Conclusions
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
FRANCIS G. JACOBS
vom 18. September 2003(1)
Rechtssache C-91/01
Italien
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
„“
1.
In dieser Rechtssache beantragt Italien die Nichtigerklärung der Entscheidung 2001/779/EG vom 15. November 2000 (im Folgenden:
Entscheidung)
(2)
, mit der die Kommission festgestellt hat, dass die Beihilfe, die Italien zugunsten der Solar Tech srl (im Folgenden: Solar
Tech) gewähren will, mit dem gemeinsamen Markt insoweit unvereinbar ist, als ihre Intensität über der im vorliegenden Fall
höchstzulässigen Intensität liegt.
2.
Im Einzelnen macht Italien geltend, dass die Kommission gegen die Artikel 87 EG und 88 EG, den Gemeinschaftsrahmen für staatliche
Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen (im Folgenden: Gemeinschaftsrahmen)
(3)
, die Empfehlung 96/280/EG der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen
(im Folgenden: Empfehlung)
(4)
sowie gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit dadurch verstoßen habe, dass sie die für kleine
und mittlere Unternehmen („KMU“) vorgesehene Erhöhung der Beihilfeintensität nicht genehmigt habe.
Rechtlicher Rahmen Staatliche Beihilfen betreffende Vertragsbestimmungen
3.
Artikel 87 EG sieht vor:
„(1) Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen
gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder
zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
...
(3) Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden:
- a)
- Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig
ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht;
...
- c)
- Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen
nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft;
...“
4.
Artikel 88 bestimmt:
„(1) Die Kommission überprüft fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen.
Sie schlägt ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen
Marktes erfordern.
(2) Stellt die Kommission fest, nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äußerung gesetzt hat, dass eine von einem Staat
oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach Artikel 87 unvereinbar ist oder dass sie missbräuchlich
angewandt wird, so entscheidet sie, dass der betreffende Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten
hat.
...
(3) Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass
sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Artikel 87 mit dem Gemeinsamen Markt
unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf
die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen hat.“
Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an KMU
5.
Wenn es um Beihilfen an KMU geht, wird ein bestimmtes Maß an besonderer Behandlung als erforderlich angesehen. Die Gründe
dafür werden in Ziffer 1.2 des Gemeinschaftsrahmens angegeben, in der „auf die entscheidende Rolle der KMU bei der Schaffung
von Arbeitsplätzen und generell als Faktor sozialer Stabilität und wirtschaftlicher Dynamik hingewiesen [wird]. Indes steht
fest, dass sich die KMU einigen Hindernissen gegenübersehen, die ihre Entwicklung aufhalten können ... Bei diesen Hindernissen
handelt es sich in erster Linie um die Schwierigkeiten des Zugangs zu Kapital und Kredit: Ihre Ursachen sind die Unzulänglichkeit
der Information, die Zurückhaltung der Kapitalmärkte, Risiken einzugehen, und die begrenzten Garantien, die die KMU bieten
können. Ihre Möglichkeiten, Zugang zu Informationen zu erhalten, insbesondere zu Informationen über die neuen Technologien
und die potenziellen Märkte, sind entsprechend ihren begrenzten Mitteln beschränkt. Schließlich erhöhen sich mit neuen Regelungen
häufig die Kosten. Die Marktmängel, die eine sozial wünschenswerte Entwicklung der KMU begrenzen, rechtfertigen die herkömmlich
befürwortende Haltung der Kommission gegenüber staatlichen Beihilfen an KMU, soweit ... diese Beihilfen die Handelsbedingungen
nicht in einer Weise verändern, die in keinem angemessenen Verhältnis zu ihrem Beitrag zur Verwirklichung von Gemeinschaftszielen
steht.“
6.
Im vierten Absatz der Ziffer 4.2.1 des Gemeinschaftsrahmens heißt es:
„Für Fördergebiete kann die Kommission zusätzlich zu dem von ihr genehmigten regionalen Förderhöchstsatz der Investitionsbeihilfe Beihilfen
genehmigen
...
- ─
- von 15 Bruttoprozentpunkten in Fördergebieten nach [Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) EG], vorausgesetzt, dass der Gesamtbetrag
75 % netto nicht überschreitet.“
(5)
7.
Ziffer 3.2 des Gemeinschaftsrahmens sieht vor: Für die Anwendung dieses Gemeinschaftsrahmens wird der Begriff ‚KMU‘ gemäß
der Empfehlung der Kommission vom 3. April 1996 bestimmt ...“ Im Gemeinschaftsrahmen wird diese Definition
(6)
wiedergegeben und Folgendes klargestellt: „Die Bedingung der Unabhängigkeit, wonach ein Großunternehmen höchstens 25 % des
Kapitals des KMU halten darf, lehnt sich an die Praxis zahlreicher Mitgliedstaaten an, in denen dieser Anteil als der Schwellenwert
gilt, ab dem die Kontrolle möglich ist.“
Die Empfehlung betreffend die Definition der KMU
8.
Der Anhang zu der Empfehlung trägt die Überschrift „Definition der kleinen und mittleren Unternehmen durch die Kommission“.
Artikel 1 des Anhangs sieht vor:
„(1) Die kleinen und mittleren Unternehmen, nachstehend ‚KMU‘ genannt, werden definiert als Unternehmen, die
- ─
- weniger als 250 Personen beschäftigen und
- ─
- einen Jahresumsatz von höchstens 40 Millionen ECU oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 27 Millionen ECU haben und
- ─
- die das in Absatz 3 definierte Unabhängigkeitskriterium erfüllen.
...
