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Document 52025AR1106

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut

COR 2025/01106

ABl. C, C/2025/6322, 3.12.2025, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2025/6322/oj (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2025/6322/oj

European flag

Amtsblatt
der Europäischen Union

DE

Reihe C


C/2025/6322

3.12.2025

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut

(C/2025/6322)

Berichterstatter

:

Yonnec POLET (BE/SPE), Mitglied des Gemeinderates von Berchem-Sainte-Agathe

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN (ADR)

1.

erinnert an den Ausspruch von Nelson Mandela: „Die Überwindung der Armut ist keine Geste der Nächstenliebe, sondern ein Akt der Gerechtigkeit. Es geht hierbei um den Schutz eines grundlegenden Menschenrechts, des Rechts auf Würde und ein menschenwürdiges Leben. Solange es Armut gibt, gibt es keine wahre Freiheit“ (1);

Grundsätze

2.

weist darauf hin, dass Armut eine Verletzung der Menschenrechte darstellt (2);

3.

erinnert daran, dass es sich bei Armut um materielle, soziale und psychische Deprivation handelt; stellt fest, dass ihre Ursachen vielschichtig sind und von individuellen Umständen bis hin zu stärker systemischen und strukturellen Ursachen reichen, und dass Armut oft über Generationen hinweg fortbesteht;

4.

weist darauf hin, dass die EU gemäß Artikel 3 EUV soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen bekämpft, soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz sowie den sozialen und territorialen Zusammenhalt fördert und zur Beseitigung der Armut beiträgt;

5.

weist darauf hin, dass in Artikel 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung anerkannt wird, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen;

6.

verweist darauf, dass in Artikel 30 und 31 der Europäischen Sozialcharta des Europarats das Recht auf Schutz gegen Armut und soziale Ausgrenzung sowie das Recht auf Wohnung anerkannt werden;

7.

erinnert an die Verpflichtung der EU zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen für 2030, zu den Zielen für die Beseitigung extremer Armut und zur Verringerung der Zahl der in Armut lebenden Menschen um 50 %;

8.

betont, dass er bereits dafür plädiert hat, im Rahmen der europäischen Säule sozialer Rechte die Probleme Armut, Marginalisierung und soziale Ausgrenzung anzugehen (3);

9.

kritisiert eine Verschärfung des öffentlichen Diskurses über Armut, der ihre strukturellen und systemischen Ursachen außer Acht lässt; findet es bedenklich, dass Maßnahmen zur Armutsbekämpfung an immer striktere Bedingungen geknüpft sind und Armut in unseren Gesellschaften zunehmend kriminalisiert wird;

Armut und soziale Ausgrenzung in der EU

10.

weist darauf hin, dass im Jahr 2024 in der EU nicht weniger als 93,3 Millionen Menschen (21 % der EU-Bevölkerung) von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht waren;

11.

stellt fest, dass das Risiko von Armut oder sozialer Ausgrenzung in den Mitgliedstaaten und Regionen der EU unterschiedlich ausfällt und schutzbedürftige Gruppen wie Kinder, ältere Menschen, junge Erwachsene, alleinerziehende Mütter, Roma, Menschen mit Behinderungen und Arbeitslose unverhältnismäßig stark betroffen sind. Diese Unterschiede erfordern differenzierte Maßnahmen, in deren Rahmen die lokale und regionale Ebene das Mandat und die Ressourcen für die Gestaltung der Initiativen entsprechend den Bedürfnissen vor Ort erhält;

12.

hebt hervor, dass sich die Lage von Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, laut Eurofound verschlechtert hat, da es für sie immer schwieriger wird, Mieten, Hypotheken, Versorgungsleistungen und Lebensmittel zu bezahlen;

13.

ist besorgt über die generationenübergreifende Übertragung von Armut, die Familien oftmals über mehrere Generationen hinweg betrifft, und fordert gezielte Maßnahmen, damit diese Kreisläufe durch frühzeitige Interventionen und Bildung, sowohl in Vorschulen als auch in Schulen, durch Schulgesundheitsdienste, soziale Investitionen und inklusive wirtschaftliche Chancen unterbrochen werden;

14.

unterstreicht, dass Frauen nach wie vor stärker von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind als Männer (22,3 % gegenüber 20,3 %);

15.

weist darauf hin, dass das Risiko von Armut oder sozialer Ausgrenzung bei Alleinerziehenden mit Kindern (43,5 %), wobei es sich überwiegend um alleinerziehende Mütter handelt, etwa doppelt so hoch ist wie bei anderen Familien (20,2 %);

16.

macht darauf aufmerksam, dass in Europa 21,9 % der Familien, die in Haushalten mit unterhaltsberechtigten Kindern leben, von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, wobei ihr Anteil in einigen Ländern bei mehr als 30 % liegt, und dass die Kinderarmutsquote in der Europäischen Union 19,3 % beträgt und in einigen Ländern fast 30 % erreicht;

17.

ist besorgt darüber, dass Schätzungen zufolge im Jahr 2024 etwa 1,287 Millionen Menschen, darunter 400 000 Kinder, auf der Straße oder in Obdachlosenunterkünften übernachteten und viele weitere keine feste Bleibe hatten und nur informell auf unbestimmte Zeit bei Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten unterkommen konnten (oft „Couch-Surfen“ genannt);

18.

betont, dass der Mangel an Daten über Armut, insbesondere von Menschen, die in Einrichtungen untergebracht sind, dazu führt, dass ihr Ausmaß in der EU unterschätzt wird; unterstreicht ferner, dass die lokale und regionale Ebene in die Datenerhebung einbezogen werden sollte, um die Zielgenauigkeit der Maßnahmen zu verbessern;

