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Document 62014CC0263

    Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 28. Oktober 2015.
    Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union.
    Nichtigkeitsklage – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – Beschluss 2014/198/GASP – Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Vereinigten Republik Tansania über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Vereinigte Republik Tansania – Wahl der Rechtsgrundlage – Pflicht, das Europäische Parlament in allen Phasen des Verfahrens für die Aushandlung und den Abschluss internationaler Übereinkünfte unverzüglich und umfassend zu unterrichten – Aufrechterhaltung der Wirkungen des Beschlusses im Fall seiner Nichtigerklärung.
    Rechtssache C-263/14.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:729

    SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    Juliane Kokott

    vom 28. Oktober 2015 ( 1 )

    Rechtssache C‑263/14

    Europäisches Parlament

    gegen

    Rat der Europäischen Union

    „Nichtigkeitsklage — Beschluss 2014/198/GASP des Rates — Operation ATALANTA — Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Vereinigten Republik Tansania — Überstellung mutmaßlicher Seeräuber und Übergabe beschlagnahmter Güter durch die EU-geführte Seestreitkraft an Tansania — Wahl der richtigen Rechtsgrundlage — Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP, Art. 37 EUV) — Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und polizeiliche Zusammenarbeit (Art. 82 AEUV und 87 AEUV) — Mitspracherechte des Europäischen Parlaments bei ‚internationalen Übereinkünften, die ausschließlich die GASP betreffen‘ (Art. 218 Abs. 6 AEUV) — Unverzügliche und umfassende Unterrichtung des Parlaments (Art. 218 Abs. 10 AEUV) — Aufrechterhaltung der Wirkungen des Beschlusses“

    I – Einleitung

    1.

    Ist die Überstellung eines Seeräubers durch die Europäische Union an die Staatsgewalt der Vereinigten Republik Tansania schwerpunktmäßig ein Akt der Außen- und Sicherheitspolitik? Oder weist eine solche Maßnahme nicht auch eine ebenso bedeutsame Komponente von internationaler Zusammenarbeit der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden auf? Dies sind im Kern die Rechtsfragen, zu deren Klärung der Gerichtshof im vorliegenden Fall aufgerufen ist. Dabei wird er auf den Grundlagen aufbauen können, die er in der Rechtssache C‑658/11 gelegt hat ( 2 ).

    2.

    Ebenso wie in der Rechtssache C‑658/11 geht es auch in diesem Fall um die Militäroperation, mit der sich die Europäische Union nun schon seit geraumer Zeit in Form einer von ihr geführten Seestreitkraft am Kampf gegen die Piraterie vor der Küste Somalias beteiligt. Die von den Kriegsschiffen der EU-Mitgliedstaaten aufgegriffenen Personen und die von ihnen beschlagnahmten Güter werden in vielen Fällen zum Zweck der Strafverfolgung an Drittstaaten in jener Region überstellt. Um die Einzelheiten solcher Überstellungen festzulegen, hat die Union mit diesen Drittstaaten internationale Übereinkünfte abgeschlossen – in der Rechtssache C‑685/11 mit Mauritius, im vorliegenden Fall mit Tansania.

    3.

    Anlässlich des vorliegenden Falles streitet nun das Europäische Parlament erneut mit dem Rat der Europäischen Union über die Wahl der materiellen Rechtsgrundlage für den Abschluss derartiger Übereinkünfte. Während der Rat seinen Beschluss 2014/198/GASP ( 3 ) zur Genehmigung des Abkommens mit Tansania ( 4 )allein auf die Vorschriften über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gestützt hat, namentlich auf Art. 37 EUV, ist das Parlament der Auffassung, es wären zusätzlich die Bestimmungen über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die polizeiliche Zusammenarbeit heranzuziehen gewesen, genauer gesagt die Art. 82 AEUV und 87 AEUV.

    4.

    Auf den ersten Blick mag all dies wie eine technische Detailfrage anmuten, der bei Weitem nicht die gleiche Spannung innewohnt wie mancher literarischen Aufarbeitung des Piratenthemas ( 5 ). Gleichwohl ist die hier streitige Problematik von großer politischer und sogar verfassungsrechtlicher Tragweite, weil es gilt, die Konturen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu schärfen und sie gegenüber anderen Unionspolitiken abzugrenzen ( 6 ). Durch die Wahl der materiellen Rechtsgrundlage werden in erheblichem Maße die Befugnisse des Europäischen Parlaments prädeterminiert. Sollte sich erweisen, dass das streitige Abkommen – so wie hier geschehen – ausschließlich der GASP zuzuordnen ist und deshalb allein auf der Grundlage von Art. 37 EUV abgeschlossen werden durfte, so hatte das Parlament gemäß Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 erster Halbsatz AEUV keinerlei Mitspracherechte, nicht einmal ein Anhörungsrecht. Wäre hingegen richtigerweise eine Kombination aus Art. 37 EUV sowie den Art. 82 Abs. 1 und 2 AEUV und 87 Abs. 2 AEUV als Rechtsgrundlage heranzuziehen gewesen, so hätte das streitige Abkommen gemäß Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a Ziff. v AEUV der Zustimmung des Parlaments bedurft. Die Reichweite der Befugnisse der Europäischen Kommission im Verfahren zum Abschluss einer solchen internationalen Übereinkunft hängt ebenfalls in nicht unerheblichem Maße von der Wahl der Rechtsgrundlage ab.

    5.

    Die Auseinandersetzung um die Wahl der richtigen Rechtsgrundlage macht denn auch den Hauptgegenstand der vorliegenden Nichtigkeitsklage aus, die das Parlament gegen den Rat erhoben hat. Daneben streiten die Parteien allerdings auch über den Umfang der Pflicht des Rates gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV, das Parlament in allen Phasen des Verfahrens zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft umfassend und unverzüglich zu unterrichten.

    II – Rechtlicher Rahmen

    6.

    Der rechtliche Rahmen dieses Falles wird durch die Art. 216 AEUV und 218 AEUV gezogen, die sich beide in dem den „Internationalen Übereinkünften“ gewidmeten Titel V des AEU-Vertrags finden.

    7.

    In Art. 216 Abs. 1 AEUV ist zusammengefasst, auf welchen materiellen Rechtsgrundlagen die Union seit dem Vertrag von Lissabon internationale Übereinkünfte abschließen darf:

    „Die Union kann mit einem oder mehreren Drittländern oder einer oder mehreren internationalen Organisationen eine Übereinkunft schließen, wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist oder wenn der Abschluss einer Übereinkunft im Rahmen der Politik der Union entweder zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten Ziele erforderlich oder in einem verbindlichen Rechtsakt der Union vorgesehen ist oder aber gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte.“

    8.

    Art. 218 AEUV regelt das Verfahren zur Aushandlung und zum Abschluss internationaler Übereinkünfte und lautet auszugsweise wie folgt:

    „…

    (4)   Der Rat kann dem Verhandlungsführer Richtlinien erteilen und einen Sonderausschuss bestellen; die Verhandlungen sind im Benehmen mit diesem Ausschuss zu führen.

    (5)   Der Rat erlässt auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss, mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und gegebenenfalls deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden.

    (6)   Der Rat erlässt auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft.

    Mit Ausnahme der Übereinkünfte, die ausschließlich die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik betreffen, erlässt der Rat den Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft

    a)

    nach Zustimmung des Europäischen Parlaments in folgenden Fällen:

    v)

    Übereinkünfte in Bereichen, für die entweder das ordentliche Gesetzgebungsverfahren oder, wenn die Zustimmung des Europäischen Parlaments erforderlich ist, das besondere Gesetzgebungsverfahren gilt.

    Das Europäische Parlament und der Rat können in dringenden Fällen eine Frist für die Zustimmung vereinbaren.

    b)

    nach Anhörung des Europäischen Parlaments in den übrigen Fällen. …

    (10)   Das Europäische Parlament wird in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend unterrichtet.

    …“

    9.

    In materiell-rechtlicher Hinsicht ist darüber hinaus Art. 37 EUV von Belang, der im EU-Vertrag zum Titel V Kapitel 2 über die „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ gehört und dort im Abschnitt 1 „Gemeinsame Bestimmungen“ enthalten ist. Diese Vorschrift lautet:

    „Die Union kann in den unter dieses Kapitel fallenden Bereichen Übereinkünfte mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen schließen.“

    10.

    Außerdem ist auf die Art. 82 AEUV und 87 AEUV hinzuweisen, die sich im Titel V des AEU-Vertrags über den „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ finden.

    11.

    Art. 82 AEUV betrifft die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Gemäß Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Vorschrift können das Europäische Parlament und der Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren „Maßnahmen“ erlassen, und zwar u. a., um

    „die Weiterbildung von Richtern und Staatsanwälten sowie Justizbediensteten zu fördern“ (Buchst. c) und

    „die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden oder entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten im Rahmen der Strafverfolgung sowie des Vollzugs und der Vollstreckung von Entscheidungen zu erleichtern“ (Buchst. d).

    12.

    Außerdem ermöglicht Art. 82 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV dem Europäischen Parlament und dem Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren den Erlass von Richtlinien zur Festlegung bestimmter Mindestvorschriften für Strafverfahren, und zwar u. a. über

    die Zulässigkeit von Beweismitteln auf gegenseitiger Basis zwischen den Mitgliedstaaten (Buchst. a) und

    die Rechte des Einzelnen im Strafverfahren (Buchst. b).

    13.

