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Document 62005CC0283

Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 28. September 2006.
ASML Netherlands BV gegen Semiconductor Industry Services GmbH (SEMIS).
Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberster Gerichtshof - Österreich.
Gerichtliche Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Verordnung (EG) Nr. 44/2001 - Anerkennung und Vollstreckung - Artikel 34 Nummer 2 - Versäumnisurteil - Versagungsgrund - Begriff des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und "die Möglichkeit hatte", gegen die Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen - Nichtzustellung der Entscheidung.
Rechtssache C-283/05.

Sammlung der Rechtsprechung 2006 I-12041

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2006:617

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PHILIPPE LÉGER

vom 28. September 20061(1)

Rechtssache C‑283/05

ASML Netherlands BV

gegen

Semiconductor Industry Services GmbH (SEMIS)

(Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Obersten Gerichtshofs)

„Justizielle Zusammenarbeit – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Artikel 34 Nummer 2 – Gründe für die Nichtanerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung – Verletzung der Verteidigungsrechte – Ausnahme von der Anwendung dieses Nichtanerkennungsgrundes – Möglichkeit für den Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, gegen die Versäumnisentscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen – Voraussetzungen – Zustellung der Entscheidung“





1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Auslegung von Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates(2), der bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat einer in einem anderen Mitgliedstaat im Versäumnisverfahren ergangenen Gerichtsentscheidung die Anerkennung versagen kann, wenn die Verteidigungsrechte verletzt wurden.

2.        So findet dieser Nichtanerkennungsgrund nach der genannten Bestimmung keine Anwendung, wenn der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, gegen die Entscheidung, die gegen ihn ergangen ist, keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.

3.        Der Oberste Gerichtshof, das höchste österreichische Gericht, ersucht den Gerichtshof um Erläuterung des Inhalts der Bedingung, dass der Beklagte die Möglichkeit hatte, einen Rechtsbehelf einzulegen. Er möchte wissen, ob diese Bedingung so auszulegen ist, dass bereits die Kenntnis des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, von der Versäumnisentscheidung ausreicht, oder ob ihm diese zugestellt worden sein muss.

I –    Rechtlicher Rahmen

4.        Die für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits maßgeblichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts regeln dreierlei: die Garantien der Verteidigungsrechte in der Phase des Ursprungsverfahrens im Ursprungsmitgliedstaat, diese Garantien in der Phase der Anerkennung und der Vollstreckung der Entscheidung im ersuchten Staat und schließlich das dort für die Vollstreckung geltende Verfahren.

5.        Diese Vorschriften sind hauptsächlich in der Verordnung Nr. 44/2001 enthalten. Die Vorschriften über die Kontrolle der Ladung des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, durch das Gericht des Ursprungsstaats finden sich auch in der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates(3).

6.        Die Verordnungen Nr. 44/2001 und Nr. 1348/2000 wurden vom Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Bestimmungen des Titels IV EG-Vertrag erlassen, nach denen die Gemeinschaft zum Erlass von Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen befugt ist, die für das reibungslose Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich sind.

7.        Die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen war bis zum Vertrag von Amsterdam in internationalen Übereinkommen geregelt. Der Vertrag von Maastricht hatte sie zu einer Frage des gemeinsamen Interesses der Mitgliedstaaten gemacht, indem er sie in seinen Titel VI, Bestimmungen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, aufnahm und in die Gemeinschaftsrechtsordnung die so genannte „dritte Säule“ einführte.

8.        Mit dem am 1. Mai 1999 in Kraft getretenen Vertrag von Amsterdam wurde dieser Bereich durch Aufnahme in den Titel IV EG-Vertrag „vergemeinschaftet“. Der Gemeinschaftsgesetzgeber nahm die Anerkennung der Zuständigkeit der Gemeinschaft in diesem Bereich zum Anlass, die bestehenden internationalen Übereinkommen durch Verordnungen zu ersetzen.

9.        Die am 1. März 2002 in Kraft getretene Verordnung Nr. 44/2001 ersetzte somit das Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(4) in allen Mitgliedstaaten, die sich an den Maßnahmen des genannten Titels IV beteiligen(5).

10.      Die Verordnung Nr. 44/2001 ist weitgehend an das Brüsseler Übereinkommen angelehnt, im Verhältnis zu der der Gemeinschaftsgesetzgeber Kontinuität wahren wollte(6). Sie soll die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen vereinfachen(7).

11.      Sie übernimmt auch weitgehend die Regeln des Brüsseler Übereinkommens, und ihre Bestimmungen sind meist analog formuliert wie der jeweilige Artikel dieses Übereinkommens.

12.      Die Verordnung Nr. 1348/2000 wiederum übernimmt weitgehend den Inhalt des durch Rechtsakt des Rates vom 26. Mai 1997 ausgearbeiteten Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union(8).

13.      Dieses Übereinkommen, das nicht in Kraft getreten ist, ist seinerseits an das am 15. November 1965 in Den Haag geschlossene Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland für Zivil- und Handelssachen(9) angelehnt.

14.      Die Verordnung Nr. 1348/2000, die am 31. Mai 2001 in Kraft getreten ist, hat in ihrem Anwendungsbereich in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Königreichs Dänemark Vorrang vor den Bestimmungen, die im Brüsseler und im Haager Übereinkommen enthalten sind(10).

A –    Schutz der Rechte des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, in der Phase des Ursprungsverfahrens

15.      Lässt sich in einem Rechtsstreit vor einem Gericht eines Mitgliedstaats der Beklagte, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, auf das Verfahren nicht ein, so hat dieses Gericht das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Beklagten möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte, oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind. Diese Verpflichtung findet sich in vergleichbarer Formulierung in Artikel 26 Absatz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 und in Artikel 20 Absatz 2 des Brüsseler Übereinkommens.

16.      War jedoch das verfahrenseinleitende Schriftstück nach der Verordnung Nr. 1348/2000 oder nach dem Haager Übereinkommen von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu übermitteln, so gilt Artikel 19 dieser Verordnung bzw. Artikel 15 dieses Übereinkommens(11).

17.      Diese beiden Artikel sind ähnlich formuliert. Sie sehen vor, dass, wenn ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach der Verordnung Nr. 1348/2000 bzw. dem Haager Übereinkommen zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln war und sich der Beklagte auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das Gericht das Verfahren auszusetzen hat, bis festgestellt ist,

–        dass das Schriftstück in einer Form zugestellt worden ist, die das Recht des ersuchten Staats für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt, oder

–        dass das Schriftstück tatsächlich entweder dem Beklagten persönlich ausgehändigt oder nach einem anderen in dieser Verordnung bzw. diesem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren in seiner Wohnung abgegeben worden ist

und dass in jedem dieser Fälle das Schriftstück so rechtzeitig zugestellt(12) oder ausgehändigt bzw. abgegeben worden ist, dass der Beklagte sich hätte verteidigen können.

18.      Ferner sehen diese beiden Artikel vor, dass jeder Mitglied- bzw. Vertragsstaat, um die vorstehende Regelung abzumildern, vorsehen kann, dass seine Gerichte entscheiden können, sofern folgende Voraussetzungen gegeben sind:

–        Das Schriftstück ist nach einem in der Verordnung Nr. 1348/2000 bzw. dem Haager Übereinkommen vorgesehenen Verfahren übermittelt worden;

–        seit der Absendung des Schriftstücks ist eine Frist verstrichen, die das Gericht nach den Umständen des Falles als angemessen erachtet und die mindestens sechs Monate beträgt;

–        trotz aller zumutbaren Schritte bei den zuständigen Behörden oder Stellen des Empfangsmitgliedstaats war eine Bescheinigung nicht zu erlangen.