19.

ist besorgt darüber, dass benachteiligte Gruppen wie Roma, Migranten oder Obdachlose sowie Bewohner ländlicher oder abgelegener Gebiete nach wie vor Probleme beim uneingeschränkten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Wasser-, Sanitär- und Energieversorgung, Verkehrs- und Finanzdienstleistungen sowie digitalen Kommunikationsdiensten haben; ist der Auffassung, dass die Maßnahmen zur Gewährleistung des Zugangs mit der lokalen und regionalen Ebene koordiniert werden sollten, auf der die Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden;

Armut verstehen, um ihre Ursachen besser bekämpfen zu können

20.

weist darauf hin, dass Armut eine Kombination aus individuellen, sozialen und strukturellen Faktoren ist. Zu den Ursachen gehören persönliche Umstände, Schicksalsschläge, physische und psychische Erkrankungen sowie der Rechts- und Aufenthaltsstatus;

21.

betont, dass es einer größeren Solidarität bedarf und dass eine kollektive Verantwortung dafür besteht, Armut zu verhindern, ihre Auswirkungen zu lindern und ihre Ursachen zu beseitigen;

22.

unterstreicht, dass die multidimensionalen Aspekte der Armut in allen relevanten Politikbereichen angegangen und solide und koordinierte Maßnahmen im Rahmen einer integrierten Strategie zur Bekämpfung der Armut ergriffen werden müssen;

23.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu einem besseren Verständnis von Armut beitragen können, indem sie einschlägige Untersuchungen auf lokaler Ebene (4) durchführen; ist der Auffassung, dass diese Maßnahmen durch nationale Statistiken und Leitlinien der EU unterstützt werden sollten, um Vergleichbarkeit und Qualität zu gewährleisten;

24.

betont, dass ökologische Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und ein gerechter Übergang dringend in Maßnahmen zur Armutsbekämpfung integriert werden müssen, da schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen die Auswirkungen von Umweltkrisen sowie die Volatilität der Energiepreise und den damit verbundenen Kostendruck unverhältnismäßig stark zu spüren bekommen, und dass der sozialen Gerechtigkeit bei den Maßnahmen für den grünen Wandel Vorrang eingeräumt werden muss, damit eine Verschärfung von Armut und Ausgrenzung vermieden wird;

25.

erkennt die Rolle der Organisationen der Zivilgesellschaft, der gemeinnützigen Erbringer sozialer Dienstleistungen und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen bei der Bekämpfung der Armut und ihrer Ursachen an;

26.

weist darauf hin, dass die Erhebung von Daten von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit öffentlicher Maßnahmen ist; begrüßt den Rahmen für soziale Konvergenz zur Überwachung der sozialen Inklusion in den Mitgliedstaaten und zur Ermittlung länderspezifischer Herausforderungen und einschlägiger politischer Antworten; hält es zudem für wichtig, lokale und regionale Indikatoren in den Überwachungsrahmen einzubeziehen, um die Unterschiede innerhalb der Mitgliedstaaten zu erfassen;

27.

empfiehlt eine wirksamere Überwachung der Armut in der gesamten EU durch die Europäische Kommission, einschließlich der Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele der Strategie, indem die verfügbaren Daten effizienter genutzt und im Rahmen des sozialpolitischen Scoreboards detailliertere und aktuellere Daten erhoben werden; ist der Auffassung, dass diese Daten auf die regionale und lokale Ebene übertragbar sein sollten, damit die Ziele der Strategie auch in der Praxis sinnvoll sind;

Fortschritte der EU bei der Armutsbekämpfung

28.

nimmt die Etappenziele bei der Armutsbekämpfung zur Kenntnis, die die EU mit der Richtlinie über angemessene Mindestlöhne, der Empfehlung des Rates für ein angemessenes Mindesteinkommen, der Garantie für Kinder, der Einrichtung der Europäischen Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit, dem Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte und dem Aktionsplan für die Sozialwirtschaft erreicht hat;

29.

betont, dass dringend weitere Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut erforderlich sind, und begrüßt die Ankündigung der Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Roxanna Mînzatu, dass die erste EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut im ersten Quartal 2026 vorgelegt werden soll;

30.

fordert, dass die Strategie ehrgeizig und realistisch ausfällt und darin die Ziele der EU in Bezug auf die Armutsbekämpfung mit ihren Verpflichtungen im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen für 2030 und mit der Erklärung von Lissabon zur Beseitigung der Obdachlosigkeit in der EU bis 2030 in Einklang gebracht werden;

31.

stellt fest, dass anhaltende Armut dem im EU-Vertrag verankerten Ziel zuwiderläuft, das Wohlergehen der Menschen in der EU zu fördern (Artikel 3 EUV);

32.

ist besorgt darüber, dass die EU ihr Ziel der Verringerung der Armut in Europa um 25 % bis 2020 nicht erreicht hat und das Ziel des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte von 2021, die Zahl der in Armut lebenden Menschen bis 2030 um 15 Millionen (darunter die der in Armut lebenden Kinder um 5 Millionen) zu verringern, sowie das Ziel, die Obdachlosigkeit bis 2030 zu beseitigen, wohl verfehlen wird; hält es daher für wichtig, dass die künftige Strategie konkrete Etappenziele für die verschiedenen Verwaltungs- und Regierungsebenen enthält;

33.

betont, dass sich zwischen 2019 und 2023 nur rund 1,6 Millionen Menschen aus der Armut befreien konnten;

34.

