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Document 52023IE0859

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Überprüfung der Steuerpolitik zum Schutz einkommensschwacher Haushalte vor den negativen Auswirkungen des ökologischen Wandels“ (Initiativstellungnahme)

    EESC 2023/00859

    ABl. C 349 vom 29.9.2023, p. 1–6 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    29.9.2023   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 349/1


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Überprüfung der Steuerpolitik zum Schutz einkommensschwacher Haushalte vor den negativen Auswirkungen des ökologischen Wandels“

    (Initiativstellungnahme)

    (2023/C 349/01)

    Berichterstatter:

    Philip VON BROCKDORFF

    Beschluss des Plenums

    25.1.2023

    Rechtsgrundlage

    Artikel 52 Absatz 2 der Geschäftsordnung

     

    Initiativstellungnahme

    Zuständige Fachgruppe

    Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

    Annahme in der Fachgruppe

    27.6.2023

    Verabschiedung im Plenum

    12.7.2023

    Plenartagung Nr.

    580

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    195/7/10

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) weist darauf hin, dass die Auswirkungen des ökologischen Wandels in der EU nicht einheitlich sein werden. Sie werden sich vielmehr von Land zu Land sowie innerhalb der Mitgliedstaaten von Region zu Region stark voneinander unterscheiden. Die Mitgliedstaaten dürfen daher die sozialen Herausforderungen, die der Wandel mit sich bringt, nicht aus dem Auge verlieren, um die Legitimität des Übergangs zu stärken, die Stabilität aufrechtzuerhalten und populistische Widerstände abzuwehren.

    1.2.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Folgenabschätzungen der Kommission zu mehreren Rechtsakten im Zusammenhang mit dem ökologischen Wandel weitgehend auf die gesamte EU abzielen und oft nicht die nötige Tiefe eines länder- bzw. regionenspezifischen Ansatzes aufweisen, um die voraussichtlichen Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft und die lokalen Gemeinschaften aufzeigen zu können (eine Ausnahme bildet der Vorschlag für die Richtlinie zur Energiebesteuerung).

    1.3.

    Darüber hinaus sollte nach Ansicht des EWSA eine gezieltere Analyse aussagekräftige Daten zu den vom ökologischen Wandel betroffenen Haushalten liefern, auf deren Grundlage die Regierungen geeignetere Maßnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Veränderungen auf ärmere und schutzbedürftige Haushalte ergreifen können.

    1.4.

    Der EWSA weist darauf hin, dass der grüne Wandel in Bezug auf etwaige negative soziale und wirtschaftliche Folgen zwei Hauptrisiken birgt: i) zunehmende Einkommensunterschiede und ii) die Verlagerung von Industriezweigen und ein damit einhergehender Verlust von Arbeitsplätzen.

    1.5.

    Der EWSA betont daher, dass ein gerechter Übergang zur Klimaneutralität angestrebt werden muss, bei dem die Auswirkungen sowohl auf die Beschäftigung als auch auf die Einkommensverteilung berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang fordert der EWSA Maßnahmen zur Umverteilung finanzieller Mittel an einkommensschwache Haushalte und schutzbedürftige Gruppen. Ziel ist es, eine weitere Vertiefung der Einkommenskluft während des laufenden Prozesses zu vermeiden und damit die soziale Ausgrenzung weitgehend zu begrenzen.

    1.6.

    Nach Ansicht des EWSA müssen die Mitgliedstaaten, in deren Zuständigkeitsbereich ja die Besteuerung im Zusammenhang mit dem ökologischen Wandel fällt, fiskalpolitische Maßnahmen auf den Weg bringen, um den ökologischen Wandel nachhaltiger zu gestalten und die Auswirkungen auf die schwächsten Teile der Bevölkerung zu verringern.

    1.7.

