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Document 62006CC0346

    Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 20. September 2007.
    Dirk Rüffert gegen Land Niedersachsen.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht Celle - Deutschland.
    Art. 49 EG - Freier Dienstleistungsverkehr - Beschränkungen -Richtlinie 96/71/EG - Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen - Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge - Sozialer Schutz der Arbeitnehmer.
    Rechtssache C-346/06.

    Sammlung der Rechtsprechung 2008 I-01989

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:541

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    YVES BOT

    vom 20. September 20071(1)

    Rechtssache C‑346/06

    Rechtsanwalt Dr. Dirk Rüffert als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Objekt und Bauregie GmbH & Co. KG

    gegen

    Land Niedersachsen

    (Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Celle [Deutschland])

    „Richtlinie 96/71/EG – Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen – Tarifverträge – Mindestlohn – Art. 49 EG – Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge – Arbeitnehmerschutz und Verhinderung von Sozialdumping“





    1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen bietet dem Gerichtshof Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur Problematik der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen auszubauen.

    2.        Mit der Frage des vorlegenden Gerichts nämlich wird der Gerichtshof erneut aufgefordert, den freien Dienstleistungsverkehr gegen die Erfordernisse des Arbeitnehmerschutzes und der Verhinderung von Sozialdumping abzuwägen.

    3.        Das Oberlandesgericht Celle (Deutschland) ersucht den Gerichtshof um Entscheidung über die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung über die Vergabe öffentlicher Aufträge entgegensteht, die die Zuschlagsempfänger und mittelbar ihre Subunternehmer unter Androhung von Sanktionen, die bis zur Kündigung des Vertrags über die Bauleistungen gehen können, verpflichtet, den entsandten Arbeitnehmern bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen, wenn der Tarifvertrag, auf den sich die Regelung bezieht, nicht für allgemein verbindlich erklärt worden ist.

    4.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Rechtsanwalt Dr. Dirk Rüffert als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Objekt und Bauregie GmbH & Co. KG, des Beklagten des Ausgangsverfahrens, und dem Land Niedersachsen, dem Kläger des Ausgangsverfahrens, wegen Kündigung eines Werkvertrags, der zwischen dieser Gesellschaft (im Folgenden: Beklagte) und dem Land Niedersachsen im Rahmen eines öffentlichen Bauauftrags geschlossen worden war.

    5.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich darlegen, weshalb meines Erachtens weder die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen(2) noch Art. 49 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen.

    I –    Der rechtliche Rahmen

    A –    Gemeinschaftsrecht

    6.        Art. 49 Abs. 1 EG bestimmt, dass die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, verboten sind.

    7.        Die Richtlinie 96/71 soll den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten fördern, gleichwohl aber einen fairen Wettbewerb zwischen den Dienstleistungsunternehmen sowie die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer gewährleisten(3).

    8.        Art. 1 der Richtlinie („Anwendungsbereich“) lautet wie folgt:

    „(1)      Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.

    (3)      Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:

    a)      einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht …

    …“

    9.        Wie der sechste Erwägungsgrund der genannten Richtlinie belegt, ging der Gemeinschaftsgesetzgeber von der Feststellung aus, dass die Arbeitsverhältnisse der entsandten Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Probleme hinsichtlich des auf sie anwendbaren Rechts verursachen.

    10.      Das Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom(4), sieht insoweit allgemeine Kriterien für die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts vor(5). So wird in Art. 3 dieses Übereinkommens als allgemeine Regel die freie Rechtswahl der Parteien festgelegt. Mangels einer Rechtswahl ist nach Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens auf den Arbeitsvertrag das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist.

    11.      Ferner kann nach Art. 7 dieses Übereinkommens – zusammen mit dem für anwendbar erklärten Recht – den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, insbesondere des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer vorübergehend entsandt wird, Wirkung verliehen werden. Diese zwingenden Bestimmungen, die auch als „unmittelbar anwendbare“ oder „polizeirechtliche Vorschriften“ bezeichnet werden und am Ort der Erbringung der Arbeitsleistung gelten, werden im Übereinkommen von Rom nicht näher bestimmt.

    12.      In diesem Zusammenhang besteht der Beitrag der Richtlinie 96/71 darin, in grenzübergreifenden Entsendungsfällen festzulegen, welche Vorschriften auf Gemeinschaftsebene als zwingende Bestimmungen gelten(6). Die Richtlinie bringt auch den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts zum Ausdruck, der in Art. 20 des Übereinkommens von Rom anerkannt wird und dem zufolge dieses Übereinkommen nicht die Anwendung der Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse auf besonderen Gebieten berührt, die in Rechtsakten der Gemeinschaften oder in dem in Ausführung dieser Akte harmonisierten innerstaatlichen Recht enthalten sind(7).

    13.      Damit die unterschiedlichen von der Richtlinie 96/71 verfolgten Ziele miteinander in Einklang gebracht werden, nimmt die Richtlinie daher eine Koordinierung der Gesetze der Mitgliedstaaten vor, „um einen Kern zwingender Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz festzulegen, das im Gastland von Arbeitgebern zu gewährleisten ist, die Arbeitnehmer für eine zeitlich begrenzte Arbeitsleistung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, in dem eine Dienstleistung zu erbringen ist“(8).

    14.      Nach dem siebzehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie „[dürfen] [d]ie im Gastland geltenden zwingenden Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz … jedoch nicht der Anwendung von Arbeitsbedingungen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind, entgegenstehen“.

    15.      Diese Grundsätze werden im Einzelnen in Art 3 der Richtlinie („Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“) dargelegt, der wie folgt lautet:

    „(1)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,

    –        durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder

    –        durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne des Absatzes 8, sofern sie die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen[(9)],

    festgelegt sind:

    c)      Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze; dies gilt nicht für die zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme;

    Zum Zweck dieser Richtlinie wird der in Unterabsatz 1 Buchstabe c) genannte Begriff der Mindestlohnsätze durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken des Mitgliedstaats bestimmt, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird.

    (7)      Die Absätze 1 bis 6 stehen der Anwendung von für die Arbeitnehmer günstigeren Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen nicht entgegen.

    (8)      Unter ‚für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen oder Schiedssprüchen‘ sind Tarifverträge oder Schiedssprüche zu verstehen, die von allen in den jeweiligen geografischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe ausübenden Unternehmen einzuhalten sind.

    Gibt es kein System zur Allgemein verbindlicherklärung von Tarifverträgen oder Schiedssprüchen im Sinne von Unterabsatz 1, so können die Mitgliedstaaten auch beschließen, Folgendes zugrunde zu legen:

    –        die Tarifverträge oder Schiedssprüche, die für alle in den jeweiligen geografischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe ausübenden gleichartigen Unternehmen allgemein wirksam sind, und/oder

    –        die Tarifverträge, die von den auf nationaler Ebene repräsentativsten Organisationen der Tarifvertragsparteien geschlossen werden und innerhalb des gesamten nationalen Hoheitsgebiets zur Anwendung kommen,

    sofern deren Anwendung auf die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen eine Gleichbehandlung dieser Unternehmen in Bezug auf die in Absatz 1 Unterabsatz 1 genannten Aspekte gegenüber den im vorliegenden Unterabsatz genannten anderen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, gewährleistet.

    Gleichbehandlung im Sinne dieses Artikels liegt vor, wenn für die inländischen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden,

    –        am betreffenden Ort oder in der betreffenden Sparte hinsichtlich der Aspekte des Absatzes 1 Unterabsatz 1 dieselben Anforderungen gelten wie für die Entsendeunternehmen und

    –        diese Anforderungen ihnen gegenüber mit derselben Wirkung durchgesetzt werden können.

    …“

    16.      Was schließlich die Gemeinschaftsvorschriften über öffentliche Aufträge angeht, so weise ich darauf hin, dass im Zeitpunkt der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Ereignisse die Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge(10) anwendbar war(11).

    17.      Zwar ist Gegenstand der Richtlinie 93/37 nicht die Regelung der Ausführungsphase(12), doch muss Art. 23 der Richtlinie zitiert werden, der die Auskünfte über die während der Durchführung eines Auftrags einzuhaltenden Arbeitsbedingungen betrifft. Dieser Artikel lautet:

    „(1)      Öffentliche Auftraggeber können in den Verdingungsunterlagen die Behörde/die Behörden angeben, bei der/bei denen die Bieter die einschlägigen Auskünfte über die Verpflichtungen hinsichtlich der Arbeitsschutzbestimmungen und Arbeitsbedingungen erhalten können, die in dem Mitgliedstaat, der Region oder an dem Ort gelten, wo die Bauarbeiten auszuführen sind, und die auf die während der Durchführung des Auftrags auf der Baustelle vorzunehmenden Arbeiten anwendbar sind; sie können durch einen Mitgliedstaat zu dieser Angabe verpflichtet werden.