19.      Schließlich bestimmt Artikel 19 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1348/2000, der ähnlich lautet wie Artikel 16 des Haager Übereinkommens:

„War ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach dieser Verordnung zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln und ist eine Entscheidung gegen einen Beklagten ergangen, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, so kann ihm das Gericht in Bezug auf Rechtsmittelfristen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen, sofern

a)      der Beklagte ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig Kenntnis von dem Schriftstück erlangt hat, dass er sich hätte verteidigen können, und nicht so rechtzeitig Kenntnis von der Entscheidung erlangt hat, dass er sie hätte anfechten können, und

b)      die Verteidigung des Beklagten nicht von vornherein aussichtslos scheint.

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem der Beklagte von der Entscheidung Kenntnis erhalten hat, gestellt werden.

Jeder Mitgliedstaat kann nach Artikel 23 Absatz 1 erklären, dass dieser Antrag nach Ablauf einer in seiner Mitteilung anzugebenden Frist unzulässig ist; diese Frist muss jedoch mindestens ein Jahr ab Erlass der Entscheidung betragen.“

B –    Überprüfung der Wahrung der Rechte des Beklagten in der Phase der Anerkennung und der Vollstreckung der Entscheidung im ersuchten Staat

20.      Nach Artikel 26 des Brüsseler Übereinkommens und Artikel 33 der Verordnung Nr. 44/2001 werden die in einem Vertrags- bzw. Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Vertrags- bzw. Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.

21.      Im Brüsseler Übereinkommen und in der Verordnung Nr. 44/2001 sind die Gründe, aus denen von diesem Grundsatz abzuweichen ist, abschließen aufgezählt. Einer dieser Gründe ist, dass die Rechte des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, trotz der in der Phase des Ursprungsverfahrens vorgesehenen Garantien nicht eingehalten wurden.

22.      Artikel 27 Nummer 2 des Brüsseler Übereinkommens bestimmt insoweit:

„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt:

2.      wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte;

…“

23.      In der Verordnung Nr. 44/2001 wurde die Definition der Gründe für eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung gegenüber der im Brüsseler Übereinkommen vorgesehenen Definition in mehreren Punkten geändert. Der Grund der Verletzung der Rechte des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ist in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 wie folgt formuliert:

„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn

2.      dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte;

…“

C –    Das für die Vollstreckung der Entscheidung im ersuchten Staat geltende Verfahren

24.      Die Verordnung Nr. 44/2001 enthält außerdem Änderungen in Bezug auf das für die Vollstreckung der Entscheidung im ersuchten Staat geltende Verfahren, die für das vorliegende Verfahren erheblich sind.

25.      So wird über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung wie nach dem Brüsseler Übereinkommen in einem einseitigen Verfahren entschieden und es kommt nur im Fall eines Rechtsbehelfs zu einer streitigen Verhandlung.

26.      Anders als nach dem Übereinkommen führt jedoch dieser Antrag nach der Verordnung Nr. 44/2001 nicht zu einer Entscheidung eines Gerichts, sondern es ergeht eine bloße Vollstreckbarerklärung, die nach einer rein förmlichen Prüfung von einem Gericht oder einer befugten Stelle erlassen wird.

27.      Ebenfalls anders als nach dem Brüsseler Übereinkommen werden nach der Verordnung Nr. 44/2001 Versagungsgründe wie die Verletzung der Verteidigungsrechte des Artikels 34 Nummer 2 dieser Verordnung erst nach Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen diese Vollstreckbarerklärung von einem Gericht geprüft. So wird gemäß Artikel 41 der Verordnung Nr. 44/2001 die Entscheidung unverzüglich für vollstreckbar erklärt, sobald die in Artikel 53 vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind, ohne dass eine Prüfung der insbesondere in Artikel 34 dieser Verordnung genannten Versagungsgründe erfolgt.

28.      Diese Förmlichkeiten bestehen nach den Artikeln 53 bis 55 der Verordnung Nr. 44/2001 in der Vorlage einer Ausfertigung der Entscheidung, aus der ihre Beweiskraft hervorgeht, und einer Bescheinigung des Gerichts oder der befugten Stelle des Usprungsstaats oder ggf. einer gleichwertigen Urkunde. Diese Bescheinigung, die nach dem Muster in Anhang V der Verordnung auszustellen ist, muss insbesondere das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks enthalten, wenn die Entscheidung in einem Verfahren erging, auf das sich der Beklagte nicht eingelassen hat, sowie die Bestätigung, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist.

29.      Die Verordnung Nr. 44/2001 übernimmt jedoch nicht das in Artikel 47 des Brüsseler Übereinkommens enthaltene Erfordernis, dass die Partei, welche die Zwangsvollstreckung einer Entscheidung betreiben will, ferner die Urkunden vorzulegen hat, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung nach dem Recht des Usprungsstaats zugestellt(13) wurde. Artikel 42 Absatz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt hierzu:

„Die Vollstreckbarerklärung und, soweit dies noch nicht geschehen ist, die Entscheidung werden dem Schuldner zugestellt.“

II – Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

30.      Dem vorliegenden Verfahren liegt ein Rechtsstreit zwischen der ASML Netherlands BV(14) mit Sitz in Veldhoven (Niederlande) und der Semiconductor Industry Services GmbH (SEMIS)(15) mit Sitz in Feistritz‑Drau (Österreich) zugrunde. Der Rechtsstreit betrifft die Vollstreckung in Österreich eines von der Rechtbank ‘s‑Hertogenbosch in den Niederlanden am 16. Juni 2004 erlassenen Versäumnisurteils, mit dem SEMIS zur Zahlung eines Geldbetrags an ASML verurteilt wurde.

31.      Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass SEMIS die Ladung zu dem für den 19. Mai 2004 anberaumten Verhandlungstermin vor der Rechtbank ‘s‑Hertogenbosch erst am 25. Mai 2004 zugestellt wurde. Ferner geht daraus hervor, dass SEMIS das Versäumnisurteil der Rechtbank ‘s‑Hertogenbosch vom 16. Juni 2004 nicht zugestellt wurde.

32.      Auf Antrag von ASML erklärte das Bezirksgericht Villach, das in erster Instanz befasste österreichische Gericht, mit Beschluss vom 20. Dezember 2004 auf Vorlage einer Bescheinigung der Rechtbank ‘s‑Hertogenbosch vom 6. Juli 2004, in der die „vorläufige Vollstreckbarkeit“ des Versäumnisurteils beurkundet wurde, dieses für vollstreckbar. Außerdem ordnete das österreichische Gericht die Zwangsvollstreckung an.

33.      SEMIS wurde eine Ausfertigung dieses Beschlusses zugestellt. Das Versäumnisurteil wurde dabei nicht mit zugestellt.

34.      Auf das Rechtsmittel von SEMIS gegen diesen Beschluss wies das Landesgericht Klagenfurt (Österreich) den Vollstreckungsantrag mit der Begründung zurück, die in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 genannte, in der Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen ein Versäumnisurteil bestehende Bedingung setze voraus, dass dieses Urteil dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen habe, zugestellt worden sei. Das Vorbringen von ASML, die Ausnahme von dem Nichtanerkennungsgrund nach Artikel 34 Nummer 2 sei anzuwenden, weil SEMIS zum einen durch die Zustellung der Ladung am 25. Mai 2004 von dem gegen sie in den Niederlanden eingeleiteten Verfahren und zum anderen durch die Zustellung des Beschlusses des Bezirksgerichts Villach am 20. Dezember 2004 von dem ergangenen Versäumnisurteil Kenntnis erlangt habe, gehe fehl.