    Art. 87 AEUV hat die polizeiliche Zusammenarbeit zum Gegenstand. Gemäß Abs. 2 Buchst. a dieser Vorschrift können das Europäische Parlament und der Rat zwecks Entwicklung dieser Zusammenarbeit Maßnahmen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen, welche das Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren und den Austausch sachdienlicher Informationen betreffen.

    III – Hintergrund des Rechtsstreits

    14.

    Angesichts der sich häufenden Fälle von Piraterie vor der somalischen Küste beschloss der Rat Ende 2008 im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union eine Gemeinsame Aktion ( 7 ), mit der eine gemeinsame Militäroperation – genannt: „Operation ATALANTA“ – ins Leben gerufen wurde. Gegenstand dieser Operation war die Einsetzung einer EU-geführten Seestreitkraft (EUNAVFOR) zum Schutz von Schiffen, die vor der Küste Somalias fahren, sowie zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor jener Küste.

    15.

    Ausweislich von Art. 1 Abs. 1 der Gemeinsamen Aktion unterstützt die Union mit dieser Militäroperation, die seinerzeit auf der Grundlage der Art. 14 EU, 25 Abs. 3 EU und 28 Abs. 3 EU ( 8 ) beschlossen worden war, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in seinen Resolutionen 1814, 1816, 1838, 1846 und 1851 aus dem Jahr 2008 gesetzten Ziele und beruft sich außerdem auf die Art. 100 ff. des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen ( 9 ).

    16.

    Zum Auftrag der EUNAVFOR gehören gemäß Art. 2 Buchst. e der Gemeinsamen Aktion u. a. „Aufgriff, Ingewahrsamnahme und Überstellung von Personen, die im Sinne der Artikel 101 und 103 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle begehen zu wollen, diese zu begehen oder begangen zu haben“, ferner die „Beschlagnahme der Schiffe der Seeräuber oder bewaffneten Räuber oder der nach einem seeräuberischen Akt oder einem bewaffneten Raubüberfall gekaperten Schiffe, sofern diese sich in den Händen der Seeräuber oder bewaffneter Räuber befinden, sowie der an Bord befindlichen Güter, im Hinblick auf die eventuelle Strafverfolgung durch die zuständigen Staaten …“

    17.

    Gemäß Art. 10 Abs. 3 Satz 1 der Gemeinsamen Aktion werden die „Einzelheiten der Beteiligung von Drittstaaten“ an der Tätigkeit von EUNAVFOR „in Übereinkünften geregelt, die nach Art. 37 [EUV] zu schließen sind“. Weiter heißt es in Art. 10 Abs. 6 der Gemeinsamen Aktion:

    „Die Bedingungen der Überstellung von aufgegriffenen und im Hinblick auf die Strafverfolgung durch die zuständigen Staaten festgenommenen Personen an einen Drittstaat werden anlässlich des Abschlusses oder der Umsetzung der Beteiligungsübereinkünfte nach Absatz 3 festgelegt.“

    18.

    Daran anknüpfend stellt Art. 12 der Gemeinsamen Aktion allgemeine Voraussetzungen auf, unter denen EUNAVFOR die aufgegriffenen Personen an Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder an Drittstaaten überstellt, sofern der Mitgliedstaat oder der Drittstaat, unter dessen Flagge das betreffende Schiff der EUNAVFOR fährt, seine gerichtliche Zuständigkeit nicht wahrnehmen kann oder will. Ziel ist die Strafverfolgung unter Einhaltung bestimmter Mindeststandards. Die Überstellung von Personen an einen Drittstaat setzt gemäß Art. 12 Abs. 3 der Gemeinsamen Aktion voraus, dass „mit dem betreffenden Drittstaat die Bedingungen für diese Übergabe im Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht, insbesondere den internationalen Menschenrechtsnormen, festgelegt wurden, um insbesondere sicherzustellen, dass für niemanden das Risiko der Todesstrafe, Folter oder jeglicher anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht“.

    19.

    Vor diesem Hintergrund hat die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik aufgrund einer Ermächtigung des Rates vom 22. März 2010 das streitige Abkommen mit Tansania über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an Tansania ausgehandelt ( 10 ).

    20.

    Mit dem angefochtenen Beschluss, der sich auf Art. 37 EUV als einzige materielle Rechtsgrundlage sowie auf Art. 218 Abs. 5 und 6 AEUV als formelle Rechtsgrundlage stützt ( 11 ), hat der Rat jenes Abkommen im Namen der Union ohne Zustimmung oder Anhörung des Parlaments genehmigt und seine Unterzeichnung autorisiert. Das Abkommen wurde sodann am 1. April 2014 unterzeichnet.

    21.

    Das Parlament steht auf dem Standpunkt, dass für den angefochtenen Beschluss neben Art. 37 EUV auch die Art. 82 AEUV und 87 AEUV als zusätzliche materielle Rechtsgrundlagen heranzuziehen gewesen wären, weshalb dieser Beschluss nach Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV seiner Zustimmung bedurft hätte.

    22.

    Was die Unterrichtung des Parlaments anbelangt, so hat der Rat dieses Organ mit Schreiben vom 22. März 2010 über die von ihm erteilte Ermächtigung zu Verhandlungen mit Blick auf ein Abkommen gemäß Art. 37 EUV informiert. Zum weiteren Fortgang der Verhandlungen machte der Rat dem Parlament keinerlei Angaben. Erst nach Abschluss des Verfahrens teilte der Rat dem Parlament mit Schreiben vom 19. März 2014 mit, dass er das streitige Abkommen genehmigt und dessen Unterzeichnung autorisiert habe, ohne allerdings dem Parlament den Wortlaut des angefochtenen Beschlusses und den Text des streitigen Abkommens zur Kenntnis zu bringen. Eine inhaltliche Kenntnisnahme war dem Parlament erst aufgrund der Veröffentlichung des Beschlusses und des Abkommens im Amtsblatt der Europäischen Union möglich, die am 11. April 2014 erfolgte.

    23.

    Nach Ansicht des Parlaments ist der Rat damit der ihm obliegenden Pflicht zur unverzüglichen und umfassenden Unterrichtung der Volksvertretung gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV nicht hinreichend nachgekommen.

    IV – Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

    24.

    Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2014 hat das Parlament gemäß Art. 263 Abs. 2 AEUV die vorliegende Nichtigkeitsklage erhoben.

    25.

    Gemäß Art. 131 Abs. 2 der Verfahrensordnung hat der Präsident des Gerichtshofs die Europäische Kommission als Streithelferin auf Seiten des Parlaments sowie die Tschechische Republik, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer auf Seiten des Rates zugelassen.

    26.

    Das Parlament beantragt mit Unterstützung der Kommission,

    den Beschluss 2014/198/GASP des Rates vom 10. März 2014 für nichtig zu erklären,

    anzuordnen, dass dieser Beschluss bis zu seiner Ersetzung fortgilt, und

    dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

    27.

    Der Rat beantragt seinerseits, ebenfalls unterstützt von seinen Streithelfern, die Klage als unbegründet abzuweisen. Außerdem begehrt der Rat, wie auch die Tschechische Republik, die Verurteilung des Parlaments zur Kostentragung.

    28.

    Für den Fall, dass der angefochtene Beschluss für nichtig erklärt werden sollte, ersucht der Rat den Gerichtshof ferner, die Wirkungen dieses Beschlusses aufrechtzuerhalten, und zwar

    entweder bis zum Zeitpunkt seiner Ersetzung, falls die Nichtigerklärung auf der Feststellung der Wahl einer unzutreffenden Rechtsgrundlage gemäß dem ersten Klagegrund fußt,

    oder ohne zeitliche Begrenzung, sofern die Nichtigerklärung allein auf die Feststellung einer unzureichenden Unterrichtung des Parlaments im Sinne des zweiten Klagegrundes gestützt ist.

    29.

    Auch die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich beantragen für den Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich ( 12 ), dessen Wirkungen aufrechtzuerhalten, wobei die Tschechische Republik den Gerichtshof schlicht auffordert, von seiner Befugnis nach Art. 264 Abs. 2 AEUV Gebrauch zu machen, wohingegen das Vereinigte Königreich ihn um die gleiche Vorgehensweise wie in seinem Urteil in der Rechtssache C‑658/11 ersucht.

    30.

    Vor dem Gerichtshof wurde über die Klage des Parlaments schriftlich ( 13 ) und, am 22. September 2015, mündlich verhandelt.

    V – Die maßgeblichen Bestimmungen des streitigen Abkommens

    31.

    Mit dem streitigen Abkommen werden ausweislich seines Art. 1 die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung der von EUNAVFOR festgehaltenen mutmaßlichen Seeräuber sowie für die Übergabe von damit in Verbindung stehenden von EUNAVFOR beschlagnahmten Gütern an Tansania festgelegt, ferner die Bedingungen für die Behandlung der betreffenden Personen nach ihrer Überstellung.

    32.

    In Art. 3 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens ist niedergelegt, dass Tansania von Fall zu Fall entscheidet, ob es eine von der EUNAVFOR vorgeschlagene Überstellung bzw. Übergabe akzeptiert, wobei es allen relevanten Umständen, einschließlich des Orts des Vorfalls, Rechnung trägt.

    33.

    Gemäß Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 1 des Abkommens behandeln die Vertragsparteien die betroffenen Personen vor und nach der Überstellung human und im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen – einschließlich des Verbots von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und des Verbots der unrechtmäßigen Freiheitsentziehung – sowie unter Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren. Aus Art. 4 Abs. 1 zweiter Halbsatz des Abkommens ergibt sich außerdem, dass überstellte Personen angemessen untergebracht und verpflegt werden sowie Zugang zu medizinischer Versorgung sowie Gelegenheit zu religiöser Betätigung erhalten.