    Daher sollte die Fiskalpolitik während des Übergangs drei Komponenten beinhalten: das Verursacherprinzip mit ergänzenden Umverteilungsmaßnahmen zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte, gezielte Einkommensbeihilfen und Steuergutschriften für energiesparende Haushaltsgeräte. Dieser Ansatz würde dazu beitragen, i) den Kauf von Elektrofahrzeugen zu fördern, ii) Anreize für die Einführung umweltfreundlicher Technologien in Privathaushalten zu schaffen und iii) die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern (auch die überarbeitete Energiebesteuerungsrichtlinie (1) zielt durchaus darauf ab, die Energieeffizienz zu verbessern und gleichzeitig schutzbedürftige Gruppen zu schützen). Für die einkommensschwächsten Haushalte, die möglicherweise nur eingeschränkt steuerpflichtig sind und damit nicht von Steuergutschriften profitieren können, empfiehlt sich vor allem eine Einkommensunterstützung.

    1.8.

    Der EWSA ist ferner der Ansicht, dass der Staat durch die Ausgabe von Gutscheinen für den Erwerb von und Investitionen in umweltfreundliche Technologien und Produkte dazu beitragen kann, schutzbedürftige Gruppen bei der Bewältigung des Wandels zu unterstützen.

    1.9.

    Die in den Niederlanden eingeführten Steuergutschriften für Privatpersonen, die Elektrofahrzeuge erwerben, sind ein gutes Beispiel für Anreize zum Kauf umweltfreundlicher Fahrzeuge. Gleichzeitig werden dadurch Verzerrungen aufgrund von Subventionen, von denen häufig die Verkäufer (auf Kosten der Verbraucher) profitieren, auf ein Minimum verringert (2).

    1.10.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Erfahrungen von Mitgliedstaaten wie Deutschland, Frankreich und Italien, die niedrigere Mehrwertsteuersätze für energieeffiziente Produkte und Technologien sowie für Sanierungen zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden eingeführt haben, untersucht werden könnten. Die Mehrwertsteuer ist jedoch per definitionem nicht progressiv. Zur Ausrichtung eines solchen Ansatzes auf einkommensschwache Haushalte können flankierende Maßnahmen wie Pauschalzuschüsse nötig sein, um die Akzeptanz derartiger Produkte in diesen Haushalten zu fördern. Darüber hinaus weist der EWSA darauf hin, dass Energiegemeinschaften (Richtlinie (EU) 2019/944 (3)) und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (Richtlinie (EU) 2018/2001 (4)) zu wichtigen Instrumenten werden können, um Bürgerinnen und Bürgern sowie schutzbedürftigen Gruppen bei der Bewältigung des ökologischen Wandels zu helfen.

    1.11.

    Der EWSA unterstreicht die strategische Bedeutung des Fonds für einen gerechten Übergang (JTF). Dieses Finanzinstrument sollte darauf abzielen, die sozioökonomischen Auswirkungen des Wandels auf die derzeit stark von fossilen Brennstoffen oder treibhausgasintensiven Tätigkeiten abhängigen Volkswirtschaften der EU abzumildern, und vor allem dafür sorgen, dass der Übergang für die von den derzeitigen Veränderungen betroffenen Arbeitnehmer und Haushalte möglichst reibungslos verläuft.

    1.12.

    Wie der EWSA bereits in früheren Stellungnahmen dargelegt hat, wird der Fonds für einen gerechten Übergang, selbst wenn er strategisch ausgerichtet ist, möglicherweise nicht ausreichen, um den anhaltenden wirtschaftlichen Wandel zu unterstützen. Daher sollte er durch einen angemessen ausgestatteten Klima-Sozialfonds (SCF) ergänzt werden.

    2.   Einleitung und Hintergrund

    2.1.

    Der Übergang zu einer grünen Wirtschaft stellt die EU und künftige Generationen vor enorme Herausforderungen, insbesondere da der anhaltende Krieg in der Ukraine zu wirtschaftlicher Unsicherheit führt, vor allem mit Blick auf den Energiesektor. Der EWSA ist der Auffassung, dass für einen erfolgreichen Wandel ein gesellschaftlicher Konsens erforderlich ist, der nur erreicht werden kann, wenn Unterstützungsmaßnahmen in der gesamten EU wirksam umgesetzt werden und populistische Widerstände abgewehrt werden.

    2.2.

