L 283, S. 33) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2012 durch die Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77 und 2003/30/EG (ABl. 2009, L 140, S. 16) aufgehoben. In Anbetracht des im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums ist im vorliegenden Fall gleichwohl auf die Bestimmungen der Richtlinie 2001/77 abzustellen.

4

In den Erwägungsgründen 1 bis 3 und 14 der Richtlinie 2001/77 hieß es:

„(1)

Das Potenzial zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen wird in der Gemeinschaft derzeit nur unzureichend genutzt. Die Gemeinschaft hält es für erforderlich, erneuerbare Energiequellen prioritär zu fördern, da deren Nutzung zum Umweltschutz und zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt. Ferner können sich daraus auch Beschäftigungsmöglichkeiten auf lokaler Ebene ergeben, sich auf den sozialen Zusammenhalt positiv auswirken, zur Versorgungssicherheit beitragen und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Zielvorgaben von Kyoto rascher erreicht werden. Daher ist es notwendig, für eine bessere Ausschöpfung dieses Potenzials im Rahmen des Elektrizitätsbinnenmarktes zu sorgen.

(2)

Wie im Weißbuch über erneuerbare Energieträger … ausgeführt wurde, ist die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen aus Gründen der Sicherheit und Diversifizierung der Energieversorgung, des Umweltschutzes und des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts für die Gemeinschaft von hoher Priorität. …

(3)

Die zunehmende Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist ein wesentliches Element des Maßnahmenbündels, das zur Einhaltung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen benötigt wird, sowie der Maßnahmen zur Erfüllung weiterer Verpflichtungen.

(14)

Die Mitgliedstaaten praktizieren auf nationaler Ebene unterschiedliche Systeme zur Unterstützung erneuerbarer Energiequellen; hierzu zählen grüne Zertifikate, Investitionsbeihilfen, Steuerbefreiungen oder ‑erleichterungen, Steuererstattungen und direkte Preisstützungssysteme. Ein wichtiges Element zur Verwirklichung des Ziels dieser Richtlinie besteht darin, das ungestörte Funktionieren dieser Systeme zu gewährleisten, damit das Vertrauen der Investoren erhalten bleibt, bis ein Gemeinschaftsrahmen zur Anwendung gelangt ist.“

5

Art. 1 der Richtlinie 2001/77 bestimmte:

„Mit dieser Richtlinie wird bezweckt, eine Steigerung des Anteils erneuerbarer Energiequellen an der Stromerzeugung im Elektrizitätsbinnenmarkt zu fördern und eine Grundlage für einen entsprechenden künftigen Gemeinschaftsrahmen zu schaffen.“

6

Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sah vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um die Steigerung des Verbrauchs von Strom aus erneuerbaren Energiequellen entsprechend den in Absatz 2 genannten nationalen Richtzielen zu fördern. Diese Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen.

(2)   Die Mitgliedstaaten erstellen und veröffentlichen bis zum 27. Oktober 2002 und danach alle fünf Jahre einen Bericht, in dem die nationalen Richtziele für den künftigen Verbrauch von Strom aus erneuerbaren Energiequellen als Prozentsatz des Stromverbrauchs für die nächsten zehn Jahre festgelegt werden. … Zur Festlegung dieser Ziele bis zum Jahr 2010 haben die Mitgliedstaaten

die im Anhang vorgesehenen Referenzwerte zu berücksichtigen;

dafür zu sorgen, dass diese Ziele mit allen einzelstaatlichen Verpflichtungen im Rahmen der Klimaschutzverpflichtungen, die die Gemeinschaft in dem Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen eingegangen ist, vereinbar sind.“

7

Art. 4 („Förderregelungen“) der Richtlinie 2001/77 bestimmte in Abs. 1:

„Unbeschadet der Artikel 87 und 88 des [EG-]Vertrags bewertet die [Europäische] Kommission die Anwendung der in den Mitgliedstaaten genutzten Mechanismen, durch die ein Stromerzeuger aufgrund von Regelungen, die von öffentlichen Stellen erlassen worden sind, direkt oder indirekt unterstützt wird und die eine Beschränkung des Handels zur Folge haben könnten, wobei davon auszugehen ist, dass sie zur Verwirklichung der Ziele der Artikel 6 und 174 des Vertrags beitragen.“

8

Art. 7 („Netzanschluss“) dieser Richtlinie sah vor:

„(1)   Unbeschadet der Wahrung der Zuverlässigkeit und der Sicherheit des Netzes ergreifen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Betreiber der Übertragungs- und Verteilungsnetze in ihrem Hoheitsgebiet die Übertragung und Verteilung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewährleisten. Sie können außerdem einen vorrangigen Netzzugang für Strom aus erneuerbaren Energiequellen vorsehen. Bei der Behandlung der Erzeugungsanlagen gewähren die Betreiber der Übertragungsnetze Erzeugungsanlagen Vorrang, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, soweit es der Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems zulässt.

(2)   Die Mitgliedstaaten führen einen Rechtsrahmen ein oder verlangen von den Betreibern der Übertragungs- und Verteilungsnetze die Aufstellung und Veröffentlichung ihrer einheitlichen Grundregeln für die Anlastung der Kosten technischer Anpassungen wie Netzanschlüsse und Netzverstärkungen, die zur Einbindung neuer Erzeuger, die Strom aus erneuerbaren Energiequellen in das Verbundnetz einspeisen, notwendig sind.

(3)   Die Mitgliedstaaten können gegebenenfalls von den Betreibern der Übertragungs- und Verteilungsnetze verlangen, die in Absatz 2 genannten Kosten vollständig oder teilweise zu übernehmen.

(6)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Strom aus erneuerbaren Energiequellen – darunter insbesondere Strom aus erneuerbaren Energiequellen, der in Randgebieten erzeugt wird, beispielsweise Inselregionen und Gebieten mit niedriger Bevölkerungsdichte – bei der Anlastung der Übertragungs- und Verteilungsgebühren nicht benachteiligt wird.

Die Mitgliedstaaten schaffen gegebenenfalls eine rechtliche Grundlage oder verlangen von den Betreibern der Übertragungs- und Verteilungsnetze, dafür zu sorgen, dass die für die Übertragung und Verteilung von Strom aus Anlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, erhobenen Entgelte den zu erreichenden Kostenvorteilen aus dem Anschluss der Anlage an das Netz Rechnung tragen. Solche Kostenvorteile könnten sich aus der direkten Nutzung des Niederspannungsnetzes ergeben.

…“

Richtlinie 96/92/EG

9

Die Erwägungsgründe 3, 15 und 19 der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20) lauteten:

„(3)

Die uneingeschränkte Anwendung der Bestimmungen des Vertrags, insbesondere der Bestimmungen über den Binnenmarkt und den Wettbewerb, wird durch diese Richtlinie nicht berührt.

(15)

Der Vertrag enthält besondere Vorschriften über die Beschränkungen des freien Warenverkehrs und des Wettbewerbs.

(19)

Die Mitgliedstaaten müssen deshalb, wenn sie den Unternehmen des Elektrizitätssektors gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen, die einschlägigen Vertragsbestimmungen in der Auslegung durch den Gerichtshof einhalten.“

10

Art. 1 dieser Richtlinie sah vor:

„Mit dieser Richtlinie werden gemeinsame Vorschriften für die Elektrizitätserzeugung, ‑übertragung und ‑verteilung erlassen. Sie regelt ferner die Organisation und Funktionsweise des Elektrizitätssektors, den Marktzugang, die Kriterien und Verfahren für die Ausschreibungen und die Vergabe von Genehmigungen sowie den Betrieb der Netze.“

11

Art. 2 der Richtlinie 96/92 bestimmte:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

6.

‚Verteilung‘ den Transport von Elektrizität mit mittlerer oder niedriger Spannung über Verteilernetze zum Zwecke der Stromversorgung von Kunden;

15.

