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Document 61998CC0297

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 18. Mai 2000.
SCA Holding Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Rechtsmittel - Wettbewerb - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) - Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung - Geldbuße - Begründung - Mildernde Umstände.
Rechtssache C-297/98 P.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 I-10101

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2000:267

61998C0297

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 18. Mai 2000. - SCA Holding Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Wettbewerb - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) - Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung - Geldbuße - Begründung - Mildernde Umstände. - Rechtssache C-297/98 P.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-10101


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Mit Schriftsatz, der am 29. Juli 1998 eingegangen ist, hat die SCA Holding Ltd (im Folgenden: SCA Holding) ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-327/94(1) (im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt.

2 Mit diesem Urteil wies das Gericht die Klage von SCA Holding gegen die Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton)(2) (im Folgenden: Entscheidung) ab, in der diese gegen 19 Kartonhersteller und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstößen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) Geldbußen festgesetzt hatte.

3 SCA Holding beantragte in ihrer Klageschrift vor dem Gericht, die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit ihr darin eine Zuwiderhandlung zur Last gelegt und deshalb gegen sie eine Geldbuße von 2 200 000 ECU festgesetzt wurde. Hilfsweise beantragte sie, die Geldbuße spürbar herabzusetzen. In Bezug auf die vollständige Schilderung der Rügen, mit denen sich SCA Holding gegen die Entscheidung wandte, und der Gründe, aus denen das Gericht alle diese Rügen verwarf, ist auf das angefochtene Urteil zu verweisen.

4 Vor dem Gerichtshof beantragt SCA Holding,

a) das angefochtene Urteil aufzuheben;

b) Artikel 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er die Rechtsmittelführerin betrifft, oder, hilfsweise, die in Artikel 3 der Entscheidung gegen die Rechtsmittelführerin festgesetzte Geldbuße für nichtig zu erklären oder erheblich herabzusetzen;

c) die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

5 Die Kommission, die andere Verfahrensbeteiligte im Rechtsmittelverfahren und Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren, beantragt,

1) das Rechtsmittel als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen;

2) hilfsweise, die Sache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen, damit es die Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung neu beurteilt;

3) die Rechtsmittelführerin jedenfalls zu verurteilen, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

6 Zur Stützung ihrer Anträge beruft sich SCA Holding auf zwei Gruppen von Rechtsmittelgründen,

- die belegen sollen, dass das Gericht ihr Vorbringen, sie sei nicht die richtige Adressatin der Entscheidung, zu Unrecht zurückgewiesen habe;

- die belegen sollen, dass das Gericht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen habe, als es die von der Kommission gegen sie festgesetzte Geldbuße grundsätzlich und in der Höhe bestätigt habe.

7 Die Einzelheiten dieser Rechtsmittelgründe werden, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, jeweils bei ihrer Prüfung im erforderlichen Umfang dargestellt.

Erster Rechtsmittelgrund: Adressat der Entscheidung

8 Vor dem Gericht hat die Rechtsmittelführerin gegen die Entscheidung eingewandt, das Verhalten der Kartonfabrik Colthrop Mill (im Folgenden: Colthrop) hätte ihr nicht zugerechnet werden dürfen, so dass sie nicht die richtige Adressatin der Entscheidung sei, mit der die gegen Artikel 85 des Vertrages verstoßenden Praktiken von Colthrop geahndet würden. Das Gericht hat dieses Vorbringen mit folgenden Ausführungen zurückgewiesen:

"61 Es steht fest, dass in der Fabrik von Colthrop Karton hergestellt wurde und dass diese Fabrik im gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung zunächst Reed P & B, dann SCA Aylesford Ltd und schließlich SCA Holding gehörte.

62 Sodann ist festzustellen, dass Reed P & B, SCA Aylesford Ltd und SCA Holding (die Klägerin) die von derselben juristischen Person nacheinander geführten Firmennamen sind.

63 Unter den Umständen des vorliegenden Falles stellen sich daher keine Fragen der Rechtsnachfolge. Nach der Rechtsprechung des Gerichts(3) ist der juristischen Person, die für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich war, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, dessen rechtswidriges Verhalten zuzurechnen. Solange diese juristische Person besteht, haftet ihr die Verantwortung für das rechtswidrige Verhalten des Unternehmens an, selbst wenn die materiellen und personellen Faktoren, die an der Begehung der Zuwiderhandlung beteiligt waren, später auf Dritte übergingen.

64 Die Kommission hat die Entscheidung daher zu Recht an die juristische Person gerichtet, die für das im Zeitraum der Zuwiderhandlung festgestellte wettbewerbswidrige Verhalten verantwortlich war und die bis zum Erlass der Entscheidung fortbestand.