(3) Als unabhängig gelten Unternehmen, die nicht zu 25 % oder mehr des Kapitals oder der Stimmanteile im Besitz von einem
oder mehreren Unternehmen gemeinsam stehen, welche die Definition der KMU bzw. der kleinen Unternehmen nicht erfüllen. Dieser
Schwellenwert kann in zwei Fällen überschritten werden:
- ─
- wenn das Unternehmen im Besitz von öffentlichen Beteiligungsgesellschaften, Risikokapitalgesellschaften oder institutionellen
Anlegern steht und diese weder einzeln noch gemeinsam Kontrolle über das Unternehmen ausüben;
- ─
- wenn aufgrund der Kapitalstreuung nicht ermittelt werden kann, wer die Anteile hält, und das Unternehmen erklärt, dass es
nach bestem Wissen davon ausgehen kann, dass es nicht zu 25 % oder mehr seines Kapitals im Besitz von einem oder mehreren
Unternehmen gemeinsam steht, die die Definition der KMU bzw. der kleinen Unternehmen nicht erfüllen.“
9.
Artikel 1 der Empfehlung selbst sieht vor:
„Den Mitgliedstaaten ... wird empfohlen,
- ─
- für alle ihre Programme, die ‚KMU‘ ... betreffen, die Bestimmungen von Artikel 1 des Anhangs anzuwenden ...“
10.
Artikel 2 sieht vor:
„Bei den in Artikel 1 des Anhangs festgesetzten Schwellenwerten handelt es sich um Höchstgrenzen. Die Mitgliedstaaten ...
können in bestimmten Fällen niedrigere Schwellenwerte festsetzen. Darüber hinaus können sie sich bei der Durchführung von
bestimmten Programmen auf die Anwendung des Beschäftigtenkriteriums beschränken, mit Ausnahme derjenigen Bereiche, in denen
die verschiedenen Rahmenregelungen für staatliche Beihilfen gelten.“
11.
Die 18., die 19. und die 22. Begründungserwägung in der Präambel der Empfehlung lauten wie folgt:
„Die Unabhängigkeit bleibt ebenfalls ein grundlegendes Kriterium, insofern, als KMU, die einem Konzern angehören, über Mittel
und Unterstützungen verfügen, die ihre gleichgroßen Konkurrenten nicht haben ...
Hinsichtlich des Unabhängigkeitskriteriums sollten die Mitgliedstaaten, die EIB und der EIF sicherstellen, dass die Definition
nicht durch solche Unternehmen umgangen wird, die dieses Kriterium zwar formal ausfüllen, jedoch tatsächlich durch ein größeres
oder mehrere größere Unternehmen kontrolliert werden.
...
Es müssen hinreichend strenge Kriterien für die Definition der KMU festgelegt werden, damit die für sie vorgesehenen Maßnahmen
tatsächlich diejenigen Unternehmen erreichen, deren geringe Größe für sie einen Nachteil bedeutet;
...“
Der Multisektorale Regionalbeihilferahmen
12.
Der Multisektorale Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben (im Folgenden: Multisektoraler Rahmen)
(7)
sieht eine systematischere Kontrolle der Regionalbeihilfen für große Mobilinvestitionen vor (Ziffer 1.1).
13.
Nach Ziffer 2.1 des Multisektoralen Rahmens haben die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG alle regionalen Investitionsbeihilfevorhaben
innerhalb genehmigter Beihilferegelungen anzumelden, wenn a) die Projektgesamtkosten mindestens 50 Mio. ECU betragen und eine
als Prozentsatz der beihilfefähigen Investition ausgedrückte Intensität der kumulierten Beihilfebeträge von mindestens 50 %
der für Regionalbeihilfen geltenden Höchstgrenze für Großunternehmen in dem betroffenen Gebiet vorliegt und der Beihilfebetrag
pro geschaffenem oder erhaltenem Arbeitsplatz sich auf mindestens 40 000 ECU beläuft oder b) die Gesamtbeihilfe mindestens
50 Mio. ECU beträgt.
14.
In Ziffer 3.1 des Multisektoralen Rahmens heißt es:
„Die Kommission wird die zulässige Beihilfehöchstintensität für ein angemeldetes Beihilfevorhaben mittels der Berechnungsformel
in Ziffer 3.10 festsetzen. Am Anfang steht die Ermittlung der höchstzulässigen Bruttobeihilfeintensität (Beihilfeobergrenze
für Regionalbeihilfen), die ein Großunternehmen in dem betreffenden Fördergebiet nach der zum Anmeldezeitpunkt gültigen genehmigten
Regionalbeihilferegelung in Anspruch nehmen kann (im Falle einer Ad-hoc-Beihilfe kommt der für die betroffene Region geltende
Höchstsatz zur Anwendung). Dieser Prozentsatz wird anschließend um die Werte, die sich aus den drei unten aufgeführten Bewertungsfaktoren
ergeben, berichtigt, um die höchstzulässige Beihilfeintensität für das jeweilige Vorhaben zu ermitteln.“
15.
In den Ziffern 3.2 bis 3.10 des Multisektoralen Rahmens werden die drei Faktoren – Wettbewerbsfaktor, Faktor „Verhältnis Kapitaleinsatz
– Arbeitsplätze“, Faktor „Regionale Auswirkung“ – und die für sie geltende Formel für die Berechnung der zulässigen Beihilfehöchstintensität
definiert. Nach Ziffer 3.10 Absatz 3 kann kein Projekt über die regionale Obergrenze hinaus gefördert werden.
Das Verfahren bei der Kommission
16.
Mit Schreiben vom 24. November 1999 meldete Italien bei der Kommission die Beihilfe an, die es der Solar Tech gewähren wollte.