‚Netzbenutzer‘ jede natürliche oder juristische Person, die Elektrizität in ein Übertragungs- oder Verteilernetz einspeist oder daraus versorgt wird;

…“

12

Art. 3 der Richtlinie 96/92 sah vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten tragen entsprechend ihrem institutionellen Aufbau unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips dafür Sorge, dass Elektrizitätsunternehmen unbeschadet des Absatzes 2 nach den in dieser Richtlinie festgelegten Grundsätzen und im Hinblick auf die Errichtung eines wettbewerbsorientierten Elektrizitätsmarkts betrieben werden und dass hinsichtlich der Rechte und Pflichten allen Unternehmen die gleiche Behandlung zuteilwird. …

(2)   Die Mitgliedstaaten können bei uneingeschränkter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags, insbesondere des Artikels 90, den Elektrizitätsunternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Allgemeininteresse auferlegen, die sich auf die Sicherheit, einschließlich der Versorgungssicherheit, die Regelmäßigkeit, die Qualität und den Preis der Lieferungen sowie auf den Umweltschutz beziehen können. Diese Verpflichtungen müssen klar definiert, transparent, nichtdiskriminierend und überprüfbar sein; …

(3)   Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Regelungen der Artikel 5, 6, 17, 18 und 21 nicht anzuwenden, sowie ihre Anwendung die Erfüllung der den Elektrizitätsunternehmen übertragenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen de jure oder de facto verhindern würde und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das den Interessen der Gemeinschaft zuwiderläuft. Zu den Interessen der Gemeinschaft gehört insbesondere der Wettbewerb um zugelassene Kunden in Übereinstimmung mit dieser Richtlinie und mit Artikel 90 des Vertrags.“

13

Art. 11 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 96/92 bestimmte:

„(2)   [Der Betreiber des Verteilernetzes] enthält sich auf jeden Fall jeglicher Diskriminierung gegenüber den Netzbesuchern oder den Kategorien von Netzbesuchern, insbesondere zugunsten seiner Tochterunternehmen oder Aktionäre.

(3)   Ein Mitgliedstaat kann dem Betreiber des Verteilernetzes zur Auflage machen, dass er bei der Inanspruchnahme von Erzeugungsanlagen solchen den Vorrang gibt, in denen erneuerbare Energieträger oder Abfälle eingesetzt werden oder die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten.“

14

Art. 16 dieser Richtlinie lautete:

„Hinsichtlich des Netzzugangs können die Mitgliedstaaten zwischen den in Artikel 17 und/oder den in Artikel 18 genannten Systemen wählen. Diese beiden Systeme werden nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien gehandhabt.“

Richtlinie 2003/54

15

Die Richtlinie 2003/54 wurde mit Wirkung vom 3. März 2011 durch die Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 2009, L 211, S. 55) aufgehoben.

16

In den Erwägungsgründen 2, 4, 6, 7, 13, 15 und 17 der Richtlinie 2003/54 hieß es:

„(2)

Die bei der Durchführung [der Richtlinie 96/92] gewonnenen Erfahrungen zeugen von dem Nutzen, der sich aus dem Elektrizitätsbinnenmarkt ergeben kann, in Form von Effizienzsteigerungen, Preissenkungen, einer höheren Dienstleistungsqualität und einer größeren Wettbewerbsfähigkeit. Nach wie vor bestehen jedoch schwerwiegende Mängel und weit reichende Möglichkeiten zur Verbesserung der Funktionsweise der Märkte, insbesondere sind konkrete Maßnahmen erforderlich, um gleiche Ausgangsbedingungen bei der Elektrizitätserzeugung sicherzustellen und die Gefahr einer Marktbeherrschung und von Verdrängungspraktiken zu verringern, durch Sicherstellung nichtdiskriminierender Übertragungs- und Verteilungstarife durch einen Netzzugang auf der Grundlage von Tarifen, die vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht werden …

(4)

Die Freiheiten, die der Vertrag den europäischen Bürgern garantiert (freier Waren- und Dienstleistungsverkehr und Niederlassungsfreiheit), sind nur in einem vollständig geöffneten Markt möglich, der allen Verbrauchern die freie Wahl ihrer Lieferanten und allen Anbietern die freie Belieferung ihrer Kunden gestattet.

(6)

Ein funktionierender Wettbewerb setzt voraus, dass der Netzzugang nichtdiskriminierend, transparent und zu angemessenen Preisen gewährleistet ist.

(7)

Zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarkts ist ein nichtdiskriminierender Zugang zum Netz des Übertragungs- oder des Verteilernetzbetreibers von größter Bedeutung. …

(13)

Es sollten weitere Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Tarife für den Netzzugang transparent und nichtdiskriminierend sind. Diese Tarife sollten unterschiedslos für alle Netzbenutzer gelten.

(15)

Der wirksamen Regulierung durch eine oder mehrere nationale Regulierungsbehörden kommt eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung eines nichtdiskriminierenden Netzzugangs zu. … Diese Regulierungsbehörden sollten befugt sein, die Tarife oder wenigstens die Methoden zur Berechnung der Tarife für die Übertragung und Verteilung festzulegen oder zu genehmigen. Um Unsicherheiten und kosten- und zeitaufwändige Streitigkeiten zu vermeiden, sollten diese Tarife veröffentlicht werden, bevor sie Gültigkeit erlangen.

(17)

Zur Sicherstellung eines effektiven Marktzugangs für alle Marktteilnehmer, einschließlich neuer Marktteilnehmer, bedarf es nichtdiskriminierender, kostenorientierter Ausgleichsmechanismen. …“

17

Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2003/54 bestimmte:

„Mit dieser Richtlinie werden gemeinsame Vorschriften für die Elektrizitätserzeugung, ‑übertragung, ‑verteilung und ‑versorgung erlassen. Sie regelt die Organisation und Funktionsweise des Elektrizitätssektors, den Marktzugang, die Kriterien und Verfahren für die Ausschreibungen und die Vergabe von Genehmigungen sowie den Betrieb der Netze.“

18

Art. 2 der Richtlinie 2003/54 sah vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

5)

‚Verteilung‘ den Transport von Elektrizität mit hoher, mittlerer oder niedriger Spannung über Verteilernetze zum Zwecke der Belieferung von Kunden, jedoch mit Ausnahme der Versorgung;

18)

‚Netzbenutzer‘ natürliche oder juristische Personen, die Elektrizität in ein Übertragungs- oder Verteilernetz einspeisen oder daraus versorgt werden;

…“

19

Art. 3 („Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden“) dieser Richtlinie sah vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten tragen entsprechend ihrem institutionellen Aufbau und unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips dafür Sorge, dass Elektrizitätsunternehmen unbeschadet des Absatzes 2 nach den in dieser Richtlinie festgelegten Grundsätzen und im Hinblick auf die Errichtung eines wettbewerbsorientierten, sicheren und unter ökologischen Aspekten nachhaltigen Elektrizitätsmarkts betrieben werden und dass diese Unternehmen hinsichtlich der Rechte und Pflichten nicht diskriminiert werden.

(2)   Die Mitgliedstaaten können unter uneingeschränkter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags, insbesondere des Artikels 86, den Elektrizitätsunternehmen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse Verpflichtungen auferlegen, die sich auf Sicherheit, einschließlich Versorgungssicherheit, Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Versorgung[,] sowie Umweltschutz, einschließlich Energieeffizienz und Klimaschutz, beziehen können. Solche Verpflichtungen müssen klar festgelegt, transparent, nichtdiskriminierend und überprüfbar sein und den gleichberechtigten Zugang von Elektrizitätsunternehmen in der Europäischen Union zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen. …

(4)   Wenn ein Mitgliedstaat für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Absätzen 2 und 3 einen finanziellen Ausgleich, andere Arten von Gegenleistungen oder Alleinrechte gewährt, muss dies auf nichtdiskriminierende, transparente Weise geschehen.

(8)   Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Artikel 6, 7, 20 und 22 nicht anzuwenden, soweit ihre Anwendung die Erfüllung der den Elektrizitätsunternehmen übertragenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen de jure oder de facto verhindern würde und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das den Interessen der Gemeinschaft zuwiderläuft. Im Interesse der Gemeinschaft liegt insbesondere der Wettbewerb um zugelassene Kunden in Übereinstimmung mit dieser Richtlinie und Artikel 86 des Vertrags.

…“

20

Art. 14 der Richtlinie 2003/54 sah vor:

„…

(2)   Der Verteilernetzbetreiber hat sich jeglicher Diskriminierung von Netzbenutzern oder Kategorien von Netzbenutzern, insbesondere zugunsten der mit ihm verbundenen Unternehmen, zu enthalten.

(4)   Ein Mitgliedstaat kann dem Verteilernetzbetreiber zur Auflage machen, dass er bei der Inanspruchnahme von Erzeugungsanlagen solchen den Vorrang gibt, in denen erneuerbare Energieträger oder Abfälle eingesetzt werden oder die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten.

