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Document 62001TO0184(02)

Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 10. März 2005.
IMS Health, Inc. gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Nichtigkeitsklage - Aussetzung des Vollzugs und anschließend Aufhebung der angefochtenen Entscheidung während des Verfahrens - Erledigung der Hauptsache.
Rechtssache T-184/01.

Sammlung der Rechtsprechung 2005 II-00817

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2005:95

Rechtssache T‑184/01

IMS Health, Inc.

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Nichtigkeitsklage – Aussetzung des Vollzugs und anschließend Aufhebung der angefochtenen Entscheidung während des Verfahrens – Erledigung der Hauptsache“

Beschluss des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 10. März 2005 

Leitsätze des Beschlusses

1.     Nichtigkeitsklage – Klage gegen eine Entscheidung, deren Vollzug zunächst ausgesetzt worden war und die anschließend während des Verfahrens aufgehoben wurde – Wegfall jeder für den Kläger nachteiligen Rechtswirkung – Gegenstandslosigkeit der Klage – Erledigung der Hauptsache

(Artikel 230 EG)

2.     Verfahren – Kosten – Erledigung der Hauptsache – Gegenstandslosigkeit der Klage wegen der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung – Änderung der bei Erlass dieser Entscheidung bestehenden Umstände – Verurteilung jeder Partei zur Tragung ihrer eigenen Kosten

(Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 87 § 6)

1.     Der Kläger kann weiterhin ein Interesse an der Nichtigerklärung einer im Laufe des Verfahrens aufgehobenen Handlung haben, wenn die Nichtigerklärung dieser Handlung für sich genommen Rechtsfolgen zeitigen kann.

Wenn der Vollzug der angefochtenen Entscheidung ausgesetzt worden war, konnte sie von dem Zeitpunkt, zu dem ihr Vollzug ausgesetzt worden war, bis zum Inkrafttreten der Entscheidung, die sie aufhebt, keine Rechtswirkungen erzeugen, so dass die Klage mangels Fortbestehens nachteiliger Wirkungen für den Kläger im Zeitraum vor der Aussetzung gegenstandslos geworden und folglich die Erledigung der Hauptsache festzustellen ist.

(vgl. Randnrn. 38, 40-41, 47, 49)

2.     In einem Fall, in dem die Kommission eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 82 EG aufgrund der Änderung der bei deren Erlass bestehenden Umstände, und zwar der Wettbewerbssituation, während des Verfahrens aufgehoben hat und in dem weder die Aufhebungsentscheidung noch die Akten die Ansicht gestatten, die Kommission habe eingeräumt, dass diese Entscheidung im Hinblick auf die vom Kläger erhobenen Rügen rechtswidrig gewesen sei, hat bei angemessener Berücksichtigung der Umstände jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen.

(vgl. Randnrn. 53, 55)




BESCHLUSS DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

10. März 2005(*)

„Nichtigkeitsklage – Aussetzung des Vollzugs und anschließend Aufhebung der angefochtenen Entscheidung während des Verfahrens – Erledigung der Hauptsache“

In der Rechtssache T-184/01

IMS Health, Inc., mit Sitz in Fairfield, Connecticut (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: N. Levy, J. Temple-Lang, Solicitors, und R. O’Donoghue, Barrister,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bevollmächtigte: zunächst A. Whelan, É. Gippini Fournier und F. Siredey-Garnier, sodann A. Whelan, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

NDC Health Corp., vormals National Data Corp., mit Sitz in Atlanta, Georgia (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: zunächst I. Forrester, QC, F. Fine, Solicitor, sowie Rechtsanwälte C. Price und A. Gagliardi, sodann Rechtsanwälte C. Price und J. Bourgeois sowie F. Fine, schließlich F. Fine,

durch

NDC Health GmbH & Co. KG mit Sitz in Bad Camberg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst I. Forrester, QC, F. Fine und M. Powell, Solicitors, sowie Rechtsanwälte C. Price und A. Gagliardi, sodann F. Fine sowie Rechtsanwälte C. Price und J. Bourgeois, schließlich F. Fine,

und durch

AzyX Deutschland GmbH Geopharma Information Services mit Sitz in Neu-Isenburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte G. Vandersanden, L. Levi und D. Dugois, sodann Rechtsanwälte G. Vandersanden und L. Levi,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2002/165/EG der Kommission vom 3. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel 82 EG (Sache COMP D3/38.044 – NDC Health/IMS Health: Einstweilige Anordnung) (ABl. 2002, L 59, S. 18),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter F. Dehousse und D. Šváby,

Kanzler: H. Jung,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt

1       Die IMS Health, Inc. (im Folgenden: IMS), ein amerikanisches Unternehmen, bietet in mehreren Ländern Informationsdienste für die Unternehmen der pharmazeutischen und der Gesundheitsindustrie an.

