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Document 61997CC0164

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 17. Dezember 1998.
Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union.
Verordnungen über den Schutz des Waldes gegen Luftverschmutzung und gegen Brände - Rechtsgrundlage - Artikel 43 EG-Vertrag - Artikel 130s EG-Vertrag - Befugnisse des Parlaments.
Verbundene Rechtssachen C-164/97 und C-165/97..

Sammlung der Rechtsprechung 1999 I-01139

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1998:616

61997C0164

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 17. Dezember 1998. - Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union. - Verordnungen über den Schutz des Waldes gegen Luftverschmutzung und gegen Brände - Rechtsgrundlage - Artikel 43 EG-Vertrag - Artikel 130s EG-Vertrag - Befugnisse des Parlaments. - Verbundene Rechtssachen C-164/97 und C-165/97..

Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-01139


Schlußanträge des Generalanwalts


1 In diesen beiden verbundenen Rechtssachen beantragt das Europäische Parlament die Nichtigerklärung der Verordnungen (EG) Nrn. 307/97(1) und 308/97(2) (im folgenden: Verordnungen) mit der Begründung, sie seien auf die falsche Vertragsbestimmung gestützt worden. Den Inhalt der Verordnungen beanstandet das Parlament nicht. Die Kommission ist dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge des Rates beigetreten.

2 Beide Verordnungen betreffen den Schutz der Wälder. Beide wurden auf der Grundlage von Artikel 43 des Vertrages erlassen, der zu Titel II (Landwirtschaft) des Dritten Teils des Vertrages gehört. Artikel 43 Absatz 2 verpflichtet die Kommission, "zur Gestaltung und Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik Vorschläge [vorzulegen] welche ... die Durchführung der in diesem Titel bezeichneten Maßnahmen vorsehen". Der letzte Unterabsatz von Artikel 43 Absatz 2 lautet:

"Der Rat erlässt während der beiden ersten Stufen einstimmig und danach mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen, unbeschadet seiner etwaigen Empfehlungen."

3 Das Parlament macht geltend, die Verordnungen hätten auf der Grundlage von Artikel 130s des Vertrages erlassen werden müssen. Artikel 130s Absatz 1 lautet:

"Der Rat beschließt gemäß dem Verfahren des Artikels 189c und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses über das Tätigwerden der Gemeinschaft zur Erreichung der in Artikel 130r genannten Ziele."

4 Artikel 189c regelt das Verfahren der Zusammenarbeit; er führt zu einer stärkeren Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsprozeß als nach dem Anhörungsverfahren des Artikels 143.

5 Artikel 130r Absatz 1 bestimmt:

"Die Umweltpolitik der Gemeinschaft trägt zur Verfolgung der nachstehenden Ziele bei:

- Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität; - Schutz der menschlichen Gesundheit;

- umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen;

- Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme."

6 Die Verordnung Nr. 307/97 ändert die Verordnung Nr. 3528/86 über den Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Luftverschmutzung(3) (im folgenden: Verordnung gegen Luftverschmutzung); die Verordnung Nr. 308/97 ändert die Verordnung Nr. 2158/92 zum Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Brände(4) (im folgenden: Verordnung gegen Waldbrände).

Die Verordnung gegen Luftverschmutzung

7 Die ursprüngliche Verordnung gegen Luftverschmutzung war 1986 erlassen worden. Damals waren in keiner Vertragsbestimmung spezifische Befugnisse zum Erlaß von umweltrechtlichen Vorschriften vorgesehen. Die Verordnung von 1986 war auf der doppelten Grundlage der Artikel 43 und 235 erlassen worden; letzterer sieht folgendes vor:

"Erscheint ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen, und sind in diesem Vertrag die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erlässt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften."

8 Artikel 1 der Verordnung lautet: "Um den Schutz der Wälder der Gemeinschaft zu verbessern und damit auch zum Schutz des landwirtschaftlichen Produktionspotentials beizutragen wird eine gemeinschaftliche Aktion zum Schutz des Waldes gegen Luftverschmutzung - im folgenden $Aktion` genannt - durchgeführt."