teilt die Einschätzung der Kommission (5), dass nach wie vor erhebliche Herausforderungen bestehen, insbesondere bei der Bekämpfung von Kinderarmut, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine Strategie anzunehmen, die über die bloße Linderung der Kinderarmut hinausgeht, wobei der Schwerpunkt auf die tatsächliche Beseitigung der Kinderarmut gelegt werden muss, indem konkrete Maßnahmen umgesetzt und ausreichende Mittel bereitgestellt werden, um dieses Ziel zu erreichen. Die Strategie zur Bekämpfung der Kinderarmut muss die Mittel umfassen, die erforderlich sind, um diese Maßnahmen umzusetzen, aufrechtzuerhalten und auszuweiten und Familien in besonders prekären Situationen wirksam zu erreichen. Zudem muss sie von politischem Willen und einer wirksamen Koordinierung zwischen allen Verwaltungen auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene getragen werden;

35.

empfiehlt der Europäischen Kommission, ausgehend von den in den EU-Verträgen, in der Säule sozialer Rechte und in internationalen Instrumenten anerkannten Rechten eine äußerst ehrgeizige, realistische und wirkungsvolle EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut vorzulegen;

36.

fordert die Kommission auf, von Armut betroffene Menschen und die Organisationen der Zivilgesellschaft, die mit ihnen arbeiten, in die Vorbereitung und Weiterverfolgung der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut einzubeziehen; hält es zudem für wichtig, die Kommunen und Regionen einzubeziehen, die die operative Verantwortung für viele soziale Maßnahmen tragen;

Ehrgeizigere Ziele der EU

37.

fordert die Europäische Union auf, ihre Anstrengungen zur Armutsbekämpfung zu verstärken, um das im Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte festgelegte Ziel von 15 Millionen weniger Menschen in Armut bis 2030 zu übertreffen, das Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen zur Verringerung der extremen Armut für alle Menschen zu erreichen und den Anteil der Männer, Frauen und Kinder jeden Alters, die in Armut in all ihren Dimensionen leben, bis 2030 mindestens zu halbieren;

38.

plädiert dafür, dass das Armutsziel im neuen Aktionsplan 2025 zur europäischen Säule sozialer Rechte gestärkt wird und darin zusätzliche Ziele in Bezug auf Wohnraum, Obdachlosigkeit und hochwertige Arbeitsplätze festgelegt werden; ist der Auffassung, dass diese Ziele in Absprache mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften formuliert werden sollten, die häufig für Wohnungswesen und Arbeitsmarktmaßnahmen zuständig sind;

39.

unterstützt die Forderung des Europäischen Parlaments und der Erklärung von Lissabon, Obdachlosigkeit bis 2030 zu beseitigen;

40.

unterstreicht die Rolle der Wohlfahrtssysteme der Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung und Umsetzung der künftigen EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut und dringt darauf, dass ihre Finanzierung gesichert wird;

41.

fordert die Europäische Kommission erneut auf, konkrete Ziele für die Verringerung der Energiearmut bis 2030 und ihre Beseitigung bis 2050 vorzuschlagen (6);

42.

betont, dass der aktiven Inklusion in der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut Vorrang eingeräumt werden muss, indem der Zugang zu hochwertigen, gezielten Möglichkeiten für die allgemeine und berufliche Bildung und Beschäftigungschancen sowie die Ausübung politischer Rechte sichergestellt werden; unterstreicht, dass ein solcher Ansatz den Einzelnen, insbesondere den am stärksten Benachteiligten, die volle Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt ermöglicht und so nachhaltige Wege aus der Armut eröffnet;

43.

hebt hervor, wie wichtig ein gerechter Zugang zu sozialen Dienstleistungen, Gesundheitsversorgung und wirtschaftlichen Möglichkeiten für die Bekämpfung der Armut ist, und unterstreicht, dass der Erfolg der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut davon abhängen wird, ob es gelingt, den Sozialschutz und die Gesundheitssysteme zu stärken, die Mindesteinkommensregelungen zu verbessern und die Erwerbstätigenarmut zu bekämpfen;

44.

betont, dass der Zugang zu Kunst, Kultur, Sport und Freizeitaktivitäten für Menschen in Armut sichergestellt werden muss, weil er zur Schaffung inklusiver Bedingungen beiträgt, die es ihnen ermöglichen, ihr Potenzial zu entfalten und Wohlstand für sich selbst sowie für ihre Gemeinschaft zu schaffen;

45.

fordert weitere Anstrengungen im Hinblick auf die Annahme der Gleichbehandlungsrichtlinie von 2008;

46.

fordert die EU und alle ihre Mitgliedstaaten auf, der überarbeiteten Europäischen Sozialcharta des Europarats beizutreten und sie zu ratifizieren;

Besser koordiniertes Handeln der EU

47.

fordert, dass im Rahmen der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut die Abstimmung mit und zwischen der Europäischen Garantie für Kinder, der Europäischen Strategie für Pflege und Betreuung, den Empfehlungen des Rates zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, der Europäischen Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit, dem künftigen Europäischen Plan für erschwinglichen Wohnraum, dem überarbeiteten Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte und den Armutsbekämpfungszielen des Strategischen Rahmens für die Roma 2021-2030 sichergestellt wird, damit alle Initiativen zu dem Gesamtziel der Armutsbekämpfung beitragen, die sich die EU gesetzt hat. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Koordinierung auch auf der für die Umsetzung zuständigen Ebene erfolgt. Hier kommt den lokalen und regionalen Akteuren bei mehreren der genannten Initiativen eine Schlüsselrolle zu;

48.