    Der EWSA erinnert daran, dass die EU mit dem Grünen Deal ihr bis 2030 zu erreichendes Reduktionsziel für Treibhausgasemissionen von 40 % auf mindestens 55 % gegenüber dem Niveau von 1990 angehoben hat und gleichzeitig bis 2050 klimaneutral werden will.

    2.3.

    Das Paket „Fit für 55“ enthält eine Reihe politischer Vorschläge zur Erreichung des Ziels für 2030, zu denen auch der EWSA einen Beitrag leisten möchte. Er spricht sich für einen grünen Wandel aus, der einerseits von allen beteiligten Interessenträgern umfassend verstanden und mitgetragen wird und andererseits den Haushalten und schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen nicht übermäßig schadet.

    2.4.

    Der EWSA geht davon aus, dass der ökologische Wandel erhebliche und lang erwartete Vorteile für die gesamte EU mit sich bringen wird, und konzentriert sich daher in der vorliegenden Stellungnahme auf die negativen Folgen des grünen Wandels, mit denen wahrscheinlich kurzfristig zu rechnen ist. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der sozialen Ausgrenzung und Einkommensungleichheiten und der Forderung nach einem gerechten Übergang, der auch einkommensschwachen Haushalten und schutzbedürftigen Gruppen gerecht wird.

    3.   Allgemeine und besondere Bemerkungen

    3.1.

    Der EWSA weist darauf hin, dass die Auswirkungen des ökologischen Wandels in der EU nicht einheitlich sein werden. Im Gegenteil: Sie werden sich von Land zu Land und selbst innerhalb der Mitgliedstaaten zwischen den verschiedenen Regionen und Gebieten aufgrund verschiedener wirtschaftlicher und sozialer Faktoren stark voneinander unterscheiden.

    3.2.

    Regionen mit einer hohen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen sind und bleiben besonders anfällig für die Auswirkungen des Wandels und werden möglicherweise Arbeitsplatzverluste hinnehmen müssen. Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip müssen daher die Maßnahmen zur Förderung des sozialen Zusammenhalts je nach den Gegebenheiten vor Ort in den einzelnen Mitgliedstaaten und sogar Regionen sehr unterschiedlich gestaltet werden. Der EWSA erkennt jedoch an, dass in der überarbeiteten Energiebesteuerungsrichtlinie ein Übergangszeitraum vorgesehen ist und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt wird, finanziell schwächere Haushalte nach Einführung der überarbeiteten Steuer bis zu zehn Jahre lang von der Heizsteuer zu befreien.

    3.3.

    Unter methodischen Gesichtspunkten ist der EWSA der Ansicht, dass die bislang von der Kommission durchgeführten Folgenabschätzungen hauptsächlich auf die gesamte EU ausgerichtet sind. Sie weisen daher nicht die Tiefe auf, die für einen länder- und regionenspezifischen Ansatz, der auf die wahrscheinlichen Auswirkungen des Wandels auf die lokale Wirtschaft und die lokalen Gemeinschaften abhebt, erforderlich wäre. In dieser Hinsicht stellt der Vorschlag für die Energiebesteuerungsrichtlinie jedoch eine Ausnahme dar, da ihm eine gezielte Mikroanalyse vorausging, wie sie bei der Umsetzung des Grünen Deals häufiger durchgeführt werden sollte.

    3.4.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass durch eine gezieltere Analyse unter umfassender Berücksichtigung lokaler Besonderheiten wertvolle Informationen insbesondere über die vom ökologischen Wandel betroffenen Haushalte gewonnen werden könnten. Sie würden es den Regierungen ermöglichen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen des Wandels auf ärmere Haushalte und schutzbedürftige Gruppen, die am stärksten betroffen sein werden, abzumildern.

    3.5.

    Der EWSA ist der Ansicht, dass der grüne Wandel in Bezug auf etwaige negative soziale und wirtschaftliche Folgen zwei Hauptrisiken birgt: i) zunehmende Einkommensunterschiede und ii) die Verlagerung von Industriezweigen und damit einhergehender Verlust von Arbeitsplätzen.

    3.6.