…“

21

Art. 20 Abs. 1 dieser Richtlinie lautete:

„Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Einführung eines Systems für den Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilernetzen auf der Grundlage veröffentlichter Tarife; die Zugangsregelung gilt für alle zugelassenen Kunden und wird nach objektiven Kriterien und ohne Diskriminierung zwischen den Netzbenutzern angewandt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung vor deren Inkrafttreten gemäß Artikel 23 genehmigt werden und dass die Tarife und – soweit nur die Methoden einer Genehmigung unterliegen – die Methoden vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht werden.“

22

Art. 23 der Richtlinie 2003/54 bestimmte:

„…

(2)   Den Regulierungsbehörden obliegt es, zumindest die Methoden zur Berechnung oder Festlegung folgender Bedingungen vor deren Inkrafttreten festzulegen oder zu genehmigen:

a)

die Bedingungen für den Anschluss an und den Zugang zu den nationalen Netzen, einschließlich der Tarife für die Übertragung und die Verteilung. …

(4)   Die Regulierungsbehörden sind befugt, falls erforderlich von den Betreibern der Übertragungs- und Verteilernetze zu verlangen, die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Bedingungen, Tarife, Regeln, Mechanismen und Methoden zu ändern, um sicherzustellen, dass diese angemessen sind und nichtdiskriminierend angewendet werden.

…“

Flämische Rechtsvorschriften

Elektrizitätsdekret

23

Art. 2 des Vlaams decreet houdende de organisatie van de elektriciteitsmarkt (flämisches Dekret über die Organisation des Elektrizitätsmarkts) vom 17. Juli 2000 (Belgisch Staatsblad, 22. September 2000, S. 32166, im Folgenden: Elektrizitätsdekret) lautet:

„Im Sinne dieses Dekrets bezeichnet

1.

‚Verteilung‘ den Transport von Elektrizität über Verteilernetze zum Zweck der Belieferung von Kunden;

2.

‚Verteilernetz‘ die Gesamtheit der Verbindungen mit einer Nominalspannung gleich oder kleiner als 70 kV innerhalb eines geografisch abgegrenzten Gebiets und die damit verbundenen Trafostationen, Schaltstellen, Umspann- und Unterwerke sowie andere Hilfsmittel, die für die Verteilung von Elektrizität auf regionaler oder lokaler Ebene erforderlich sind;

…“

24

Art. 15 in Kapitel III („Zugang zum Verteilernetz“) des Elektrizitätsdekrets sah vor:

„Der Netzbetreiber führt alle für die Verteilung von grünem Strom erforderlichen Aufgaben mit Ausnahme des Anschlusses an das Verteilernetz kostenlos aus.

Die Flämische Regierung kann die Regelung in Absatz 1 beschränken.“

25

Art. 15 des Elektrizitätsdekrets wurde durch Art. 61 des Vlaams decreet houdende bepalingen tot begeleiding van de begroting 2005 (Flämisches Dekret mit verschiedenen Begleitmaßnahmen zum Haushalt 2005) vom 24. Dezember 2004 (Belgisch Staatsblad, 31. Dezember 2004, S. 87220) aufgehoben.

Erlässe zur Förderung der Erzeugung von grünem Strom

26

In seiner ursprünglichen Fassung bestimmte Art. 14 des Besluit van de Vlaamse regering inzake de bevordering van elektriciteitsopwekking uit hernieuwbare energiebronnen (Erlass der Flämischen Regierung über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen) vom 28. September 2001 (Belgisch Staatsblad, 23. Oktober 2001, S. 36778):

„Jeder Lieferant meldet den betreffenden Netzbetreibern monatlich je Abnehmer und Netztarifzeitraum die über sein Verteilernetz beförderte Menge Elektrizität aus den in der Liste in Art. 8 § 1 aufgeführten erneuerbaren Energiequellen.

Der Netzbetreiber führt die in Art. 15 des Elektrizitätsdekrets genannten Aufgaben auf der Grundlage der im vorigen Absatz angeordneten Meldung kostenlos aus.

Für Elektrizität, die nicht in der Flämischen Region erzeugt wird, legt die für die Ausstellung von Grünstromzertifikaten für den betreffenden Erzeugungsort zuständige Stelle der Regulierungsbehörde eine Bescheinigung vor, die garantiert, dass diese Elektrizität aus einer in der Liste in Art. 8 § 1 aufgeführten erneuerbaren Energiequelle erzeugt wurde und für einen Endabnehmer in Flandern bestimmt ist.

…“

27

In der neuen, am 30. April 2003 in Kraft getretenen Fassung nach Art. 2 des Besluit van de Vlaamse regering tot wijziging van het besluit van de Vlaamse regering van 28 september 2001 (Erlass der flämischen Regierung zur Änderung des Erlasses der flämischen Regierung vom 28. September 2001) vom 4. April 2003 (Belgisch Staatsblad, 30. April 2003, S. 23334, im Folgenden: Erlass vom 4. April 2003) sah dieser Art. 14 vor:

„§ 1.   Gemäß Art. 15 Abs. 2 des Elektrizitätsdekrets wird die kostenlose Verteilung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 dieses Dekrets auf die Einspeisung von Elektrizität beschränkt, die von den an die Verteilernetze in der Flämischen Region angeschlossenen Produktionsanlagen erzeugt worden ist.

§ 2.   Ein Lieferant von aus in Art. 8 genannten erneuerbaren Energiequellen erzeugter Elektrizität weist auf der Zwischenrechnung und der Endabrechnung des Endabnehmers dieser Elektrizität keine Kosten für deren Verteilung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 aus.

…“

28

Auf eine Klage von Essent Belgium auf Nichtigerklärung von Art. 2 des Erlasses vom 4. April 2003 setzte der Raad van State (Staatsrat, Belgien) durch Entscheidung vom 12. Januar 2004 die Durchführung dieser Bestimmung aus.

29

Der Erlass der Flämischen Regierung vom 28. September 2001 über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen wurde durch den Besluit van de Vlaamse regering inzake de bevordering van elektriciteitsopwekking uit hernieuwbare energiebronnen (Erlass der Flämischen Regierung über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen) vom 5. März 2004 (Belgisch Staatsblad, 23. März 2004, S. 16296, im Folgenden: Erlass vom 5. März 2004) aufgehoben und ersetzt.

30

Art. 18 des Erlasses vom 5. März 2004 bestimmte:

„§ 1.   Gemäß Art. 15 Abs. 2 des Elektrizitätsdekrets wird die kostenlose Verteilung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 dieses Dekrets auf die Elektrizität beschränkt, die an Endabnehmer geliefert wird, die an ein Verteilernetz in der Flämischen Region angeschlossen sind, und aus einer erneuerbaren Energiequelle im Sinne von Art. 15 in einer Produktionsanlage erzeugt worden ist, die ihre Elektrizität unmittelbar in ein Verteilernetz in Belgien einspeist.

§ 2.   Ein Lieferant von Elektrizität im Sinne von § 1 weist auf der Endabrechnung des Endabnehmers dieser Elektrizität keine Kosten für deren Verteilung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 des Elektrizitätsdekrets aus.

…“

31

Auf eine Klage von Essent Belgium auf Nichtigerklärung von Art. 18 des Erlasses vom 5. März 2004 setzte der Raad van State (Staatsrat) durch Entscheidung vom 23. Dezember 2004 die Durchführung dieser Bestimmung aus.

32

Im Anschluss an die Aufhebung von Art. 15 des Elektrizitätsdekrets durch das Dekret vom 24. Dezember 2004 mit verschiedenen Begleitmaßnahmen zum Haushalt 2005 wurde Art. 18 des Erlasses vom 5. März 2004 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 durch den Besluit van de Vlaamse regering (Erlass der Flämischen Regierung) vom 25. März 2005 (Belgisch Staatsblad, 27. Mai 2005, S. 24763) aufgehoben.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

33

Essent Belgium liefert an Unternehmens- und Privatkunden in Flandern Strom, den sie – hauptsächlich aus den Niederlanden – einführt und bei dem es sich nach ihren Angaben um grünen Strom handelt.

34

Da Essent Belgium ihrer Ansicht nach dadurch einen Schaden erlitten hat, dass der aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführte grüne Strom nach den durch den Erlass vom 4. April 2003 und den Erlass vom 5. März 2004 (im Folgenden: im Ausgangsverfahren streitige regionale Regelungen) nacheinander erfolgten Rechtsänderungen von dem System der kostenlosen Verteilung im Verteilernetz in Flandern, von dem sie ursprünglich profitiert hatte, ausgeschlossen wurde, erhob sie bei der Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg te Brussel (niederländischsprachiges Gericht erster Instanz Brüssel, Belgien) zwei Klagen, mit denen sie im Wesentlichen die Verurteilung der Flämischen Region beantragt, 15958252 Euro als Ersatz dieses Schadens an sie zu zahlen.