schlägt vor, dass im Rahmen der Folgenabschätzung jeder EU-Politik ein „Armuts-Check“ anhand von Kriterien durchgeführt wird, die sich an der Europäische Säule sozialer Rechte orientieren;

49.

fordert die Kommission auf, die Armutsindikatoren lokal auf NUTS-3-Ebene aufzuschlüsseln, um stark von Armut betroffene Gebiete genau zu ermitteln, insbesondere im stadtnahen und ländlichen Raum, wo die Lage angespannt ist, und die politischen Maßnahmen und die Finanzierung an die lokalen Gegebenheiten anzupassen;

50.

empfiehlt, die Umsetzung und Überwachung der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut unter Verwendung der Methode der Garantie für Kinder und durch die Ernennung eines EU-Koordinators für die Bekämpfung der Armut innerhalb der Europäischen Kommission sicherzustellen;

51.

fordert die Mitgliedstaaten auf, in enger Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften von der Konzipierung bis zur Umsetzung nationale Aktionspläne auszuarbeiten und nationale Koordinatoren für die Umsetzung der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut zu ernennen;

52.

schlägt vor, dass sich die nationalen Armutsbekämpfungspläne auf Maßnahmen für gerechte Löhne (insbesondere für Frauen) und menschenwürdige Arbeit, die Entwicklung von Mindesteinkommensregelungen, individualisierte Sozialleistungen und eine hochwertige Grundversorgung konzentrieren (7);

53.

schlägt vor, auf der innerhalb des Rahmens für soziale Konvergenz geleisteten Arbeit aufzubauen, um dessen Einfluss auf das Europäische Semester durch strengere Ziele im sozialen Bereich und bezüglich der Verringerung der Armut in den länderspezifischen Empfehlungen zu stärken. In den länderspezifischen Empfehlungen sollten auch regionale Unterschiede in Bezug auf Armut berücksichtigt werden und sie sollten gegebenenfalls regionale Indikatoren umfassen;

54.

empfiehlt, einen EU-Aktionsplan für soziale Dienstleistungen auszuarbeiten;

55.

betont, dass die Hauptverantwortung für die Bekämpfung der Armut nach wie vor bei den Mitgliedstaaten liegt, von denen einige nationale Strategien zur Armutsbekämpfung beschlossen haben;

Lokale und regionale Gebietskörperschaften im Kampf gegen Armut

56.

weist jedoch darauf hin, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Bekämpfung der Armut an vorderster Front stehen, da sie grundlegende öffentliche Dienstleistungen erbringen, darunter in den Bereichen Sozialschutz, Kindeswohl, Menschen mit Behinderungen, erschwinglicher Wohnraum, Schaffung von Arbeitsplätzen und Unterstützung bei der Kinderbetreuung, sowie dafür sorgen, dass die EU-Strategien auf lokaler und regionaler Ebene umgesetzt werden;

57.

erinnert daran, dass das Subsidiaritätsprinzip wichtig ist, damit die EU-Politik vor Ort wirkt, und dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eng in die Gestaltung der Maßnahmen einbezogen werden müssen, die sie später umzusetzen haben;

58.

betont, dass die Gebietskörperschaften als Regierungsebenen mit der größten Bürgernähe die spezifischen Bedürfnisse des Einzelnen kennen und davon ausgehend auf den Menschen ausgerichtete Wege zur aktiven und individuellen Eingliederung entwickeln können (8);

59.

weist auf die regionalen Unterschiede bezüglich der Armut hin und betont, dass es gezielter Maßnahmen auf lokaler und regionaler Ebene bedarf, insbesondere in Regionen mit Entwicklungsrückstand und strukturschwachen Gebieten wie Bergregionen, Gebieten in äußerster Randlage und deindustrialisieren Gebieten, in denen das Armutsrisiko durch die begrenzte Infrastruktur und den begrenzten Zugang zu Dienstleistungen noch verschärft wird;

60.

betont, dass Armut eine Herausforderung für Städte, Vororte und ländliche Gebiete darstellt; ist besorgt darüber, dass abgelegene Gebiete und Gebiete in äußerster Randlage häufig noch stärker von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind;

61.

betont ferner, dass Bergregionen und weniger entwickelte Gebiete mit spezifischen strukturellen Nachteilen konfrontiert sind, darunter ihrer isolierten geografischen Lage, Bevölkerungsrückgang und eingeschränktem Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen; ist der Auffassung, dass die EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut gezielte Maßnahmen und Investitionen umfassen sollte, mit denen sichergestellt wird, dass die in diesen Gebieten lebenden Menschen nicht zurückgelassen werden;

62.

hebt hervor, dass der Erfolg der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut vom Einsatz der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften abhängt; ebenso maßgeblich ist deren Zugang zu langfristiger Finanzierung sowie zu anpassungsfähigen Instrumenten;

63.

betont, wie wichtig es ist, die Konzentration von Armut und die generationenübergreifende Übertragung von Ungleichheiten in bestimmten sozioökonomisch stark benachteiligten Gebieten zu vermeiden; empfiehlt integrierte Maßnahmen zur Stärkung der sozialen und territorialen Durchmischung, insbesondere durch Maßnahmen in den Bereichen Stadtplanung, Bildung, Wohnraum, Mobilität und Zugang zu Beschäftigung;

64.

empfiehlt den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, Armutsbekämpfungspläne und gezielte Maßnahmen für bestimmte Gruppen zu verabschieden, um die Armut und deren Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Vielfalt anzugehen;

65.

weist darauf hin, dass dies zusätzliche EU-Mittel für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie einen leichteren Zugang zu den Mitteln durch Abbau des Verwaltungsaufwands und mehr Flexibilität erfordern würde;