Bei der Maßnahme handelte es sich um einen nichtrückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 42 788 290 Euro zum Bau einer Anlage zur
Herstellung von Folien aus amorphem Silizium und von integrierten Solarzellenpaneelen in dem unter Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe
a EG fallenden Gebiet von Manfredonia/Foggia. Die Beihilfe war in dem Secondo Protocollo Aggiuntivo del Contratto d’Area per
l’Area di Manfredonia (Zweites Zusatzprotokoll zum Gebietsvertrag für das Gebiet Manfredonia; im Folgenden: Secondo Protocollo)
vom 19. März 1999 im Rahmen der von der Kommission mit Schreiben vom 30. Juni 1997 genehmigten Regionalbeihilferegelung
(8)
vorgesehen. In Anbetracht der Projektgesamtkosten, der kombinierten Intensität des Beihilfebetrags und des Verhältnisses
Beihilfe pro geschaffenen Arbeitsplatz war die Beihilfe nach dem Multisektoralen Rahmen anzumelden.
17.
Obwohl die Intensität der vorgeschlagenen Beihilfe sich auf 50,14 % Nettosubventionsäquivalent
(9)
belief, was über der von der Kommission für das betreffende Gebiet genehmigten Beihilfehöchstintensität (40 % NSÄ) lag, machte
Italien geltend, dass die Beihilfe zu genehmigen sei, weil die Solar Tech nach dem Gemeinschaftsrahmen als KMU zu qualifizieren
sei und daher Anspruch auf den für Beihilfen an KMU in Fördergebieten vorgesehenen Zuschlag in Höhe von 15 % Bruttosubventionsäquivalent
(BSÄ)
(10)
habe.
18.
Die Kommission hatte Zweifel daran, ob die Solar Tech nach dem Gemeinschaftsrahmen als KMU eingestuft werden konnte und ob
sie den typischen Nachteilen von KMU ausgesetzt war, und teilte Italien mit Schreiben vom 4. April 2000 mit, dass sie beschlossen
habe, ein Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten
(11)
.
19.
Die Kommission hatte den Eindruck, dass die Solar Tech zwar formal den Kriterien der Definition eines KMU im Gemeinschaftsrahmen
entsprach, dass aber mehrere Faktoren darauf hindeuteten, dass sie in Wirklichkeit zu dem großen Industriekonzern Permasteelisa
gehörte, der auf Vorhangwände und andere Verkleidungen für große öffentliche Infrastrukturarbeiten spezialisiert ist. Während
nur 24 % der Anteile an der Solar Tech von der Haupthandelsgesellschaft des Konzerns, der Permasteelisa SpA gehalten wurden,
gehörten die verbleibenden 76 % drei Einzelpersonen, die alle Managementpositionen im Permasteelisa-Konzern innehatten und
eine maßgebliche Beteiligung an der Holdinggesellschaft des Konzerns hatten. Außerdem stellte sich heraus, dass die Solar
Tech (zumindest teilweise) in den Konzern integriert war: Ihre Produktion ergänzte das Produktspektrum des Konzerns oder fügte
sich in dieses ein, und Permasteelisa bot dem Unternehmen offenbar logistische (Vertrieb) und finanzielle Unterstützung. Die
Kommission gelangte daher zu der Auffassung, dass „das rechtliche Gebilde von Solar Tech die Definition der KMU umgeht und
somit einem großen Unternehmen die Möglichkeit bietet, die den KMU vorbehaltene Beihilfeintensität zu erhalten“.
Die Entscheidung vom 15. November 2000
20.
Am 15. November 2000 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.
21.
In der Begründung führte sie aus:
- „(34)
- In Ziffer 1.2 des Gemeinschaftsrahmens für Beihilfen an KMU wird darauf hingewiesen, dass kleine und mittlere Unternehmen
bei der Schaffung von Arbeitsplätzen zwar eine entscheidende Rolle spielen, dass sie sich aber einigen Hindernissen gegenübersehen,
die ihre Entwicklung aufhalten können. Bei diesen Hindernissen handelt es sich um die Schwierigkeiten des Zugangs zu Kapital
und Kredit, die Schwierigkeiten beim Zugang zu Informationen, neuen Technologien und potenziellen Märkten, die Kosten aufgrund
der Anwendung neuer Regelungen usw.
- (35)
- Deshalb ist der Zuschlag zu dem Betrag der für KMU vorgesehenen Beihilfen gerechtfertigt, und zwar nicht nur wegen des Beitrags,
den diese Unternehmen zur Verwirklichung der Gemeinschaftsziele leisten, sondern auch aufgrund der Notwendigkeit zum Ausgleich
dieser Nachteile, denen die KMU angesichts ihrer positiven Rolle ausgesetzt sind. Gleichwohl gilt es zu prüfen, ob dieser
Beihilfezuschlag tatsächlich für Unternehmen bestimmt ist, die derartigen Nachteilen ausgesetzt sind. Insbesondere die herangezogene
KMU-Definition soll den KMU-Begriff so einschränken, dass er ausschließlich die Unternehmen beinhaltet, die diese vorgesehenen
positiven externen Wirkungen erzielen und die den oben genannten Nachteilen ausgesetzt sind. Somit darf diese Definition nicht
ausgeweitet werden, um die zahlreichen größeren Unternehmen einzubeziehen, die nicht notwendigerweise die positiven Wirkungen
bzw. die Nachteile aufweisen, die für den KMU-Sektor kennzeichnend sind. So drohen die letzteren Unternehmen gewährten Beihilfen
später den Wettbewerb und den innergemeinschaftlichen Handel zu verfälschen.