65 Selbst wenn man unterstellt, dass Colthrop als Unternehmen im Sinne von Artikel 85 des Vertrages angesehen werden könnte und dass dieses Unternehmen zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Eigentum der juristischen Person Colthrop Board Mill Ltd stand, könnte das Vorbringen der Klägerin folglich allenfalls darauf hinauslaufen, dass die Kommission hinsichtlich des Adressaten der Entscheidung eine Wahlmöglichkeit hatte. Die von der Kommission getroffene Wahl kann unter solchen Umständen nicht mit Erfolg in Frage gestellt werden.

66 Außerdem stand Reed P & B auf der Mitgliederliste der PG Karton.

67 Gemäß Randnummer 143 der Entscheidung hat die Kommission diese aber grundsätzlich an die in der Mitgliederliste der PG Karton genannte Firma gerichtet, ausgenommen folgende Fälle:

$1. War mehr als ein Unternehmen eines Konzerns an dem Verstoß beteiligt oder

2. [lagen] ausdrückliche Beweise dafür vor, dass die Muttergesellschaft oder der Konzern in die Kartellteilnahme der Tochtergesellschaft verwickelt war,

so war der (von der Muttergesellschaft vertretene) Konzern der Adressat.`

68 Da nach Ansicht der Kommission keine dieser beiden Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem in Randnummer 143 aufgestellten Grundsatz vorlag, war sie berechtigt, die Entscheidung nicht an die Gesellschaften zu richten, die nacheinander die Muttergesellschaften von Reed P & B/SCA Aylesford/SCA Holding waren.

69 Der vorliegende Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen."

9 Zum richtigen Verständnis von Randnummer 65 des angefochtenen Urteils ist hinzuzufügen, dass Colthrop am 19. April 1991 unter dem Namen Colthrop Board Mill Ltd Rechtspersönlichkeit erlangte und dass die Zuwiderhandlung gemäß Artikel 1 der Entscheidung "bis mindestens April 1991" dauerte.

10 In ihrer Rechtsmittelschrift fasst die Rechtsmittelführerin ihre Einwände gegen diesen Abschnitt des angefochtenen Urteils wie folgt zusammen:

"a) Eine Nachfolgefrage stellt sich dann, wenn eine Zuwiderhandlung von einem Unternehmen begangen wird, das - trotz eines oder mehrerer Eigentümerwechsel in oder nach dem Zeitraum der Zuwiderhandlung - während des Zeitraums der Zuwiderhandlung und bis zum Erlass der Entscheidung eine $funktionelle und wirtschaftliche Kontinuität` beibehält, bei Erlass der Entscheidung $in seiner Substanz` fortbesteht und zu diesem Zeitpunkt Rechtspersönlichkeit besitzt. Die Feststellung des Gerichts, dass sich im vorliegenden Fall keine Nachfolgefrage stelle, beruht auf einer fehlerhaften Begründung und verstößt gegen Rechtsgrundsätze und die Rechtsprechung der europäischen Gerichte.

b) Das Gericht hat einen Rechtsfehler begangen, als es zu dem Ergebnis kam, dass die Kommission die Wahl gehabt habe, welches der zu verschiedenen Gruppen von Unternehmen gehörende Rechtssubjekt der Adressat der Kartonentscheidung sein soll.

c) Die Prüfung der Frage, ob die Kommission von dieser Wahlmöglichkeit ordnungsgemäß Gebrauch gemacht hat, war unzureichend. Selbst wenn die Kommission (was bestritten wird) wählen durfte, welches Rechtssubjekt aus verschiedenen Gruppen von Unternehmen sie zum Adressaten der Entscheidung machen wollte, hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es zu dem Ergebnis kam, dass die von der Kommission getroffene Wahl nicht mit Erfolg in Frage gestellt werden könne."

11 Sind diese Einwände begründet?

12 Zunächst ist festzustellen, dass sich die Randnummern 61 und 62 des angefochtenen Urteils, die die Prämisse der Erwägungen des Gerichts darstellen, auf tatsächliche Gesichtspunkte beziehen, die das Gericht als erwiesen angesehen hat und die als solche im Rahmen eines Rechtsmittels nicht erörtert werden können. Die Rechtsmittelführerin stellt sie im Übrigen nicht in Abrede. Ihr Einwand richtet sich gegen Randnummer 63 des Urteils, in der ausgeführt wird, dass die genannten tatsächlichen Gesichtspunkte das Vorliegen eines Nachfolgeproblems ausschlössen.

