EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 19.5.2022
COM(2022) 234 final
MITTEILUNG DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
EU-Justizbarometer 2022
1.
Einleitung
Für die Anwendung und Durchsetzung des EU-Rechts sowie für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und anderer Werte, auf die sich die EU gründet und die allen Mitgliedstaaten gemein sind, sind leistungsfähige Justizsysteme unabdingbar. Bei der Anwendung des EU-Rechts fungieren die nationalen Gerichte als Gerichte der EU. Es sind in erster Linie die nationalen Gerichte, die sicherstellen, dass die Rechte und Pflichten aus dem EU-Recht wirksam durchgesetzt werden (Artikel 19 des Vertrags über die Europäische Union (EUV)).
Darüber hinaus sind leistungsfähige Justizsysteme auch für das gegenseitige Vertrauen, die Verbesserung des Investitionsklimas und ein nachhaltiges langfristiges Wachstum grundlegend. Aus diesem Grund ist die Verbesserung der Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der nationalen Justizsysteme auch weiterhin eine der Prioritäten des Europäischen Semesters – des jährlichen Zyklus der wirtschaftspolitischen Koordinierung in der EU. Im Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum 2022(), in dem die wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Prioritäten der EU dargelegt sind, wird die Beziehung zwischen leistungsfähigen Justizsystemen und dem Unternehmensumfeld in den Mitgliedstaaten bekräftigt. Gut funktionierende und gänzlich unabhängige Justizsysteme können sich positiv auf das Investitionsklima auswirken, sind wesentlich für den Investitionsschutz und tragen somit zu Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit bei. Sie sind auch wichtig, um eine wirksame grenzüberschreitende Durchsetzung von Verträgen und Verwaltungsentscheidungen sowie die Beilegung von Streitigkeiten zu gewährleisten, die für das Funktionieren des Binnenmarkts unerlässlich sind.(
)
In diesem Zusammenhang bietet das EU-Justizbarometer einen jährlichen Überblick über die Indikatoren, deren Schwerpunkt auf den wesentlichen Parametern leistungsfähiger Justizsysteme liegt:
·Effizienz,
·Qualität,
·Unabhängigkeit.
Im Justizbarometer 2022 werden die Indikatoren für alle drei Aspekte weiterentwickelt, einschließlich des Zugangs zur Justiz für Menschen mit Behinderungen und erneut der Digitalisierung der Justiz, die eine wichtige Rolle dabei gespielt hat, die Funktionsfähigkeit der Gerichte während der COVID-19-Pandemie aufrechtzuerhalten und ganz allgemein effiziente und zugängliche Justizsysteme zu fördern.(
) In der vorliegenden Ausgabe wird bei allen drei Aspekten verstärkt die Unternehmensdimension berücksichtigt, indem neue Daten zur Effizienz der Verwaltung, zu rechtlichen Garantien im Zusammenhang mit Verwaltungsentscheidungen und zum Vertrauen in den Investitionsschutz einbezogen werden. Darüber hinaus werden im Justizbarometer 2022 erstmals die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Effizienz der Justizsysteme dargestellt.
Der Europäische Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit –
Wie in den politischen Leitlinien von Präsidentin von der Leyen angekündigt, hat die Kommission einen umfassenden europäischen Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit eingerichtet, um die Lage in den Mitgliedstaaten besser überwachen zu können. Der Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit dient als präventives Instrument, mit dem der Dialog vertieft und ein gemeinsames Bewusstsein für Fragen der Rechtsstaatlichkeit geschaffen wird. Im Mittelpunkt des neuen Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit steht der jährliche Bericht über die Rechtsstaatlichkeit, in dem die wesentlichen – positiven und negativen – Entwicklungen in allen Mitgliedstaaten und der Union insgesamt zusammengefasst werden. Der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021 wurde am 20. Juli 2021 veröffentlicht und stützte sich auf eine Vielzahl von Quellen, einschließlich des EU-Justizbarometers.() Darüber hinaus wird der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022, wie Präsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union 2021 angekündigt hat, Empfehlungen an die Mitgliedstaaten enthalten. Das EU-Justizbarometer 2022 wurde auch weiterentwickelt, um dem Bedarf an zusätzlichen vergleichenden Informationen Rechnung zu tragen, die bei der Ausarbeitung des Berichts über die Rechtsstaatlichkeit 2021 im Hinblick darauf ermittelt wurden, künftige Berichte über die Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen.
Was ist das EU-Justizbarometer?
Das EU-Justizbarometer ist ein jährliches vergleichendes Informationsinstrument. Zweck des EU-Justizbarometers ist es, die EU und ihre Mitgliedstaaten durch die Bereitstellung objektiver, zuverlässiger und vergleichbarer Daten über verschiedene Indikatoren, die für die Bewertung der i) Effizienz, ii) Qualität und iii) Unabhängigkeit der Justizsysteme in allen Mitgliedstaaten von Belang sind, bei der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der nationalen Justizsysteme zu unterstützen. Erstellt wird nicht eine Art Rangliste, sondern – auf der Grundlage von Indikatoren, die für alle Mitgliedstaaten von gemeinsamem Interesse und relevant sind – ein Überblick über alle Justizsysteme der Mitgliedstaaten.
Das Justizbarometer fördert nicht ein bestimmtes Justizsystem. Alle Mitgliedstaaten sind gleichberechtigt.
Unabhängig vom Modell des nationalen Justizsystems oder der Rechtstradition, auf der dieses System basiert, gehören Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit zu den wesentlichen Parametern einer leistungsfähigen Justiz. Die Zahlen zu diesen drei Parametern sollten zusammen betrachtet werden, da die drei Parameter oft auch miteinander verbunden sind (Initiativen zur Verbesserung des einen können auch Einfluss auf einen anderen haben).
Das Justizbarometer zeigt hauptsächlich Indikatoren für Zivil-, Handels- und Verwaltungssachen sowie – vorbehaltlich der Verfügbarkeit von Daten – bestimmte Strafsachen auf (d. h. Geldwäschefälle an erstinstanzlichen Gerichten), um die Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen um ein effizienteres investitions-, unternehmens- und bürgerfreundlicheres Umfeld zu unterstützen. Das Justizbarometer ist ein vergleichendes Instrument, das im Rahmen eines Dialogs mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament weiterentwickelt wird.(
) Ziel ist, die wesentlichen Parameter eines leistungsfähigen Justizsystems zu ermitteln und einschlägige jährliche Daten bereitzustellen.
Auf welcher Methodik beruht das EU-Justizbarometer?
Bei der Erstellung des Justizbarometers wird eine Reihe von Informationsquellen genutzt. Einen Großteil des Zahlenmaterials liefert die Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz des Europarats (Council of Europe Commission for the Evaluation Efficiency of Justice – CEPEJ), mit der die Europäische Kommission einen Vertrag über die Durchführung einer jährlichen Studie geschlossen hat. Die verwendeten Daten umfassen die Jahre 2012 bis 2020 und wurden von den Mitgliedstaaten im Einklang mit der CEPEJ-Methodik bereitgestellt. Die Studie enthält auch ausführliche Kommentare sowie länderspezifische Informationsblätter mit Hintergrundinformationen. Diese sollten neben dem Zahlenmaterial herangezogen werden.(
)
Die von der CEPEJ erhobenen Daten zur Verfahrensdauer zeigen die „Dispositionszeit“, eine auf der Grundlage des Verhältnisses zwischen anhängigen und abgeschlossenen Rechtssachen berechnete Dauer von Gerichtsverfahren. Die Daten zur Effizienz der Gerichte und Verwaltungsbehörden bei der Anwendung von EU-Recht in bestimmten Bereichen zeigen die durchschnittliche Verfahrensdauer, die von der tatsächlichen Länge der Gerichtsverfahren abgeleitet ist. Dabei ist zu beachten, dass die Dauer von Gerichtsverfahren innerhalb eines Mitgliedstaats regional erheblich schwanken kann. Dies gilt insbesondere für städtische Ballungsräume, in denen Handelstätigkeiten zu höheren Fallzahlen führen können.
Weitere Datenquellen für den Zeitraum 2012 bis 2021 sind: die Gruppe der Ansprechpartner für die nationalen Justizsysteme(
), das Europäische Netz der Räte für das Justizwesen (ENCJ)(
), das Netz der Präsidenten der obersten Gerichtshöfe der EU (NPSJC)(
), die Vereinigung der Staatsräte und der Obersten Verwaltungsgerichte der EU (ACA-Europe)(
), der Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE)(), das Europäische Wettbewerbsnetz (ECN)(
), der Kommunikationsausschuss (COCOM)(
), die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums(
), das Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC)(
), die Expertengruppe für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (EGMLTF)(
), Eurostat(
) und das Europäische Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (EJTN)().
Die Methodik des Justizbarometers wurde in enger Zusammenarbeit mit der Gruppe der Ansprechpartner der Mitgliedstaaten für die nationalen Justizsysteme im Laufe der Jahre weiterentwickelt und weiter ausgefeilt. Dazu haben insbesondere ein jährlich aktualisierter Fragebogen und die Erhebung von Daten zu bestimmten Aspekten der Funktionsweise von Justizsystemen beigetragen.
Die Verfügbarkeit von Daten, insbesondere für Indikatoren zur Effizienz der Justizsysteme, wird immer besser. Dies liegt daran, dass viele Mitgliedstaaten in ihre Kapazitäten zur Erstellung besserer Rechtsprechungsstatistiken investiert haben. Etwaige andauernde Schwierigkeiten bei der Datenerhebung oder ‑bereitstellung hängen oft mit ungenügenden statistischen Kapazitäten oder damit zusammen, dass die nationalen Kategorien, für die Daten erfasst werden, nicht genau mit den Kategorien des Justizbarometers übereinstimmen. Nur in sehr wenigen Fällen entsteht eine Datenlücke aufgrund fehlender Beiträge der nationalen Behörden. Die Kommission hält die Mitgliedstaaten auch künftig dazu an, diese Datenlücke weiter zu schließen.
In welcher Weise fließt das EU-Justizbarometer in das Europäische Semester ein und welche Verbindung besteht zur Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF)?
Mit dem Justizbarometer werden Elemente zur Bewertung der Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der nationalen Justizsysteme bereitgestellt. Damit sollen die Mitgliedstaaten dabei unterstützt werden, ihre nationalen Justizsysteme effizienter zu gestalten. Durch den Vergleich der Informationen zu Justizsystemen der Mitgliedstaaten im EU-Justizbarometer wird es leichter, bewährte Verfahren und Mängel zu erkennen und den Überblick über Herausforderungen und die erzielten Fortschritte zu behalten. Im Rahmen des Europäischen Semesters werden länderspezifische Bewertungen im Wege eines bilateralen Dialogs mit den betroffenen nationalen Behörden und Interessenträgern vorgenommen. Bei festgestellten Mängeln von makroökonomischer Bedeutung führt die Analyse des Europäischen Semesters unter Umständen dazu, dass die Kommission dem Rat länderspezifische Empfehlungen zur Verbesserung der nationalen Justizsysteme in einzelnen Mitgliedstaaten vorschlägt.(
) Aus der Aufbau- und Resilienzfazilität werden mehr als 670 Mrd. EUR an Darlehen und nicht rückzahlbaren Finanzhilfen bereitgestellt, von denen jeder Mitgliedstaat mindestens 20 % dem digitalen Wandel vorbehalten muss. Die Aufbau- und Resilienzfazilität bietet die Gelegenheit, auf länderspezifische Empfehlungen hinsichtlich der nationalen Justizsysteme einzugehen und die nationalen Anstrengungen, den digitalen Wandel der Justizsysteme abzuschließen, zu beschleunigen. Zahlungen an die Mitgliedstaaten im Rahmen der leistungsbasierten Aufbau- und Resilienzfazilität hängen von der Erreichung festgelegter Etappenziele und Zielwerte ab. Vor diesem Hintergrund muss die Kommission daher kontinuierlich beurteilen, ob die Aufbau- und Resilienzpläne der Mitgliedstaaten zufriedenstellend umgesetzt werden, um wirksam zur Bewältigung aller oder eines wesentlichen Teils der Herausforderungen, die in den relevanten länderspezifischen Empfehlungen ermittelt wurden, oder der Herausforderungen, die in anderen von der Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters offiziell angenommenen einschlägigen Dokumenten ermittelt wurden, beizutragen.(
)
Warum sind leistungsfähige Justizsysteme für ein investitionsfreundliches Unternehmensumfeld wichtig?
Leistungsfähige Justizsysteme, die die Rechtsstaatlichkeit wahren, haben eine positive wirtschaftliche Wirkung, was im Rahmen des Europäischen Semesters und der Aufbau- und Resilienzfazilität von besonderer Bedeutung ist. Wenn Justizsysteme die Durchsetzung von Ansprüchen garantieren, ist davon auszugehen, dass die Gläubiger eher Darlehen vergeben, Unternehmen ein größeres Vertrauen haben und vor opportunistischem Verhalten zurückschrecken, Transaktionskosten verringert werden und innovative Unternehmen eher Investitionen tätigen. Ein leistungsfähiges Justizsystem ist für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum unabdingbar. Es kann das Geschäftsklima verbessern, Innovationen fördern, ausländische Direktinvestitionen anziehen, Steuereinnahmen sichern und das Wirtschaftswachstum fördern. Die Vorteile gut funktionierender nationaler Justizsysteme für die Wirtschaft werden in zahlreichen Studien und wissenschaftlichen Veröffentlichungen bestätigt, die unter anderem von dem Internationalen Währungsfonds (IWF)(
), der Europäischen Zentralbank (EZB)(
), dem Europäischen Netz der Räte für das Justizwesen (ENCJ)(), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)(
), dem Weltwirtschaftsforum (
) und der Weltbank(
) verfasst wurden.
In einer Studie wurde festgestellt, dass eine Verringerung der Dauer von Gerichtsverfahren um 1 % (gemessen als Dispositionszeit(
)) die Wachstumsrate der Unternehmen steigern kann(
) und dass ein um 1 % höherer Anteil der Unternehmen, die das Justizsystem als unabhängig betrachten, in der Regel mit einem Anstieg der Umsatz- und Produktivitätswachstumsrate verbunden ist(
). Eine weitere Studie ergab eine positive Korrelation zwischen der wahrgenommenen Unabhängigkeit der Justiz und den ausländischen Direktinvestitionen.(
)
Darüber hinaus haben mehrere Umfragen gezeigt, wie wichtig die Leistungsfähigkeit der nationalen Justizsysteme für die Unternehmen ist. In einer Umfrage gaben beispielsweise 93 % der Großunternehmen an, dass sie die Bedingungen der Rechtsstaatlichkeit (einschließlich der Unabhängigkeit der Gerichte) in den Ländern, in die sie investieren, systematisch und kontinuierlich überprüfen.(
) In einer anderen Umfrage antwortete mehr als die Hälfte der kleinen und mittleren Unternehmen (im Folgenden „KMU“), dass die Kosten bzw. die übermäßig lange Dauer von Gerichtsverfahren die Hauptgründe dafür seien, dass keine Gerichtsverfahren wegen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums (IPR) eingeleitet würden.(
) Die Mitteilungen der Kommission mit dem Titel „Hindernisse für den Binnenmarkt ermitteln und abbauen“(
) und der Aktionsplan zur besseren Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften(
) vermitteln auch Einblicke in die Bedeutung leistungsfähiger Justizsysteme für das Funktionieren des Binnenmarkts, insbesondere für Unternehmen.
Wie sorgt die Kommission mit technischer Unterstützung für eine bessere Umsetzung guter Justizreformen?