35

Essent Belgium verkündete zudem dem Vlaamse Regulator van de Elektriciteits- en Gasmarkt (VREG) (Flämische Regulierungsbehörde für den Elektrizitäts- und Gasmarkt), der für die Entscheidung über die Verteilungstarife zuständigen Stelle, sowie mehreren Verteilernetzbetreibern, die von ihr die Zahlung der Verteilungskosten gefordert hatten, den Streit.

36

Zur Stützung dieser Klagen machte Essent Belgium u. a. geltend, dass die Flämische Region durch den Erlass der im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen gegen Unionsrecht, insbesondere gegen die Art. 18 und 34 AEUV sowie gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 96/92, verstoßen habe.

37

Vor diesem Hintergrund hat die Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg te Brussel (niederländischsprachiges Gericht erster Instanz Brüssel) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit

38

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht u. a. wissen, ob Art. 3 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2003/54 dahin auszulegen sind, dass sie Regelungen wie den im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen entgegenstehen.

39

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs das Vorabentscheidungsersuchen eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang enthalten muss, den es zwischen dieser Vorschrift und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt.

40

Im vorliegenden Fall sind in der Vorlageentscheidung jedoch die Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2003/54 hat, nicht erläutert. Außerdem lässt sich auch der in der Vorlageentscheidung enthaltenen Schilderung des innerstaatlichen tatsächlichen und rechtlichen Rahmens nicht entnehmen, wie sich diese Bestimmung des Unionsrechts auf den Ausgangsrechtsstreit auswirken könnte.

41

Gewährt ein Mitgliedstaat für die Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung einen finanziellen Ausgleich, andere Arten von Gegenleistungen oder Alleinrechte, muss dies nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2003/54 auf nicht diskriminierende, transparente Weise geschehen. Das vorlegende Gericht hat jedoch keinerlei Gegenleistungen oder Alleinrechte angeführt, die den Verteilern von Elektrizität durch die im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen zum Ausgleich der ihnen auferlegten Verpflichtung zur kostenlosen Verteilung von grünem Strom gewährt würden. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich auch nicht, dass es im Ausgangsrechtsstreit um derartige Gegenleistungen oder Alleinrechte ginge.

42

Daher ist die dritte Frage unzulässig, soweit sie die Auslegung von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2003/54 betrifft.

Zur Begründetheit

Einleitende Erwägungen

43

Der Umstand, dass ein einzelstaatliches Gericht sein Vorabentscheidungsersuchen seiner Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, hindert den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. u. a. Urteil vom 27. Oktober 2009, ČEZ, C‑115/08, EU:C:2009:660, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass Essent Belgium mit ihren Klagen im Ausgangsverfahren im Wesentlichen Ersatz des Schadens verlangt, der ihr dadurch entstanden sein soll, dass sie für die Verteilung von aus einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Belgien eingeführtem grünen Strom in Flandern nicht mehr in den Vorteil des Systems der kostenlosen Verteilung von grünem Strom gelangen konnte, das den in dieser Region ansässigen Verteilernetzbetreibern durch die regionale flämische Regelung vorgeschrieben worden war. Essent Belgium macht geltend, sie sei zum einen im Zeitraum zwischen dem 30. April 2003, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Erlasses vom 4. April 2003, und dem 12. Januar 2004, dem Zeitpunkt, zu dem dieser Erlass vom Raad van State (Staatsrat) ausgesetzt wurde, und zum anderen im Zeitraum zwischen dem 23. März 2004, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Erlasses vom 5. März 2004, und dem 31. Dezember 2004, dem Zeitpunkt, zu dem Art. 15 des Elektrizitätsdekrets aufgehoben wurde, von dem Vorteil dieses Systems ausgeschlossen gewesen.

45

In Anbetracht des in der Weise beschriebenen Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits und seines zeitlichen Rahmens ist für die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts bezüglich des Sekundärrechts der Union nicht auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 abzustellen, sondern auf andere Bestimmungen dieser Richtlinie sowie auf Bestimmungen der Richtlinien 96/92 und 2001/77.

46

Was erstens die Richtlinien 96/92 und 2003/54 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt betrifft, geht zum einen aus den Art. 29 bis 31 der Richtlinie 2003/54 hervor, dass diese Richtlinie erst am 4. August 2003 in Kraft trat und spätestens bis zum 1. Juli 2004, dem Zeitpunkt der Aufhebung der Richtlinie 96/92, umzusetzen war und dass daher auf einen Teil des im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums in zeitlicher Hinsicht die Richtlinie 96/92, auf die die Flämische Region und der VREG in ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof u. a. verwiesen haben und deren Verletzung Essent zur Stützung ihrer Klage im Ausgangsverfahren u. a. geltend gemacht hat, anwendbar ist.

47

Zum anderen ist in Anbetracht des in Rn. 44 des vorliegenden Urteils bezeichneten Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits in sachlicher Hinsicht darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht in seiner dritten Frage zwar auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 Bezug nimmt, der ausschließt, dass Elektrizitätsunternehmen hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten diskriminiert werden, diese Richtlinie aber mit Art. 20 Abs. 1 eine Bestimmung enthält, die sich spezifischer auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten bezieht, dafür zu sorgen, dass der Zugang zu den Verteilernetzen und die – insbesondere tariflichen – Bedingungen dieses Zugangs ohne Diskriminierung gewährleistet werden. Daher ist im Kontext der vorliegenden Rechtssache auf die letztgenannte Bestimmung abzustellen.

48

Im Rahmen der Richtlinie 96/92 ist aus ähnlichen Gründen nicht auf Art. 3 Abs. 1 abzustellen, dessen Inhalt im Wesentlichen dem von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 entspricht, sondern auf Art. 16, der ebenfalls die diskriminierungsfreien Bedingungen des Zugangs zu den Verteilernetzen betrifft.

49

Außerdem ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Betreiber von Verteilernetzen in Flandern nach den im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen verpflichtet sind, den direkt in diese Verteilernetze oder in Verteilernetze in Belgien eingespeisten grünen Strom kostenlos zu verteilen, auch Art. 3 Abs. 2 und 8 der Richtlinie 2003/54 heranzuziehen, der die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen insbesondere in Bezug auf Umweltschutz einschließlich Klimaschutz betrifft, die die Mitgliedstaaten den Unternehmen des Elektrizitätssektors auferlegen können. Das Gleiche gilt für die entsprechenden Bestimmungen in Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 96/92.

50

Zweitens sind in Anbetracht des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits, auf den in Rn. 44 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, im Hinblick auf die mit den im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen verfolgten Ziele der Förderung der Erzeugung von grünem Strom die Art. 3, 4 und 7 der Richtlinie 2001/77 zu berücksichtigen, die gerade bezwecken, eine Erhöhung dieser Erzeugung auf dem Elektrizitätsbinnenmarkt zu fördern.

51

Nach alledem ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob die Art. 12, 28 und 30 EG, Art. 3 Abs. 2 und 8 sowie Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54, Art. 3 Abs. 2 und 3 sowie Art. 16 der Richtlinie 96/92 sowie die Art. 3, 4 und 7 der Richtlinie 2001/77 dahin auszulegen sind, dass sie Regelungen wie den im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen entgegenstehen, die ein System der kostenlosen Verteilung von grünem Strom in den Verteilernetzen der betreffenden Region vorschreiben und dieses System nach der ersten Regelung nur grünem Strom zugutekommt, der direkt von Produktionsanlagen in diese Verteilernetze eingespeist wird, und nach der zweiten Regelung nur grünem Strom, der von solchen Anlagen direkt in Verteilernetze in dem Mitgliedstaat, zu dem die betreffende Region gehört, eingespeist wird, und damit aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten grünen Strom von diesem Vorteil ausschließen.

Zur Richtlinie 2001/77

52

Da die im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen bezwecken, durch die Einführung eines Systems der kostenlosen Verteilung von grünem Strom die Erzeugung dieses Stroms zu fördern, sind sie vor allem unter dem Blickwinkel der Bestimmungen der Richtlinie 2001/77 zu betrachten.