66.

betont deshalb, dass den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften angemessene Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, damit sie die EU-Ziele wirksam erreichen können, wobei dafür zu sorgen ist, dass sie über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, um Maßnahmen zur Armutsbekämpfung umsetzen, öffentliche Dienstleistungen zu erbringen und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, die zum allgemeinen Erfolg der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut beitragen;

67.

empfiehlt den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, bei öffentlichen Vergabeverfahren soziale Auflagen und andere Kriterien als den Preis anzuwenden;

68.

empfiehlt den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die Preise auf der Grundlage sozialer Kriterien zu differenzieren, um den Zugang aller zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen zu gewährleisten, die nicht kostenlos sind, wie z. B. Schulkantinen; fordert, dass diese differenzierte Preisgestaltung den unterschiedlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten jedes Einzelnen Rechnung trägt, sodass sowohl Familien mit den geringsten Einkommen Zugang haben als auch Familien mit den höchsten Einkommen einen höheren Beitrag leisten;

69.

fordert die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, einen regionalen Koordinator für die Armutsbekämpfung zu benennen;

70.

fordert die Europäische Kommission auf, eine Plattform (9) einzurichten, auf der die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften Informationen finden, Erfahrungen und bewährte Verfahren austauschen können und fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung ihrer lokalen Pläne zur Armutsbekämpfung erhalten;

71.

betont, dass die Maßnahmen nichtstaatlicher Organisationen, gemeinnütziger Sozialdienstleister und sozialwirtschaftlicher Unternehmen die lokalen öffentlichen Dienstleistungen sinnvoll ergänzen können und die Ermittlung innovativer Verfahren bei der Bereitstellung sozialer Unterstützung fördern;

72.

verpflichtet sich, den gezielten und kosteneffizienten Austausch mit im Bereich der Armutsbekämpfung tätigen Organisationen zu erleichtern, in erster Linie durch die Nutzung bestehender Foren und Veranstaltungen des AdR (einschließlich digitaler Formate), bei dem die besten lokalen und regionalen Maßnahmen mit nachgewiesenen Ergebnissen sichtbar gemacht werden, damit diese gegebenenfalls im Rahmen der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut ausgeweitet werden können, wo dies angemessen und evidenzbasiert ist;

Ressourcen für ein Leben in Würde

73.

verweist auf Grundsatz 14 der europäischen Säule sozialer Rechte, in dem es heißt: „Jede Person, die nicht über ausreichende Mittel verfügt, hat [...] Recht auf angemessene Mindesteinkommensleistungen, die ein würdevolles Leben ermöglichen“;

74.

erinnert daran, dass nationale Systeme zur Einkommenssicherung und die damit verbundenen Unterstützungsleistungen das letzte Mittel sind, um ein würdevolles Leben zu gewährleisten;

75.

erkennt an, dass ein erheblicher Teil der von Armut betroffenen Menschen vorübergehend oder dauerhaft nicht in der Lage ist, so viel zu arbeiten, dass sie davon leben können;

76.

stellt fest, dass in vielen Mitgliedstaaten mit gezielten Leistungen verhindert wird, dass Menschen in Armut geraten (10);

77.

stellt fest, dass Kindergeld häufig eine wesentliche Unterstützung für Familien mit niedrigem Einkommen darstellt und dass Einkommenstransfersysteme die Kinderarmut in den europäischen Ländern um durchschnittlich 42,4 % verringern (11);

78.

weist erneut darauf hin, dass angemessene Rechtsvorschriften erforderlich sind, um ein Mindesteinkommen zu gewährleisten, das mindestens über der Armutsschwelle liegt und mit der Inflation und den Lebenshaltungskosten Schritt hält (12). Konzipierung und Umsetzung sollten im Dialog mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften erfolgen und es sollten regionale Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden;

79.

verweist auf die Empfehlungen, die er in seiner Stellungnahme CDR-5495-2022 ausgesprochen hat:

Schaffung eines aktualisierten europäischen Benchmarking-Rahmens für Regelungen zu Mindesteinkommen;

Unterstützung einer jährlichen Überprüfung der Regelungen zu Mindesteinkommen auf Ebene der Mitgliedstaaten;

Sicherstellung, dass die Schwellenwerte für die Bedürftigkeitsprüfung so festgelegt werden, dass niemand, insbesondere nicht ältere Menschen, vom Mindesteinkommen ausgeschlossen werden;

Vorverlegung der Frist für die Umsetzung der Empfehlung des Rates für ein angemessenes Mindesteinkommen auf 2027;

80.

fordert die Kommission auf, eine Richtlinie über ein angemessenes Mindesteinkommen mit Mindeststandards bezüglich Abdeckung, Zugänglichkeit, insbesondere für junge Menschen, Angemessenheit und automatischen Anpassungen an die Lebenshaltungskosten zu erarbeiten;

81.

fordert die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, Systeme für die automatische Gewährung von Sozialhilfe einzuführen, die auf miteinander verknüpften Verwaltungsdaten beruhen. Dieses Prinzip der Solidarität an der Quelle würde es ermöglichen, das Problem der mangelnden Inanspruchnahme sozialer Rechte wirksam anzugehen und sicherzustellen, dass Menschen in prekären Verhältnissen die ihnen zustehende Unterstützung erhalten, ohne dass weitere Schritte unternommen werden;

Armut trotz Erwerbstätigkeit

82.

weist darauf hin, dass das Armutsrisiko im Falle von Arbeitslosigkeit drastisch zunimmt (66,3 %), es aber auch für Erwerbstätige (11,3 %) oder Selbstständige (23,6 %) und Kleinunternehmer ein Problem ist;