Die Mitgliedstaaten können technische Hilfe in Anspruch nehmen, die ihnen die Kommission über die Generaldirektion Unterstützung von Strukturreformen (GD REFORM) im Rahmen des Instruments für technische Unterstützung (TSI)(
) – für das insgesamt 864,4 Mio. EUR für den Zeitraum 2021–2027 vorgesehen sind – zur Verfügung stellt. Seit 2021 werden im Rahmen des TSI Projekte unterstützt, die in direktem Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit der Justiz stehen, wie etwa die Digitalisierung der Justiz, Reformen der räumlichen Zuständigkeiten der Gerichte oder ein besserer Zugang zur Justiz. Zudem ergänzt das TSI auch die Maßnahmen der Kommission zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie, d. h. die Aufbau- und Resilienzfazilität, da das TSI die Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Aufbau- und Resilienzpläne unterstützen kann. Die Aufbau- und Resilienzpläne umfassen unter anderem Maßnahmen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Justiz: Digitalisierung der Justiz, Abbau von Rückständen und Verbesserung der Verwaltung von Gerichten und Rechtssachen.
Wie unterstützt das Programm „Justiz“ die Leistungsfähigkeit der Justizsysteme?
Mit einem Gesamtbudget von 305 Mio. EUR für den Zeitraum 2021–2027 unterstützt das Programm „Justiz“ die Weiterentwicklung des europäischen Rechtsraums auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit sowie die Unabhängigkeit, Qualität und Effizienz des Justizsystems auf der Grundlage gegenseitiger Anerkennung und gegenseitigen Vertrauens sowie der justiziellen Zusammenarbeit. Im Jahr 2021 wurden rund 45,3 Mio. EUR für die Finanzierung von Projekten und anderen Tätigkeiten im Rahmen der drei spezifischen Ziele des Programms bereitgestellt:
·12,2 Mio. EUR wurden bereitgestellt, um die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen zu fördern, zur wirksamen und kohärenten Anwendung und Durchsetzung der EU-Instrumente beizutragen und die Mitgliedstaaten bei ihrer Anbindung an das Europäische Strafregisterinformationssystem für Drittstaatsangehörige (ECRIS-TCN) zu unterstützen.
·17,7 Mio. EUR wurden zur Unterstützung der Aus- und Fortbildung von Angehörigen der Rechtsberufe in den Bereichen Zivil-, Straf- und Grundrecht, Rechtssysteme der Mitgliedstaaten und Rechtsstaatlichkeit bereitgestellt.
·15,4 Mio. EUR wurden bereitgestellt, um die Entwicklung und Nutzung digitaler Instrumente in Ergänzung zum Programm „Digitales Europa“ sowie die Pflege und Erweiterung des E-Justiz-Portals zu unterstützen.
Warum überwacht die Kommission die Digitalisierung der nationalen Justizsysteme?
Die Digitalisierung der Justizsysteme ist entscheidend für die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Justizsysteme und ein sehr effizientes Werkzeug für die Verbesserung und Ermöglichung des Zugangs zur Justiz. Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass die Mitgliedstaaten die Modernisierungsreformen in diesem Bereich beschleunigen müssen.
Seit 2013 beinhaltet das EU-Justizbarometer bestimmte Vergleichsinformationen hinsichtlich der Digitalisierung der Justiz in allen Mitgliedstaaten, zum Beispiel im Hinblick auf den Online-Zugang zu Urteilen oder die Online-Klageerhebung und die Weiterverfolgung.
Die Mitteilung der Kommission „Digitalisierung der Justiz in der Europäischen Union – Ein Instrumentarium für Gelegenheiten“(), die im Dezember 2020 angenommen wurde, stellt eine Strategie vor, die den Zugang zur Justiz und die Leistungsfähigkeit der Justizsysteme mithilfe von Technologie verbessern soll. Wie in der Mitteilung dargelegt, beinhaltet das EU-Justizbarometer ab 2021 eine Reihe zusätzlicher Indikatoren. Damit soll für eine umfassende und zeitnahe eingehende Überwachung der Fortschrittsbereiche und Herausforderungen gesorgt werden, die für die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen, ihre Justizsysteme zu digitalisieren, entstehen.
2.
Hintergrund: Entwicklungen bei Justizreformen im Jahr 2021
Auch 2021 hat eine Vielzahl von Mitgliedstaaten ihre Bemühungen fortgesetzt, die Leistungsfähigkeit ihrer nationalen Justizsysteme weiter zu verbessern. Schaubild 1 gibt einen aktualisierten Überblick über die angenommenen und vorgesehenen Maßnahmen in mehreren Bereichen der Justizsysteme der Mitgliedstaaten, die derzeit Reformen vornehmen.
Schaubild 1: Gesetzgebungs- und Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf die Justizsysteme im Jahr 2021 (angenommene Maßnahmen/in Verhandlung befindliche Initiativen je Mitgliedstaat) (Quelle: Europäische Kommission (
))
Im Jahr 2021 stand das Verfahrensrecht in vielen Mitgliedstaaten mit einer erheblichen Zahl laufender oder geplanter gesetzgeberischer Tätigkeiten weiterhin im Mittelpunkt. Wesentliche Tätigkeitsbereiche für Reformen waren auch der Status von Richtern und die Vorschriften für Angehörige der Rechtsberufe. Eine Reihe von Mitgliedstaaten war im Begriff, Rechtsvorschriften für die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in ihren Justizsystemen einzuführen. Die Dynamik der Vorjahre bei Maßnahmen hinsichtlich der Verwaltung der Gerichte setzte sich 2021 fort. Einige Mitgliedstaaten nutzen bereits aktiv künstliche Intelligenz in ihren Justizsystemen oder planen deren Nutzung. Dieser Überblick bestätigt die Beobachtung, dass Justizreformen von der ersten Ankündigung bis zur Verabschiedung von Gesetzgebungs- und Regulierungsmaßnahmen bzw. bis zu deren tatsächlicher Umsetzung vor Ort eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, manchmal sogar mehrere Jahre.
Die COVID-19-Pandemie hat auch neue Herausforderungen mit sich gebracht, die zeigten, wie wichtig es ist, die Reformen zur Digitalisierung des Justizsystems zu beschleunigen. Vor diesem Hintergrund haben mehrere Mitgliedstaaten neue Maßnahmen verabschiedet, um die ordnungsgemäße Arbeitsweise der Gerichte sicherzustellen, während gleichzeitig der fortgesetzte und einfache Zugang zur Justiz für alle gewährleistet wird, insbesondere durch die Anpassung der Verfahrensvorschriften. Die ACA-Europe hat einen Fragebogen ausgearbeitet, anhand dessen die Auswirkung der COVID-19-Pandemie auf Tätigkeiten der obersten Gerichtshöfe untersucht wird. Zu den Befragten gehörten die obersten Verwaltungsgerichte und die obersten Gerichtshöfe (Mitglieder des NPSJC). Ohne Prüfung der wesentlichen Maßnahmen, die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ergriffen wurden, wird in Schaubild 2 eine aktuelle Übersicht über die Änderungen des Verfahrensrechts dargestellt, die von den Mitgliedstaaten in Form von neuen Rechtsvorschriften, Urteilen der obersten Gerichtshöfe, Geschäftsordnungen oder Praxis der Gerichte verabschiedet wurden, um die Ausübung gerichtlicher Funktionen zu fördern.
Schaubild 2: Änderungen der Verfahrensordnung der obersten Gerichtshöfe aufgrund der COVID-19-Pandemie (Quelle: ACA-Europe und NPSJC (
))
(*) Die Daten betreffen den Zeitraum von Dezember 2020 bis Dezember 2021. Für jeden Mitgliedstaat stellt die linke Säule die Verfahrensweisen in obersten Gerichtshöfen und die rechte Säule (mit „A“ gekennzeichnet) die Verfahrensweisen in obersten Verwaltungsgerichten dar. Die Mitgliedstaaten erscheinen in alphabetischer Reihenfolge entsprechend den geografischen Bezeichnungen in ihrer jeweiligen Amtssprache. BE: Raad van State/Conseil d’Etat (Staatsrat) und Hof van Cassatie/Cour de Cassation (Kassationsgerichtshof). BG: Върховен административен съд (Oberstes Verwaltungsgericht). CZ: Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht) und Nejvyšší soud (Oberster Gerichtshof). DE: Bundesverwaltungsgericht. EE: Riikohus (Oberster Gerichtshof). IE: Chúirt Uachtarach (Oberster Gerichtshof). EL: Συμβούλιο της Επικρατείας (Staatsrat). ES: Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof). FR: Conseil d’État (Staatsrat), Cour de Cassation (Kassationsgerichtshof). HR: Visoki upravni (Hoher Verwaltungsgerichtshof). IT: Consiglio de Stato (Staatsrat). CY: Oberster Gerichtshof. LV: Augstākā tiesa (Oberster Gerichtshof). LT: Vyriausiasis Administracinis Teismas (Oberstes Verwaltungsgericht). LU: Cour administrative (Verwaltungsgericht), Cour de Cassation (Kassationsgerichtshof). HU: Kúria (Oberster Gerichtshof). MT: Court of Appeal (Berufungsgericht). NL: Hoge Raad (Oberster Gerichtshof), Centrale Raad van Beroep (höchstes Verwaltungsgericht für Sozialrechtssachen), Raad van State (Staatsrat). AT: Verwaltungsgerichtshof, Personalsenat des obersten Gerichts, Oberster Gerichtshof. PL: Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht). PT: Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht). RO: Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Gerichtshof). SI: Vrhovno sodišče (Oberster Gerichtshof). SK: Najvyšší súd (Oberstes Gericht). FI: Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof). SE: Högsta förvaltningsdomstolen (Oberstes Verwaltungsgericht). Keine Daten aus: BG: Върховен касационен съд (Oberster Gerichtshof); HR: Vrhovni sud (Oberster Gerichtshof); IT: Corte Suprema di Cassazione (Kassationsgerichtshof); SE: Högsta domstolen (Oberster Gerichtshof).
3.
Die wichtigsten Ergebnisse des EU-Justizbarometers 2022
Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit sind die wichtigsten Parameter eines leistungsfähigen Justizsystems; das Justizbarometer stellt Indikatoren für alle drei vor.
3.1. Effizienz der Justizsysteme
Im Justizbarometer werden die Indikatoren für die Effizienz der Verfahren in den großen Bereichen der Zivil-, Handels-, Verwaltungssachen und in bestimmten Bereichen vorgestellt, in denen die Verwaltungsbehörden und Gerichte EU-Recht anwenden.(
)
Die effizienzbezogenen Indikatoren im Jahr 2020, insbesondere die Zahl der neuen Verfahren, die Verfahrensabschlussquote und die Dispositionszeit, wurden von den besonderen Umständen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie in der gesamten EU beeinflusst, die sich auf unterschiedliche Weise (z. B. in Bezug auf Zeitpunkt oder Schwere) auf die Mitgliedstaaten ausgewirkt haben.()
3.1.1. Entwicklung der Fallzahlen
Gegenüber dem Vorjahr gingen die Fallzahlen der nationalen Justizsysteme in mehreren Mitgliedstaaten zurück, während sie in anderen zunahmen oder stabil blieben. Insgesamt fallen sie von Mitgliedsstaat zu Mitgliedstaat immer noch sehr unterschiedlich aus (Schaubild 3). Dadurch wird deutlich, wie wichtig es ist, bei der Entwicklung der Fallzahlen aufmerksam zu bleiben, um die Leistungsfähigkeit der Justizsysteme zu gewährleisten.
Schaubild 3: Zahl der neuen Zivil-, Handels-, Verwaltungs- und sonstigen Rechtssachen, 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/je 100 Einwohner) (Quelle: CEPEJ-Studie (
))
(*) Nach der CEPEJ-Methodik gehören zu dieser Kategorie alle streitigen und nichtstreitigen Zivil- und Handelssachen, nichtstreitige Grundbuch- und Unternehmensregistersachen, andere Registersachen, sonstige nichtstreitige Rechtssachen, Verwaltungssachen und sonstige Rechtssachen außer Strafsachen.
Schaubild 4: Zahl der neuen streitigen Zivil- und Handelssachen, 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/je 100 Einwohner) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Bei streitigen Zivil- und Handelssachen geht es nach der CEPEJ-Methodik um Streitigkeiten zwischen Parteien, beispielsweise in Bezug auf Verträge. Nichtstreitige Zivil- und Handelssachen betreffen unbestrittene Verfahren, z. B. unbestrittene Zahlungsaufforderungen. Änderung der Methodik in EL und SK. Die Daten für NL umfassen nichtstreitige Rechtssachen.
Schaubild 5: Zahl der neuen Verwaltungssachen, 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/je 100 Einwohner) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Nach der CEPEJ-Methodik handelt es sich bei Verwaltungssachen um Streitigkeiten zwischen Bürgern und lokalen, regionalen oder nationalen Behörden. In DK und IE werden Verwaltungssachen nicht getrennt erfasst. In RO wurden seit 2018 einige Verwaltungsverfahren entjustizialisiert. Änderung der Methodik in EL, SK und SE. In SE wurden Migrationsfälle in Verwaltungssachen einbezogen (rückwirkend für 2017).
3.1.2. Allgemeine Angaben zur Effizienz
Die Indikatoren für die Effizienz der Verfahren in den großen Bereichen Zivil-, Handels- und Verwaltungssachen sind i) die geschätzte Verfahrensdauer (Dispositionszeit), ii) die Verfahrensabschlussquote und iii) die Zahl der anhängigen Verfahren.
Geschätzte Verfahrensdauer –
Bei der Dauer des Gerichtsverfahrens wird die geschätzte, bis zum Abschluss eines Gerichtsverfahrens erforderliche Zeit (in Tagen) angegeben, d. h. die Zeit, die das Gericht braucht, um zu einer erstinstanzlichen Entscheidung zu gelangen. Der Indikator „Dispositionszeit“ ist die Zahl der am Jahresende nicht abgeschlossenen Verfahren geteilt durch die Zahl der abgeschlossenen Verfahren multipliziert mit 365 (Tagen).(
) Es handelt sich um eine berechnete Menge, die die geschätzte Mindestdauer angibt, die ein Gericht benötigen würde, um in einem Fall unter Wahrung der derzeitigen Arbeitsbedingungen zu einer Entscheidung zu gelangen. Je höher der Wert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es länger dauert, bis das Gericht zu einer Entscheidung gelangt. Die Zahlen betreffen hauptsächlich erstinstanzliche Verfahren; verglichen werden, soweit verfügbar, Daten für 2012, 2018, 2019 und 2020.(
) Aus den Schaubildern 8 und 10 geht die Dispositionszeit im Jahr 2020 für streitige Zivil- und Handelssachen sowie für Verwaltungssachen in allen Gerichtsinstanzen hervor. In Schaubild 24 ist die durchschnittliche Verfahrensdauer in Geldwäschefällen in erst- und zweitinstanzlichen Gerichten dargestellt.
Schaubild 6: Für den Abschluss von Zivil-, Handels-, Verwaltungs- und sonstigen Rechtssachen geschätzte Zeit, 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in Tagen) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Nach der CEPEJ-Methodik gehören zu dieser Kategorie alle streitigen und nichtstreitigen Zivil- und Handelssachen, nichtstreitige Grundbuch- und Unternehmensregistersachen, andere Registersachen, sonstige nichtstreitige Rechtssachen, Verwaltungssachen und sonstige Rechtssachen außer Strafsachen. Änderung der Methodik in SK. In CZ und (bis 2016) in SK umfassen die anhängigen Rechtssachen alle Instanzen. LV: Der drastische Rückgang ist auf die Reform des Gerichtssystems, Fehlerkontrollen und die Bereinigung der Daten im Informationssystem zurückzuführen.