    Der EWSA weist darauf hin, dass der Übergang zu einer klimaresistenten und CO2-armen Wirtschaft für einkommensschwache Haushalte und Gemeinschaften eine besondere Herausforderung darstellt, insbesondere in Regionen, die in ihrer Entwicklung hinter den städtischen Gebieten zurückliegen. Im Hinblick auf diese Bedenken muss der Übergang daher unbedingt durch eine Reihe von steuerlichen Maßnahmen, einschließlich finanzieller Unterstützung, flankiert werden.

    3.7.

    Auf die schwächsten Teile der Bevölkerung könnten nach Ansicht des EWSA zusätzliche durch den Wandel verursachte Belastungen zukommen, insbesondere aufgrund der Rohstoffpreise, die während des Übergangs erheblich steigen könnten. Durch die Einpreisung der höheren CO2-Kosten könnten die Energie- und Kraftstoffpreise in die Höhe getrieben werden, worunter insbesondere diejenigen zu leiden hätten, die sich höhere Preise am wenigsten leisten können. Derartige Auswirkungen sind im derzeitigen makroökonomischen Kontext besonders besorgniserregend, da zu Beginn dieses Jahres die Inflationsraten in mehreren Mitgliedstaaten sehr hoch waren (5).

    3.8.

    Der EWSA betont daher, dass ein gerechter Übergang zur Klimaneutralität angestrebt werden muss, bei dem die Auswirkungen sowohl auf die Beschäftigung als auch die Einkommensverteilung berücksichtigt werden. Ein solcher Ansatz sollte als integraler Bestandteil des Rahmens für den ökologischen Wandel und nicht nur als zusätzliche Korrekturmaßnahmen betrachtet werden.

    3.9.

    Nach Ansicht des EWSA sind Umverteilungsmaßnahmen erforderlich, um Finanzmittel zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte und schutzbedürftiger Gruppen einzusetzen und damit soziale Ausgrenzung und die Vertiefung der Einkommenskluft zu verhindern. Zu solchen Maßnahmen gehören beispielsweise Umweltsteuern auf der Grundlage des Verursacherprinzips, wobei für Einkommen oberhalb eines festgelegten Schwellenwerts höhere Preise für CO2-intensive Energie gelten sollten.

    3.10.

    Da die Besteuerung im Zusammenhang mit dem ökologischen Wandel gemäß dem Subsidiaritätsprinzip in die nationale Zuständigkeit fällt, müssen die Mitgliedstaaten nach Ansicht des EWSA fiskalpolitische Maßnahmen auf den Weg bringen, um den ökologischen Wandel nachhaltiger zu gestalten und die Auswirkungen auf schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen zu verringern. Auf diese Weise können womöglich regressive Effekte vermieden werden, die häufig mit Umweltsteuern einhergehen.

    3.11.

    Nach Ansicht des EWSA sollte die Fiskalpolitik während des Übergangs drei Komponenten beinhalten: das Verursacherprinzip mit ergänzenden Umverteilungsmaßnahmen zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte, gezielte Einkommensunterstützung und Steuergutschriften für energiesparende Haushaltsgeräte. Dieser Ansatz würde dazu beitragen, i) den Kauf von Elektrofahrzeugen zu fördern, ii) Anreize für die Einführung umweltfreundlicher Technologien in Privathaushalten zu schaffen und iii) die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern. Der EWSA erkennt jedoch an, dass auch die überarbeitete Energiebesteuerungsrichtlinie darauf abzielt, die Energieeffizienz zu verbessern und gleichzeitig vulnerable Bevölkerungsgruppen zu schützen. Für die einkommensschwächsten Haushalte, die möglicherweise nur eingeschränkt steuerpflichtig sind und damit nicht von Steuergutschriften profitieren können, empfiehlt sich vor allem eine Einkommensunterstützung.

    3.12.

    Der EWSA ist ferner der Ansicht, dass der Staat durch die Ausgabe von Gutscheinen für Investitionen in grüne Technologien und für den Erwerb umweltfreundlicher Produkte dazu beitragen könnte, schutzbedürftige Gruppen bei der Bewältigung des Wandels zu unterstützen.

    3.13.