Dieser Grundsatz wird im 22. Erwägungsgrund der Empfehlung der Kommission vom 3. April 1996 aufgeführt, wo es heißt:
‚Es müssen hinreichend strenge Kriterien für die Definition der KMU festgelegt werden, damit die für sie vorgesehenen Maßnahmen
tatsächlich diejenigen Unternehmen erreichen, deren geringe Größe für sie einen Nachteil bedeutet.‘
- (36)
- Deshalb und im Licht dieser Grundsätze ist zu ermitteln, ob die Solar Tech unter die KMU-Definition fällt. Dieses Unternehmen
erfüllt freilich nicht die erforderlichen Voraussetzungen, um in den Genuss des zugunsten von KMU vorgesehenen Beihilfezuschlags
zu gelangen.
Diese Feststellung leitet sich von der Feststellung ab, dass aus wirtschaftlicher Sicht die Solar Tech als ein Unternehmen
zu betrachten ist, das zum Permasteelisa-Konzern, einem Großunternehmen, gehört, obwohl die Permasteelisa nur 24 % der Solar
Tech hält. Dank ihrer wirtschaftlichen, finanziellen und organischen Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen ist die
Solar Tech nicht ─ oder nur in geringem Maße ─ den Nachteilen ausgesetzt, denen KMU üblicherweise ausgesetzt sind und die
einen wesentlichen Grund für den zugunsten dieser Unternehmen gewährten Zuschlag zum Beihilfebetrag darstellen.“
22.
Nach Ansicht der Kommission war die Solar Tech daher als ein zum Permasteelisa-Konzern gehörendes Unternehmen zu betrachten.
In dieser Hinsicht verwies sie auf die engen Verbindungen zwischen dem Konzern und der Solar Tech, die sich aus der Zusammensetzung
der Anteilseigner der Letztgenannten ergeben. Außerdem erwähnte sie, dass Italien in der Anmeldung anerkannt habe, dass „die
Gründe für die Investition tatsächlich darin liegen, dass der Permasteelisa-Konzern, ein weltweit führendes Unternehmen im
Sektor Herstellung und Montage innovativer Verkleidungen für große öffentliche Infrastrukturarbeiten, mit dieser Maßnahme
seine Produktpalette auf die Solartechnologie ausdehnen will“. Die Kommission stellte daher fest, dass die Solar Tech aufgrund
der oben beschriebenen äußerst engen Verbindungen mit Permasteelisa wahrscheinlich nicht den üblichen Nachteilen von KMU ausgesetzt
sein werde, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu Finanzquellen und auf die Überwindung von Hindernissen auf den Gebieten
Technologie und Vertrieb. Die Entscheidung schloss daher mit der Feststellung, dass „die Solar Tech nicht in den Genuss des
Beihilfezuschlags zugunsten von KMU kommen kann, weil sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen, finanziellen und organischen Verbindungen
zur Permasteelisa nicht den typischen Nachteilen von KMU ausgesetzt ist, auf die sich der Gemeinschaftsrahmen bezieht. Infolgedessen
ist der Zuschlag von 15 % BSÄ zugunsten von KMU in diesem Fall nicht anwendbar.“ Die Kommission wandte dann die im Multisektoralen
Rahmen vorgesehene Formel an und stellte fest, dass die Intensität der beabsichtigten Beihilfe (45 %) unter Verstoß gegen
Ziffer 3.10 Absatz 3 des Rahmens über der regionalen Obergrenze (40 %) lag.
23.
Dementsprechend bestimmt Artikel 1 der Entscheidung:
„Die staatliche Beihilfe in Höhe von 42 788 290 EUR, die Italien zugunsten der Solar Tech srl gewähren will, ist mit dem Gemeinsamen
Markt unvereinbar, da die Intensität über der im vorliegenden Fall höchstzulässigen Intensität (40 % NSÄ) liegt.
Diese Beihilfe darf von Italien nicht zu einem Betrag gewährt werden, der über dem liegt, der einer Intensität von 40 % NSÄ
entspricht.“
Die Nichtigkeitsklage
24.
In seiner Klageschrift vom 19. Februar 2001 stützt sich Italien auf einen einzigen Klagegrund, der aus drei Teilen besteht.
Es macht geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie nicht die erhöhte Beihilfeintensität für KMU angewendet habe, gegen
- –
- Artikel 87 EG, die Empfehlung und den Gemeinschaftsrahmen,
- –
- Artikel 88 Absatz 1 EG und
- –
- die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen.
25.
Italien beantragt daher, die Entscheidung für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Die Kommission
beantragt, die Klage abzuweisen und Italien die Kosten aufzuerlegen.
Der angebliche Verstoß gegen Artikel 87 EG, die Empfehlung und den Gemeinschaftsrahmen
26.
Italien macht erstens geltend, die Kommission habe die Empfehlung und den Gemeinschaftsrahmen nicht richtig angewendet und
daher gegen diese beiden Regelungen als solche und gegen Artikel 87 EG verstoßen.
27.
Italien behauptet, die Kommission habe ihre Entscheidung auf eine Definition eines KMU gestützt, die sich von der Definition
in der Empfehlung und im Gemeinschaftsrahmen unterscheide. Die Solar Tech habe die Erfordernisse der Gemeinschaftsdefinition
eines KMU eindeutig erfüllt, insbesondere das Kriterium der Unabhängigkeit. Die Kommission sei an ihren eigenen Gemeinschaftsrahmen
gebunden gewesen und hätte sich darauf beschränken sollen, die darin enthaltenen genauen Kriterien anzuwenden. Sie verfüge
dabei über kein Ermessen und habe, da die eindeutigen Erfordernisse der Regelung erfüllt gewesen seien, keine anderen Faktoren
berücksichtigen und keine anderen Würdigungen vornehmen dürfen. Darüber hinaus räume der vierte Absatz der Ziffer 4.2.1 des
Gemeinschaftsrahmens keine Befugnis dafür ein, zu beurteilen, ob ein Unternehmen, das nach der angegebenen Definition als
KMU zu qualifizieren sei, tatsächlich den typischen Nachteilen von KMU ausgesetzt sei. Da die Solar Tech unter die Definition
eines KMU gefallen sei, seien diese Nachteile zu vermuten gewesen. Da dem so sei, sei die Kommission verpflichtet gewesen,
eine Beihilfe bis zu der erhöhten Höchstintensität für KMU zu genehmigen.