13 Da es sich bei diesen Ausführungen dem Gericht zufolge um die bloße Übertragung der in den Randnummern 236 bis 238 des Urteils Enichem Anic/Kommission aufgestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall handelt, ist es sinnvoll, diese Grundsätze hier wiederzugeben:

"236 Ist eine solche Zuwiderhandlung bewiesen, ist die natürliche oder juristische Person zu ermitteln, die für den Betrieb des Unternehmens zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung verantwortlich war, damit sie zur Rechenschaft gezogen werden kann.

237 Hat jedoch zwischen dem Zeitpunkt der Zuwiderhandlung und dem Zeitpunkt, zu dem das betreffende Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden soll, die für den Betrieb dieses Unternehmens verantwortliche Person aufgehört, rechtlich zu existieren, so ist zunächst die Gesamtheit der materiellen und personellen Faktoren festzustellen, die an der Zuwiderhandlung beteiligt waren, um sodann zu ermitteln, wem die Verantwortung für den Betrieb dieser Gesamtheit übertragen worden ist, damit sich das Unternehmen seiner Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung nicht deshalb entziehen kann, weil die zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung für seinen Betrieb verantwortliche Person nicht mehr besteht.

238 Im Falle der Klägerin hat die juristische Person, die für den Betrieb des Unternehmens zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung verantwortlich war, bis zum Erlass der Entscheidung rechtlich fortbestanden. Folglich hat ihr die Kommission zu Recht die Zuwiderhandlung zugerechnet."

14 Bei einer Analyse dieser Grundsätze stellt man fest, dass sie - ausgehend von der Prämisse, dass zwischen dem Unternehmen, d. h. dem auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer, und der für seinen Betrieb verantwortlichen Person zu unterscheiden ist - zwei Sachverhalte betreffen.

15 Beim ersten Sachverhalt gibt es die zum Zeitpunkt der Durchführung der wettbewerbswidrigen Praktiken für das Unternehmen verantwortliche Person zum Zeitpunkt des Erlasses der diese Praktiken ahndenden Entscheidung rechtlich noch immer, so dass sie dafür einzustehen hat und die richtige Adressatin der Entscheidung ist. Ein Nachfolgeproblem im Sinne einer Übertragung der mit einer Verantwortlichkeit verbundenen Pflichten von einer juristischen Person auf eine andere besteht daher nicht.

16 Beim zweiten Sachverhalt hat die für den Betrieb verantwortliche Person rechtlich aufgehört zu existieren, als die Sanktion verhängt wird, so dass, damit die Zuwiderhandlung nicht ungeahndet bleibt, ermittelt werden muss, wer an ihre Stelle getreten ist; dazu ist die Spur des Unternehmens in seiner wirtschaftlichen und nicht in seiner rechtlichen Gestalt zu verfolgen, um festzustellen, welche Person nunmehr den Betrieb führt. An diese Person ist aufgrund einer vereinfachend als Nachfolge bezeichneten Form der Zurechnung die Entscheidung zu richten, und sie wird mit der Sanktion belegt.

17 Bei dieser Vorgehensweise, die mit der Formel "wo die Macht ausgeübt wird, muss die Verantwortung liegen" zusammengefasst werden könnte, braucht das Unternehmen nicht selbst die Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen. Sie dient zur Bestimmung des Verantwortlichen, den die Sanktion trifft, wobei dieser Verantwortliche gewissermaßen ersatzweise bestimmt werden kann, wenn es die Person, die das Unternehmen zur Zeit des die Sanktion auslösenden Sachverhalts leitete, nicht mehr gibt und sie daher nicht mehr mit einer Sanktion belegt werden kann.

18 Der vorliegende Fall entspricht offensichtlich dem ersten Sachverhalt, denn SCA Holding ist nur der neue Name der Reed Paper & Board Ltd (im Folgenden: P & B), die im maßgeblichen Zeitraum für den Betrieb von Colthrop verantwortlich war, und es ist deshalb ganz logisch, dass das Gericht in Anwendung der im Urteil Enichem Anic/Kommission aufgestellten Grundsätze das Vorliegen eines Nachfolgeproblems verneint und SCA Holding als richtige Adressatin der Entscheidung angesehen hat.

19 Worin soll nach Ansicht der Rechtsmittelführerin der Fehler bei diesen Erwägungen liegen?

20 Soweit den langen Ausführungen, die in der Rechtsmittelschrift der uns beschäftigenden Frage gewidmet sind, eine klare Position entnommen werden kann, soll der Fehler nicht in der Unrichtigkeit der im Urteil Enichem Anic/Kommission aufgestellten Grundsätze liegen, die SCA Holding nach ihren Angaben nicht in Frage stellen will, sondern in ihrer Unanwendbarkeit auf den vorliegenden Fall. Dieser sei - so die Rechtsmittelführerin - nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung die Verantwortung für den Betrieb des Unternehmens, das die Zuwiderhandlung begangen haben solle, nicht mehr bei der juristischen Person gelegen habe, die in dem für die Sanktionen maßgeblichen Zeitraum dafür verantwortlich gewesen sei, sondern auch dadurch, dass der aus Colthrop bestehende Geschäftsbetrieb vor seiner Übertragung in ein eigenes Unternehmen umgewandelt worden sei.