    34.

    Weitere Rechte überstellter Personen ergeben sich aus Art. 4 Abs. 2 bis 7 des Abkommens, insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren sowie auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Freilassung.

    35.

    Aus Art. 5 des Abkommens folgt, dass keine der überstellten Personen für eine Straftat vor Gericht gestellt wird, die mit einer schärferen Höchststrafe als lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist.

    36.

    In Art. 6 des Abkommens ist geregelt, welche Aufzeichnungspflichten die EUNAVFOR im Zusammenhang mit den betroffenen Personen und Gütern treffen und wie die Aufzeichnungen den tansanischen Behörden zu übermitteln sind.

    37.

    Art. 7 des Abkommens handelt von der Pflicht der Union und der EUNAVFOR zur Unterstützung der Ermittlungen und der Strafverfolgung durch die tansanische Justiz.

    38.

    Schließlich ist noch auf die Präambel des Abkommens hinzuweisen, in der ausdrücklich auf die Gemeinsame Aktion Bezug genommen wird. Ferner wird dort auf diverse Instrumente des Völkerrechts verwiesen, insbesondere auf die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen.

    VI – Rechtliche Würdigung

    39.

    Die Nichtigkeitsklage des Parlaments stützt sich auf zwei Klagegründe, von denen der erste die Wahl der richtigen Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss zum Gegenstand hat (vgl. dazu unten, Abschnitt B), wohingegen sich der zweite der Pflicht des Rates widmet, das Parlament in allen Phasen des Verfahrens zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft umfassend und umgehend zu unterrichten (vgl. dazu unten, Abschnitt C).

    40.

    Bevor ich mich der inhaltlichen Würdigung dieser beiden Klagegründe zuwende, ist kurz die Zuständigkeit des Gerichtshofs für das vorliegende Verfahren zu erörtern (siehe sogleich, Abschnitt A).

    A – Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

    41.

    Im Grundsatz erstreckt sich die Rechtsprechungskompetenz des Gerichtshofs der Europäischen Union seit dem Vertrag von Lissabon auf alle Sachgebiete des Unionsrechts, wobei die Unionsgerichte berufen sind, sämtliche Vorschriften des Unionsrechts auszulegen sowie die Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zu überwachen (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV, Art. 263 Abs. 1 AEUV und Art. 267 Abs. 1 AEUV).

    42.

    Abweichend von diesem Grundsatz ist der Gerichtshof der Europäischen Union weder für die primärrechtlichen Bestimmungen über die GASP noch für die auf der Grundlage dieser Bestimmungen erlassenen Rechtsakte zuständig (vgl. Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV in Verbindung mit Art. 275 Abs. 1 AEUV). Davon macht jedoch wiederum Art. 275 Abs. 2 AEUV insoweit eine Ausnahme, als er die Zuständigkeit der Unionsgerichte u. a. für die Kontrolle der Einhaltung von Art. 40 EUV festschreibt.

    43.

    Genau letztere Unterausnahme berührt der erste Klagegrund des Parlaments, mit dem die Wahl der richtigen Rechtsgrundlage thematisiert wird. Selbst wenn nämlich das Parlament bedauerlicherweise an keiner Stelle ausdrücklich auf Art. 40 EUV Bezug nimmt, zielt es doch inhaltlich eindeutig auf die dort geregelte Problematik der Abgrenzung zwischen der GASP auf der einen Seite und den „vergemeinschafteten“ Politikbereichen auf der anderen Seite ab. Sollte der Rat den angefochtenen Beschluss, wie vom Parlament vorgetragen, zu Unrecht allein auf die GASP gestützt haben, statt zusätzlich auch auf die Vorschriften über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die polizeiliche Zusammenarbeit zu rekurrieren, so hätte er die Befugnisse der anderen Organe im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beeinträchtigt, was nach Art. 40 Abs. 1 EUV verboten ist und nach Art. 275 Abs. 2 AEUV vom Gerichtshof überprüft werden kann.

    44.

    Was den zweiten Klagegrund des Parlaments anbelangt, so ist dieser auf die allgemeine Unterrichtungspflicht gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV gestützt, also auf eine Vorschrift, die – wie der Gerichtshof bereits in der Rechtssache C‑658/11 geurteilt hat ( 14 ) – als solche nicht zu den primärrechtlichen Bestimmungen über die GASP im Titel V Kapitel 2 des EU-Vertrags gehört, sondern gebietsübergreifend für alle Verfahren der Union zum Abschluss internationaler Übereinkünfte gilt. Dementsprechend ist diese Vorschrift nicht von der Einschränkung der Gerichtszuständigkeiten betroffen, wie sie für die GASP aus Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV in Verbindung mit Art. 275 Abs. 1 AEUV folgt.

    45.

    Die Tschechische Republik fordert den Gerichtshof im vorliegenden Fall auf, seine im Urteil C‑658/11 niedergelegte Rechtsprechung zu Art. 218 Abs. 10 AEUV zu überdenken und gegebenenfalls zu nuancieren.

    46.

    Entgegen der Auffassung der Tschechischen Republik lässt sich jedoch aus Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV in Verbindung mit Art. 275 Abs. 1 AEUV in keiner Weise schließen, dass der Gerichtshof für eine auf Art. 218 Abs. 10 AEUV gestützte Klage nur eingeschränkt zuständig wäre, etwa dahin gehend, dass er sich darauf beschränken müsste, einen Verstoß gegen die Pflicht zur Unterrichtung des Parlaments lediglich festzustellen, ohne den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären.

    47.

    Der Gerichtshof ist entweder zuständig oder unzuständig. Ausnahmen von seiner Zuständigkeit bedürfen einer ausdrücklichen Regelung und sind eng auszulegen. Abstufungen hinsichtlich der Befugnisse der Unionsgerichte zur Behandlung von Nichtigkeitsklagen zu Art. 40 EUV oder zu Art. 218 Abs. 10 AEUV sind weder in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV noch in Art. 275 Abs. 1 AEUV angelegt ( 15 ).

    48.

    Abgesehen davon wäre der Erlass eines Feststellungsurteils, wie es der Tschechischen Republik vorzuschweben scheint, mit dem Wesen der Nichtigkeitsklage unvereinbar. Er stünde im Widerspruch zu Art. 264 AEUV, welcher die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Klage regelt und dem kassatorischen Charakter der Nichtigkeitsklage Ausdruck verleiht. Für eine Abbedingung dieses Art. 264 AEUV findet sich weder in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV noch in Art. 275 Abs. 1 AEUV irgendein Anhaltspunkt.

    49.

    Alles in allem ist somit der Gerichtshof für die vorliegende Klage in vollem Umfang zuständig, bis hin zur etwaigen Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses ( 16 ).

    B – Zur Wahl der richtigen Rechtsgrundlage (erster Klagegrund)

    50.

    Mit seinem ersten Klagegrund, der den Schwerpunkt dieses Verfahrens ausmacht, stellt das Parlament die vom Rat gewählte Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss in Frage.

    51.

    Das Parlament bringt vor, es sei rechtsfehlerhaft gewesen, diesen Beschluss allein auf die GASP, genauer gesagt auf Art. 37 EUV, zu stützen. Nach Ansicht des Parlaments wäre es notwendig gewesen, die Art. 82 AEUV und 87 AEUV, also zwei Vorschriften aus den Bereichen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und der polizeilichen Zusammenarbeit, als zusätzliche Rechtsgrundlagen mit heranzuziehen. Das Parlament spricht sich somit letztlich für eine doppelte materielle Rechtsgrundlage aus, die Befugnisse aus der GASP mit solchen aus dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts verbindet. Sollte eine Kombination von Rechtsgrundlagen aus diesen beiden Politikbereichen unmöglich sein, weil die jeweiligen Verfahren sich nicht miteinander vereinbaren lassen, so hält das Parlament – wie es in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat – allein die Art. 82 AEUV und 87 AEUV für einschlägig ( 17 ).

    Vorbemerkung

    52.

    In der Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass ein Unionsrechtsakt – auch der Beschluss zur Genehmigung einer internationalen Übereinkunft ( 18 ) – auf eine doppelte materielle Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Dies ist immer dann geboten, wenn sich erweist, dass der betreffende Rechtsakt mehrere Zielsetzungen zugleich verfolgt oder mehrere Komponenten umfasst, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen nebensächlich wäre, so dass verschiedene Vertragsbestimmungen gleichberechtigt anwendbar sind ( 19 ).

    53.

    Entgegen der Auffassung des Rates und seiner Streithelfer hat der Gerichtshof die Möglichkeit einer solchen doppelten Rechtsgrundlage für einen Fall wie den vorliegenden noch keineswegs verworfen. Insbesondere hat das Urteil in der Rechtssache C‑658/11 insoweit keine Vorentscheidung gebracht.

    54.