    (2)      Öffentliche Auftraggeber, die die Auskünfte nach Absatz 1 erteilen, verlangen von den Bietern oder Beteiligten eines Vergabeverfahrens die Angabe, dass sie bei der Ausarbeitung ihres Angebots den Verpflichtungen hinsichtlich der Arbeitsschutzbestimmungen und Arbeitsbedingungen Rechnung getragen haben, die dort gelten, wo die Bauarbeiten auszuführen sind. Dies berührt nicht die Anwendung der Bestimmungen des Artikels 30 Absatz 4 über die Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote.“

    B –    Nationales Recht

    1.      Die Festlegung des Mindestlohns im Baugewerbe

    18.      In Deutschland wird der Mindestlohn im Baugewerbe in Tarifverhandlungen festgelegt.

    19.      In diesem Mitgliedstaat werden die Tarifverträge im Allgemeinen zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgeberorganisationen geschlossen. Sie können in einer bestimmten Sparte für das ganze Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder für einen Teil dieses Gebiets gelten.

    20.      Im Baugewerbe gilt der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (im Folgenden: BRTV) vom 4. Juli 2002. Dieser Tarifvertrag, der für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt, enthält jedoch keine Vorschriften über den Mindestlohn.

    21.      Solche Vorschriften sind zum einen in dem Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: TV Mindestlohn) und zum anderen in besonderen Tarifverträgen enthalten.

    a)      Der TV Mindestlohn

    22.      Der TV Mindestlohn, der für Betriebe gilt, die in den Geltungsbereich des BRTV fallen, bestimmt auf Bundesebene die Höhe des Mindestlohns anhand von zwei Lohngruppen, die sich nach der Qualifikation des Arbeitnehmers richten sowie danach, ob es sich um „alte“ oder „neue“ Bundesländer handelt. Er sieht vor, dass sich der Mindestlohn aus dem Tarifstundenlohn und einem Bauzuschlag zusammensetzt, die zusammen den Gesamttarifstundenlohn bilden. Er bestimmt auch, dass höhere Lohnansprüche aufgrund anderer Tarifverträge oder einzelvertraglicher Vereinbarungen von der Regelung über die Gesamttarifstundenlöhne der Lohngruppen 1 und 2 unberührt bleiben.

    23.      Die Rechtsnormen des TV Mindestlohn wurden durch die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe für allgemein verbindlich erklärt.

    24.      Nach deutschem Recht führt die Erklärung der Allgemein verbindlichkeit eines Tarifvertrags dazu, dass der betreffende Tarifvertrag in einem bestimmten Gebiet für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer der betreffenden Branche gilt. Sie dehnt somit den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags auch auf die Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus, die den Tarifvertragsparteien nicht angehören. Die Allgemein verbindlichkeitserklärung kann vom Bundesarbeitsminister in den vom Arbeitnehmer-Entsendegesetz(13) vom 26. Februar 1996 geregelten Bereichen nach § 1 Abs. 3a AEntG oder nach § 5 Tarifvertragsgesetz (im Folgenden: TVG) ausgesprochen werden.

    25.      Die Geltungsdauer des TV Mindestlohn ist beschränkt. Nach den vorliegenden Informationen handelte es sich bei dem im Zeitpunkt der Ereignisse des Ausgangsverfahrens geltenden TV Mindestlohn um den vom 29. Oktober 2003, der vom 1. November 2003 bis zum 31. August 2005 in Kraft war. Dieser Tarifvertrag wurde mit Verordnung vom 13. Dezember 2003(14) für allgemein verbindlich erklärt.

    b)      Die besonderen Tarifverträge

    26.      Die besonderen Tarifverträge (Entgelttarifverträge) haben meist einen räumlich begrenzten Geltungsbereich. Sie werden überdies im Normalfall nicht für allgemein verbindlich erklärt, so dass sie nicht für sämtliche Arbeitnehmer der betreffenden Branche verbindlich sind.

    27.      Gemäß der schriftlichen Antwort des Landes Niedersachsen auf eine Frage des Gerichtshofs ist der in der vorliegenden Rechtssache einschlägige Tarifvertrag der Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen vom 4. Juli 2003 in seiner durch den Änderungstarifvertrag vom 29. Oktober 2003 geänderten Fassung. Dieser Tarifvertrag wurde nicht für allgemein verbindlich erklärt.

    28.      Aus den Akten geht hervor, dass die in diesen Tarifverträgen festgelegten Löhne in der Praxis deutlich über den Mindestlöhnen liegen, die aufgrund des TV Mindestlohn für ganz Deutschland gelten. Die in den genannten Tarifverträgen enthaltenen Lohnstaffeln sind außerdem detaillierter als die im TV Mindestlohn und legen die Lohnstufen nach den einzelnen Beschäftigungsgruppen bzw. Tätigkeitsarten fest.

    2.      Das AEntG

    29.      In Deutschland wurde die Richtlinie 93/71 durch das AEntG in deutsches Recht umgesetzt. Nach § 1 Abs. 1 AEntG finden u. a. die Rechtsnormen eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrags des Baugewerbes, die die Mindestentgeltsätze zum Gegenstand haben, auch auf ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinem im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigten Arbeitnehmer zwingend Anwendung. Dieser Arbeitgeber ist daher verpflichtet, seinem entsandten Arbeitnehmer mindestens die im Tarifvertrag vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren.

    3.      Das Niedersächsische Landesvergabegesetz

    30.      Das Niedersächsische Landesvergabegesetz (im Folgenden: Landesvergabegesetz) enthält Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge, sofern die Aufträge mindestens einen Wert von 10 000 Euro haben. In seiner Präambel heißt es:

    „Das Gesetz wirkt Wettbewerbsverzerrungen entgegen, die auf dem Gebiet des Bauwesens und des öffentlichen Personennahverkehrs durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, und mildert Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme. Es bestimmt zu diesem Zweck, dass öffentliche Auftraggeber Aufträge über Baumaßnahmen und im öffentlichen Personennahverkehr nur an Unternehmen vergeben dürfen, die das in Tarifverträgen vereinbarte Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zahlen.“

    31.      Nach § 3 Abs. 1 des Landesvergabegesetzes dürfen Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zum tarifvertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu bezahlen.

    32.      Soweit Leistungen auf Nachunternehmer übertragen werden, hat sich der Auftragnehmer nach § 4 Abs. 1 des Landesvergabegesetzes insbesondere auch zu verpflichten, den Nachunternehmern die für den Auftragnehmer nach diesem Gesetz geltenden Pflichten aufzuerlegen und die Beachtung dieser Pflichten durch die Nachunternehmer zu überwachen.

    33.      Nach § 7 Abs. 1 des Landesvergabegesetzes ist der öffentliche Auftraggeber berechtigt, Kontrollen durchzuführen, um die Einhaltung der geforderten Vergabevoraussetzungen zu überprüfen. Er darf zu diesem Zweck Einblick in die Entgeltabrechnungen der Auftragnehmer und der Nachunternehmer, die Unterlagen über die Abführung von Steuern und Beiträgen sowie die zwischen Auftraggeber und Nachunternehmer abgeschlossenen Werkverträge nehmen.

    34.      § 8 des Landesvergabegesetzes sieht folgende Sanktionen vor:

    „(1)      Um die Einhaltung der Verpflichtungen gemäß den §§ 3, 4 und 7 Abs. 2 zu sichern, haben die öffentlichen Auftraggeber für jeden schuldhaften Verstoß eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 vom Hundert, bei mehreren Verstößen bis zu 10 vom Hundert des Auftragswertes mit dem Auftragnehmer zu vereinbaren. Der Auftragnehmer ist zur Zahlung einer Vertragsstrafe nach Satz 1 auch für den Fall zu verpflichten, dass der Verstoß durch einen von ihm eingesetzten Nachunternehmer oder einen von diesem eingesetzten Nachunternehmer begangen wird, es sei denn, dass der Auftragnehmer den Verstoß weder kannte noch kennen musste. Ist die verwirkte Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie vom Auftraggeber auf Antrag des Auftragnehmers auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden.

    (2)      Die öffentlichen Auftraggeber vereinbaren mit dem Auftragnehmer, dass die Nichterfüllung der in § 3 genannten Anforderungen durch den Auftragnehmer oder seine Nachunternehmer sowie grob fahrlässige oder mehrfache Verstöße gegen die Verpflichtungen der §§ 4 und 7 Abs. 2 den öffentlichen Auftraggeber zur fristlosen Kündigung berechtigen.

    (3)      Hat ein Unternehmen nachweislich mindestens grob fahrlässig oder mehrfach gegen Verpflichtungen dieses Gesetzes verstoßen, so können es die öffentlichen Auftraggeber jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich von der öffentlichen Auftragsvergabe für die Dauer von bis zu einem Jahr ausschließen.

    …“

    II – Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage

    35.      Ausweislich des Vorlagebeschlusses erteilte das Land Niedersachsen im Herbst 2003 der Beklagten nach öffentlicher Ausschreibung einen Auftrag für Rohbauarbeiten beim Bau der Justizvollzugsanstalt Göttingen-Rosdorf. Die Auftragssumme betrug 8 493 331 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Der Vertrag enthielt eine „Vereinbarung zur Einhaltung der tarifvertraglichen Bestimmungen bei der Ausführung von Bauleistungen“, in der die Beklagte u. a. die folgenden Verpflichtungen übernahm:

    „Meinem/Unserem Angebot liegt die nachstehende Vereinbarung zugrunde:

    Zu § 3 des Landesvergabegesetzes (Tariftreueerklärung):

    Ich verpflichte mich im Fall der Auftragserteilung, den in meinem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Arbeitsführung der beauftragten Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt nach dem aus der Liste der repräsentativen Tarifverträge unter Nr. 01 ‚Baugewerbe‘ genannten Tarifvertrag … zu zahlen.