2       In Deutschland übt IMS ihre Tätigkeiten über ihre Tochtergesellschaft IMS Health GmbH & Co. OHG aus. Sie bietet interessierten pharmazeutischen Unternehmen einen regionalen Absatzdatendienst an. Dieser Dienst beruht auf einer Bausteinstruktur mit der Bezeichnung „Struktur 1 860 Bausteine“, bei der es sich um die Aufteilung Deutschlands in 1 860 räumliche Einheiten zur Herausgabe von Absatzinformationen handelt.

3       Da einige Gesellschaften – im vorliegenden Fall Pharma Intranet Information AG (im Folgenden: PII) und AzyX Deutschland GmbH Geopharma Information Services (im Folgenden: AzyX) – Nachbildungen der Struktur 1 860 Bausteine verwendeten, leitete IMS vor dem Landgericht Frankfurt am Main (im Folgenden: Landgericht) Gerichtsverfahren wegen Verletzung ihres Urheberrechts ein. Diese Verfahren wurden am 26. Mai 2000 gegen PII und am 22. Dezember 2000 gegen AzyX eingeleitet.

4       Mit Urteil vom 12. Oktober 2000 untersagte das Landgericht PII die Verwendung der Struktur 1 860 Bausteine. Mit Verfügung vom 27. Oktober 2000, bestätigt durch Urteil vom 16. November 2000, untersagte das Landgericht PII auch die Verwendung der Strukturen 2 847 oder 3 000 Bausteine oder jede andere Struktur dieses Typs, die von der Struktur 1 860 Bausteine abgeleitet sei. Das Urteil vom 12. Oktober 2000 und das Urteil vom 16. November 2000 wurden am 17. September 2002 und am 19. Juni 2001 vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main (im Folgenden: Oberlandesgericht) bestätigt.

5       Nach Erwerb der PII durch die NDC Health Corp. (früher National Data Corp.) (im Folgenden: NDC), ein amerikanisches Unternehmen, das fortan seine Tätigkeiten in Deutschland über ihre Tochtergesellschaft NDC Health GmbH & Co. KG ausübt, erging mit Verfügung des Landgerichts vom 28. Dezember 2000, bestätigt durch Urteil vom 12. Juli 2001, dieselbe Untersagung gegenüber NDC.

6       Mit Verfügung vom 28. Dezember 2000 untersagte das Landgericht AzyX auch, Daten auf der Grundlage der Struktur 1 860 Bausteine zu liefern, auf den Markt zu bringen oder anzubieten. Mit Urteil vom 15. Februar 2001 bestätigte das Landgericht diese Verfügung.

7       Parallel zu diesen gerichtlichen Verfahren ersuchten NDC und AzyX IMS um eine Lizenz zur Nutzung der Struktur 1 860 Bausteine gegen Zahlung einer Gebühr. IMS lehnte diese Ersuchen am 28. November 2000 und am 28. Mai 2001 ab.

8       In diesem Zusammenhang legte NDC am 19. Dezember 2000 eine Beschwerde bei der Kommission aufgrund von Artikel 82 EG ein.

9       Am 3. Juli 2001 erließ die Kommission auf diese Beschwerde die Entscheidung 2002/165/EG in einem Verfahren nach Artikel 82 EG (Sache COMP D3/38.044 – NDC Health/IMS Health: Einstweilige Anordnung) (ABl. 2002, L 59, S. 18, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

10     In dieser Entscheidung entschied die Kommission, dass eine Anscheinsvermutung für ein missbräuchliches Verhalten im Sinne von Artikel 82 EG insoweit bestehe, als IMS sich weigere, eine Lizenz zur Nutzung der Struktur 1 860 Bausteine zu erteilen. Zudem hielt die Kommission einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden und eine nicht hinnehmbare Schädigung des öffentlichen Interesses für wahrscheinlich. Hierzu stellte sie fest, dass die Wettbewerber von IMS, d. h. NDC und AzyX, Gefahr liefen, sich aus dem deutschen Markt zurückzuziehen, wenn ihnen die Lizenzen nicht erteilt würden.

