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Document 62011CC0535

Schlussanträge der Generalanwältin E. Sharpston vom 31. Januar 2013.
Novartis Pharma GmbH gegen Apozyt GmbH.
Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Hamburg.
Vorabentscheidungsersuchen – Verordnung (EG) Nr. 726/2004 – Humanarzneimittel – Zulassungsverfahren – Zulassungserfordernis – Begriff der Arzneimittel, die mit Hilfe bestimmter biotechnologischer Verfahren ‚hergestellt‘ werden, in Nr. 1 des Anhangs dieser Verordnung – Umpacken – Injektionslösung, die in Flaschen zur einmaligen Verwendung vertrieben wird, deren Inhalt an therapeutischer Lösung größer ist als die tatsächlich zur ärztlichen Behandlung verwendete Menge – Inhalt solcher Flaschen, der auf Verschreibung durch einen Arzt teilweise, je nach Höhe der verschriebenen Dosen, in Spritzen gefüllt wird, ohne das Arzneimittel zu verändern.
Rechtssache C‑535/11.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:53

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 31. Januar 2013 ( 1 )

Rechtssache C-535/11

Novartis Pharma GmbH

gegen

Apozyt GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Hamburg [Deutschland])

„Öffentliche Gesundheit — Genehmigungsverfahren für Humanarzneimittel — Arzneimittel, in dessen Genehmigung für das Inverkehrbringen das Gefäß vorgeschrieben ist, in dem das Arzneimittel in den Verkehr gebracht wird — Umfüllen des Arzneimittels in ein anderes Gefäß — Zum Erfordernis einer neuen Genehmigung für das Inverkehrbringen“

1. 

Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird der Gerichtshof um Auslegung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Humanarzneimitteln in der Union gebeten. Es geht um ein Arzneimittel, für das dem Unternehmen A eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde, der zufolge u. a. das Inverkehrbringen des Arzneimittels in einem Gefäß bestimmter Größe erfolgen muss. Sodann nimmt das Unternehmen B das Arzneimittel, füllt es in ein kleineres Gefäß um und verkauft es auf ärztliche Verordnung an einzelne Patienten. Das Verfahren führt nicht zu einer Änderung des Arzneimittels. Das Unternehmen B vertreibt das Arzneimittel in der beschriebenen Form, ohne eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu besitzen. Ist das Unternehmen hierzu berechtigt?

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

2.

Die Vorschriften für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Humanarzneimitteln sind in zwei grundlegenden Rechtsakten enthalten. Hierbei handelt es sich derzeit um die Verordnung Nr. 726/2004 ( 2 ) und die Richtlinie 2001/83 ( 3 ). Mit dem erstgenannten Rechtsakt wird ein zentrales Verfahren festgelegt, das für Arzneimittel bestimmter Art gilt; eine entsprechend erteilte Genehmigung ist automatisch in der gesamten Union gültig. Im letztgenannten Rechtsakt sind die Verfahren geregelt, die die Mitgliedstaaten bei der Erteilung von Genehmigungen für nicht von der Verordnung erfasste Arzneimittel einhalten müssen.

3.

Obwohl sich das vorlegende Gericht in der Formulierung seiner Frage ausschließlich auf die Verordnung bezieht, wäre jede Darstellung der einschlägigen Rechtsvorschriften ohne Berücksichtigung der in der Richtlinie 2001/83 normierten Erfordernisse unvollständig. Sie wäre außerdem unzulänglich, wenn nicht auch ein kurzer Überblick über die Entstehungsgeschichte der Vorschriften gegeben würde, und mit eben diesem Überblick will ich beginnen ( 4 ).

Kurzer Überblick über die Entstehungsgeschichte der Vorschriften

4.

Die erste Gemeinschaftsmaßnahme zur Regelung von Arzneimitteln war die Richtlinie 65/65 ( 5 ). In ihren Erwägungsgründen kommt das Bestreben zum Ausdruck, die einschlägigen Vorschriften auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Arzneispezialitäten in der (damaligen) Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anzugleichen. Es wird darauf verwiesen, dass diese Angleichung naturgemäß nur schrittweise erfolgen könne und dass zunächst diejenigen Unterschiede beseitigt werden müssten, die das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes am stärksten beeinträchtigen könnten ( 6 ). Zu diesem Zweck wurde mit Art. 3 der Richtlinie 65/65 zum ersten Mal normiert, dass eine Arzneispezialität in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats die Genehmigung dafür (im Folgenden auch: Verkehrsgenehmigung) erteilt hat.

5.

Durch die Richtlinie 75/319 ( 7 ) wurden nicht nur die Bestimmungen über Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln geändert, sondern auch neue Regeln für die Herstellung solcher Erzeugnisse hinzugefügt. Insbesondere hatten die Mitgliedstaaten nach Art. 16 Abs. 1 alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Herstellung von Arzneispezialitäten von einer Erlaubnis (im Folgenden auch: Herstellungserlaubnis) abhängig gemacht wird. Gemäß Art. 16 Abs. 2 war diese Erlaubnis „sowohl für die vollständige oder teilweise Herstellung als auch für die Abfüllung, das Abpacken und die Aufmachung erforderlich“. Gleichzeitig enthielt diese Bestimmung eine Ausnahme von dem Erlaubniserfordernis für „die Zubereitung, die Abfüllung oder die Änderung der Abpackung oder Aufmachung“, sofern diese Vorgänge lediglich im Hinblick auf die Abgabe durch Apotheker in einer Apotheke oder durch andere Personen vorgenommen werden, die in den Mitgliedstaaten zu dieser Tätigkeit gesetzlich ermächtigt sind.

6.

Die Richtlinie 87/22 ( 8 ) schuf im Hinblick auf die Herbeiführung einheitlicher Entscheidungen in der ganzen Gemeinschaft einen Gemeinschaftsmechanismus, der sicherstellt, dass vor einzelstaatlichen Entscheidungen über technologisch hochwertige Arzneimittel die notwendige Konzertierung stattfindet. Zu den Arzneimitteln, für die dieses Verfahren galt, zählten auch die im Anhang Liste A aufgeführten Arzneimittel, die mit Hilfe der Technologie der rekombinierten DNS oder mit Hilfe von Verfahren auf der Basis von Hybridomen und monoklonalen Antikörpern hergestellt werden.

7.

Der nächste bedeutsame Rechtsakt war die Richtlinie 89/341 ( 9 ). Durch Art. 1 dieses Rechtsakts wurde Art. 3 der Richtlinie 65/65 dahin geändert, dass für das Inverkehrbringen von sogenannten „gewerblich zubereiteten Arzneimitteln, die nicht der Definition der Arzneispezialitäten entsprechen“, ebenfalls eine Genehmigung benötigt wurde. In dieser Vorschrift war auch eine Ausnahme vorgesehen für u. a. Arzneimittel, die nach einer formula magistralis oder officinalis zubereitet werden; darüber hinaus konnten die Mitgliedstaaten bestimmte Arzneimittel „in besonderen Bedarfsfällen“ ausnehmen.

8.