    Zwar betraf jenes Urteil eine internationale Übereinkunft – das Abkommen mit Mauritius –, deren Inhalt im Wesentlichen mit dem des hier streitigen Abkommens vergleichbar war. Doch hat der Gerichtshof dort nicht abschließend zur Frage der zutreffenden materiellen Rechtsgrundlage Stellung genommen, weil das klagende Parlament seinerzeit – anders als hier – die alleinige Anwendbarkeit von Art. 37 EUV nicht in Zweifel gezogen hatte und sogar anerkannte, dass die Genehmigung des EU/Mauritius-Abkommens „unter Ausschluss jeder anderen materiellen Rechtsgrundlage rechtsgültig allein auf Art. 37 EUV gestützt werden konnte“ ( 20 ). Folgerichtig hat sich der Gerichtshof in der Rechtssache C‑658/11, ausgehend von den damaligen Rügen des Parlaments, auf die Auslegung der besonderen Verfahrensbestimmung in Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 erster Halbsatz AEUV konzentriert.

    55.

    Selbst wenn man mit dem Rat und seinen Streithelfern unterstellen wollte, dass der Gerichtshof die Frage der zutreffenden materiellen Rechtsgrundlage in der Rechtssache C‑658/11 zumindest implizit mitentschieden habe ( 21 ), würde dies im vorliegenden Fall noch keine abschließende Beurteilung der vom Parlament erhobenen Rüge erlauben. Denn für die Überprüfung der Rechtsgrundlage des hier angefochtenen Beschlusses spielt es nach gefestigter Rechtsprechung keine Rolle, welche Rechtsgrundlage für den Erlass anderer Handlungen der Union, die gegebenenfalls ähnliche Merkmale aufweisen, herangezogen wurde ( 22 ).

    56.

    Deshalb ist im vorliegenden Fall die Wahl der materiellen Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss – einschließlich der Möglichkeit, diesen Beschluss gegebenenfalls auf eine doppelte Rechtsgrundlage zu stützen – einer eigenständigen Prüfung zu unterziehen.

    57.

    Ausgeschlossen ist es keineswegs, für das auswärtige Handeln der Union auf Rechtsgrundlagen abseits der GASP zurückzugreifen, wie es das Parlament und die Kommission hier vertreten. So ist etwa in Art. 21 Abs. 3 EUV ausdrücklich anerkannt, dass neben der GASP auch die übrigen Politikbereiche der Union „externe Aspekte“ umfassen können. Dementsprechend ist es prinzipiell durchaus denkbar, für die Genehmigung einer internationalen Übereinkunft der Union auf Kompetenzen aus dem Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zurückzugreifen oder sie durch Hinzunahme solcher Kompetenzen auf eine doppelte materielle Rechtsgrundlage zu stützen.

    58.

    Dem steht nicht entgegen, dass es in den primärrechtlichen Bestimmungen über den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – namentlich in den beiden hier in Rede stehenden Kapiteln des AEU-Vertrags über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die polizeiliche Zusammenarbeit – an ausdrücklichen Befugnisnormen für ein auswärtiges Handeln fehlt ( 23 ). Bekanntlich können den Unionsorganen unter bestimmten Umständen auch implizite Außenkompetenzen zuwachsen. Ursprünglich wurden derartige Befugnisse im Einklang mit der sogenannten AETR-Doktrin aus den bestehenden Kompetenzen für internes Handeln hergeleitet ( 24 ). Nunmehr sind solche Außenkompetenzen mit Art. 216 Abs. 1 AEUV sogar ausdrücklich in den Verträgen verankert. Soll heute auf die AETR-Doktrin zurückgegriffen werden, so ist also in dem betreffenden Unionsrechtsakt Art. 216 Abs. 1 AEUV ausdrücklich mit zu zitieren ( 25 ).

    59.

    Die Beurteilung der Frage, ob im vorliegenden Fall eine Hinzunahme von Rechtsgrundlagen aus den Bereichen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 82 AEUV) und der polizeilichen Zusammenarbeit (Art. 87 AEUV) geboten war, hat sich im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung an objektiven und gerichtlich nachprüfbaren Umständen zu orientieren, zu denen insbesondere Ziel und Inhalt des angefochtenen Beschlusses gehören ( 26 ), aber auch der Kontext, in den sich dieser Beschluss einbettet ( 27 ).

    Kein hinreichender Bezug zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

    60.

    Betrachtet man allein den Inhalt des streitigen Abkommens, so ist dem Parlament und der Kommission zuzugestehen, dass es zahlreiche Regelungen enthält, wie sie für eine grenzüberschreitende justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und eine grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit typisch sind. Es geht dort um die Überstellung von Personen und die Übergabe von Gütern zum Zwecke der Strafverfolgung ( 28 ) sowie um die Rechte der betroffenen Personen im Hinblick auf eine menschenwürdige und rechtsstaatskonforme Behandlung ( 29 ). Ferner ist in dem Abkommen geregelt, welche Aufzeichnungs- und Mitteilungspflichten die Union und EUNAVFOR treffen ( 30 ) und in welcher Form sie den zuständigen Behörden von Tansania Unterstützung im Hinblick auf ihre Ermittlungen gegen überstellte Personen und deren strafrechtliche Verfolgung gewähren ( 31 ).

    61.

    Vor diesem Hintergrund weist der Inhalt des streitigen Abkommens zweifelsohne eine gewisse Verwandtschaft mit den Materien auf, die im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geregelt sind, insbesondere im Hinblick auf die behördliche Zusammenarbeit im Rahmen der Strafverfolgung (Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d AEUV), das Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren und den Austausch sachdienlicher Informationen (Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV), die gegenseitige Anerkennung von Beweismitteln (Art. 82 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a AEUV), die Rechte des Einzelnen im Strafverfahren (Art. 82 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. b AEUV) sowie die Weiterbildung des Personals der zuständigen Stellen (Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c AEUV).

    62.

    Es würde jedoch zu kurz greifen, allein aus dieser inhaltlichen Nähe zu schlussfolgern, dass hier die Art. 82 AEUV und 87 AEUV notwendigerweise als zusätzliche Rechtsgrundlagen für den angefochtenen Beschluss heranzuziehen waren. Denn nicht überall, wo Maßnahmen mit einem gewissen Bezug zu den Gegenständen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen oder zur polizeilichen Zusammenarbeit erlassen werden sollen, sind notwendigerweise die Vorschriften über den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sedes materiae ( 32 ).

    63.

    Entscheidend ist, wie der Rat und das Königreich Schweden sehr zu Recht hervorgehoben haben, dass die in Rede stehenden Vorschriften der Art. 82 AEUV und 87 AEUV nur von der Zusammenarbeit innerhalb der Union handeln. Zum einen zeigt dies schon ein Blick auf den Wortlaut beider Bestimmungen ( 33 ), zum anderen folgt es aber auch aus dem Konzept des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, zu dessen Verwirklichung sie dienen: Es ist die Union, die ihren Bürgerinnen und Bürgern einen solchen Raum bietet, und es ist die Union, die diesen Raum bildet (Art. 67 Abs. 1 AEUV), wobei die Betonung auf einem Raum ohne Binnengrenzen liegt (Art. 3 Abs. 2 EUV und Art. 67 Abs. 2 AEUV).

    64.

    Demgegenüber regelt der angefochtene Beschluss – bzw. das streitige Abkommen, welches er genehmigt – gerade nicht die unionsinterne justizielle oder polizeiliche Zusammenarbeit. Auch beeinträchtigt oder modifiziert er diese nicht im Sinne der letzten Variante von Art. 216 Abs. 1 AEUV. Vielmehr bleibt die Strafkompetenz der Mitgliedstaaten für internationale Verbrechen wie die Seeräuberei von dem Abkommen entgegen der Behauptung des Parlaments und der Kommission völlig unberührt. Gegenstand des Abkommens ist allein die Zusammenarbeit mit den Behörden von Tansania, einem Drittstaat, und zwar nur für den Fall, dass die Behörden der Mitgliedstaaten nicht selbst die Strafverfolgung übernehmen ( 34 ).

    65.

    Zwar mag es durchaus Fälle geben, in denen auch die Kooperation mit einem Drittstaat geeignet ist, zur Verwirklichung der Ziele des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts innerhalb der Union beizutragen (vgl. die zweite Variante von Art. 216 Abs. 1 AEUV) und so diesem Raum im wahrsten Sinne des Wortes eine „externe Dimension“ zu verleihen. Zu denken ist etwa an die Einbeziehung Norwegens, Islands, Liechtensteins und der Schweiz in den Schengen-Raum oder an das Luganer Übereinkommen zur Einbeziehung einiger dieser Staaten in bestimmte Aspekte der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen. Derartige Rückwirkungen des auswärtigen Handelns auf den unionsinternen Bereich sind jedoch im Fall einer Zusammenarbeit wie der mit Tansania, für die im angefochtenen Beschluss und dem streitigen Abkommen die rechtlichen Grundlagen geschaffen wurden, nicht erkennbar.

    66.

    Durch die besagte Kooperation der Union mit Tansania soll allein die internationale Sicherheit außerhalb des Unionsgebiets gefördert werden: Es ist ein bedeutsamer Beitrag zur wirksamen und nachhaltigen Bekämpfung der Piraterie auf den Weltmeeren und damit zur Verbesserung der globalen Sicherheitslage weltweit, wenn mutmaßliche Seeräuber in wirksamer Weise einer gerechten Strafverfolgung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zugeführt werden.

    67.

    Hingegen ist ein spezifischer Zusammenhang mit der Sicherheit innerhalb der Europäischen Union oder mit der nationalen Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten nicht ersichtlich. Er wäre, wenn überhaupt, nur sehr mittelbarer Natur. Denn es geht bei der Zusammenarbeit mit Tansania gerade nicht um die Bekämpfung und strafrechtliche Verfolgung von Piraterie vor europäischen Küsten, sondern am sehr viel weiter entfernten Horn von Afrika, vor der Küste Somalias.