53

Wie sich aus den Art. 1, 3, 4 und 7 dieser Richtlinie ergibt, bezweckt diese nämlich, eine Steigerung des Anteils erneuerbarer Energiequellen an der Stromerzeugung im Elektrizitätsbinnenmarkt zu fördern, und sie enthält hierzu Bestimmungen, die die nationalen Mechanismen zur Förderung der Erzeugung von grünem Strom und die Bedingungen für den Zugang dieses Stroms zu den Verteilernetzen betreffen.

54

Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass sich nach den Erwägungsgründen 1 bis 3 der Richtlinie 2001/77 eine solche Förderung erneuerbarer Energiequellen, die für die Union von hoher Priorität ist, u. a. damit rechtfertigt, dass die Nutzung dieser Energiequellen zum Umweltschutz und zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt und dass sie zur Sicherheit und Diversifizierung der Energieversorgung beitragen und die Erreichung der Zielvorgaben des Kyoto-Protokolls beschleunigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2013, IBV & Cie, C‑195/12, EU:C:2013:598, Rn. 56).

55

Wie aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/77 hervorgeht, war der Unionsgesetzgeber bei Erlass dieser Richtlinie der Auffassung, dass ein wichtiges Element zur Verwirklichung des Ziels dieser Richtlinie darin bestehe, das ungestörte Funktionieren der von den Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene angewandten unterschiedlichen Systeme zur Unterstützung erneuerbarer Energiequellen zu gewährleisten, damit das Vertrauen der Investoren erhalten bleibe, bis ein Gemeinschaftsrahmen zur Anwendung gelangt sei.

56

Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/77 können diese Mechanismen zur Verwirklichung der Ziele von Art. 6 EG und Art. 174 Abs. 1 EG beitragen, wobei die Ziele der Umweltpolitik der Union in der letztgenannten Bestimmung aufgeführt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2013, IBV & Cie, C‑195/12, EU:C:2013:598, Rn. 59 und 60).

57

In dieser Bestimmung genannt werden die Erhaltung und der Schutz der Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität, der Schutz der menschlichen Gesundheit, die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen und die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme (Urteil vom 26. September 2013, IBV & Cie, C‑195/12, EU:C:2013:598, Rn. 60).

58

Was zweitens die mögliche Form der Mechanismen zur Förderung erneuerbarer Energiequellen auf nationaler Ebene betrifft, beschränkt sich der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/77 darauf, die verschiedenen Arten von Maßnahmen aufzuführen, deren sich die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang im Allgemeinen bedienen, nämlich grüne Zertifikate, Investitionsbeihilfen, Steuerbefreiungen oder -erleichterungen, Steuererstattungen und direkte Preisstützungssysteme (Urteil vom 26. November 2014, Green Network, C‑66/13, EU:C:2014:2399, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/77 ist lediglich zu entnehmen, dass mit den nationalen Fördermechanismen, zu deren Einführung der Unionsgesetzgeber somit ermutigt, bezweckt wird, die Erzeuger von grünem Strom direkt oder indirekt zu unterstützen.

60

Daraus folgt u. a., dass die Richtlinie 2001/77 den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen beim Erlass und bei der Durchführung von Förderregelungen zugunsten von Erzeugern von grünem Strom einräumt (Urteil vom 26. November 2014, Green Network, C‑66/13, EU:C:2014:2399, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Im vorliegenden Fall stellt die nach den im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen vorgesehene Unentgeltlichkeit der Verteilung weder einen Vorteil noch eine Unterstützung dar, die den Erzeugern von grünem Strom direkt gewährt wird, da sie in erster Linie den Lieferanten und damit prinzipiell den Verbrauchern zugutekommt. Lediglich indirekt könnte sich aus einem kostenlosen Zugang zu den Verteilernetzen auch eine Förderung für die Erzeuger von grünem Strom ergeben und dieser kostenlose Zugang insoweit in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/77 fallen.

62

In diesem Zusammenhang ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass aus Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/77 hervorgeht, dass die nationalen Fördermechanismen zugunsten von Stromerzeugern im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2001/77, die insbesondere dazu beitragen sollen, dass die Mitgliedstaaten die jeweiligen, ihnen nach Art. 3 gesetzten nationalen Richtziele erreichen, grundsätzlich zu einer Stärkung der inländischen Grünstromerzeugung führen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 2014, Green Network, C‑66/13, EU:C:2014:2399, Rn. 56 und 57 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

63

Im Übrigen müssen diese Mechanismen, wie sich aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/77 ergibt, wie alle anderen Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten zur Verfolgung der genannten nationalen Richtziele erlassen werden, in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen.

64

Außerdem müssen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die nationalen Regelungen zur Förderung der Erzeugung von grünem Strom im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2001/77 den Anforderungen genügen, die sich aus den Art. 28 und 30 EG ergeben (vgl. hierzu u. a. Urteil vom 11. September 2014, Essent Belgium, C‑204/12 bis C‑208/12, EU:C:2014:2192).

65

Daher ist, insbesondere weil die Beurteilung der im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen anhand dieser Bestimmungen des Vertrags, auf die an späterer Stelle im vorliegenden Urteil eingegangen wird, gegebenenfalls eine Prüfung dieser Regelungen am Maßstab des in Rn. 63 des vorliegenden Urteils bereits genannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert, ist die Prüfung der Anforderungen die sich aus diesem Grundsatz ergeben können, zurückzustellen.

66

Drittens ist zu den Bestimmungen von Art. 7 der Richtlinie 2001/77, der verschiedene Fragen zum Netzanschluss betrifft, zum einen darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Flämischen Region und dem VREG in ihren Erklärungen Art. 7 Abs. 3 und Abs. 6 Unterabs. 2 nicht geeignet sind, Maßnahmen zu rechtfertigen, die – wie die im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen – eine selektive Unentgeltlichkeit der Verteilung vorsehen.

67

In Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/77 geht es nämlich nicht um die Kosten der Verteilung, sondern vielmehr um die Kosten technischer Anpassungen wie Netzanschlüsse und Netzverstärkungen, die zur Einbindung neuer Erzeuger von grünem Strom notwendig sind. Art. 7 Abs. 6 Unterabs. 2 sieht lediglich vor, dass bei der Festlegung der Entgelte für die Verteilung von grünem Strom den zu erreichenden Kostenvorteilen aus dem Anschluss von Anlagen, die erneuerbare Energiequellen einsetzen, an das Netz Rechnung zu tragen ist. Indessen ist weder belegt noch auch nur vorgetragen worden, dass dies der Zweck der im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen sei, die schlicht und einfach die Unentgeltlichkeit der Verteilung von grünem Strom vorsehen, um seine vermehrte Erzeugung zu fördern.

68

Was zum anderen Art. 7 Abs. 6 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/77 betrifft, auf den der Generalanwalt in den Nrn. 57, 62 und 74 seiner Schlussanträge u. a. Bezug genommen hat, ist zwar festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung sicherstellen müssen, dass grüner Strom bei der Anlastung der Verteilungsgebühren nicht benachteiligt wird.

69

Jedoch ist, ohne dass geprüft zu werden brauchte, ob diese Bestimmung, soweit sie die Benachteiligung von grünem Strom verbietet, dahin auszulegen ist, dass sie auch die unterschiedliche Behandlung von verschiedenem grünem Strom u. a. nach seiner Herkunft betrifft, darauf hinzuweisen, dass Art. 16 der Richtlinie 96/92 und Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54, um die es im Folgenden geht, Bestimmungen enthalten, die sich spezifisch auf den Zugang der Lieferanten zu den Verteilernetzen zu – insbesondere hinsichtlich der Tarife – diskriminierungsfreien Bedingungen beziehen. Da im vorliegenden Fall die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen im Rahmen des Ausgangsverfahrens feststeht, genügt es hier, auf diese Bestimmungen abzustellen.

Zu den Richtlinien 96/92 und 2003/54

70

Da der Ausgangsrechtsstreit Verteilungskosten betrifft, die Essent Belgium dafür berechnet wurden, dass sie als Lieferant Netze für die Verteilung im Sinne von Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 96/92 und Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2003/54 benutzte, und Essent Belgium vorträgt, dass diese Kosten diskriminierend seien, weil sie im Unterschied zu Lieferanten, die grünen Strom aus dem Inland vertrieben, nicht mehr von dem den Verteilern nach den im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen auferlegten System der kostenlosen Verteilung von grünem Strom habe profitieren können, sind – wie in den Rn. 47 bis 49 des vorliegenden Urteils ausgeführt – auch einige Bestimmungen dieser Richtlinien heranzuziehen.