Mit der Richtlinie 92/25 ( 10 ) wurde der Bereich der Arzneimittel betreffenden Kontrollen weiter ausgedehnt. So musste sich nach Art. 3 Abs. 1 ein Arzneimittelgroßhändler im Besitz einer entsprechenden Genehmigung (im Folgenden auch: Großhandelsgenehmigung) befinden, wobei nach Art. 3 Abs. 3 die Fiktion galt, dass eine Herstellungserlaubnis nach Art. 16 der Richtlinie 75/319 auch eine Genehmigung zum Großhandelsvertrieb umfasst. Diese Maßnahme hatte daher zur Folge, dass die gesamte Vertriebskette für Arzneimittel bis hin zur Abgabe an die Öffentlichkeit Kontrollen unterlag. Damit vollendete sich der Prozess, der mit den durch die Richtlinie 65/65 eingeführten Bestimmungen über Verkehrsgenehmigungen seinen Anfang genommen hatte. Vor Abschluss dieser Zusammenfassung will ich jedoch noch zwei weitere Rechtsakte erwähnen.

9.

Der erste ist die Richtlinie 93/39 ( 11 ), durch deren Art. 1 Abs. 1 eine Änderung von Art. 3 der Richtlinie 65/65 dahin erfolgte, dass im Zusammenhang mit Arzneimitteln der Begriff „Arzneispezialitäten“ nicht mehr verwendet wurde.

10.

Der zweite ist die Verordnung Nr. 2309/93 ( 12 ). In den Erwägungsgründen heißt es, die aufgrund der Richtlinie 87/22 gewonnenen Erfahrungen hätten gezeigt, dass es erforderlich sei, ein zentralisiertes Gemeinschaftsgenehmigungsverfahren (im Folgenden: zentralisiertes Verfahren) für technologisch hochwertige Arzneimittel, insbesondere aus der Biotechnologie, einzurichten, und dass die Gemeinschaftsverfahren zur Genehmigung von Arzneimitteln neben den nationalen Verfahren der Mitgliedstaaten in einer bestimmten Reihenfolge in Kraft gesetzt werden müssten ( 13 ). Zu diesem Zweck bestimmte Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2309/93, dass ein unter Teil A des Anhangs fallendes Arzneimittel innerhalb der Gemeinschaft nur in Verkehr gebracht werden durfte, wenn von der Gemeinschaft gemäß der genannten Verordnung eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden war. Zu den in Teil A des Anhangs aufgeführten Arzneimitteln gehörten auch Arzneimittel, die mit Hilfe der Technologie der rekombinierten DNS, sowie Arzneimittel, die mit Hilfe von Verfahren auf der Basis von Hybridomen und monoklonalen Antikörpern hergestellt werden.

11.

Dieser kurze Überblick zeigt, dass es sich hier nicht um einen Bereich handelt, in dem das Recht stillsteht. Die Richtlinie 65/65 wurde vor ihrer Aufhebung durch elf Rechtsakte geändert, erweitert oder teilweise aufgehoben, und auch die Richtlinie 2001/83 ist seit ihrem Erlass zwölfmal geändert worden. Das zentralisierte Verfahren hat sich weniger häufig gewandelt, jedoch wurde die Verordnung Nr. 2309/93 vor ihrer Ersetzung dreimal angepasst, und die Verordnung Nr. 726/2004 ist seit ihrem Inkrafttreten sechsmal geändert worden. Im Ergebnis ist ein Flickwerk von Änderungen nicht immer völlig kohärent auf bestehende Vorschriften aufgesetzt worden. Der Gerichtshof hat sich bereits veranlasst gesehen, die mangelnde Kohärenz der in der Richtlinie 2001/83 verwendeten Terminologie festzustellen ( 14 ). Die Kommission weist in ihren Erklärungen im vorliegenden Fall auf Unterschiede zwischen den Sprachfassungen hin, die Verwirrung stiften könnten ( 15 ). Bei den in Rede stehenden Rechtsvorschriften ist meines Erachtens vor allem ein teleologischer Auslegungsansatz geboten.

12.

Nach Darstellung dieses Hintergrundes wende ich mich nunmehr konkret der Richtlinie 2001/83 und der Verordnung Nr. 726/2004 zu.

Richtlinie 2001/83

13.

Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie „[müssen a]lle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln … in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten“.

14.

Im 35. Erwägungsgrund heißt es, dass „[d]as gesamte Vertriebsnetz im Arzneimittelbereich von der Herstellung bzw. der Einfuhr in die Gemeinschaft bis hin zur Abgabe an die Öffentlichkeit … einer Kontrolle unterliegen [muss]“.

15.

Art. 2 Abs. 1 bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für Humanarzneimittel, die in den Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden sollen und die entweder gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt.“

16.

Art. 3 lautet:

„Diese Richtlinie gilt nicht für:

1.

Arzneimittel, die in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zubereitet werden (sog. formula magistralis);

2.

[i]n der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitete Arzneimittel, die für die unmittelbare Abgabe an die Patienten bestimmt sind, die Kunden dieser Apotheke sind (sog. formula officinalis);

…“

17.

Art. 5 Abs. 1 sieht vor:

„Ein Mitgliedstaat kann gemäß den geltenden Rechtsbestimmungen in besonderen Bedarfsfällen Arzneimittel von den Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie ausnehmen, die auf eine nach Treu und Glauben aufgegebene Bestellung, für die nicht geworben wurde, geliefert werden und die nach den Angaben eines zugelassenen Angehörigen der Gesundheitsberufe hergestellt werden und zur Verabreichung an einen bestimmten Patienten unter seiner unmittelbaren persönlichen Verantwortung bestimmt sind.“

18.

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 besagt:

„Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 … erteilt wurde.“

19.

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 betrifft u. a. Variationen eines Arzneimittels, für das eine Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde. Für solche Variationen muss entweder eine neue Genehmigung nach Unterabs. 1 vorliegen, oder sie müssen in die ursprünglich erteilte Genehmigung einbezogen werden.

20.

Nach Art. 8 Abs. 3 sind dem Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels die in der Vorschrift genannten Angaben beizufügen. Diese umfassen:

„…

j)

Eine Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels …, ein Modell der äußeren Umhüllung …, der Primärverpackung des Arzneimittels[ ( 16 ) ] …

…“

21.

In Art. 11 sind die Angaben aufgeführt, die in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels nach Art. 8 Abs. 3 Buchst. j enthalten sein müssen. Hierzu gehören nach Art. 11 Nr. 6.5 „Art und Inhalt des Behältnisses“ und nach Art. 11 Nr. 6.6 „gegebenenfalls besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung von angebrochenen Arzneimitteln oder der davon stammenden Abfallmaterialien“.

22.

Gemäß Art. 21 Abs. 1 teilt die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, bei dem der Antrag gestellt wurde, bei der Erteilung einer Verkehrsgenehmigung dem Inhaber die von ihr genehmigte Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels mit.

23.

Art. 40, der zu Titel IV („Herstellung und Import“) gehört, bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten treffen alle zweckdienlichen Maßnahmen, damit die Herstellung von Arzneimitteln auf ihrem Gebiet von einer Erlaubnis abhängig gemacht wird. Die Herstellungserlaubnis ist auch erforderlich, wenn die hergestellten Arzneimittel für die Ausfuhr bestimmt sind.

(2)   Die Erlaubnis nach Absatz 1 ist sowohl für die vollständige oder teilweise Herstellung als auch für die Abfüllung, das Abpacken und die Aufmachung erforderlich.

Diese Erlaubnis ist jedoch nicht erforderlich für die Zubereitung, die Abfüllung oder die Änderung der Abpackung oder Aufmachung, sofern diese Vorgänge lediglich im Hinblick auf die Abgabe durch Apotheker in einer Apotheke oder durch andere Personen vorgenommen werden, die in den Mitgliedstaaten zu dieser Tätigkeit gesetzlich ermächtigt sind.

…“

24.