    68.

    Ebenso wenig lässt sich eine unionsinterne Dimension aus dem bloßen Umstand folgern, dass sich die mutmaßlichen Seeräuber, die den tansanischen Behörden von EUNAVFOR überstellt werden sollen, zeitweilig an Bord von Kriegsschiffen der Mitgliedstaaten der Union befinden und dort festgehalten werden. Wenngleich nämlich die betroffenen Personen damit vorübergehend der Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten unterstehen und folglich auch in den Genuss unionsrechtlicher Garantien – insbesondere der Charta der Grundrechte – kommen können ( 35 ), bedeutet dies noch nicht, dass sie sich innerhalb des Gebiets der Union und damit im geografischen Anwendungsbereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts befinden.

    69.

    Aus demselben Grund ist übrigens der vorliegende Fall auch nicht mit der Situation eines Rückübernahmeabkommens im Sinne von Art. 79 Abs. 3 AEUV vergleichbar. Denn dort geht es – anders als hier – gerade um die Überstellung von Personen, die sich innerhalb des Gebiets der Union illegal aufgehalten haben, an Drittstaaten.

    Verankerung des streitigen Abkommens in der GASP

    70.

    Letztlich bettet sich die Zusammenarbeit mit Tansania in einen genuin außen- und sicherheitspolitischen Kontext ein. Es handelt sich um eine „Mission außerhalb der Union“ zur „Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen“, deren Durchführung sich die Union im Rahmen der GASP, genauer gesagt im Rahmen ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, zum Ziel gesetzt hat (Art. 42 Abs. 1 Satz 2 EUV und Art. 43 Abs. 1 EUV).

    71.

    Ausweislich seiner Präambel wie auch der Präambel des angefochtenen Beschlusses dient das streitige Abkommen der Umsetzung mehrerer Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und konkretisiert die rechtlichen Bedingungen für die Tätigkeit der EUNAVFOR im Rahmen der „Operation ATALANTA“ ( 36 ), einer gemeinsamen militärischen Aktion im sachlichen Anwendungsbereich der GASP.

    72.

    Der Umstand, dass das streitige Abkommen als Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit mit Tansania auch eine menschenwürdige Behandlung der festgehaltenen Personen sowie bestimmte rechtsstaatliche Prinzipien vorschreibt, spricht keineswegs gegen seine Zuordnung zur GASP. Denn Rechtsstaatlichkeit und der Schutz der Menschenrechte gehören ganz allgemein zu den Grundsätzen des auswärtigen Handelns der Union, welche nicht nur, aber auch im Rahmen der GASP zu beachten und zu verwirklichen sind (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 EUV) ( 37 ).

    73.

    Alles in allem hat sich der Rat somit zu Recht auf die GASP, genauer gesagt auf Art. 37 EUV, als alleinige Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss gestützt ( 38 ). Der erste vom Parlament geltend gemachte Klagegrund ist folglich unbegründet.

    C – Zur Unterrichtung des Parlaments (zweiter Klagegrund)

    74.

    Mit dem zweiten Klagegrund wird geltend gemacht, das Parlament sei entgegen Art. 218 Abs. 10 AEUV nicht in allen Phasen des Verfahrens zum Abschluss des streitigen Abkommens unverzüglich und umfassend unterrichtet worden.

    75.

    Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, findet Art. 218 Abs. 10 AEUV auf alle internationalen Übereinkünfte der Union Anwendung, also auch auf solche, die – wie das hier streitige Abkommen – ausschließlich die GASP betreffen ( 39 ). Weiterhin höchst umstritten ist jedoch der Umfang der nach dieser Vorschrift bestehenden Pflichten des Rates gegenüber dem Parlament.

    Allgemeines

    76.

    Die in Art. 218 Abs. 10 AEUV verwendeten Formulierungen deuten auf eine sehr weitreichende Informationspflicht des Rates hin: Das Parlament ist „unverzüglich“, „umfassend“ und „in allen Phasen des Verfahrens“ zu unterrichten. Darin spiegelt sich ein grundlegendes demokratisches Prinzip wider, das für jeglichen Entscheidungsprozess auf Unionsebene Geltung beansprucht ( 40 ) (vgl. Art. 2 EUV), auch auf außen- und sicherheitspolitischem Gebiet.

    77.

    Anders als Generalanwalt Bot ( 41 ) und einige hiesige Verfahrensbeteiligte bin ich dezidiert nicht der Auffassung, dass an die Unterrichtung des Parlaments gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV unterschiedlich strenge Anforderungen zu stellen sind, je nachdem, ob das Parlament gemäß Art. 218 Abs. 6 AEUV einer internationalen Übereinkunft zustimmen muss, zu ihr angehört wird oder – wie im vorliegenden Fall – über keine formellen Mitspracherechte zu dieser Übereinkunft verfügt.

    78.

    Demokratische Kontrolle erschöpft sich nicht in der Ausübung formeller Mitspracherechte, und die Unterrichtung des Parlaments dient nicht nur der Vorbereitung der Ausübung solcher Mitspracherechte. Vielmehr ist allein schon die Transparenz, die mit einer unverzüglichen und umfassenden Unterrichtung des Parlaments in allen Phasen des Verfahrens hergestellt wird, ein nicht zu unterschätzendes Element demokratischer Kontrolle und damit ein Wert an sich.

    79.

    Diese Transparenz ist Ausfluss des sehr grundlegenden Prinzips, wonach Entscheidungen in der Europäischen Union möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden (Art. 1 Abs. 2 EUV). Sie trägt dazu bei, alle am auswärtigen Handeln der Union beteiligten Akteure zu verantwortungsbewusstem Verhalten anzuhalten. Außerdem stellt sie sicher, dass die gewählten Vertreter der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger Gelegenheit haben, in voller Kenntnis der Sachlage über außenpolitische Angelegenheiten von allgemeinem europäischem Interesse öffentlich zu debattieren sowie das gesamte Verfahren zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft durch spontane Stellungnahmen kritisch zu begleiten ( 42 ). Auf diese Weise können sie übrigens auch in völlig legitimer Weise versuchen, inhaltlich auf die geplante Übereinkunft Einfluss zu nehmen, und zwar selbst dann, wenn die betreffende Übereinkunft formal betrachtet ohne ihre Zustimmung oder Anhörung geschlossen werden darf. Zahlreiche kontroverse Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen sehr anschaulich, wie wichtig demokratische Kontrolle im Bereich des auswärtigen Handelns der Union ist und wie sehr es dafür auf eine angemessene Unterrichtung des Parlaments ankommt ( 43 ).

    80.

    Eine mit der Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ( 44 ) unvereinbare „Erweiterung der Rolle des Europäischen Parlaments“ ist mit diesem Verständnis von Art. 218 Abs. 10 AEUV nicht verbunden. Denn dieselben Grundsätze der demokratischen Kontrolle und der Transparenz, denen nun Art. 218 Abs. 10 AEUV Ausdruck verleiht, waren schon vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon für alle Politikbereiche – auch für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – fest im System der Europäischen Verträge verankert ( 45 ).

    81.

    Abgesehen davon ist es erst die in Art. 218 Abs. 10 AEUV vorgesehene umfassende und unverzügliche Unterrichtung in allen Phasen des Verfahrens, die sicherstellt, dass das Parlament die Wahl der – formellen und materiellen – Rechtsgrundlage durch den Rat kritisch prüfen und zu dieser Frage gegebenenfalls seinen Standpunkt geltend machen kann ( 46 ). Nur wenn das Parlament über hinreichende Informationen zum Gegenstand und zum Fortgang der Verhandlungen über eine geplante internationale Übereinkunft verfügt, kann es sich zeitnah ein eigenes Bild von der Wahl der richtigen Rechtsgrundlage machen und seine möglicherweise bestehenden Mitspracherechte wirksam verteidigen. Je weniger der Rat das Parlament unterrichtet, desto mehr hat er es selbst in der Hand, sich ohne größere politische Widerstände auf eine ihm genehme Rechtsgrundlage festzulegen.

    82.

    Vor diesem Hintergrund ist nachfolgend zu prüfen, ob das Parlament im vorliegenden Fall so unterrichtet wurde, wie es Art. 218 Abs. 10 AEUV verlangt, nämlich in allen Phasen des Verfahrens, umfassend und unverzüglich.

    Die Pflicht zur Unterrichtung des Parlaments in allen Phasen des Verfahrens

    83.

    Was zunächst die Pflicht zur Unterrichtung des Parlaments in allen Phasen des Verfahrens anbelangt, so umfasst diese ohne jeden Zweifel eine Unterrichtung über die Einleitung und über den Abschluss des Verfahrens. Insoweit ist der Rat der ihm nach Art. 218 Abs. 10 AEUV obliegenden Pflicht nachgekommen, hat er doch das Parlament zunächst mit Schreiben vom 22. März 2010 über den bevorstehenden Beginn von Vertragsverhandlungen mit Tansania und sodann mit Schreiben vom 19. März 2014 über die Genehmigung des fertig ausgehandelten Abkommens informiert.

    84.

    Darin erschöpfen sich aber die Pflichten des Rates gegenüber dem Parlament keineswegs. Wie sich schon dem Wortlaut von Art. 218 Abs. 10 AEUV mit der Formulierung „in allen Phasen des Verfahrens“ unschwer entnehmen lässt, muss das Parlament nicht nur am Anfang und am Ende des Verfahrens zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft, sondern auch – und mit einer gewissen Regelmäßigkeit – während des laufenden Verfahrens über dessen Fortgang unterrichtet werden. Im Grundsatz hat dies sogar der Rat selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof eingeräumt.