    Die in den Niederlanden eingeführten Steuermaßnahmen für Privatpersonen, die Elektrofahrzeuge erwerben, sind ein gutes Beispiel für Anreize zum Kauf umweltfreundlicher Fahrzeuge der neuen Generation, wodurch mögliche Verzerrungen infolge ungezielterer Subventionen abgebaut werden. Der Ansatz der Steuerbegünstigung für Elektrofahrzeuge in den Niederlanden erstreckt sich auch auf Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern, wodurch der günstige Rechtsrahmen abgerundet wird. In diesem Zusammenhang könnten einkommensschwache Haushalte, die beim Übergang zu grünen Technologien voraussichtlich die meisten Probleme haben werden, mit Steuergutschriften entlastet werden.

    3.14.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Erfahrungen von Mitgliedstaaten wie Deutschland, Frankreich und Italien, die niedrigere Mehrwertsteuersätze für energieeffiziente Produkte und Technologien sowie für Sanierungen zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden eingeführt haben, untersucht und weiterentwickelt werden könnten. Die Mehrwertsteuer ist jedoch per definitionem nicht progressiv. Zur Ausrichtung eines solchen Ansatzes auf einkommensschwache Haushalte können daher flankierende Maßnahmen wie Pauschalzahlungen nötig sein, um die Akzeptanz derartiger Produkte in diesen Haushalten zu fördern.

    3.15.

    Der EWSA unterstreicht die Bedeutung des Fonds für einen gerechten Übergang, dessen Rolle nicht unterschätzt werden sollte. Dieses Finanzinstrument sollte darauf abzielen, die sozioökonomischen Auswirkungen des Wandels auf die derzeit stark von fossilen Brennstoffen oder treibhausgasintensiven Industrietätigkeiten abhängigen Volkswirtschaften der EU abzumildern, und vor allem dafür sorgen, dass der Übergang für die von den derzeitigen Veränderungen betroffenen Arbeitnehmer und Haushalte erleichtert wird.

    3.16.

    Der EWSA hat bereits in seiner früheren Stellungnahme zur „Darlehensfazilität für den öffentlichen Sektor und zur Änderung des Fonds für einen gerechten Übergang“ (6) dargelegt, dass der Fonds für einen gerechten Übergang zwar wichtig ist, aber mit Blick auf seine Mittelausstattung und seinen Anwendungsbereich möglicherweise nicht ausreichen wird, um den laufenden wirtschaftlichen Wandel zu unterstützen. Der Fonds sollte daher durch einen angemessen ausgestatteten Klima-Sozialfonds ergänzt werden, wie der EWSA bereits früher in seiner Stellungnahme „Finanzierung des Klimaanpassungsfonds durch Kohäsionsmittel und NextGenerationEU“ (7) vorgeschlagen hat.

    3.17.

    Der EWSA weist darauf hin, dass das Ziel eines solchen zusätzlichen Fonds darin bestehen sollte, einkommensschwache und schutzbedürftige Gruppen vor den negativen Auswirkungen des Übergangs zu schützen. Der Klima-Sozialfonds sollte allerdings mit dem Austausch bewährter Verfahren einhergehen, um eine Vertiefung der Einkommensunterschiede zu vermeiden. Gleichzeitig gibt der EWSA zu bedenken, dass der Klima-Sozialfonds mit seiner derzeitigen organisatorischen und finanziellen Ausstattung (ganz zu schweigen von der um ein Jahr verschobenen Einführung) nicht ausreichen wird, um die schwächsten Teile der Bevölkerung wirksam zu unterstützen. Das wurde bereits von mehreren Interessenträgern hervorgehoben. So könnten sich beispielsweise die Umstellung vom herkömmlichen Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge für einkommensschwache und schutzbedürftige Haushalte ohne steuerliche Anreize oder finanzielle Unterstützung als zu teuer und damit als zu schwierig erweisen (8).

    3.18.