In Art. 46 sind die Verpflichtungen des Inhabers einer Herstellungserlaubnis aufgeführt. Sie betreffen im Wesentlichen das Herstellungsverfahren als solches und umfassen die Pflicht zur Einhaltung der Grundsätze und Leitlinien guter Herstellungspraxis für Arzneimittel.

25.

Gemäß Art. 77 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass für den Großhandel mit Arzneimitteln ( 17 ) eine Großhandelsgenehmigung vorgeschrieben ist. Die Pflichten der Inhaber einer solchen Großhandelsgenehmigung sind in Art. 80 genannt.

Verordnung Nr. 726/2004

26.

In Art. 1 heißt es:

„Ziel dieser Verordnung ist die Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung, Überwachung und Pharmakovigilanz im Bereich [Humanarzneimittel] …“

27.

Gemäß Art. 2 gelten die in Art. 1 der Richtlinie enthaltenen Begriffsbestimmungen für die Zwecke der Verordnung.

28.

Art. 3 Abs. 1 lautet:

„Ein unter den Anhang fallendes Arzneimittel darf innerhalb der Gemeinschaft nur in Verkehr gebracht werden, wenn von der Gemeinschaft gemäß dieser Verordnung eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist.“

29.

In den Art. 4 bis 10 sind die Verfahren für Anträge auf Arzneimittelgenehmigungen festgelegt. Die Anträge sind bei der durch die Verordnung errichteten Europäischen Arzneimittel-Agentur ( 18 ) einzureichen, die die Aufgabe der Antragsprüfung an den Ausschuss für Humanarzneimittel ( 19 ) delegiert. Nach Art. 6 Abs. 1 sind jedem Antrag die u. a. in Art. 8 Abs. 3 und Art. 11 sowie im Anhang I der Richtlinie 2001/83 genannten Angaben und Unterlagen beizufügen. Im Fall eines positiven Ausschussgutachtens für die Erteilung der Genehmigung ist dem Gutachten nach Art. 9 Abs. 4 Buchst. a der Entwurf der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels gemäß Art. 11 der Richtlinie beizufügen. Gemäß Art. 10 Abs. 1 erstellt die Kommission einen Entwurf einer Entscheidung über den Antrag; dieser Entwurf enthält die in Art. 9 Abs. 4 Buchst. a bis d genannten Unterlagen oder nimmt darauf Bezug. Der Entscheidungsentwurf wird den Mitgliedstaaten und dem Antragsteller zugeleitet. Anschließend erlässt die Kommission eine endgültige Entscheidung nach den in Art. 10 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 3 genannten Verfahren.

30.

Art. 13 Abs. 1 bestimmt:

„Unbeschadet des Artikels 4 Absätze 4 und 5 der Richtlinie 2001/83/EG ist eine Genehmigung für das Inverkehrbringen, die nach der vorliegenden Verordnung erteilt worden ist, für die gesamte Gemeinschaft gültig. Sie umfasst die gleichen Rechte und Pflichten in jedem einzelnen Mitgliedstaat wie eine Genehmigung, die von dem jeweiligen Mitgliedstaat nach Artikel 6 der Richtlinie 2001/83/EG erteilt wird.“

31.

Gemäß Art. 16 Abs. 1 berücksichtigt der Inhaber der Verkehrsgenehmigung den Stand von Wissenschaft und Technik und nimmt gegebenenfalls die notwendigen Änderungen vor, um die Herstellung des Arzneimittels gemäß den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Methoden sicherzustellen. Er beantragt in Übereinstimmung mit der Verordnung eine Genehmigung für entsprechende Änderungen.

32.

Nr. 1 des Anhangs („Von der Gemeinschaft zu genehmigende Arzneimittel“) der Verordnung lautet:

„Arzneimittel, die mit Hilfe eines der folgenden biotechnologischen Verfahren hergestellt werden:

Technologie der rekombinierten DNS;

kontrollierte Expression in Prokaryonten und Eukaryonten, einschließlich transformierter Säugetierzellen, von Genen, die für biologisch aktive Proteine kodieren;

Verfahren auf der Basis von Hybridomen und monoklonalen Antikörpern.“

33.

Die Verordnung enthält keine Regelung über die Herstellungserlaubnis oder die Großhandelsgenehmigung. Für diese gilt ausschließlich die Richtlinie.

Deutsches Recht

34.

Nach § 21 Abs. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln dürfen Arzneimittel nur in den Verkehr gebracht werden, wenn für sie eine Verkehrsgenehmigung nach der Richtlinie 2001/83 oder der Verordnung Nr. 726/2004 erteilt worden ist. § 21 Abs. 2 des genannten Gesetzes sieht eine Ausnahme u. a. für Arzneimittel vor, die für Apotheken bestimmt sind, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, sowie für Arzneimittel, die in unveränderter Form abgefüllt werden.

Sachverhalt und zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage

35.

Novartis ist Inhaberin einer gemäß der Verordnung Nr. 726/2004 erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels „Lucentis“, das sie in der Union vertreibt ( 20 ). Das Medikament wird zur Behandlung der feuchten altersbedingten Maculadegeneration (AMD), einer die Sehfähigkeit beeinträchtigenden Netzhauterkrankung, verwendet. Es enthält den Wirkstoff Ranibizumab ( 21 ). Das Arzneimittel wird intravitreal injiziert, d. h. direkt ins Auge. Novartis vertreibt Lucentis in Durchstechflaschen mit einem Inhalt von 0,23 ml zu einem Preis von rund 1200 Euro. Die empfohlene Dosierung beträgt 0,05 ml. Nach der Fachinformation ist der Inhalt der Durchstechflasche auf eine (mitgelieferte und für diese Verwendung zugelassene) 1-ml-Spritze zu ziehen; vor der Injektion soll dann die 0,05 ml übersteigende Menge ausgestoßen werden, um – wie es in der Fachinformation heißt – das Eindringen von Keimen zu verhindern. Bei jeder Durchstechflasche bleiben also 0,18 ml unverwendet. In der der Verkehrsgenehmigung beigefügten Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels heißt es, dass die Durchstechflasche nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt ist, dass die Wiederverwendung zu Infektionen und/oder anderen Erkrankungen/Verletzungen führen kann und dass nicht verwendetes Arzneimittel oder Abfallmaterial entsprechend den nationalen Anforderungen zu entsorgen ist.

36.

Bei „Avastin“ handelt es sich um ein Arzneimittel zur Behandlung bestimmter Krebsarten, das in Deutschland von der Roche Pharma AG vertrieben wird und für das dieses Unternehmen eine nach der Verordnung erteilte Verkehrsgenehmigung besitzt ( 22 ). Das Arzneimittel enthält den Wirkstoff Bevacizumab. Über eine Zulassung für die Behandlung von AMD verfügt Avastin nicht, es kann allerdings zu diesem Zweck verwendet werden, da der darin enthaltene Wirkstoff die Art von Wachstum hemmt, das zu AMD führt. Bevor Lucentis zur Behandlung von Patienten zur Verfügung stand, befand sich kein Arzneimittel im Verkehr, das speziell zur Behandlung dieser Krankheit bestimmt war. Trotz der Zulassung von Lucentis wird Avastin auch weiterhin zu diesem Zweck verwendet, da es zu einem sehr viel geringeren Preis zu erwerben ist ( 23 ). Eine solche Verwendung ist nach deutschem Recht mit ausdrücklicher Zustimmung des Patienten zulässig. Avastin wird in Durchstechflaschen mit einem Inhalt von 4 ml und 16 ml vertrieben ( 24 ). Nach der Fachinformation soll das darin enthaltene Konzentrat mit Kochsalzlösung verdünnt und als Infusion verabreicht werden. In der der Verkehrsgenehmigung beigefügten Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels heißt es, dass Avastin zur einmaligen Anwendung bestimmt ist, da das Produkt keine Konservierungsmittel enthält, und dass nicht verwendetes Arzneimittel oder Abfallmaterial entsprechend den nationalen Anforderungen zu beseitigen ist.