28.
Diese Argumente überzeugen mich nicht.
29.
Die zwei Streitfragen der Definition eines KMU und der Befugnis, eine erhöhte Beihilfeintensität zu genehmigen, sind eng miteinander
verknüpft und werden in der Entscheidung weitgehend zusammen behandelt; um der Klarheit willen werde ich sie jedoch getrennt
untersuchen.
Die Definition eines KMU in der Empfehlung und im Gemeinschaftsrahmen
30.
Die Kommission hat anerkannt, dass die Solar Tech formal der Definition eines KMU entsprach. Sie hat jedoch die Ansicht vertreten,
dass die Solar Tech aufgrund der äußerst engen Verbindungen mit Permasteelisa als Teil des Permasteelisa-Konzerns zu betrachten
und daher den typischen Nachteilen von KMU nicht ausgesetzt sei.
31.
Zunächst sei angemerkt, dass die Tatsachen, auf die die Kommission ihre Entscheidung gestützt hat, insoweit unstreitig sind,
als aus der Anmeldung selbst eindeutig hervorging, dass alle Anteile an der Solar Tech entweder der Permasteelisa SpA oder
drei natürlichen Personen gehörten, die einflussreiche Gesellschafter und Führungskräfte im Permasteelisa-Konzern waren, dass
der Zweck der Gründung der Solar Tech darin bestand, Permasteelisa in die Lage zu versetzen, seine Produktpalette auszudehnen,
dass die Solar Tech einen bedeutenden Teil ihrer Produktion unmittelbar an den Konzern liefern würde und dass sie in der Lage
war, vom technologischen Know-how, den geschäftlichen Kontakten und der finanziellen Stellung des Permasteelisa-Konzerns zu
profitieren.
32.
Die Frage geht dahin, ob die Kommission, als sie ermittelte, ob die Solar Tech das Kriterium der Unabhängigkeit in der Definition
eines KMU erfüllte, berechtigt war, diese Faktoren zu berücksichtigen oder ob sie vielmehr daran gehindert war, irgendeinen
anderen Gesichtspunkt als die streng formale Einhaltung der Regel zu prüfen, dass nicht mehr als 25 % des Kapitals oder der
Stimmrechte im Besitz eines Unternehmens oder mehrerer Unternehmen sind, die keine KMU sind.
33.
Meiner Ansicht nach war die Kommission berechtigt, das Kriterium der Unabhängigkeit im Einklang mit dem ihm zugrunde liegenden
Gedanken, wie er sowohl im Gemeinschaftsrahmen als auch in der Präambel der Empfehlung zum Ausdruck kommt, auszulegen und
anzuwenden, nämlich der Notwendigkeit, sicherzustellen, dass die großzügigeren Grenzwerte bei Beihilfen für KMU tatsächlich
Unternehmen zugute kommen, für die Größe ein Nachteil ist und nicht denjenigen, die zu einem großen Konzern gehören und daher
Zugang zu Mitteln haben, die Wettbewerbern von ähnlicher Größe nicht zur Verfügung stehen oder denjenigen, die zwar formal
unabhängig sind, in Wirklichkeit aber durch größere Unternehmen kontrolliert werden. In diesem Zusammenhang muss dafür gesorgt
werden, dass sichergestellt wird, dass die Definition nicht mit formalen Begründungen umgangen wird
(12)
.
34.
Mit Rücksicht auf dieses Grundprinzip halte ich es durchaus für sachgerecht, wenn die Kommission hinter der Form nach dem
Wesen eines Unternehmens sieht. In diesem Licht ist das Verhältnis zwischen der Solar Tech und dem Permasteelisa-Konzern eindeutig
anders geartet als das Verhältnis, das gewöhnlich zwischen getrennten, unabhängigen Unternehmen besteht. Sie kann daher nicht
als ein „wirkliches“ KMU angesehen werden, sondern als ein Unternehmen, das voll in einen großen Konzern integriert und wegen
dieser Integration frei von den Nachteilen ist, die Gegenstand der KMU-Regelung sind.
35.
Es trifft zu, dass in der Empfehlung und im Gemeinschaftsrahmen ein genauer Schwellenwert in Bezug auf die Gesellschaftsanteile
für die Bestimmung angegeben ist, ob ein Unternehmen unabhängig ist. Jedoch kann kaum geleugnet werden, dass selbst unterhalb
dieses Schwellenwerts andere bezeichnende Umstände manchmal darauf hinweisen können, dass ein Unternehmen tatsächlich nicht
wirklich unabhängig ist. Italien hat dies unausgesprochen in der mündlichen Verhandlung anerkannt, als es sich damit einverstanden
erklärte, dass Kontrolle nicht notwendigerweise von einem bestimmten Gesellschaftsanteil abhängt. Der Bevollmächtigte der
italienischen Regierung zitierte die Fusionsverordnung
(13)
als ein Beispiel, in dem das Kriterium der Kontrolle so weit gefasst ist, dass es alle Sachverhalte erfasst, in denen die
Möglichkeit besteht, maßgeblichen Einfluss auszuüben
(14)
. Anders als Italien bin ich jedoch nicht der Auffassung, dass die Formulierung in der Empfehlung und im Gemeinschaftsrahmen
die Kommission daran hindert, sich eine ähnliche Betrachtungsweise zu Eigen zu machen, wenn dies aufgrund der Notwendigkeit
geboten ist, diese Regelungen im Einklang mit ihrem Zweck auszulegen und damit widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden
(15)
.