9 Artikel 2 Absatz 1 in der Fassung der Verordnung Nr. 2157/92(5) lautet:

"Ziel der Aktion ist die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei

- einer in regelmässigen Zeitabständen auf gemeinsamer methodischer Grundlage durchzuführenden Erhebung über die insbesondere durch Luftverschmutzung verursachten Waldschäden;

- der koordinierten und ausgewogenen Einrichtung oder Vervollständigung des für die Durchführung dieser Erhebung erforderlichen Netzes von Beobachtungsflächen;

- einer intensiven und fortgesetzten Überwachung der forstlichen Ökosysteme;

- der koordinierten und ausgewogenen Einrichtung oder Vervollständigung der für diese intensive und fortgesetzte Überwachung nötigen Dauerprobeflächen."

10 Artikel 4 Absatz 1 sieht vor:

"Mit der Aktion soll die Durchführung folgender Maßnahmen gefördert werden:

- Feldversuche, die er ermöglichen sollen, die Kenntnisse über die Luftverschmutzung im Wald und über deren Auswirkungen auf den Wald zu verbessern und Methoden zur Erhaltung und Wiederherstellung der geschädigten Wälder auszuarbeiten;

- Pilotprojekte und Demonstrationsmaßnahmen, die zur Verbesserung der Methoden zur Beobachtung und Messung der Waldschäden beitragen."

11 Artikel 11 Absatz 1 setzte die Dauer der Aktion auf fünf Jahre ab Januar 1987 fest.

12 Die Verordnung gegen Luftverschmutzung wurde vor dem Erlaß der streitigen Änderungsverordnung zweimal geändert.

13 Die Verordnung (EWG) Nr. 1613/89(6) änderte einzelne Bestimmungen. Der Vorschlag der Kommission für den Erlaß dieser Verordnung hatte als Rechtsgrundlage Artikel 43 genannt, der Rat erließ jedoch die Verordnung auf der Grundlage sowohl des Artikels 43 als auch des Artikels 130s.

14 Nach der im maßgeblichen Zeitpunkt, d. h. vor ihrer Änderung durch den Vertrag über die Europäische Union, geltenden Fassung von Artikel 130s des Vertrages hatte der Rat einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments zu entscheiden; das durch die Einheitliche Europäische Akt eingeführte Verfahren der Zusammenarbeit wurde erst durch den Vertrag über die Europäische Union auf Artikel 130s erstreckt.

15 Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung gegen Luftverschmutzung wurde dann später durch die Verordnung Nr. 2157/92 dahin gehend geändert, daß die Dauer der Aktion nunmehr zehn Jahre ab Januar 1987 betrug. Auch die Verordnung Nr. 2157/92 wurde auf der doppelten Grundlage der Artikel 43 und 130s des Vertrages erlassen. Auch die im maßgeblichen Zeitpunkt geltende Fassung von Artikel 130s des Vertrages lag zeitlich vor der durch den Vertrag über die Europäische Union erfolgten Änderung.

16 Die Verordnung Nr. 307/97, deren Nichtigerklärung vom Parlament beantragt wird, ändert Artikel 11 Absatz 1 dahin gehend, daß für die Aktion nunmehr eine Laufzeit von 15 Jahren ab 1. Januar 1987 vorgesehen ist und finanzielle Vorkehrungen für den Zeitraum 1997 bis 2001 getroffen werden.

Die Verordnung gegen Waldbrände

17 Die Verordnung gegen Waldbrände wurde 1992 auf der Grundlage der Artikel 43 und 130s erlassen (obwohl ihre Vorgängerin, die Verordnung [EWG] Nr. 3529/86(7), ebenso wie die Verordnung gegen Luftverschmutzung, auf die Artikel 43 und 235 gestützt war).

18 Artikel 1 der Verordnung lautet:

"(1) Um den Wald stärker zu schützen und insbesondere um die bisherigen Bemühungen um die Erhaltung und Überwachung der forstlichen Ökosysteme und ebenso die Bemühungen um den Schutz der unterschiedlichen Funktionen, die den Wäldern zum Vorteil der ländlichen Gebiete zukommen, zu intensivieren, wird eine Gemeinschaftsaktion zum Schutz des Waldes gegen Brände ... durchgeführt.

(2) Die Aktion bezweckt

- die Verringerung von Waldbränden und

- die Verringerung von Brandflächen.

(3) Die Aktion umfasst folgende Maßnahmen:

(a) Ermittlung der Brandursachen und Mittel zu ihrer Ausschaltung ...