Schaubild 7: Für den Abschluss von streitigen Zivil- und Handelssachen in erster Instanz geschätzte Zeit, 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in Tagen) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Bei streitigen Zivil- und Handelssachen geht es nach der CEPEJ-Methodik um Streitigkeiten zwischen Parteien, beispielsweise in Bezug auf Verträge. Nichtstreitige Zivil- und Handelssachen betreffen unbestrittene Verfahren, z. B. unbestrittene Zahlungsaufforderungen. Änderung der Methodik in EL und SK. In CZ und (bis 2016) in SK umfassen die anhängigen Rechtssachen alle Instanzen. IT: Die vorübergehende Verlangsamung der Tätigkeit der Gerichte aufgrund strenger restriktiver Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie hat sich auf die Dispositionszeit ausgewirkt. Die Daten für NL umfassen nichtstreitige Rechtssachen.
Schaubild 8: Für den Abschluss von streitigen Zivil- und Handelssachen geschätzte Zeit in allen Gerichtsinstanzen im Jahr 2020 (*) (1, 2. und 3. Instanz/in Tagen) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Für die Anordnung der Länder wurde die Gerichtsinstanz mit den längsten Verfahren im jeweiligen Mitgliedstaat zugrunde gelegt. Folgende Daten sind nicht verfügbar: für BE und BG zu den erst- und zweitinstanzlichen Gerichten, für NL zu den zweitinstanzlichen Gerichten, für AT zu den zweit- und drittinstanzlichen Gerichten und für DE und HR zu den drittinstanzlichen Gerichten. In DE und MT gibt es keine Gerichte dritter Instanz. IT: Die vorübergehende Verlangsamung der Tätigkeit der Gerichte aufgrund strenger restriktiver Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie hat sich auf die Dispositionszeit ausgewirkt. In einigen Mitgliedstaaten ist der Zugang zu drittinstanzlichen Gerichten möglicherweise beschränkt.
Schaubild 9: Für den Abschluss von Verwaltungssachen in erster Instanz geschätzte Zeit, 2012, 2018-2020 (*) (1. Instanz/in Tagen) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Bei Verwaltungssachen handelt es sich nach der CEPEJ-Methodik um Streitigkeiten zwischen Einzelpersonen und lokalen, regionalen oder nationalen Behörden. Änderung der Methodik in EL und SK. In CZ und (bis 2016) in SK umfassen die anhängigen Rechtssachen alle Gerichtsinstanzen. In SK, DK und IE werden Verwaltungssachen nicht getrennt erfasst. CY: 2018 hat infolge von gemeinsam verhandelten Fällen, 2724 konsolidierten zurückgezogenen Rechtssachen und der Einrichtung eines Verwaltungsgerichts im Jahr 2015 die Zahl der abgeschlossenen Rechtssachen zugenommen.
Schaubild 10: Für den Abschluss von Verwaltungssachen geschätzte Zeit in allen Gerichtsinstanzen im Jahr 2020 (*) (1. und ggf. 2 und 3. Instanz/in Tagen) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Für die Anordnung der Länder wurde die Gerichtsinstanz mit den längsten Verfahren im jeweiligen Mitgliedstaat zugrunde gelegt. Keine Daten verfügbar zu zweitinstanzlichen Gerichten in BE, CZ, HU, MT, AT, RO, SI, SK und FI, zu drittinstanzlichen Gerichten in CY, LT, LU, MT und PL. In CZ, IT, CY, AT, SI und FI ist der oberste Gerichtshof bzw. ein anderes höchstinstanzliches Gericht die einzige Rechtsmittelinstanz. In HR, LT, LU und MT gibt es kein drittinstanzliches Gericht für diese Art von Rechtssachen. In BE ist das höchste Verwaltungsgericht die erste und einzige Instanz für bestimmte Fälle. In einigen Mitgliedstaaten ist der Zugang zu drittinstanzlichen Gerichten möglicherweise beschränkt. In DK und IE werden Verwaltungssachen nicht getrennt erfasst.
Verfahrensabschlussquote –
Unter der Verfahrensabschlussquote ist das Zahlenverhältnis zwischen abgeschlossenen Verfahren und neuen Verfahren zu verstehen. Mit dieser Quote wird gemessen, ob ein Gericht mit der Bearbeitung neuer Verfahren nachkommt. Liegt die Verfahrensabschlussquote bei etwa 100 % oder darüber, so bedeutet dies, dass die Gerichte in der Lage sind, mindestens so viele Rechtssachen abzuschließen, wie neue Rechtssachen registriert werden. Liegt die Verfahrensabschlussquote unterhalb von 100 %, so bedeutet dies, dass die Gerichte weniger Rechtssachen abschließen, als neue Rechtssachen registriert werden.
Schaubild 11: Abschlussquote bei Zivil-, Handels-, Verwaltungs- und sonstigen Rechtssachen, 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in % – Werte über 100 % bedeuten, dass es mehr abgeschlossene als neue Fälle gegeben hat; Werte unter 100 % bedeuten, dass es weniger abgeschlossene als neue Fälle gegeben hat) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Nach der CEPEJ-Methodik gehören zu dieser Kategorie alle streitigen und nichtstreitigen Zivil- und Handelssachen, nichtstreitige Grundbuch- und Unternehmensregistersachen, andere Registersachen, sonstige nichtstreitige Rechtssachen, Verwaltungssachen und sonstige Rechtssachen außer Strafsachen. Änderung der Methodik in SK. IE: Aufgrund der Methodik ist davon auszugehen, dass die Zahl der abgeschlossenen Verfahren zu niedrig angegeben ist. IT: Im Jahr 2013 wurde eine andere Einstufung von Zivilsachen eingeführt.
Schaubild 12: Abschlussquote bei streitigen Zivil- und Handelssachen, 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in %) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Änderung der Methodik in EL und SK. IE: Aufgrund der Methodik ist davon auszugehen, dass die Zahl der abgeschlossenen Verfahren zu niedrig angegeben ist. IT: Im Jahr 2013 wurde eine andere Einstufung von Zivilsachen eingeführt. Die Daten für NL umfassen nichtstreitige Rechtssachen.
Schaubild 13: Abschlussquote bei Verwaltungssachen, 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in %) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Bei einigen Mitgliedstaaten wurden ältere Werte zugunsten einer besseren Lesbarkeit des Schaubilds nicht vollständig angezeigt (CY-Wert für 2018 = 219 %; IT-Wert für 2012 = 279,8 %); Änderung der Methodik in EL und SK. In DK und IE werden Verwaltungssachen nicht getrennt erfasst. Infolge von gemeinsam verhandelten Fällen, 2724 konsolidierten zurückgezogenen Rechtssachen und der Einrichtung eines Verwaltungsgerichts im Jahr 2015 hat die Zahl der abgeschlossenen Rechtssachen in CY zugenommen.
Anhängige Rechtssachen –
Unter der Zahl der anhängigen Rechtssachen ist die Zahl der Rechtssachen zu verstehen, die am Ende des betreffenden Jahres noch nicht abgeschlossen sind. Sie wirkt sich auch auf die Dispositionszeit aus.
Schaubild 14: Zahl der anhängigen Zivil-, Handels-, Verwaltungs- und sonstigen Rechtssachen, 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/je 100 Einwohner) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Nach der CEPEJ-Methodik gehören zu dieser Kategorie alle streitigen und nichtstreitigen Zivil- und Handelssachen, nichtstreitige Grundbuch- und Unternehmensregistersachen, andere Registersachen, sonstige nichtstreitige Rechtssachen, Verwaltungssachen und sonstige Rechtssachen außer Strafsachen. Änderung der Methodik in SK. In CZ und (bis 2016) in SK umfassen die anhängigen Rechtssachen alle Instanzen. IT: Im Jahr 2013 wurde eine andere Einstufung von Zivilsachen eingeführt.
Schaubild 15: Zahl der anhängigen streitigen Zivil- und Handelssachen 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/je 100 Einwohner) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Änderung der Methodik in EL und SK. In CZ und (bis 2016) in SK umfassen die anhängigen Rechtssachen alle Instanzen. IT: Im Jahr 2013 wurde eine andere Einstufung von Zivilsachen eingeführt. Die Daten für NL umfassen nichtstreitige Rechtssachen.
Schaubild 16: Zahl der anhängigen Verwaltungssachen 2012, 2018–2020 (*) (1. Instanz/je 100 Einwohner) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Bei einigen Mitgliedstaaten wurden ältere Werte zugunsten einer besseren Lesbarkeit des Schaubilds verringert (EL-Wert für 2012 = 3,5). Änderung der Methodik in EL und SK. In CZ und (bis 2016) in SK umfassen die anhängigen Rechtssachen alle Gerichtsinstanzen. In DK und IE werden Verwaltungssachen nicht getrennt erfasst.
3.1.3. Effizienz in bestimmten Bereichen des EU-Rechts
In diesem Abschnitt werden die allgemeinen Angaben zur Effizienz der Justizsysteme ergänzt und Angaben zur durchschnittlichen Dauer von Verfahren(
) in Bereichen gemacht, in denen es um EU-Recht geht. Das Justizbarometer 2022 baut auf früheren Daten in den Bereichen Wettbewerb, elektronische Kommunikation, Unionsmarke, Verbraucherrecht und Bekämpfung der Geldwäsche auf. Die vier Bereiche wurden wegen ihrer Bedeutung für den Binnenmarkt und das Geschäftsumfeld ausgewählt. Darüber hinaus enthält diese Ausgabe einen breiteren Überblick über die Effizienz der Verwaltungsbehörden: Zwei neue Schaubilder zu den Bereichen Wettbewerb und elektronische Kommunikation ergänzen die entsprechenden Daten zum Verbraucherschutz. Im Allgemeinen können sich lange Verzögerungen bei Gerichts- und Verwaltungsverfahren negativ auf die Durchsetzung von Rechten aus dem EU-Recht auswirken, z. B. wenn geeignete Rechtsbehelfe nicht mehr verfügbar oder schwere finanzielle Schäden nicht mehr zu ersetzen sind. Insbesondere für Unternehmen können verwaltungstechnische Verzögerungen und Unsicherheit erhebliche Kosten verursachen und geplante oder bestehende Investitionen untergraben.(
)
– Wettbewerb –
Die wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts ist für ein attraktives Geschäftsumfeld unerlässlich, da sie gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen gewährleistet. Dies fördert Unternehmungsgeist und Effizienz, schafft eine breitere Auswahl für Verbraucher und trägt zu niedrigeren Preisen und höherer Qualität bei. In Schaubild 17 ist die durchschnittliche Dauer von Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden zur Anwendung der Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)(
) dargestellt. In Schaubild 18 ist die durchschnittliche Dauer von Verfahren vor den nationalen Wettbewerbsbehörden zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV dargestellt.
Schaubild 17: Wettbewerb: Durchschnittliche Dauer von Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung, 2013, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in Tagen) (Quelle: Europäische Kommission und Europäisches Wettbewerbsnetz)
(*) IE und AT: Das Szenario findet keine Anwendung, da die Behörden nicht befugt sind, entsprechende Entscheidungen zu treffen. AT: Die Angaben umfassen auch durch das Kartellgericht entschiedene Verfahren wegen Verletzung der Artikel 101 und 102 AEUV, jedoch keine Fälle, die auf Rechtsbehelfen gegen die nationale Wettbewerbsbehörde beruhen. Die Angaben zur Verfahrensdauer in IT sind Schätzwerte. Das Fehlen einer Säule kann bedeuten, dass der Mitgliedstaat für das betreffende Jahr keine Verfahren gemeldet hat. In vielen Mitgliedstaaten war die Zahl der Verfahren gering (weniger als fünf pro Jahr). Dadurch können die Jahresdaten von der Dauer eines außergewöhnlich langen oder kurzen Verfahrens abhängen (dies trifft beispielsweise auf MT zu, wo es nur einen Fall gab).
Schaubild 18: Wettbewerb: Durchschnittliche Dauer von Verfahren vor den nationalen Wettbewerbsbehörden im Jahr 2020 (*) (in Tagen) (Quelle: Europäische Kommission und Europäisches Wettbewerbsnetz)
(*) In einigen Mitgliedstaaten war die Zahl der Fälle gering. BE: Die Angaben umfassen eine Kartellentscheidung – 1045 Tage, und fünf Fälle von vorläufigem Rechtsschutz. Durchschnittliche Gesamtdauer aller sechs Verfahren – 2015 Tage. IT: Das von der italienischen Wettbewerbsbehörde nach Artikel 101 AEUV eingeleitete Verfahren I833 – Gare Consip per acquisizione beni e servizi per informatica e telecomunicazioni – wird nicht berücksichtigt, da letztlich kein Verstoß gegen Artikel 101 AUEV festgestellt wurde. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Zeitpunkt, ab dem die Tage für die Ermittlung der Verfahrensdauer herangezogen werden, in den Mitgliedstaaten nicht identisch ist. In den meisten Fällen gilt ein Verfahren als eröffnet, wenn mit der Untersuchung begonnen wurde. In NL gilt das Verfahren als eröffnet, wenn die Mitteilung der Beschwerdepunkte erfolgt ist, in CZ und SK dann, wenn das Verwaltungsverfahren eingeleitet ist. Im letzteren Fall handelt es sich um eine Zwischenphase zwischen der Einleitung der Untersuchung und der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Bezüglich der Dauer von Verfahren vor den nationalen Wettbewerbsbehörden sind auch einige Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehören die Art und die Komplexität des Falles, die für die Erhebung der wirtschaftlichen Daten und den Abschluss der wirtschaftlichen Analyse benötigte Zeit, die Fristverlängerungen auf Antrag der Parteien und die Wiederholung von Anhörungen.
– Elektronische Kommunikation –
Die EU-Rechtsvorschriften zur elektronischen Kommunikation zielen vor allem darauf ab, den Wettbewerb zu beleben, einen Beitrag zur Entwicklung des Binnenmarkts zu leisten und Investitionen, Innovation und Wachstum zu fördern. Von der wirksamen Durchsetzung dieser Rechtsvorschriften können Verbraucher derart profitieren, dass Endabnehmerpreise gesenkt werden und sich die Qualität von Dienstleistungen erhöht. In Schaubild 19 ist die durchschnittliche Dauer von Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen nationaler Regulierungsbehörden zur Anwendung des EU-Rechts zur elektronischen Kommunikation dargestellt.(
) Es umfasst eine breite Palette von Fällen, die von umfassenden Überprüfungen mit „Marktanalysen“ bis zu einfachen verbraucherorientierten Fragen reichen. In Schaubild 20 ist die durchschnittliche Dauer von Verfahren vor den nationalen Wettbewerbsbehörden zur Anwendung von EU-Recht dargestellt.