83.

betont, wie wichtig Kompetenzen und eine Ausbildung als Voraussetzungen für eine Beschäftigung sind; weist darauf hin, dass Ausbildungsprogramme und Programme für lebenslanges Lernen nach dem Eintritt in die Arbeitswelt für die Resilienz und erfolgreiche berufliche Übergänge von Arbeitnehmern von wesentlicher Bedeutung sind;

84.

fordert, dass im Rahmen der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut ein besserer Zugang zu Ausbildungsprogrammen am und außerhalb des Arbeitsplatzes sowohl für von Armut betroffene Menschen als auch zur Armutsprävention unterstützt wird;

85.

stellt fest, dass Arbeit Armut nicht verhindert, dass Armut trotz Erwerbstätigkeit zunimmt und eine beträchtliche Zahl von Arbeitnehmern in der EU (mindestens einer von zehn) von Armut betroffen ist;

86.

stellt fest, dass unfreiwillige Teilzeitarbeit und eine geringe Erwerbsintensität Ursachen für Armut trotz Erwerbstätigkeit sind. Dies ist häufig in Branchen der Fall, in denen Frauen und Wanderarbeitnehmer überrepräsentiert sind;

87.

erinnert daran, dass Erwerbstätige von Erwerbstätigenarmut bedroht sind, wenn ihr verfügbares jährliches Äquivalenzeinkommen weniger als 60 % des mittleren nationalen Haushaltseinkommens beträgt;

88.

weist erneut darauf hin, dass er lokale Arbeitsplatzgarantien und Initiativen für Langzeitarbeitslose unterstützt, und fordert die Kommission wie bereits in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2022 auf, für fünf Jahre einen Ad-hoc-Fonds „Europäische Beschäftigungsgarantie“ in Höhe von 750 Millionen EUR einzurichten, um die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen (13);

89.

unterstreicht, dass der Schwellenwert von 60 % des nationalen Medianeinkommens der Haushalte in der EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne als Bezugspunkt dient, und fordert die rasche und ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie in der gesamten EU;

90.

betont, dass die Regularisierung nicht angemeldeter Arbeitnehmer zur Verringerung von Armut trotz Erwerbstätigkeit beiträgt und die Regularisierung von Wanderarbeitnehmern das Wirtschaftswachstum fördern kann;

91.

erinnert an den Erfolg der Jugendgarantie bei der Unterstützung junger Menschen sowie Jugendlicher, die weder arbeiten noch eine Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren, beim Eintritt in den Arbeitsmarkt; plädiert für eine Ausweitung der Jugendgarantie;

92.

betont, dass die Mechanismen zur Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit gestärkt werden müssen, um Missbrauch zu verhindern, die Arbeitnehmerrechte zu schützen, unlauteren Wettbewerb zwischen Unternehmen zu bekämpfen und die Wirksamkeit der Regularisierungsmaßnahmen sicherzustellen;

93.

fordert die rasche Annahme der Praktikumsrichtlinie, um die Qualität von Praktika zu gewährleisten und Ausbeutung zu verbieten (14);

94.

fordert die rasche Umsetzung der Entgelttransparenz-Richtlinie und weitere Maßnahmen zur Beseitigung des geschlechtsspezifischen Lohn- und Rentengefälles; fordert weitere Investitionen in die frühkindliche Betreuung wie verfügbarere, erschwinglichere und zugänglichere Kinderbetreuungs- und Langzeitpflegeeinrichtungen sowie Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, um Alleinerziehenden den Zugang zu Beschäftigung zu erleichtern;

95.

fordert die vollständige Umsetzung der Empfehlung des Rates von 2019 zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige; plädiert für Empfehlungen des Rates zum universellen und freien Zugang zum Sozialschutz und zu grundlegenden Dienstleistungen in der EU. Hierbei müssen unbedingt auch regionale Unterschiede beim Zugang zu Sozialleistungen berücksichtigt werden. Außerdem müssen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften die Instrumente an die Hand gegeben werden, die sie benötigen, um den Bedürfnissen verschiedener Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden; fordert die Mitgliedstaaten sowie die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen für alle ohne Diskriminierung aufgrund des Alters, der ethnischen Herkunft oder der Aufenthaltsbedingungen sicherzustellen und zu verbessern;

96.

fordert, dass mit dem künftigen EU-Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze die Erwerbstätigenarmut, unfreiwillige oder ungewollte Teilzeitarbeit und prekäre Arbeitsverträge bekämpft und menschenwürdige Arbeitsbedingungen sichergestellt werden, und dass man sich auch weiterhin über gerechte Entlohnung aus der Armut befreien kann;

97.

fordert die Kommission auf, die Verringerung der Armut trotz Erwerbstätigkeit als Teilziel in den Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte aufzunehmen;

Kinderarmut

98.

begrüßt, dass alle Mitgliedstaaten ihre nationalen Aktionspläne für die Europäische Garantie für Kinder vorgelegt haben, und fordert deren vollständige Umsetzung;

99.

weist darauf hin, dass er nachdrücklich gefordert hat, ausreichende Mittel bereitzustellen, um die Europäische Garantie für Kinder zu unterstützen, und hebt die positiven Auswirkungen der finanziellen Unterstützung von Familien mit Kindern auf die Bekämpfung der Kinderarmut und das Durchbrechen des generationenübergreifenden Armutskreislaufs hervor;

100.