36.
Italien macht ferner geltend, dass in der Empfehlung ausdrücklich Fälle vorgesehen seien, in denen der Schwellenwert von 25 %
überschritten oder herabgesetzt werden könne
(16)
. Meines Erachtens wird jedoch durch die Definition der beiden Fälle, in denen der Schwellenwert überschritten werden darf,
die Auffassung eher bekräftigt, dass ein Unternehmen nur dann als KMU ─ mit dem damit verbundenen Anspruch auf Vorzugsbehandlung
─ klassifiziert werden kann, wenn die Umstände zeigen, dass es tatsächlich von großen Gesellschaften unabhängig ist. Das Gleiche
gilt für Artikel 2 des verfügenden Teils der Empfehlung, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten „in bestimmten Fällen“ Schwellenwerte
festsetzen können, die niedriger sind als die in Artikel 1 des Anhangs angegebenen. Der dieser Befugnis zugrunde liegende
Gedanke besteht eindeutig darin, sicherzustellen, dass das Unternehmen, das die Vorzugsbehandlung für KMU begehrt, tatsächlich
ein KMU ist.
37.
Schließlich stimme ich mit Italien nicht darin überein, dass die Kommission nicht im Einklang mit Artikel 87 EG gehandelt
habe.
38.
Der Erlass von Leitlinien oder anderer Formen von „soft law“, durch die zur Information und zur Vereinfachung die Kriterien
angegeben werden, die die Kommission bei der Prüfung, ob eine geplante Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, anzuwenden
beabsichtigt, darf in keinem Fall von Artikel 87 abweichen
(17)
und entbindet die Kommission nicht von der Verpflichtung, jeden einzelnen Fall nach den in dieser Vorschrift niedergelegten
Kriterien zu beurteilen. Wenn die Umstände es erfordern, kann die Kommission diese Leitlinien sehr wohl aufheben oder ändern
(18)
. Das Ermessen der Kommission kann durch den Erlass derartiger Regelungen nicht ein für allemal eingeschränkt werden
(19)
. Folglich kann die Kommission sogar von ihnen abweichen, wenn ihre Anwendung in einem gegebenen Fall Artikel 87 EG zuwiderlaufen
würde.
39.
Wie ich jedoch oben ausgeführt habe, bin ich in jedem Fall der Auffassung, dass die Kommission in der vorliegenden Rechtssache
vom Gemeinschaftsrahmen nicht abgewichen ist, sondern lediglich die darin enthaltene Definition eines KMU im Einklang mit
dem zugrunde liegenden Zweck ausgelegt hat. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie gegen Artikel 87 EG verstoßen
hat, als sie verneint hat, dass ein Unternehmen, das zu einem großen Konzern gehört, als KMU betrachtet werden kann. Ferner
hat sie dadurch, dass sie unterschiedliche Sachverhalte ─ den Fall von großen Gesellschaften und von KMU ─ unterschiedlich
behandelt hat, außerdem die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sichergestellt
(20)
.
Die Befugnis, eine Erhöhung der zulässigen Beihilfehöchstintensität zu genehmigen
40.
Im vorangehenden Abschnitt bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission zu der Feststellung berechtigt war, dass die
Solar Tech kein KMU war.
41.
Ich bin jedoch der Auffassung, dass die Solar Tech, selbst wenn sie als KMU betrachtet worden wäre, immer noch nicht automatisch
einen Anspruch auf Erhöhung der zulässigen Beihilfehöchstintensität für KMU gehabt hätte.
42.
Gemäß dem vierten Absatz der Ziffer 4.2.1 des Gemeinschaftsrahmens „
kann die Kommission zusätzlich zu dem von ihr genehmigten regionalen Förderhöchstsatz der Investitionsbeihilfe Beihilfen genehmigen“
(21)
, und zwar in Höhe verschiedener Prozentsätze je nach dem Gebiet und in Höhe von 15 % in der hier betroffenen Region. Aus
der Formulierung geht eindeutig hervor, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, irgendeine besondere Erhöhung zu genehmigen,
sondern dass sie dies tun kann.
43.
Außerdem unterscheidet diese Regelung entgegen dem, was Italien geltend macht, nicht zwischen den Arten von Umständen, die
bei der Beurteilung durch die Kommission zu berücksichtigen sind. Auch beschränkt sie diese Beurteilung ─ und dies ist ganz
entscheidend ─ nicht auf die Marktbedingungen und schließt damit auch eine Untersuchung der Lage des Unternehmens durch die
Kommission nicht aus. Die Kommission war daher berechtigt, den Umstand zu berücksichtigen, dass die Solar Tech aufgrund ihrer
Integration in den Permasteelisa-Konzern den typischen Nachteilen von KMU nicht ausgesetzt war. Mit den Worten der Kommission
würde „die rein formale Einhaltung der gemeinschaftlichen Voraussetzungen keinesfalls ein ausreichendes Element darstellen ...,
um den zugunsten von KMU vorgesehenen Beihilfezuschlag zu rechtfertigen, der, wie oben gesagt, den Unternehmen vorbehalten
sein soll, die den durch ihre Größe bedingten Nachteilen ausgesetzt sind. Aufgrund ihrer Verbindungen zur Permasteelisa hat
die Solar Tech jedoch nicht unter derartigen Nachteilen zu leiden“
(22)
. Schließlich gibt es, wie die Kommission ausführt, gute Gründe dafür, auf einer beschränkteren Beihilfe für Gesellschaften
zu bestehen, die in Wirklichkeit keine KMU sind, weil eine solche Beihilfe stärkere Verzerrungen des Marktes hervorrufen kann.
44.