Schaubild 19: Elektronische Kommunikation: Durchschnittliche Dauer von Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung, 2013, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in Tagen) (Quelle: Europäische Kommission und Kommunikationsausschuss)
(*) (*) Die Zahl der Verfahren unterscheidet sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Das Fehlen einer Säule bedeutet, dass der Mitgliedstaat für das Jahr keine Verfahren gemeldet hat (mit Ausnahme von PT für 2019–2020 und RO, das keine Angaben gemacht hat). In manchen Fällen war die Zahl der einschlägigen Verfahren gering (BG, CY, MT, NL, SK, FI und SE). Dadurch können die Jahresdaten von der Dauer eines außergewöhnlich langen oder kurzen Verfahrens abhängen, sodass es zu großen Abweichungen von einem Jahr zum anderen kommt. DK: Eine gerichtsähnliche Stelle ist für Rechtsbehelfsverfahren in 1. Instanz zuständig. EE: Im Jahr 2013 betrug die durchschnittliche Dauer von Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung 18 Tage. ES, AT und PL: Je nach Gegenstand der Rechtssache sind unterschiedliche Gerichte zuständig.
Schaubild 20: Elektronische Kommunikation: Durchschnittliche Dauer von Verfahren vor der nationalen Regulierungsbehörde, 2015, 2018–2020 (in Tagen) (Quelle: Europäische Kommission und Kommunikationsausschuss)
– Unionsmarke –
Die wirksame Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums ist als Anreiz für Investitionen in Innovation unerlässlich. In den EU-Rechtsvorschriften zu Unionsmarken(
) wird den nationalen Gerichten, die als Gerichte der EU fungieren und Entscheidungen mit Auswirkungen auf den Binnenmarkt fällen, eine wichtige Rolle zugewiesen. In Schaubild 21 ist die durchschnittliche Dauer von Verfahren bei Streitigkeiten unter privaten Parteien wegen Verletzung einer Unionsmarke dargestellt.
Schaubild 21: Unionsmarke: Durchschnittliche Dauer von Verfahren wegen Verletzung einer Unionsmarke, 2013, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in Tagen) (Quelle: Europäische Kommission und Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums)
(*) FR, IT, LT, LU: Für einige Jahre wurden die Daten aus einer Stichprobe von Rechtssachen verwendet. DK: Daten aus allen Markenverfahren – nicht nur in der EU – am dänischen See- und Handelsgericht. Für 2018 und 2019 wurden aufgrund von Änderungen im Datenerhebungssystem keine Daten über die durchschnittliche Lage vorgelegt. EL: Die Angaben basieren auf der gewichteten durchschnittlichen Verfahrensdauer zweier Gerichte. ES: In die Berechnung der durchschnittlichen Dauer sind auch Verfahren betreffend andere EU-IP-Rechtstitel eingeflossen.
– Verbraucherschutz –
Mit einer wirksamen Durchsetzung des Verbraucherrechts wird sichergestellt, dass die Verbraucher ihre Rechte wahrnehmen können und Unternehmen, die gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen, keine unlauteren Vorteile erlangen. Verbraucherschutzbehörden und Gerichte spielen eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung des EU-Verbraucherrechts(
) innerhalb der verschiedenen nationalen Durchsetzungssysteme. In Schaubild 22 ist die durchschnittliche Dauer von Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen von Verbraucherschutzbehörden zur Anwendung des EU-Rechts dargestellt.
Für Verbraucher und Unternehmen kann die wirksame Durchsetzung eine ganze Kette von Akteuren erfordern, zu denen nicht nur Gerichte, sondern auch Verwaltungsbehörden zählen. Zur Verdeutlichung dieser Durchsetzungskette wird die Dauer von Verfahren der Verbraucherbehörden dargestellt. In Schaubild 23 ist die durchschnittliche Dauer von Verfahren zum Erlass von Verwaltungsentscheidungen durch nationale Verbraucherschutzbehörden in den Jahren 2014 und 2018 bis 2020 ab dem Zeitpunkt dargestellt, da das Verfahren eingeleitet wurde. Die ergangenen Entscheidungen umfassen die Feststellung eines Verstoßes gegen materiellrechtliche Vorschriften, vorläufigen Rechtsschutz, Unterlassungsverfügungen, die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens und die Einstellung von Verfahren.
Schaubild 22: Verbraucherschutz: Durchschnittliche Dauer von Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung, 2013, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in Tagen) (Quelle: Europäische Kommission und Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz)
(*) DE, LU, AT: Das Szenario findet keine Anwendung, da die Verbraucherbehörden nicht befugt sind, Verstöße gegen einschlägige Verbraucherschutzvorschriften festzustellen. In IE und FI gab es 2020 jeweils nur wenige einschlägige Verfahren (weniger als fünf). Für die durchschnittliche Verfahrensdauer in bestimmten Jahren wurden von EL und RO Schätzwerte angegeben.
Schaubild 23: Verbraucherschutz: Durchschnittliche Dauer von Verfahren zum Erlass von Verwaltungsentscheidungen durch Verbraucherschutzbehörden, 2014, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in Tagen) (Quelle: Europäische Kommission und Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz)
(*) DE, LU, AT: Das Szenario findet keine Anwendung, da die Verbraucherbehörden nicht befugt sind, Verstöße gegen einschlägige Verbraucherschutzvorschriften festzustellen. Für die durchschnittliche Verfahrensdauer in bestimmten Jahren wurden von DK, EL, FR, RO und FI Schätzwerte angegeben.
– Geldwäsche –
Die wirksame Bekämpfung der Geldwäsche trägt nicht nur zur Kriminalitätsbekämpfung bei, sondern ist auch für die Solidität, Integrität und Stabilität des Finanzsektors, das Vertrauen in das Finanzsystem und fairen Wettbewerb im Binnenmarkt entscheidend.(
) Geldwäsche kann ausländische Investoren abschrecken, internationale Kapitalflüsse verzerren und sich negativ auf die makroökonomische Leistung eines Landes auswirken, was zu Wohlfahrtsverlusten und zum Abzug von Ressourcen aus produktiveren Wirtschaftstätigkeiten führen kann.(
) Nach der Geldwäscherichtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Statistiken über die Wirksamkeit ihrer Systeme zur Bekämpfung von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zu führen.(
) In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten wurde ein aktualisierter Fragebogen herangezogen, um Daten zu den gerichtlichen Phasen der nationalen Programme zur Bekämpfung von Geldwäsche zu erheben. In Schaubild 24 ist die durchschnittliche Dauer erstinstanzlicher Gerichtsverfahren dargestellt, in denen Geldwäschedelikte behandelt wurden.
Schaubild 24: Geldwäsche: Durchschnittliche Dauer von Gerichtsverfahren, 2014, 2018–2020 (*) (1. Instanz/in Tagen) (Quelle: Europäische Kommission und Expertengruppe für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung)
(*) Keine Daten für 2020: BE, DE, EE, IE, HR, PL und PT. BG: Die durchschnittliche Dauer von Gerichtsverfahren wird vom Tag der Einleitung des Gerichtsverfahrens bis zu dem Tag der Entscheidung des Gerichts in Monaten berechnet. ES, NL: Die angegebene Dauer ist ein Schätzwert. CZ: Dauer in Monaten. HU: Die durchschnittliche Anzahl der Tage wurde auf der Grundlage der Anzahl der durch Verurteilung abgeschlossenen Verfahren berechnet. PT: Die durchschnittliche Anzahl der Tage wurde auf der Grundlage einer Stichprobe berechnet. IT: Die Daten beziehen sich sowohl auf Gerichtsverfahren als auch auf gerichtliche Voruntersuchungen. CY: Schwerwiegende Rechtssachen, die vor dem Schwurgericht verhandelt werden, dauern im Durchschnitt ein Jahr. Weniger schwerwiegende Straftaten, die vor den Bezirksgerichten verhandelt werden, dauern länger. SK*: Die Daten entsprechen der durchschnittlichen Dauer der gesamten Verfahren, einschließlich vor den Berufungsgerichten.
3.1.4. Zusammenfassung zur Effizienz der Justizsysteme
Einem effizienten Justizsystem gelingt es, Fälle abzuarbeiten, Rückstände abzubauen und gerichtliche Entscheidungen zeitnah zu erlassen. Zur Beobachtung der Effizienz von Justizsystemen wurden im EU-Justizbarometer demnach die folgenden wesentlichen Indikatoren herangezogen: die Verfahrensdauer (geschätzte oder durchschnittliche Zeit in Tagen bis zum Abschluss eines Gerichtsverfahrens), die Verfahrensabschlussquote (Verhältnis zwischen der Zahl der abgeschlossenen Verfahren und der Zahl der neuen Verfahren) und die Zahl der anhängigen Verfahren (die am Ende des Jahres noch nicht abgeschlossen sind).
Allgemeine Angaben zur Effizienz
Das EU-Justizbarometer 2022 enthält Angaben zur Effizienz für einen Zeitraum von acht Jahren (2012–2020). Dieser Zeitrahmen ermöglicht es, gewisse Tendenzen zu erkennen und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es oft Zeit braucht, bis die Auswirkungen von Justizreformen sichtbar werden.
Bei Betrachtung der seit 2012 und bis 2020 verfügbaren Daten zu Zivil-, Handels- und Verwaltungssachen lassen sich in den meisten Fällen positive Tendenzen feststellen. Im Jahr 2020 lassen die allgemeinen Angaben zur Effizienz in einigen Mitgliedstaaten jedoch negative Auswirkungen auf die Effizienz erkennen. Diese waren möglicherweise durch die COVID-19-Pandemie bedingt und sind daher vorübergehender Natur.
In den Mitgliedstaaten, die nach den Feststellungen im Rahmen des Europäischen Semesters vor besonderen Herausforderungen stehen, können gewisse positive Entwicklungen verzeichnet werden(
):
·Seit 2012 und auf der Grundlage der für diese Mitgliedstaaten vorliegenden Daten sowie trotz der COVID-19-Pandemie hat die Dauer erstinstanzlicher Gerichtsverfahren in einigen Mitgliedstaaten in der weit gefassten Kategorie „alle Rechtssachen“ (Schaubild 6) und bei den „streitigen Zivil- und Handelssachen“ (Schaubild 7) abgenommen oder ist stabil geblieben. In etwa der Hälfte der betroffenen Mitgliedstaaten weisen die beiden Schaubilder 6 und 7 auf eine Zunahme der Verfahrensdauer hin, die mitunter über der Dauer von 2012 lag. Bei Verwaltungssachen (Schaubild 9) konnte die Verfahrensdauer in rund der Hälfte dieser Mitgliedstaaten im Vergleich zu 2012 verkürzt oder stabil gehalten werden. Insgesamt verlängerte sich die Dauer der Verwaltungsverfahren im Jahr 2020 in etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten.
·Diese Ausgabe des Justizbarometers enthält Angaben zur Verfahrensdauer in allen Gerichtsinstanzen für streitige Zivil- und Handelssachen (Schaubild 8) sowie für Verwaltungssachen (Schaubild 10). Aus den Daten geht hervor, dass in einer Reihe von Mitgliedstaaten, die Probleme bei der Dauer erstinstanzlicher Gerichtsverfahren haben, die Gerichte höherer Instanzen effizienter arbeiten. Allerdings ist in einigen anderen Mitgliedstaaten, die vor Herausforderungen stehen, die durchschnittliche Verfahrensdauer an Gerichten höherer Instanz sogar noch länger als an erstinstanzlichen Gerichten.
·In der weit gefassten Kategorie „alle Rechtssachen“ und in der Kategorie der streitigen Zivil- und Handelssachen (Schaubilder 11 und 12) ist die Gesamtzahl der Mitgliedstaaten, in denen die Verfahrensabschlussquote über 100 % liegt, seit dem Vorjahr zurückgegangen und nähert sich erneut der Zahl des Jahres 2012 an. 2020 meldeten die meisten Mitgliedstaaten – auch die meisten der Mitgliedstaaten, die vor Herausforderungen stehen – trotz des Rückgangs eine hohe Verfahrensabschlussquote (von über 97 %). Dies bedeutet, dass die Gerichte in der Regel in der Lage sind, sich mit den neuen Fällen in diesen Kategorien zu befassen. Bei den Verwaltungssachen (Schaubild 13) ist hinsichtlich der Verfahrensabschlussquote ein größerer Unterschied von einem Jahr zum nächsten zu beobachten. Während sie im Allgemeinen nach wie vor niedriger ist als bei den anderen Kategorien von Fällen, machen einige Mitgliedstaaten weiterhin gute Fortschritte. Mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten, die vor Herausforderungen stehen, berichten insbesondere über einen Anstieg der Verfahrensabschlussquote in Verwaltungssachen seit 2012.
·Seit 2012 blieb die Situation in fast allen Mitgliedstaaten, die im Hinblick auf den Abbau ihres Rückstands vor besonders großen Herausforderungen stehen, in allen Verfahrenskategorien stabil bzw. konnten hier Verbesserungen erzielt werden. 2020 wurden trotz des Anstiegs der Zahl der anhängigen Verfahren in einigen Mitgliedstaaten in anderen Mitgliedstaaten erhebliche Fortschritte bei der Verringerung der Zahl der anhängigen Rechtssachen erzielt, und zwar sowohl in streitigen Zivil- und Handelssachen (Schaubild 15) als auch in Verwaltungssachen (Schaubild 16). Dennoch ist die Diskrepanz zwischen den Mitgliedstaaten mit vergleichsweise wenigen anhängigen Verfahren und denjenigen mit einer Vielzahl anhängiger Verfahren nach wie vor erheblich.
Effizienz in bestimmten Bereichen des EU-Rechts
Daten zur durchschnittlichen Verfahrensdauer in bestimmten Bereichen des EU-Rechts (Schaubilder 17 bis 24) geben einen Einblick in die Funktionsweise der Justizsysteme bei diesen konkreten Arten unternehmensbezogener Streitigkeiten.
Es stimmt zwar, dass Daten zur Effizienz auf bestimmten Rechtsgebieten der EU auf der Grundlage eng definierter Szenarien erhoben werden und dass die Zahl einschlägiger Fälle gering erscheint, im Vergleich zur berechneten Verfahrensdauer, die in den allgemeinen Angaben zur Effizienz aufgeführt ist, liefern diese Zahlen jedoch einen Durchschnittswert für die tatsächliche Verfahrensdauer aller einschlägigen Fälle eines Jahres in bestimmten Bereichen. Daher sei an dieser Stelle angemerkt, dass mehrere Mitgliedstaaten, die den allgemeinen Angaben zur Effizienz zufolge keinerlei Schwierigkeiten in diesem Bereich zu haben scheinen, weitaus längere Durchschnittswerte für die Verfahrensdauer in bestimmten Bereichen des EU-Rechts vermelden. Gleichzeitig kann die Verfahrensdauer auf bestimmten Gebieten im selben Mitgliedstaat auch sehr unterschiedlich ausfallen.
Zu guter Letzt liefern die neuen Schaubilder, die sich auf die Dauer der Verwaltungsverfahren vor den nationalen Wettbewerbsbehörden und den nationalen Regulierungsbehörden im Bereich der elektronischen Kommunikation konzentrieren, Einblicke in die Effizienz der Verwaltung in weiteren Bereichen des EU-Rechts. Die Effizienz der gesamten Durchsetzungskette, einschließlich Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, trägt zu einem positiven Unternehmens- und Investitionsumfeld bei, indem sie eine schnelle Lösung von Fällen und die Durchsetzung von Rechten gewährleistet.