    85.

    Sicherlich kann dabei die Unterrichtung des Parlaments gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV nicht von der gleichen Qualität und Intensität sein wie etwa die eines Sonderausschusses gemäß Art. 218 Abs. 4 AEUV, mit dem sich der Verhandlungsführer der Union während der gesamten Verhandlungen mit einem Drittstaat „ins Benehmen zu setzen“ hat. Auch muss das Parlament nicht über rein vorbereitende interne Vorgänge innerhalb der anderen Unionsorgane in Kenntnis gesetzt werden, etwa über die Aussprachen in Arbeitsgruppen des Rates oder im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten.

    86.

    Anders als der Rat meint, kann sich jedoch die Unterrichtung des Parlaments auch nicht allein auf diejenigen Etappen des Verfahrens beschränken, in denen der Rat irgendwelche formalen Beschlüsse fasst – namentlich die Erteilung eines Verhandlungsmandats und die Annahme von Richtlinien für den Verhandlungsführer. Vielmehr ist das Parlament darüber hinaus über etwa erzielte Zwischenergebnisse und wesentliche Verhandlungsfortschritte zu informieren, ferner über nennenswerte Schwierigkeiten, die während der Verhandlungen aufgetreten sein mögen. Dabei muss die Unterrichtung – mit Rücksicht auf alle Umstände des Einzelfalls und gegebenenfalls mit geeigneten Vorkehrungen für die vertrauliche Behandlung sensibler Informationen – stets in einer Art und Weise erfolgen, die dem Parlament genügend Raum lässt, seine Kontrollfunktion wirksam wahrzunehmen.

    87.

    Nur durch eine derartige, fortlaufende Unterrichtung kann das Parlament seiner demokratischen Kontrollfunktion gerecht werden und außerdem darauf achten, dass die vom Rat eingangs gewählte Rechtsgrundlage weiterhin die zutreffende ist. Dieser Funktion des Parlaments kommt nicht zuletzt in der GASP besondere Bedeutung zu, weil dort die gerichtliche Kontrolle – wie bereits erwähnt – stark eingeschränkt ist (Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV in Verbindung mit Art. 275 AEUV). Könnte das Parlament seine Rolle erst am Ende des Verfahrens, auf der Grundlage eines fertig ausgehandelten oder gar schon genehmigten internationalen Übereinkommens wahrnehmen, so wäre seine demokratische Kontrolle weit weniger wirkungsvoll.

    88.

    Da das Parlament im vorliegenden Fall während des laufenden Verfahrens keinerlei Nachricht über den Sachstand erhalten hat, liegt insoweit ein klarer Verstoß gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV vor.

    89.

    Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass nicht der Rat, sondern die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik während des laufenden Verfahrens das Heft des Handelns in der Hand hält. Denn zum einen trägt der Rat als beschlussfassendes Organ die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens in seiner Gesamtheit. Zum anderen muss sich der Rat etwaige Versäumnisse der Hohen Vertreterin zurechnen lassen, da diese nicht nur Vorsitzende des Rates für Auswärtige Angelegenheiten ist (Art. 18 Abs. 3 EUV), sondern zudem auch mit der Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik im Auftrag des Rates betraut ist (Art. 18 Abs. 2 Satz 2 EUV); speziell im vorliegenden Fall war die Hohe Vertreterin ganz konkret vom Rat zur Eröffnung der Verhandlungen mit Tansania ermächtigt worden ( 47 ) (Art. 218 Abs. 3 AEUV).

    Die Pflicht zur umfassenden Unterrichtung des Parlaments

    90.

    Was sodann die Pflicht zur umfassenden Unterrichtung anbelangt, so lassen beide Schreiben des Rates an das Parlament im vorliegenden Fall zu wünschen übrig.

    91.

    Erstens enthielt das Schreiben vom 22. März 2010, mit dem das Parlament über den bevorstehenden Beginn der Vertragsverhandlungen mit Tansania informiert wurde, keinerlei Angaben zu etwaigen Verhandlungsrichtlinien im Sinne von Art. 218 Abs. 4 AEUV.

    92.

    Dies ist mit Art. 218 Abs. 10 AEUV nicht vereinbar. Denn eine umfassende Unterrichtung des Parlaments setzt denknotwendig voraus, dass neben der schlichten Mitteilung über den Beginn von Vertragsverhandlungen auch Details zu dem seitens der Union angestrebten Inhalt der geplanten internationalen Übereinkunft übermittelt werden. Nur so ist wirksame demokratische Kontrolle möglich.

    93.

    Wie der Rat selbst unter Verweis auf frühere Fälle eingeräumt hat, stehen der Übermittlung von Verhandlungsrichtlinien an das Parlament keine unüberwindbaren Hindernisse entgegen. Insbesondere können nötigenfalls geeignete Vorkehrungen getroffen werden, um die vertrauliche Behandlung sensibler Informationen zu gewährleisten, etwa von Angaben zur Verhandlungsstrategie der Union oder von Angaben, die die außenpolitischen Interessen oder die Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten berühren.

    94.

    Zweitens waren dem Schreiben vom 19. März 2014, mit dem das Parlament über den Verfahrensabschluss informiert wurde, weder der angefochtene Beschluss noch das streitige Abkommen im Wortlaut beigefügt. Selbst zu einem späteren Zeitpunkt hat der Rat diese beiden Texte dem Parlament nicht offiziell übermittelt.

    95.

    Dies entspricht ebenfalls nicht den Anforderungen von Art. 218 Abs. 10 AEUV ( 48 ).

    96.

    Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass das Parlament den Kontext kannte, in den sich das geplante Abkommen mit Tansania einbettete, insbesondere weil bereits zwei ähnliche Abkommen mit anderen Drittstaaten geschlossen worden waren. Wie das Parlament sehr zu Recht betont, geht es nicht an, dass die gewählten Vertreter der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger ihre demokratische Kontrolle aufgrund von Mutmaßungen über den wahrscheinlichen Inhalt einer angestrebten internationalen Übereinkunft ausüben müssen.

    97.

    Anders als der Rat behauptet, ist es auch nicht Sache des Parlaments, von sich aus weitere Informationen anzufordern. Denn im Gegensatz zu anderen Vorschriften, etwa Art. 319 Abs. 2 AEUV, erlegt Art. 218 Abs. 10 AEUV dem Parlament keinerlei Obliegenheit auf, insoweit selbst die Initiative zu ergreifen. Eine solche Obliegenheit würde das Parlament schon wegen seiner fehlenden Kenntnisse über die Details und den Fortgang der Vertragsverhandlungen schwer benachteiligen und ihm die Ausübung der demokratischen Kontrolle erheblich erschweren. Nach Art. 218 Abs. 10 AEUV hat der Rat das Parlament ungefragt zu unterrichten. Dies gebieten letztlich das institutionelle Gleichgewicht und der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit unter den Organen (Art. 13 Abs. 2 EUV).

    98.

    Erst recht darf das Parlament nicht, wie im vorliegenden Fall, darauf angewiesen sein, den Inhalt eines Ratsbeschlusses und des mit ihm genehmigten Abkommens aus dem Amtsblatt der Europäischen Union zu erfahren. Denn wie der Gerichtshof bereits hervorgehoben hat, dient die Veröffentlichung im Amtsblatt nach Art. 297 AEUV nicht demselben Zweck wie die Unterrichtung des Parlaments gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV ( 49 ).

    99.

    Zwar ließe auch die Veröffentlichung im Amtsblatt dem Parlament noch genügend Zeit, den Beschluss und damit mittelbar auch das streitige Abkommen im Wege der Nichtigkeitsklage (Art. 263 Abs. 2 AEUV) auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Dabei handelt es sich aber um eine gerichtliche Kontrolle durch ein anderes Unionsorgan, die zudem auf Rechtsfragen beschränkt ist. Von ihr ist die demokratische Kontrolle, die das Parlament selbst vornimmt und bei der politische Bewertungen sowie Fragen der Zweckmäßigkeit im Vordergrund stehen, strikt zu unterscheiden. Kann diese demokratische Kontrolle erst ex post stattfinden, so ist sie notgedrungen weit weniger wirkungsvoll als während des laufenden Verfahrens zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft. Wird sie hingegen frühzeitig ermöglicht, so kann dies womöglich sogar zur Vermeidung späterer Rechtsstreitigkeiten zwischen den Organen beitragen.

    Die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung

    100.

    Zu guter Letzt ist das Parlament nach Art. 218 Abs. 10 AEUV auch unverzüglich zu unterrichten. Wie insbesondere ein Blick auf andere Sprachfassungen zeigt (Französisch: „immédiatement“, Englisch: „immediately“), zielt diese Formulierung auf eine sofortige, zumindest aber auf eine schnellstmögliche Unterrichtung des Parlaments ab ( 50 ).

    101.

    Mit der von ihm versandten Information über den bevorstehenden Beginn der Vertragsverhandlungen ist der Rat dieser Pflicht zweifelsohne nachgekommen, hat er doch sein Schreiben am 22. März 2010, also noch am selben Tag auf den Weg gebracht, an dem er die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit Tansania erteilt hatte.

    102.