11     Aus diesen Gründen entschied die Kommission, einstweilige Maßnahmen in der Form einer an IMS gerichteten Anordnung zu erlassen, allen Unternehmen, die am deutschen Markt für regionale Absatzdatendienste tätig seien, auf Antrag unverzüglich eine Lizenz auf nicht diskriminierender Grundlage für die Verwendung der Struktur 1 860 Bausteine zu erteilen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

12     IMS hat am 6. August 2001 gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG eine Nichtigkeitsklage gegen die angefochtene Entscheidung erhoben.

13     Mit gesondertem Schriftsatz, der am gleichen Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat IMS außerdem beantragt, den Vollzug der angefochtenen Entscheidung gemäß den Artikeln 242 EG und 243 EG bis zum Erlass des Urteils auszusetzen.

14     Mit Beschluss vom 10. August 2001 hat das Gericht im Verfahren der einstweiligen Anordnung gemäß Artikel 105 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts den Vollzug der angefochtenen Entscheidung vorsorglich bis zur Entscheidung über den Antrag im Verfahren der einstweiligen Anordnung ausgesetzt (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 10. August 2001 in der Rechtssache T‑184/01 R, IMS Health/Kommission, Slg. 2001, II‑2349).

15     Mit Beschluss vom 26. Oktober 2001 hat der Präsident des Gerichts den Vollzug der angefochtenen Entscheidung ausgesetzt (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 26. Oktober 2001 in der Rechtssache T‑184/01 R, IMS Health/Kommission, Slg. 2001, II‑3193). Auf Rechtsmittel von NDC wurde dieser Beschluss durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. April 2002 in der Rechtssache C‑481/01 P(R) (NDC Health/IMS Health und Kommission, Slg. 2002, I‑3401) bestätigt.

16     Mit Beschluss des Präsidenten der dritten Kammer des Gerichts vom 5. Februar 2002 wurden AzyX, NDC und NDC Health GmbH & Co. KG als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

17     Mit Beschluss vom 26. September 2002 setzte der Präsident der dritten Kammer des Gerichts das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache aus, bis der Gerichtshof über die vom Landgericht vorgelegten Fragen zur Auslegung von Artikel 82 EG im Rahmen der in Deutschland anhängigen Gerichtsverfahren zwischen IMS und NDC entschieden hat.

18     Am 13. August 2003 erließ die Kommission die Entscheidung 2003/741/EG in einem Verfahren nach Artikel 82 EG (Sache COMP D3/38.044 – NDC Health/IMS Health: Einstweilige Maßnahmen) (ABl. L 268, S. 69; im Folgenden: Entscheidung vom 13. August 2003), mit der sie die angefochtene Entscheidung zurückzog.

19     Mit am 16. September 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben hat die Kommission beantragt, festzustellen, dass die vorliegende Rechtssache in der Hauptsache erledigt sei, und zur Stützung ihres Antrags eine Abschrift ihrer Entscheidung vom 13. August 2003 vorgelegt. Die Kommission hat weiter beantragt, jede Partei zur Tragung ihrer Kosten zu verurteilen.

20     Die Parteien sind aufgefordert worden, sich schriftlich zu der Frage zu äußern, ob in der vorliegenden Rechtssache noch zu entscheiden sei.

21     In ihren Erklärungen zum Antrag auf Erledigung der Hauptsache, die am 28. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden sind, hat IMS beantragt,

–       den Antrag der Kommission vollständig zurückzuweisen und, wenn im Verfahren zur Hauptsache entschieden wird, der Kommission die Kosten einschließlich der der vorliegenden Erklärungen aufzuerlegen;

–       hilfsweise, soweit dem Antrag der Kommission stattgegeben wird, dieser die Kosten aufzuerlegen.

22     In ihren gemeinsamen Erklärungen zum Antrag auf Erledigung der Hauptsache, die am 4. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden sind, haben NDC und NDC Health GmbH & Co. KG ausgeführt, dass sich die Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung in der Hauptsache erledigt habe, und beantragt, jede Partei zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen.

23     In den Erklärungen zum Antrag auf Erledigung der Hauptsache, die sie am 14. Oktober 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht hat, hat AzyX erläutert, dass sie keine besonderen Erklärungen abgebe, aber beantrage, nicht zur Tragung ihrer eigenen Kosten verurteilt zu werden.

24     Am 29. April 2004 hat der Gerichtshof aufgrund eines Vorlageersuchens das Urteil in der Rechtssache C‑418/01 erlassen (IMS Health, Slg. 2004, I-5039).