Die Zahlen zu bestimmten Bereichen des EU-Rechts zeigen die folgenden Trends:
·Bei den Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung von wettbewerbsrechtlichen Verfahren (Schaubild 17) stiegen die Fallzahlen bei den Gerichten in den Mitgliedstaaten zwar insgesamt an, aber die Dauer der betreffenden Verfahren ging in sechs Mitgliedstaaten zurück oder blieb stabil, während sie in fünf anderen Mitgliedstaaten stieg. Trotz der leicht positiven Entwicklung meldeten drei Mitgliedstaaten im Jahr 2020 eine durchschnittliche Dauer von mehr als 1000 Tagen. Bei den Verfahren vor den nationalen Wettbewerbsbehörden gaben zehn Mitgliedstaaten eine Dauer von weniger als 1000 Tagen an. Einige Mitgliedstaaten, die Probleme mit der Effizienz bei der gerichtlichen Überprüfung von wettbewerbsrechtlichen Verfahren haben, gehören hinsichtlich der Verfahren vor den nationalen Wettbewerbsbehörden zu den effizienteren Ländern.
·Bei der elektronischen Kommunikation (Schaubild 19) verringerten sich die Fallzahlen der Gerichte im Vergleich zu den Vorjahren und setzten somit den positiven Trend hinsichtlich der Länge der Verfahrensdauer, der im Jahr 2019 beobachtet wurde, fort. Im Jahr 2020 verzeichneten die meisten Mitgliedstaaten im Vergleich zu 2019 eine Verringerung der durchschnittlichen Verfahrensdauer beziehungsweise blieben die Zahlen stabil; nur bei wenigen war ein Anstieg zu verzeichnen. Aus dem neuen Schaubild zur Effizienz der nationalen Regulierungsbehörden im Bereich der elektronischen Kommunikation (Schaubild 20) geht hervor, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer in einigen Mitgliedstaaten zwar recht stabil ist, sich aber im Laufe der Jahre, für die Daten vorliegen, insgesamt keine klare Tendenz erkennen lässt.
·Bei den Verfahren wegen Verletzung einer Unionsmarke (Schaubild 21) gingen die Fallzahlen 2020 insgesamt zurück. Während die Gerichte in einigen Mitgliedstaaten die Fallzahlen besser bewältigen konnten und eine geringere oder stabile Verfahrensdauer verzeichnet wurde, zeigte sich in sechs Mitgliedstaaten ein deutlicher Anstieg der durchschnittlichen Verfahrensdauer.
·Das mögliche Ausmaß der Durchsetzungskette bei einer Kombination aus Verwaltungsverfahren und Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung ist für den Bereich des EU-Verbraucherrechts dargestellt (Schaubilder 22 und 23). Im Jahr 2020 meldeten sechs Mitgliedstaaten, dass ihre Verbraucherschutzbehörden in Sachen, die unter das EU-Verbraucherrecht fallen, eine Entscheidung in durchschnittlich weniger als drei Monaten getroffen haben, während die Behörden in sechs weiteren Mitgliedstaaten mehr als sechs Monate dafür benötigten. Wurden Entscheidungen von Verbraucherschutzbehörden vor Gericht angefochten, waren die Trends hinsichtlich der Dauer der Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung im Jahr 2020 unterschiedlich: Acht Mitgliedstaaten verzeichneten gegenüber 2019 einen Anstieg, während sich die Dauer in weiteren vier Mitgliedstaaten verringerte. In zwei Mitgliedstaaten beträgt die durchschnittliche Dauer von Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung weiterhin über 1000 Tage.
·Die wirksame Bekämpfung der Geldwäsche ist entscheidend für den Schutz des Finanzsystems, die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs und die Verhinderung negativer wirtschaftlicher Auswirkungen. Die Dauer von Gerichtsverfahren bei Geldwäschedelikten kann sich auf die wirksame Bekämpfung der Geldwäsche auswirken. In Schaubild 24 werden aktualisierte Daten zur Dauer von Gerichtsverfahren, in denen Geldwäschedelikte verhandelt wurden, dargestellt. Daraus geht hervor, dass zwar in mehr als der Hälfte der Mitgliedstaaten die Verfahren an erstinstanzlichen Gerichten durchschnittlich bis zu einem Jahr dauern, die Dauer dieser Verfahren in mehreren Mitgliedstaaten jedoch im Durchschnitt etwa zwei Jahre beträgt.(
)
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3.2. Qualität der Justizsysteme
Für die Messung der Qualität von Justizsystemen gibt es keine einheitliche Methode. Auch im EU-Justizbarometer 2022 wurden wieder bestimmte Faktoren untersucht, deren Relevanz für die Verbesserung der Qualität der Justiz allgemein anerkannt wird. Sie sind in zwei Kategorien unterteilt:
1) Zugänglichkeit der Justizsysteme für Bürger und Unternehmen,
2) angemessene finanzielle und personelle Ressourcen,
3) Einführung von Bewertungsinstrumenten und
4) Digitalisierung.
3.2.1. Zugänglichkeit
Während der gesamten Dauer des Verfahrens muss die Zugänglichkeit gesichert sein, um Bürgern die Einholung einschlägiger Informationen (über das Justizsystem, über die Einleitung eines Verfahrens und die damit verbundenen Kosten sowie über den Stand des Verfahrens bis zu seinem Abschluss) und das Abrufen des Urteils online zu ermöglichen.
– Prozesskostenhilfe, Gerichtsgebühren und Anwaltsgebühren –
Die Prozesskosten sind ein Schlüsselfaktor, der Einfluss auf den Zugang zur Justiz hat. Hohe Prozesskosten, einschließlich Gerichtsgebühren(
) und Anwaltsgebühren(
), können den Zugang zur Justiz behindern. Die Prozesskosten in Zivil- und Handelssachen sind auf EU-Ebene nicht harmonisiert. Sie unterliegen nationalen Rechtsvorschriften und sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich.
Zugang zu Prozesskostenhilfe ist ein in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkanntes Grundrecht.(
) Es ermöglicht den Zugang zur Justiz für diejenigen, die ansonsten nicht in der Lage wären, die Prozesskosten zu tragen oder vorzustrecken. Die meisten Mitgliedstaaten gewähren Prozesskostenhilfe ausgehend vom Einkommen des Antragstellers.(
)
In Schaubild 25 ist die Verfügbarkeit von vollständiger oder teilweiser Prozesskostenhilfe in einer bestimmten Verbraucherrechtssache mit einem Streitwert von 6000 EUR dargestellt. In diesem Schaubild werden die Einkommensgrenzen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe, ausgedrückt in Prozent in Bezug auf die Eurostat-Armutsschwelle in jedem Mitgliedstaat, verglichen.(
) Liegt die Einkommensgrenze für die Gewährung von Prozesskostenhilfe beispielsweise bei 20 %, so hat ein Antragsteller mit einem Einkommen, das 20 % über der Eurostat-Armutsschwelle in seinem Mitgliedstaat liegt, noch Anspruch auf Prozesskostenhilfe. Eine Einkommensgrenze für die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter 0 bedeutet jedoch, dass eine Person mit einem Einkommen unterhalb der Armutsschwelle möglicherweise keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat.
Einige Mitgliedstaaten verfügen über ein Prozesskostenhilfesystem, bei dem die mit einem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten zu 100 % übernommen werden (Prozesskostenhilfe mit vollständiger Kostenübernahme), ergänzt durch ein System der Übernahme eines Teils der Kosten (Prozesskostenhilfe mit teilweiser Kostenübernahme), wobei sich die Kriterien für die teilweise Kostenübernahme von denen der vollständigen Kostenübernahme unterscheiden. Andere Mitgliedstaaten haben entweder nur ein System der vollständigen oder ein System der teilweisen Kostenübernahme.
Schaubild 25: Einkommensgrenze für Prozesskostenhilfe in einem bestimmten Verbraucherrechtsverfahren, 2021 (*) (Unterschiede in % zwischen der Eurostat-Armutsschwelle und der Einkommensgrenze) (Quelle: Europäische Kommission und Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE)(
))
(*) EE: Die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nicht von der Höhe der finanziellen Mittel des Antragstellers abhängig. IE: Bei der Prozesskostenhilfe ist auch das verfügbare Vermögen des Antragstellers zu berücksichtigen. CY: Daten von 2020. MT: Daten von 2020. LV: Die Schwellenwerte sind je nach Gemeinde unterschiedlich; im Diagramm wird die Obergrenze angegeben. PT: Die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe wird von der öffentlichen Verwaltung getroffen, und das Ministerium für soziale Sicherheit beurteilt die Finanzlage des Antragstellers nach den Rechtsvorschriften. RO: Daten von 2020.
Die meisten Mitgliedstaaten verlangen von den Parteien zu Beginn eines Gerichtsverfahrens die Zahlung einer Gerichtsgebühr. Empfängern von Prozesskostenhilfe werden häufig die Gerichtsgebühren erlassen. Nur in Bulgarien, Estland, Irland, den Niederlanden, Polen und Slowenien sind die Empfänger von Prozesskostenhilfe nicht automatisch von der Zahlung von Gerichtsgebühren befreit. In Tschechien entscheidet das jeweilige Gericht im Einzelfall darüber, ob ein Empfänger von Prozesskostenhilfe Gerichtsgebühren zahlen muss oder nicht. In Luxemburg müssen Prozessparteien, die Empfänger von Prozesskostenhilfe sind, keine Gerichtsvollzieherkosten zahlen. In Schaubild 26 wird die Höhe der Gerichtsgebühren für zwei Szenarien miteinander verglichen und als Anteil am Streitwert dargestellt. Wenn die Gerichtsgebühr im nachstehenden Schaubild z. B. als Anteil in Höhe von 10 % an einem Streitwert von 6000 EUR dargestellt wird, muss der Bürger für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens eine Gerichtsgebühr von 600 EUR zahlen. Der niedrige Streitwert beruht auf der Eurostat-Armutsrisikoschwelle für den betreffenden Mitgliedstaat.
Schaubild 26: Gerichtsgebühr für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens in einem bestimmten Verbraucherrechtsverfahren, 2021 (*) (Höhe der Gerichtsgebühr als Anteil am Streitwert) (Quelle: Europäische Kommission und Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE)(
))
(*)„Niedriger Streitwert“ bedeutet einen Streitwert, der der Eurostat-Armutsschwelle für eine alleinstehende Person in dem betreffenden Mitgliedstaat entspricht, umgerechnet auf das Monatseinkommen (z. B. lag dieser Wert im Jahr 2019 zwischen 193 EUR in RO und 1824 EUR in LU). ES, PT: Keine Daten. BG, RO: Daten für 2020 für Gerichtsgebühren für einen Streitwert von 6000 EUR. Es lagen keine Informationen über Gerichtsgebühren für einen niedrigen Streitwert vor. CY: Daten von 2020. LU: Als Kläger müssen Prozessparteien für die Einleitung eines Verfahrens Gerichtsvollzieherkosten zahlen, sofern sie nicht Empfänger von Prozesskostenhilfe sind. MT: Daten von 2020. NL: Gerichtsgebühren bei einem Einkommen von < 2383 EUR/Monat. AT: Der Höchstbetrag an Gerichtsgebühren hängt von der Instanz ab. SE: Die Gerichtsgebühren für Zivilsachen hängen von der Art der Rechtssache ab. Bei Streitigkeiten mit einem Streitwert von < 2339 EUR beträgt die Gerichtsgebühr 88 EUR. Bei Streitigkeiten mit einem Streitwert von > 2339 EUR beträgt die Gerichtsgebühr 275 EUR. Für andere Arten von Forderungen gelten andere Gerichtsgebühren.
Die wirksame Durchsetzung von Verträgen ist für die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Die Wahrscheinlichkeit, dass die tatsächlichen Prozesskosten eines Rechtsstreits erstattet werden, stärkt die Stellung des Gläubigers, der einen Vertrag durchsetzen will. In der Regel ist der Gläubiger als Kläger verpflichtet, für die Anrufung des Gerichts eine Gerichtsgebühr zu entrichten. Das Gericht ordnet in der Regel an, dass der Beklagte, der verliert, die vom Kläger‚ der obsiegt hat, vorgestreckte Gerichtsgebühr in voller Höhe zu erstatten hat. In Schaubild 27 ist die Höhe der Gerichtsgebühr für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens in einer bestimmten Handelssache zwischen zwei Unternehmen in einer grenzüberschreitenden Handelsstreitigkeit zur Durchsetzung eines Vertrages mit einem Streitwert von 20 000 EUR dargestellt.
Schaubild 27: Gerichtsgebühr für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens in einer bestimmten Handelssache, 2021 (*) (in EUR) (Quelle: Europäische Kommission und CCBE(
))
(*) CY, LU, MT, PL, RO: Daten von 2020. EL, ES: Die Erstattung der Gerichtsgebühr wird von Fall zu Fall geprüft. HU: Der obsiegenden Partei wird die Gerichtsgebühr nicht vollständig erstattet.
Üblicherweise muss der Gläubiger die Honorare seines eigenen Anwalts nicht nur während der gesamten streitigen Phase, sondern auch im Vorverfahren vorstrecken. Bei der Erstattung wenden die meisten Mitgliedstaaten die Regel an, wonach die unterliegende Partei nicht nur ihre eigenen Gerichtskosten, sondern auch die der obsiegenden Partei zu tragen hat. Diese Regel schreckt von der Klageerhebung in Fällen mit geringer Gewinnwahrscheinlichkeit ab, fördert aber die Klageerhebung in Fällen mit hoher Gewinnwahrscheinlichkeit. Schaubild 28 zeigt den Betrag, den das Gericht dem obsiegenden Kläger in einer bestimmten Handelssache zuerkennen würde (siehe Fußnote 62).
Es lassen sich drei Hauptgebührensysteme unterscheiden:
1) in Mitgliedstaaten mit einer gesetzlichen Gebührenregelung hängt die Erstattung der Anwaltsgebühren von der Höhe der für die Tätigkeit des Rechtsanwalts vorgesehenen gesetzlichen Gebühr ab, die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich ist,
2) in Mitgliedstaaten ohne gesetzliche Gebührenregelung wird die Anwaltsgebühr entweder vollständig (Portugal, Finnland) oder teilweise (Lettland, Luxemburg) erstattet und
3) in einer Reihe von Mitgliedstaaten entscheidet das Gericht von Fall zu Fall über die Erstattung.
Schaubild 28: Erstattung der Anwaltsgebühren in einer Handelssache, 2021 (*) (in EUR) (Quelle: Europäische Kommission und Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE)(
))
(*) Bei dieser Zahl sind die Bürokosten und die Mehrwertsteuer, falls diese anfällt, nicht enthalten. Die in diesem Szenario vorgesehene hypothetische Anwaltsgebühr für die streitige Phase beläuft sich auf 1650 EUR. Eine vollständige Erstattung in Systemen ohne gesetzliche Gebühr bedeutet, dass dieser Betrag (1650 EUR) zurückgefordert werden kann. Die Mitgliedstaaten, in denen eine teilweise Erstattung möglich ist (LV und LU), werden nach den erstattungsfähigen Anwaltsgebühren sortiert (höchste bis niedrigste Beträge zwischen 2200 EUR und 660 EUR). Die Zahl enthält keine Angaben zur Erstattung von Anwaltsgebühren für das Vorverfahren, weil dies nicht in allen Mitgliedstaaten vorgesehen ist. IT: Es gibt eine gesetzliche Gebühr (3235 EUR im Szenario), aber das Gericht kann über die Erstattung innerhalb einer festgelegten Spanne entscheiden. LT: Das Gericht entscheidet unter Berücksichtigung der Leitlinien des Justizministeriums. Der Höchstbetrag im Szenario würde sich auf 3350 EUR belaufen. HU: Es gibt zwei Szenarien: Das Gericht könnte die vollständige Erstattung der Anwaltsgebühren der obsiegenden Partei auf der Grundlage der Gebührenvereinbarung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten anordnen; das Gericht könnte das gesetzliche Gebührensystem berücksichtigen und trotz der Vereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant nur eine teilweise Erstattung der Anwaltsgebühren der obsiegenden Partei anordnen. MT: Das Konzept der stündlichen Anwaltsgebühr existiert in MT nicht, die Erstattung richtet sich nach dem Streitwert. AT: Das Szenario ist auf das Erstattungssystem in Österreich nicht in vollem Umfang anwendbar. PL: Der Mindestbetrag der Gebühren ist gesetzlich festgelegt und abhängig vom Wert des Streitgegenstands. Das Gericht könnte die Kürzung der Gebühr oder die Zahlung der Mindestgebühr anordnen (falls die Gebühr aufgrund besonderer Umstände gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften erhöht wird).