21 Auf den ersten Blick ist schwer ersichtlich, inwiefern diese von niemandem bestrittenen tatsächlichen Gesichtspunkte der Anwendung der dem Urteil Enichem Anic/Kommission zu entnehmenden Grundsätze entgegenstehen sollen, denn sie lassen nicht den Schluss zu, dass der oben genannte erste Sachverhalt, bei dem die während der Dauer der Zuwiderhandlung für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche juristische Person noch immer existiert, wenn die Kommission ihre Entscheidung erlässt, nicht vorliegt.

22 SCA Holding will somit de facto, auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt wird, die Vorgehensweise im Urteil Enichem Anic/Kommission als solche rügen oder, subtiler, ändern, damit ein Nachfolgeproblem auftaucht, dank dessen sie sich den Konsequenzen ihres Verhaltens während der Leitung des Betriebes von Colthrop entziehen könnte.

23 Im Grunde rügt sie die Weigerung der Kommission und des Gerichts, sie nach ihrer Trennung von Colthrop aus der Haftung dafür zu entlassen, dass sie in der Zeit, auf die sich das den Wettbewerbsregeln zuwiderlaufende Verhalten erstreckte, für den Betrieb von Colthrop verantwortlich war.

24 Sie wendet sich zwar nicht direkt gegen die Prämissen der Erwägungen im Urteil Enichem Anic/Kommission (dass zwischen dem Unternehmen und der für dessen Betrieb verantwortlichen juristischen Person zu unterscheiden ist), entwickelt aber de facto eine Argumentation, die letztlich darauf hinausläuft, die Verantwortung dem Unternehmen selbst aufzuerlegen.

25 Nach dieser subtilen Darstellung ist nicht mehr die juristische Person, die die Verantwortung für den Betrieb des Unternehmens trägt, der wahre Verantwortliche für den Wettbewerbsregeln zuwiderlaufende Praktiken; sie ist nur noch ein Vertreter des Unternehmens, des wahren Verantwortlichen. Dieses behält natürlich, wenn es in andere Hände übergeht, die Eigenschaft als Verantwortlicher und kann sich davon nicht befreien; will die Kommission nach Aufdeckung der wettbewerbswidrigen Praktiken diese ahnden, so muss sie sich an den neuen Vertreter des Unternehmens wenden, wobei das Unternehmen selbst die Verantwortung tragen muss, wenn es sich - wie ein Minderjähriger, der volljährig geworden ist, um ein Bild aufzugreifen, das wie die Nachfolge aus dem Familienrecht stammt - durch die Umgestaltung in eine Gesellschaft gewissermaßen emanzipiert hat. Im vorliegenden Fall würde diese These dazu führen, dass die Colthrop Board Mill Ltd für die wettbewerbswidrigen Handlungen einstehen müsste, die Colthrop vornahm, als sie von SCA Holding geleitet wurde.

26 Nebenbei bemerkt erscheint der Rückgriff auf den Nachfolgebegriff bei dieser Konstruktion etwas gekünstelt, denn de facto wäre Colthrop von Anfang bis Ende für ihre eigenen Handlungen verantwortlich gewesen.

27 Unabhängig davon bin ich der Ansicht, dass eine solche Argumentation abzulehnen und der eindeutigen Lösung zu folgen ist, die das Gericht im Urteil Enichem Anic/Kommission entwickelt und im vorliegenden Fall nur angewandt hat, denn es erscheint mir völlig vernünftig, die Verantwortung an die Macht zu knüpfen.

28 SCA Holding leitete Colthrop während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung, und es ist nur normal, dass sie heute die Verantwortung für ihr früheres Verhalten übernimmt.

29 Damit wären meine Ausführungen zu diesem Rechtsmittelgrund beendet, wenn das Gericht nicht versucht hätte, sein Ergebnis mit anderen Argumenten zu untermauern, gegen die sich die Rechtsmittelführerin mit, um es gleich zu sagen, besseren Gründen ebenfalls wendet.

30 SCA Holding führt aus, Randnummer 65 des angefochtenen Urteils stehe nicht nur im Widerspruch zu Randnummer 63, sondern sei selbst fehlerhaft, denn dort werde der Kommission unter bestimmten Umständen ein Wahlrecht in Bezug auf den Adressaten ihrer Entscheidung zugebilligt, mit der den Wettbewerbsregeln zuwiderlaufende Praktiken geahndet würden, und es werde ausgeführt, dass die einmal getroffene Wahl nicht mit Erfolg in Frage gestellt werden könne.