(b) Schaffung bzw. Verbesserung von Brandverhütungssystemen, insbesondere durch Schutzanlagen wie Waldwege, Brandschutzstreifen, Wasserentnahmestellen, Feuerschneisen, Entstrüppungsflächen und Anlage von nichtforstlichen Nutzflächen, durch Maßnahmen zur Unterhaltung der Feuerschneisen, Entstrüppungsflächen und nichtforstlichen Nutzflächen sowie durch vorbeugende Waldbaumaßnahmen im Rahmen einer umfassenden Brandschutzstrategie;

..."

19 Artikel 2 bestimmt folgendes:

"(1) Die Mitgliedstaaten unterteilen ihre Waldfläche je nach Grad des Brandrisikos ...

(2) Als Gebiete mit hohem Waldbrandrisiko dürfen ausschließlich Gebiete eingestuft werden, in denen das permanente oder saisonale Waldbrandrisiko eine grosse Gefahr für das ökologische Gleichgewicht und die Sicherheit von Personen und Sachen darstellt oder der Verödung der ländlichen Gebiete Vorschub leistet.

...

(3) Als Gebiete mit mittlerem Waldbrandrisiko dürfen Gebiete eingeteilt werden, in denen das Waldbrandrisiko zwar nicht permanent oder saisonal vorhanden ist, die forstlichen Ökosysteme aber dennoch erheblich gefährden kann.

..."

20 Nach Artikel 10 Absatz 1 war die Aktion für die Dauer von fünf Jahren ab dem 1. Januar 1992 vorgesehen.

21 Die Verordnung Nr. 308/97, deren Nichtigerklärung im vorliegenden Verfahren beantragt wird, ändert Artikel 10 Absatz 1 dahin, daß für die Aktion nunmehr eine Laufzeit von zehn Jahren ab 1. Januar 1992 vorgesehen ist und finanzielle Vorkehrungen für den Zeitraum 1997 bis 2001 getroffen werden.

Beurteilung der streitigen Verordnungen

22 Das Vorbringen des Parlaments geht im Kern dahin, daß die Verordnungen aufgrund ihrer Ziele und ihres Inhalts in den Bereich der Umweltpolitik fielen, auch wenn sie sich günstig auf die Landwirtschaft und für die Bauern auswirkten. Der Rat räumt ein, daß Wälder nicht unter die in Anhang II des Vertrages aufgezählten landwirtschaftlichen Erzeugnisse fielen, auf die gemäß Artikel 1 Absatz 38 Unterabsatz 3 des Vertrages dessen Artikel 39 bis 46 Anwendung finden. Zu seiner Verteidigung bringt er im wesentlichen vor, der Schutz der Wälder sei ein entscheidender Bestandteil der Landwirtschaftspolitik der Gemeinschaft, da er dazu beitrage, Boden, Fauna, Flora und Wassersysteme zu erhalten und zu verbessern, sowie für die Landwirtschaft günstige Ökosysteme zu entwickeln.

23 Der Gerichtshof hat entschieden, daß "im Rahmen des Zuständigkeitssystems der Gemeinschaft ... die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts nicht allein davon abhängen [kann], welches nach der Überzeugung eines Organs das angestrebte Ziel ist, sondern ... sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen [muß]"(8). Zu diesen Umständen gehören insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts.(9)

24 Meines Erachtens geht aus Zielen und Inhalt der Verordnungen einwandfrei hervor, daß sie beide auf der Grundlage von Artikel 130s des Vertrages hätten erlassen werden müssen.

25 Was die Ziele der Verordnung Nr. 307/97 betrifft, so heisst es in deren zweiter bis achter Begründungserwägung:

"Der Wald ist für die Erhaltung des grundlegenden ökologischen Gleichgewichts, insbesondere betreffend den Boden, den Wasserhaushalt, das Klima und die Tier- und Pflanzenwelt, von wesentlicher Bedeutung. Das ökologische Gleichgewicht ist unerläßlich für eine dauerhafte und umweltgerechte Landwirtschaft und die Bewirtschaftung der ländlichen Gebiete.

Die Erhaltung der Wälder entspricht einem wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Bedürfnis und trägt insbesondere zur Wahrung der sozialen Lage für die in der Landwirtschaft und in den ländlichen Gebieten tätigen Menschen bei.

Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten haben sich auf internationaler Ebene ... verpflichtet ...

Die Ergebnisse der systematischen Überwachung lassen deutlich erkennen, daß sich die Waldschäden in der räumlichen und zeitlichen Entwicklung auf das ganze Gebiet der Gemeinschaft erstrecken.

Die Mitgliedstaaten haben ein Netz von Beobachtungsflächen zur intensiven, fortlaufenden Überwachung der Forstökosysteme aufgebaut. Die Weiterführung der Überwachungsmaßnahme über einen längeren Zeitraum wird zu einem besseren Verständnis der Kausalbeziehungen zwischen den Veränderungen im Forstökosystem und den diesen zugrunde liegenden Einfluessen beitragen.

Die Waldschäden aufgrund verschiedener Faktoren, und insbesondere aufgrund der Luftverschmutzung und ungünstiger Witterungseinfluesse, können die Entwicklung einer dauerhaften und umweltgerechten Landwirtschaft und die Bewirtschaftung der ländlichen Gebiete gefährden.

Folglich trägt der Schutz des Waldes gegen Luftverschmutzung und ungünstige Witterungseinfluesse unmittelbar zur Verwirklichung der Ziele von Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages bei.

..."

26 Die Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 308/97 lauten ähnlich. Die zweite und die dritte Begründungserwägung stimmen mit den entsprechenden Erwägungen der Verordnung Nr. 307/97 überein. In der fünften bis zehnten Begründungserwägung wird ausgeführt:

"Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten räumen dem Schutz ihrer Wälder einen besonderen Stellenwert ein und sind auf internationaler Ebene ... Verpflichtungen eingegangen, die auf eine dauerhafte Förderung und den Schutz der Waldgebiete abzielen ...

Gemäß der Verordnung Nr. 2158/92 wurden 60 Millionen ha Wald, d. h. nahezu die Hälfte der europäischen Waldfläche, als brandgefährdete Gebiete eingestuft.

Die Waldbrände sind nach wie vor ein Faktor, der eine dauerhafte Entwicklung der Wälder erschwert und somit den Beitrag schmälert, den die Wälder zum Aufbau einer dauerhaften und umweltgerechten Landwirtschaft und zur Bewirtschaftung ländlicher Gebiete leisten.

Folglich trägt der Schutz der Wälder gegen Brände unmittelbar zur Verwirklichung der Ziele von Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages bei.

Das gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 2158/92 eingerichtete Waldbrandinformationssystem ermöglicht in der Gemeinschaft bereits eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Waldbrände. Der Ausbau dieses Systems soll ausserdem eine verbesserte Beurteilung der zum Schutz des Waldes gegen Brände zu treffenden Aktionen und eine genauere Untersuchung der Brandursachen ermöglichen.

Daher ist die in der Verordnung Nr. 2158/92 vorgesehene Aktion fortzuführen; insbesondere sollten die forstwirtschaftlichen Maßnahmen, deren Durchführung in brandgefährdeten Gebieten finanziert wird, genauer abgestimmt, die Bekämpfung der Brandursachen intensiviert und die Vorbeuge- und Überwachungsmaßnahmen verbessert werden. Die Aktion ist um fünf Jahre zu verlängern, so daß ihre Laufzeit zehn Jahre ab 1. Januar 1992 beträgt."

27 Beide Verordnungen haben im wesentlichen die Erweiterung der Aktionen zum Schutz des Waldes zum Gegenstand, die von den durch sie geänderten Verordnungen - deren wichtigste Bestimmungen ich in den Nummern 8 bis 11 und 18 bis 20 dargelegt habe - eingeführt worden waren.

28 Aus Zielen und Inhalt der beiden Verordnungen geht, wenn man sie zusammen mit den durch sie geänderten Verordnungen liest, klar hervor, daß sie darauf abzielen, die Fortführung von Aktionen zum Schutz des Waldes und des ökologischen Gleichgewichts zu gewährleisten, bei dessen Aufrechterhaltung Wälder eine wesentliche Rolle spielen, insbesondere was Böden, Wasserressourcen, Klima sowie Pflanzen- und Tierwelt betrifft. Meines Erachtens fallen derartige Maßnahmen unzweifelhaft unter die in Artikel 130r genannten Ziele, insbesondere "Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität". Der Schutz der Wälder und das durch sie gewahrte ökologische Gleichgewicht sind ein allgemeines umweltpolitisches Anliegen und gehen nicht nur diejenigen an, die ihren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft beziehen.