Ich bin daher davon überzeugt, dass die Kommission in Ausübung des Ermessens, über das sie im Rahmen des vierten Absatzes
der Ziffer 4.2.1 des Gemeinschaftsrahmens verfügt, berechtigt war, die Erhöhung der Beihilfeintensität aufgrund dieser Erwägung
abzulehnen.
45.
Die Kommission hat somit die Kriterien für die Zulassung einer erhöhten Beihilfeintensität nicht dadurch falsch ausgelegt
oder angewendet, dass sie sichergestellt hat, dass diese einem in einem großen Konzern integrierten Unternehmen, das den typischen
Nachteilen von KMU nicht ausgesetzt war, nicht zugute kamen. Aus den vorstehenden Gründen ist der erste Teil des Klagegrundes
daher zurückzuweisen.
46.
Jedoch ist eine abschließende Bemerkung notwendig.
47.
In ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission außerdem vorgebracht, dass im Fall
der Solar Tech die Voraussetzungen, unter denen eine erhöhte Beihilfeintensität zugelassen werden konnte, künstlich geschaffen
worden seien und dass ein solches Verhalten auf einen „Rechtsmissbrauch“ hinauslaufe.
48.
Auch wenn in der Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens des Artikels 88 Absatz 2 EG Zweifel in Bezug auf eine mögliche
Umgehung der KMU-Definition geäußert wurden, hat es nicht den Anschein, als sei die angefochtene Entscheidung auf eine dahin
gehende Feststellung gestützt. Dieses Argument kann daher von der Kommission im vorliegenden Verfahren nicht vorgebracht werden
und braucht demzufolge nicht behandelt zu werden.
Der angebliche Verstoß gegen Artikel 88 EG
49.
Italien macht zweitens einen Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 1 EG geltend; nach dieser Vorschrift hat die Kommission in Zusammenarbeit
mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen fortlaufend zu überprüfen und den Mitgliedstaaten die
zweckdienlichen Maßnahmen vorzuschlagen, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes
erfordern.
50.
Die Annahme, die dieser Behauptung zugrunde liegt, besteht darin, dass die Kommission dadurch ihre Pflichten verletzt habe,
dass sie von der Empfehlung und vom Gemeinschaftsrahmen abgewichen sei. Wie ich oben dargelegt habe, ist die Kommission meines
Erachtens von diesen Regelungen jedoch nicht abgewichen.
51.
Diese Behauptung ist daher zurückzuweisen.
Der angebliche Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit
52.
Schließlich macht Italien geltend, die Entscheidung stehe im Widerspruch zu den berechtigten Erwartungen der Solar Tech und
verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.
53.
Nach dem Vorbringen Italiens durfte sich die Solar Tech auf die genauen Erfordernisse der Empfehlung und des Gemeinschaftsrahmens
verlassen und ihre rechtlichen Vorkehrungen dementsprechend ausgestalten. Sie habe daher vernünftigerweise erwarten können,
dass sie mit der Erfüllung dieser Voraussetzungen ein Recht auf die Erhöhung der Beihilfeintensität erwerben werde. Durch
die neuartige Auslegung der Kommission seien diese Erwartungen enttäuscht worden und es sei Unsicherheit in Bezug auf die
Bedingungen für die Anwendung der die KMU betreffenden Gemeinschaftsregelung entstanden.
54.
Damit bin ich nicht einverstanden.
55.
Zugegebenermaßen spricht einiges dafür, dass ein Unternehmen, das die Erfordernisse und Voraussetzungen erfüllt, die in dem
von der Kommission erlassenen Gemeinschaftsrahmen niedergelegt sind, im Allgemeinen vernünftigerweise annehmen kann, dass
es ein Recht auf die in Frage stehende Vergünstigung hat.
56.
Im Rahmen der vorliegenden Rechtssache, insbesondere in Anbetracht der verschiedenen Verbindungen zwischen dem Permasteelisa-Konzern
und der Solar Tech, ist jedoch nur schwer zu erkennen, wie die Letztgenannte berechtigterweise hätte annehmen können, dass
sie die geltenden materiellen Kriterien erfüllt habe, da sie eindeutig in diesen Konzern integriert und den Nachteilen, für
die die Gemeinschaftsregelung für KMU einen Ausgleich schaffen soll, nicht ausgesetzt war. Vielmehr war klar, dass es dem
feststehenden Zweck der der Empfehlung und dem Gemeinschaftsrahmen zugrunde liegenden Politik wahrscheinlich zuwiderlaufen
würde, wenn der Solar Tech die erhöhte Beihilfeintensität zugestanden würde.
57.
Darüber hinaus ist gegenüber der Behauptung, dass die Solar Tech berechtigterweise habe erwarten können, dass sie ein Recht
auf die erhöhte Beihilfeintensität habe, und dass gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen worden sei, ein weiterer
Einwand zu erheben.
58.
Selbst wenn die Solar Tech nach der Gemeinschaftsregelung als KMU zu qualifizieren war, hätte die geplante Beihilfe immer
noch bei der Kommission angemeldet werden müssen, damit sie gemäß dem Multisektoralen Rahmen hätte überprüft werden können,
wie von der italienischen Regierung im Secondo Protocollo, durch das der Solar Tech die Beihilfe gewährt wird, ausdrücklich
anerkannt wird
(23)
. Auch wenn sie Beihilfen betreffen, die im Rahmen einer bereits bei der Kommission angemeldeten und von dieser genehmigten
Regionalbeihilfenregelung gewährt werden, unterliegen Vorhaben, die durch den Multisektoralen Rahmen erfasst werden, einer
neuen Anmeldung und eingehenden Kontrolle. Der erklärte Zweck dieses Rahmens besteht darin, nachteilige Auswirkungen auf den
Wettbewerb zu beschränken, die leichter durch regionale Beihilfen für Großinvestitionen an gewöhnlich große Gesellschaften
hervorgerufen werden können.