35.      Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs, der über den Revisionsrekurs von ASML entscheidet, hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 genannte Bedingung für die Ausnahme von dem Nichtanerkennungsgrund als erfüllt anzusehen ist, d. h., ob davon auszugehen ist oder nicht, dass SEMIS gegen das Versäumnisurteil keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl sie die Möglichkeit dazu hatte.

36.      Der Oberste Gerichtshof hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist die Wendung „… es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte“ in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) dahin auszulegen, dass diese „Möglichkeit“ jedenfalls eine nach dem anzuwendenden Zustellrecht ordnungsgemäße Zustellung einer Ausfertigung eines in einem Mitgliedstaat ergangenen klagestattgebenden Versäumungsurteils an den Beklagten voraussetzt?

2.      Im Fall der Verneinung der Frage 1:

Hätte bereits die Zustellung einer Ausfertigung des Beschlusses über den Antrag, das Versäumungsurteil des Landesgerichts in ‘s‑Hertogenbosch vom 16. Juni 2004 für Österreich für vollstreckbar zu erklären und die Exekution infolge des für vollstreckbar erklärten ausländischen Exekutionstitels zu bewilligen, die Antragsgegnerin und verpflichtete Partei (= die Beklagte im Titelverfahren) veranlassen müssen, einerseits die Existenz dieses Urteils, andererseits aber auch das Bestehen eines dagegen nach der Rechtsordnung des Urteilsstaats (allenfalls) ergreifbaren Rechtsbehelfs zu ergründen, um sich auf diesem Weg die Kenntnis der Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs als primäre Voraussetzung der Anwendbarkeit der Ausnahme vom Anerkennungshindernis gemäß Artikel 34 Nr. 2 EuGVVO zu verschaffen?

III – Beurteilung

37.      Es besteht kein Zweifel daran, dass der Nichtanerkennungsgrund des Artikels 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 hier eingreift. Diese Bestimmung sieht nämlich vor, dass eine Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.

38.      Aus den Angaben des vorlegenden Gericht geht hervor, dass die Ladung zur Verhandlung über die Klage vor dem niederländischen Gericht am 19. Mai 2004 der Beklagten in Österreich erst nach diesem Verhandlungstermin, nämlich am 25. Mai 2004, zugestellt wurde und dass die Rechtbank ‘s‑Hertogenbosch am 16. Juni 2004 ein Versäumnisurteil erließ, durch das SEMIS zur Zahlung eines Geldbetrags an ASML verurteilt wurde. Das verfahrenseinleitende Schriftstück war also nicht so rechtzeitig zugestellt worden, dass sich SEMIS hätte verteidigen können.

39.      Durch das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen soll geklärt werden, ob die Bedingungen für die Ausnahme von der Anwendung dieses Nichtanerkennungsgrundes erfüllt sind. Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 sieht nämlich vor, dass der auf die Verletzung der Verteidigungsrechte gestützte Nichtanerkennungsgrund nicht anzuwenden ist, wenn der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, gegen die Versäumnisentscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.

40.      Mit seinen beiden Vorlagefragen, deren gemeinsame Prüfung ich vorschlage, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in der Möglichkeit, gegen die Versäumnisentscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, bestehende Bedingung voraussetzt, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, vom Inhalt dieser Entscheidung durch deren Zustellung Kenntnis nehmen konnte, oder ob seine bloße Kenntnis von der Existenz dieser Entscheidung ausreicht.

41.      Es fragt also im Wesentlichen, ob Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 so auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Ausnahme, wonach der auf die Verletzung der Verteidigungsrechte gestützte Nichtanerkennungsgrund nicht Anwendung findet, wenn der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte, voraussetzt, dass ihm diese Entscheidung zugestellt worden ist, oder ob seine Kenntnis von ihrer Existenz ausreicht.

42.      Die im vorliegenden Verfahren vertretenen Auffassungen lassen sich zwei gegensätzlichen Thesen zuordnen.

43.      Auf der einen Seite tragen ASML und die Regierung des Vereinigten Königreichs vor, die in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehene Ausnahme setze keine Zustellung der Entscheidung voraus. Nach Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs würde die systematische Zulassung eines solchen Erfordernisses der Absicht des Gemeinschaftsgesetzgebers zuwiderlaufen, der die in Artikel 27 Nummer 2 des Brüsseler Übereinkommens vorgesehene Voraussetzung der ordnungsgemäßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks abgeschafft habe. Folglich genüge es, dass die Partei, die die Vollstreckung betreibe, den Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen habe, die Existenz dieser Entscheidung zur Kenntnis bringe, und es obliege diesem, nachzuprüfen, ob er sie anfechten könne. Es sei dann Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob der Beklagte unter den besonderen Umständen des Einzelfalls eine angemessene Möglichkeit gehabt habe, einen Rechtsbehelf einzulegen.

44.      Auf der anderen Seite machen die deutsche, die niederländische, die österreichische und die polnische Regierung sowie die Kommission geltend, dass die Möglichkeit, gegen eine Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, die Kenntnis ihres Inhalts voraussetze. Die bloße Kenntnis ihrer Existenz reiche nicht aus. Die in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehene Ausnahme erfordere somit implizit, dass die Entscheidung zugestellt worden sei.

45.      Die deutsche und die österreichische Regierung weisen jedoch darauf hin, dass die förmlichen Anforderungen an diese Zustellung mit denjenigen vergleichbar sein sollten, die der Gemeinschaftsgesetzgeber in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 für verfahrenseinleitende Schriftstücke vorgesehen habe, so dass ein bloß formaler Fehler, der die Verteidigungsrechte nicht beeinträchtige, nicht ausreichen dürfe, um die Anwendung der Ausnahme zu verneinen.

46.      Ich schließe mich der zweiten These an. Die in der Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs bestehende Bedingung setzt meines Erachtens voraus, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, vom Inhalt der fraglichen Entscheidung Kenntnis nehmen konnte. Diese Bedingung schließt ein, dass diese Entscheidung zugestellt wurde, und zwar entsprechend den gleichen Anforderungen, wie sie in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 für das verfahrenseinleitende Schriftstück vorgesehen sind, das heißt, dass ein bloß formaler Fehler, der die Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt, nicht ausreichen darf, um die Anwendung der Ausnahme zu verneinen.

47.      Ich stütze meine Auffassung zunächst auf die Entstehungsgeschichte von Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001, sodann auf die Bestimmungen dieser Verordnung über die Vollstreckung, insbesondere ihren Artikel 42 Absatz 2, und schließlich auf das grundlegende Prinzip der Verteidigungsrechte.

1.      Entstehungsgeschichte von Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001

48.      Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 enthält keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für die Antwort auf die vorliegende Frage. Doch lässt sich anhand der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung beurteilen, in welchem Umfang der Gemeinschaftsgesetzgeber den auf die Verletzung der Verteidigungsrechte gestützten Nichtanerkennungsgrund inhaltlich ändern wollte.

49.      Es ist unbestreitbar, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber durch den Ausschluss der Anwendung dieses Nichtanerkennungsgrundes, wenn der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, gegen die fragliche Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte, die Tragweite dieses Grundes, wie er in Artikel 27 Absatz 2 des Brüsseler Übereinkommens vorgesehen ist, einschränken wollte.

50.      Die Gründe für diese Einschränkung sind in den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 44/2001 nicht ausdrücklich genannt. Sie ergeben sich aber sehr klar aus der Erläuterung zu Artikel 41 Absatz 2 des von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Rat am 14. Juli 1999 vorgelegten Verordnungsvorschlags(16). Dieser Erläuterung kommt für die Auslegung von Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 Bedeutung zu, da diese Bestimmung mit dem Vorschlag der Kommission nahezu gleichlautend ist(17).