– Zugang zu Methoden der alternativen Streitbeilegung –
In Schaubild 29 sind die Bemühungen der Mitgliedstaaten bei der Förderung der freiwilligen Nutzung von Methoden der alternativen Streitbeilegung durch Einsatz von Anreizen dargestellt. Diese können je nach Rechtsgebiet unterschiedlich ausfallen.(
)
Schaubild 29: Förderung der und Anreize für die Nutzung von Methoden der alternativen Streitbeilegung, 2021 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Höchstmögliche Punktzahl: 68 Punkte. Aggregierter Indikator auf der Grundlage folgender Daten: 1) Informationen zur alternativen Streitbeilegung werden auf eine Website gestellt; 2) Werbekampagnen in den Medien; 3) Broschüren für die Öffentlichkeit; 4) Gericht bietet auf Anfrage spezielle Informationsveranstaltungen zur alternativen Streitbeilegung an; 5) Koordinator für alternative Streitbeilegung/Mediation an Gerichten; 6) Evaluierungen zur Nutzung der alternativen Streitbeilegung werden veröffentlicht; 7) Statistiken zur Nutzung der alternativen Streitbeilegung werden veröffentlicht; 8) Prozesskostenhilfe deckt teilweise oder vollständig die Kosten der alternativen Streitbeilegung; 9) Gerichtsgebühren werden vollständig oder teilweise erstattet (Stempelgebühren inbegriffen); wenn die alternative Streitbeilegung erfolgreich ist; 10) für ein Verfahren der alternativen Streitbeilegung ist kein Anwalt erforderlich; 11) Richter kann als Mediator fungieren; 12) eine von den Parteien erzielte Einigung wird vor Gericht durchsetzbar; 13) Möglichkeit, die Verfahrenseinleitung/Klageerhebung und Einreichung von Belegen online vorzunehmen; 14) Möglichkeit zur elektronischen Information der Parteien über die Verfahrenseinleitung und die verschiedenen Verfahrensschritte; 15) Möglichkeit zur Online-Zahlung der geltenden Gebühren; 16) Einsatz von Technologien (Anwendungen mit künstlicher Intelligenz, Chatbots) zur Erleichterung der Einreichung und der Beilegung von Streitigkeiten; 17) weitere Mittel. Für jeden dieser 17 Indikatoren wurde ein Punkt für jedes Rechtsgebiet vergeben. IE: Verwaltungssachen fallen in die Kategorie „Zivil- und Handelssachen“. EL: Bei Vergabeverfahren ist an Verwaltungsgerichten höherer Instanz die alternative Streitbeilegung möglich. ES: In arbeitsrechtlichen Verfahren ist die alternative Streitbeilegung vorgeschrieben. PT: Bei zivil- und handelsrechtlichen Streitigkeiten werden Gerichtsgebühren nur im Falle der Friedensgerichte erstattet. SK: Die slowakische Rechtsordnung unterstützt die alternative Streitbeilegung in Verwaltungssachen nicht. FI: Verbraucher- und Arbeitsstreitigkeiten gelten auch als Zivilsachen. SE: Richter verfügen bei der alternativen Streitbeilegung über einen Ermessensspielraum bei Verfahrensentscheidungen. Sofern aufgrund der Art des Verfahrens vertretbar, muss es für den Richter im Vordergrund stehen, eine gütliche Einigung zu erzielen.
– Besondere Regelungen für den Zugang von Menschen mit Behinderungen zur Justiz –
Als Vertragsparteien des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen() sind die EU und alle ihre Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen einen wirksamen gleichberechtigten Zugang zur Justiz haben, indem sie angemessene Vorkehrungen im Hinblick auf Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung treffen. Darüber hinaus sollten die Vertragsstaaten für Zugänglichkeit, auch bei der Kommunikation und Information, sorgen und das Recht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht bekräftigen. Schaubild 30 zeigt ausgewählte besondere Vorkehrungen in dieser Hinsicht, beispielsweise die Verfügbarkeit von Informationen in zugänglichen Formaten, die Verfügbarkeit bestimmter Formate auf Anfrage oder die Zugänglichkeit digitaler Lösungen für Zivil- und Handelssachen, Verwaltungs- und Strafsachen vor erstinstanzlichen Gerichten für Menschen mit Behinderungen.
Schaubild 30: Besondere Regelungen für den Zugang von Menschen mit Behinderungen zur Justiz, 2021 (Quelle: Europäische Kommission(
))
– Gerichtliche Kontrolle der öffentlichen Verwaltung in unternehmensbezogenen Szenarien –
Das EU-Justizbarometer 2022 beinhaltet erstmals einen Überblick über ausgewählte rechtliche Garantien in Bezug auf Handlungen oder Unterlassungen von Verwaltungsbehörden in unternehmensbezogenen Szenarien.
Zu den einschlägigen Garantien gehören die gerichtliche Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen und vorläufiger Rechtsschutz oder die Möglichkeit einer finanziellen Entschädigung im Falle von Schweigen seitens der Verwaltung oder einer unbegründeten Entscheidung. All diese Aspekte tragen zur Qualität des Justizsystems bei und sind von besonderer Bedeutung für das Unternehmens- und Investitionsumfeld und das Funktionieren des Binnenmarkts.
Schaubild 31: Rechtliche Garantien in Bezug auf Entscheidungen oder Untätigkeit von Verwaltungsbehörden, 2021 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
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– Eine kindgerechte Justiz –
Im EU-Justizbarometer 2022 wird die kindgerechte Justiz im Vergleich zu früheren Ausgaben ausführlicher analysiert. In Schaubild 32 werden die verschiedenen Regelungen in den Mitgliedstaaten dargestellt, die ein Justizsystem besser an die Bedürfnisse von Kindern anpassen. In Schaubild 33 geht es um die besonderen Regelungen für den Fall, dass ein Kind als Opfer oder Verdächtiger/beschuldigte Person an einem Verfahren beteiligt ist.
Schaubild 32: Besondere Regelungen für kindgerechte Verfahren, 2021 (*) (Zivil- und Straf-/jugendstrafrechtliche und Verwaltungsverfahren), (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Kinder: unter 18-Jährige. Die Daten für MT zu Fortbildungen für Richter beziehen sich auf 2020.
Schaubild 33: Besondere Regelungen für kindgerechte Verfahren, an denen Kinder als Opfer oder Verdächtige oder beschuldigte Personen beteiligt sind, 2021 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Kinder: unter 18-Jährige.
3.2.2. Ressourcen
Damit das Justizsystem ordnungsgemäß funktioniert, sind ausreichende Ressourcen, einschließlich der notwendigen Investitionen in physische und technische Infrastruktur, sowie qualifiziertes, gut ausgebildetes und angemessen vergütetes Personal in allen Tätigkeitsfeldern notwendig. Ohne angemessene Einrichtungen, Instrumente oder Mitarbeiter mit den erforderlichen Qualifikationen, Kompetenzen und Möglichkeiten für ihre Fortbildung steht die Qualität gerichtlicher Verfahren und Entscheidungen auf dem Spiel.
– Finanzielle Ressourcen –
Die nachstehenden Schaubilder zeigen die tatsächlichen Staatsausgaben für den Betrieb des Justizsystems (ohne Gefängnisse) sowohl nach Einwohnern (Schaubild 34) als auch als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) (Schaubild 35).
Schaubild 34: Gesamtausgaben des Staates für die Gerichtsbarkeit in EUR je Einwohner, 2012, 2018–2020 (*) (Quelle: Eurostat)
(*) Die Mitgliedstaaten sind absteigend nach ihren Ausgaben im Jahr 2020 sortiert. Die folgenden Daten sind vorläufig: DE (2018–2020), ES (2020), FR (2019–2020), IT (2020) und PT (2020).
Schaubild 35: Gesamtausgaben des Staates für die Gerichtsbarkeit als Prozentsatz des BIP, 2012, 2018–2020 (*) (Quelle: Eurostat)
(*) Die Mitgliedstaaten sind absteigend nach ihren Ausgaben im Jahr 2020 sortiert. Die folgenden Daten sind vorläufig: DE (2018–2020), ES (2020), FR (2019–2020), IT (2020) und PT (2020).
– Personelle Ressourcen –
Angemessene personelle Ressourcen sind für die Qualität des Justizsystems unerlässlich. Vielfalt unter den Richtern, einschließlich eines ausgewogeneren Geschlechterverhältnisses, bringt einen Zuwachs an Wissen, Kompetenzen und Erfahrungen und spiegelt die gesellschaftliche Realität wider.
Schaubild 36: Zahl der Richter, 2012, 2018–2020 (*) (je 100 000 Einwohner) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Diese Kategorie besteht nach der CEPEJ-Methodik aus Vollzeit-Richtern. Rechtspfleger, die es nur in einigen Mitgliedstaaten gibt, sind nicht erfasst. AT: Daten zur Verwaltungsgerichtsbarkeit sind ab 2016 enthalten. EL: Seit 2016 umfassen die Daten zur Zahl der Berufsrichter alle Dienstränge für die Straf- und Ziviljustiz sowie für Verwaltungsrichter. IT: Regionale Prüfkommissionen, lokale Steuerkommissionen und Militärgerichte werden nicht berücksichtigt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird seit 2018 berücksichtigt.
Schaubild 37: Anteil der Richterinnen am Obersten Gericht, 2019–2021 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Die Daten sind absteigend nach den Werten des Jahres 2020 sortiert. MT: 2019 und 2020 gab es keine Frauen am Obersten Gericht.
Schaubild 38: Zahl der Anwälte, 2012, 2018–2020 (*) (je 100 000 Einwohner) (Quelle: CEPEJ-Studie)
(*) Nach der CEPEJ-Methodik sind Anwälte Personen, die gemäß innerstaatlichem Recht mit der Qualifikation oder Erlaubnis ausgestattet sind, im Namen ihrer Mandanten zu handeln und sich für diese einzusetzen, in die Rechtspraxis eingebunden zu sein, vor Gericht aufzutreten oder ihre Mandanten in juristischen Belangen zu beraten oder zu vertreten (Empfehlung Rec(2000)21 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten über die freie Berufsausübung der Anwältinnen und Anwälte). DE: In Deutschland wird nicht zwischen verschiedenen Gruppen von Anwälten (z. B. Rechtsberatern und Prozessanwälten) unterschieden. FI: Seit 2015 umfasst die Zahl der Anwälte sowohl die Zahl der im privaten Sektor als auch die Zahl der im öffentlichen Sektor tätigen Anwälte.
– Aus- und Fortbildung –
Die justizielle Aus- und Fortbildung leistet einen wichtigen Beitrag zur Qualität gerichtlicher Entscheidungen und zum Dienst der Justiz für die Bürger. Die nachstehenden Daten betreffen die justizielle Aus- und Fortbildung in einem breiten Spektrum von Bereichen, darunter Kommunikation mit Parteien und Presse und juristische Kompetenzen.
Schaubild 39: Verfügbarkeit von Fortbildungsveranstaltungen für Richter im Bereich Kommunikation, 2021 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Höchstmögliche Punktzahl: 16 Punkte. Die Mitgliedstaaten erhielten 1 Punkt, wenn sie eine Erstausbildung anbieten, und 1 Punkt im Falle von Fortbildungen (maximal 2 Punkte für jede Art der Fortbildung). MT: Daten von 2020.
3.2.3. Bewertungsinstrumente
Eine regelmäßige Evaluierung könnte dazu beitragen, dass das Justizsystem besser auf aktuelle und künftige Herausforderungen reagieren kann, und somit seine Qualität verbessern. Umfragen (Schaubild 40) sind unerlässlich, um zu bewerten, wie die Justizsysteme aus Sicht der Angehörigen der Rechtsberufe und der Verfahrensbeteiligten funktionieren.
Schaubild 40: Themen von Umfragen bei Verfahrensbeteiligten oder Angehörigen der Rechtsberufe, 2019 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Die Mitgliedstaaten erhielten für jedes angegebene Thema einen Punkt pro Umfrage, unabhängig davon, ob die jeweilige Umfrage auf nationaler, regionaler oder Gerichtsebene durchgeführt wurde. „Sonstige Themen“ umfassen: eine Meinungsumfrage unter Prozessparteien über die neuen Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der von den Gerichten erbrachten Dienstleistungen und ihrer Zugänglichkeit (FR); eine Umfrage unter Richtern zu Themen wie der allgemeinen Lage des Justizsystems, ihrer Funktion und der Unabhängigkeit der Justiz (ES), die Unterstützung für Opfer von Straftaten (PL), allgemeine Aspekte der Gerichte und ihre Arbeitsweise, Zugang zu Informationen über Gerichte, Einrichtungen an Gerichten, für das Verfahren zuständige Richter, Ressourcen, Loyalität (PT).
3.2.4. Digitalisierung
Die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) kann die Justizsysteme der Mitgliedstaaten stärken, sie zugänglicher, effizienter, widerstandsfähiger machen und ihre Möglichkeiten, gegenwärtige und künftige Herausforderungen zu bewältigen, verbessern. Die COVID-19-Pandemie hat sich auch auf die nationalen Justizsysteme negativ ausgewirkt und ließ eine Reihe von Herausforderungen mit Auswirkung auf das Funktionieren der Justiz in den Vordergrund treten. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die nationalen Justizsysteme ihre Digitalisierung weiter verbessern müssen.
Frühere Ausgaben des EU-Justizbarmeters enthielten Vergleichsdaten zu bestimmten Aspekten von IKT in den Justizsystemen. Wie in der Mitteilung der Kommission über die Digitalisierung der Justiz in der Europäischen Union vom 2. Dezember 2020() angekündigt, wurde das Justizbarometer um weitere Daten zur Digitalisierung in den Mitgliedstaaten deutlich erweitert. Dies dürfte eine eingehendere Überwachung der Fortschrittsbereiche und offenen Herausforderungen ermöglichen.
Bürgerfreundliche Justizsysteme zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass Informationen über nationale Justizsysteme nicht nur leicht zugänglich sind, sondern dass sie auch auf spezielle Bevölkerungsgruppen zugeschnitten sind, die andernfalls nur unter Schwierigkeiten an die Informationen gelangen würden. Schaubild 41 enthält Angaben zur Verfügbarkeit von Online-Informationen und spezifischen öffentlichen Diensten, die den Zugang zur Justiz erleichtern können.
Schaubild 41: Verfügbarkeit von Online-Informationen über das Justizsystem für die Öffentlichkeit, 2021 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
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(*) DE: Darüber, welche Informationen online bereitgestellt werden, entscheiden jeweils die einzelnen Bundesländer sowie der Bund.