bekräftigt seine Empfehlungen aus den Stellungnahmen CDR-0219-2024 und CDR-2601-2021, wonach

alle Mitgliedstaaten mindestens 5 % ihrer ESF+-Mittel für gezielte Maßnahmen und Strukturreformen zur Bekämpfung der Kinderarmut bereitstellen sollten;

es sich hierbei um ein Minimum handelt und die Mitgliedstaaten ermutigt werden, zu diesem Zweck einen höheren Anteil des ESF+ einzusetzen;

der Finanzierungssatz zur Unterstützung der am stärksten benachteiligten Personen gemäß der geltenden ESF+-Verordnung 90 % betragen muss;

die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten eine angemessene Finanzausstattung der EU-Kinderrechtsstrategie sicherstellen sollten, damit ihre Umsetzung mit Mitteln sowohl aus EU-Fonds als auch aus den nationalen Haushalten ausreichend unterstützt wird;

101.

fordert eine Aufstockung der EU-Mittel für die Garantie für Kinder im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU und eine Erhöhung der Zweckbindung von 5 % im ESF+ nach 2027. Im Rahmen einer eventuellen Aufstockung sollte auch geprüft werden, wie der häufig für Kinderrechtsbelange zuständigen lokalen und regionalen Ebene eine klarere Rolle im Finanzierungsmodell eingeräumt werden kann;

Wohnraum

102.

begrüßt die angekündigte Verdoppelung der EU-Mittel zur Unterstützung von Wohnungsbauprojekten in der gesamten Union;

103.

fordert, dass im Europäischen Plan für erschwinglichen Wohnraum der Kommission die Obdachlosigkeit, und zwar sowohl die Wiederunterbringung als auch die Vorbeugung, angegangen und der Schwerpunkt auf Sozialwohnungen gelegt wird;

104.

fordert den Rat auf, die Initiative des belgischen Ratsvorsitzes zur Ausarbeitung einer Empfehlung des Rates zur Beseitigung von Obdachlosigkeit weiterzuverfolgen;

105.

fordert die Mitgliedstaaten auf, weiter in Sozialwohnungen zu investieren und den Zugang zu Wohnraum für alle und insbesondere für Alleinerziehende und bedürftige Familien sicherzustellen;

106.

plädiert dafür, dass in der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut die Obdachlosigkeit, auch in ihren geschlechtsspezifischen und intersektionellen Dimensionen, angegangen und zum Ziel der Beseitigung der Obdachlosigkeit bis 2030 beigetragen wird;

107.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften Strategien für den Zugang zu Wohnraum umsetzen müssen, die der Schutzbedürftigkeit von Alleinerziehenden, insbesondere alleinerziehenden Müttern, Rechnung tragen; empfiehlt, dieses Kriterium in die Systeme für die Zuweisung von Sozialwohnungen aufzunehmen, um Armut und soziale Ausgrenzung von Frauen und Kindern zu bekämpfen;

108.

fordert die Kommission auf, die Europäische Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit weiterzuentwickeln und zu stärken;

109.

erkennt den Grundsatz „Housing First“ als bewährte Praktik zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit an und hebt dessen Erfolg hervor (15);

110.

plädiert für die Umschichtung nicht gebundener Strukturfondsmittel der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit im Rahmen des derzeitigen mehrjährigen Finanzrahmens;

111.

weist darauf hin, dass die Verbesserung der Energieeffizienz eine der Hauptaufgaben der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ist (16). Die Strategie zur Bekämpfung der Armut sollte dies durch technische und finanzielle Unterstützung für lokale und regionale öffentliche Wohnungsunternehmen sowie für Geringverdiener fördern;

112.

fordert die Bereitstellung direkter finanzieller Unterstützung für die Renovierung von Wohnraum, um sicherzustellen, dass die Vorlaufkosten für die schutzbedürftigsten Haushalte kein Hindernis darstellen;

113.

fordert, dass soziale Schutzmaßnahmen in das EU-Emissionshandelssystem aufgenommen werden, um sicherzustellen, dass die Bepreisung von CO2-Emissionen keine unverhältnismäßigen Auswirkungen auf Haushalte mit niedrigem Einkommen hat, bzw. dass diese Auswirkungen durch den Klima-Sozialfonds ausgeglichen werden (17);

Nichtinanspruchnahme und Hindernisse beim Zugang zu Sozialleistungen und sozialen Dienstleistungen

114.

hebt das Problem hervor, dass bestehende Sozialleistungen und soziale Dienstleistungen nicht in Anspruch genommen werden, was sich als „Nichterhalt von Leistungen durch anspruchsberechtigte Personen“ definieren lässt;

115.

unterstreicht, dass durch die Nichtinanspruchnahme über ihre individuellen Folgen hinaus auch die Wirksamkeit des Sozialschutzes und die Effizienz öffentlicher Maßnahmen gefährdet wird;

116.

betont, dass sich die Organisation öffentlicher Dienste stark auf die Inanspruchnahme von Leistungen und Dienstleistungen auswirkt und Unstimmigkeiten und widersprüchliche Anforderungen verschiedener Dienste Menschen von der Inanspruchnahme ihnen zustehender Leistungen abhalten und sogar institutionelle Misshandlung nach sich ziehen können;

117.

fordert gezielte nationale, lokale und regionale Maßnahmen, um die Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen, Mindesteinkommensregelungen und sozialen Dienstleistungen anzugehen, wie z. B.:

Sicherstellung des Online- und Offline-Zugangs zu wesentlichen Diensten und Leistungen, damit die Digitalisierung nicht zu einem Hindernis wird; Investitionen in die Verbesserung der digitalen Kompetenz und des digitalen Zugangs;