29 Es mag sein, daß, wie Rat und Kommission geltend machen, ein besonderer Grund für den Erlaß der Verordnungen in dem Beitrag lag, den der Wald zur Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Gebiete leistet; sicherlich bemühen sich die Begründungserwägungen um den Nachweis, daß diese Zwecke zu den von den Maßnahmen verfolgten Zielen gehören. Dennoch haben es Ziele und Inhalt der Verordnungen in erster Linie und unmittelbar mit dem Schutz des Waldes zu tun, stehen also im Dienst einer Politik, die in ihrem Wesenskern auf den Umweltschutz gerichtet ist. Es mag zutreffen, daß, wie der Rat bemerkt, Land- und Forstwirtschaft zusammengehören. Es trifft aber ebenfalls zu, daß das Leben auf der Erde ohne Wald anders aussehen würde, als wir es heute kennen.

30 Entgegen der Meinung des Rates glaube ich nicht, daß sich die vorliegenden Verordnungen mit der Verordnung (EWG) Nr. 2080/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Beihilferegelung für Aufforstungsmaßnahmen in der Landwirtschaft(10), die auf die Artikel 42 und 43 gestützt ist, vergleichen lassen. Diese Verordnung führt eine Beihilfesystem ein, das teilweise durch den EAGFL finanziert wird und speziell der Aufforstung als einer alternativen Nutzung von Agrarland sowie der Entwicklung forstwirtschaftlicher Tätigkeiten auf Bauernhöfen dient. Obwohl sie umweltpolitische Ziele verfolgt, unterscheiden sich ihre Ziele und ihr Inhalt sehr stark von denen der vorliegenden Verordnungen, denen die Absicht zugrunde liegt, die durch die Verordnung gegen Luftverschmutzung und die Verordnung gegen Waldbrände eingeführten Aktionen weiterzuführen.

31 Der Rat trägt weiterhin vor, Artikel 43 müsse ein Vorrang gegenüber anderen Artikeln des Vertrages eingeräumt werden. Was Artikel 100 betrifft, so beruft er sich namentlich auf die Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen Vereinigtes Königreich/Rat(11) und Kommission/Rat(12). In diesen Rechtssachen stellte der Gerichtshof fest, daß "Artikel 43 EWG-Vertrag die geeignete Rechtsgrundlage für alle Regelungen über die Produktion und die Vermarktung der im Anhang II des Vertrages aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse [ist], die zur Verwirklichung eines oder mehrerer der in Artikel 39 EWG-Vertrag genannten Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik beiträgt. Solche Regelungen können die Harmonisierung der innerstaatlichen Bestimmungen auf diesem Gebiet einschließen, ohne daß es des Rückgriffs auf Artikel 100 EWG-Vertrag bedarf."(13) Weiter heisst es in diesem Urteil,

"daß Artikel 38 Absatz 2 EWG-Vertrag den Vorrang der besonderen Bestimmungen des Agrarbereichs vor den allgemeinen Bestimmungen über die Errichtung des Gemeinsamen Marktes sicherstellt und daß sich also, selbst wenn die in Rede stehenden Regelungen sowohl Ziele der Agrarpolitik als auch andere Ziele anstreben, die in Ermangelung besonderer Bestimmungen auf der Grundlage von Artikel 100 EWG-Vertrag verfolgt werden, dieser Vorschrift, die allgemein den Erlaß von Richtlinien für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erlaubt, nichts für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von Artikel 43 EWG-Vertrag entnehmen lässt"(14).

32 Diese Urteile vermögen jedoch die Auffassung des Rates in keiner Weise zu stützen. Der Gerichtshof hat dort lediglich klargestellt, daß die spezielle Bestimmung über die Landwirtschaft und nicht die allgemeinere Harmonisierungsvorschrift von Artikel 100 EWG-Vertrag die angemessene Rechtsgrundlage für Regelungen betreffend Produktion und Vermarktung von in Anhang II des Vertrages aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse war.