    Ich verpflichte mich, auch den Nachunternehmern die für mich geltenden Pflichten der §§ 3, 4 und 7 Abs. 2 des Landesvergabegesetzes aufzuerlegen und die Beachtung dieser Pflichten durch die Nachunternehmer zu überwachen.

    Ich bin damit einverstanden, dass die Nichterfüllung der in § 3 des Landesvergabegesetzes genannten Anforderungen durch mich oder durch die von mir eingesetzten Nachunternehmer sowie grob fahrlässige oder mehrfache Verstöße gegen die Verpflichtungen der §§ 4 und 7 Abs. 2 des Landesvergabegesetzes den Auftraggeber zur fristlosen Kündigung berechtigen.“

    36.      Die Beklagte setzte die PKZ Pracownie Konserwacji Zabytkow sp. zoo (im Folgenden: PKZ) aus Tarnow (Polen) mit einer Zweigniederlassung in Wedemark (Deutschland) als Nachunternehmer ein.

    37.      Im Sommer 2004 geriet PKZ in Verdacht, bei dem Bauvorhaben polnische Arbeiter untertariflich beschäftigt zu haben. Nach Beginn der Ermittlungen kündigten sowohl die Beklagte als auch das Land Niedersachsen den zwischen ihnen geschlossenen Werkvertrag. Das Land stützte die Kündigung u. a. darauf, dass die Beklagte gegen die vereinbarte Tariftreuepflicht verstoßen habe. Gegen den Hauptverantwortlichen der PKZ erging ein Strafbefehl, der den Vorwurf enthielt, den auf der Baustelle eingesetzten 53 Arbeitnehmern nur 46,57 % des gesetzlich vorgesehenen Mindestlohns ausgezahlt zu haben.

    38.      Das Land Niedersachsen hat sich auf die Vertragsstrafenklausel berufen und geltend gemacht, der Beklagten hätten die Verstöße des Nachunternehmers bekannt sein müssen. Die untertarifliche Bezahlung eines jeden Mitarbeiters stelle einen gesonderten Verstoß dar, so dass eine Vertragsstrafe in Höhe von 10 % der Auftragssumme angefallen sei.

    39.      Das Landgericht Hannover als erstinstanzliches Gericht gab der Klage teilweise statt. Es stellte fest, dass die Werklohnforderung der Beklagten durch Aufrechnung mit dem Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 84 934,31 Euro gleich 1 % der Auftragssumme erloschen sei. Die weiter gehende Klage wies es ab.

    40.      Das Berufungsgericht, das Oberlandesgericht Celle, führt in seinem Vorlagebeschluss aus, die Entscheidung des Ausgangsverfahrens hänge davon ab, ob es das Landesvergabegesetz, insbesondere § 8 Abs. 1 des Gesetzes unangewendet zu lassen habe, weil das Gesetz nicht mit der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG vereinbar sei.

    41.      Die Tariftreueverpflichtungen, die die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Bauunternehmen nach dem Landesvergabegesetz übernehmen müssten, hätten zur Folge, dass diese Unternehmen die ihren Arbeitnehmern gezahlten Entgelte dem regelmäßig höheren Niveau am Ort der Leistungserbringung in Deutschland anpassen müssten. Dadurch verlören sie ihren aufgrund geringerer Lohnkosten bestehenden Wettbewerbsvorteil. Die Tariftreueverpflichtung stelle damit eine Behinderung des Marktzugangs für Personen oder Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten dar.

    42.      Das vorlegende Gericht äußert ferner Zweifel, ob die Tariftreueverpflichtung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

    43.      Das vorlegende Gericht neigt zu der Auffassung, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Tariftreueverpflichtungen auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruhten. Da die Tariftreueverpflichtung nämlich zu einer Abschottung der deutschen Bauunternehmen vor der Konkurrenz aus anderen Mitgliedstaaten beitrage, verfolge sie einen wirtschaftlichen Zweck, der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen könne.

    44.      Das vorlegende Gericht ist zudem der Auffassung, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Mindestlohn im Rahmen des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar sei, weil die geforderten Lohn- und Gehaltstarife am Ort der Leistungserbringung weitaus höher lägen als die Mindestlöhne, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem AEntG Anwendung fänden. Die Tariftreueverpflichtung überschreite daher das zum Schutz der Arbeitnehmer erforderliche Maß. Das zum Schutz der Arbeitnehmer Erforderliche werde durch den Mindestlohnstandard markiert, wie er für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem AEntG gelte. Für die ausländischen Arbeitnehmer schließlich bewirke die Tariftreueverpflichtung nicht die faktische Gleichstellung mit den deutschen Arbeitnehmern, sondern verhindere ihre Beschäftigung in Deutschland, weil ihr Arbeitgeber seinen Arbeitskostenvorteil nicht in den Wettbewerb einbringen könne.

    45.      Nachdem das Oberlandesgericht Celle zu dem Schluss gelangt war, dass die Entscheidung des Ausgangsverfahrens von der Auslegung des Art. 49 EG durch den Gerichtshof abhänge, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Vorabentscheidungsfrage vorgelegt:

    Stellt es eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach dem EG-Vertrag dar, wenn dem öffentlichen Auftraggeber durch ein Gesetz aufgegeben wird, Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmen zu vergeben, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen?

    III – Würdigung

    46.      Mit der vorliegenden Vorabentscheidungsfrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie dem Landesvergabegesetz entgegenstehen, die die Zuschlagsempfänger und mittelbar ihre Subunternehmer unter Androhung von Sanktionen, die bis zur Kündigung des Vertrags über die Bauleistungen gehen können, verpflichtet, entsandten Arbeitnehmern bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen, wenn der Tarifvertrag, auf den sich die Regelung bezieht, nicht für allgemein verbindlich erklärt worden ist.

    47.      Das Land Niedersachsen, die deutsche und die dänische Regierung, Irland sowie die zypriotische, die österreichische, die finnische und die norwegische Regierung sind im Wesentlichen der Ansicht, dass Art. 49 EG einer Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstehe. Soweit die Maßnahme eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstelle, sei sie insbesondere durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt und sei im Hinblick auf die Verwirklichung des Ziels verhältnismäßig.

    48.      Die belgische Regierung ist der Auffassung, dass diese Behinderung gerechtfertigt sein könne, wenn zum einen die Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats der Niederlassung keinen vergleichbaren Schutz genössen, so dass die Anwendung der nationalen Regelung des Aufnahmestaats ihnen einen wirklichen Vorteil biete, der in beträchtlichem Maße zu ihrem Sozialschutz beitrage, und wenn zum anderen die Anwendung der nationalen Regelung im Hinblick auf das angestrebte, im Allgemeininteresse liegende Ziel verhältnismäßig sei. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, dies konkret zu beurteilen, wobei es alle Umstände des bei ihm anhängigen Falls zu berücksichtigen habe.

    49.      Einige der genannten Regierungen untersuchen die Frage auch unter dem Aspekt der Richtlinie 96/71 und sind der Ansicht, dass die Richtlinie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahme nicht entgegenstehe.

    50.      Die polnische Regierung dagegen ist der Auffassung, die Richtlinie 96/71 könne nicht rechtfertigen, dass die Vergabe eines Auftrags davon abhängig sei, dass der Leistungserbringer den entsandten Arbeitnehmern einen Lohn zahle, der über dem sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie ergebenden Mindestlohn liege. Aus dem Vorlagebeschluss gehe aber hervor, dass die Entgelte nach dem am Ort der Leistungserbringung geltenden Tarifvertrag erheblich höher als das vom AEntG festgelegte Mindestentgelt seien.

    51.      Hilfsweise macht die polnische Regierung geltend, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme verstoße gegen Art. 49 EG. Sie ist der Meinung, die Maßnahme stelle eine ungerechtfertigte Behinderung der Dienstleistungsfreiheit dar. Sie teilt den Standpunkt des vorlegenden Gerichts, wonach der Zweck der Vorschriften des Landesvergabegesetzes darin liege, die deutschen Bauunternehmen vor der Konkurrenz aus anderen Mitgliedstaaten zu schützen, und die Vorschriften damit de facto einen wirtschaftlichen Zweck verfolgten, der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht rechtfertigen könne. Die Vorschriften gingen über dasjenige hinaus, was zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs erforderlich sei, da dieser Zweck in ausreichendem Maße durch die Festlegung eines Mindestentgelts im AEntG verwirklicht werde.

    52.      Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist der Ansicht, dass das Ausgangsverfahren in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71 falle und dass somit die Vorlagefrage vor allem im Hinblick auf diese Richtlinie zu prüfen sei. Die Richtlinie solle einen Ausgleich zwischen der Dienstleistungsfreiheit und dem Schutz der entsandten Arbeitnehmer herstellen. Zu diesem Zweck habe der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 3 der Richtlinie 96/71 einen von den Mitgliedstaaten einzuhaltenden Rahmen vorgegeben.