    Der EWSA schlägt den zuständigen Behörden auf europäischer und lokaler Ebene daher vor, angemessene finanzpolitische Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die negativen Folgen des Übergangs abzufedern. Dabei dürfen allerdings die für den Wandel erforderlichen Anreize für Veränderungen in Bezug auf grüne Investitionen und einen umweltbewussten Verbrauch nicht untergraben werden. Wichtig ist, dass solche Mechanismen mit Maßnahmen einhergehen, die eine inklusive Governance und die aktive Beteiligung derjenigen gewährleisten, die am stärksten vom ökologischen Wandel betroffen sind. Der EWSA erkennt jedoch an, dass in der überarbeiteten Energiebesteuerungsrichtlinie Übergangsfristen für die Besteuerung ausgewählter Produkte oder Investitionen zur Senkung des Energieverbrauchs vorgesehen sind.

    3.19.

    Der EWSA erinnert alle am ökologischen Wandel beteiligten Institutionen an die Bedeutung des sozialen Dialogs und an den Nutzen der Einbeziehung der Zivilgesellschaft auf europäischer, nationaler, branchenspezifischer und regionaler Ebene. Der soziale Dialog spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den grünen Wandel zu bewältigen und zu erleichtern, eine breite Einbeziehung aller Interessenträger sicherzustellen und gleichzeitig gefährdete Gruppen zu schützen und das Beschäftigungsniveau in der gesamten EU aufrechtzuerhalten.

    3.20.

    Der EWSA weist darauf hin, dass es in mehreren europäischen Ländern bereits eine progressive Besteuerung, gezielte Sozialleistungssysteme und geeignete Mechanismen für den sozialen Dialog gibt, sodass die Annahme und weitere Stärkung derartiger Maßnahmen auf bewährten Verfahren aufbauen und sich als sehr nützlich erweisen könnte, um eine weitere Verschärfung von Ungleichheiten und sozialer Ausgrenzung zu verhindern.

    3.21.

    Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass die Klimaschutzpolitik in das Bewusstsein der Menschen in Europa eindringen und auf eine breite politische und gesellschaftliche Akzeptanz stoßen muss, damit der grüne Wandel Fahrt aufnimmt und bessere Ergebnisse zeitigt. Werden die einkommensschwachen Haushalte jedoch unverhältnismäßig stark belastet und mit negativen Auswirkungen konfrontiert, besteht die Gefahr, dass der grüne Wandel sowohl an Legitimität als auch an Stärke einbüßt.

    3.22.

    In diesem Zusammenhang betont der EWSA, dass die Regierungen in Abstimmung mit der Zivilgesellschaft versuchen sollten, die Auswirkungen des ökologischen Wandels auf die Beschäftigung in den am stärksten betroffenen Gebieten der EU zu verringern. Dazu gehören auch gezielte und innovative arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, einschließlich Schulungs- und Bildungsprogrammen für Arbeitnehmer in CO2-intensiven Branchen.

    3.23.

    Der EWSA weist auf die Gefahr hin, dass die regionalen Unterschiede zwischen den weiter fortgeschrittenen Volkswirtschaften der EU und den Volkswirtschaften, die nach wie vor stark von CO2-intensiven Industriezweigen abhängig sind, aufgrund des ökologischen Wandels zunehmen könnten. Ebenso könnte es zu einer Verschärfung des Gefälles und der Wettbewerbsunterschiede zwischen verschiedenen Ländern und zwischen städtischen Gebieten auf der einen und peripheren, ländlichen und abgelegenen Gebieten auf der anderen Seite kommen.

    3.24.

    Voraussetzung für den grünen Wandel ist nach Ansicht des EWSA die Verwirklichung der Klimaziele des europäischen Grünen Deals und gleichzeitig die Einhaltung der Agenda für soziale Gerechtigkeit der europäischen Säule sozialer Rechte. Der ökologische Wandel erfordert einen Strukturwandel (der zu Veränderungen sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf sozialer Ebene führen dürfte). Er kann nur gelingen, wenn er mit sozialen Maßnahmen, einschließlich sozialer Investitionen, einhergeht, die darauf abzielen, die Klimaneutralität zu fördern und dafür zu sorgen, dass durch den Übergang dynamische und wettbewerbsfähige europäische Unternehmen begünstigt werden, die beispielsweise in der Lage sind, grüne Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum zu schaffen.

    3.25.