33 Der gleiche Grundsatz gilt für das Verhältnis zwischen Artikel 130s und Artikel 100a. In der Rechtssache Parlament/Rat(15), wo der Gerichtshof die geeignete Rechtsgrundlage für eine Verordnung zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen(16) zu ermitteln hatte, sprach er sich für die speziellere Bestimmung von Artikel 130s des Vertrages und gegen die allgemeine Vorschrift des Artikels 100a aus. In ähnlicher Weise stellte er in diesem Urteil fest, seine Schlußfolgerung könne "nicht dadurch entkräftet werden, daß die angefochtene Verordnung aufgrund der Angleichung der Voraussetzungen, unter denen sich der Umlauf der Abfälle vollzieht, Folgen für diesen Umlauf hat und sich somit auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirkt".(17)

34 Im vorliegenden Fall stimmen Rat und Parlament darin überein, daß die Verordnungen nicht die Voraussetzungen für Erzeugung und Vermarktung von unter Anhang II des Vertrages fallenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse betreffen. Es geht auch nicht um die Wahl einer allgemeinen und einer spezielleren Bestimmung, sondern um die Entscheidung darüber, welche von zwei speziellen Bestimmungen die angemessenere Rechtsgrundlage bildet.

35 Der Rat macht ferner geltend, Artikel 43 habe Vorrang vor Artikel 130s. Er stützt diese Ansicht auf das Urteil in der Rechtssache Griechenland/Rat(18), wo der Gerichtshof ausgeführt hat:

"Die Artikel 130r und 130s übertragen der Gemeinschaft nämlich eine besondere Zuständigkeit für die Umweltpolitik. Sie lassen die Zuständigkeiten der Gemeinschaft aufgrund anderer Vertragsbestimmungen unberührt, selbst wenn die danach zu ergreifenden Maßnahmen zugleich Ziele des Umweltschutzes verfolgen.

Diese Auslegung findet sich in Artikel 130r Absatz 2 Satz 2 bestätigt, wonach die Erfordernisse des Umweltschutzes Bestandteil der anderen Politiken der Gemeinschaft sind. Diese Bestimmung entspricht dem Grundsatz, daß alle Gemeinschaftsmaßnahmen den Erfordernissen des Umweltschutzes gerecht werden müssen; sie setzt voraus, daß eine Gemeinschaftsmaßnahme nicht allein deswegen zur Umweltpolitik der Gemeinschaft gehört, weil sie deren Anforderungen berücksichtigt."

36 Dieser Passus enthält jedoch nichts weiter als die Anerkennung der Tatsache, daß der blosse Umstand, daß eine Maßnahme umweltpolitische Ziele verfolgt, für sich allein nicht ausreicht, um sie auf Artikel 130s zu stützen. Er legt in keiner Weise die Annahme nahe, Artikel 130s stelle nicht die angemessene Grundlage für eine Maßnahme dar, deren Schwerpunkt umweltpolitischer Natur ist. Die gegenteilige Annahme würde Artikel 130s überfluessig machen.

37 Es ist meines Erachtens nicht erforderlich, sich mit dem Hilfsvorbringen des Parlaments zu befassen, wonach, falls die Verordnungen gleichermassen auf jede der beiden Vorschriften gestützt werden könnten, Artikel 130s nach dem Urteil in der Rechtssache Kommission/Rat(19) den Vorrang haben müsse. Dort hat der Gerichtshof festgestellt, eine Richtlinie, die sich nach Ziel und Inhalt untrennbar sowohl mit dem Schutz der Umwelt als auch mit der Beseitigung ungleicher Wettbewerbsbedingungen befasse, könne nicht zugleich auf Artikel 100a, der seinerzeit die Einhaltung des Verfahrens der Zusammenarbeit, und auf Artikel 130s gestützt werden, der seinerzeit einen nach blosser Anhörung des Parlaments zu treffenden einstimmigen Beschluß des Rates gefordert habe; wegen des Erfordernisses der Einstimmigkeit würde der Rückgriff auf beide Bestimmungen als gemeinsame Rechtsgrundlage das Verfahren der Zusammenarbeit seines Wesenskerns berauben. Der Gerichtshof war daher genötigt, zwischen zwei gleichermassen geeigneten Bestimmungen zu wählen; er entschied sich für Artikel 100a, der das Verfahren der Zusammenarbeit vorsah, wobei er berücksichtigte, daß nach Artikel 100a Absatz 3 die Vorschläge der Kommission für Maßnahmen der Rechtsangleichung in jedem Falle von einem hohen Niveau des Umweltschutzes auszugehen haben.

