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Document 62009CA0396

    Rechtssache C-396/09: Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 20. Oktober 2011 (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale ordinario di Bari — Italien) — Interedil Srl, in Liquidation/Fallimento Interedil Srl, Intesa Gestione Crediti SpA (Vorabentscheidungsersuchen — Befugnis eines unteren Gerichts, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen — Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 — Insolvenzverfahren — Internationale Zuständigkeit — Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners — Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes in einen anderen Mitgliedstaat — Begriff „Niederlassung“ )

    ABl. C 362 vom 10.12.2011, p. 3–4 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    10.12.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 362/3


    Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 20. Oktober 2011 (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale ordinario di Bari — Italien) — Interedil Srl, in Liquidation/Fallimento Interedil Srl, Intesa Gestione Crediti SpA

    (Rechtssache C-396/09) (1)

    (Vorabentscheidungsersuchen - Befugnis eines unteren Gerichts, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen - Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 - Insolvenzverfahren - Internationale Zuständigkeit - Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners - Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes in einen anderen Mitgliedstaat - Begriff „Niederlassung“)

    2011/C 362/04

    Verfahrenssprache: Italienisch

    Vorlegendes Gericht

    Tribunale ordinario di Bari

    Parteien des Ausgangsverfahrens

    Klägerin: Interedil Srl, in Liquidation

    Beklagte: Fallimento Interedil Srl, Intesa Gestione Crediti SpA

    Gegenstand

    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale ordinario di Bari — Auslegung von Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1) — Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners — Vermutung des Ortes des satzungsmäßigen Sitzes — Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat — Gemeinschaftliche oder nationale Begriffe

    Tenor

    1.

    Es ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, dass ein nationales Gericht nach einer nationalen Verfahrensvorschrift an die rechtliche Beurteilung eines übergeordneten nationalen Gerichts gebunden ist, wenn diese Beurteilung des übergeordneten Gerichts nicht dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof entspricht.

    2.

    Der Begriff „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ des Schuldners im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist unter Bezugnahme auf das Unionsrecht auszulegen.

    3.

    Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 ist im Hinblick auf die Bestimmung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen einer Schuldnergesellschaft wie folgt auszulegen:

    Bei der Bestimmung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen einer Schuldnergesellschaft ist dem Ort der Hauptverwaltung dieser Gesellschaft, wie er anhand von objektiven und durch Dritte feststellbaren Faktoren ermittelt werden kann, der Vorzug zu geben. Wenn sich die Verwaltungs- und Kontrollorgane einer Gesellschaft am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes befinden und die Verwaltungsentscheidungen der Gesellschaft in durch Dritte feststellbarer Weise an diesem Ort getroffen werden, lässt sich die in dieser Vorschrift aufgestellte Vermutung nicht widerlegen. Befindet sich der Ort der Hauptverwaltung einer Gesellschaft nicht an ihrem satzungsmäßigen Sitz, können das Vorhandensein von Gesellschaftsaktiva und das Bestehen von Verträgen über deren finanzielle Nutzung in einem anderen Mitgliedstaat als dem des satzungsmäßigen Sitzes der Gesellschaft nur dann als zur Widerlegung dieser Vermutung ausreichende Faktoren angesehen werden, wenn eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren die von Dritten überprüfbare Feststellung zulässt, dass sich der tatsächliche Mittelpunkt der Verwaltung und der Kontrolle der Gesellschaft sowie der Verwaltung ihrer Interessen in diesem anderen Mitgliedstaat befindet;

    wird der satzungsmäßige Sitz einer Schuldnergesellschaft verlegt, bevor ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wird, wird vermutet, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen dieser Gesellschaft am Ort ihres neuen satzungsmäßigen Sitzes befindet.

    4.

    Der Begriff „Niederlassung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung ist dahin gehend auszulegen, dass er die Existenz einer auf die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgerichteten Struktur mit einem Mindestmaß an Organisation und einer gewissen Stabilität erfordert. Das bloße Vorhandensein einzelner Vermögenswerte oder von Bankkonten genügt dieser Definition grundsätzlich nicht.


    (1)  ABl. C 312 vom 19.12.2009.


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