31 Ich muss zugeben, dass die Lektüre von Randnummer 65 des angefochtenen Urteils in verschiedener Hinsicht nur Ratlosigkeit auslösen kann. Zunächst ist es erstaunlich, dass das Gericht die Unternehmenseigenschaft von Colthrop als bloße Hypothese hinstellt. Zwar wird Colthrop in den vorhergehenden Randnummern nicht ausdrücklich als Unternehmen bezeichnet; in Randnummer 61 heißt es nur, dass in dieser "Fabrik ... Karton hergestellt wurde".

32 Die gesamte Argumentation in Randnummer 63 des angefochtenen Urteils, die unter Bezugnahme auf das Urteil Enichem Anic/Kommission entwickelt wird, beruht jedoch auf der Existenz von Colthrop als Unternehmen, denn sie knüpft an die Unterscheidung zwischen dem Unternehmen und der für dessen Betrieb verantwortlichen juristischen Person an. Hätte das Gericht Colthrop nicht als Unternehmen, sondern als bloßen Vermögensgegenstand von P & B, nunmehr SCA Holding, angesehen, so hätte es keiner Bezugnahme auf das Urteil Enichem Anic/Kommission bedurft. In diesem Fall wäre P & B das einzige erkennbare Unternehmen gewesen, und das Problem der Zurechnung der Zuwiderhandlung hätte sich nicht gestellt, da die Entscheidung schlicht an die "Unternehmensgesellschaft" gerichtet worden wäre, die selbst gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hätte, wobei der spätere Verkauf des Vermögensgegenstands Colthrop unerheblich gewesen wäre.

33 Die Tatsache, dass die Existenz von Colthrop als Unternehmen in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils als bloße Hypothese hingestellt wird, ist als solche offensichtlich nicht geeignet, die vorhergehenden Ausführungen zu untermauern.

34 Im Übrigen halte ich es abgesehen von diesem Widerspruch für sehr tadelnswert, der Existenz von Colthrop als Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hypothetischen Charakter beizumessen, wenn es um die Frage geht, an wen eine Entscheidung der Kommission zu richten ist, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsregeln geahndet wird. Bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln ist nämlich meines Erachtens Eindeutigkeit geboten, und es darf keine Ungewissheit geben, wie sie Randnummer 65 des angefochtenen Urteils bestehen lässt.

35 In Bezug auf die Konsequenzen, die das Gericht aus der etwaigen Anerkennung der Unternehmenseigenschaft von Colthrop zieht, muss ich die gleichen Vorbehalte anmelden. Es erscheint mir keineswegs wünschenswert, der Kommission ein Wahlrecht in Bezug auf den Adressaten ihrer Entscheidung einzuräumen. Ich bestreite nicht, dass in einigen Fällen - wie in dem, der uns hier beschäftigt - Probleme bei der Bestimmung des Adressaten der Entscheidung auftreten können. Dies ist aber sicher kein Grund für die Einräumung eines Wahlrechts. Die Komplexität eines Problems führt nicht dazu, dass jede Lösung dieses Problems korrekt ist. Die Ermittlung des Adressaten muss Rechtsnormen entsprechen, wie sie im Urteil Enichem Anic/Kommission aufgestellt wurden, und er ist in Anwendung dieser Normen nach eingehender Analyse zu bestimmen, nicht durch Ausübung eines Wahlrechts, bei dem es immer äußerst schwierig wäre, die Betroffenen davon zu überzeugen, dass keine sachfremden Erwägungen angestellt wurden.

36 Meines Erachtens besteht daher kein Wahlrecht. Aber selbst wenn es ein Wahlrecht geben sollte, d. h., wenn die Rechtsnorm es zuließe, die Entscheidung, mit der ein gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßendes Verhalten eines Wirtschaftsteilnehmers geahndet wird, sowohl an A als auch an B zu richten, könnte dann die Wahl der Kommission, wie das Gericht behauptet, von dem Gewählten nicht angegriffen werden?

37 Man könnte versucht sein zu antworten, dass dies in der Tat der Fall sei. Erkennt man nämlich an, dass die Entscheidung sowohl an A als auch an B gerichtet werden konnte, dann kann A, wenn die Wahl auf ihn fällt, vielleicht dartun, dass B ebenso gut der Adressat hätte sein können, aber das würde nichts daran ändern, dass die Wahl von A nicht rechtswidrig war, und dies wollte das Gericht meines Erachtens SCA Holding antworten.