– Vorschriften zur digitalen Bereitschaft –
Die Verwendung digitaler Lösungen bei Zivil-/Handelssachen, Verwaltungssachen und Strafsachen setzt häufig die angemessene Regulierung in den nationalen Verfahrensordnungen voraus. In Schaubild 42 wird die Möglichkeit für verschiedene Akteure aufgezeigt, per Fernkommunikationstechnologie (z. B. Videokonferenz) an Verfahren mit Bezug zu Gerichtsverfahren teilzunehmen, und die aktuelle Lage hinsichtlich der Zulässigkeit digitaler Beweismittel wiedergegeben.
Schaubild 42: Verfahrensordnungen, nach denen digitale Technologie in Gerichten bei Zivil-/Handelssachen, Verwaltungssachen und Strafsachen erlaubt ist, 2021 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Für jeden Mitgliedstaat stellt die erste Säule Verfahrensordnungen für Zivil-/Handelssachen dar, die zweite Säule Verfahrensordnungen für Verwaltungssachen und die dritte Säule Verfahrensordnungen für Strafsachen. Höchstmögliche Punktzahl: 12 Punkte. Für jedes Kriterium wurden zwei Punkte vergeben, wenn die Möglichkeit für alle Zivil-/Handelssachen, Verwaltungssachen bzw. Strafsachen besteht (bei Strafsachen wurde die Möglichkeit, die Parteien anzuhören, aufgeteilt, um sowohl Beschuldigte als auch Opfer abzudecken). Die Punkte werden durch zwei geteilt, wenn die Möglichkeit nicht in allen Fällen besteht. Bei Mitgliedstaaten, die nicht zwischen Zivil-/Handelssachen und Verwaltungssachen unterscheiden, wurde die gleiche Punktzahl für beide Rechtsgebiete vergeben. EL: Keine für Verwaltungs- und Strafsachen. LU: Keine für Verwaltungssachen.
– Nutzung digitaler Werkzeuge –
Neben den Verfahrensordnungen mit digitaler Bereitschaft müssen Gerichte und Staatsanwaltschaften über angemessene Werkzeuge und Infrastrukturen verfügen, die Fernkommunikation und sicheren Fernzugriff auf den Arbeitsplatz ermöglichen (Schaubild 43). Auch für die sichere elektronische Kommunikation zwischen Gerichten/Staatsanwaltschaften und Angehörigen der Rechtsberufe und Institutionen sind angemessene Infrastruktur und Anlagen notwendig (Schaubilder 44 und 45).
Die IKT, einschließlich der innovativen Technologie, spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Arbeit der Justizbehörden. Daher trägt sie wesentlich zur Qualität der Justizsysteme bei. Die Verfügbarkeit verschiedener digitaler Werkzeuge für Richter, Staatsanwälte und Justizbedienstete kann die Arbeitsverfahren optimieren, eine faire Arbeitsbelastung sicherstellen und zu wesentlichen Zeitersparnissen führen.
Schaubild 43: Nutzung digitaler Technologie durch Gerichte und Staatsanwaltschaften, 2021 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
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(*) Höchstmögliche Punktzahl: 7 Punkte. Für jedes Kriterium wurde ein Punkt vergeben, wenn die Gerichte beziehungsweise Staatsanwaltschaften eine bestimmte Technologie nutzen und 0,5 Punkte wenn die Technologie nicht immer von ihnen genutzt wird.
Eine sichere elektronische Kommunikation kann zur Verbesserung der Qualität der Justizsysteme beitragen. Die Möglichkeit der Gerichte, sowohl untereinander als auch mit Angehörigen der Rechtsberufe und anderen Institutionen elektronisch zu kommunizieren, kann Verfahren optimieren und die Notwendigkeit der Kommunikation in Papierform und der persönlichen Anwesenheit verringern, wodurch die Dauer der Vor- und Gerichtsverfahren verringert werden könnte.
Schaubild 44: Gerichte: elektronische Kommunikationsmittel, 2021 (*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Höchstmögliche Punktzahl: 5 Punkte. Für jedes Kriterium wurde ein Punkt vergeben, wenn die Gerichte über eine sichere elektronische Kommunikation verfügen. 0,5 Punkte wurden vergeben, wenn diese Möglichkeit nicht in allen Fällen besteht. FI: Die Aufgaben der Notare betreffen nicht die Gerichte. Daher gibt es keinen Grund, ihnen eine sichere Verbindung zur Verfügung zu stellen.
Staatsanwaltschaften sind von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren des Strafjustizsystems. Auch sie können vom Zugang zu einem sicheren elektronischen Kommunikationskanal profitieren, der ihre Arbeit erleichtern und somit zur Verbesserung der Qualität der Gerichtsverfahren beitragen könnte. Die Möglichkeit der sicheren elektronischen Kommunikation zwischen Staatsanwaltschaften und Ermittlungsbehörden, Strafverteidigern und Gerichten würde eine schnellere und effizientere Vorbereitung der Gerichtsverfahren unterstützen.
Schaubild 45: Staatsanwaltschaft: elektronische Kommunikationsmittel, 2021(*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Höchstmögliche Punktzahl: 5 Punkte. Für jedes Kriterium wurde ein Punkt vergeben, wenn die Staatsanwaltschaften über Möglichkeiten zur sicheren elektronischen Kommunikation verfügen. 0,5 Punkte wurden vergeben, wenn diese Möglichkeit nicht in allen Fällen besteht. Die Verfügbarkeit elektronischer Kommunikationsmittel bei Staatsanwaltschaften beinhaltet die Kommunikation mit von der Staatsanwaltschaft beauftragten Rechtsanwälten.
– Online-Zugang zu Gerichten –
Bestimmte Vorgänge in einem Gerichtsverfahren auf elektronischem Wege durchführen zu können, ist ein wichtiger Aspekt der Qualität von Justizsystemen. Die elektronische Klageerhebung und die Möglichkeit, ein Verfahren online zu verfolgen und voranzutreiben, oder die Zustellung von Schriftstücken elektronisch vorzunehmen, kann den Zugang zur Justiz für Bürger und Unternehmen (oder ihre gesetzlichen Vertreter) spürbar erleichtern und Verzögerungen und Kosten verringern. Die Verfügbarkeit solcher digitaler öffentlicher Dienstleistungen würde dazu beitragen, die Gerichtsbarkeit den Bürgern und Unternehmen einen Schritt näher zu bringen, und im weiteren Sinne das Vertrauen in das Justizsystem erhöhen.
Schaubild 46: Digitale Lösungen für die Einleitung und Verfolgung von Verfahren in Zivil-/Handelssachen und Verwaltungssachen, 2021(*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Höchstmögliche Punktzahl: 9 Punkte. Für jedes Kriterium wurde ein Punkt vergeben, wenn die Möglichkeit in allen Zivil-/Handelssachen beziehungsweise Verwaltungssachen besteht. 0,5 Punkte wurden vergeben, wenn diese Möglichkeit nicht in allen Fällen besteht. Bei Mitgliedstaaten, die nicht zwischen Zivil-/Handelssachen und Verwaltungssachen unterscheiden, wurde die gleiche Punktzahl für beide Rechtsgebiete vergeben.
Der Einsatz digitaler Werkzeuge zur Durchführung und Verfolgung von Gerichtsverfahren in Strafsachen kann auch dazu beitragen, die Rechte der Opfer und Beschuldigten zu wahren. Zum Beispiel können digitale Lösungen für vertrauliche Fernkommunikation zwischen den Beschuldigten und ihren Anwälten sorgen, es Beschuldigten in Untersuchungshaft ermöglichen, sich auf die Anhörung vorzubereiten, oder dazu beitragen, dass die sekundäre Viktimisierung der Opfer von Straftaten verhindert wird.
Schaubild 47: Digitale Lösungen für die Durchführung und Verfolgung von Gerichtsverfahren in Strafsachen, 2021(*) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Höchstmögliche Punktzahl: 6 Punkte. Für jedes Kriterium wurde ein Punkt vergeben, wenn die Möglichkeit in allen Strafsachen besteht. 0,5 Punkte wurden vergeben, wenn diese Möglichkeit nicht in allen Fällen besteht.
– Zugang zu Urteilen –
Mit der Einrichtung eines Online-Zugangs zu Urteilen wird erreicht, dass die Transparenz von Justizsystemen erhöht wird, dass Bürger und Unternehmen ihre Rechte besser verstehen und dass für eine einheitlichere Rechtsprechung gesorgt wird. Das Ermöglichen der Online-Veröffentlichung von Gerichtsurteilen ist für die Einrichtung von benutzerfreundlichen Suchmasken(
), mit denen der Zugang zur Rechtsprechung für Angehörige der Rechtsberufe, aber auch für die Öffentlichkeit verbessert wird, von entscheidender Bedeutung. Ein nahtloser Zugang zu und eine einfache Weiterverwendung der Rechtsprechung sorgen für ein algorithmenfreundliches Justizsystem und ermöglichen die Nutzung innovativer Anwendungen der „Rechtstechnik“, mit denen Sachverständige unterstützt werden.
Bei der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen im Internet müssen vielfältige Interessen innerhalb der durch rechtliche und politische Rahmenbedingungen festgelegten Grenzen in Einklang gebracht werden. Die Datenschutz-Grundverordnung() gilt uneingeschränkt für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Gerichte. Bei der Beurteilung, welche Daten veröffentlicht werden sollen, muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Recht auf Datenschutz und dem Recht auf Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen gefunden werden, um die Transparenz des Justizsystems zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse vorherrscht, das die Offenlegung dieser Daten rechtfertigt. In vielen Ländern schreibt das Gesetz oder die Praxis vor, gerichtliche Entscheidungen vor ihrer Veröffentlichung zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren(
), entweder systematisch oder auf Anfrage. Die von der Justiz erzeugten Daten unterliegen auch den EU-Rechtsvorschriften über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors.(
)
Die Verfügbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in einem maschinenlesbaren Format(
) erleichtert ein algorithmenfreundliches Justizsystem(
).
Schaubild 48: Online-Zugang der Öffentlichkeit zu veröffentlichten Urteilen, 2021 (*) (Zivil-/Handelssachen, Verwaltungssachen und Strafsachen, alle Instanzen) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Höchstmögliche Punktzahl: 9 Punkte. Für jede Gerichtsinstanz wurde ein Punkt vergeben, wenn alle Urteile in Zivil-/Handelssachen sowie Verwaltungs- und Strafsachen zugänglich sind, 0,75 Punkte, wenn die meisten Urteile (mehr als 50 %) zugänglich sind, und 0,5 Punkte, wenn nur manche Urteile (weniger als 50 %) zugänglich sind. Hat ein Mitgliedstaat nur zwei Gerichtsinstanzen, wurden Punkte für drei Gerichtsinstanzen durch Spiegelung der jeweils höheren Instanz an der nicht vorhandenen Instanz vergeben. Bei Mitgliedstaaten, die nicht zwischen den beiden Rechtsgebieten (Zivil-/Handelssachen und Verwaltungssachen) unterscheiden, wurde die gleiche Punktzahl für beide Rechtsgebiete vergeben. BE: In Zivil- und Strafsachen entscheidet jedes Gericht über die Veröffentlichung seiner eigenen Urteile. DE: Jedes Bundesland entscheidet über die Online-Verfügbarkeit erstinstanzlicher Urteile. AT: In erster und zweiter Instanz entscheiden die Richter, welche Urteile veröffentlicht werden. Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, mit denen eine Berufung ohne ausführliche Begründung zurückgewiesen wird, werden nicht veröffentlicht. Entscheidungen des Obersten Verwaltungsgerichtshofs, die von einem Einzelrichter getroffen werden, werden veröffentlicht, wenn der betreffende Richter die Veröffentlichung beschließt. Darüber hinaus werden Entscheidungen, die nur Rechtsfragen enthalten, bei denen es bereits eine ständige Rechtsprechung des Obersten Verwaltungsgerichthofs gibt, und nicht komplizierte Entscheidungen betreffend die Einstellung von Verfahren nicht veröffentlicht. NL: Die Gerichte entscheiden über die Veröffentlichung gemäß entsprechenden Kriterien. PT: Eine Kommission innerhalb des Gerichts entscheidet über die Veröffentlichung. SI: Verfahrensentscheidungen mit geringer oder keiner Bedeutung für die Rechtsprechung werden nicht veröffentlicht; von Entscheidungen in Fällen, die inhaltlich identisch sind (z. B. Massenfälle) wird nur die Grundsatzentscheidung veröffentlicht (zusammen mit der Liste der Verfahrensakten mit gleichem Inhalt). Einzelne höherrangige Gerichte entscheiden, welche Urteile veröffentlicht werden können. SK: Entscheidungen über verschiedene Arten von Zivilsachen wie Erbsachen oder Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft werden nicht veröffentlicht. FI: Die Gerichte entscheiden, welche Urteile veröffentlicht werden.
Schaubild 49: Regelungen für die Erstellung maschinenlesbarer Gerichtsentscheidungen, 2021 (*) (Zivil-/Handelssachen, Verwaltungssachen und Strafsachen, alle Instanzen) (Quelle: Europäische Kommission(
))
(*) Höchstmögliche Punktzahl: 24 Punkte je Art der Rechtssache. Für jede der drei Instanzen (erste, zweite und letzte Instanz) kann ein Punkt vergeben werden, wenn alle Gerichtsentscheidungen abgedeckt sind. Wenn bei einer Instanz nur einige Gerichtsentscheidungen abgedeckt sind, wird nur ein halber Punkt vergeben. Hat ein Mitgliedstaat nur zwei Instanzen, wurden Punkte für drei Instanzen durch Spiegelung der jeweiligen höheren Instanz an der nicht vorhandenen Instanz vergeben. Für die Mitgliedstaaten, in denen nicht zwischen Verwaltungssachen und Zivil-/Handelssachen unterschieden wird, werden für beide Rechtsgebiete dieselben Punkte vergeben. ES: Die Nutzung der Datenbank des Allgemeinen Rates für das Justizwesen (Consejo General del Poder Judicial – CGPJ) für kommerzielle Zwecke oder das massive Herunterladen von Informationen ist nicht zulässig. Die Weiterverwendung dieser Informationen für die Erstellung von Datenbanken oder für kommerzielle Zwecke muss nach dem Verfahren und den Bedingungen erfolgen, die vom CGPJ im Rahmen seines Juristischen Dokumentationszentrums festgelegt wurden. IE: Die Anonymisierung von Urteilen erfolgt im Familienrecht, bei der Kinderfürsorge und in anderen Bereichen, in denen gesetzlich vorgeschrieben ist oder ein Richter anordnet, dass die Identität der Parteien oder Personen nicht offengelegt werden dürfen.
3.2.5. Zusammenfassung zur Qualität der Justizsysteme
Ein einfacher Zugang, ausreichende Ressourcen, effektive Bewertungsinstrumente und Digitalisierung tragen zu einer hohen Qualität der Justizsysteme bei. Bürger und Unternehmen erwarten qualitativ hochwertige Entscheidungen von einem funktionierenden Justizsystem. Das EU-Justizbarometer 2022 liefert eine vergleichende Analyse dieser Faktoren.