51.      Nach der genannten Erläuterung sollen durch die Streichung des Adverbs „ordnungsgemäß“ und die Hinzufügung der streitigen Ausnahme in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 zwei vom Gerichtshof aus Artikel 27 Nummer 2 des Brüsseler Übereinkommens abgeleitete Folgen ausgeschlossen werden.

52.      Die erste dieser Folgen, die im Urteil vom 3. Juli 1990 in der Rechtssache C‑305/88, Lancray(18), herausgearbeitet worden war, ist die, dass ein Formfehler bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks der Anerkennung einer Versäumnisentscheidung entgegensteht, selbst wenn dieser Fehler die Interessen des Beklagten nicht beeinträchtigt hat und die Frist für seine Verteidigung ausgereicht hat(19). Der Gerichtshof befand, dass die durch die Worte „ordnungsgemäß“ und „rechtzeitig“ in Artikel 27 Nummer 2 des Brüsseler Übereinkommens aufgestellten Voraussetzungen der Ordnungsmäßigkeit und der Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks kumulativ gegeben sein müssen, damit eine ausländische im Versäumnisverfahren ergangene Entscheidung im Vollstreckungsstaat anerkannt werden darf.

53.      Die zweite Folge wurde im Urteil vom 12. November 1992 in der Rechtssache C‑123/91, Minalmet(20), herausgearbeitet. In dieser Rechtssache wollte eine Gesellschaft englischen Rechts ein in England ergangenes Versäumnisurteil, mit dem eine deutsche Gesellschaft zur Zahlung eines Geldbetrags verurteilt worden war, in Deutschland vollstrecken lassen. Der Beklagten war das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, wohl aber das Versäumnisurteil.

54.      Der Gerichtshof entschied, dass Artikel 27 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass er der Anerkennung eines Versäumnisurteils entgegensteht, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, selbst wenn er später von der ergangenen Entscheidung Kenntnis erhalten und dagegen keinen nach dem Recht des Urteilsstaats zulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat.

55.      Die gleiche Haltung nahm der Gerichtshof im Urteil vom 10. Oktober 1996 in der Rechtssache C‑78/95, Hendrikman und Feyen (21), ein, wo es um einen Beklagten ging, der von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren keine Kenntnis hatte und für den ein Rechtsanwalt erschienen war, den er nicht beauftragt hatte. Der Gerichtshof befand, dass ein solcher Beklagter als ein Beklagter zu betrachten ist, der sich im Sinne von Artikel 27 Nummer 2 nicht auf das Verfahren eingelassen hat, und dass es dieser Beurteilung nicht entgegensteht, dass dieser Beklagte die Möglichkeit hatte, gegen das Versäumnisurteil wegen mangelnder Vertretung einen Rechtsbehelf einzulegen.

56.      Wie die Kommission hervorgehoben hat, konnte diese Rechtsprechung die nachteilige Folge haben, die Untätigkeit oder gar Böswilligkeit von Schuldnern zu fördern(22). So sprach für einen Schuldner, der im Ursprungsstaat kein pfändbares Vermögen besaß, vieles dafür, gegen eine dort ergangene Entscheidung keinen Rechtsbehelf einzulegen und sich dann der Vollstreckung mit dem Argument zu widersetzen, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht rechtzeitig zugestellt worden sei, um sich dagegen verteidigen zu können.

57.      Insoweit ist an die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu erinnern, wonach ein Kläger, zu dessen Gunsten in einem Vertragsstaat eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist, die in einem anderen Vertragsstaat mit der Vollstreckungsklausel versehen werden könnte, dort nicht gegen seinen Schuldner erneut eine Klage mit demselben Gegenstand erheben kann(23). Angesichts dieser Rechtsprechung ist der Kläger, wenn ihm die Vollstreckungsklausel im ersuchten Staat versagt wurde, nicht nur daran gehindert, dort das im Ursprungsstaat erwirkte Urteil vollstrecken zu lassen, sondern auch daran, dort eine neue vollstreckbare Gerichtsentscheidung zu erwirken.

58.      Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 soll also zum einen ausschließen, dass ein bloßer formaler Fehler des verfahrenseinleitenden Schriftstücks zur Versagung der Vollstreckungsklausel führt, wenn dieser Fehler den Beklagten nicht daran gehindert hat, sich zu verteidigen. Und zum anderen soll er den Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, daran hindern, mit der Geltendmachung einer Verletzung seiner Verteidigungsrechte das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung im ersuchten Staat abzuwarten, wenn er die Möglichkeit hatte, seine Rechte mittels eines Rechtsbehelfs gegen die fragliche Entscheidung im Ursprungsstaat zu verteidigen.

59.      Es geht also lediglich darum, Verfahrensmissbrauch zu verhindern. Der Gemeinschaftsgesetzgeber wollte, indem er der mit dem Urteil Minalmet begründeten Rechtsprechung die Grundlage entzog, ausschließen, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, aus seinem eigenen Versäumnis, seine Rechte durch Inanspruchnahme der ihm zu Gebote stehenden Rechtsbehelfe zu verteidigen, Nutzen zieht.

60.      Er wollte jedoch meines Erachtens den Beklagten nicht zu weiteren, über die übliche Sorgfalt in der Verteidigung seiner Rechte hinausgehenden Schritten verpflichten, wie etwa eine Entscheidung zu ermitteln, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist, dessen Sprache er nicht unbedingt versteht und dessen gerichtliches System er nicht kennt. Dem Beklagten solche Schritte zuzumuten, ginge meines Erachtens über die Tragweite der streitigen Ausnahme offensichtlich hinaus.

61.      Der Vorschrift, dass eine ergangene Versäumnisentscheidung im ersuchten Staat anzuerkennen ist, wenn der Beklagte dagegen keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, liegt nämlich die Auffassung des Gemeinschaftsgesetzgebers zugrunde, dass die Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte im Ursprungsverfahren durch die Einlegung dieses Rechtsbehelfs geheilt werden konnte und dass dem Beklagten durch diesen Rechtsbehelf ermöglicht werden sollte, seine Rechte vor dem Gericht des Ursprungsstaats wirksam zu verteidigen.

62.      Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat damit der Überlegung, auf der die Auffassung des Gerichtshofes im Urteil Minalmet beruht, eine Absage erteilt, dass der Zeitpunkt, zu dem sich der Beklagte verteidigen können muss, der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ist und dass die Möglichkeit, später einen Rechtsbehelf gegen eine bereits für vollstreckbar erklärte Versäumnisentscheidung einzulegen, einer Verteidigung vor Erlass der Entscheidung nicht gleichwertig ist(24).

63.      Dieser neue Ansatz des Gemeinschaftsgesetzgebers führt zu der Überlegung, dass die Lage des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, tatsächlich mit der Lage vergleichbar sein kann, in der er sich bei seiner ersten Ladung vor das Gericht des Ursprungsstaats befindet. Daher spielt die im Versäumnisverfahren ergangene Entscheidung die gleiche Rolle wie das verfahrenseinleitende Schriftstück. Sie muss es dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ermöglichen, über die Elemente des Rechtsstreits Kenntnis zu erlangen und Gelegenheit zur Verteidigung zu erhalten(25).

64.      Es kommt daher wesentlich darauf an, dass der Beklagte vom Inhalt dieser Entscheidung Kenntnis nehmen konnte. Die Möglichkeit, einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, der es ihm gestattet, seine Rechte so zu verteidigen, wie er dies im Ursprungsverfahren hätte tun können, wenn ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt worden wäre, setzt folglich voraus, dass er von den Gründen der Versäumnisentscheidung Kenntnis nehmen kann, um sie zweckdienlich anzugreifen.