Schaffung oder Ausweitung niedrigschwelliger sozialer Dienstleistungen, die die Einreichung von Anträgen auf verschiedene Sozialleistungen an einem einzigen Ort mit Unterstützung von Sozialberatern ermöglichen (18);

automatische Zahlung von Sozialleistungen auf der Grundlage der den öffentlichen Diensten zur Verfügung stehenden Daten (19); Förderung lokaler Kontaktzentren und Kooperationsmodelle zwischen der lokalen Ebene und den Sozialversicherungsträgern als Knotenpunkte für den Zugang zu Unterstützung;

118.

fordert die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, die Risiken bezüglich einer Überwachung und Diskriminierung von Menschen, die von Armut betroffen sind, bei der Entwicklung datengesteuerter sozialpolitischer Maßnahmen sorgfältig abzuwägen;

119.

fordert eine angemessene Finanzierung der Sozialschutzsysteme und einen Ansatz für soziale Investitionen, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, diese Finanzierung sowie Investitionen in den öffentlichen und sozialen Wohnungsbau vom Defizitverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts auszunehmen;

Gewährleistung, dass die Strategie gemessen an ihren Zielen über die notwendigen Mittel verfügt

120.

weist darauf hin, dass es bei der Bekämpfung der Armut um eine Investition geht, nicht um Kosten;

121.

empfiehlt, bei der Zuweisung von Mitteln aus dem Kohäsions- und dem Sozialfonds den Gebieten mit anhaltenden strukturellen Herausforderungen, einschließlich Bergregionen und dünn besiedelten Gebieten, Vorrang einzuräumen. In diesen Gebieten sind höhere territoriale Investitionen erforderlich, um gegen chronische Unterentwicklung vorzugehen und einen gleichberechtigten Zugang zu Chancen und Dienstleistungen zu gewährleisten;

122.

ermutigt die Kommission dazu, über den ESF+ hinaus Mittel aus ihren Klima-, Antidiskriminierungs-, Integrations- und Kohäsionsfonds zu mobilisieren und damit die Bekämpfung von Armut zu unterstützen;

123.

fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass ein erheblicher Teil dieser Mittel zweckgebunden und wirksam eingesetzt wird, um lokale Initiativen zur Armutsbekämpfung zu unterstützen, ähnlich der im Rahmen des ESF+ vorgesehenen Zweckbindung von 25 % für die soziale Inklusion;

124.

ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten, bei der Ausarbeitung und Annahme des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens der EU der Sicherstellung der Finanzierung der EU-Strategie zur Bekämpfung der Armut besondere Aufmerksamkeit zu widmen und ihre Ziele zu erreichen. Gleichzeitig sollten die Mittel für die Kohäsionspolitik aufgestockt werden;

125.

fordert, dass ein größerer Anteil der EU-Mittel für soziale Investitionen und kohäsionspolitische Maßnahmen bereitgestellt wird, mit denen die am stärksten ausgegrenzten und schutzbedürftigen Menschen in der EU unterstützt werden;

126.

fordert die Kommission auf, die Zweckbindung für erhebliche materielle Deprivation und flankierende Maßnahmen im Europäischen Sozialfonds+ von 3 % auf 10 % zu erhöhen;

127.

ermutigt die Mitgliedstaaten dazu, dem Schutz von öffentlichen Dienstleistungen, Sozialleistungen, Sozialausgaben und öffentlichen Investitionen Vorrang einzuräumen, um diejenigen, die am stärksten von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, vor den nachteiligen Folgen von Kürzungen zu schützen;

128.

fordert die Kommission auf, den Zugang zu EU-Mitteln, die für Armutsbekämpfung vorgesehen sind, an die Annahme sowohl nationaler als auch lokaler Armutsbekämpfungspläne zu knüpfen und dabei auf den derzeit geltenden grundlegenden Voraussetzungen für den ESF+ aufzubauen.

Brüssel, den 14. Oktober 2025

Die Präsidentin

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Kata TÜTTŐ


(1)  Nelson Mandela, Live-Aid-Konzert in Johannesburg, Südafrika, 2. Juli 2005.

(2)  CDR-5429-2022.

(3)  CDR-3141-2017.

(4)  So wie in Berchem-Sainte-Agathe (Belgien), Bericht über die Beseitigung der Kinderarmut.

(5)   Employment and social developments in Europe 2024.

(6)  CDR-5877-2018.

(7)  CDR-5495-2022.

(8)  CDR-5495-2022.

(9)  Analog zu EPOCH.

(10)  Hierbei kann es sich um Wohngeld (APL in Frankreich), Altersrenten (GRAPA in Belgien), Zuschüsse für Schulmahlzeiten (Finnland), Schulzulagen oder Zulagen für Studierende (Dänemark) handeln.

(11)   https://www.unicef.be/sites/default/files/2023-12/InnocentiReportCard_18_Embargoed.pdf.

(12)  COR166/2011.

(13)  CDR-5490-2022.

(14)  CDR-1795-2024, https://cor.europa.eu/de/our-work/opinions/cdr-1795-2024.

(15)  Verringerung der Obdachlosigkeit um 76 % zwischen 2008 und 2017 in Finnland; positive Ergebnisse auch in Brünn und Ostrava (Tschechische Republik).

(16)  CDR-5877-2018.

(17)  CDR-4801-2021.

(18)  Wie das Projekt „Von Treppe zu Treppe“ in Aarhus-Gellerup (Dänemark) oder die Maisons Départementales des Solidarités in Frankreich.

(19)  Wie z. B. der estnische E-Service für Familienleistungen.


ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2025/6322/oj

ISSN 1977-088X (electronic edition)


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