25     Am 8. Juni 2004 sind den Parteien im Wege prozessleitender Maßnahmen nach Artikel 64 der Verfahrensordnung mehrere Fragen zur Reichweite der Entscheidung vom 13. August 2003 gestellt worden, die diese fristgerecht beantwortet haben.

 Zum Antrag auf Erledigung der Hauptsache

 Vorbringen der Parteien

26     Die Kommission ist in ihrem Antrag auf Erledigung der Hauptsache der Ansicht, dass die vorliegende Klage gegenstandslos geworden sei.

27     In ihrer Antwort auf die vom Gericht am 8. Juni 2004 gestellte Frage über die Reichweite der Entscheidung vom 13. August 2003 stellt die Kommission klar, dass diese Letztere auf nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung eingetretenen Umständen beruhe. Die Entscheidung vom 13. August 2003 habe daher für sich keinen rückwirkenden Charakter.

28     Außerdem habe die angefochtene Entscheidung keine Rechtswirkung gehabt. Erstens erlege die angefochtene Entscheidung nur „vorläufige“ Maßnahmen auf und beruhe daher nicht auf der endgültigen Feststellung eines Verstoßes gegen Artikel 82 EG. Zweitens sei die angefochtene Entscheidung während der gesamten Dauer ihrer möglichen Anwendung ausgesetzt gewesen.

29     Die einzige denkbare Rechtswirkung sei die, die auf den deutschen Gerichten im Rahmen der nationalen Verfahren lasten könne. Jedoch sei das vorliegende Verfahren nicht fortzuführen; angesichts ihrer Rücknahme durch die Entscheidung vom 13. August 2003 könne die angefochtene Entscheidung keine Wirkungen auf diese Gerichte haben. Daher bestehe keine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, die im Widerspruch zum Grundsatz der Rechtssicherheit stünden.

30     IMS ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall keine Erledigung der Hauptsache vorliege.

31     Erstens habe die Rücknahme der angefochtenen Entscheidung deren Rechtswirkungen nicht beseitigt. Die Erledigung der Hauptsache könne festgestellt werden, wenn die betreffende Handlung vollständig aufgehoben oder durch eine spätere Handlung ersetzt worden sei, die selbst angefochten werde; gerichtsförmige Verfahren könnten weiter einen Gegenstand haben, wenn die zurückgenommene Entscheidung weiter Rechtswirkungen zeitige, insbesondere weil die Rücknahme nur für die Zukunft wirke. Soweit die Rücknahme keine Rückwirkung habe, nehme ihr zudem eine Erledigung der Hauptsache jede Möglichkeit, die Gültigkeit und die Wirkungen der angefochtenen Entscheidung zu bestreiten.

32     Zweitens sei die Begründetheit der angefochtenen Entscheidung ein maßgebendes Element für die Entscheidung der bei den deutschen Gerichten anhängigen Streitigkeiten, namentlich das Verfahren zwischen ihr und NDC. Insbesondere trage NDC vor, dass IMS nach einer Prima-facie-Würdigung der angefochtenen Entscheidung mit der Weigerung, ihr eine Lizenz zu erteilen, ihre beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt habe. Außerdem könne NDC geltend machen, dass die angefochtene Entscheidung vom 3. Juli 2001 bis zum 13. August 2003 weder zurückgenommen noch für nichtig erklärt gewesen sei und dass sie das Recht gehabt habe, eine Lizenz für diesen Zeitraum zu erhalten. Insbesondere unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C‑344/98 (Masterfoods und HB, Slg. 2000, I‑11369) könnten die deutschen Gerichte Zweifel daran haben, in welchem Sinne sie unter der Annahme, dass die angefochtene Entscheidung weder für nichtig erklärt noch rückwirkend zurückgenommen worden sei, zu entscheiden hätten. Schließlich stellt IMS klar, dass die dem Gerichtshof vom Landgericht gestellten Fragen bestimmte im Antrag auf Nichtigerklärung vorgetragene Punkte nicht aufwerfen würden.