65.      Daraus folgt zwingend, dass ihm diese Entscheidung zugestellt werden muss, wie dies für das verfahrenseinleitende Schriftstück gilt. Die in der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehene Ausnahme von der Anwendung des Nichtanerkennungsgrundes führt zwangsläufig dazu, zwischen dem verfahrenseinleitenden Schriftstück und der Versäumnisentscheidung eine Parallele zu ziehen. Diese Ausnahme ist daher nicht anzuwenden, wenn der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, wie vorliegend der Fall, durch Zustellung der Vollstreckbarerklärung bloß Kenntnis von der Existenz der Versäumnisentscheidung erhalten hat.

66.      Nach der Verordnung Nr. 1348/2000 muss der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, die Zustellung dieser Entscheidung in einer Sprache verlangen können, die er versteht. So ist er nach Artikel 8 dieser Verordnung davon in Kenntnis zu setzen, dass er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern darf, wenn dieses in einer anderen als der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, abgefasst ist oder in einer anderen als einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die er versteht.

67.      Im Übrigen neige ich, obwohl die Verordnungen Nrn. 1348/2000 und 44/2001 keine dahin gehende Vorschrift enthalten, wie die polnische Regierung zu der Auffassung, dass die Zustellung der Entscheidung eine Belehrung des Beklagten über die gegen die Entscheidung eröffneten Rechtsbehelfe umfassen muss. Die Bedingung, dass die Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegeben war, schließt auch die Kenntnis der Rechtsbehelfe ein, die gegen die Entscheidung, die vollstreckt werden soll, eröffnet sind.

68.      Ein solches Erfordernis stellt zwar, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs hervorhebt, für die Partei, die vollstrecken will, eine Belastung dar. Doch ist diese Belastung je nach der Lage der beteiligten Parteien und unter dem Gesichtspunkt der Suche nach einem gerechten Ausgleich zwischen ihren Verpflichtungen zu beurteilen. Fest steht, dass die Bestimmung der gegen die Versäumnisentscheidung eröffneten Rechtsbehelfe zwangsläufig einer der beiden beteiligten Parteien obliegt. Meines Erachtens ist die Partei, die vollstrecken will, am ehesten in der Lage, sie zu übernehmen. Zum einen sind diese Rechtsbehelfe meist diejenigen ihrer nationalen Rechtsordnung. Zum anderen hat sie ein bestimmtes Interesse an der Anwendung der streitigen Ausnahme und daran, zu erreichen, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, auf unbestreitbare Weise die Möglichkeit erhalten hat, gegen die Versäumnisentscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen.

69.      Schließlich müssen, wie die deutsche und die österreichische Regierung hervorgehoben haben, die Formerfordernisse der Zustellung der zu vollstreckenden Entscheidung an den Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, mit denen vergleichbar sein, die der Gemeinschaftsgesetzgeber in Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 für die verfahrenseinleitenden Schriftstücke vorgesehen hat. Ein bloßer Formfehler, der die Verteidigungsrechte – d. h. die Fähigkeit des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, über die Elemente des Rechtsstreits Kenntnis zu erlangen und seine Rechte zu verteidigen – nicht beeinträchtigt, darf für die Anwendung der Ausnahme nicht ausreichen.

70.      Folglich setzt in Anbetracht der Entstehungsgeschichte von Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 die Bedingung für die Ausnahme, nach der der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, die Möglichkeit gehabt haben muss, gegen die Versäumnisentscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, voraus, dass diese ihm zugestellt worden ist.

71.      Diese Beurteilung wird meines Erachtens durch die Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001 über das Vollstreckungsverfahren, insbesondere Artikel 42 Absatz 2, bestätigt.

2.      Vorschriften über das Vollstreckungsverfahren

72.      Wie bereits erwähnt, sieht die Verordnung Nr. 44/2001 nicht das in Artikel 47 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens enthaltene Erfordernis vor, dass die Partei, welche die Zwangsvollstreckung einer Gerichtsentscheidung betreiben will, die Urkunden vorzulegen hat, aus denen sich ergibt, dass diese Entscheidung nach dem Recht des Usprungsstaats zugestellt wurde.

73.      Die Verordnung Nr. 44/2001 verlangt, wie das Brüsseler Übereinkommen, dass die Partei, die die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung geltend macht und sie vollstrecken will, eine Ausfertigung der Entscheidung vorlegt, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Außerdem verlangt sie die Vorlage einer Bescheinigung des Gerichts oder der befugten Stelle des Usprungsstaats oder ggf. einer gleichwertigen Urkunde, in der bestätigt wird, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist, und aus der das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks hervorgeht, wenn die fragliche Entscheidung in einem Verfahren erging, auf das sich der Beklagte nicht eingelassen hat.

74.      Sodann sieht sie vor, dass die Entscheidung, die vollstreckt werden soll, für vollstreckbar erklärt wird, sobald diese Förmlichkeiten erfüllt sind. Artikel 42 Absatz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt schließlich: „Die Vollstreckbarerklärung und, soweit dies noch nicht geschehen ist, die Entscheidung werden dem Schuldner zugestellt.“

75.      Meines Erachtens kann die „Entscheidung“, von der in dieser Bestimmung im Satzteil „und, soweit dies noch nicht geschehen ist, die Entscheidung“ die Rede ist, nur die Gerichtsentscheidung sein, die vollstreckt werden soll und deren Vollstreckbarkeit im Vollstreckungsstaat anerkannt wird. Dieses Verständnis teilt auch die Kommission, wie sie in der Sitzung auf Frage des Gerichtshofes erklärt hat.

76.      Aus Artikel 42 Absatz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 lassen sich zwei Folgerungen ziehen.

77.      Die erste dieser Folgerungen ist die, dass die Verordnung Nr. 44/2001 es zulässt, dass die Zustellung der Entscheidung, die vollstreckt werden soll, keine Voraussetzung für die Stellung eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsstaat ist und dass diese Entscheidung an die Beklagte zusammen mit der Erklärung ihrer Vollstreckbarkeit in diesem Staat zugestellt werden kann.

78.      Durch diese erste Folgerung soll meines Erachtens der Auslegung von Artikel 47 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens, die der Gerichtshof in seinem Urteil 14. März 1996 in der Rechtssache C‑275/94, Van der Linden(26), vorgenommen hat, Rechnung getragen werden.

79.      Im Ausgangsverfahren dieser Rechtssache hatte der in Belgien wohnhafte Roger van der Linden sich gegen die Vollstreckung in Belgien von zwei gegen ihn ergangenen Versäumnisurteilen eines deutschen Gerichts zur Wehr gesetzt, mit denen er zur Zahlung von Geldbeträgen an eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Deutschland verurteilt worden war. Er machte geltend, dass der Nachweis der Zustellung dieser Urteile bei Stellung des Antrags auf Zulassung der Vollstreckung nicht erbracht gewesen sei.

80.      Die Versicherungsgesellschaft hatte jedoch die fraglichen Urteile während des Rechtsbehelfsverfahrens des Schuldners Van der Linden gegen die Entscheidung, mit der für sie in Belgien die Vollstreckungsklausel erteilt worden war, nach den belgischen Rechtsvorschriften erneut zustellen lassen. Es ging also um die Frage, ob Artikel 47 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass der Nachweis der Zustellung der Entscheidung, deren Vollstreckung beantragt wird, nach Einreichung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung, insbesondere während eines vom Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, gegen die Entscheidung, mit der die Vollstreckungsklausel im Vollstreckungsstaat erteilt wurde, anhängig gemachten Rechtsbehelfsverfahrens, erbracht werden kann.