37.

Apozyt stellt Fertigspritzen her, die jeweils nur die für eine Injektion notwendige Dosis des betreffenden Arzneimittels enthalten. Zu diesen Arzneimitteln gehören auch Lucentis und Avastin. Dabei füllt Apozyt den Inhalt aus der Originaldurchstechflasche in mehrere sterile Spritzen, die dann zur Injektion durch einen Arzt in ganz Deutschland ausgeliefert werden. Das Arzneimittel selbst wird nicht verändert. Die Herstellung erfolgt unter sterilen Bedingungen, und zwar nach dem Vorbringen von Apozyt jeweils im Auftrag einer Apotheke, der für einen Patienten eine ärztliche Verschreibung vorliegt. Da die betreffenden Durchstechflaschen nach Maßgabe der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, die Bestandteil der Verkehrsgenehmigung ist ( 25 ), zum einmaligen Gebrauch bestimmt sind, scheinen die Tätigkeiten von Apozyt den Genehmigungen zuwiderzulaufen. Apozyt besitzt keine eigene Zulassung für die von ihr vertriebenen Erzeugnisse.

38.

Novartis erhob beim Landgericht Hamburg Klage, mit der sie u. a. beantragt, es Apozyt zu untersagen, für die Behandlung von Augenkrankheiten bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis bzw. des Arzneimittels Avastin herzustellen, in den Verkehr zu bringen und anzubieten. Zur Begründung trägt sie vor, dass für die Ausübung der in Rede stehenden Tätigkeiten eine Genehmigung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung erforderlich sei und eine solche nicht vorliege. Das nationale Gericht erklärt in seinem Vorlagebeschluss, dass es aufgrund der innerstaatlichen wettbewerblichen Vorschriften gehalten sei, die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, falls Novartis Recht habe mit ihrer Auffassung, dass für die Tätigkeiten von Apozyt eine Verkehrsgenehmigung benötigt werde.

39.

Apozyt macht geltend, dass eine solche Genehmigung nicht benötigt werde, da ihre Tätigkeiten nicht als „Herstellen“ der Arzneimittel im Sinne des Anhangs der Verordnung zu verstehen seien.

40.

Vor dem nationalen Gericht streiten die Parteien auch über die Sicherheit der betreffenden Arzneimittel infolge der Vorgehensweise von Apozyt. Novartis macht geltend, der Umstand, dass die von ihr angebotenen Durchstechflaschen mehr als die benötigte Dosiermenge enthielten, sei produktionstechnischen Abläufen geschuldet und solle darüber hinaus die sichere Anwendung von Lucentis gewährleisten ( 26 ). Die Wirksamkeit sei nicht gesichert, wenn das Arzneimittel anders als in der Fachinformation vorgesehen verwendet werde. Auch bestünde die Gefahr, dass Bakterien eindrängen. Da weder Lucentis noch Avastin Konservierungsstoffe enthielten, könnten außerdem Probleme bei der Haltbarkeit auftreten. Nach Ansicht von Apozyt wird durch die Lieferung des Arzneimittels in gebrauchsfertigen Mengen die Sicherheit sogar noch erhöht. Insbesondere erfolge das Abfüllen in die Spritze bei Apozyt unter sterilen Bedingungen, die bei den Ärzten dagegen nicht immer gegeben seien.

41.

Da sich das nationale Gericht nicht sicher ist, wie die Verordnung Nr. 726/2004 auszulegen ist, hat es folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Umfasst der Begriff „hergestellt“ im Einleitungssatz des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 auch solche Prozesse, bei denen Teilmengen eines nach den genannten Verfahren entwickelten und fertig produzierten Medikaments auf jeweilige Verschreibung und Beauftragung durch einen Arzt in ein anderes Gefäß abgefüllt werden, wenn dadurch die Zusammensetzung des Arzneimittels nicht verändert wird, also insbesondere die Herstellung von Fertigspritzen, die mit einem nach der Verordnung zugelassenen Medikament befüllt worden sind?

Würdigung

Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 726/2004

42.

Der Gerichtshof wird um Auslegung des Begriffs „hergestellt“ im Einleitungssatz des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 ersucht. Die Vorlagefrage impliziert, dass anhand der Antwort des Gerichtshofs dann entschieden werden kann, ob für die Tätigkeiten von Apozyt eine Verkehrsgenehmigung erforderlich ist.

43.

Nach Ansicht der Kommission missversteht das nationale Gericht mit der von ihm gewählten Fragestellung das Wesen der Verordnung als legislative Maßnahme. Da die Verordnung im Wesentlichen verfahrensrechtliche Zwecke verfolge, führe eine Prüfung ihres Wortlauts nicht zur Beantwortung der materiell-rechtlichen Frage, die gelöst werden müsse, damit das nationale Gericht ein Urteil in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit erlassen könne.

44.

Dem stimme ich zu.

45.

Vor Erlass der Verordnung Nr. 2309/93 ( 27 ) (des Vorgängerrechtsakts der Verordnung Nr. 726/2004) war die Rechtslage zusammengefasst dergestalt, dass die Rechtsvorschriften (damals noch) der Gemeinschaft über die Zulassung von Arzneimitteln ausschließlich in der Richtlinie 65/65 in der geänderten Fassung enthalten waren. Dies galt unabhängig davon, welcher Natur das Erzeugnis war. Zwar war in der Richtlinie 87/22 vorgesehen, dass vor einzelstaatlichen Entscheidungen über technologisch hochwertige Arzneimittel die notwendige Konzertierung stattfindet, aber es gab kein gemeinschaftsweites Zulassungsverfahren.

46.

Dieses Verfahren wurde durch die Verordnung Nr. 2309/97 eingeführt und in den Nachfolgerechtsakt, die Verordnung Nr. 726/2004, übernommen. So nennt die letztgenannte Verordnung im Rahmen ihres Titels I („Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich“) in Art. 1 als Ziel „die Festlegung von Gemeinschaftsverfahren“ für u. a. die Genehmigung im Bereich Humanarzneimittel sowie die Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur. Im Weiteren bestimmt dann Art. 3, dass ein unter den Anhang fallendes Arzneimittel innerhalb der Gemeinschaft nur in Verkehr gebracht werden darf, wenn von der Gemeinschaft gemäß der Verordnung eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist. Der Anhang wiederum enthält eine kurze Beschreibung der Arten von Arzneimitteln, die im zentralisierten Verfahren zu genehmigen sind. Abgesehen von den Bestimmungen über Veterinärarzneimittel, um die es in den vorliegenden Schlussanträgen nicht geht, regelt der Rest der Verordnung im Wesentlichen die Folgen, die sich aus der Einführung gemeinschaftsweiter Vorschriften über die Zulassung von Arzneimitteln ergeben. Mit anderen Worten, Anliegen der Verordnung ist es nicht, neue Verfahren festzulegen, die über das im Hinblick auf den Verordnungszweck Erforderliche hinausgehen.

47.