    53.      Da die Bundesrepublik Deutschland über ein System zur Allgemein verbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen verfüge, sei nur Art. 3 Abs. 8 Satz 1 der Richtlinie einschlägig. Nach dieser Vorschrift in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie dürften für entsandte Arbeitnehmer in Deutschland Mindestlöhne nur durch allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge festgelegt werden, d. h. durch Tarifverträge, die auf alle in ihren jeweiligen räumlichen und sachlichen Geltungsbereich fallenden Unternehmen Anwendung fänden.

    54.      Sofern das Landesvergabegesetz zur Beachtung eines Entgeltniveaus zwinge, das in einem nicht für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag vorgesehen sei, müsste das Gesetz als mit der Richtlinie 96/71 unvereinbar angesehen werden. Denn es würde dann den durch die Richtlinie harmonisierten Rahmen der Garantien verlassen, die das Gemeinschaftsrecht im Bereich des Mindestentgelts für entsandte Arbeitnehmer vorsehe.

    55.      Ein Landesgesetz, das lediglich für diejenigen entsandten Arbeitnehmer, die im Rahmen öffentlicher Aufträge, also eines Teils des Wirtschaftslebens, tätig seien, anspruchsvollere Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vorschreiben wolle, könne kaum einem zwingenden Allgemeininteresse im Sinne des Art. 49 EG entsprechen oder zu dessen Verfolgung geeignet sein.

    56.      In der mündlichen Verhandlung hat die französische Regierung im Wesentlichen dieselbe Auffassung wie die Kommission vertreten. Sie hat ausgeführt, Art. 49 EG und die Richtlinie 96/71 untersagten es nicht, dass ein Mitgliedstaat den von einem nationalen oder örtlichen Tarifvertrag festgelegten Mindestlohn auf die entsandten Arbeitnehmer anwende, allerdings unter der Voraussetzung, dass dieser Tarifvertrag für die Unternehmen der betreffenden Sparte oder des betreffenden Gebiets für allgemein verbindlich erklärt worden sei.

    57.      Angesichts dieser Stellungnahmen ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof, um dem Gericht, das ihm eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, eine sachdienliche Antwort zu geben, auf gemeinschaftsrechtliche Vorschriften eingehen kann, die das vorlegende Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat(15).

    58.      Was zunächst die Richtlinie 93/37 anbelangt, habe ich oben darauf hingewiesen, dass diese Richtlinie nicht die Ausführungsphase der öffentlichen Aufträge regelt. Die von den Bietern nach den §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 des Landesvergabegesetzes zu übernehmende Verpflichtung, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens das am Ort der Ausführung der betreffenden Leistungen tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen und ihren Nachunternehmern dieselbe Verpflichtung aufzuerlegen, stellt allerdings eine Bedingung für die Auftragsausführung dar(16).

    59.      Art. 23 der Richtlinie ist im Rahmen der vorliegenden Rechtssache indessen nicht ohne Bedeutung, denn in ihm kommt zum Ausdruck, dass nach der Vergabe eines öffentlichen Auftrags die Vertragsausführung in Übereinstimmung mit den Arbeitsschutzbestimmungen und Arbeitsbedingungen zu erfolgen hat, die an dem Ort gelten, an dem die Bauarbeiten auszuführen sind.

    60.      Mit der Auslegung der Richtlinie 93/37 werde ich mich jedoch nicht weiter befassen, da diese Richtlinie keine Antwort auf den Kern der vorliegenden Vorabentscheidungsfrage geben kann, nämlich auf die Frage nach der Bestimmung der Arbeitsbedingungen, die in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags im Fall einer Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vorgeschrieben werden können.

    61.      Was nun die Richtlinie 96/71 angeht, ist davon auszugehen, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, so wie dieser im Vorlagebeschluss beschrieben wird, in deren Anwendungsbereich fällt, da er den in Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie umschriebenen Tatbestand erfüllt.

    62.      Wir haben es hier mit einem Fall zu tun, in dem ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, nämlich die PKZ mit Sitz in Polen, polnische Arbeitnehmer in seinem Namen und unter seiner Leitung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, im vorliegenden Fall die Bundesrepublik Deutschland, im Rahmen eines Subunternehmervertrags entsandt hat, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger, also der Beklagten, geschlossen wurde.

    63.      Der Sachverhalt hat sich ferner unstreitig nach Ablauf der den Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Richtlinie 96/71 gesetzten Frist, also nach dem 16. Dezember 1999, zugetragen.

    64.      Zwar bezweckt das Landesvergabegesetz nicht speziell die Regelung der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung, sondern allgemein die Regelung der Vergabe öffentlicher Aufträge im Land Niedersachsen. Da jedoch dieses Gesetz Bedingungen für die Ausführung von Bauaufträgen vorsieht, im vorliegenden Fall die Einhaltung eines Mindestentgelts, die zwingend für diejenigen Arbeitnehmer gelten, die vom Zuschlagsempfänger und/oder einem etwaigen Nachunternehmer beschäftigt werden, einschließlich der Arbeitnehmer, die, wie im Ausgangsverfahren, im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung entsandt werden, ist das genannte Gesetz im Hinblick auf die Norm des sekundären Gemeinschaftsrechts zu prüfen, die sich mit der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung befasst.

    65.      Ich beginne daher mit der Prüfung der Frage, ob die Richtlinie 96/71 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie dem Landesvergabegesetz entgegensteht, die die Zuschlagsempfänger und mittelbar ihre Subunternehmer unter Androhung von Sanktionen, die bis zur Kündigung des Vertrags über die Bauleistungen gehen können, verpflichtet, entsandten Arbeitnehmern bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen, wenn der Tarifvertrag, auf den sich die Regelung bezieht, nicht für allgemein verbindlich im Sinne von Art. 3 Abs. 8 Satz 1 der Richtlinie erklärt worden ist.

    A –    Zur Auslegung der Richtlinie 96/71

    66.      Meines Erachtens kann die Richtlinie 96/71 nicht dahin ausgelegt werden, dass sie einer Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht. Um dies zu belegen, ist das von der Richtlinie eingeführte System darzustellen. Ich werde dann im Hinblick auf diese Darstellung die Regelung prüfen, die im deutschen Recht für die Festlegung der Mindestlohnsätze im Baugewerbe gilt.

    67.      Wie ausgeführt, soll die Richtlinie 96/71 die Gesetze der Mitgliedstaaten koordinieren, um einen Kern zwingender Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz festzulegen, das im Gastland von Arbeitgebern zu gewährleisten ist, die Arbeitnehmer für eine zeitlich begrenzte Arbeitsleistung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, in dem eine Dienstleistung zu erbringen ist.

    68.      Mit dem Erlass dieser Richtlinie hat der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht nur der Rechtsprechung Rechnung getragen, die der Gerichtshof nach und nach im Bereich der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen entwickelt hat, sondern er hat diese auch präzisiert und schärfer gefasst.

    69.      Seit seinem Urteil vom 3. Februar 1982, Seco und Desquenne & Giral(17), vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht verwehre, ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge auf alle Personen auszudehnen, die in ihrem Staatsgebiet eine unselbständige Tätigkeit ausüben, und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist, und dass es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten ebenso wenig verbiete, die Einhaltung dieser Regeln mit den geeigneten Mitteln durchzusetzen(18). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs ist im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 96/71 übernommen worden.

    70.      Der erste Beitrag, den die Richtlinie leistete, war es, aus dem, was bis dahin nur eine den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehende Möglichkeit war, eine Verpflichtung zu machen. Die Richtlinie verpflichtete daher die Mitgliedstaaten, auf die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer in ihr Hoheitsgebiet entsenden, eine Reihe nationaler Vorschriften anzuwenden, die die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in bestimmten Bereichen festlegen.

    71.      Ein weiterer Beitrag der Richtlinie 96/71 war es, dem „harten Kern“ der Schutzbestimmungen, deren Geltung der Gemeinschaftsgesetzgeber für die entsandten Arbeitnehmer garantieren wollte, Gehalt zu verleihen.

    72.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie führt daher die nationalen Vorschriften über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an, die den entsandten Arbeitnehmern im Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung nicht vorenthalten werden dürfen.

    73.      Wie der Gerichtshof unlängst festgestellt hat, stellt die Richtlinie „eine Liste der nationalen Vorschriften [auf], die ein Mitgliedstaat auf die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen anwenden muss, die im Rahmen einer länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer in sein Hoheitsgebiet entsenden“(19). In diesem Sinne handelt es sich um Schutzbestimmungen mit zwingendem Charakter.

    74.      Die Aufführung dieser Vorschriften durch den Gemeinschaftsgesetzgeber stärkt die Rechtssicherheit, da für den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Leistungserbringer von nun an sicher ist, dass auf ihn ein Grundstock klar bestimmbarer im Mitgliedstaat der Leistungserbringung geltender Vorschriften über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen Anwendung finden wird. Entsprechend wird sich der in einen anderen Mitgliedstaat entsandte Arbeitnehmer darauf berufen können, dass diese Vorschriften, deren zwingender Charakter sich unmittelbar aus der Richtlinie 96/71 herleitet, für ihn Geltung haben.

    75.      Zu diesen zwingenden Arbeitsbedingungen gehören die Mindestlohnsätze, und zwar unabhängig davon, ob sie durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder aber durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne des Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie für die Tätigkeiten im Bereich des Baugewerbes festgelegt sind.