81.      Der Gerichtshof bejahte diese Frage unter Hinweis auf die Zielsetzungen, die dem in Artikel 47 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens enthaltenen Zustellungserfordernis zugrunde liegen. Er erinnerte daran, dass dieses Erfordernis dem Zweck dient, der Gegenpartei die gegen sie ergangene Entscheidung zur Kenntnis zu bringen und ihr Gelegenheit zu geben, dieser Entscheidung freiwillig nachzukommen, bevor die Zulassung der Zwangsvollstreckung beantragt wird(27). Er leitete daraus ab, dass der Nachweis der Zustellung der fraglichen Entscheidung, so dies nach den nationalen Verfahrensvorschriften zulässig ist, auch nach der Stellung des Antrags, insbesondere während eines vom Schuldner gegen die Zulassung der Vollstreckung im Vollstreckungsstaat anhängig gemachten Rechtsbehelfsverfahrens, erbracht werden kann, sofern der Schuldner über eine angemessene Frist verfügt, um der betreffenden Entscheidung freiwillig nachzukommen, und sofern die Partei, die die Vollstreckung beantragt, die Kosten eines etwa unnötigen Verfahrens trägt.

82.      Ferner erkannte er implizit an, dass diese Zustellung nach den Vorschriften des ersuchten Staats und nicht nur nach denen des Ursprungsstaats erfolgen kann, wie dies in Artikel 47 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens vorgesehen ist.

83.      Artikel 42 Absatz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 übernimmt somit die vom Gerichtshof im Urteil Van der Linden anerkannte Möglichkeit in den Rahmen des Brüsseler Übereinkommens.

84.      Die zweite meines Erachtens aus Artikel 42 Absatz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 zu ziehende Folgerung ist die, dass die Entscheidung, deren Vollstreckung beantragt wird, der Partei, gegen die vollstreckt werden soll, zu dem einen oder dem anderen Zeitpunkt zugestellt werden muss.

85.      Diese Beurteilung wird bestätigt durch den unterschiedlichen Wortlaut von Artikel 42 Absatz 1, der die Partei, die vollstrecken will, betrifft, und Artikel 42 Absatz 2, der den Beklagten betrifft. Artikel 42 Absatz 1 sieht vor, dass die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung dem Antragsteller unverzüglich „mitgeteilt“ wird. In Artikel 42 Absatz 2 wird dagegen das Wort „zugestellt“ verwendet.

86.      Wie die niederländische Regierung ausführt, ergibt sich damit aus Artikel 42 Absatz 2 der Verordnung Nr. 44/2001, dass die Zustellung der Entscheidung, die im ersuchten Staat vollstreckt werden soll, vor Stellung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung erfolgen soll. Ist dies noch nicht geschehen, muss sie jedenfalls gleichzeitig mit der Zustellung der Vollstreckbarerklärung erfolgen.

87.      Entsprechend dem System des Vollstreckungsverfahrens nach der Verordnung Nr. 44/2001 und dem Urteil Van der Linden obliegt es der Partei, die vollstrecken will, nachzuweisen, dass diese Zustellung bereits erfolgt ist.

88.      Wird die Versäumnisentscheidung gleichzeitig mit der Vollstreckbarerklärung zugestellt, muss der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, entsprechend dem Urteil Van der Linden über eine ausreichende Frist verfügen, um der Entscheidung freiwillig nachzukommen. Ferner muss er über eine ausreichende Frist verfügen, um gegen diese Entscheidung im Ursprungsstaat einen Rechtsbehelf einlegen zu können.

89.      Diese Beurteilung wird durch Artikel 46 Absatz 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestätigt, der regelt, welche Folgen ein Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung des ausländischen Urteils hat, den die Partei, gegen die diese Entscheidung vollstreckt werden soll, eingelegt hat. Nach dieser Bestimmung kann das mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht das Verfahren aussetzen, wenn gegen diese Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt ist. Ferner kann dieses Gericht nach dieser Bestimmung, wenn die Frist für einen solchen Rechtsbehelf noch nicht verstrichen ist, dem Beklagten für die Einlegung des Rechtsbehelfs eine Frist setzen(28).

90.      In diesem Fall hätte, damit die Ausnahme von der Anwendung des Nichtanerkennungsgrundes des Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 Anwendung findet, das Gericht des ersuchten Staates, nachdem es dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, für die Einlegung eines Rechtsbehelfs eine Frist gesetzt hat, nachzuprüfen, dass er gemäß Artikel 8 der Verordnung Nr. 1348/2000 die Zustellung der Entscheidung, für die die Vollstreckbarerklärung beantragt worden ist, in einer Sprache verlangen konnte, die er versteht,(29) und, wie ich meine, dass er über die im Ursprungsstaat eröffneten Rechtsbehelfe gegen die fragliche Entscheidung belehrt worden ist.

91.      Daraus folgt jedenfalls, dass nach Artikel 42 Absatz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 die Entscheidung, die vollstreckt werden soll, sofern sie nicht vor der Stellung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung zugestellt wurde, gleichzeitig mit der Erklärung ihrer Vollstreckbarkeit im ersuchten Staat zugestellt werden muss.

92.      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ist dieses Erfordernis hier nicht beachtet worden. Der Oberste Gerichtshof führt nämlich in seinem Vorlagebeschluss(30) aus, dass SEMIS lediglich eine Ausfertigung des Beschlusses des österreichischen erstinstanzlichen Gerichts vom 20. Dezember 2004 zugestellt wurde, mit dem das Versäumnisurteil vom 16. Juni 2004 für vollstreckbar erklärt wurde.

93.      Dies ist auch der Grund, warum der Oberste Gerichtshof den Gerichtshof fragt, ob die Bedingung, dass der Beklagte „die Möglichkeit hatte“, einen Rechtsbehelf gegen die Versäumnisentscheidung einzulegen, erfüllt sein kann, wenn der Beklagte aufgrund der Zustellung der Vollstreckbarerklärung für diese Entscheidung lediglich Kenntnis von ihrer Existenz hatte.

94.      Diese Bedingung in einem solchen Fall als erfüllt anzusehen, hieße jedoch, Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 in einer Weise auszulegen, die gegen Artikel 42 Absatz 2 dieser Verordnung verstieße.

95.      Diese Vorschrift bestätigt folglich, dass die für die Ausnahme geltende Bedingung, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, die Möglichkeit hatte, gegen die Versäumnisentscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, voraussetzt, dass diese ihm zugestellt wurde.

96.      Schließlich scheint mir diese Beurteilung angesichts der Erfordernisse des grundlegenden Prinzips der Verteidigungsrechte geboten.

3.      Verteidigungsrechte

97.      Bei der Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen darf nicht in Kauf genommen werden, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird. Dieser Leitsatz, dem der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung von Artikel 27 Nummer 2 des Brüsseler Übereinkommens(31) gefolgt ist, lässt sich auf die Auslegung von Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 übertragen.

98.      Dieser Artikel will, ebenso wie Artikel 27 Nummer 2 des Brüsseler Übereinkommens, diesen Anspruch dadurch schützen, dass eine Entscheidung im ersuchten Staat weder anerkannt noch vollstreckt wird, wenn es dem Beklagten nicht möglich war, sich vor dem Gericht des Ursprungsstaats zu verteidigen(32).

99.      Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 hat eine Ausnahme von diesem Nichtanerkennungsgrund eingeführt. Wie oben dargelegt, sah der Gemeinschaftsgesetzgeber die Verteidigungsrechte des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, dadurch als gewahrt an, dass er die Möglichkeit hatte, vor dem Gericht im Ursprungsstaat einen Rechtsbehelf einzulegen. Er sah vor, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, wenn er keinen solchen Rechtsbehelf eingelegt hatte, eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte im Ursprungsverfahren nicht mehr wirksam geltend machen kann. Der Verlust dieser Möglichkeit ergibt sich im System der streitigen Ausnahme daraus, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er die „Möglichkeit dazu“ hatte.