33     Drittens würden die Erwägungen der Verfahrensökonomie die Abweisung des Antrags auf Erledigung der Hauptsache rechtfertigen. IMS habe nach wie vor ein Interesse an der Verfolgung eines Verfahrens auf Nichtigerklärung, da sie dem Risiko ausgesetzt sei, sich in Zukunft ähnlichen Handlungen wie der angefochtenen ausgesetzt zu sehen. Außerdem habe es die Kommission immer abgelehnt, sich zu der Frage, ob die Untersuchung aufgeschoben werden müsse, oder zu der Frage zu äußern, ob das Verfahren abgeschlossen sei. Schließlich bestehe das Risiko, dass NDC oder andere Unternehmen sich auf die angefochtene Entscheidung stützen könnten, um eventuell die Erteilung einer Lizenz zu fordern.

 Würdigung durch das Gericht

34     Der Antrag der Kommission auf Erledigung der Hauptsache hat einen Zwischenstreit ausgelöst, über den das Gericht gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung aufgrund des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden in der Lage ist.

35     Es ist festzustellen, dass die Kommission die angefochtene Entscheidung während des Verfahrens durch die Entscheidung vom 13. August 2003 ausdrücklich zurückgenommen hat.

36     Aus der Begründung der Entscheidung vom 13. August 2003 ergibt sich, dass die durchgeführte „Rücknahme“, wie die Kommission hervorhebt, keine Rückwirkung hat und dass die genannte Entscheidung daher so anzusehen ist, dass sie die angefochtene Entscheidung aufhebt.

37     Daher hat die angefochtene Entscheidung ab dem Inkrafttreten der Entscheidung vom 13. August 2003 keine Rechtswirkungen mehr gegenüber der Klägerin.

38     Nach der Rechtsprechung kann der Kläger jedoch weiterhin ein Interesse an der Nichtigerklärung einer im Laufe des Verfahrens aufgehobenen Handlung haben, wenn die Nichtigerklärung dieser Handlung für sich genommen Rechtsfolgen zeitigen kann (siehe Beschluss des Gerichts vom 14. März 1997 in der Rechtssache T‑25/96, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt‑Unternehmen und Hapag‑Lloyd/Kommission, Slg. 1997, II‑363, Randnr. 16 und die dort zitierte Rechtsprechung).

39     Die Klägerin trägt gerade vor, dass sie ein Interesse am Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf deren Rechtswirkungen während des Zeitraums vor der Aufhebungsentscheidung habe.

40     Allerdings war der Vollzug der angefochtenen Entscheidung zunächst durch den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 10. August 2001 und dann durch den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 26. Oktober 2001 ausgesetzt worden. Die angefochtene Entscheidung konnte daher von dem Zeitpunkt, zu dem ihr Vollzug zum ersten Mal ausgesetzt worden war, d. h. dem 10. August 2001, bis zum Inkrafttreten der Entscheidung vom 13. August 2003 keine Rechtswirkungen erzeugen.

41     Somit konnte die angefochtene Entscheidung Rechtswirkungen nur vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bis zum Zeitpunkt der Aufhebung des Vollzugs erzeugen. Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass, auch wenn mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung begonnen worden war, keine Wirkung andauert, die ein Interesse am Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen könnte.

42     So ergibt sich aus Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung, dass die Verpflichtung, eine Lizenz zu erteilen, nach Artikel 1 derselben Entscheidung nur im Rahmen eines Antrags der Wettbewerber von IMS und einer Übereinkunft über die Gebühren, eventuell im Wege eines Sachverständigengutachtens, durchzuführen war.

43     Aus den Akten geht hervor, dass die Wettbewerber von IMS, im vorliegenden Fall AzyX und NDC, nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung einen Antrag auf Erteilung einer Lizenz einreichten. Die Parteien konnten sich über die angemessenen Gebühren nicht einigen, und das Verfahren für die Auswahl eines Sachverständigen begann. Aufgrund des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts vom 10. August 2001 jedoch wurde dieses Verfahren nicht zu Ende geführt, und die Kommission setzte das Verfahren zur Bestimmung eines Sachverständigen aus.

44     Daher steht fest, dass die Klägerin aufgrund der angefochtenen Entscheidung nicht verpflichtet war, einem ihrer Wettbewerber eine Lizenz zu gewähren, und auf derselben Grundlage heute nicht mehr dazu verpflichtet sein kann, da die angefochtene Entscheidung am 13. August 2003 aufgehoben wurde.

45     Ebenso steht fest, dass das in Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Zwangsgeld für den betroffenen Zeitraum nicht angewendet werden konnte und aufgrund der Aufhebung der genannten Entscheidung nicht mehr angewandt werden kann.