Die Wechselbeziehung zwischen der Richtlinie 2001/83 und der Verordnung Nr. 726/2004 habe ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Litauen ( 28 ) erörtert, in denen ich ausgeführt habe, dass die beiden Regelungen nicht voneinander isoliert betrachtet werden können, sondern miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen finden sich in der Richtlinie, während die Verordnung im Wesentlichen Verfahrensbestimmungen enthält ( 29 ). Ich sehe keinen Grund, von dieser Sichtweise abzurücken.

48.

Da im Anhang der Verordnung Nr. 726/2004 die Arzneimittel umrissen werden sollen, die einer Genehmigung im zentralisierten Verfahren bedürfen, kann er keine materiell-rechtliche Wirkung entfalten. Er dient als Bezugspunkt bei der Feststellung, ob ein Arzneimittel nach diesem Verfahren zu genehmigen ist (andernfalls ist für das Arzneimittel eine Genehmigung nach den durch die Richtlinie 2001/83 geregelten nationalen Verfahren erforderlich). Der Anhang ist jedoch nicht maßgebend dafür, ob ein bestimmtes Arzneimittel oder ein auf ein Arzneimittel angewandtes bestimmtes Verfahren als solches der Genehmigung bedarf.

49.

Die vorstehende Würdigung mag zwar eine technische Antwort auf die Frage des nationalen Gerichts liefern, die als solche jedoch nicht nützlich ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten aber Aufgabe des Gerichtshofs, dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Zu diesem Zweck hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren ( 30 ).

50.

Deshalb schlage ich vor, die Frage des nationalen Gerichts wie folgt umzuformulieren:

Kann bei einem entwickelten und fertig produzierten Arzneimittel, das unter Nr. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 fällt und für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist, in der die Gefäße bezeichnet sind, in denen das Arzneimittel zu vertreiben ist, ein Prozess, bei dem 1. Teilmengen des Arzneimittels auf jeweilige Verschreibung und Beauftragung durch einen Arzt in ein anderes Gefäß abgefüllt werden, bei dem aber 2. die Zusammensetzung des Arzneimittels nicht verändert wird, durchgeführt werden, ohne dass hierfür eine eigene Genehmigung für das Inverkehrbringen oder eine Änderung einer bereits erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung erforderlich ist?

Anwendungsbereich und Zielsetzung der Vorschriften

51.

Das übergeordnete Erfordernis, das erfüllt sein muss, wenn ein Arzneimittel ( 31 ) in einem Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht werden soll, ist in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/83 normiert. Nach dieser Vorschrift muss für das betreffende Arzneimittel zuvor eine Verkehrsgenehmigung entweder gemäß der Richtlinie oder gemäß dem in der Verordnung Nr. 726/2004 geregelten Verfahren erteilt worden sein.

52.

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 stellt klar, dass das Erfordernis einer Genehmigung nicht nur für das erste Inverkehrbringen des Arzneimittels besteht, sondern im Wesentlichen auch für jede Modifizierung des Arzneimittels, u. a. auch für alle „weiteren … Verabreichungsformen sowie alle Änderungen und Erweiterungen“. Art. 16 Abs. 1 der Verordnung schreibt ebenfalls vor, dass Änderungen des Arzneimittels in seiner zugelassenen Form einer Genehmigung bedürfen.

53.

Zum Umfang der Verkehrsgenehmigungspflicht hat sich der Gerichtshof im Urteil Aventis ( 32 ) geäußert, in dem er im Hinblick auf das (jetzt in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung und den Art. 8 Abs. 3 und Art. 11 der Richtlinie 2001/83 aufgeführte) Erfordernis, dass dem Antrag auf Genehmigung die in diesen Vorschriften genannten Angaben und Unterlagen beizufügen sind, sowie im Hinblick auf das mit den Angaben über die Verpackung verbundene Ziel festgestellt hat, dass damit „einer Irreführung des Verbrauchers vorgebeugt und so die öffentliche Gesundheit geschützt werden soll“ ( 33 ). Diese Feststellungen gelten meines Erachtens für alle Angaben und Unterlagen, die dem Antrag beizufügen sind.

54.

Somit steht fest, dass sich die Vorschriften auf alle Aspekte eines Arzneimittels beziehen, die von seiner Verkehrsgenehmigung umfasst werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ab welchem Punkt die die Genehmigung betreffenden Pflichten nicht mehr bestehen. Lässt sich z. B. angesichts der sich auf ein Arzneimittel beziehenden Formulierung „in den Verkehr gebracht werden“ in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/83 argumentieren, dass ein Dritter das Arzneimittel anschließend ohne irgendeine Form der Genehmigung verändern darf? Dass die Rechtsvorschriften nach dem Inverkehrbringen des Arzneimittels gewissermaßen erschöpft sind?

55.

Ich meine, dass sich so nicht argumentieren lässt.

56.

Der Gerichtshof hat zwar in Bezug auf das verwandte Warenzeichenrecht entschieden, dass dieses mit dem erstmaligen Inverkehrbringen eines von ihm erfassten Erzeugnisses erschöpft sei ( 34 ). Es trifft auch zu, dass der Gesetzgeber im Bereich medizinischer Geräte den Begriff „Inverkehrbringen“ im Sinne einer ersten Überlassung des Geräts definiert hat ( 35 ).

57.

Allerdings ist der vorliegende Fall meines Erachtens anders gelagert. Ich habe bereits auf die Bemerkung des Gerichtshofs zur mangelnden Kohärenz der in der Richtlinie 2001/83 verwendeten Terminologie hingewiesen ( 36 ). Eine Auslegung des Begriffs „Inverkehrbringen“ in einer bestimmten Weise, die allein auf seiner entsprechenden Auslegung in anderen in (verhältnismäßig) engem Zusammenhang stehenden Vorschriften beruht, wäre unbefriedigend. Außerdem ist der Begriff in den Rechtsakten über die Zulassung von Arzneimitteln gerade nicht so definiert, in den Rechtsakten über medizinische Geräte hingegen schon. Der Begriff des Inverkehrbringens und die daran anknüpfende Doktrin der Erschöpfung im Bereich der Warenzeichenrechte stehen in einem vollkommen anderen Kontext, der hier nicht gegeben ist.

58.

Der Kontext ist meiner Meinung nach im vorliegenden Fall jedoch der alles entscheidende Faktor. Im 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 heißt es unmissverständlich, dass „[d]as gesamte Vertriebsnetz im Arzneimittelbereich von der Herstellung bzw. der Einfuhr in die Gemeinschaft bis hin zur Abgabe an die Öffentlichkeit … einer Kontrolle unterliegen [muss]“. Meines Erachtens endet das Erfordernis des Bestehens (und damit naturgemäß der Beachtung) einer Verkehrsgenehmigung nicht mit dem Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens des betreffenden Arzneimittels (was ja zur Folge hätte, dass die mit der Genehmigung verbundenen Auflagen in der Folgezeit außer Acht gelassen werden dürften). Eine Erschöpfung tritt erst mit Beendigung des Vertriebsvorgangs ein. Eine Verkehrsgenehmigung muss daher bei jedem Überlassen des betreffenden Arzneimittels bestehen, bis es durch Abgabe an die Öffentlichkeit tatsächlich verbraucht wird.

59.

Jede andere Auslegung würde dem Erfordernis, dass das gesamte Vertriebsnetz einer Kontrolle unterliegt, nicht gerecht.

60.