100. Würde man in diesem Zusammenhang annehmen, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, die Möglichkeit hatte, einen solchen Rechtsbehelf einzulegen, ohne dass er vom Inhalt der Versäumnisentscheidung Kenntnis nehmen konnte, so verstieße dies meines Erachtens gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

101. Zudem würde die Auffassung von ASML und der Regierung des Vereinigten Königreich angesichts dessen, dass in dem durch die Verordnung Nr. 44/2001 eingeführten System der Anerkennung und Vollstreckung die Prüfung der Nichtanerkennungsgründe keine Voraussetzung für die Anerkennung der Vollstreckbarkeit mehr darstellt, sondern nur im Fall des Rechtsbehelfs des Beklagten erfolgt, ein zu großes Ungleichgewicht zu Lasten des Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, herbeiführen.

102. Was den ersten Punkt angeht, ist unbestritten, dass die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. Dabei lässt er sich von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind und zu denen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten(33) gehört, der besondere Bedeutung zukommt(34).

103. Der Gerichtshof hat ausdrücklich den aus diesen Grundrechten entwickelten allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz anerkannt, dass jedermann Anspruch auf einen fairen Prozess hat(35). Er hat entschieden, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts bildet(36).

104. Bei der Auslegung dieses fundamentalen Grundsatzes berücksichtigt der Gerichtshof die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Artikel 6 EMRK(37).

105. Aus dieser Rechtsprechung geht hervor, dass die Verteidigungsrechte, die auf dem Anspruch auf einen fairen Prozess beruhen, einen konkreten und wirksamen Schutz erfordern, der geeignet ist, die wirksame Ausübung der Rechte des Beklagten zu gewährleisten(38). Im Bereich des Strafrechts ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass es gegen Artikel 6 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 EMRK verstößt, wenn der Angeklagte die Gründe eines in der zweiten Instanz ergangenen Urteils während der für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen dieses Urteil beim Kassationsgericht laufenden Frist nicht kennt, weil es für den Betreffenden unmöglich ist, sein Rechtsmittel auf zweckdienliche und wirksame Weise einzulegen(39).

106. Auf derselben Linie hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ferner entschieden, dass der Anspruch auf ein kontradiktorisches Verfahren, der Bestandteil eines fairen Verfahrens im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 EMRK ist, verlangt, dass jede Partei eines Straf- oder Zivilverfahrens grundsätzlich befugt sein muss, jedes Schriftstück oder jede Erklärung, die dem Gericht zur Entscheidungsfindung vorgelegt wird, einzusehen und dazu Stellung zu nehmen(40).

107. Ich hielte es für unvereinbar mit dieser Rechtsprechung, wenn man die Möglichkeit für den Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, einen Rechtsbehelf gegen die Versäumnisentscheidung einzulegen, allein deshalb bejahen würde, weil er von der Existenz dieser Entscheidung wusste, ohne dass er von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen konnte.

108. Was den zweiten Punkt angeht, dient die Verordnung Nr. 44/2001, wie wir gesehen haben, dem Zweck, den Verkehr der Entscheidungen innerhalb der Union durch Vereinfachung der Förmlichkeiten für ihre Anerkennung und ihre Vollstreckung zu erleichtern. Mit der Einführung der streitigen Ausnahme in Artikel 34 Nummer 2 dieser Verordnung wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber Behinderungen dieses Verkehrs, die sich aus missbräuchlichen Verhaltensweisen ergeben, entgegentreten.

109. Es ist jedoch darauf zu achten, dass diese Ausnahme nicht eine Tragweite erhält, die über dieses Ziel hinausgeht.

110. Bei der Beurteilung der Relevanz der vorliegenden Rechtssache für die Verteidigungsrechte ist zu berücksichtigen, dass die Prüfung der Nichtanerkennungsgründe, wie z. B. desjenigen der Verletzung der Verteidigungsrechte, im System der Verordnung Nr. 44/2001 keine Voraussetzung mehr für die Vollstreckbarerklärung der im Ursprungsstaat ergangenen Entscheidung darstellt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber ist damit bei der Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in eine neue wichtige Phase eingetreten. Eine gerichtliche Entscheidung muss künftig, sobald sie im Ursprungsstaat vollstreckbar ist, quasi automatisch in jedem ersuchten Staat anerkannt werden.

111. Erst wenn der Beklagte gegen die Entscheidung über diese Vollstreckbarerklärung einen Rechtsbehelf einlegt, kann das Gericht des ersuchten Staates, das mit diesem Rechtsbehelf befasst ist, einen Nichtanerkennungsgrund wie den des Artikels 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 prüfen.

112. Dieser Nichtanerkennungsgrund soll es, wie wir wissen, dem Gericht des ersuchten Staates ermöglichen, die Beachtung der Verteidigungsrechte in der Phase des Ursprungsverfahrens zu kontrollieren, obwohl diese Kontrolle nach Artikel 26 Absatz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 auch dem Gericht des Ursprungsstaats obliegt. Damit haben die Vertragsstaaten im Brüsseler Übereinkommen und der Gemeinschaftsgesetzgeber in der Verordnung Nr. 44/2001 für die Wahrung der Verteidigungsrechte eine doppelte Kontrolle für gerechtfertigt gehalten(41). Ich halte es für wichtig, dass nach dem Eintritt in diese neue Phase bei der Anerkennung von in der Union ergangenen Entscheidungen diese doppelte Kontrolle nicht zu schnell eingeschränkt wird. Die vorliegende Rechtssache ist ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit, eine solche Kontrolle durch das Gericht des ersuchten Staates beizubehalten.

113. So ergeben sich bei einer Prüfung des Verfahrens, das zu dem Versäumnisurteil vom 16. Juni 2004 führte, gute Gründe für die Annahme, dass es nicht den einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 44/2001 entspricht. Aus Artikel 19 dieser Verordnung geht nämlich hervor, dass das Gericht, wenn sich der Beklagte nicht auf das Verfahren einlässt, das Verfahren auszusetzen hat, bis festgestellt ist, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zugestellt oder ausgehändigt bzw. abgegeben worden ist, dass der Beklagte sich hätte verteidigen können. Es kann gegebenenfalls erst nach einer Frist von mindestens sechs Monaten seit der Absendung des Schriftstücks entscheiden, sofern die anderen Voraussetzungen des Artikels 19 Absatz 2 der Verordnung erfüllt sind.

114. Das vorlegende Gericht hat nicht angegeben, ob die Rechtbank ’s–Hertogenbosch, bevor sie am 16. Juni 2004 das Versäumnisurteil erließ, den Nachweis über die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an SEMIS am 25. Mai 2004 erhalten hatte. Selbst wenn die Rechtbank über die Zustellung unterrichtet gewesen sein sollte, bin ich der Ansicht, dass sie hätte feststellen müssen, dass SEMIS nicht rechtzeitig geladen worden war, um sich verteidigen zu können, und entsprechend ihren nationalen Verfahrensvorschriften hätte veranlassen müssen, dass diese Partei zu einem späteren Termin geladen wird.

115. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die niederländische Regierung in der Sitzung angegeben hat, dass das niederländische Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war.

116. Würde zugelassen, dass eine unter solchen Umständen ergangene Entscheidung im ersuchten Staat vollstreckt wird, während SEMIS nur über ihre Existenz in Kenntnis gesetzt wurde und keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, so würde dies der doppelten Kontrolle der Wahrung der Verteidigungsrechte einen großen Teil ihrer Tragweite nehmen und meines Erachtens dazu führen, dass dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, übermäßige Verpflichtungen auferlegt werden, die über das hinausgehen, was einem Beklagten, der die übliche Sorgfalt anwendet, zugemutet werden kann.