46     Zum Vorbringen der Klägerin betreffend die in Deutschland anhängigen Gerichtsverfahren und das Urteil Masterfoods und HB, siehe oben Randnummer 32, ist festzustellen, dass dieses Urteil dem Risiko eines Widerspruchs zwischen den Entscheidungen der nationalen Gerichte und denen der Kommission vorbeugen will. Die angefochtene Entscheidung ist seit dem 13. August 2003 aus der gemeinschaftlichen Rechtsordnung verschwunden; daher besteht im vorliegenden Fall kein Risiko eines Widerspruchs. Die deutschen Gerichte haben daher völlige Freiheit bei ihrer Entscheidung, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die angefochtene Entscheidung jedenfalls nur den Erlass vorläufiger Maßnahmen zum Gegenstand hatte.

47     Zudem besteht aufgrund der schon oben in den Randnummern 40, 44 und 45 genannten Gesichtspunkte keine Rechtswirkung der angefochtenen Entscheidung fort. Dass die Wettbewerber der Klägerin in Deutschland oder andere interessierte Akteure eventuell vor den nationalen Gerichten das frühere schlichte Bestehen der angefochtenen Entscheidung vorbringen können, um eine Lizenz oder eine Entschädigung zu erlangen, ist für sich ohne Wirkung auf die rechtliche Situation der Klägerin.

48     Schließlich ist das Gericht zu dem Vorbringen von IMS, sie könne in Zukunft einer identischen Maßnahme wie der angefochtenen ausgesetzt sein, der Ansicht, dass die Lage der Klägerin nur durch von der angefochtenen Entscheidung verschiedene Entscheidungen beeinträchtigt werden könnte, deren eventuelle Anfechtung zu anderen Verfahren als der vorliegenden Klage auf Nichtigerklärung führen würde.

49     Aus allen diesen Gründen ist zu entscheiden, dass IMS keinen Gesichtspunkt vorgetragen hat, der den Schluss erlaubte, dass sie trotz der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ein Interesse an der Nichtigerklärung dieser Entscheidung behielte. Folglich ist die vorliegende Klage gegenstandslos geworden, und die vorliegende Rechtssache ist in der Hauptsache erledigt.

 Kosten

50     Die Kommission ist der Ansicht, dass jede Partei zur Tragung ihrer eigenen Kosten verurteilt werden müsste, da die angefochtene Entscheidung aufgrund einer wesentlichen Änderung der Umstände zurückgenommen worden sei. Diese Rücknahme bedeute demnach nicht, dass die Kommission ihre ursprüngliche Position über den auf den ersten Blick bestehenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung geändert habe. Zudem stelle diese Rücknahme weder die Beurteilung des Kriteriums der Dringlichkeit noch die in der angefochtenen Entscheidung durchgeführte Abwägung der Interessen, noch den geeigneten Charakter der vorläufigen Maßnahmen, die dazu ergangen seien, in Frage.

51     IMS dagegen ist der Ansicht, dass die Kommission zur Tragung der Kosten des Verfahrens zu verurteilen sei. Zunächst sei der relative Wert der ursprünglichen von den Parteien vorgebrachten Rügen ein Gesichtspunkt, der es dem Gericht erlaube, seinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Kosten auszuüben. IMS verweist hier insbesondere auf den Beschluss vom 26. Oktober 2001, IMS Health/Kommission, oben Randnummer 15. Außerdem meint IMS, es sei recht und billig, dass die Kommission zur Tragung der Kosten verurteilt werde, und erklärt im Wesentlichen, dass die vorliegende Rechtssache und die begangenen Fehler zu erhöhten Kosten für sie geführt hätten.

52     Nach Artikel 87 § 6 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen.

53     Die Kommission hat die angefochtene Entscheidung aufgrund der Änderung der bei deren Erlass bestehenden Umstände, und zwar der Wettbewerbssituation, aufgehoben. Weder die Entscheidung vom 13. August 2003 noch die Akten gestatten die Ansicht, die Kommission habe eingeräumt, dass die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die von der Klägerin erhobenen Rügen rechtswidrig gewesen sei.

54     Auch stellen die Beschlüsse des Gerichts im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach Artikel 107 § 4 der Verfahrensordnung nur eine einstweilige Regelung dar und greifen der Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache nicht vor.

55     Das Gericht hält es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles für geboten, jeder Partei ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1.      Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2.      Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Luxemburg, den 10. März 2005

Der Kanzler

 

       Der Präsident

H. Jung

 

       M. Vilaras


* Verfahrenssprache: Englisch.

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