Außerdem würde die Systematik der Vorschriften missachtet. Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 und Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 hat der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels bei der zuständigen Behörde eine neue Genehmigung oder die Änderung einer bestehenden Genehmigung zu beantragen, wenn er das Arzneimittel gegenüber der Form, in der es zugelassen wurde, verändert. Angesichts dessen wäre es unsinnig, wenn ein Dritter berechtigt wäre, das nämliche Arzneimittel ohne Beantragung einer Genehmigung zu ändern.

61.

Ich bin daher der Ansicht, dass Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/83 im Sinne von „Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats … eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat … und das Arzneimittel gemäß dieser Genehmigung vertrieben wird“ zu verstehen ist. Eine solche Auslegung steht auch im Einklang mit dem „in erster Linie“ verfolgten Ziel der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, das im zweiten Erwägungsgrund deutlich formuliert ist, nämlich „einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit [zu] gewährleisten“.

62.

Selbstverständlich können die Tätigkeiten eines bestimmten Beteiligten unter eine der in den Vorschriften vorgesehenen Ausnahmen fallen; diesen Ausnahmetatbeständen wende ich mich im Folgenden zu.

Ausnahmetatbestände

Art. 3 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2001/83

63.

In Art. 3 der Richtlinie 2001/83 ist eine Reihe von Fällen aufgeführt, für die die Richtlinie nicht gilt. Insbesondere die ersten beiden Nummern verdienen Beachtung. Sie betreffen Arzneimittel, die „in einer Apotheke … zubereitet werden“, bzw. „[i]n der Apotheke … zubereitete Arzneimittel“.

64.

Nach Art. 3 Nr. 1 sind Arzneimittel ausgenommen, deren Zubereitung nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten erfolgt. Gemäß Art. 3 Nr. 2 gilt eine ähnliche Ausnahme für nach einer Pharmakopöe zubereitete Arzneimittel, die für die unmittelbare Abgabe an die Patienten bestimmt sind, die Kunden dieser Apotheke sind. Der Zweck dieser Ausnahmen liegt auf der Hand. Die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit soll von dem komplizierten, um nicht zu sagen kostspieligen, System der Verkehrsgenehmigungen in Fällen freigestellt werden, die in allen Mitgliedstaaten wenn nicht täglich, so doch regelmäßig vorkommen. Sie setzen voraus, dass die Zubereitung des betreffenden Arzneimittels in einer Apotheke – d. h. von einem Apotheker oder unter seiner Aufsicht – vorgenommen wird. Die Öffentlichkeit ist also geschützt, denn die Zubereitung liegt in der Verantwortung eines qualifizierten Angehörigen der medizinischen Berufe, der über Sachkunde in der Abgabe des Arzneimittels verfügt. Aufgrund der weiteren in diesen Vorschriften genannten Voraussetzungen ist sichergestellt, dass die Ausnahme nur gilt, soweit der Apotheker die Arzneimittel im Einzelfall abgibt. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Zubereitung nicht in dem erforderlichen Umfang beaufsichtigt wird.

65.

In Fällen, in denen kein Apotheker beteiligt ist, finden die in Art. 3 Nrn. 1 und 2 geregelten Ausnahmen keine Anwendung.

66.

Kann eine implizite weitere Ausnahme angenommen werden, der zufolge eine Zubereitung von Arzneimitteln, bei der kein industrielles Verfahren eingesetzt wird, die aber nicht in einer Apotheke erfolgt, aufgrund der genannten Vorschriften ebenfalls vom Anwendungsgebiet der Richtlinie 2001/83 ausgenommen werden sollte?

67.

Ich meine nicht.

68.

Nach Art. 2 Abs. 1 gilt die Richtlinie „für Humanarzneimittel, die … entweder gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt“. Sodann sind in Art. 3 diejenigen Arzneimittel beschrieben, die nicht in dieser Weise zubereitet werden. Die beiden Bestimmungen sind nicht so konzipiert, dass zwischen ihnen eine irgendwie geartete „Lücke“ verbliebe, die durch eine implizite Ausnahme der soeben beschriebenen Art geschlossen werden müsste.

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83

69.

Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 können die Mitgliedstaaten in besonderen Bedarfsfällen Arzneimittel von den Bestimmungen der Richtlinie ausnehmen, die auf eine nach Treu und Glauben aufgegebene Bestellung, für die nicht geworben wurde, geliefert werden und die nach den Angaben eines zugelassenen Angehörigen der Gesundheitsberufe hergestellt werden und zur Verabreichung an einen bestimmten Patienten unter seiner unmittelbaren persönlichen Verantwortung bestimmt sind. Der Gerichtshof hat entschieden, dass diese Ausnahme nur Arzneimittel betrifft, für die es auf dem nationalen Markt kein genehmigtes Äquivalent gibt oder die auf diesem Markt nicht verfügbar sind ( 37 ). Da die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Tätigkeiten Arzneimittel betreffen, die sehr wohl auf dem Markt verfügbar sind, werde ich diesen Ausnahmetatbestand nicht näher prüfen.

Art. 40 der Richtlinie 2001/83

70.

Nach Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Herstellung von Arzneimitteln auf ihrem Gebiet von einer Herstellungserlaubnis abhängig gemacht wird. Gemäß Art. 40 Abs. 2 Unterabs. 1 umfasst „herstellen“ in diesem Sinne „sowohl … die vollständige oder teilweise Herstellung als auch … die Abfüllung, das Abpacken und die Aufmachung“.

71.

Unterabs. 2 sieht jedoch eine Ausnahme von dem Erfordernis der Herstellungserlaubnis für Tätigkeiten vor, die „die Zubereitung, die Abfüllung oder die Änderung der Abpackung oder Aufmachung“ betreffen, sofern diese Vorgänge lediglich im Hinblick auf die Abgabe durch Apotheker in einer Apotheke oder durch andere Personen vorgenommen werden, die in den Mitgliedstaaten zu dieser Tätigkeit gesetzlich ermächtigt sind. Nach Auffassung der Kommission könnte diese Ausnahme im vorliegenden Fall eingreifen.

72.

Die Herstellungserlaubnis gehört zu einer Reihe von durch die Rechtsvorschriften geschaffenen Kontrollen, die (je nach der speziellen Tätigkeit) als Erfordernis des Besitzes einer Herstellungserlaubnis, einer Großhandelsgenehmigung oder einer Verkehrsgenehmigung ausgestaltet sind. Auch wenn es insofern zu gewissen Überschneidungen kommen mag, als der Besitz einer Herstellungserlaubnis deren Inhaber in der Regel vom Erfordernis des Besitzes einer Genehmigung für den Großhandelsvertrieb der betreffenden Arzneimittel entbindet (nicht jedoch umgekehrt) ( 38 ), bleibt es doch dabei, dass es sich im Wesentlichen um eigenständige Tätigkeitsbereiche handelt.

73.

Im vorliegenden Fall bezieht sich die Frage des nationalen Gerichts auf eine Genehmigung für das Inverkehrbringen. Es besteht wohl kein ernsthafter Zweifel daran, dass sich die im Ausgangsverfahren beanstandeten Tätigkeiten auf das Inverkehrbringen der fraglichen Arzneimittel erstrecken. In den Vorschriften finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Befreiung von dem Erfordernis des Besitzes einer Herstellungserlaubnis zwangsläufig bedeutet, dass die befreite Person keine Verkehrsgenehmigung benötigt, sofern und soweit sie das Arzneimittel in den Verkehr bringen will und nicht aufgrund einer anderen Bestimmung von dem Erfordernis des Besitzes einer Verkehrsgenehmigung befreit ist ( 39 ). Die Argumentation der Kommission greift deshalb meiner Meinung nach nicht durch.