– Zu Art. 16 der Richtlinie 96/92 und Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54, die den diskriminierungsfreien Zugang zu den Verteilernetzen betreffen

71

Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 bestimmt u. a., dass die Mitgliedstaaten die Einführung „eines Systems für den Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilernetzen auf der Grundlage veröffentlichter Tarife“ gewährleisten und dass „die Zugangsregelung … für alle zugelassenen Kunden [gilt]“ und „nach objektiven Kriterien und ohne Diskriminierung zwischen den Netzbenutzern angewandt [wird]“.

72

Zum einen hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang zum Begriff „Netzzugang“ klargestellt, dass darunter nicht der Anschluss zu verstehen ist, der die physische Verbindung mit dem Netz bezeichnet, sondern das Recht, die Stromnetze zu benutzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Oktober 2008, Sabatauskas u. a., C‑239/07, EU:C:2008:551, Rn. 42).

73

Der Begriff „Zugang“ ist somit mit dem Bezug von Strom verknüpft und schließt die Kosten der Dienstleistung ein. Hierzu wird in den Erwägungsgründen 2, 6, 13, 15 und 17 der Richtlinie 2003/54 hervorgehoben, dass dieser Zugang zu angemessenen Preisen und auf der Grundlage nicht diskriminierender Tarife gewährleistet sein muss, um einen effektiven Marktzugang für alle Marktteilnehmer sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Oktober 2008, Sabatauskas u. a., C‑239/07, EU:C:2008:551, Rn. 40).

74

Zum anderen ist zum Begriff „Dritter“ im Sinne von Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung durch ihren Wortlaut selbst diesen Begriff präzisiert, indem sie auch den Begriff „Netzbenutzer“ verwendet, der in Art. 2 Nr. 18 der Richtlinie definiert wird und der natürliche oder juristische Personen erfasst, die Elektrizität in ein Übertragungs- oder Verteilernetz einspeisen oder daraus versorgt werden (vgl. Urteil vom 9. Oktober 2008, Sabatauskas u. a., C‑239/07, EU:C:2008:551, Rn. 44).

75

Zu diesen Benutzern gehören die Stromlieferanten. Der Gerichtshof hat u. a. präzisiert, dass den Anbietern der Zugang zu den jeweiligen Übertragungs- und Verteilernetzen, die die Elektrizität zu den Kunden leiten, möglich sein muss, damit die zugelassenen Kunden ihren Lieferanten frei wählen können, wie der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/54 unterstreicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Oktober 2008, Sabatauskas u. a., C‑239/07, EU:C:2008:551, Rn. 32, 33 und 43).

76

Schließlich ist der durch Art. 20 der Richtlinie 2003/54 u. a. eingeführte freie Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilernetzen eine der Hauptmaßnahmen, die die Mitgliedstaaten durchzuführen haben, um zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarkts zu gelangen (vgl. Urteil vom 9. Oktober 2008, Sabatauskas u. a., C‑239/07, EU:C:2008:551, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77

Zur Richtlinie 96/92 ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach ihrem Art. 16 zwar hinsichtlich des Zugangs zum Verteilernetz zwischen dem Netzzugangssystem und dem Alleinabnehmersystem nach Art. 17 bzw. Art. 18 dieser Richtlinie wählen konnten, beide Systeme aber nach objektiven, transparenten und nicht diskriminierenden Kriterien gehandhabt werden mussten.

78

Art. 16 verbietet den Mitgliedstaaten somit, den Zugang zum Verteilernetz auf diskriminierende Art und Weise zu organisieren. Dieses Verbot gilt allgemein für jede Form der Diskriminierung, damit auch für Diskriminierungen hinsichtlich der für die Benutzung des Verteilernetzes zu tragenden Kosten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. April 2005, AEM und AEM Torino, C‑128/03 und C‑129/03, EU:C:2005:224, Rn. 59, und vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 36, 45 und 46).

79

Zu der Frage, ob regionale Regelungen wie die im Ausgangsverfahren streitigen zu Diskriminierungen führen, die gegen Art. 16 der Richtlinie 96/92 und Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 verstoßen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmungen, nach denen der Staat bei der Organisation des Netzzugangs in nicht diskriminierender Weise vorgehen muss, besonderer Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes sind (vgl. zu Art. 16 der Richtlinie 96/92 Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80

Nach ständiger Rechtsprechung verlangt das Diskriminierungsverbot, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre (vgl. u. a. Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 48).

81

Eine unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d. h., wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht (vgl. u. a. Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82

Im vorliegenden Fall gelten die im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen zwar in gleicher Weise für alle Stromlieferanten, die ein Verteilernetz in der betreffenden Region nutzen, führen aber gleichwohl dazu, dass die von diesen Lieferanten gelieferte Elektrizität nur von den Verteilungskosten befreit ist, soweit es sich dabei um grünen Strom handelt, der unmittelbar in ein solches Netz oder in ein Verteilernetz in dem Mitgliedstaat, zu dem diese Region gehört, eingespeist wird, und dass die Stromlieferanten somit – wie Essent Belgium in den Ausgangsverfahren rügt – insbesondere danach unterschiedlich behandelt werden, woher der von ihnen vertriebene grüne Strom stammt.

83

Was die mögliche Rechtfertigung dieser unterschiedlichen Behandlung betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Flämischen Region und des VREG Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 96/92 bzw. Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2003/54 als solche nicht geltend gemacht werden können, um diese unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen. Diese Bestimmungen beziehen sich nämlich nicht auf die Anlastung der Verteilungskosten, sondern sehen lediglich vor, dass den Netzbetreibern von einem Mitgliedstaat die Auflage gemacht werden kann, bei der Inanspruchnahme von Erzeugungsanlagen solchen den Vorrang zu geben, die grünen Strom produzieren.

84

Indessen steht die Legitimität des mit den im Ausgangsverfahren streitigen Regelungen verfolgten Ziels der Förderung der Erzeugung von grünem Strom außer Frage. Insoweit ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeugung dem Umweltschutz dient, da sie zur Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen beiträgt, die zu den Hauptursachen der Klimaänderungen zählen, zu deren Bekämpfung sich die Union und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet haben (vgl. Urteil vom 11. September 2014, Essent Belgium, C‑204/12 bis C‑208/12, EU:C:2014:2192, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85

Es stellt sich somit die Frage, ob dieses Ziel geeignet ist, die oben genannte unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen, d. h. im Wesentlichen, ob sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht und in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht.

86

In Anbetracht zum einen der Vielzahl der unionsrechtlichen Bestimmungen und damit der Parameter, anhand deren die Verhältnismäßigkeit der im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen, wie bereits in Rn. 65 des vorliegenden Urteils ausgeführt, zu prüfen ist, und zum anderen der Notwendigkeit, in diesem Rahmen auch andere Bestimmungen der Richtlinien 96/92 und 2003/54, auf die nachstehend eingegangen wird, zu berücksichtigen, ist diese Verhältnismäßigkeitsprüfung jedoch zurückzustellen.

– Zu Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 96/92 sowie Art. 3 Abs. 2 und 8 der Richtlinie 2003/54, die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen betreffen

87

Sowohl Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 96/92 als auch Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 berechtigen die Mitgliedstaaten, den Elektrizitätsunternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen, die sich u. a. auf den Umweltschutz, insbesondere den Klimaschutz, beziehen können.

88

Wie die Kommission geltend macht, scheint dies bei den im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen der Fall zu sein, soweit sie sämtliche Betreiber von Verteilernetzen in Flandern verpflichten, den von den Erzeugern unmittelbar in diese Netze oder in Verteilernetze in Belgien eingespeisten grünen Strom kostenlos zu verteilen, und damit bezwecken, die vermehrte Erzeugung von grünem Strom zu fördern.

89

Hierzu ist jedoch erstens auch darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus den in Rn. 87 des vorliegenden Urteils angeführten Bestimmungen ergibt, die nach diesen Bestimmungen begründeten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen nicht diskriminierend sein dürfen. Außerdem müssen diese Verpflichtungen nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 den gleichberechtigten Zugang von Elektrizitätsunternehmen in der Union zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen.

90

Zwar unterliegen sämtliche Betreiber von Verteilernetzen den im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen, so dass sich scheinbar keine unterschiedliche Behandlung dieser Betreiber feststellen lässt, doch ist in Rn. 82 des vorliegenden Urteils bereits darauf hingewiesen worden, dass diese Regelungen gleichwohl dazu führen, dass die von den Lieferanten gelieferte Elektrizität nur von den Verteilungskosten befreit ist, soweit es sich dabei um grünen Strom handelt, der unmittelbar in ein Netz in der betreffenden Region oder in ein Verteilernetz in dem Mitgliedstaat, zu dem diese Region gehört, eingespeist wird, und dass die Stromlieferanten somit insbesondere danach unterschiedlich behandelt werden, woher der von ihnen vertriebene grüne Strom stammt. Diese unterschiedliche Behandlung ist somit u. a. geeignet, den gleichberechtigten Zugang von Elektrizitätsunternehmen in der Union zu den nationalen Verbrauchern im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 zu beeinträchtigen.