    76.      Die genannte Kategorie von Arbeitsbedingungen weist Besonderheiten auf im Vergleich zu den sonstigen in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 genannten Bereichen wie denen der Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, der Sicherheit, des Gesundheitsschutzes und der Hygiene am Arbeitsplatz sowie des bezahlten Mindestjahresurlaubs. Denn für die genannten sonstigen Arbeitsbedingungen wurden Gemeinschaftsmaßnahmen erlassen; insbesondere konnte mit Hilfe von Richtlinien über die Mindestvorschriften(20) eine Angleichung der Rechtsvorschriften vorgenommen werden. Dies gilt nicht für die Mindestlohnsätze, für die bisher keine derartige Gemeinschaftsmaßnahme existiert(21).

    77.      Da man nicht geltend machen kann, dass die Frage der Entgelte gänzlich außerhalb des Gemeinschaftsrechts zu beantworten ist, ist festzustellen, dass sich das Gemeinschaftsrecht mit der Festlegung des Betrags oder der Höhe der Entgelte bisher noch nicht befasst hat(22).

    78.      Art. 3 Abs. 1 letzter Satz der Richtlinie 96/71 belegt den besonderen Charakter, der dem Bereich der Mindestlohnsätze zukommt, wenn es dort heißt, dass „der in Unterabsatz 2 Buchstabe c) genannte Begriff der Mindestlohnsätze durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken des Mitgliedstaats bestimmt [wird], in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird“.

    79.      Die Anwendung des in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie genannten „harten Kerns“ der Schutzbestimmungen ist meines Erachtens als eine Mindestgarantie zugunsten der entsandten Arbeitnehmer zu verstehen, denen auf diese Weise zumindest die – nunmehr zwingend gewordenen – nationalen Vorschriften zugutekommen.

    80.      Dieses besondere Merkmal des durch die Richtlinie eingeführten Systems kommt in dem im dreizehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 96/71 verwendeten Begriff „Kern zwingender Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz“ zum Ausdruck.

    81.      Ferner bestimmt der siebzehnte Erwägungsgrund der Richtlinie, wie erinnerlich, dass „[d]ie im Gastland geltenden zwingenden Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz … nicht der Anwendung von Arbeitsbedingungen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind, entgegenstehen [dürfen]“. Art. 3 Abs. 7 Satz 1 der Richtlinie bringt diesen Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers zum Ausdruck mit der Feststellung, dass „[d]ie Absätze 1 bis 6 … der Anwendung von für die Arbeitnehmer günstigeren Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen nicht [entgegenstehen]“.

    82.      Die zuletzt genannte Bestimmung hat meines Erachtens zwei Aspekte. Zum einen bedeutet sie, dass der zwingende Charakter der im Staat der Leistungserbringung geltenden Schutzbestimmungen hinter der Anwendung der in dem Staat geltenden Vorschriften zurücktreten kann, in dem der Leistungserbringer niedergelassen ist, sofern diese Vorschriften für die entsandten Arbeitnehmer günstigere Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vorsehen.

    83.      Zum anderen, und auf diesen Aspekt kommt es in der vorliegenden Rechtssache an, können die Mitgliedstaaten der Leistungserbringung aufgrund des Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 96/71 in den Bereichen des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie auch das Sozialschutzniveau verbessern, das sie den auf ihrem Hoheitsgebiet tätigen Arbeitnehmern garantieren wollen und das sie damit auf die in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmer anwenden können. Die Bestimmung erlaubt somit grundsätzlich einen verstärkten nationalen Schutz(23).

    84.      Klarzustellen ist jedoch, dass die Verwirklichung eines solchen verstärkten nationalen Schutzes in den Grenzen des Art. 49 EG zu erfolgen hat(24).

    85.      Stellt man nun die im deutschen Recht für die Festlegung der Mindestlohnsätze im Baugewerbe geltende Regelung dem von der Richtlinie 96/71 eingeführten System gegenüber, wie ich es soeben beschrieben habe, so lässt sich Folgendes feststellen.

    86.      Zunächst ist zu beachten, dass es im deutschen Recht ein System gibt, nach dem die Tarifverträge für allgemein verbindlich erklärt werden können. Die deutsche Regelung über die Festlegung der Mindestlohnsätze im Baugewerbe ist somit anhand des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 zu prüfen, nicht jedoch im Hinblick auf die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 8 Satz 2 der Richtlinie, die den Fall betreffen, in dem es kein System zur Allgemein verbindlicherklärung gibt.

    87.      In Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie finden nach § 1 Abs. 1 AEntG u. a. die Rechtsnormen eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrags des Baugewerbes, die die Mindestentgeltsätze zum Gegenstand haben, auch auf ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinem im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigten Arbeitnehmer zwingend Anwendung. Dieser Arbeitgeber ist daher verpflichtet, seinem entsandten Arbeitnehmer mindestens die im Tarifvertrag vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren.

    88.      Sodann erinnere ich daran, dass der im Zeitpunkt der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Ereignisse geltende TV Mindestlohn, der für allgemein verbindlich erklärt wurde und für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt, die Höhe des Mindestlohns im Baugewerbe anhand von zwei Lohngruppen festlegt, die sich nach der Qualifikation des Arbeitnehmers richten sowie danach, ob es sich um „alte“ oder um „neue“ Bundesländer handelt.

    89.      Dieser für allgemein verbindlich erklärte Tarifvertrag im Sinne des Art. 3 Abs. 8 Satz 1 der Richtlinie 96/71 gehört damit zum „harten Kern“ von Schutzbestimmungen, wie er in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie definiert wird.

    90.      Zugleich bestimmt der genannte Tarifvertrag auch, dass höhere Lohnansprüche aufgrund anderer Tarifverträge oder einzelvertraglicher Vereinbarungen von der Regelung über die Gesamttarifstundenlöhne der beiden oben genannten Lohngruppen unberührt bleiben. Der TV Mindestlohn behält somit in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass für die Arbeitnehmer günstigere Arbeitsbedingungen Anwendung finden.

    91.      Die im deutschen Recht für die Festlegung der Mindestlohnsätze im Baugewerbe geltende Regelung stützt sich nämlich zusätzlich zu dem TV Mindestlohn auch auf besondere Tarifverträge, die meist einen räumlich beschränkten Geltungsbereich haben und üblicherweise nicht für allgemein verbindlich erklärt werden, weshalb sie nicht zum „harten Kern“ der Schutzbestimmungen gehören, wie er in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 definiert wird.

    92.      Bedeutet dies, wie die Kommission meint, dass die Einhaltung dieser besonderen Tarifverträge, die nicht für allgemein verbindlich im Sinne von Art. 3 Abs. 8 Satz 1 der Richtlinie erklärt worden sind, von den Unternehmen, die Arbeitnehmer im Rahmen einer grenzüberschreitenden Dienstleistung entsenden, nicht verlangt werden kann?

    93.      Ich meine nein.

    94.      Da nämlich die Höhe der in diesen besonderen Tarifverträgen festgelegten Löhne in der Praxis deutlich über den Mindestlohnsätzen liegt, die der TV Mindestlohn für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vorschreibt, stellt sie meines Erachtens einen verstärkten nationalen Schutz dar. Wie vorstehend dargelegt, ist dieser verstärkte nationale Schutz nach Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 96/71 zulässig.

    95.      Auch steht eine nationale Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die solche Tarifverträge auch im Fall der Entsendung von Arbeitnehmern verbindlich werden lässt, meines Erachtens im Einklang mit der Richtlinie, denn sie nimmt die Möglichkeit wahr, die den Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie eingeräumt wurde.

    96.      Dass ferner ein für allgemein verbindlich erklärter Tarifvertrag wie der TV Mindestlohn selbst allgemein auf andere Tarifverträge oder einzelvertragliche Vereinbarungen verweist, die höhere Lohnansprüche vorsehen, steht meines Erachtens im Einklang mit der Richtlinie 96/71.

    97.      Die deutsche Regelung zur Festlegung der Mindestlohnsätze im Baugewerbe bildet daher ein kohärentes System, das mit der Richtlinie 96/71 vereinbar ist.

    98.      Ich bin folglich der Auffassung, dass die Richtlinie 96/71 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie dem Landesvergabegesetz nicht entgegensteht, die die Zuschlagsempfänger und mittelbar ihre Subunternehmer unter Androhung von Sanktionen, die bis zur Kündigung des Vertrags über die Bauleistungen gehen können, verpflichtet, entsandten Arbeitnehmern bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen, und zwar auch dann nicht, wenn der Tarifvertrag, auf den sich die Regelung bezieht, nicht für allgemein verbindlich im Sinne von Art. 3 Abs. 8 Satz 1 der Richtlinie erklärt worden ist.

    99.      Zu prüfen ist nunmehr, ob Art. 49 EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht.

    B –    Zur Auslegung des Art. 49 EG

    100. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt Art. 49 EG nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten –, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen(25).

    101. Der Gerichtshof hat dazu bereits festgestellt, dass die Anwendung nationaler Regelungen des Aufnahmemitgliedstaats für Dienstleistende geeignet ist, Dienstleistungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Personen oder Unternehmen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, sofern sie zusätzliche administrative und wirtschaftliche Kosten und Belastungen verursacht(26).