    Anders verhält es sich allerdings mit der Unterrichtung über den Abschluss des Verfahrens: Der Umstand, dass der Rat das streitige Abkommen mit dem angefochtenen Beschluss genehmigt hatte, wurde dem Parlament erst mehr als eine Woche später, mit Schreiben vom 19. März 2014, mitgeteilt. Zwar ist dies im Vergleich zur Rechtssache C‑658/11, in der der Rat drei Monate verstreichen ließ ( 51 ), eine vergleichsweise kurze Verzögerung. Gleichwohl handelt es sich um eine nennenswerte Verzögerung, zumal im Zeitalter der modernen Kommunikation. Weder außergerichtlich noch im Verfahren vor dem Gerichtshof hat der Rat für diese Verzögerung auch nur den Ansatz einer Rechtfertigung vorgetragen ( 52 ). Unter diesen Umständen zeugt selbst eine solche, gut einwöchige Verzögerung, wie sie im vorliegenden Fall eingetreten ist, von mangelndem Respekt gegenüber der Volksvertretung, die weder mit dem Wortlaut noch mit dem Geist von Art. 218 Abs. 10 AEUV und der loyalen Zusammenarbeit unter den Organen (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EUV) zu vereinbaren ist.

    Zwischenergebnis

    103.

    Alles in allem hat also der Rat im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht seine Pflicht gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV zur umfassenden und umgehenden Unterrichtung des Parlaments in allen Phasen des Verfahrens verletzt. Der zweite Klagegrund des Parlaments ist folglich begründet.

    D – Zusammenfassung

    104.

    Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass nur der zweite Klagegrund des Parlaments Aussicht auf Erfolg hat. Da aber der Rat mit Art. 218 Abs. 10 AEUV eine wesentliche Formvorschrift verletzt hat, rechtfertigt dieser zweite Klagegrund schon für sich allein die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses ( 53 ) (Art. 263 Abs. 1 und 2 AEUV in Verbindung mit Art. 264 Abs. 1 AEUV).

    E – Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses

    105.

    Erklärt der Gerichtshof den angefochtenen Beschluss, wie von mir vorgeschlagen, allein auf der Basis des zweiten Klagegrundes für nichtig, so sollte er dessen Wirkungen im Einklang mit der einhelligen Auffassung aller Verfahrensbeteiligten gemäß Art. 264 Abs. 2 AEUV aufrechterhalten.

    106.

    Diese Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses gebietet sich aus Gründen der Rechtssicherheit, um die volle Wirksamkeit der strafrechtlichen Verfolgung und Aburteilung mutmaßlicher Seeräuber nicht zu beeinträchtigen. Denn auf diese Weise wird mit Blick auf Art. 10 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 3 der Gemeinsamen Aktion ( 54 ) von vornherein jedem Versuch die Grundlage entzogen, das Mandat von EUNAVFOR anzuzweifeln, wenn es gilt, vor der Küste Somalias aufgegriffene und der Piraterie verdächtigte Personen an Tansania zu überstellen. Ebenso können die Rechtswirkungen bereits erfolgter Handlungen in Anwendung des streitigen Abkommens nicht in Frage gestellt werden. Ganz allgemein wird überdies mit der Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses auf internationaler Ebene jede Unklarheit über den Bestand der von der Union mit der Genehmigung und Unterzeichnung des streitigen Abkommens eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen vermieden.

    107.

    Da der angefochtene Beschluss im Rahmen des zweiten Klagegrundes nicht wegen einer unzutreffenden materiellen oder formellen Rechtsgrundlage, sondern lediglich wegen Verletzung der Pflicht zur Unterrichtung des Parlaments für nichtig erklärt wird, sollten die Wirkungen dieses Beschlusses nicht nur vorübergehend, sondern auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten werden ( 55 ). Denn nach Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 erster Halbsatz AEUV wäre die versäumte Unterrichtung durch den Rat als solche, selbst wenn sie korrekt nachgeholt würde, für das Parlament mit keinen Mitspracherechten verbunden, nicht einmal ein Anhörungsrecht bestünde. Unter diesen Umständen würde es als übermäßig formalistisch anmuten, vom Rat gleichwohl die Wiederholung seiner Beschlussfassung binnen angemessener Frist zu verlangen.

    108.

    Anders verhielte es sich nur dann, wenn der Gerichtshof (auch) dem ersten Klagegrund des Parlaments stattgeben und einen Rechtsfehler bei der Wahl der Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss feststellen sollte. Eine solche Vorgehensweise hätte Auswirkungen auf die Mitspracherechte des Parlaments. Dann dürfte die Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses in Anlehnung an die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 56 ) nicht für unbegrenzte Zeit gewährt werden, sondern lediglich für die Zeit, die der Rat vernünftigerweise beanspruchen kann, um die festgestellte Rechtswidrigkeit im Hinblick auf die Wahl der Rechtsgrundlage zu beheben und dabei das Parlament ordnungsgemäß zu beteiligen. Eine Frist von zehn Monaten erschiene im vorliegenden Fall angemessen, um dem Rat die Einholung der Zustimmung des Parlaments gemäß Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a Ziff. v AEUV sowie die Annahme eines neuen, auf die richtigen Rechtsgrundlagen gestützten Beschlusses zu ermöglichen.

    VII – Kosten

    109.

    In Anwendung von Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da nach der von mir vorgeschlagenen Lösung der Rat mit seinem Vorbringen unterlegen ist und das Parlament einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind dem Rat die Kosten aufzuerlegen. Abweichend davon tragen allerdings die Tschechische Republik, das Königreich Schweden, das Vereinigte Königreich und die Europäische Kommission als Streithelfer gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung jeweils ihre eigenen Kosten.

    VIII – Ergebnis

    110.

    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

    1)

    Der Beschluss 2014/198/GASP des Rates vom 10. März 2014 wird für nichtig erklärt.

    2)

    Die Wirkungen des für nichtig erklärten Beschlusses werden aufrechterhalten.

    3)

    Dem Rat der Europäischen Union fallen seine eigenen Kosten und die Kosten des Europäischen Parlaments zur Last.

    4)

    Die Tschechische Republik, das Königreich Schweden, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Europäische Kommission tragen jeweils ihre eigenen Kosten.


    ( 1 ) Originalsprache: Deutsch.

    ( 2 ) Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025).

    ( 3 ) Beschluss 2014/198/GASP des Rates vom 10. März 2014 über die Unterzeichnung und den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Vereinigten Republik Tansania über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Vereinigte Republik Tansania (ABl. L 108, S. 1), im Folgenden auch: angefochtener Beschluss.

    ( 4 ) ABl. 2014, L 108, S. 3, im Folgenden auch: streitiges Abkommen.

    ( 5 ) Ich denke u. a. an die Erzählungen rund um die Figur des Long John Silver in „Die Schatzinsel“ (Robert Louis Stevenson) und an die „Tratos de Argel“ (Miguel de Cervantes), aber auch an Kindergeschichten wie „Pippi Langstrumpf in Taka-Tuka-Land“ (Astrid Lindgren) sowie „Jim Knopf und die Wilde 13“ (Michael Ende).

    ( 6 ) So auch Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:41, Rn. 4 und 5).

    ( 7 ) Gemeinsame Aktion 2008/851/GASP des Rates vom 10. November 2008 über die Militäroperation der Europäischen Union als Beitrag zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias (ABl. L 301, S. 33), in ihrer durch die Gemeinsame Aktion 2010/766/GASP (ABl. L 327, S. 49) und die Gemeinsame Aktion 2012/174/GASP (ABl. L 89, S. 69) geänderten Fassung, im Folgenden: Gemeinsame Aktion.

    ( 8 ) Vertrag über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Nizza.

    ( 9 ) Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen wurde am 10. Dezember 1982 in Montego Bay unterzeichnet. Die Europäische Union wie auch alle ihre Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien dieses Übereinkommens. Gemäß Art. 100 des Seerechtsübereinkommens arbeiten alle Staaten in größtmöglichem Maße zusammen, um die Seeräuberei auf Hoher See oder an jedem anderen Ort zu bekämpfen, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht. Art. 105 des Seerechtsübereinkommens erlaubt das Aufbringen von Seeräuberschiffen und ‑luftfahrzeugen sowie die Festnahme von Personen und die Beschlagnahme von Vermögenswerten an deren Bord; die Vorschrift gestattet außerdem strafrechtliche Maßnahmen seitens der Gerichte des Staates, der ein Seeräuberschiff oder ‑luftfahrzeug aufgebracht hat. Art. 107 der Seerechtskonvention regelt schließlich, welche Schiffe und Luftfahrzeuge der Staaten zum Aufbringen von Schiffen und Luftfahrzeugen wegen Seeräuberei berechtigt sind.

    ( 10 ) Parallel zu den Verhandlungen mit Tansania wurden außerdem Verhandlungen mit Mauritius, Mosambik, Südafrika und Uganda in die Wege geleitet.

    ( 11 ) Vgl. den ersten Bezugsvermerk in der Präambel des angefochtenen Beschlusses.

    ( 12 ) Was das Königreich Schweden anbelangt, so beantragt es zwar nicht ausdrücklich die Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses, seinen Ausführungen lässt sich aber entnehmen, dass es das darauf gerichtete Begehren des Rates unterstützt.

    ( 13 ) Während die meisten Verfahrensbeteiligten in ihren Schriftsätzen zu beiden Klagegründen Stellung nehmen, beschränkt die Tschechische Republik ihre Ausführungen auf den zweiten Klagegrund, wohingegen das Königreich Schweden und die Kommission sich auf den ersten Klagegrund konzentrieren.