59.
Es war somit nicht möglich, sicher mit einem günstigen Ausgang der Prüfung durch die Kommission zu rechnen, insbesondere was
die Erhöhung der höchstzulässigen Beihilfeintensität für KMU nach dem Gemeinschaftsrahmen angeht. Selbst wenn ein Unternehmen
als KMU eingestuft wird, ist die Kommission nicht verpflichtet, diese Erhöhung zu genehmigen, sondern sie ist lediglich befugt,
dies zu tun. In Anbetracht des Zwecks des Multisektoralen Rahmens und der Merkmale der Solar Tech war es meines Erachtens
in vollem Umfang voraussehbar, dass die Kommission die Genehmigung ablehnen würde.
60.
Dieses Vorbringen ist daher ebenfalls zurückzuweisen.
Ergebnis Der Gerichtshof sollte dementsprechend meiner Ansicht nach 1.
die Klage abweisen;
2.
Italien die Kosten des Verfahrens auferlegen.
- 1 –
- Originalsprache: Englisch.
- 2 –
- ABl. 2001, L 292, S. 45.
- 3 –
- ABl. 1996, C 213, S. 4.
- 4 –
- ABl. 1996, L 107, S. 4.
- 5 –
- Fördergebiete sind die Gebiete, die die Voraussetzungen für regionale Beihilfen im Rahmen von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe
a EG (und Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG) erfüllen. Jeder Mitgliedstaat hat seine eigene Regionalbeihilfenkarte, in der
die Fördergebiete sowie die Obergrenzen für die Beihilfeintensität angegeben sind. Regionalbeihilfekarten werden von der Kommission
genehmigt.
- 6 –
- Siehe im Folgenden unter Nr. 8.
- 7 –
- ABl. 1998, C 107, S. 7.
- 8 –
- Beihilfe N 27/A/97, Schreiben SG(97) D/4949 der Kommission vom 30. Juni 1997. Auch wenn die Beihilfe vor der Anmeldung gewährt
wurde, macht die Entscheidung, durch die sie gewährt wird, die Zahlung an den Empfänger von der Genehmigung der Kommission
abhängig, so dass die Beihilfe nicht als nicht angemeldete Beihilfe klassifiziert werden kann.
- 9 –
- In Anhang I zu den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. 1998, C 74, S. 9) wird erläutert:
„Für die Berechnung der NSÄ werden alle Formen von investitionsgebundenen Beihilfen für ein beliebiges Land auf einen gemeinsamen
Nenner ─ die Nettointensität ─ gebracht, um sie untereinander oder mit vorher festgelegten Höchstgrenzen vergleichen zu können“
(S. 19).
- 10 –
- Der nominelle Wert (vor Steuern) von Zuschüssen als Teil der Investitionskosten.
- 11 –
- ABl. 2000, C 142, S. 11.
- 12 –
- Siehe Ziffer 1.2 des Gemeinschaftsrahmens, zitiert oben unter Nr. 5, und die Begründungserwägungen in der Präambel der Empfehlung,
zitiert oben unter Nr. 11.
- 13 –
- Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1989,
L 395, S. 1.
- 14 –
- Artikel 3 der Fusionsverordnung sieht u. a. vor:
„(3) Die Kontrolle im Sinne dieser Verordnung wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder
zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden
Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch:
a) Eigentums- oder Nutzungsrechte an der Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens;
b) Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe
des Unternehmens gewähren.
(4) Die Kontrolle wird für die Person oder die Personen oder für die Unternehmen begründet,
a) die aus diesen Rechten oder Verträgen selbst berechtigt sind, oder
b) die, obwohl sie aus diesen Rechten oder Verträgen nicht selbst berechtigt sind, die Befugnis haben, die sich daraus ergebenden
Rechte auszuüben.“
- 15 –
- Es sei hinzugefügt, dass die Empfehlung kürzlich durch die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition
der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG, ABl. 2003, L 124, S. 36) ersetzt worden ist,
die eine ausgefeiltere Definition eines eigenständigen Unternehmens bietet (siehe insbesondere Artikel 3 des Anhangs). Hätte
diese neue Empfehlung in der vorliegenden Rechtssache gegolten, so wäre die Solar Tech eindeutig nicht als KMU zu qualifizieren
gewesen.
- 16 –
- Siehe den zweiten Teil des Absatzes 3 des Artikels 1 des Anhangs zur Empfehlung (im Gemeinschaftsrahmen ist die entsprechende
Vorschrift der zweite Absatz der Ziffer 3.2) und Artikel 2 des verfügenden Teils der Empfehlung.
- 17 –
- Siehe Urteile in der Rechtssache 310/85, Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901, Randnr. 22, in der Rechtssache C-351/98, Spanien/Kommission,
Slg. 2002, I-8031, Randnr. 53, in der Rechtssache T-380/94, AIUFASS und AKT/Kommission, Slg. 1996, II-2169, Randnr. 57, in
der Rechtssache T-149/95, Ducros/Kommission, Slg. 1997, II-2031, Randnr. 61, und in der Rechtssache T-214/95, Het Vlaamse
Gewest/Kommission, Slg. 1998, II-717, Randnr. 79.
- 18 –
- Urteil Het Vlaamse Gewest, zitiert in Fußnote 17, Randnr. 89.
- 19 –
- Vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Warner in der Rechtssache 81/72, Kommission/Rat, Slg. 1973, 575, 592 ff.
- 20 –
- Urteil Het Vlaamse Gewest, zitiert in Fußnote 17, Randnr. 89.
- 21 –
- Hervorhebung hinzugefügt.
- 22 –
- Nr. 44 der Entscheidung.
- 23 –
- Siehe oben unter Nr. 16.