38 Aber ist es zulässig, dass die einzige Begründung für die Wahl von A darin besteht, dass nichts seine Wahl verbietet, oder dass die Wahl von A sogar überhaupt nicht begründet wird? Dies würde darauf hinauslaufen, der Kommission ein so weites Ermessen einzuräumen, dass es an Willkür grenzen würde.

39 Andererseits müsste man, wenn man verlangt, dass die Wahl von A wirklich begründet wird, zugleich A das Recht einräumen, gegen diese Begründung gerichtlich vorzugehen. Würde eine Missbilligung der Begründung durch das Gericht nicht automatisch zur Folge haben, dass B hätte ausgewählt werden müssen, und was bliebe in diesem Fall vom angeblichen Wahlrecht der Kommission übrig?

40 Wie man sieht, erscheint es auch aus diesem Blickwinkel nicht wünschenswert, will man vermeiden, sich in innere Widersprüche zwischen der gleichzeitigen Existenz eines Wahlrechts und einem Mindestmaß an gerichtlicher Kontrolle zu verwickeln, der Kommission - und sei es nur in ganz bestimmten Fällen - ein Wahlrecht in Bezug auf den Adressaten ihrer Entscheidung einzuräumen.

41 Die Bekämpfung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln ist eine zu ernste Angelegenheit, um Ungenauigkeiten zuzulassen. Die Kommission mag zögern, aber sie muss entscheiden, d. h. zwischen den Lösungen wählen, die ihr gangbar erscheinen. Letztlich hat das Gericht zu klären, ob sie die richtige Wahl getroffen hat; dies heißt mit anderen Worten, dass die Kommission keine echte Wahl hat, sondern nur Optionen, von denen bei korrekter Rechtsanwendung nur eine zutrifft.

42 Ist deshalb davon auszugehen, dass die Ausführungen in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils nicht nur unzutreffend sind, sondern das, was in der vorhergehenden Randnummer gesagt wird, zunichte machen? Ich zögere sehr, Ihnen dies vorzuschlagen.

43 Zum einen deshalb, weil die Kritik an dieser Randnummer des angefochtenen Urteils nicht bedeutet, dass SCA Holding nicht die richtige Adressatin der Entscheidung war. Das Gegenteil ist der Fall, denn für sich genommen scheinen mir die Randnummern 61 bis 64 keinen Anlass zur Kritik zu bieten.

44 Zum anderen deshalb, weil das Gericht in den Randnummern 66 ff. des angefochtenen Urteils einen weiteren Grund für die Abweisung der Klage von SCA Holding gegen die an sie gerichtete Entscheidung geliefert hat, und zwar die Tatsache, dass P & B, d. h. SCA Holding unter ihrer früheren Bezeichnung, auf der Mitgliederliste der PG Karton stand, bei der es sich um das Gremium handelt, in dem das Kartell organisiert wurde.

45 Diesen Gesichtspunkt halte ich für ausschlaggebend, denn er stärkt die Ausführungen in den Randnummern 61 bis 64 des angefochtenen Urteils. Er belegt, dass es SCA Holding ist, die Colthrop in das Kartell hineinzog, die der Partner der übrigen Kartellmitglieder war und die im eigenen Namen tätig wurde. Diese Beteiligung von SCA Holding an den Tätigkeiten der PG Karton hindert sie daran, heute die Verantwortung für die wettbewerbswidrigen Praktiken von Colthrop auf dem Markt abzulehnen, und rechtfertigt es somit, dass die Entscheidung an sie gerichtet wurde.

46 Nach gründlicher Abwägung bin ich deshalb der Auffassung, dass das Gericht den Klagegrund von SCA Holding zu Recht zurückgewiesen hat und dass Randnummer 65 des angefochtenen Urteils nur als bedauerliches obiter dictum anzusehen ist, das die Richtigkeit des Ergebnisses, zu dem das Gericht gelangt ist, nicht in Frage stellen kann.

Zweiter Rechtsmittelgrund: Höhe der Geldbuße

47 SCA Holding wirft dem Gericht vor, bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der gegen sie verhängten Geldbuße einen Rechtsfehler begangen zu haben. Dieser Rechtsmittelgrund besteht aus drei Teilen. Erstens soll das Gericht einen Rechtsfehler begangen haben, als es entschied, dass der Standpunkt der Rechtsmittelführerin im Verwaltungsverfahren keine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertige. Zweitens soll es einen Rechtsfehler begangen haben, als es entschied, dass die Entscheidung nicht mit einer fehlerhaften Begründung versehen sei, die die Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße rechtfertige. Drittens hätte das Gericht, nachdem es festgestellt habe, dass die Kommission SCA Holding als Adressatin der Colthrop betreffenden Entscheidung gewählt habe, sich nicht zugleich weigern dürfen, bei der Überprüfung der Höhe der Geldbuße zu berücksichtigen, dass eine Wahlmöglichkeit bestanden habe. Ich werde auf diese drei Teile nacheinander eingehen.

Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

48 SCA Holding machte vor dem Gericht geltend, aufgrund ihres Standpunkts im Verwaltungsverfahren, der dahin gegangen sei, sich unter Hinweis darauf, dass sie den Kartonsektor nicht kenne, da sie nur ganz kurz Eigentümerin von Colthrop gewesen sei, bevor sie diese an eine andere Gesellschaft weiterverkauft habe, nicht zum Vorliegen des Tatbestands der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung zu äußern, hätte ihre Geldbuße wie bei anderen Adressaten der Entscheidung herabgesetzt werden müssen. Das Gericht hat dies mit folgenden Worten zurückgewiesen:

"156 Die Kommission hat zu Recht die Ansicht vertreten, dass sich die Klägerin mit dieser Erwiderung nicht in einer Weise verhalten habe, die eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens rechtfertige. Eine Herabsetzung aus diesem Grund ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnr. 393).

157 Bei einem Unternehmen, das ausdrücklich erklärt, dass es die von der Kommission vorgebrachten Tatsachenbehauptungen nicht bestreite, kann davon ausgegangen werden, dass es zur Erleichterung der in der Feststellung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft bestehenden Aufgabe der Kommission beigetragen hat. Die Kommission ist berechtigt, ein solches Verhalten in ihren Entscheidungen, in denen sie eine Zuwiderhandlung gegen diese Regeln feststellt, als Eingeständnis der behaupteten Tatsachen und damit als Beweis für die Begründetheit der fraglichen Behauptungen zu werten. Dieses Verhalten kann daher eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen.

158 Etwas anderes gilt, wenn ein Unternehmen in seiner Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die von der Kommission aufgestellten Behauptungen im Wesentlichen bestreitet, wenn es gar nicht antwortet oder wenn es - wie die Klägerin - nur erklärt, dass es zu den von der Kommission aufgestellten Tatsachenbehauptungen nicht Stellung nehme. Durch ein solches Verhalten während des Verwaltungsverfahrens trägt das Unternehmen nicht zur Erleichterung der in der Feststellung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft bestehenden Aufgabe der Kommission bei."

49 SCA Holding hält dem entgegen, man könne ein Unternehmen, das aus taktischen Gründen nicht Stellung nehme, obwohl es dies ohne weiteres hätte tun können, da es im Besitz aller erforderlichen Angaben sei, nicht ebenso behandeln wie ein Unternehmen, das - wie sie - nicht Stellung nehme, weil es dazu nicht in der Lage sei, da es über keine Angaben verfüge, mit deren Hilfe es feststellen könne, ob die Behauptungen der Kommission zuträfen. Zudem habe ihr Verhalten zur Erleichterung der Aufgabe der Kommission beigetragen.

50 Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund nicht unzulässig. Die Rechtsmittelführerin stellt keine bloßen Tatsachenfeststellungen des Gerichts in Frage, sondern behauptet, das Gericht habe zu Unrecht entschieden, dass ihre Haltung nicht der von Unternehmen gleichgestellt werden könne, die die Tatsachen, auf denen die Vorwürfe der Kommission beruhten, nicht bestritten hätten und bei denen die aufgrund ihrer Teilnahme am Kartell gerechtfertigte Geldbuße herabgesetzt worden sei (wobei die Begründetheit dieser Herabsetzung außer Streit steht).

51 Diese Behauptung hält aber einer Prüfung nicht stand. Man kann dem Gericht nur zustimmen, wenn es in Randnummer 157 des angefochtenen Urteils schildert, wie die Aufgabe der Kommission tatsächlich erleichtert wird, wenn die vorgebrachten Tatsachen nicht bestritten werden, während dies nicht gilt, wenn sich das Unternehmen in Schweigen hüllt.

52 Im ersten Fall wird das Unternehmen endgültig an der Erhebung bestimmter Einwände gehindert, denn ihm würde der Grundsatz des venire contra factum entgegengehalten, während es dem Unternehmen im zweiten Fall freisteht, zu gegebener Zeit alle ihm sinnvoll erscheinenden Verteidigungsmittel vorzubringen.