Sonstige Erwägungen

Wirtschaftliche Gesichtspunkte

74.

Irland weist darauf hin, dass das Verfahren des „Abfüllens“ in seinem Gesundheitswesen, insbesondere in Krankenhausapotheken, weit verbreitet sei. Es führt aus, dass dieses Verfahren bei der Behandlung von AMD zu Kosteneinsparungen in Höhe von jährlich mindestens 2 Mio. Euro führe, und ersucht den Gerichtshof, die Vorschriften nicht so auszulegen, dass es zu einem aus der Sicht Irlands inakzeptablen Ergebnis kommt.

75.

Sowohl die Richtlinie 2001/83 als auch die Verordnung Nr. 726/2004 bezwecken die Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit. Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen keine Rolle, was auch durch den 13. Erwägungsgrund der Verordnung bestätigt wird, in dem es heißt, dass für die zu treffenden Entscheidungen „die objektiven wissenschaftlichen Kriterien der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels unter Ausschluss wirtschaftlicher oder sonstiger Erwägungen zugrunde gelegt werden [sollten]“. In Bezug auf die Richtlinie hat der Gerichtshof im Urteil Kommission/Polen die Berücksichtigung finanzieller Erwägungen bei der Auslegung der in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme abgelehnt ( 40 ).

76.

Ich möchte jedoch Folgendes hinzufügen. Aufgrund der in Art. 40 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Ausnahme ist u. a. für die Abfüllung oder die Änderung der Abpackung eines Arzneimittels keine Herstellungserlaubnis erforderlich, wenn diese Vorgänge durch Apotheker in einer Apotheke oder durch andere Personen vorgenommen werden, die in den Mitgliedstaaten zu dieser Tätigkeit gesetzlich ermächtigt sind. Weitere Voraussetzung ist, dass sie lediglich im Hinblick auf die Abgabe erfolgen. Meines Erachtens umfasst dies die genannten Tätigkeiten, wenn sie für einen Patienten in einer Krankenhausapotheke vorgenommen werden. Was die Pflicht zum Besitz einer Verkehrsgenehmigung angeht, sind nach Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie Arzneimittel ausgenommen, die in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zubereitet werden. Ich vermag zwar keine abschließende Stellungnahme abzugeben, da die spezifischen Merkmale der betreffenden Verfahren vor dem Gerichtshof nicht näher erörtert worden sind, jedoch scheint mir, dass die von mir vorstehend beschriebenen Ausnahmen den Gesundheitsversorgungsdiensten normalerweise die Zubereitung von Medikamenten für bestimmte Patienten erlauben, auch wenn für diese Tätigkeiten ansonsten eine Verkehrsgenehmigung erforderlich wäre.

Ärztliche Therapiefreiheit

77.

Irland spricht die Frage der Therapiefreiheit an, die es Ärzten erlaube, für ihre Patienten die nach ihrem Fachurteil geeignetste Verschreibung vorzunehmen. Diese Freiheit impliziere, dass Arzneimittel, bei denen Verfahren zur Anwendung kämen, wie sie etwa Apozyt vornehme, ohne Genehmigung in den Verkehr gebracht werden dürften, sofern solche Tätigkeiten auf eine von einem Arzt ausgestellte Verschreibung für einen bestimmten Patienten erfolgten.

78.

Diese These scheint mir zu weit formuliert zu sein, als dass sie Gültigkeit beanspruchen könnte. Zwar ist die Möglichkeit der Ärzte, nach ihrem Ermessen Verschreibungen für ihre Patienten auszustellen, ein wichtiges Element ihrer Berufsfreiheit. Diese Freiheit gilt aber andererseits auch nicht unbeschränkt. So dürften Ärzte wohl im Rahmen der Bestimmungen des nationalen Rechts z. B. Beschränkungen bei der Verschreibung von Betäubungsmitteln an ihre Patienten unterliegen.

79.

Ich meine aber, dass ab dem im Einklang mit den Vorschriften erfolgenden rechtmäßigen Inverkehrbringen eines Arzneimittels der Umstand, dass die Genehmigung für eine bestimmte Behandlungsform erteilt worden ist, das Verhältnis zwischen Arzt und Patient unberührt lässt. Es steht dem Arzt daher – gegebenenfalls unter der Voraussetzung der Zustimmung des Patienten – frei, diesem ein bestimmtes Erzeugnis zu verschreiben, auch wenn dieses Erzeugnis für die Behandlung einer anderen Krankheit zugelassen ist als derjenigen, an der der Patient leidet ( 41 ). Die Therapiefreiheit des Arztes, Verschreibungen im besten Interesse seines Patienten vorzunehmen, ist gewahrt.

Nachtrag: zuständige Behörde für die Erteilung von Verkehrsgenehmigungen

80.

Ich habe auf die Wechselbeziehung zwischen der Richtlinie 2001/83 und der Verordnung Nr. 726/2004 verwiesen ( 42 ). Ich habe außerdem ausgeführt, dass das für die Erteilung einer Verkehrsgenehmigung geltende Verfahren auch für Änderungen der ursprünglich erteilten Genehmigung gilt. Für mich liegt auf der Hand, dass ein Rechtssubjekt, dem eine Genehmigung nach dem einen Verfahren erteilt worden ist, einen Antrag auf Änderung bei der Behörde zu stellen hat, die die Erstgenehmigung erteilt hat.

81.

Dies muss meines Erachtens auch dann gelten, wenn ein anderes Rechtssubjekt ein Humanarzneimittel, für das eine Genehmigung vorliegt, in geänderter Form in den Verkehr bringen will. Wie dargelegt, ist nach den Vorschriften die Zuständigkeit für die Erteilung von Genehmigungen entweder einer zentralen Stelle gemäß der Verordnung Nr. 726/2004 oder den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2001/83 zugewiesen ( 43 ). Diese Regelung beruht insbesondere darauf, dass die Sachkunde bezüglich Arzneimitteln, die nach der Verordnung zentral zu genehmigen sind, bei der Behörde vorhanden sein wird, die in der Verordnung zu diesem Zweck bestimmt worden ist, und nicht bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Folglich sollte für den Antrag des anderen Rechtssubjekts auf Erteilung einer Verkehrsgenehmigung auch diese durch die Verordnung bestimmte Behörde zuständig sein. Zwar sieht Art. 3 Abs. 3 der Verordnung vor, dass bestimmte Generika gemäß der Richtlinie genehmigt werden, obwohl das zugrunde liegende Referenzarzneimittel im zentralisierten Verfahren genehmigt wurde, jedoch handelt es sich hierbei um eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, die nur im Hinblick auf das für Erzeugnisse dieser Art anwendbare vereinfachte Verfahren gilt. Es besteht kein Grund, diesen Ausnahmetatbestand auszudehnen.

Ergebnis

82.

Nach alledem bin ich der Meinung, dass der Gerichtshof die vom Landgericht Hamburg gestellte Frage in folgendem Sinne beantworten sollte:

Bei einem entwickelten und fertig produzierten Arzneimittel, das unter Nr. 1 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur fällt und für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist, in der die Gefäße bezeichnet sind, in denen das Arzneimittel zu vertreiben ist, kann ein Prozess, bei dem 1. Teilmengen des Arzneimittels auf jeweilige Verschreibung und Beauftragung durch einen Arzt in ein anderes Gefäß abgefüllt werden, bei dem aber 2. die Zusammensetzung des Arzneimittels nicht verändert wird, nicht durchgeführt werden, ohne dass hierfür eine eigene Genehmigung für das Inverkehrbringen oder eine Änderung einer bereits erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung erforderlich ist.