117. Meines Erachtens sollte daher auf die gestellten Fragen geantwortet werden, dass Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 so auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Ausnahme, wonach der auf die Verletzung der Verteidigungsrechte gestützte Nichtanerkennungsgrund keine Anwendung findet, wenn der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte, voraussetzt, dass ihm diese Entscheidung zugestellt worden ist.

IV – Ergebnis

118. Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen des Obersten Gerichtshofs wie folgt zu beantworten:

Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist so auszulegen, dass die dort vorgesehene Ausnahme, wonach der auf die Verletzung der Verteidigungsrechte gestützte Nichtanerkennungsgrund keine Anwendung findet, wenn der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte, voraussetzt, dass ihm diese Entscheidung zugestellt worden ist.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Verordnung vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).


3 – Verordnung vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. L 160, S. 37).


4 – ABl. 1972, L 299, S. 32, in der Fassung der Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1, und – geänderter Text – S. 77), vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) und vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1). Eine konsolidierte Fassung des Übereinkommens, wie es durch diese vier Beitrittsübereinkommen geändert wurde, ist im ABl. 1998, C 27, S. 1, veröffentlicht (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen).


5 – Drei Mitgliedstaaten, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, Irland und das Königreich Dänemark, haben sich ausbedungen, sich grundsätzlich nicht an den Maßnahmen zu beteiligen, die nach dem Titel IV des EG-Vertrags erlassen werden. Da jedoch das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt haben, dass sie sich an der Annahme und Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 beteiligen möchten (siehe deren Begründungserwägung 20), ist diese nur für Dänemark nicht bindend (Begründungserwägung 21 und Artikel 1 Absatz 3 dieser Verordnung). Zwischen diesem Staat und den anderen Mitgliedstaaten gilt das Brüsseler Übereinkommen fort. Dieses gilt nach Artikel 68 der Verordnung Nr. 44/2001 außerdem fort hinsichtlich der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten, die nicht zum Anwendungsbereich des EG-Vertrags gehören, wie er in dessen Artikel 299 definiert ist. Schließlich gilt die Verordnung Nr. 44/2001 seit dem 1. Mai 2004 für die neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.


6 – Begründungserwägung 19 der Verordnung Nr. 44/2001.


7 – Begründungserwägung 2 der Verordnung Nr. 44/2001.


8 – ABl. 1997, C 261, S. 1.


9 – Im Folgenden: Haager Übereinkommen.


10 – Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1348/2000 und deren Begründungserwägung 18.


11 – Artikel 26 Absätze 3 und 4 der Verordnung Nr. 44/2001. Artikel 20 Absatz 3 des Brüsseler Übereinkommens verweist nur auf Artikel 15 des Haager Übereinkommens.


12 –      Das Wort „zugestellt“ fehlt in der deutschen Fassung der Verordnung Nr. 1348/2000, was aber den Sinn des Satzes nicht ändert.


13 – Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich in der deutschen Fassung des Brüsseler Übereinkommens die Wendung „nach dem Recht des Ursprungstaats“ nur auf die Vollstreckbarkeit der Entscheidung bezieht.


14 – Im Folgenden: ASML.


15 – Im Folgenden: SEMIS oder Beklagte.


16 – Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM [1999] 348 endg.).


17 – Der Unterschied zu Artikel 34 Nummer 2 der Verordnung Nr. 44/2001 ist rein formal, denn Artikel 41 Nummer 2 des Kommissionsvorschlags lautet wie folgt:


„dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und nicht in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte“.


18 – Slg. 1990, I‑2725.


19 – In der Rechtssache Lancray bestand der Fehler im Nichtvorliegen der Übersetzung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, obwohl die Parteien in ihren Geschäftsbeziehungen die Sprache dieses Schriftstücks benutzten.


20 – Slg. 1992, I‑5661.


21 – Slg. 1996, I‑4943.


22 – Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament: „Wege zu einer effizienteren Erwirkung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in der Europäischen Union“ (ABl. 1998, C 33, S. 3).


23 – Urteil vom 30. November 1976 in der Rechtssache 42/76 (De Wolf, Slg. 1976, 1759).


24 – Urteil Minalmet, Randnr. 19. Um diese Beurteilung zu untermauern, führte der Gerichtshof aus, dass der Beklagte, wenn erst einmal eine vollstreckbare Entscheidung ergangen ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung unter Umständen nur unter erschwerten Voraussetzungen erlangen und weiteren prozessualen Nachteilen ausgesetzt sein kann. Die Verteidigungsmöglichkeiten eines Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, sind somit erheblich vermindert (Randnr. 20).


25 – Urteil vom 21. April 1993 in der Rechtssache C‑172/91 (Sonntag, Slg. 1993, I‑1963, Randnr. 39).


26 – Slg. 1996, I‑1393.


27 – Randnr. 15.


28 – Außerdem ist Artikel 19 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1348/2000 zu berücksichtigen, wo, wie wir gesehen haben, festgelegt ist, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Rechtsbehelf zulässig ist, wenn die Fristen im Ursprungsstaat verstrichen sind. Diese Voraussetzungen sind, wie erwähnt, erstens, dass der Beklagte ohne sein Verschulden weder von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück so rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, dass er sich hätte verteidigen können, noch von der gegen ihn ergangenen Entscheidung so rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, dass er sie hätte anfechten können, zweitens, dass seine Verteidigung nicht von vornherein aussichtslos scheint, und drittens, dass sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem er von der fraglichen Entscheidung Kenntnis erhalten hat, gestellt wird.


29 – Vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 2005 in der Rechtssache C‑443/03 (Leffler, Slg. 2005, I‑9611, Randnr. 68).


30 – Abschnitt A Nr. 4 der Begründung.


31 – Vgl. insbesondere Urteil vom 16. Februar 2006 in der Rechtssache C‑3/05 (Verdoliva, Slg. 2006, I‑1579, Randnr. 26 und die dort zitierte Rechtsprechung).


32 – Vgl. zum Brüsseler Übereinkommen Urteil vom 13. Oktober 2005 in der Rechtssache C‑522/03 (Scania Finance France, Slg. 2005, I‑8639, Randnr. 16 und die dort zitierte Rechtsprechung).


33 – Im Folgenden: EMRK.


34 – Urteil vom 28. März 2000 in der Rechtssache C‑7/98 (Krombach, Slg. 2000, I‑1935, Randnr. 25).


35 – Urteile des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C‑185/95 P (Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I‑8417, Randnrn. 20 und 21) und vom 11. Januar 2000 in den Rechtssachen C‑174/98 P und C‑189/98 P, Niederlande und Van der Wal/Kommission, Slg. 2000, I‑1, Randnr. 17). Dieser Anspruch ist auch in Artikel 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza verkündeten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2000, C 364, S. 1) niedergelegt.


36 – Urteil Krombach, Randnr. 42 und die zitierte Rechtsprechung.


37 – Ebenda, Randnr. 39.


38 – Vgl. EGMR, Urteile Artico/Italien vom 13. Mai 1980, Serie A, Nr. 37, § 33, und T./Italien vom 12. Oktober 1992, Serie A, Nr. 245 C, § 28.


39 – Vgl. EGMR, Urteil Hadjianastassiou/Griechenland vom 16. Dezember 1992, Serie A, Nr. 252, §§ 29 bis 37.


40 – Vgl. EGMR, Urteil Pellegrini/Italien vom 20. Oktober 2001, Recueil des arrêts et décisions 2001‑VIII, § 44.


41 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 1982 in der Rechtssache 228/81 (Pendy Plastic, Slg. 1982, 2723, Randnr. 13).

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