    ( 14 ) Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 72 und 73); vgl. ergänzend auch die Schlussanträge des Generalanwalts Bot in jener Rechtssache (EU:C:2014:41, Rn. 137 und 138).

    ( 15 ) Nur hinsichtlich der Überwachung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen über restriktive Maßnahmen ist die Zuständigkeit des Gerichtshofs gemäß der zweiten Alternative von Art. 275 Abs. 2 AEUV ausdrücklich auf Klagen gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV beschränkt.

    ( 16 ) So auch Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, insbesondere Rn. 87).

    ( 17 ) Noch weiter gehend vertritt die Kommission die Auffassung, der angefochtene Beschluss falle ausschließlich in den Anwendungsbereich der justiziellen Zusammenarbeit für Strafsachen, so dass allein Art. 82 AEUV als einzige Befugnisnorm für ihn in Betracht gekommen wäre.

    ( 18 ) Vgl. dazu insbesondere die Urteile Kommission/Rat (C‑94/03, EU:C:2006:2, Rn. 55 und 56) und Vereinigtes Königreich/Rat (C‑81/13, EU:C:2014:2449, Rn. 35).

    ( 19 ) Urteile Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 43 und 44), Kommission/Rat (C‑377/12, EU:C:2014:1903, Rn. 34) und Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 43).

    ( 20 ) So die Feststellungen des Gerichtshofs zum Parteivorbringen im Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 44 und 45).

    ( 21 ) Der Rat und seine Streithelfer berufen sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Rn. 58, 59 und 62 des Urteils Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025).

    ( 22 ) Urteile Kommission/Rat (C‑94/03, EU:C:2006:2, Rn. 50), Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 48) und Vereinigtes Königreich/Rat (C‑81/13, EU:C:2014:2449, Rn. 36); vgl. auch Urteil Vereinigtes Königreich/Rat (C‑431/11, EU:C:2013:589, Rn. 66).

    ( 23 ) Eine Ausnahme bildet der – hier nicht einschlägige – Art. 79 Abs. 3 AEUV, in dem eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für den Abschluss von Übereinkünften über die Rückübernahme von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen in ihr Ursprungs- oder Herkunftsland enthalten ist.

    ( 24 ) Die AETR-Doktrin geht auf das Urteil Kommission/Rat (AETR, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 15 bis 19) zurück; eine Zusammenfassung jüngeren Datums findet sich etwa im Gutachten 1/03 (EU:C:2006:81, Rn. 114 bis 133).

    ( 25 ) Vgl. dazu meine Schlussanträge in der Rechtssache Vereinigtes Königreich/Rat (C‑81/13, EU:C:2014:2114, Rn. 104); im selben Sinne bereits zuvor meine Schlussanträge in der Rechtssache Vereinigtes Königreich/Rat (C‑431/11, EU:C:2013:187, Rn. 64 bis 70).

    ( 26 ) Urteile Kommission/Rat (C‑300/89, EU:C:1991:244, Rn. 10), Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 42) und Vereinigtes Königreich/Rat (C‑81/13, EU:C:2014:2449, Rn. 35).

    ( 27 ) Urteile Vereinigtes Königreich/Rat (C‑431/11, EU:C:2013:589, Rn. 48), Vereinigtes Königreich/Rat (C‑656/11, EU:C:2014:97, Rn. 50) und Vereinigtes Königreich/Rat (C‑81/13, EU:C:2014:2449, Rn. 38).

    ( 28 ) Art. 3 Abs. 1 und 2 des streitigen Abkommens.

    ( 29 ) Art. 3 Abs. 3, Art. 4 und Art. 5 des streitigen Abkommens.

    ( 30 ) Art. 6 des streitigen Abkommens.

    ( 31 ) Art. 7 des streitigen Abkommens.

    ( 32 ) Vgl. dazu Urteil Kommission/Parlament und Rat (C‑43/12, EU:C:2014:298, Rn. 45 bis 50); im selben Sinne – bezogen auf die Festlegung der Rechte von Drittstaatsangehörigen innerhalb der Union – Urteile Vereinigtes Königreich/Rat (C‑431/11, EU:C:2013:589, Rn. 62 bis 67) und Vereinigtes Königreich/Rat (C‑81/13, EU:C:2014:2449, Rn. 40 bis 46).

    ( 33 ) Dort ist von „justizieller Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union“ (Art. 82 Abs. 1 AEUV) und von „polizeilicher Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten“ (Art. 87 Abs. 1 AEUV) die Rede; Hervorhebungen nur hier.

    ( 34 ) Vgl. Art. 12 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Gemeinsamen Aktion.

    ( 35 ) Vgl. im selben Sinne die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, insbesondere die Urteile vom 4. Dezember 2014, Samatar u. a./Frankreich (Beschwerde-Nr. 17110/10 u. a., ECLI:CE:ECHR:2014:1204JUD001711010, Rn. 41 bis 59) und Hassan u. a./Frankreich (Beschwerde-Nr. 46695/10 u. a., ECLI:CE:ECHR:2014:1204JUD004669510, Rn. 60 bis 72 und 86 bis 104), jeweils zu Art. 5 EMRK.

    ( 36 ) Vgl. dazu insbesondere Art. 10 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 3 der Gemeinsamen Aktion.

    ( 37 ) Ähnlich die Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:50, Rn. 64), bezogen auf die Ziele der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit.

    ( 38 ) Vgl. ergänzend die eingehende Analyse von Generalanwalt Bot zum EU/Mauritius-Abkommen in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:41, Rn. 68 bis 121), die mit im Wesentlichen vergleichbaren Argumenten zum selben Ergebnis kommt (siehe dort insbesondere Rn. 83 und 109 bis 115).

    ( 39 ) Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, insbesondere Rn. 85).

    ( 40 ) Urteile Roquette Frères/Rat (138/79, EU:C:1980:249, Rn. 33), Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 81) und Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 81).

    ( 41 ) Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:41, insbesondere Rn. 142 bis 144).

    ( 42 ) Beispielsweise könnte sich das Parlament in einem Fall wie dem vorliegenden dafür interessieren, ob das in der Union geltende Verbot der Todesstrafe (Art. 2 Abs. 2 der Charta der Grundrechte) hinreichend Berücksichtigung gefunden hat. Was wäre, wenn der Rat versäumt hätte, im streitigen Abkommen entsprechende Vorkehrungen zu treffen? Und reicht es aus, im streitigen Abkommen kein ausdrückliches, sondern lediglich ein verklausuliertes Verbot der Todesstrafe vorzusehen? Ich erinnere daran, dass die Gemeinsame Aktion in ihrem Art. 12 Abs. 3 die Gefahr, mit dem Tode bestraft zu werden, ausdrücklich zum Hinderungsgrund für eine Überstellung mutmaßlicher Seeräuber an Drittstaaten erhebt, wohingegen Art. 5 des streitigen Abkommens diesen Punkt lediglich indirekt und mit geringerer Symbolkraft anspricht, nämlich dahin gehend, dass keine der überstellten Personen „für eine Tat vor Gericht gestellt [wird], die mit einer schärferen Höchststrafe als lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist“.

    ( 43 ) Ich denke insbesondere an das geplante Freihandelsabkommen „TTIP“ mit den Vereinigten Staaten von Amerika, an das SWIFT‑Abkommen und an das Abkommen zur Übermittlung von Fluggastdaten („Passenger Name Records“), aber auch an den in Art. 6 Abs. 2 EUV sowie in Art. 218 Abs. 6 und 8 AEUV vorgesehenen Beitritt der Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

    ( 44 ) Die Erklärung Nr. 14 zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat (ABl. 2008, C 115, S. 343), betont in ihrem zweiten Absatz, dass die Bestimmungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik im Vertrag von Lissabon „die Rolle des Europäischen Parlaments nicht erweitern“.

    ( 45 ) Vgl. insbesondere die Art. 1 Abs. 2 EU und 21 EU.

    ( 46 ) Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 86).

    ( 47 ) So ausdrücklich das Schreiben vom 22. März 2010.

    ( 48 ) In diesem Sinne auch Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:41, Rn. 155).

    ( 49 ) Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 79).

    ( 50 ) Im deutschen Recht wird angenommen, dass die Formulierung „unverzüglich“ ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“ erfordert (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).

    ( 51 ) Vgl. dazu Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 77 und Rn. 15 bis 17).

    ( 52 ) Insbesondere hat sich der Rat hier nicht auf Übersetzungsprobleme berufen. Sollten eine internationale Übereinkunft oder der sie genehmigende Beschluss des Rates nicht sofort in allen Amtssprachen der Union vorliegen, so hat der Rat dem Parlament zunächst die verfügbaren Sprachfassungen zu übermitteln und etwa ausstehende Übersetzungen später unverzüglich nachzureichen.

    ( 53 ) Im selben Sinne Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, insbesondere Rn. 80, 86 und 87).

    ( 54 ) Bekanntlich setzt die Überstellung von Personen an einen Drittstaat gemäß diesen beiden Vorschriften den vorherigen Abschluss eines Abkommens mit diesem Drittstaat voraus, in dem die Bedingungen der Überstellung festgelegt werden.

    ( 55 ) Vgl. Urteil Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, insbesondere Rn. 91).

    ( 56 ) Urteile Parlament/Rat (C‑355/10, EU:C:2012:516, Rn. 90), Kommission/Rat (C‑137/12, EU:C:2013:675, insbesondere Rn. 81) und Kommission/Parlament und Rat (C‑43/12, EU:C:2014:298, Rn. 56).

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