91

Im Übrigen ergibt sich gewiss aus Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2003/54, dass im Unterschied zu der nach der Richtlinie 96/92 hinsichtlich Art. 3 Abs. 3 und Art. 16 dieser Richtlinie geltenden Regelung (vgl. hierzu Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 65) die Mitgliedstaaten berechtigt sind, die Bestimmungen von Art. 20 der Richtlinie 2003/54, die einen diskriminierungsfreien Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilernetzen vorsehen, nicht anzuwenden, soweit ihre Anwendung die Erfüllung der den Elektrizitätsunternehmen übertragenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen de iure oder de facto verhindern würde. Der Gerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten, um in der Weise von den Vorschriften des Art. 20 der Richtlinie 2003/54 abweichen zu können, u. a. prüfen müssen, ob die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen von den Netzbetreibern nicht durch andere Mittel, die nicht in das durch die Richtlinie 2003/54 verliehene Recht auf Netzzugang eingreifen, erfüllt werden können (Urteil vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298, Rn. 60).

92

Zweitens sind die gemäß den Richtlinien 96/92 und 2003/54 begründeten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, wie sich jeweils aus Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinien ergibt, unter uneingeschränkter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags aufzuerlegen, zu denen, wie sich u. a. aus den Erwägungsgründen 3, 15 und 19 der Richtlinie 96/92 ergibt, nicht nur Art. 90 des EG-Vertrags (nunmehr Art. 86 EG) zählt, auf den in Art. 3 Abs. 2 der genannten Richtlinien jeweils verwiesen wird, sondern auch Art. 30 des EG-Vertrags (nunmehr Art. 28 EG) und Art. 36 des EG-Vertrags (nunmehr nach Änderung Art. 30 EG), in denen der freie Warenverkehr verankert ist.

93

Zu Art. 86 EG hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es zwar nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 in Verbindung mit Art. 86 EG erlaubt ist, Unternehmen, die mit der Erbringung einer Gemeinwohldienstleistung betraut sind, Verpflichtungen aufzuerlegen, die u. a. die Festlegung der Preise für die Elektrizitätsversorgung betreffen, eine nationale Regelung, die solche Verpflichtungen auferlegt, jedoch nur dann dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit entspricht, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2011, Enel Produzione, C‑242/10, EU:C:2011:861, Rn. 55).

94

Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Maßnahmen ist jedoch bereits in den Rn. 65 und 86 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass sie angesichts der verschiedenen Bestimmungen des Unionsrechts, die im vorliegenden Fall für diese Prüfung maßgeblich sind, vorläufig zurückzustellen ist.

95

Die Art. 28 und 30 EG, die im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinien 96/92 und 2003/54 ebenfalls beachtet werden müssen, werden im Folgenden behandelt.

Zu den Art. 28 und 30 EG

96

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist Art. 28 EG, der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten verbietet, auf alle nationalen Maßnahmen anwendbar, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, EU:C:1974:82, Rn. 5, vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 66, und vom 11. September 2014, Essent Belgium, C‑204/12 bis C‑208/12, EU:C:2014:2192, Rn. 77).

97

Regelungen wie die im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen sind geeignet, Einfuhren von – insbesondere grünem – Strom aus anderen Mitgliedstaaten zumindest mittelbar und potenziell zu behindern.

98

Derartige Regelungen sind nämlich, insbesondere weil sie die Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere die Stromlieferanten, dazu anhalten, grünen Strom zu kaufen, der in der betreffenden Region oder in dem Mitgliedstaat, zu dem diese Region gehört, erzeugt wird, wegen des wirtschaftlichen Vorteils, der sich aus der Unentgeltlichkeit der Verteilung dieses Stroms ergibt, als Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne von Art. 28 EG einzustufen (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Juni 1986, Kommission/Italien, 103/84, EU:C:1986:229, Rn. 2 und 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99

Was das Vorbringen der Flämischen Region und des VREG betrifft, wonach mögliche Hemmnisse des freien Stromverkehrs im vorliegenden Fall von relativ geringem Umfang seien, insbesondere weil der Anteil des in Flandern erzeugten grünen Stroms im maßgeblichen Zeitraum noch vergleichsweise niedrig gewesen sei, ändert dieser Umstand, selbst wenn er sich als zutreffend erweist, jedenfalls nichts daran, dass eine nationale Maßnahme nicht bereits deshalb dem Verbot nach Art. 28 EG entgeht, weil das Einfuhrhemmnis geringfügig ist und noch andere Möglichkeiten des Vertriebs der eingeführten Erzeugnisse bestehen (vgl. u. a. Urteil vom 5. Juni 1986, Kommission/Italien, 103/84, EU:C:1986:229, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100

Außerdem kann nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Regelung, die eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellt, durch einen der in Art. 30 EG genannten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein. Im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss in beiden Fällen die nationale Maßnahme geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

101

Nationale Maßnahmen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern, können daher u. a. durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes, insbesondere durch das Bemühen, eine vermehrte Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeugung zu fördern, gerechtfertigt sein, da eine solche vermehrte Nutzung, wie bereits in Rn. 84 des vorliegenden Urteils ausgeführt, dem Umweltschutz dient und zugleich den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen bezweckt, der in Art. 30 EG unter den Gründen des Allgemeininteresses aufgeführt ist (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 77 bis 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102

Somit bleibt zu prüfen, ob regionale Regelungen wie die im Ausgangsverfahren streitigen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.

Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

103

Wie sich aus den Rn. 63, 85, 93 und 100 des vorliegenden Urteils ergibt, hängt die Vereinbarkeit regionaler Regelungen wie der im Ausgangsverfahren streitigen mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 der Richtlinie 2001/77, Art. 3 Abs. 2 und Art. 16 der Richtlinie 96/92, Art. 3 Abs. 2 und 8 und Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 sowie den Art. 28 und 30 EG im vorliegenden Fall davon ab, ob diese Regelungen den Anforderungen genügen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben.

104

Damit dies zu bejahen ist, müssen die genannten regionalen Regelungen, wie in Rn. 100 des vorliegenden Urteils ausgeführt, geeignet und erforderlich sein, das mit ihnen verfolgte Ziel der Förderung der vermehrten Erzeugung von grünem Strom, dessen Legitimität in den Rn. 54, 84 und 101 des vorliegenden Urteils bereits festgestellt worden ist, zu erreichen.

105

Wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, lässt sich der Umstand, dass eine Förderregelung so ausgestaltet ist, dass sie unmittelbar die Erzeugung von grünem Strom und nicht dessen bloßen Verbrauch begünstigt, u. a. dadurch erklären, dass Strom nur aufgrund der Art seiner Herstellung als grün bezeichnet werden kann und dass somit die mit der Verringerung der Treibhausgasemissionen verbundenen Umweltziele in erster Linie im Stadium der Erzeugung wirksam verfolgt werden können (vgl. Urteil vom 11. September 2014, Essent Belgium, C‑204/12 bis C‑208/12, EU:C:2014:2192, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106

Zudem ergibt sich, wie bereits in Rn. 62 des vorliegenden Urteils ausgeführt, aus Art. 3 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 4 der Richtlinie 2001/77, dass die nationalen Fördermechanismen zugunsten von Stromerzeugern im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2001/77, die insbesondere zur Erreichung der jeweiligen, den Mitgliedstaaten durch diese Richtlinie vorgegebenen nationalen Richtziele durch die Mitgliedstaaten beitragen sollen, grundsätzlich zu einer Stärkung der inländischen Grünstromerzeugung führen müssen (vgl. Urteil vom 26. November 2014, Green Network, C‑66/13, EU:C:2014:2399, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107

Dieser Umstand, insbesondere in Verbindung mit der Tatsache, dass auf Unionsebene keine Harmonisierung der nationalen Regelungen zur Förderung grünen Stroms erfolgt ist, hat zur Folge, dass es den Mitgliedstaaten grundsätzlich freisteht, durch solche Regelungen nur die in ihrem Hoheitsgebiet stattfindende Erzeugung von grünem Strom zu fördern (vgl. entsprechend in Bezug auf die Richtlinie 2009/28 Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 94 und 97 bis 99).