    102. Dass vorliegend der freie Dienstleistungsverkehr beschränkt ist, steht meines Erachtens außer Zweifel.

    103. Dadurch, dass die §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 des Landesvergabegesetzes die Zuschlagsempfänger und mittelbar ihre Subunternehmer verpflichten, mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen, können sie den Leistungserbringern, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, in dem die Mindestlohnsätze niedriger sind, eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung auferlegen, die geeignet ist, die Erbringung ihrer Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.

    104. Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die fraglichen Bestimmungen des Landesvergabegesetzes unterschiedslos für die nationalen Leistungserbringer und für die Leistungserbringer aus anderen Mitgliedstaaten gelten. Mit anderen Worten, die Verpflichtung, das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen, besteht sowohl für die in Deutschland als auch für die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer.

    105. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung kann eine solche unterschiedslos anwendbare Regelung im Hinblick auf Art. 49 EG gerechtfertigt sein, wenn sie auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruht, soweit dieses Interesse nicht bereits durch Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er ansässig ist, und sofern sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, ohne über das hinauszugehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist(27).

    106. Zu den vom Gerichtshof bereits anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehört auch der Schutz der Arbeitnehmer(28).

    107. Im Namen dieses Erfordernisses geht aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten weder verwehrt, ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge auf alle Personen zu erstrecken, die in ihrem Staatsgebiet, und sei es auch nur vorübergehend, eine unselbständige Tätigkeit ausüben, und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist, noch verbietet, die Einhaltung dieser Regeln mit den geeigneten Mitteln durchzusetzen, wenn sich herausstellt, dass der durch sie gewährte Schutz nicht durch entsprechende oder im Wesentlichen vergleichbare Verpflichtungen gewährleistet wird, denen das Unternehmen bereits im Mitgliedstaat seiner Niederlassung unterliegt(29).

    108. Der Gerichtshof hat auch festgestellt, dass das Ziel, unlauteren Wettbewerb seitens der Unternehmen zu verhindern, die ihren Arbeitnehmern einen Lohn zahlen, der unterhalb des Mindestlohns liegt, als zwingendes Erfordernis, das eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen kann, Berücksichtigung finden kann(30). Er hat ferner darauf hingewiesen, dass nicht unbedingt ein Widerspruch zwischen dem Ziel des Schutzes eines fairen Wettbewerbs auf der einen Seite und dem Ziel der Sicherstellung des Arbeitnehmerschutzes auf der anderen Seite besteht(31).

    109. Bei diesem Gedankengang hat der Gerichtshof jüngst ausdrücklich eine Verbindung hergestellt zwischen seiner ständigen Rechtsprechung, die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, ihre Rechtsvorschriften oder die Tarifverträge über Mindestlöhne auf alle Personen zu erstrecken, die, sei es auch nur vorübergehend, in ihrem Hoheitsgebiet beschäftigt werden, und dem Rechtfertigungsgrund der „Verhinderung von Sozialdumping“(32).

    110. Wie oben dargelegt, äußert das vorlegende Gericht Zweifel, ob die Verpflichtung zur Einhaltung des am Ort der Ausführung geltenden Tarifvertrags, die das Landesvergabegesetz den Zuschlagsempfängern und mittelbar ihren Subunternehmern auferlegt, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

    111. Das vorlegende Gericht ist, wie dargelegt, der Ansicht, die in Rede stehenden Rechtsvorschriften bezweckten in erster Linie den Schutz der deutschen Bauunternehmen vor der Konkurrenz aus anderen Mitgliedstaaten. Ein solcher wirtschaftlicher Zweck könne nicht als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen.

    112. Das vorlegende Gericht ist zudem der Auffassung, dass die Verpflichtung, am Ort der Ausführung einen Tarifvertrag mit Mindestlohnsätzen einzuhalten, die höher lägen als die, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem AEntG Anwendung fänden, das Maß des zum Schutz der Arbeitnehmer Erforderlichen überschreite. Das zum Schutz der Arbeitnehmer Erforderliche werde durch den Mindestlohnstandard markiert, wie er für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem AEntG gelte.

    113. Ich teile diese Auffassung, die vom vorlegenden Gericht und im Wesentlichen von der polnischen Regierung vertreten wird, nicht.

    114. Vielmehr bin ich der Ansicht, dass die beanstandeten Bestimmungen des Landesvergabegesetzes die Verwirklichung der Ziele des Arbeitnehmerschutzes und der Verhinderung von Sozialdumping gewährleisten können und das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche nicht überschreiten.

    115. Zwar lassen sich nach ständiger Rechtsprechung Maßnahmen, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen, nicht durch Ziele wirtschaftlicher Art wie den Schutz der inländischen Unternehmen rechtfertigen(33). Zugleich jedoch ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Absicht des Gesetzgebers, wie sie in den politischen Debatten vor dem Erlass eines Gesetzes oder in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck komme, nicht ausschlaggebend sei, sondern nur einen Anhaltspunkt für das mit diesem Gesetz verfolgte Ziel darstellen könne(34). Das vorlegende Gericht, das Zweifel an dem eigentlichen Ziel des Gesetzgebers habe, müsse prüfen, ob die in Rede stehende Regelung bei objektiver Betrachtung den Schutz der entsandten Arbeitnehmer(35) oder weiter gehend die Verhinderung von Sozialdumping gewährleiste.

    116. Was die Ausführungen des vorlegenden Gerichts angeht, dass die im Ausgangsverfahren streitigen Rechtsvorschriften in erster Linie den Schutz der deutschen Bauunternehmen vor der Konkurrenz aus anderen Mitgliedstaaten bezweckten, so wird dieses Gericht somit zu prüfen haben, ob die genannten Bestimmungen bei objektiver Betrachtung den Schutz der entsandten Arbeitnehmer gewährleisten oder nicht. Dabei ist zu prüfen, ob die Bestimmungen den betroffenen Arbeitnehmern einen tatsächlichen Vorteil verschaffen, der deutlich zu ihrem sozialen Schutz beiträgt(36).

    117. Um festzustellen, dass ein solcher Vorteil, der den entsandten Arbeitnehmern einen tatsächlichen zusätzlichen Schutz bietet(37), besteht, muss das vorlegende Gericht beurteilen, ob der Schutz, den diese Arbeitnehmer in Bezug auf ihre Entlohnung nach den Rechtsvorschriften und/oder den im Staat der Niederlassung des Dienstleistungserbringers geltenden Tarifverträgen bereits erhalten, gleichwertig oder im Wesentlichen vergleichbar ist. Bei dieser Beurteilung ist auf den Bruttolohn abzustellen(38).

    118. Der PKZ wurde dem Vorlagebeschluss zufolge der Vorwurf gemacht, den auf der Baustelle eingesetzten 53 Arbeitnehmern nur 46,57 % des gesetzlich geltenden Mindestlohns ausgezahlt zu haben. Unter diesen Umständen scheint festzustehen, dass diese Arbeitnehmer bei Einhaltung des Landesvergabegesetzes einen echten zusätzlichen Schutz dadurch erhalten hätten, dass ihnen ein Lohn gewährt worden wäre, der deutlich höher als der ihnen normalerweise im Staat der Niederlassung ihres Arbeitgebers ausgezahlte Lohn gewesen wäre. Das Gesetz dürfte somit geeignet sein, den Schutz der entsandten Arbeitnehmer zu gewährleisten.

    119. Das genannte Gesetz ist meines Erachtens auch geeignet, Sozialdumping zu verhindern, da es u. a. die Bedingungen angleichen soll, unter denen die Dienstleistungserbringer unabhängig davon, ob sie in Deutschland niedergelassen sind oder nicht, ihre Arbeitnehmer bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags entlohnen müssen. Es gewährleistet damit, dass die örtlichen und die entsandten Arbeitnehmer, die auf ein und derselben Baustelle tätig sind, den gleichen Lohn erhalten.

    120. Der Umstand, dass das Land Niedersachsen in seinem Vergabegesetz als Bezug nicht den TV Mindestlohn, sondern einen besonderen Tarifvertrag wählte mit der Folge, dass der von den Zuschlagsempfängern oder ihren Subunternehmern am Ort der Ausführung zu zahlende Mindestlohn höher liegt als der normalerweise im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im Bausektor geltende Mindestlohn, scheint mir für sich genommen im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht nicht zu beanstanden zu sein.

    121. Zum einen kann schwerlich geleugnet werden, dass die Garantie eines höheren Lohns für die entsandten Arbeitnehmer deren Schutz sicherstellen kann(39). Zum anderen darf allgemein nicht außer Acht gelassen werden, dass nach Art. 136 Abs. 1 EG „[d]ie Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten … eingedenk der sozialen Grundrechte, … folgende Ziele [verfolgen]: … die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, … [und] den sozialen Dialog“.

    122. Die beanstandeten Bestimmungen des Landesvergabegesetzes überschreiten meines Erachtens auch nicht das, was erforderlich ist, um die Ziele des Arbeitnehmerschutzes und der Verhinderung von Sozialdumping zu gewährleisten.