38 Im vorliegenden Fall ist keine derartige Schwierigkeit gegeben. Artikel 130s ist eindeutig der angemessene Vertragsartikel für die streitigen Verordnungen und stellt eine ausreichende Grundlage für deren Erlaß dar. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob eine andere Bestimmung des Vertrages alternativ oder zusammen mit der genannten Bestimmung als Rechtsgrundlage in Betracht kommt.(20)

Ergebnis

39 Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß die Verordnungen für nichtig zu erklären sind. Entsprechend dem Vorschlag des Parlaments sollten jedoch ihre Wirkungen aufrechterhalten werden, bis innerhalb angemessener Frist neue Maßnahmen unter Einhaltung des geeigneten Verfahrens getroffen werden.

40 Demgemäß sollte der Gerichtshof meines Erachtens

1. die Verordnung (EG) Nr. 307/97 des Rates vom 17. Februar 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3528/86 über den Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Luftverschmutzung für nichtig erklären;

2. die Verordnung (EG) Nr. 308/97 des Rates vom 17. Februar 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2158/92 zum Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Brände für nichtig erklären;

3. feststellen, daß die Wirkungen der Verordnungen aufrechterhalten werden, bis innerhalb angemessener Frist neue Verordnungen auf der geeigneten Rechtsgrundlage erlassen werden;

4. dem Rat die Kosten des Verfahrens auferlegen;

5. feststellen, daß die Kommission ihre eigenen Kosten zu tragen hat.

(1) - Verordnung (EG) Nr. 307/97 des Rates vom 17. Februar 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3528/86 über den Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Luftverschmutzung (ABl. L 51, S. 9).

(2) - Verordnung (EG) Nr. 308/97 des Rates vom 17. Februar 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2158/92 zum Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Brände (ABl. L 51, S. 11).

(3) - Verordnung (EWG) Nr. 3528/86 des Rates vom 17. November 1986 (ABl. L 326, S. 2).

(4) - Verordnung (EWG) Nr. 2158/92 des Rates vom 23. Juli 1992 (ABl. L 217, S. 3).

(5) - Verordnung (EWG) Nr. 2157/92 des Rates vom 23. Juli 1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3528/86 über den Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Luftverschmutzung (ABl. L 217, S. 1).

(6) - Verordnung (EWG) Nr. 1613/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3528/86 über den Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Luftverschmutzung (ABl. L 165, S. 8).

(7) - Verordnung (EWG) Nr. 3529/86 des Rates vom 17. November 1986 über den Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Brände (ABl. L 326, S. 5).

(8) - Urteil des Gerichtshofes vom 26. März 1987 in der Rechtssache 45/86 (Kommission/Rat, Slg. 1987, 1493, Randnr. 11).

(9) - Urteil vom 11. Juni 1991 in der Rechtssache C-300/89 (Kommission/Rat, Slg. 1991, I-2867, Randnr. 10).

(10) - ABl. L 215, S. 96.

(11) - Urteile vom 23. Februar 1988 in den Rechtssachen 68/86 und 131/86 (Slg. 1988, 855 und 905).

(12) - Urteil vom 16. November 1989 in der Rechtssache C-131/87 (Slg. 1989, 3743).

(13) - Urteil in der Rechtssache Kommission/Rat (zitiert in Fußnote 12, Randnr. 10).

(14) - Urteil in der Rechtssache Kommission/Rat (Randnr. 11).

(15) - Urteil vom 28. Juni 1994 in der Rechtssache C-187/93 (Slg. 1994, I-2857).

(16) - Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 30, S. 1).

(17) - Randnr. 24 des Urteils.

(18) - Urteil vom 29. März 1990 in der Rechtssache C-62/88 (Slg. 1990, I-1527).

(19) - Rechtssache C-300/89 (zitiert in Fußnote 9).

(20) - Siehe z. B. die Urteile in den Rechtssachen Vereinigtes Königreich/Rat und Kommission/Rat (zitiert in den Fußnoten 11 und 12).

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