108

Zur Geeignetheit nationaler Regelungen zur Förderung der Erzeugung von grünem Strom, das Ziel der Steigerung dieser Erzeugung zu erreichen, hat der Gerichtshof u. a. entschieden, dass eine Verpflichtung zur Abnahme von grünem Strom den Erzeugern dieser Stromart unstreitig einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft, indem sie ihnen ohne jedes Risiko höhere Gewinne sichert, als sie ohne eine solche Regelung erzielen könnten (Urteil vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, EU:C:2001:160, Rn. 54).

109

Des Weiteren hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit nationalen Förderregelungen, bei denen der Mechanismus der sogenannten „grünen Zertifikate“ zur Anwendung kommt, darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung der Stromlieferanten, von den Erzeugern von grünem Strom eine bestimmte Menge solcher Zertifikate zu beziehen, insbesondere dazu dient, diesen Erzeugern eine Nachfrage für die ihnen zugeteilten Zertifikate zu sichern und auf diese Weise den Absatz der grünen Energie zu erleichtern, die sie zu einem Preis erzeugen, der über dem Marktpreis herkömmlicher Energie liegt. Insbesondere hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass der mit einer solchen Regelung für die Stromerzeuger im Allgemeinen verbundene Anreiz, mehr grünen Strom zu erzeugen, und folglich auch die Eignung dieser Regelung zur Erreichung des in diesem Fall verfolgten legitimen Ziels außer Zweifel stehen dürfte (vgl. Urteil vom 11. September 2014, Essent Belgium, C‑204/12 bis C‑208/12, EU:C:2014:2192, Rn. 109 und 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

110

Solche Regelungen zur Förderung grüner Energie – deren Erzeugungskosten im Vergleich zu den Kosten von Strom aus nicht erneuerbaren Quellen noch immer recht hoch erscheinen – sollen im Wesentlichen langfristige Investitionen in neue Anlagen fördern, indem sie den Erzeugern gewisse Garantien hinsichtlich der künftigen Abnahme des von ihnen erzeugten grünen Stroms geben (vgl. Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 103).

111

Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das durch die im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen eingeführte System der kostenlosen Verteilung von grünem Strom im Unterschied zu den in den vorstehenden Randnummern des vorliegenden Urteils genannten nationalen Regelungen zur Förderung grünen Stroms in Gestalt von Abnahmeverpflichtungen oder grünen Zertifikaten nicht bezweckt, den Erzeugern von grünem Strom eine direkte Förderung zu gewähren.

112

Wie bereits in Rn. 61 des vorliegenden Urteils ausgeführt, begründet die kostenlose Verteilung von grünem Strom nämlich einen finanziellen Vorteil, der in erster Linie dem Lieferanten dieses Stroms zugutekommt und in Abhängigkeit von dem Verkaufspreis, den der Lieferant dem Verbraucher für seinen Strom in Rechnung stellt, in gewissem Maß auch dem Verbraucher zugutekommen kann.

113

Eine solche Regelung bietet jedoch insbesondere keine Gewissheit, dass der wirtschaftliche Vorteil, den sie den Lieferanten auf diese Weise verschafft, letztlich im Wesentlichen tatsächlich den Erzeugern von grünem Strom zugutekommt, insbesondere den kleineren lokalen Produktionsanlagen, deren Unterstützung die Flämische Region nach eigenen Angaben bezweckte, die nicht gleichzeitig Erzeuger und Lieferanten sind.

114

Der Gewinn, den diese Erzeuger von grünem Strom gegebenenfalls aus dem genannten wirtschaftlichen Vorteil ziehen, unterliegt nämlich verschiedenen Unwägbarkeiten der Märkte, etwa den Strompreisen, Angebot und Nachfrage oder den Kräfteverhältnissen zwischen den vorhandenen Betreibern und dem Umfang, in dem die Lieferanten bereit sind, die Erzeuger von diesem Vorteil profitieren zu lassen.

115

In Anbetracht des somit indirekten, ungewissen und zufälligen Charakters der Unterstützung, die sich aus dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden System der kostenlosen Verteilung möglicherweise für den Erzeuger von grünem Strom selbst ergeben kann, ist bereits die Geeignetheit dieses Systems zur Erreichung des hier angestrebten legitimen Ziels, die Betreiber in wirksamer Weise dazu anzuhalten, trotz der damit verbundenen höheren Produktionskosten mehr grünen Strom zu erzeugen und damit zur Verfolgung der den Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 der Richtlinie 2001/77 vorgegebenen Produktionsrichtziele beizutragen, nicht erwiesen.

116

Wegen dieses indirekten, ungewissen und zufälligen Charakters und da es darüber hinaus andere Mittel wie z. B. die Ausstellung grüner Zertifikate gab, die in sicherer und wirksamer Weise zur Verfolgung des Ziels der Steigerung der Erzeugung von grünem Strom beitragen, ohne insbesondere die Einführung des freien Zugangs Dritter zu den Verteilernetzen unter diskriminierungsfreien Bedingungen, der insbesondere in Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 als eine der Hauptmaßnahmen zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarkts vorgesehen ist, zu beeinträchtigen, ist festzustellen, dass regionale Regelungen wie die im Ausgangsverfahren streitigen den Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, nicht genügen und dass die Beeinträchtigungen des freien Netzzugangs und des freien Warenverkehrs, zu denen sie führen, folglich nicht durch das genannte Ziel gerechtfertigt werden können.

117

Nach den vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass regionale Regelungen wie die im Ausgangsverfahren streitigen gegen die Art. 28 und 30 EG sowie Art. 3 Abs. 2 und Art. 16 der Richtlinie 96/92, Art. 3 Abs. 2 und 8 sowie Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 sowie die Art. 3 und 4 der Richtlinie 2001/77 verstoßen, da sie den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen nicht genügen.

Zu Art. 12 EG

118

Angesichts der Feststellung in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils, dass regionale Regelungen wie die im Ausgangsverfahren streitigen u. a. gegen die Art. 28 und 30 EG verstoßen, und da das vorlegende Gericht die Gründe nicht erläutert, aus denen es annimmt, dass diese Regelungen eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 12 EG begründeten, ist der Gerichtshof nicht veranlasst, im Rahmen der vorliegenden Rechtssache auf diese Bestimmung einzugehen.

119

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Art. 28 und 30 EG, Art. 3 Abs. 2 und 8 sowie Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54, Art. 3 Abs. 2 und 3 sowie Art. 16 der Richtlinie 96/92 sowie die Art. 3 und 4 der Richtlinie 2001/77 dahin auszulegen sind, dass sie Regelungen wie den im Ausgangsverfahren streitigen regionalen Regelungen entgegenstehen, die ein System der kostenlosen Verteilung von grünem Strom in den Verteilernetzen der betreffenden Region vorschreiben, und dieses System nach der ersten Regelung nur grünem Strom zugutekommt, der direkt von Produktionsanlagen in diese Verteilernetze eingespeist wird, und nach der zweiten Regelung nur grünem Strom, der von solchen Anlagen direkt in Verteilernetze in dem Mitgliedstaat, zu dem die betreffende Region gehört, eingespeist wird.

Kosten

120

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Art. 28 und 30 EG, Art. 3 Abs. 2 und 8 sowie Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG, Art. 3 Abs. 2 und 3 sowie Art. 16 der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt sowie die Art. 3 und 4 der Richtlinie 2001/77/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt sind dahin auszulegen, dass sie Regelungen wie dem Besluit van de Vlaamse regering tot wijziging van het besluit van de Vlaamse regering van 28 september 2001 (Erlass der flämischen Regierung zur Änderung des Erlasses der flämischen Regierung vom 28. September 2001) vom 4. April 2003 und dem Besluit van de Vlaamse regering inzake de bevordering van elektriciteitsopwekking uit hernieuwbare energiebronnen (Erlass der Flämischen Regierung über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen) vom 5. März 2004 entgegenstehen, die ein System der kostenlosen Verteilung von grünem Strom in den Verteilernetzen der betreffenden Region vorschreiben und dieses System nach dem erstgenannten Erlass nur grünem Strom zugutekommt, der direkt von Produktionsanlagen in diese Verteilernetze eingespeist wird, und nach dem letztgenannten Erlass nur grünem Strom, der von solchen Anlagen direkt in Verteilernetze in dem Mitgliedstaat, zu dem die betreffende Region gehört, eingespeist wird.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.

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