    Der EWSA betont daher die Bedeutung einer verstärkten Zusammenarbeit in der gesamten EU, die auf der Grundlage eines wirksamen politischen und sozialen Dialogs ausgebaut werden sollte, um die wirtschafts- und sozialpolitischen Begleitmaßnahmen zur Unterstützung des laufenden Übergangs zu konzipieren und diesen an die unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in den betroffenen Gemeinschaften anzupassen.

    3.26.

    Ein solcher kooperativer Ansatz sollte auch in Bezug auf europäische Länder, die nicht Mitglied der EU sind, verfolgt werden, um zu verhindern, dass Unternehmen und Arbeitsplätze in Länder verlagert werden, die nicht wie die EU eine umweltfreundliche und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung anstreben. Dies könnte sich sowohl auf den Binnenmarkt als auch auf den ökologischen Wandel selbst negativ auswirken, sei es in Form einer geringeren Wirksamkeit oder verstärkter negativer Auswirkungen auf die schwächsten Teile der Bevölkerung.

    3.27.

    Der EWSA fordert außerdem weitere Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung und zur Verhinderung des Missbrauchs öffentlicher Mittel. Dadurch würden zusätzliche Mittel verfügbar, die zur Finanzierung der Umverteilungsmaßnahmen zur Unterstützung des Übergangs eingesetzt werden können.

    3.28.

    Schließlich weist der EWSA darauf hin, dass Energiegemeinschaften (Richtlinie (EU) 2019/944) und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (Richtlinie (EU) 2018/2001) zu einem wichtigen Instrument werden können, um Bürgerinnen und Bürgern sowie schutzbedürftigen Gruppen bei der Bewältigung des ökologischen Wandels zu helfen. Solche Gemeinschaften können jede Rechtsform haben (Vereine, Genossenschaften, Partnerschaften, gemeinnützige Organisationen oder kleine/mittlere Unternehmen), wodurch sich Bürger und andere Marktteilnehmer leichter zusammenschließen und gemeinsam in Energieanlagen investieren können. Dies könnte zu einem dekarbonisierten und flexibleren Energiesystem beitragen, da die Energiegemeinschaften den Bürgern gleichberechtigten Zugang zu allen geeigneten Energiemärkten ermöglichen, wodurch ihre Energiekosten gesenkt oder sogar potenzielle Einnahmen erzielt werden können.

    Brüssel, den 12. Juli 2023

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Oliver RÖPKE


    (1)  Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283 vom 31.10.2003, S. 51).

    (2)  Die Niederlande bieten Anreize für den Erwerb umweltfreundlicher Fahrzeuge. Einem Bericht der Climate Group zufolge stehen Zuschüsse von bis zu 4 000 EUR für den Kauf oder das Leasing neuer batteriebetriebener Elektroautos und 5 000 EUR für leichte Nutzfahrzeuge zur Verfügung. Es gibt auch wettbewerbsorientierte steuerliche Anreize wie eine niedrige Kraftfahrzeugsteuer sowie Befreiung von der Steuer auf den Erwerb von Personenkraftwagen und Krafträdern (BPM) und von der Besteuerung der privaten Nutzung von Firmenwagen. Siehe Netherlands: Taking action on zero emission vehicles [Die Niederlande: Maßnahmen zur Förderung emissionsfreier Fahrzeuge].

    (3)  Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU (ABl. L 158 vom 14.6.2019, S. 125).

    (4)  Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82).

    (5)  Die Inflationsrate ist in den letzten Wochen gesunken.

    (6)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Darlehensfazilität für den öffentlichen Sektor im Rahmen des Mechanismus für einen gerechten Übergang“ (COM(2020) 453 final — 2020/0100 (COD)) und zum „Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Fonds für einen gerechten Übergang“ (COM(2020) 460 final — 2020/0006 (COD)) (ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 240).

    (7)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Finanzierung des Klimaanpassungsfonds durch Kohäsionsmittel und NextGenerationEU“ (Initiativstellungnahme) (ABl. C 486 vom 21.12.2022, S. 23).

    (8)  Joanna Gill, Can Europe’s New Social Climate Fund protect poor from rising carbon cost?, Reuters, Dezember 2022.


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