    123. Die Bestimmungen sollen für die mit der Ausführung eines öffentlichen Auftrags befassten Dienstleistungserbringer das in dem am Ort der Ausführung geltenden besonderen Tarifvertrag vorgesehene Entgelt verbindlich vorschreiben. Zu diesem Zweck sehen die Bestimmungen zum einen vor, dass die Aufträge für Bauleistungen nur an solche Bieter vergeben werden dürfen, die sich schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Mindestentgelt zu zahlen, und die sich auch verpflichten, den Nachunternehmern dieselbe Pflicht aufzuerlegen. Zum anderen führt der Verstoß gegen diese Verpflichtung zu abgestuften Sanktionen, die von der Verhängung einer Vertragsstrafe bis zur Kündigung des Vertrags reichen können.

    124. Meines Erachtens könnten die Ziele des Arbeitnehmerschutzes und der Verhinderung von Sozialdumping durch Vorschriften, die weniger einschneidend sind und den freien Dienstleistungsverkehr in geringerem Maße beschränken, nicht ebenso wirksam erreicht werden.

    125. Wie Irland in seinen schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat(40), gibt es zudem keinen Anhaltspunkt dafür, dass die im besonderen Tarifvertrag vorgeschriebenen Mindestlohnsätze, auf die sich das Landesvergabegesetz bezieht, im Hinblick auf einschlägige Indizes wie z. B. den Lebenshaltungskostenindex außer Verhältnis zu den Lohnsätzen des TV Mindestlohn stehen.

    126. Die vorstehende Auffassung kann nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt werden, wonach ein Landesgesetz, das lediglich für diejenigen entsandten Arbeitnehmer, die im Rahmen öffentlicher Aufträge, also eines Teils des Wirtschaftslebens, tätig seien, anspruchsvollere Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vorschreiben wolle, kaum einem zwingenden Allgemeininteresse im Sinne des Art. 49 EG entsprechen oder zu dessen Verfolgung geeignet sein könne.

    127. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, beanstandet sie, dass das Landesvergabegesetz einen diskriminierenden Unterschied zwischen den Arbeitnehmern im Baugewerbe mache, je nachdem, ob der Auftraggeber öffentlich oder privat sei. Wäre das Ziel des Landes Niedersachsen wirklich der Arbeitnehmerschutz, müsste das Land diese Art von Maßnahme auf alle Arbeitnehmer im Baugewerbe ausdehnen.

    128. Ich kann mich dieser Argumentation aus folgenden Gründen nicht anschließen.

    129. Erstens ist in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden, dass das Land Niedersachsen – außer im Fall der Übertragung – für die Erklärung der Allgemein verbindlichkeit nicht zuständig ist. Mit dem Erlass der streitigen Bestimmungen des Landesvergabegesetzes ging es dem Land Niedersachsen somit darum, den am Ort der Ausführung geltenden Tarifvertrag in einem Bereich, für den es die Zuständigkeit besaß, nämlich dem der öffentlichen Aufträge, verbindlich werden zu lassen, und zwar unabhängig davon, ob dieser Tarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt wurde oder nicht.

    130. Zweitens scheint mir das Vorbringen, dass damit ein diskriminierender Unterschied zwischen den Arbeitnehmern im Baugewerbe gemacht werde, je nachdem, ob der Auftraggeber öffentlich oder privat sei, im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht nicht relevant zu sein.

    131. Worauf es ankommt, ist, wie bereits dargelegt, dass das Land das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit einhält und somit die Leistungserbringer unabhängig davon, ob sie in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, in der gleichen Weise verpflichtet, die am Ort der Ausführung geltenden Mindestlohnsätze zu bezahlen. Mit anderen Worten, ausschlaggebend scheint mir, dass bei der Ausführung ein und desselben öffentlichen Auftrags die örtlichen und die entsandten Arbeitnehmer den gleichen Lohn erhalten. Hierauf ist meines Erachtens das Augenmerk zu legen, um eine etwaige gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßende Diskriminierung feststellen zu können.

    132. Drittens wird der öffentliche Auftrag zwar vor allem zur Befriedigung eines bestimmten, im Bereich von Bauleistungen, Dienstleistungen oder Lieferungen angesiedelten Bedürfnisses der Verwaltung erteilt. Die Vergabe öffentlicher Aufträge erlaubt jedoch auch die Erfüllung anderer im Allgemeininteresse liegender Aufgaben, z. B. im Rahmen der Umweltpolitik oder, wie in der vorliegenden Rechtssache, im Sozialbereich(41).

    133. Die Möglichkeit, im Bereich der öffentlichen Aufträge soziale Erfordernisse einzubeziehen, wurde bereits vom Gerichtshof anerkannt(42) und findet künftig ihre Bestätigung in der Richtlinie 2004/18. Diese enthält einen Art. 26 mit der Überschrift „Bedingungen für die Auftragsausführung“, der wie folgt lautet:

    „Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.“(43)

    134. Da die Bedingung für die Auftragsausführung bezüglich des Mindestlohns der Arbeitnehmer, so wie sie in den streitigen Bestimmungen des Landesvergabegesetzes vorgesehen ist, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie den Grundsatz der Transparenz beachtet, steht sie meines Erachtens im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

    135. Was den Grundsatz der Transparenz angeht, müssen die zu befolgenden Tarifverträge hinreichend genau und zugänglich sein, um dem Arbeitgeber in der Praxis die Feststellung, welche Verpflichtungen er beachten muss, nicht unmöglich oder übermäßig schwer zu machen(44). Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob dies vorliegend der Fall ist(45).

    IV – Ergebnis

    136. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Oberlandesgericht Celle vorgelegte Vorabentscheidungsfrage wie folgt zu beantworten:

    Die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und Art. 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie dem Niedersächsischen Landesvergabegesetz nicht entgegenstehen, die die Zuschlagsempfänger und mittelbar ihre Subunternehmer unter Androhung von Sanktionen, die bis zur Kündigung des Vertrags über die Bauleistungen gehen können, verpflichtet, entsandten Arbeitnehmern bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen, wenn der Tarifvertrag, auf den sich die Regelung bezieht, nicht für allgemein verbindlich erklärt worden ist.

    Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob diese Regelung den entsandten Arbeitnehmern einen tatsächlichen Vorteil verschafft, der deutlich zu ihrem sozialen Schutz beiträgt, und ob bei der Durchführung der Rechtsvorschrift der Grundsatz der Transparenz der Bedingungen für die Ausführung des betreffenden öffentlichen Auftrags beachtet wird.


    1 – Originalsprache: Französisch.


    2 – ABl. 1997, L 18, S. 1.


    3 – Fünfter Erwägungsgrund.


    4 – ABl. L 266, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Rom.


    5 – Vgl. Erwägungsgründe 7 bis 10 der Richtlinie 96/71.


    6 – Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 25. Juli 2003 über die Durchführung der Richtlinie 96/71 in den Mitgliedstaaten (KOM[2003] 458 endg., Punkt 2.3.1.1).


    7 – Elfter Erwägungsgrund.


    8 – Dreizehnter Erwägungsgrund.


    9 – Es handelt sich um „alle Bauarbeiten, die der Errichtung, der Instandsetzung, der Instandhaltung, dem Umbau oder dem Abriss von Bauwerken dienen“.


    10 – ABl. L 199, S. 54, Richtlinie in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 (ABl. L 328, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 93/37). Diese Richtlinie wurde durch die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) aufgehoben und ersetzt. Für diese ist die Umsetzungsfrist am 31. Januar 2006 abgelaufen.


    11 – Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftragssumme 8 493 331 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer betrug und damit über dem für die Anwendung der Richtlinie 93/37 geltenden Schwellenwert lag, der dem Gegenwert von 5 000 000 Sonderziehungsrechten (im Folgenden: SZR) in ECU entspricht, also 6 242 028 Euro (vgl. hierzu: Vom 1. Januar 2002 geltende Gegenwerte der in den Richtlinien über öffentliche Aufträge genannten Schwellenwerte [ABl. 2001, C 332, S. 21]).


    12 – Vgl. in diesem Sinne Mitteilung der Kommission über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (KOM[2001] 566 endg., S. 16, Punkt 1.6).


    13 – BGBl. 1996 I S. 227, im Folgenden: AEntG.


    14 – Bundesanzeiger Nr. 242 vom 30. Dezember 2003, S. 26093. Der genannte Tarifvertrag ist jetzt durch den TV Mindestlohn vom 29. Juli 2005 ersetzt worden, der vom 1. September 2005 bis zum 31. August 2008 gilt und durch Verordnung vom 29. August 2005 (Bundesanzeiger Nr. 164 vom 31. August 2005, S. 13199) für allgemein verbindlich erklärt wurde.


    15 – Vgl. insbesondere Urteil vom 12. Oktober 2004, Wolff & Müller (C‑60/03, Slg. 2004, I‑9553, Randnr. 24).


    16 – Vgl. insoweit Mitteilung der Kommission über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, in der festgestellt wird, dass „[d]ie Ausführungsbedingung … vom Unternehmer, der den Auftrag erhalten hat, akzeptiert werden und sich auf die Auftragserfüllung beziehen [muss]“ und dass „die Bieter sich bei der Angebotsabgabe dazu verpflichten, dieser Anforderung nachzukommen, wenn sie den Zuschlag erhalten“ (S. 17). Wie noch zu zeigen sein wird, muss diese Ausführungsbedingung, um mit Art. 49 EG vereinbar zu sein, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie den Grundsatz der Transparenz beachten.