53 Dies kommt, wie die Kommission ausgeführt hat, klar darin zum Ausdruck, dass sich SCA Holding in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht einem gemeinsamen Plädoyer anschließen wollte, das sich gegen bestimmte Tatsachenfeststellungen der Kommission richtete, d. h., sie hat versucht, sich vor Gericht zunutze zu machen, dass sie im Verwaltungsverfahren vorsichtshalber davon abgesehen hatte, den von der Kommission behaupteten Sachverhalt als richtig anzuerkennen. Sie war nur deshalb daran gehindert, weil sie es versäumt hatte, ihre Einwände gegen den Sachverhalt in ihrer Klageschrift zu erheben.

54 Wie die Kommission weiter ausführt, konnte SCA Holding nicht mehrere Strategien gleichzeitig verfolgen. Sie konnte sich nicht bemühen, als unbeteiligter Zuschauer des Kartells zu erscheinen, und zugleich Vorteile aus dem in der Anerkennung einiger Tatsachen bestehenden Minimum an Zusammenarbeit mit der Kommission ziehen. Sie hat eine Wahl getroffen, die sich als unklug erwiesen hat, aber dieser taktische Fehler kann keinen Rechtsmittelgrund darstellen.

55 Die Erwägungen des Gerichts wären auch dann nicht zu beanstanden, wenn man unterstellt, dass SCA Holding die Rolle eines unbeteiligten Zuschauers nicht nur gespielt hat, d. h., dass sie sich nicht weigerte, Tatsachen einzuräumen, die sie genau kannte. Das Gericht hat den Klagegrund von SCA Holding nicht deshalb zurückgewiesen, weil sie keinen echten Kooperationswillen gezeigt hätte. Es wollte keinen bösen Willen von SCA Holding ahnden. Es hat nur festgestellt, dass die Haltung von SCA Holding objektiv und frei von jedem Werturteil nicht geeignet war, die Aufgabe der Kommission zu erleichtern, und dass es somit keine denkbare objektive Rechtfertigung für eine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße gab, da das einzige Kriterium für eine solche Herabsetzung die tatsächliche Erleichterung der Aufgabe der Kommission war.

56 SCA Holding wurde wegen ihrer Haltung nicht "bestraft". Nur kann sie in Bezug auf die Konsequenzen ihrer Haltung nicht den Unternehmen gleichgestellt werden, bei denen eine Herabsetzung vorgenommen wurde. Die Weigerung des Gerichts, von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch Herabsetzung der gegen SCA Holding verhängten Geldbuße Gebrauch zu machen, erscheint mir in keiner Weise willkürlich oder rechtswidrig, und ich schlage Ihnen deshalb vor, diesen Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

57 Im zweiten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes vertritt die Rechtsmittelführerin die Ansicht, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es entschieden habe, dass das Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbußen in der Entscheidung im vorliegenden Fall nicht als Verstoß gegen die in Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) vorgesehene Begründungspflicht angesehen werden könne, der die völlige oder teilweise Nichtigerklärung der festgesetzten Geldbußen rechtfertige (Randnr. 207 des angefochtenen Urteils). Da dieser Rechtsmittelgrund auch im Rahmen von acht anderen Rechtsmitteln vorgetragen worden ist, nehme ich zu ihm nur in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission (C-283/98 P) Stellung. Ich bin dort zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

Zum dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

58 Der letzte Teil des Rechtsmittelgrundes, der sich gegen die Weigerung des Gerichts richtet, die Geldbuße der Rechtsmittelführerin für nichtig zu erklären oder herabzusetzen, bedarf keiner langen Ausführungen. Zum einen habe ich oben erläutert, weshalb meines Erachtens keine Rede davon sein kann, dass die Kommission mit Billigung des Gerichts von einem echten Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, so dass sich die Prämisse, auf der er beruht, als unzutreffend erweist.

59 Zum anderen ist, selbst wenn man unterstellt, dass eine Wahlmöglichkeit bestanden hätte, ganz klar, dass sich die Sanktion der als Adressat der Entscheidung ausgewählten juristischen Person nach der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung des Unternehmens richten musste, dessen Verhalten ihr zugerechnet wurde, ohne sie anders zu behandeln als die übrigen Adressaten der Entscheidung, die für die Zuwiderhandlungen anderer Kartellteilnehmer einstehen mussten, und somit ohne die sie betreffende Geldbuße zu verringern. Dieser letzte Einwand von SCA Holding kann daher ebenso wenig Erfolg haben wie die vorhergehenden.

Ergebnis

60 Da mir keiner der Rechtsmittelgründe, mit denen sich die SCA Holding Ltd gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-327/94 (SCA Holding/Kommission) wendet, begründet erscheint, kann ich Ihnen nur vorschlagen,

1. das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen;

2. der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

(1) - SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II-1373.

(2) - ABl. L 243, S. 1.

(3) - Urteil vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-6/89 (Enichem Anic/Kommission, Slg. 1991, II-1623, Randnrn. 236 bis 238).

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