Zugänglichkeit
Im EU-Justizbarometer 2022 wird erneut eine Reihe von Elementen näher beleuchtet, die zu einem bürgerfreundlichen Justizsystem beitragen:
·Die Verfügbarkeit von Prozesskostenhilfe und die Höhe der Gerichtsgebühren haben einen wesentlichen Einfluss auf den Zugang zur Justiz, insbesondere für Menschen, die in Armut leben. Schaubild 25 zeigt, dass Verbrauchern, deren Einkommen unter der Eurostat-Armutsschwelle liegt, in einigen Mitgliedstaaten keine Prozesskostenhilfe gewährt würde. Im Vergleich zu 2020 ist der Zugang zu Prozesskostenhilfe – und insbesondere der teilweise Zugang – in rund einem Drittel der Mitgliedstaaten erleichtert worden bzw. wurde in zwei Mitgliedstaaten stärker eingeschränkt. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu dem bisherigen Trend, dass der Zugang zu Prozesskostenhilfe in einigen Mitgliedstaaten schwieriger geworden ist. Die Höhe der Gerichtsgebühren (Schaubild 26) ist seit 2016 weitgehend unverändert geblieben, obwohl die Gerichtsgebühren bei Klagen mit geringem Streitwert in mehreren Mitgliedstaaten erhöht wurden. Die Belastung durch Gerichtsgebühren bei Klagen mit geringem Streitwert ist nach wie vor proportional höher. Die Kombinationswirkung aus der Schwierigkeit, Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen zu können, und den teilweise hohen Gerichtsgebühren in einigen Mitgliedstaaten könnte Menschen in Armut davon abschrecken, sich an die Gerichte zu wenden.
·Die Höhe der Gerichtsgebühren für streitige Verfahren in einer Handelssache (Schaubild 27) ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich (zwischen 0,1 % und 6 % des Streitwerts), wobei nur zwei Mitgliedstaaten überhaupt keine Gerichtsgebühren erheben. Im Vergleich zu 2020 ist die Höhe der Gerichtsgebühren weitgehend stabil geblieben, wobei nur zwei Mitgliedstaaten die Gebühren gesenkt haben und ein Mitgliedstaat die Gebühren erhöht hat. In Schaubild 28 ist dargestellt, in welchem Umfang die obsiegende Partei die Prozesskosten in einer Handelssache erstattet bekommen kann. Es bestehen sowohl zwischen den Mitgliedstaaten mit und ohne gesetzliches Gebührensystem als auch innerhalb dieser Gruppen große Unterschiede in Bezug auf die Erstattung von Anwaltsgebühren für die streitige Phase (insbesondere zwischen mehr und weniger großzügigen gesetzlichen Gebührensystemen). Darüber hinaus hängt die Erstattungsfähigkeit von Prozesskosten in vielen Mitgliedstaaten vom Ermessen der Gerichte ab. Die Großzügigkeit eines Systems bei der Erstattung von Gerichtsgebühren kann die Betroffenen entweder dazu animieren oder davon abhalten, Klage zu erheben, was sich auf den Zugang zur Justiz insgesamt auswirkt.
·Im EU-Justizbarometer 2022 wird die Analyse der Arten der Förderung der freiwilligen Anwendung von Methoden der alternativen Streitbeilegung durch die Mitgliedstaaten ausgeweitet (Schaubild 29), einschließlich der Möglichkeit, digitale Technologien zu nutzen. Im Vergleich zu 2020 hat ein Drittel der Mitgliedstaaten seine Bemühungen zur Förderung dieser Methoden erhöht und ebenfalls rund ein Drittel seine Bemühungen reduziert. Generell gibt es bei verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten weniger Möglichkeiten zur Förderung von Methoden der alternativen Streitbeilegung als bei zivil-, handels-, arbeits- oder verbraucherrechtlichen Streitigkeiten, wobei jedoch in diesem Bereich im Vergleich zu 2020 ein leichter Anstieg der Bemühungen zu beobachten ist.
·Im EU-Justizbarometer 2022 wird erstmals eine Bestandsaufnahme der bestehenden besonderen Regelungen zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen beim gleichberechtigten Zugang zur Justiz vorgenommen. Aus Schaubild 30 geht hervor, dass alle Mitgliedstaaten zumindest einige Vorkehrungen getroffen haben – meist in Form von verfahrenstechnischen Vorkehrungen oder Informationen in barrierefreien Formaten. In mehr als der Hälfte der Mitgliedstaaten stehen auf Anfrage besondere Formate wie Brailleschrift, Gebärdensprache oder leicht lesbare Formate zur Verfügung. Digitale Lösungen für Zivil-, Handels-, Verwaltungs- und Strafsachen vor erstinstanzlichen Gerichten sind in etwas mehr als der Hälfte der Mitgliedstaaten auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich.
·Bestimmte Aspekte der gerichtlichen Kontrolle von Handlungen und Unterlassungen der öffentlichen Verwaltung werden im Justizbarometer 2022 auf der Grundlage spezifischer Unternehmensszenarien ebenfalls erstmals erfasst. Aus Schaubild 31 geht hervor, dass Unternehmen in fast allen Mitgliedstaaten eine finanzielle Entschädigung für Schäden erhalten können, die durch Verwaltungsentscheidungen oder das Schweigen der Verwaltung verursacht wurden, und dass die Gerichte die Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen aussetzen können. Diese Elemente können sich auf das Vertrauen der Anleger, das Unternehmensumfeld und das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken, was eine genauere Überwachung und Analyse erforderlich macht.
·Das EU-Justizbarometer 2022 enthält eine eingehendere Analyse der Maßnahmen, mit denen die Mitgliedstaaten für ein kindgerechtes Justizsystem sorgen. Hier wird vor allem die Auswahl der Regelungen in den verschiedenen Verfahrensarten dargestellt (Schaubild 32) und (in Schaubild 33) unterschieden zwischen einem Kind, das als Opfer bzw. als Verdächtiger oder beschuldigte Person an einem Verfahren beteiligt ist. Aus Schaubild 32 geht hervor, dass in allen Mitgliedstaaten zumindest einige Vorkehrungen für Kinder getroffen werden, wobei es meist darum geht, dass sie ihren besonderen Bedürfnissen und Rechten entsprechend angemessen behandelt werden. Fast alle Mitgliedstaaten bieten auch Fortbildungen für Richter zu kindgerechter Justiz an. In Schaubild 33 werden die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in diesem Bereich und die Tatsache verdeutlicht, dass in etwa einem Drittel der Mitgliedstaaten vergleichsweise weniger besondere Regelungen für Kinder bestehen, die als Verdächtige oder beschuldigte Personen an einem Verfahren beteiligt sind.
Ressourcen
Hochwertige Justizsysteme in den Mitgliedstaaten sind auf eine ausreichende Ausstattung mit finanziellen und personellen Ressourcen angewiesen. Dies erfordert angemessene Investitionen in die physische und technische Infrastruktur, eine angemessene Aus- und Fortbildung sowie eine gewisse Vielfalt unter den Richtern sowie auch ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis. Das EU-Justizbarometer 2022 lässt Folgendes erkennen:
·In Bezug auf die finanziellen Ressourcen zeigen die Daten, dass die Gesamtausgaben des Staates für die Gerichtsbarkeit im Jahr 2020 in den Mitgliedstaaten weiterhin weitgehend stabil geblieben sind, wobei es nach wie vor erhebliche Unterschiede bei den tatsächlichen Beträgen sowohl in Euro je Einwohner als auch in Prozent des BIP zwischen den Mitgliedstaaten gibt (Schaubilder 34 und 35). Fast alle Mitgliedstaaten haben ihre Ausgaben als Prozentsatz des BIP im Jahr 2020 erhöht (ein Anstieg im Vergleich zu 2019), und die meisten haben auch ihre Pro-Kopf-Ausgaben erhöht.
·In den meisten Mitgliedstaaten beträgt der Anteil der Richterinnen am Obersten Gerichtshof nach wie vor weniger als 50 % (Schaubild 37). Die Zahlen für den Dreijahreszeitraum 2019–2021 deuten auf unterschiedliche Frauenanteile und Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedstaaten hin, doch seit 2010 ist der Anteil der Richterinnen am Obersten Gericht in den meisten Mitgliedstaaten gestiegen.
·Zur Verbesserung der Kommunikation mit schutzbedürftigen Gruppen (Schaubild 39) bieten die meisten Mitgliedstaaten Schulungen zur bestmöglichen Kommunikation mit Opfern geschlechtsspezifischer und/oder häuslicher Gewalt und mehr als zwei Drittel der Mitgliedstaaten Schulungen zur Kommunikation mit Asylsuchenden und Menschen mit unterschiedlichem kulturellem, religiösem, ethnischem oder sprachlichem Hintergrund an. Rund die Hälfte der Mitgliedstaaten bietet Schulungen zur Kommunikation mit Seh- oder Hörgeschädigten an. Darüber hinaus werden in mehr als zwei Dritteln der Mitgliedstaaten Schulungen zur Nutzung sozialer Medien und/oder zur Kommunikation mit den Medien angeboten und in rund der Hälfte der Mitgliedstaaten Sensibilisierungsmaßnahmen und Schulungen zum Umgang mit Desinformation durchgeführt.
Bewertungsinstrumente
·Der Einsatz von Umfragen unter Verfahrensbeteiligten und Angehörigen der Rechtsberufe (Schaubild 40) ging 2020 im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren zurück, wobei sich eine gleichbleibende Zahl von Mitgliedstaaten dafür entschieden hat, keine Umfragen durchzuführen. Die Mitgliedstaaten, die keine Umfragen durchgeführt haben, sind jedoch nicht immer dieselben wie im Vorjahr, was darauf hindeutet, dass einige Mitgliedstaaten alle zwei Jahre oder noch seltener Umfragen durchführen. Zu den wiederholten Umfragethemen gehörten nach wie vor die Zugänglichkeit, der Kundendienst, Gerichtsverhandlungen und Gerichtsurteile sowie das allgemeine Vertrauen in das Justizsystem, während nur wenige Mitgliedstaaten die Zufriedenheit von Gruppen mit besonderen Bedürfnissen oder die Kenntnis von Einzelpersonen in Bezug auf ihre Rechte in ihre Umfragen einbezogen.
Digitalisierung
Seit der Ausgabe 2021 ist im EU-Justizbarometer ein erweiterter Teil enthalten, in dem die Aspekte in Verbindung mit der Digitalisierung der Justiz detailliert betrachtet werden. Obwohl die meisten Mitgliedstaaten bereits digitale Lösungen in verschiedenen Kontexten und in unterschiedlichem Maße nutzen, besteht nach wie vor erheblicher Verbesserungsbedarf.
·Fast alle Mitgliedstaaten verfügen über gewisse Online-Informationen über ihr Justizsystem, darunter Websites mit sichtbaren und verständlichen Informationen über den Zugang zu Prozesskostenhilfe sowie über Gerichtsgebühren und Anspruchskriterien für deren Verringerung (Schaubild 41). Es bestehen jedoch Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich des Informationsstands und des Grades, in dem die Informationen den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. So bieten beispielsweise nicht viele Mitgliedstaaten (nur 13) eine interaktive Online-Simulation an, bei der man herausfinden kann, ob man Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat. Andererseits gibt es in den meisten Mitgliedstaaten eine Website mit Online-Formularen für Unternehmen und Einzelpersonen sowie Informationen für Nicht-Muttersprachler.
·Weniger als die Hälfte der Mitgliedstaaten hat digitaltaugliche Verfahrensordnungen (Schaubild 42), durch die die Nutzung der Fernkommunikation und die Zulässigkeit ausschließlich digitaler Beweismittel möglich ist. In den übrigen Mitgliedstaaten stehen diese Möglichkeiten nur unter bestimmten Umständen zur Verfügung. Dennoch konnte seit 2020 fast die Hälfte der Mitgliedstaaten Fortschritte verzeichnen.
·Für die Nutzung digitaler Technologien durch Gerichte und Staatsanwaltschaften (Schaubild 43) haben die meisten Mitgliedstaaten bereits verschiedene digitale Werkzeuge für Gerichte, Staatsanwälte und Bedienstete bereitgestellt. Obwohl die meisten Mitgliedstaaten über Fallbearbeitungssysteme, Videokonferenzsysteme und Telearbeitsregelungen verfügen, sind weitere Fortschritte bei der Automatisierung der Fallzuweisungssysteme und bei der Verbesserung der Verfügbarkeit von künstlicher Intelligenz und Blockchain-basierten Instrumenten erforderlich.
·In den meisten Mitgliedstaaten verfügen die Gerichte über sichere elektronische Kommunikationsmittel. In einigen Mitgliedstaaten können die Gerichte allerdings nur mit bestimmten Angehörigen der Rechtsberufe und/oder nationalen Behörden mittels sicherer elektronischer Lösungen kommunizieren (Schaubild 44). Bei Staatsanwaltschaften (Schaubild 45) sind in mehr als einem Drittel der Mitgliedstaaten umfassend sichere elektronische Kommunikationsmöglichkeiten für Angehörige der Rechtsberufe und nationale Behörden vorhanden, was gegenüber 2020 einen Fortschritt darstellt.
·Bei Zivil-, Handels- und Verwaltungssachen bieten die meisten Mitgliedstaaten den Bürgern und Unternehmen (oder deren gesetzlichen Vertretern) Online-Zugang zu ihren laufenden oder abgeschlossenen Fällen (Schaubild 46), wenn auch in unterschiedlichem Maße. In mehr als einem Drittel der Mitgliedstaaten profitierten Bürger und Unternehmen von einem verbesserten Online-Zugang im Vergleich zu 2020. Dennoch haben Beschuldigte und Opfer in Strafsachen (Schaubild 47) trotz Verbesserungen in rund der Hälfte der Mitgliedstaaten in den meisten Mitgliedstaaten nur sehr begrenzte Möglichkeiten, ihren Fall mithilfe digitaler Lösungen teilweise zu verfolgen oder zu bearbeiten.
·Im Justizbarometer 2022 werden die Daten zum Online-Zugang zu Gerichtsurteilen (Schaubild 48) ausführlicher bewertet, um ein genaueres Bild der Situation in den Mitgliedstaaten zu vermitteln. Daher weichen die Ergebnisse von denen des letzten Jahres ab. Dies trifft vor allem auf die Veröffentlichung von höchstinstanzlichen Urteilen zu: 22 Mitgliedstaaten veröffentlichen alle Urteile in Zivil-, Handels- und Verwaltungssachen und 22 Mitgliedstaaten veröffentlichen auch Urteile in Strafsachen. Dennoch werden Urteile zweiter Instanz seltener veröffentlicht, wobei nur zehn Mitgliedstaaten alle Urteile zweiter Instanz veröffentlichen.
·Im EU-Justizbarometer 2022 werden die Regelungen in den Mitgliedstaaten, die dazu beitragen können, dass maschinenlesbare Gerichtsentscheidungen erstellt werden, weiter analysiert (Schaubild 49). In allen Mitgliedstaaten gibt es zumindest einige Regelungen für Zivil-, Handels-, Verwaltungs- und Strafsachen, obwohl erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Es scheint, dass die Verwaltungsgerichte bei der Gewährung eines nahtlosen Zugangs zu und der Erleichterung der einfachen Weiterverwendung der Rechtsprechung durch „Rechtstechnik“ nutzende Unternehmen relativ weit fortgeschritten sind. Im Allgemeinen besteht eine Tendenz zur Einführung weiterer Regelungen, insbesondere in Bezug auf die Verfügbarkeit von Metadaten bei Urteilen hinsichtlich Schlüsselwörtern, Datum der Entscheidungen und Regelungen personenbezogener Daten in den veröffentlichten Urteilen. 2021 gaben zehn Mitgliedstaaten eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr an. In Justizsystemen, in denen Regelungen für die Gestaltung von Urteilen nach Standards eingeführt wurden, die ihre maschinelle Lesbarkeit ermöglichen, könnten in Zukunft bessere Ergebnisse erzielt werden.
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