    17 – 62/81 und 63/81, Slg. 1982, 223.


    18 – Randnr. 14.


    19 – Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland (C‑490/04, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 17). In diesem Urteil stellte der Gerichtshof auch fest, dass „[d]ie Richtlinie 96/71 … nicht den materiell-rechtlichen Inhalt dieser nationalen Vorschriften [harmonisiert und dass] [d]ieser Inhalt … daher von den Mitgliedstaaten unter Beachtung des EG-Vertrags und der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, … also auch des Art. 49 EG, frei bestimmt werden [kann]“ (Randnr. 19).


    20 – Vgl. insbesondere Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9). Nach Art. 15 dieser Richtlinie („Günstigere Vorschriften“) bleibt „[d]as Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten, … unberührt“.


    21 – Vgl. Rodière, P., Droit social de l’Union européenne, LGDJ, 2. Aufl., Paris, 2002, S. 551.


    22 – Ebd., S. 55 und 56. Der Verfasser führt jedoch aus, dass dieser Bereich Gegenstand etwaiger Lohnverhandlungen auf europäischer Ebene sein könne. Er weist ferner darauf hin, dass, abgesehen von der eigentlichen Festlegung des Betrags oder der Höhe der Entgelte, „der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen Wirkungen von allgemeiner Tragweite auf die Lohnsysteme der Arbeitnehmer haben kann“ und dass „[a]ndere Gemeinschaftsregelungen … im Bereich der Entlohnung zusätzlich Wirkungen entfalten [können], z. B. im Bereich der Arbeitszeitgestaltung“.


    23 – Nach dem Ausdruck von Moizard, N., Droit du travail communautaire et protection nationale renforcée – L’exemple du droit du travail français, Presses universitaires d’Aix‑Marseille, Aix-en-Provence, 2000 (vgl. insbesondere S. 94 bis 96). Nach Auffassung des Verfassers sind die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in den von der Richtlinie 96/71 genannten Bereichen „interne Mindestvorschriften staatlichen oder vertraglichen Ursprungs, die die Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie zumindest im Fall der vorübergehenden Entsendung von Arbeitnehmern beachten müssen“ (S. 95). Diese Auffassung kommt auch im 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 zum Ausdruck, wo es heißt, dass die Richtlinie 96/71 „die Mindestbedingungen [enthält], die im Aufnahmeland in Bezug auf die entsandten Arbeitnehmer einzuhalten sind“.


    24 – Ich teile insoweit die von Generalanwalt Mengozzi in seinen Schlussanträgen vom 23. Mai 2007 in der Rechtssache Laval un Partneri (C‑341/05, derzeit beim Gerichtshof anhängig) vertretene Auffassung, wonach, „obwohl die Richtlinie 96/71 es zulässt, dass die Mitgliedstaaten gegenüber dem Dienstleistenden eines Mitgliedstaats, der Arbeitnehmer vorübergehend in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsendet, solche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen anwenden, die für die Arbeitnehmer günstiger sind als die, die namentlich in Art. 3 Abs. 1 [dieser] Richtlinie … erwähnt werden, hierbei der in Art. 49 EG gewährleistete freie Dienstleistungsverkehr beachtet werden [muss]“ (Nr. 151). Ich weise ferner darauf hin, dass die Kommission in ihrer Mitteilung über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einräumt, dass sowohl in den nationalen Fällen als auch in den grenzüberschreitenden Fällen „auch Bestimmungen gelten [können] (und … somit gegebenenfalls auch einzuhalten [sind]), die den Arbeitnehmern größere Vorteile bringen, sofern sie mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind“ (S. 21, Punkt 3.2).


    25 – Vgl. insbesondere Urteil Kommission/Deutschland (Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    26 – Vgl. insbesondere Urteil Wolff & Müller (Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    27 – Vgl. insbesondere Urteil Kommission/Deutschland (Randnrn. 64 und 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    28 – Vgl. insbesondere Urteil Wolff & Müller (Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für seine Feststellung, dass das Allgemeininteresse am sozialen Schutz der Arbeitnehmer des Bausektors und an der Überwachung seiner Einhaltung einen zwingen Grund darstellen kann, führte der Gerichtshof die „besonderen Bedingungen dieses Sektors“ an (Urteile vom 28. März 1996, Guiot, C‑272/94, Slg. 1996, I‑1905, Randnr. 16, und vom 23. November 1999, Arblade u. a., C‑369/96 und C‑376/96, Slg. 1999, I‑8453, Randnr. 51).


    29 – Vgl. insbesondere Urteile vom 21. Oktober 2004, Kommission/Luxemburg (C‑445/03, Slg. 2004, I‑10191, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 21. September 2006, Kommission/Österreich (C‑168/04, Slg. 2006, I‑9041, Randnr. 47).


    30 – Urteil Wolff & Müller (Randnr. 41).


    31 – Ebd. (Randnr. 42). Der Gerichtshof bezieht sich insoweit auf den fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 96/71, der nach seiner Auffassung zeigt, dass diese beiden Ziele nebeneinander verfolgt werden können.


    32 – Urteil vom 19. Januar 2006, Kommission/Deutschland (C‑244/04, Slg. 2006, I‑885, Randnr. 61). Vgl. zur Entwicklung dieser Rechtsprechung Mischo, J., „Libre circulation des services et dumping social“, Le droit à la mesure de l’Homme, in Mélanges en l’honneur de Philippe Léger, Pedone, Paris, 2006, S. 435.


    33 – Urteile vom 25. Oktober 2001, Finalarte u. a. (C‑49/98, C‑50/98, C‑52/98 bis C‑54/98, C‑68/98 bis C‑71/98, Slg. 2001, I‑7831, Randnr. 39), und vom 24. Januar 2002, Portugaia Construções (C‑164/99, Slg. 2002, I‑787, Randnr. 26).


    34 – Urteil Portugaia Construções (Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    35 – Ebd. (Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    36 – Vgl. Urteil Wolff & Müller (Randnr. 38).


    37 – Urteil Finalarte u. a. (Randnr. 45).


    38 – Urteil vom 14. April 2005, Kommission/Deutschland (C‑341/02, Slg. 2005, I‑2733, Randnr. 29).


    39 – Wie die deutsche Regierung in Randnr. 63 ihrer schriftlichen Erklärungen ausführt, ist auch, abgesehen davon, dass die besonderen Tarifverträge höhere Mindestlohnsätze vorsehen, zu beachten, dass das Ziel des Arbeitnehmerschutzes darin besteht, dass nach diesen Tarifverträgen eine die ausgeübte Tätigkeit berücksichtigende differenziertere und angemessenere Entlohnung möglich ist. Ich weise insoweit darauf hin, dass die in den genannten besonderen Tarifverträgen enthaltenen Lohnstaffeln detaillierter als die im TV Mindestlohn sind und die Lohnstufen nach den einzelnen Beschäftigungsgruppen bzw. Tätigkeitsarten festlegen.


    40 – Randnr. 26.


    41 – Vgl. in diesem Sinne Martinez, V., „Les péripéties du critère social dans l’attribution des marchés publics“, Contrats publics, Mélanges en l’honneur du professeur Michel Guibal, Bd.  II, Presses de la faculté de droit de Montpellier, 2006, S. 251 und 252. Der Autor weist insbesondere darauf hin, dass der öffentliche Auftrag ein Mittel zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Ausschluss sein könne und daher als „Säule für die Arbeitsentwicklung“ genutzt werde.


    42 – Urteile vom 20. September 1988, Beentjes (31/87, Slg. 1988, 4635), und vom 26. September 2000, Kommission/Frankreich (C‑225/98, Slg. 2000, I‑7445). Vgl. zu dieser Rechtsprechung und zu ihrer Rezeption im französischen Recht Pongérard‑Payet, H., „Critères sociaux et écologiques des marchés publics: droits communautaire et interne entre guerre et paix“, Europe Nr. 10, Oktober 2004, Abhandlung 10.


    43 –      Zu denken ist auch an den 33. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, in dem es heißt: „Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags sind mit dieser Richtlinie vereinbar, sofern sie nicht unmittelbar oder mittelbar zu einer Diskriminierung führen und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben sind.“ Im Urteil Beentjes hatte der Gerichtshof bereits entschieden, dass „die öffentlichen Auftraggeber die für jede Ausschreibung geltenden Kriterien und Bedingungen in angemessener Weise bekannt machen [müssen]“, um dem Ziel, die Entwicklung eines echten Wettbewerbs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge sicherzustellen, Rechnung zu tragen (Randnr. 21).


    44 – Vgl. in diesem Sinne bezüglich der Strafverfolgung Urteil Arblade u. a. (Randnr. 43).


    45 – Ich erinnere insoweit daran, dass sich die vom Zuschlagsempfänger übernommene Verpflichtung auf das „am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt nach dem aus der Liste der repräsentativen Tarifverträge unter Nr. 01 ‚Baugewerbe‘ genannten Tarifvertrag“ erstreckt.

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