Von dieser Regel besteht eine Ausnahme, soweit Art. 3 Nr. 1 oder 2 oder Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel Anwendung findet. Art. 3 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie ist jedoch nicht anwendbar, wenn das in Rede stehende Arzneimittel nicht in einer Apotheke zubereitet wird, und Art. 5 Abs. 1 ist nur anwendbar, wenn es für das betreffende Arzneimittel auf dem nationalen Markt kein genehmigtes Äquivalent gibt oder wenn das genehmigte Arzneimittel auf diesem Markt nicht verfügbar ist. Die in Art. 40 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie vorgesehene Ausnahme bezieht sich auf die Herstellungserlaubnis und gilt nicht für die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136, S. 1) in der zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1027/2012 vom 25. Oktober 2012 (ABl. L 316, S. 38) geänderten Fassung (im Folgenden auch: Verordnung).

( 3 ) Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der zuletzt durch die Richtlinie 2012/26/EU vom 25. Oktober 2012 (ABl. L 299, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden auch: Richtlinie).

( 4 ) Ich beabsichtige nicht, jeden einzelnen Rechtsakt über die Genehmigung von Arzneimitteln umfassend zu prüfen. Im Folgenden werden lediglich die Maßnahmen angesprochen, die für den dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt am bedeutsamsten sind.

( 5 ) Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, Nr. 22, S. 369).

( 6 ) Vgl. Erwägungsgründe 4 und 5.

( 7 ) Zweite Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13).

( 8 ) Richtlinie 87/22/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der einzelstaatlichen Maßnahmen betreffend das Inverkehrbringen technologisch hochwertiger Arzneimittel, insbesondere aus der Biotechnologie (ABl. 1987, L 15, S. 38).

( 9 ) Richtlinie 89/341/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 zur Änderung der Richtlinien 65/65/EWG, 75/318/EWG und 75/319/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 142, S. 11).

( 10 ) Richtlinie 92/25/EWG des Rates vom 31. März 1992 über den Großhandelsvertrieb von Humanarzneimitteln (ABl. L 113, S. 1).

( 11 ) Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Änderung der Richtlinien 65/65/EWG, 75/318/EWG und 75/319/EWG betreffend Arzneimittel (ABl. L 214, S. 22).

( 12 ) Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1).

( 13 ) Vgl. Erwägungsgründe 2 und 18.

( 14 ) Vgl. Urteil vom 28. Juni 2012, Caronna (C-7/11, Randnr. 32).

( 15 ) Die Kommission hebt insbesondere die Verwendung des Begriffs „hergestellt“ im Einleitungssatz des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 in ihrer deutschen Sprachfassung in Verbindung mit der Verwendung desselben Begriffs („Herstellung“) in Art. 16 der Verordnung hervor. Andere Sprachfassungen verwenden an diesen Stellen jeweils unterschiedliche Begriffe. So heißt es z. B. in der französischen Sprachfassung „issus de“ bzw. „fabrication“ und in der englischen entsprechend „developed“ im Einleitungssatz des Anhangs und „manufacture“ in Art. 16. Ein deutscher Leser könnte also zu der Annahme verleitet werden, dass ein Bezug zwischen diesen beiden Teilen des Rechtsakts besteht, während französische und englische Leser den Eindruck gewinnen könnten, dass kein Zusammenhang beabsichtigt sei.

( 16 ) Vgl. die Begriffsbestimmungen für „Primärverpackung“ und „äußere Umhüllung“ in Art. 1 Nr. 23 bzw. Nr. 24.

( 17 ) Im Sinne von Art. 1 Nr. 17.

( 18 ) Vgl. die Art. 1 und 4 Abs. 1.

( 19 ) Eingerichtet gemäß Art. 5 Abs. 1.

( 20 ) Die Erteilung der Verkehrsgenehmigung erfolgte am 22. Januar 2007 unter Nr. EU/1/06/374/001.

( 21 ) Sowohl Ranibizumab (bei Lucentis) als auch Bevacizumab (bei Avastin) fallen unter den Anhang der Verordnung, da es sich um Arzneimittel handelt, die mit Hilfe von Technologie der rekombinierten DNS (erster Gedankenstrich) und mit Hilfe von Verfahren auf der Basis von Hybridomen und monoklonalen Antikörpern (dritter Gedankenstrich) hergestellt werden.

( 22 ) Die Erteilung der Verkehrsgenehmigung erfolgte am 12. Januar 2005 unter der Nr. EU/1/04/300/001. Roche Pharma ist am Ausgangsverfahren nicht beteiligt.

( 23 ) Apozyt gibt in ihren schriftlichen Erklärungen an, dass sich bei Verwendung ihrer Erzeugnisse eine Kosteneinsparung von ungefähr 50 % gegenüber dem Preis von Lucentis ergebe.

( 24 ) Der Vorlagebeschluss enthält keine Angaben zur angemessenen Dosis für Avastin. Irland führt in seinen schriftlichen Erklärungen jedoch aus, dass nach seinen Informationen die Menge zur Behandlung von AMD zwischen 0,04 ml und 0,1 ml liegt.

( 25 ) Siehe oben, Nr. 22 zur Richtlinie und Nr. 29 zur Verordnung.

( 26 ) Es ist nicht erkennbar, welcher Standpunkt in Bezug auf Avastin eingenommen wird.

( 27 ) Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1).

( 28 ) Rechtssache C-350/08 (Urteil vom 28. Oktober 2010, Slg. 2010, I-10525).

( 29 ) Vgl. Nrn. 90 und 92.

( 30 ) Vgl. u. a. Urteil vom 11. Oktober 2007, Freeport (C-98/06, Slg. 2007, I-8319, Randnr. 31).

( 31 ) Im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83. Gemäß Art. 2 der Verordnung Nr. 726/2004 gilt diese Begriffsbestimmung auch für die Zwecke der Verordnung.

( 32 ) Urteil vom 19. September 2002 (C-433/00, Slg. 2002, I-7761).

( 33 ) Randnrn. 23 und 25. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in jener Rechtssache, Nr. 45, in denen er anmerkt, dass „sich eine … Genehmigung für das Inverkehrbringen … nicht nur auf die Bestandteile des in Frage stehenden Arzneimittels [bezieht]“.

( 34 ) Vgl. Urteil vom 10. Oktober 1978, Centrafarm (3/78, Slg. 1978, 1823, Randnr. 11).

( 35 ) Vgl. Art. 1 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 90/385/EWG des Rates vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte (ABl. L 189, S. 17) in geänderter Fassung, Art. 1 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. L 169, S. 1) in geänderter Fassung und Art. 1 Abs. 2 Buchst. i der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika (ABl. L 331, S. 1).

( 36 ) Siehe oben, Nr. 11.

( 37 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2012, Kommission/Polen (C-185/10, Randnr. 36).

( 38 ) Vgl. den jetzigen Art. 77 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83.

( 39 ) Siehe unten, Nr. 76.

( 40 ) Oben in Fn. 37 angeführt, Randnr. 38.

( 41 ) Tatsächlich scheint die Verschreibung von Avastin zur Behandlung von AMD-Patienten ein solcher Fall zu sein – siehe oben, Nr. 36.

( 42 ) Siehe oben, Nrn. 42 ff.

( 43 ) Siehe oben, Nr. 48.

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